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faktor Herbst 2021

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www.mehralseinmagazin.de

17. Jahrgang Herbst 2021 8 Euro

› MEHR ALS EIN MAGAZIN

› DAS ENTSCHEIDER-MAGAZIN FÜR DIE REGION GÖTTINGEN

erfolgsgeschichte Wissenschaftlerin Nivedita Mani erforscht die Kraft der Sprache und verändert so unsere Sicht auf die Welt 64


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editorial

FOTO COVER: ALCIRO THEODORO DA SILVA / FOTO EDITORIAL: LUKA GORJUP

Das Leben ist bunt ... und schreibt die schönsten Geschichten.

Damit lässt sich der Inhalt unserer Herbstausgabe, so finde ich, ganz ausgezeichnet

zusammenfassen – denn wie selten zuvor treffen in diesem faktor die unterschiedlichsten

Menschen und Themen aufeinander.

Uni-Professorin ,Nivi‘ Mani – unsere Coverfrau – ist gebürtige Inderin und der

festen Überzeugung, dass die Kraft der Sprache das Leben von Kindern und

unsere gesamte Welt verändern kann. Matthias Walter erzählt, wie er kurz nach

dem Mauerfall mit seinen Reiseland-Büros Träume von Freiheit erfüllte und so

ein Millionengeschäft aufbaute. Außerdem erfahren Sie, wo die Schmerz tabletten

aus den meisten deutschen Apotheken hergestellt werden – nämlich in Göttingen –

und in unserem Gesundheitsschwerpunkt, worauf es für Männer bei der Vorsorge

wirklich ankommt.

Und wir nehmen Sie mit auf gleich zwei Reisen in die Vergangenheit: Wandeln Sie

mit uns auf den historischen Spuren der Wirtschaftsgeschichte Göttingens und

begeben Sie sich auf einen visuellen Spaziergang über den ältesten Friedhof der

Stadt, der in diesem Jahr sein 140-jähriges Bestehen feiert.

Doch damit nicht genug! Erstmals integrieren wir in dieser Ausgabe auch unseren

faktor Stil – das Magazin für Lebensart und Wohnkultur in Südniedersachsen.

Hier stellen wir Ihnen den ersten Göttinger Weinbauer vor, testen den neuen

Elektro- Porsche und sprechen mit der Gründungskuratorin des frisch eröffneten

Kunsthauses über ihre Pläne auf der internationalen Kunstbühne.

Bei der Lektüre all dieser wunderbaren Geschichten wünsche ich Ihnen viel

Vergnügen sowie einen entspannten und vor allem bunten Herbst!

Ihre Elena Schrader

Chefredakteurin

schrader@faktor-magazin.de

www.mehralseinmagazin.de

3 |2021 3


inhalt

unternehmen

18 Am laufenden Band

Der Arzneimittelhersteller

NextPharma feiert sein 75-jähriges

Bestehen in Göttingen

32 Der Zug nimmt wieder Fahrt auf

40 Jahre Marketing Club

36 Weiter wachsen

faktor-Sonderausgabe

zum Neubau bei Qioptiq

leben

86 Spiel, um zu wachsen!

Rebecca Klingenberg und Gabriel

von Berlepsch begleiten Menschen

auf einer Reise zu sich selbst

90 Über allem schwebt

Vergänglichkeit

140 Jahre Göttinger Stadtfriedhof

64 Für eine bessere Welt

Mehrfach ausgezeichnet. Nivedita Mani

weiß, wie Sprache die Sicht auf unsere

Welt verändert. Sie kämpft für mehr

Chancengleichheit für Kinder in sozial

schwachen Milieus.

4 3 |2021

Mit im Magazin:

faktorStil ab Seite 103

wissen

38 Die lange Tradition des

Göttingen-Spirits

Geschichte eines erfolgreichen

Wirtschaftsstandorts

48 Mann vs. Schweinehund

Worauf es beim Thema

Männergesundheit wirklich

ankommt

56 Neue Wege der Früherkennung

Prostatakrebs-Vorsorge sichert

Überlebenschancen

61 Von Recht und Pflicht

Fachanwältin Anneke Fasterding

über die Selbstbestimmung des

Patienten

mensch

64 Die Kraft der Sprache

Uni-Professorin Nivedita Mani

erforscht den Spracherwerb von

Kleinkindern und den Weg in eine

bessere Welt

70 Reise ins Glück

Matthias Walter baut nach

der Wende mit Reiseland ein

Millionengeschäft auf

78 Wenn Dinge sich fügen

Das Erfolgsrezept von Anika Riedel

für regionale Produkte – und

für Riedels Ketchup

stil

104 Ein rares Tröpfchen

Apotheker Michael Winkler

betreibt Weinanbau vor den

Toren Göttingens

112 „Kaffee ist fertig!“

Alexander Pohl, Inhaber der

Einbecker Kaffeerösterei, entführt in

die Welt der Bohnen und Aromen

118 As Porsche as possible

Im Test: der erste Elektro-Porsche,

der Taycan Turbo

126 Schöne neue Arbeitswelt

Bosse aus Höxter fertigt

flexible Büromöbel

132 Fokus auf Papier

Im Gespräch mit der Kuratorin des

Göttinger Kunsthauses

service

3 Editorial

8 Momentaufnahmen

Besondere Augenblicke

vergangener Tage

14 Aktuelles

Neues aus der faktor-Redaktion

145 Impressum

146 Komisch, is’ aber so

Comic von Hagen Schulze


FOTOS: ALCIRO THEODORO DA SILVA

18 NextPharma-Leiter Georg Althaus führt durch die Pillenproduktion

»Ich wage zu behaupten, dass es in Deutschland

keine Apotheke gibt, in der Sie nichts aus

unserer Produktion finden.«

90 Bilder sagen mehr als Worte

140 Jahre Göttinger Stadtfriedhof

– ein visueller Spaziergang über die

älteste Ruhestätte der Stadt

132 Gedanken in Bilder verwandeln

Tiefe Einblicke. Ute Eskildsen, Gründungskuratorin des Kunsthauses Göttingen, über ihren

Fokus auf Papier und die Kunst als treibende Kraft in unserer Gesellschaft

70 Zur rechten Zeit zur Stelle

Nach der Wende. Matthias Walter wusste

sofort, dass sich mit dem Mauerfall eine

einmalige Chance eröffnete, und gründete

‚Reiseland‘.

3 |2021 5


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momentaufnahmen

Momentaufnahmen

faktor lässt besondere Ereignisse in der Region mit ausgewählten Impressionen Revue passieren.

FOTOGRAFIE ALCIRO THEODORO DA SILVA

Die Kultur lebt wieder auf!

Das Festival im Kaiser-Wilhelm-Park – kurz KWP – am 3. und 4. September war nach der

Zwangspause im vergangenen Jahr wieder ein voller Erfolg. Neben Lea & the Moment und

den Göttinger Lokalmatadoren von Flooot rockte unter anderem auch Michael Schulte (Foto)

die Bühne. Die Freude, endlich wieder live vor Publikum aufzutreten, war allen Künstlern

gleichermaßen anzumerken und übertrug sich trotz der vorgegebenen Corona-Maßnahmen

auf die insgesamt 1.400 glücklichen Besucher des Waldes.

8 3 |2021


momentaufnahmen

3 |2021 9


momentaufnahmen

Biker am Start

Am 21. August lud der PS.Speicher in Einbeck, Europas größte Oldtimersammlung,

einmal mehr zum PS.Bikertag ein. Bereits zum dritten Mal kamen zahlreiche Motorradfahrer

zusammen und hauchten der historischen Fachwerkstadt mit ihren heißen Reifen neues Leben

ein. Das Thema in diesem Jahr ,Honda – The Power of Dreams‘ lockte dabei nicht nur Honda-

Fahrer auf ihren Öfen hervor, sondern interessierte Gäste aller Art bevölkerten die Gassen.

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momentaufnahmen

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momentaufnahmen

Händel feiert – endlich – Jubiläum

Mit dieser Aufführung fing vor 101 Jahren für die Internationalen Händel-Festspiele Göttingen alles an:

mit Rodelinda (Foto). Und wie bereits über ein Jahrhundert zuvor verzauberte die Titelheldin der gleichnamigen

Oper auch bei der diesjährigen Premiere am 9. September im Deutschen Theater die Zuschauer.

Auch an den folgenden Tagen stießen die weiteren Live-Veranstaltungen in Göttingen und Umgebung auf

Begeisterung – hatte man dem großen Jubiläum doch lang genug entgegengefiebert! Händel-Enthusiasten

aus aller Welt kamen zusammen, um nach mehr als einem Jahr coronabedingter Verspätung endlich das

100-jährige Bestehen der Festspiele gebührend (nach) zu feiern.

12 3 |2021


momentaufnahmen

3 |2021 13


aktuelles

faktor präsentiert

Sonderausgabe: Excelitas

FOTO: ALCIRO THEODORO DA SILVA

Ein stark wachsender Hochtechnologiekonzern, ein neues

Produktionswerk und ein enormer Aufwand zur Gewährleistung

der Reinheitsqualität – Excelitas in Göttingen erweitert seine

Kapazitäten und weiht ein neues Gebäude im Göttinger Science

Park ein.

Was genau hinter dieser enormen Investition in die Zukunft steckt

und wie sich das Unternehmen seit seiner Gründung entwickelt

hat, erfahren Sie in der aktuellen faktor-Sonderausgabe.

Einen kleinen Einblick ins Heft erhalten Sie bereits auf Seite 36.

34. faktor-Business-Lounge

„Alles so schön digital hier …“

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für Ihr Unternehmen?

Nicole Benseler versorgt Sie gern mit weiteren Infos:

Tel. 0551 309839-22 oder benseler@faktor-magazin.de

Am 16. September war es endlich so weit: Nach langer coronabedingter

Pause fand erstmals wieder die faktor-Business-

Lounge statt und war sogleich ein voller Erfolg. Zu Gast:

Felix Dossmann. Der Selfmade-Unternehmer und Computer-

Nerd sprach im Audi Zentrum Göttingen zum Thema

‚Digitalisierung – über die Chancen und Risiken auf unseren

(Daten-)Autobahnen‘. 1998 gründete er noch aus dem Studium

heraus seine erste Firma und machte sie zum Marktführer im

Bereich mobile Datenerfassung in der deutschen Lebensmittellogistik.

Seit dem erfolgreichen Verkauf seines Unternehmens

vor vier Jahren berät er nun Start-ups, unterstützt sie bei

Gründung und Wachstum und bringt sie mit Investoren

zusammen. Darüber hinaus berät Dossmann Mittelständler im

Bereich der digitalen Transformation.

In seinem spannenden Impulsvortrag machte der Speaker auf

der Lounge deutlich, dass man auch mit seinen aktuell bereits

bestehenden digitalen Ressourcen Veränderungen herbeiführen

kann. Im Anschluss konnten sich die Teilnehmenden noch in

entspannter Atmosphäre bei Snacks und Getränken über ihre

eigenen Schritte und Pläne hin zu mehr Digitalität im

Arbeitsalltag austauschen.

Hier geht’s zur Bildergalerie des Abends:

www.faktor-magazin.de/faktor-business-lounge-bildergalerien

14 3 |2021


aktuelles

In den Startlöchern

Die 35. faktor-Business-

Lounge wird eine Show!

Wieder auf den Geschmack gekommen, findet am 18. November

direkt die nächste faktor-Business-Lounge in der Sheddachhalle

im Sartorius-Quartier in Göttingen statt. Und dieses Mal

ist etwas Außergewöhnliches geplant: Theaterbesuch und

Persönlichkeitsentwicklung in einem!

Zukunft in Sicht

Der neue faktorAzubi

ist da!

Neben zahlreichen Bewerbungs- und Freizeittipps wirft

faktorAzubi in der aktuellen Ausgabe einen prüfenden Blick

auf die vielseitige Branche der Handwerksberufe, spricht mit

Azubis und Studierenden und kommt zu einem eindeutigen

Fazit: Handwerk macht glücklich! Mit dem Big-Five-

Persönlich keitstest können Schüler und Absolventen

dann herausfinden, ob das Handwerk auch zu ihrem Typ

passt – oder in welchem Beruf sie doch besser aufgehoben

wären. Und mit dem kreativen ‚Spiel deines Lebens‘ können

sich die Fachkräfte von morgen auf unterhaltsame Weise

auch gleich noch der Frage nähern: Ausbildung oder Studium?

Als Schauspielende am Deutschen Theater Göttingen vermitteln

Rebecca Klingenberg und Gabriel von Berlepsch spielerisch die

Grundlagen von mehr Präsenz und gesteigerter Co-Kreativität

im Team. Mit ihrem Konzept Playtogrow richten sie sich an

Unternehmer, Führungskräfte und Mitarbeitende, die sich selbst

neu entdecken und ihr Auftreten selbstbewusst gestalten wollen.

Am Abend der faktor-Business-Lounge verraten Klingenberg

und von Berlepsch, wie man Atem, Stimme und Haltung als

Tool für starke und authentische Botschaften nutzen kann, präsentieren

die besten Tricks für mehr Spontanität und empathisches

Zusammenspiel und geben obendrein unterhaltsame Einblicke

hinter die Kulissen ihres Film- und Theater alltags. Mehr zu

Playtogrow lesen Sie auch in dieser Ausgabe ab Seite 86.

Seien Sie dabei!

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FOTO: CHRISTOPH TÜRKAY

3 |2021 15


aktuelles

FOTO: ALCIRO THEODORO DA SILVA

Netzwerken

Inspirierende Geschichten

Kurz vor der Sommerpause fand im Juni noch der faktor-Mittagsclub mit

Paul und Richard Petersik (Foto o.) statt. Die Brüder berichteten im Amavi von

ihrer Mission, einen nachhaltigen Weinbau mit digitalen Lösungen zu fördern.

So entstand VineForecast, ein neues System, das exakte Krankheitsprognosen

für den Winzer erstellt. Einfach und bezahlbar – dafür wurde VineForecast

bereits im vergangenen Jahr beim Lift-Off-Gründungswettbewerb der Uni

Göttingen mit dem Publikumspreis Wissenschaft ausgezeichnet.

Wollen Sie auch mal dabei sein?

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faktor-mittagsclub-bildergalerien

Gut erholt traf man sich Ende August dann wieder in gewohnter Runde.

Zu Gast waren Oliver Becker (r.) und Lukas Campen von der Film produktion

und Medienagentur weTellmedia. Ihr erklärtes Ziel: komplexe Inhalte

verständlich, bewegend und visuell ansprechend vermitteln. Vor dem gemeinsamen

Essen gaben sie den Teilnehmern einen kurzweiligen Einblick in ihre Arbeit

und auch gleich noch praktische Tipps für professionelle Videos und

einnehmendes Storytelling.

16 3 |2021


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Am laufenden Band

18 3 |2021


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Der Arzneimittelhersteller NextPharma feiert sein 75-jähriges Bestehen in Göttingen.

Jährlich versorgt uns das Unternehmen mit über neun Milliarden Tabletten –

die Pillen gegen Kopfschmerz und Co. erhalten wir in jeder Apotheke.

TEXT SVEN GRÜNEWALD FOTOGRAFIE ALCIRO THEODORO DA SILVA

3 |2021 19


unternehmen

20 3 |2021


unternehmen

LESEZEIT: 8 MINUTEN

Ich wage zu behaupten, dass es in Deutschland keine

Apotheke gibt, in der Sie nichts aus unserer Produktion

finden“, sagt Georg Althaus, Leiter des

NextPharma-Standorts in Göttingen. Rund um die

Uhr werden hier die gängigsten Arzneimittel hergestellt

und in die ganze Welt verschickt – wie Ibuprofen, Paracetamol

oder Blutdrucksenker. Insgesamt werden jährlich

ungefähr acht Milliarden Tabletten und 1,2 Milliarden

beschichtete sogenannte Film tabletten abgepackt.

Zur europaweiten NextPharma-Gruppe gehören neun

jeweils klar spezialisierte Produktionsstandorte: Fünf

davon sind in Deutschland, zwei in Frankreich sowie

jeweils einer in Finnland und Schottland. Göttingen ist

auf feste Arzneiformen spezialisiert. NextPharma tritt

selbst jedoch nie namentlich in Erscheinung, denn die

Gruppe ist ein sogenannter Lohnhersteller oder genauer

eine CDMO: Contract Development Manufacturing

Organisation. „Wir haben keine eigenen Produkte, sondern

produzieren und entwickeln Arzneimittel für an dere

Kunden“, erklärt der Werksleiter Georg Althaus. Das bedeutet

konkret: NextPharma übernimmt wahlweise die

Produktion auf Basis eines Rezepts und Patents eines

Pharmaunternehmens oder erhält den Auftrag, etwa eine

Kopfschmerztablette bis zur Marktreife zu entwickeln.

Zur Person

Georg Althaus kam vor 43 Jahren im Eichsfeld zur

Welt. Nach dem Studium der Pharmazie in Marburg

promovierte er im Bereich Pharmazeutische Technologie

an der Universität Würzburg. 2006 fing er als Assistent

der Herstellungsleitung bei NextPharma in Göttingen an.

2008 übernahm er die Abteilungs leitung der Tablettenproduktion,

2010 wurde er Leiter der Entwicklungsabteilung,

2014 Produktionsleiter – und seit sechs

Jahren leitet Althaus den gesamten Standort.

ES SIND DIESELBEN KOMPETENZEN wie in einem

Pharmaunternehmen, die NextPharma unter seinem

Dach vereint. Dass man sich dennoch aus der Entwicklung

und dem Vertrieb von Eigenprodukten heraushält,

hat sowohl praktische Gründe als auch Kostengründe.

Denn nach der Produktentwicklung kommt der deutlich

kostenintensivere Teil. Bevor eine Arznei zugelassen

wird, müssen klinische Studien durchgeführt werden, zudem

stehen Stabili täts unter suchungen und die Prozessvali

die rung an. Nach der Zulassung kommt das Marketing

für neue Produkte – in einem Markt, in dem in

Deutschland schon knapp über 100.000 Arzneimittel

vorhanden sind.

3 |2021 21


unternehmen

22 3 |2021


unternehmen

Beeindruckende Zahlen Mit seinen knapp 430 Mitarbeitern ist der

NextPharma-Standort in Göttingen vor allem auf die Herstellung von festen

Arzneiformen spezialisiert – ca. acht Milliarden Tabletten und 1,2 Milliarden

beschichtete sogenannte Filmtabletten werden hier jährlich über

die Laufbänder befördert und abgepackt.

Stattdessen profitiert NextPharma von den Marktbedingungen

in der Branche. „In der Pharmaindustrie

gibt es einen großen Preisdruck“, sagt Althaus. Da lohne

es sich nicht für jeden Kunden, eine eigene Produktion

aufzubauen. Im Gegenteil gebe es sogar den Trend, dass

selbst große Pharmaunternehmen ihre Produktion auslagern

– „da das nur ein kleiner Teil der Wertschöpfungskette

ist, aber viel Arbeit bedeutet“, erklärt der

promovierte Apotheker. Diese Auslagerungstendenzen

betreffen vor allem kleinere und mittlere Volumina, denn

nicht jedes Arzneimittel ist ein Blockbuster, der in

milliar denfacher Stückzahl gefertigt wird. „Bei einer

Milliarde Tabletten stellt man die Maschine einmal ein,

und dann läuft sie das ganze Jahr. Bei einer Million Tabletten

lohnt sich das einfach nicht.“ Gleiches gilt auch

für Arzneimittel, deren Patentschutz ausgelaufen ist, was

die Gewinnmargen deutlich reduziert.

DASS LOHNHERSTELLER GEFRAGT SIND, zeigen die

Zahlen von NextPharma. Am Standort Göttingen ist die

Mitarbeiterzahl in den letzten zehn Jahren von 260 auf

aktuell rund 430 gewachsen, der Umsatz hat sich allein

in den letzten fünf Jahren verdoppelt. Konzernweit

erwirtschaften die etwa 2.000 Mitarbeiter einen Umsatz

von rund 300 Millionen Euro bei einer jährlichen Wachstumsrate

des Ergebnisses von 14 Prozent.

Konkurrenz im Segment der Lohnhersteller gibt es

reichlich, doch NextPharma hat es geschafft, unter die

Top 10 in Europa aufzusteigen. „Gelungen ist uns das,

weil wir uns auf attraktive Technologien und teils auch

Nischen spezialisiert haben“, sagt Althaus. Denn in

Göttingen werden nicht etwa nur Tabletten produziert,

auch wenn das den Hauptumsatz ausmacht. Außer der

Produktion werden Arzneimittel auch neu entwickelt

und analytische Methoden konzipiert, anhand derer sich

die korrekte Wirkstoffzusammensetzung eines Pro-

3 |2021 23


unternehmen

Extrem hohe Standards Etwa ein Viertel aller Mitarbeiter bei NextPharma sind derweil in der Qualitätskontrolle und -sicherung tätig.

24 3 |2021


unternehmen

3 |2021 25


unternehmen

„Und so bin ich hiergeblieben – weil sich

immer Möglichkeiten ergeben haben,

die ich wahrscheinlich bei einem großen

Unternehmen nicht bekommen hätte.“

dukts über wachen lässt – es werden mikrobiologische

Prüfungen durchgeführt, mit denen beispielsweise Sonnencremes

darauf geprüft werden, ob sie mit Keimen belastet

sind. Und dann gibt es noch ein weiteres Standbein,

allerdings ein noch relativ neues: die Produktion klinischer

Prüfmuster. Hier werden in Kooperation mit Kliniken

kleine Chargen noch nicht zugelassener Produkte gefertigt,

die dann in klinischen Tests zum Einsatz kommen.

DAMIT SETZT NEXTPHARMA die lange Tradition findiger

Arzneiproduktion fort, mit der 1946 am Standort Göttingen

alles begann. Die damals gegründete Penicillin-

Gesellschaft Dauelsberg sah im Nachkriegsdeutschland

den hohen Bedarf an Penicillin-Antibiotika zur Behandlung

von Kriegsverletzungen. Da die Nachfrage jedoch bei

Weitem nicht gedeckt werden konnte, wurde man kreativ:

Da US-Soldaten gut mit Antibiotika versorgt waren,

filterte man in der Penicillin-Gesellschaft kurzerhand

den Wirkstoff aus dem Urin der Soldaten zurück.

DASS SICH GÖTTINGEN, als größter Standort der

NextPharma-Gruppe, so gut entwickelt hat, sei auch

dem Umfeld geschuldet. „Apotheker werden zwar nicht

an der Universität ausgebildet“, sagt Althaus, „aber wir

finden hier Ingenieure und Biologen mit einer sehr guten

Grundausbildung. Das hat geholfen, das Unternehmen

so schnell voranzubringen.“ Der 43-Jährige nimmt Göttingen

als einen sehr innovationsfreundlichen Standort

wahr, weshalb es auch den erklärten Willen gebe, hier zu

bleiben. Dazu trage auch die sehr gute Zusammenarbeit

mit den Genehmigungsbehörden bei.

Aktuelles Beispiel für die schnellen Verfahren und das

starke Wachstum ist eine Investition von 15 Millionen

Euro, die NextPharma hier im vergangenen Jahr getätigt

hat. Das Investitionsprojekt, das innerhalb von zwölf

Monaten umgesetzt wurde, umfasste den Bau eines

1.000 Quadratmeter großen Gebäudes auf zwei Ebenen

mit zusätzlichen Produktionsanlagen im Erd geschoss –

zum Mischen, Granulieren, Tablettieren und Befilmen.

Keine leichte Aufgabe auf dem seit 1946 organisch ge-

26 3 |2021


unternehmen

wachsenen Werksgelände in der Stadt – bei laufender

Produktion und fast kontinuierlichem Lieferverkehr.

Doch es hat sich gelohnt: Dadurch hat sich die Kapazität

in Göttingen noch einmal um 25 Prozent erweitert.

DIE INVESTITION IST TEIL einer breiteren Erweiterungs

strategie an allen Standorten der Gruppe, die stark

wachsen – trotz der Herausforderungen durch die Pandemie.

So ist etwa durch die Lockdownmaßnahmen die

Nachfrage nach Antibiotika, Husten- und Schnupfenarzneimitteln

sowie Grippemedikamenten um bis zu

80 Prozent eingebrochen. „Zum Glück sind wir jedoch

sehr vielfältig aufgestellt und haben einen breiten

Kunden stamm“, sagt Georg Althaus. „So konnten wir

die Krise ausbalancieren und dennoch weiter wachsen.“

Und eben dieses dynamische Wachstum eröffnet auch

den Mitarbeitern Chancen. So sind im Führungsteam viele

Mitarbeiter um die 40 – der neue Lagerleiter ist noch

keine 30. „Wir sind ein relativ junges Team und diese

Chance, in Führungspositionen hineinzuwachsen, ist

wichtig, wenn wir neue Mitarbeiter suchen“, so Althaus.

Der Standortleiter ist selbst das beste Beispiel dafür. „Ich

wollte nach meiner Promotion eigentlich nicht zu einem

Lohnhersteller, sondern zu einem der großen Pharmakonzerne.

Allerdings war die Stellenausschreibung in Göttingen

als Assistenz des Herstellungsleiters sehr spannend.“

Dadurch, dass das pharmazeutische Aufgabenspektrum

sehr vielfältig ist, habe der Mittelständler ihm die Chance

geboten, viele Bereiche kennenzulernen. Schon nach einem

Jahr wurde Althaus Abteilungsleiter in der Tablettenherstellung,

später in der Entwicklungsabteilung, hat sich

weiterqualifiziert und durfte schließlich Arzneimittel für

den Markt freigeben. 2015 erhielt er das Angebot, die

Werksleitung zu übernehmen. „Und so bin ich hiergeblieben

– weil sich immer Möglichkeiten ergeben haben, die

ich wahrscheinlich bei einem großen Unternehmen nicht

bekommen hätte.“ Für den gebürtigen Eichsfelder zudem

eine Gelegenheit, in der Region zu bleiben.

ETWA EIN VIERTEL ALLER MITARBEITER sind derweil in

der Qualitätskontrolle und -sicherung tätig. Das hat mit

den hohen Standards zu tun, die eingehalten werden

müssen – und die für einen regen internationalen Besuch

im Göttinger Werk sorgen. Rund 150 Kunden auf sechs

Kontinenten beliefert NextPharma, und die Vorgaben

aller Länder sowie der Kunden müssen eingehalten werden.

Um zu überprüfen, dass das auch passiert, geben

sich Inspektoren der jeweiligen Zulassungsbehörden

und Kunden quasi die Klinke in die Hand. „Wir haben

jede Woche mindestens eine Inspektion oder ein Audit“,

so Althaus. „Das ist alles andere als business as usual

und tatsächlich auch immer wieder aufregend.“

Jedes Jahr gibt es andere Schwerpunkte der Inspektoren,

auch national gibt es unterschiedliche Prioritäten.

„Eine Inspektorin aus Afrika wollte wissen, wo unser

Wasser herkommt“, erzählt der Werksleiter. Was für uns

selbstverständlich ist – nämlich, dass es sauber aus dem

Hahn kommt –, ist in Uganda und Kenia anders.“ US-Inspektoren

der Food and Drug Administration legten hingegen

viel Wert auf eine harte Dokumentation und

Nachvollziehbarkeit aller Prozesse, um sich gegen eventuelle

Klagen abzusichern. Insofern müsse man sich immer

wieder überraschen lassen, was auf einen zukommt,

so Althaus.

VON DEM IMAGEPROBLEM der Pharmabranche sieht

Althaus sein Unternehmen als Lohnhersteller nicht direkt

betroffen. „Wir sind ein Servicebetrieb und produzieren

für andere“, sagt der Standortleiter. Bei aller Kritik

werde sehr oft vergessen, wie viel Arbeit und Kosten in

der Entwicklung von Arzneimitteln stecken. „Wir sehen

jedes Jahr, mit wie vielen Firmen wir Projekte starten

und wie viele Entwicklungen bis zur Marktreife pulverisiert

werden.“ Nur eine von neun schaffe diesen Weg.

„Darum sollte man sich auch bewusst machen, dass wir

am Ende Menschen helfen und sie heilen wollen.“ƒ

ZUM UNTERNEHMEN

Die komplizierte Geschichte von NextPharma in Göttingen

1946 wurde in Göttingen die Penicillin-Gesellschaft

Dauelsberg gegründet, die zunächst aus dem Urin von

US-Soldaten Penicillin zurückgewann, weil im Nachkriegsdeutschland

ein hoher Bedarf daran bestand.

1976 wurde die Firma von SmithKline übernommen.

1990 kaufte die Gehe AG den Standort und gründete

daraus die allphamed Arzneimittelgesellschaft.

1996 kaufte die Bielefelder Pharbil Pharma den Standort.

1999 wurde die PenCef Pharma als Joint Venture mit der

Haupt Pharma AG gegründet. Die allphamed Arzneimittelgesellschaft

und PenCef Pharma existieren – unter dem

Dach der NextPharma als eingetragene Unternehmen am

Standort Göttingen – noch heute.

2000 wurde aus den beiden Standorten Bielefeld

und Göttingen im Rahmen einer Restrukturierung des

Unternehmens die NextPharma gegründet, die seither

ihre Standorte durch gezielte Zukäufe erweitert.

3 |2021 27


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Kein Display ohne diese Firma

Der Coherent-Standort Göttingen wird 50!

Gemeinsam mit geladenen Gästen aus Politik und Wirtschaft sowie allen geschätzten

Mitarbeitern feierte das Unternehmen am 7. September seine Erfolgsgeschichte: Was 1971

als Zwei-Mann-Firma begann, hat heute rund 450 Beschäftigte und vier Werke im Stadtteil

Grone – ohne die dort produzierten Laser kommt weltweit keine Displayherstellung aus.

Geschäftsführer Dr. K. Schmidt begrüßte die Gäste.

Göttinger Lasertechnologie ermöglicht Hightech-Innovationen.

Die ehemaligen Geschäftsführer Dr. D. Basting (mit R. Basting), R. Waldermann, Dr. T. Damm sowie

der aktuelle Geschäftsführer Dr. K. Schmidt im Foyer des Verwaltungsgebäudes

Der Göttingen-Standort der Firmengruppe

von Coherent entwickelt und

produziert eine entscheidende UV-

Laser technologie in verschiedenen Varianten:

den Excimer-Laser. Es sind berührungslose

Präzisionswerkzeuge, mit denen kleinste Strukturen

erzeugt werden können, die hundertmal

kleiner als ein menschliches Haar sind. Entscheidend

für die Industrie, denn kein weltweit

produziertes OLED- oder LCD-Display

– beispielsweise in Smartphones, Tablets und

Flachbildschirmen – kommt in der Herstellung

ohne diesen Laser aus. Der wachsende Markt

trägt dazu bei, dass sich der Standort Göttingen

in der Firmengruppe stark entwickelt.

IM DEZEMBER 2016 hat die Firma in Göttingen

ihr inzwischen viertes Werk in Grone (mit

über 5.000 Quadratmetern Produktionsfläche)

eröffnet – die weiteren Aussichten für den Standort

sind sehr gut. Es ist eine Erfolgsstory, die

1971 begann, als Bernd Steyer und Dirk Basting

aus dem Max-Planck-Institut für biophysikalische

Chemie heraus die Firma Lambda Physik

gründeten und 1977 ihren ersten kommerziellen

Excimer-Laser vermarkteten. 1990 hatte die


PROFIL

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Ortsbürgermeisterin B. Sterr überreichte

Geschäftsführer K. Schmidt einen Präsentkorb

mit Göttinger Spezialtäten.

Firmengründer Dr. D. Basting gab spannende Einblicke in die Zeit der Ausgründung des Unternehmens

und die turbulenten Anfangsjahre. So manche Anekdote brachte die Gäste zum Schmunzeln.

Dem Wetter entsprechend war für das leibliche

Wohl nach der Veranstaltung gesorgt.

Die Gäste aus Politik und Wirtschaft im Hörsaal

waren von der 50-jährigen Erfolgs geschichte des

Unternehmens beeindruckt.

Die Mitarbeiter verfolgten die Festvorträge auf

eigens dafür installierten TV-Bildschirmen.

Firma bereits um die 100 Mitarbeiter und 2021

etwa 450. 2004 wurde sie vom US-Unternehmen

Coherent übernommen.

DAS BESONDERE AM EXCIMER-LASER ist,

dass er hauchdünne Schichten mit gepulstem

UV-Licht schnell und dabei hoch präzise

be arbeiten kann. So können für dünne und

hochauflösende Displays großflächig feinste

Transistor-Strukturen aus mit dem Excimer-

Laser kristallisierten Siliziumfilmen produziert

werden. Für die Excimer-Laser aus Göttingen

gibt es zahlreiche Anwendungsgebiete. Den

Hauptmarkt stellt jedoch die Displaybearbeitung

dar, die entsprechenden Lasersysteme

sind wohnzimmergroß.

COHERENT PRODUZIERT zudem Excimer-

Laser für ganz andere Anwendungen. So stehen

etwa in Augenarztpraxen und -kliniken Lasersysteme

für die LASIK-Hornhautchirurgie

und ermöglichen vielen ein Leben ohne Sehhilfe

– und mit der Pulsed Laser Deposition

können industrielle Substrate ultradünn mit

effizienteren Materialien beschichtet werden.

Und auch die Wissenschaft greift gerne auf

die Göttinger Coherent-Lasertechnologie zurück:

Auf der Zugspitze, dem höchsten Berg

Deutschlands, ist in der dortigen Umweltforschungsstation

ein Excimer-Laser zur Atmosphärenbeobachtung

im Einsatz.

DIE PERSPEKTIVEN SIND SEHR GUT: Die

bereits 50 Jahre währende Göttinger Wachstums-

und Erfolgsgeschichte geht weiter.

Denn in der 5G-Kommunikation, der Energiewende

und neuen Mobilitätsformen kann der

Excimer-Laser seine besonderen Eigenschaften

gerade da ausspielen, wo andere Produktionstechnologien

an ihre Grenzen stoßen.

TEXT: SVEN GRÜNEWALD

KONTAKT

Coherent LaserSystems GmbH & Co. KG

Hans-Böckler-Str. 12

37079 Göttingen

Tel. 0551 6938-0

www.coherent.com


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Hinten (v.l.n.r.) Martin Liese, Maren Dörhage, Andrea Glaser, Steffen Beese, Claudia Weski, Matthias Leonhardt, Rainer Hald, Michael Birlin, Daniela Henkelmann,

Marco Ebrecht, Nadine Jacobi, Maik Fiedler. Vorne: Thomas Häntzsch, Heike Herbst, Max-Leon Ott, Melanie Kaufhold, Frank Hasselmann

Maren Dörhage, Claudia Weski, Andrea Glaser

Thomas Häntzsch, Marco Ebrecht, Steffen Beese

Martin Liese, Maik Fiedler, Frank Hasselmann

Daniela Henkelmann, stellvertretende Leiterin des

Private Banking, und Matthias Leonhardt,

Leiter Private Banking

Melanie Kaufhold, Max-Leon Ott,

Nadine Jacobi, Heike Herbst

Matthias Leonhardt, Rainer Hald, Michael Birlin,

Daniela Henkelmann


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Der Qualität verpflichtet

Vor 20 Jahren hat die Sparkasse Göttingen als eine der ersten Sparkassen in Deutschland

eine ganzheitliche Betreuung für vermögende Kunden aufgebaut – das Private Banking.

Seitdem hat sich dieser Bereich der Sparkasse konstant weiterentwickelt und darf sich

heute sogar ,bestes Private Banking in Niedersachsen‘ nennen.

PROFIL

Werte schaffen, bewahren und mehren.

Mit diesem Antrieb begann

die Sparkasse Göttingen im Herbst

2001 mit dem Aufbau eines Betreuungs- und

Serviceangebotes für ihre sehr vermögenden

Privatkunden und Unternehmer. Das Private

Banking sollte nicht nur den Kunden in den

Mittelpunkt stellen, sondern noch einen Schritt

weitergehen: Ziel war es, die gesamte individuelle

Lebensplanung der Kunden durch

maßgeschneiderte und nachhaltige Vermögenskonzepte

zu unterstützen. Seit nunmehr

20 Jahren fühlt sich das Private Banking diesem

Qualitätsanspruch verpflichtet. „Wir dürfen

– durchaus mit ein wenig Stolz – behaupten,

dass unser Private Banking sich im steten

Wandel der Zeit und der globalen wirtschaftlichen

Bedingungen erfolgreich mitentwickelt

hat“, sagt der Vorstandsvorsitzende der Sparkasse

Göttingen, Rainer Hald, und blickt dabei

auf die letzten zwei Jahrzehnte zurück. Hald

selbst hatte es sich damals als Vorstand zur

Aufgabe gemacht, in der Betreuung der vermögenden

Kunden neue Wege zu beschreiten.

MATTHIAS LEONHARDT, Leiter des Private

Banking und vom ersten Tag an dabei, erinnert

sich noch gut an die Anfänge. „Unser Private

Banking startete als relativ kleines Projekt

mit zwei Beratern. Wir wollten die Kunden bei

der ,Vertrauenssache Vermögen‘ so persönlich

wie möglich betreuen, jeden Kunden als

ganz individuellen Charakter in den Fokus

stellen“, sagt Leonhardt. „Wir haben dann

schnell gemerkt, dass dieser Ansatz genau

zu den Bedürfnissen und Wünschen unserer

Kundengruppe gepasst hat.“ Das erfolgreiche

Konzept sollte sich auch in den folgenden

Jahren bewähren: Heute betreut das Private

Banking der Sparkasse deutschlandweit rund

850 Familien, mehr als 60 Stiftungen und ein

Gesamtvermögen von etwa einer Milliarde

Euro. Das Deutsche Institut für Bankentests

(DIfB) hat das Beraterteam in diesem Jahr

bereits zum vierten Mal in Folge als bestes

Private Banking in ganz Niedersachsen ausgezeichnet.

BEI EINEM BLICK auf die komplexen und

vielschichtigen Lösungen, die das Private Banking

anbietet, verwundert die wiederholte Auszeichnung

nicht. Denn die Beratungsleistung

ist breit gefächert: Sie umfasst unter anderem

eine umfangreiche Wertpapier beratung,

Finanzierungsgespräche, Unterstützung bei

der Stiftungsgründung sowie Testamentsvollstreckung

bis hin zur Hilfestellung beim

Erwerb von Wald- und Ackerflächen. „Unsere

Beratungsphilosophie fußt dabei auf Werten

wie Nähe, Kompetenz, Verlässlichkeit und

Diskretion“, erklärt Matthias Leonhardt. „So

haben wir uns das Vertrauen unserer Kunden

erarbeitet, von denen wir viele bereits über

Jahrzehnte oder teilweise in der nächsten

Generation betreuen“, erklärt Matthias Leonhardt.

DIE GESPRÄCHE MIT DEN KUNDEN finden

in der Regel im historischen Michaelishaus in

der Göttinger Prinzenstraße statt, wo in den

vergangenen Jahrhunderten einige bedeutende

Gelehrte – unter anderem auch Benjamin

Franklin, einer der Gründerväter der Vereinigten

Staaten von Amerika – wohnten oder arbeiteten.

Hier bietet das Private Banking ein

besonderes Ambiente, genauso wie die Ruhe

und Diskretion, die die Kunden erwarten. So

steht auch das Michaelishaus ein wenig sinnbildlich

dafür, worauf es beim Private Banking

der Sparkasse Göttingen eben schon seit dem

ersten Tag ankommt: Werte schaffen, bewahren

und mehren.

FÜR MICHAEL BIRLIN, den Vertriebsvorstand

der Sparkasse Göttingen, ist das Jubiläum

auch ein besonderer Anlass, Danke zu

sagen: „Die höchste Qualität bei Beratung

und Service ist unser Anspruch. Das zahlen

unsere Kunden uns mit Vertrauen zurück. Zu

verdanken haben wir diesen Erfolg allen Mitarbeiterinnen

und Mitarbeitern, die täglich die

finanzielle Lebensplanung der Kunden kompetent

und mit größter Hingabe und Sorgfalt

vorantreiben.“

KONTAKT

Sparkasse Göttingen

Private Banking

Prinzenstr. 21

37073 Göttingen

Tel. 0551 405-3021 oder -3026

spk-private-banking@spk-goettingen.de

www.private-banking-goettingen.de


unternehmen

Der Zug nimmt

wieder Fahrt auf

40 Jahre Marketing Club Göttingen: Zeit, neue Wege zu gehen – für den langjährigen

Präsidenten Gerhard Sauer, aber auch für den neuen Vorstand des Berufsverbands.

TEXT SVEN GRÜNEWALD FOTOGRAFIE ALCIRO THEODORO DA SILVA

LESEZEIT: 6 MINUTEN

Der Marketing Club Göttingen feiert in diesem

Jahr seinen 40. Geburtstag – und steht vor

einer kleinen Zeitenwende. Nach dem Ende

der Ära Gerhard Sauer, der sich nach über

zwei Jahrzehnten als Präsident und Gesicht des Berufsverbands

im vergangenen Jahr nicht wieder zur Wahl

gestellt hat, steht der neu gewählte Vorstand nun vor

gleich zwei Herausforderungen: Es gilt zum einen, die

hinterlassenen großen Fußstapfen mit frischen Ideen zu

füllen, um den Verein auch in die Zukunft zu führen,

zum anderen ist das Vereinsleben durch anderthalb Jahre

pandemiebedingte Zwangspause quasi zum Erliegen

gekommen.

Hinzu kommt noch ein Trend, den es dabei zu berücksichtigen

gilt: Wirtschaftsförderungen, Branchennetzwerke

und Verbände haben in den letzten Jahren alle

ihre Foren fürs Netzwerken geschaffen. Zwischen Unternehmerfrühstücken

und Wirtschaft-meets-Wissenschaft-

Speeddating ist es für engagierte Akteure inzwischen

schwer, den Überblick zu behalten – inhaltliche und terminliche

Überschneidungen sind keine Seltenheit. Damit

wächst auch für den Marketing Club die Herausforderung,

seinen Mitgliedern auch weiterhin den berühmten

Mehrwert zu bieten.

DER MARKETING CLUB GÖTTINGEN ist seit 40 Jahren

Teil eines bundesweiten Netzwerks, das in Marketing

und Kommunikation Tätige zusammenbringt. Insgesamt

62 regionale Marketing Clubs gibt es in Deutschland,

zusammengeschlossen sind sie unter dem Dach des

Deutschen Marketing Verbandes (DMV) und teilweise

schon seit über 70 Jahren aktiv. Während der DMV um

die 14.000 Mitglieder hat – vom Telekom-Vorstand bis

zum Studenten –, zählt der Göttinger Verein stabil um

die 100 Mitglieder und hat dabei einen recht großen regionalen

Einzugsbereich. Der nächste Club im Norden

sitzt in Goslar und in Richtung Süden in Kassel.

Umso wichtiger ist die Qualität der Vereinsaktivitäten,

in deren Kern bislang jährlich etwa zwölf Veranstaltungen

mit Fachvorträgen standen. Das stete Ziel: ein interessanter

Redner zu einem aktuellen und visionären

Thema an einer passenden Location. „2018 hatten wir

zum Beispiel Peter Kowalsky eingeladen, den Erfinder

der Bionade, der darüber gesprochen hat, wie Start-ups

mit Mut und neuem Denken erfolgreich sein können“,

erzählt Ex-Präsident Gerhard Sauer. Im Vorfeld standen

drei bis vier Monate Planungsvorlauf und immer ein

wachsames Auge, um auf plötzliche Ereignisse und Veränderungen

reagieren zu können.

32 3 | 2021


unternehmen

Eine Ära zu Ende Nach über 20 Jahren als Präsident des Marketing Clubs hinterlässt Gerhard Sauer große Fußspuren für die neue Riege.

Bei der Suche nach geeigneten Speakern halfen immer

wieder auch Sauers gute Verbindungen zu anderen Clubs.

Die Clubs aus dem Norden trafen sich zum Beispiel viermal

im Jahr und tauschten sich über ihre Aktivitäten aus.

„Dadurch knüpft man schon viele Kontakte“, sagt Sauer.

„Wollten wir beispielsweise etwas zum Thema Autos

machen – ich kenne jemanden bei VW.“

DIE ÄRA SAUER war gleichbedeutend mit Stabilität. Und

gleichzeitig hat er den Marketing Club stets vorangetrieben,

indem er ihn auch mit vielen anderen Netzwerken

und Partnern der Region zusammenbrachte – zur gegenseitigen

Bereicherung und zum Know-how-Austausch.

Daran gilt es nun anzuknüpfen und darauf aufzubauen.

„Ich habe mich dazu entschieden, diese Zäsur auch als

Aufbruch zur Weiterentwicklung des Vereins zu nutzen“,

erklärt Ulrich Büchner, der selbst bereits rund 20 Jahre

Mitglied im Club ist und seit dem vergangenen Jahr – an

der Seite von Thomas Franke, Carsten Wiegmann und

Waldemar Toporowski – als neuer Präsident den Vorstand

repräsentiert. Denn: „Die Corona- Zeit war lange

Stillstandzeit, das ganze Wirtschaftsleben war wie eingefroren“,

sagt Franke, im Vorstand für den Programmbereich

zuständig. Trotz zahlreicher Anläufe waren persönliche

Treffen wiederholt gescheitert. „Unser Verein

lebt jedoch vom persönlichen Austausch“, erklärt Büchner.

Grob gebe es drei Mitgliederprofile: Menschen aus

dem Wissenschafts bereich, Angestellte im Marketing

von Unternehmen sowie unternehmerisch Selbstständige.

„Alle haben einen ganz unterschiedlichen Blick auf das

Marketing, und unsere Treffen bieten die Chance, die

Perspektiven der anderen zu erfahren, ohne dass man

das Gefühl hat, der andere will einem etwas verkaufen.“

Es seien oftmals diese ,Gespräche danach‘, die den

Mitgliedern persönlichen Mehrwert bringen, betont

Franke. „Man unterhält sich nach den Veranstaltungen

noch lange, bekommt fachlichen Input und kommt so

auch dazu, seine Standpunkte zu hinterfragen. Das ist

mir persönlich immer sehr wichtig gewesen.“ Er betrachtet

diese Treffen als geschützte Räume, auch für

sensiblere Themen.

NUN STELLT SICH FÜR DEN VORSTAND die Frage: Wie

schafft man es, diesen Wesenskern der Vereinsarbeit zu

erhalten sowie gleichzeitig neue Wege zu gehen und

spannende Formate zu etablieren? Gespräche mit Mitgliedern

haben gezeigt: Es muss sich etwas ändern. Franke

beobachtet etwa den zunehmenden Trend, dass viel

3 |2021 33


unternehmen

Seit Kurzem an der Spitze Mit spannenden Formaten will Ulrich Büchner (r.) als neuer Präsident – gemeinsam mit Vorstandsmitglied

Thomas Franke – dem Marketing Club wieder frisches Leben einhauchen.

stärker auf die Trennung zwischen Berufsleben und

überschaubarer Freizeit mit Familie geachtet wird. „Deswegen

haben Führungskräfte mich direkt gefragt: Das ist

ein Berufsverband – warum treffen wir uns da nicht

nachmittags?“, erzählt Büchner. „Die Vortrags-Events

haben bei uns stark überwogen, daneben gab es Unternehmensbesuche,

Unterhaltungsformate oder solche zur

Gemeinschaftsbildung. Aber mit diesen Formaten können

wir die Leute nicht mehr gewinnen. Das war auch

vor Corona schon abzusehen.“

WAS ALSO IST DIE LÖSUNG? Im Marketing Club ging

das erste digitale Format erst Anfang dieses Jahres mit

einem virtuellen Unternehmensbesuch an den Start. Eine

erste Präsenzveranstaltung hat auch bereits wieder stattgefunden

– mit regem Interesse und langen Gesprächen.

„Wir wollen diese geschützten persönlichen Gesprächsräume

erhalten“, erklärt Franke, „gleichzeitig aber auch

digitale Formate stärker nutzen und kleinteiliger werden,

indem wir stärker die fachlichen Interessen unserer Mitglieder

adressieren.“ Auch sei der Plan, stärker in die

Region hinauszugehen und neue Mitglieder anzusprechen.

„Wir sind gerade mitten in diesem Entwicklungsprozess,

die Themen der Zukunft in konkrete Formate

zu übersetzen.“

Sich angesichts von 40 Jahren Geschichte neu zu erfinden

– das könne am Ende nicht der Vorstand allein, so

Büchner. „Das geht nur auf einer breiten Basis“, sagt der

neue Präsident. Deswegen sollen möglichst viele Mitglieder

mitgenommen und mit ihren Ideen beteiligt werden.

Eine konkrete Zielmarke für den kompletten Neustart

hat Büchner jedoch vor Augen: „Im Oktober feiert der

Verein sein Jubiläum. Das wollen wir als Auftakt nehmen,

um wieder richtig durchzustarten.“ƒ

Kontakt

Marketing Club Göttingen e.V.

Maschmühlenweg 105

37081 Göttingen

Tel. 0551 27074640

34 3 | 2021


Anwaltskanzlei „Arkaden am Gericht“

Guter Rat

ist die Wurzel

Ihres Erfolges

dr. Bodenburg

Zilian

Werk

Rechtsanwalts- und Notariatskanzlei in Göttingen

Anwaltskanzlei „Arkaden am Gericht“

Seit Generationen erste Anlaufstelle für Unternehmen und private Mandanten

in allen juristischen Angelegenheiten

dr. Bodenburg

Zilian

Werk

Rechtsanwalts- Rechtsanwalts- und und Notariatskanzlei Notarkanzlei in Göttingen

Rechtsgebiete

Arbeitsrecht

Bank-, Kapital-, Gesellschaftsrecht

Erbrecht

Versicherungsrecht

Compliance

Medizinrecht

Energierecht

Immobilien-, Bau-, Mietrecht

Familienrecht

Straf- & Verkehrsrecht

Notariat

Seit Generationen erste Anlaufstelle für Unternehmen und private Mandanten

Vertrags- & Zivilrecht

in allen juristischen Angelegenheiten

Anwaltskanzlei „Arkaden am Gericht“

Rechtsgebiete

SBZW Rechtsanwalts- und Notarkanzlei in Göttingen

Arbeitsrecht

Dr. Reinhard Bodenburg (Notar a. D.), Michael Bank-, Kapital-, Zilian Gesellschaftsrecht

(Notar), Hasso Werk

Berliner Straße 10, 37073 Göttingen · T Erbrecht elefon 0551 497070

www.sbzw.de


wissen

Weiter wachsen

Qioptiq erweitert Produktionskapazitäten im Göttinger Science Park.

TEXT SVEN GRÜNEWALD

In der Gruppe der Messtechnikunternehmen mit

Tradition ist Qioptiq in Göttingen inzwischen eine

feste Größe: Ihren Haupt umsatz macht die Firma,

die bereits 1898 als Spindler & Hoyer gegründet

wurde, heute im Halbleiter geschäft, das gleichzeitig

auch der große Treiber der wirtschaftlichen Entwicklung

ist. Seit das Unternehmen 2013 von der Excelitas Technologies

übernommen wurde, ist der Umsatz um das

Vier- bis Fünffache gestiegen. Das überdurchschnittliche

Wachstum war auch ein wesent licher Grund, warum der

Konzern am Göttinger Standort ganze 25 Millionen

Euro in ein neues Hightech- Gebäude investierte – und

ebenso Grund genug für faktor, eine Spezialausgabe

dazu herauszugeben.

Denn dieses immense Investitionsvolumen ermöglicht

es, die bisherigen Produktionskapazitäten in Göttingen

mit einem Schlag noch einmal um das Dreifache zu vergrößern.

„Die Produkte, die wir hier ent wickeln und

produzieren, haben eine für die Unternehmensgruppe

sehr hohe Bedeutung“, erklärt Robert Vollmers, Vice

President Operations, Commercial Optics bei Excelitas.

„Wir machen in diesem Jahr etwa eine Milliarde US-Dollar

Umsatz. Davon kommen etwa zehn Prozent – also

ein relativ großer Anteil – allein aus Göttingen. Zudem

ist der Hauptkunde, den wir von hier aus bedienen, der

größte des Konzerns.“

DOCH WAS GENAU MACHEN DIE DA EIGENTLICH?

Excelitas beliefert mit seinen mehr als 7.000 Mitarbeitern

Kunden auf der ganzen Welt. Die Produkte werden

in verschiedensten Anwendungsfeldern eingesetzt: von

der Prozessautomatisierung und Qualitätssicherung in

der Industrie über die robotergestützte Chirurgie bis hin

zur Biotechnologie. Die Spezialität der Göttinger Entwicklungen

und Produktion liegt im Bau hoch-präziser Messtechnik

für die Halbleiterproduktion sowie im Bereich der

Medizintechnik. Darüber hinaus werden Wissenschaftseinrichtungen

mit optischen Systemen beliefert. Die Anwendungen

der Halbleitertechnik sind heute sehr vielfältig

– fast überall ist ein Stück Excelitas und Göttingen

drin. Und: Es gibt kaum Mobiltelefone, die nicht mithilfe

des Halbleiterverfahrens hergestellt wurden.

DOCH MIT DIESER DYNAMISCHEN Entwicklung

wuchsen gleichermaßen auch die technischen Ansprüche

an die Produktion und Qualitätskontrolle – und sie

wachsen weiter. So kamen auch die alten Räume und

technischen Gegebenheiten am Qioptiq-Standort in

Göttingen an ihre Grenzen. Der Neubau im Science Park

mit einer Fläche von über 7.000 Quadratmetern soll darum

nun auch mehr sein als eine große finanzielle Investition

in Beton – es ist eine Investition in die Zukunft. ƒ

Sie möchten mehr über Excelitas erfahren?

Dann melden Sie sich – wir senden Ihnen gern

ein Exemplar der faktor-Spezialausgabe zu.

Oder haben Sie Interesse an einer eigenen

Ausgabe für Ihr Unternehmen?

Melden Sie sich bei Nicole Benseler:

Tel. 0551 309839-22 oder benseler@faktor-magazin.de

36 3 | 2021


Koordinierungsstelle ,Frauen & Wirtschaft‘

(KoStelle) mit buntem Herbstrepertoire

nach der Sommerpause

PROFIL

Infoveranstaltungen für Wiedereinsteigerinnen

und Elternzeitler*innen, Business

Impul se für Unternehmerinnen, Talkrunde

,Frauen in Führung‘ und noch viel mehr stehen

auf der Agenda der KoStelle und des überbetrieblichen

Verbundes ,Frau & Betrieb‘.

Das neue Weiterbildungsprogramm der

KoStelle bietet im zweiten Halbjahr ein breites

Spektrum an regionalen Bildungsangeboten

für Frauen.

AM 4. NOVEMBER LADEN DIE KOSTELLE

und die Agentur für Arbeit Göttingen zum

siebten FrauenInfoTag/FIT – regionale Frauenberufsmesse

ein. Zahlreiche Aussteller*innen

werden den Besucher*innen ihre Angebote

vorstellen. Sollte sich die pandemische Lage

im Herbst verändern, findet der FIT digital

statt.

Nach der Broschüre ,Frauen im Handwerk

von hier!‘ setzt die KoStelle ihre Arbeit mit

der gleichnamigen Wanderausstellung im Dezember

2021 fort, um Handwerksunternehmerinnen

sichtbar zu machen und Frauen fürs

Handwerk zu begeistern.

MEHR INFORMATIONEN UNTER:

www.frauen-wirtschaft.de

KONTAKT

Koordinierungsstelle ,Frauen und Wirtschaft‘/

Verbund ,Frau und Betrieb‘ e. V.

Stadt Göttingen

Dr. Natalia Hefele

Hiroshimaplatz 1-4

37083 Göttingen

Tel. 0551 400 2860

kostelle@goettingen.de

www.frauen-wirtschaft.de


wissen

Die lange Tradition des

Göttingen-Spirits

TEXT NORMAN LIPPERT ILLUSTRATIONEN TANJA WEHR

LESEZEIT: 9 MINUTEN

Seit der Eröffnung der Georg-August-Universität im Jahr

1737 bilden die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt

und der wissenschaftliche Erfolg der Forschungseinrichtungen

und Hochschulen eine geradezu symbiotische

Beziehung. Dank der über die Jahrzehnte hinweg gewachsenen

Zahl verschiedenster Einrichtungen der Spitzenforschung hat

sich ein einzigartiger ,Göttingen- Spirit‘ herausgebildet. Anlässlich

der feierlichen Begrüßung des neuen Unipräsidenten Metin

Tolan betont auch Nobelpreisträger Stefan Hell dieses Markenzeichen

des Wissenschafts- und Wirtschaftsstandortes: Für den

Direktor des Max-Planck-Instituts zeichne sich Göttingen

vor allem durch eine vertrauensvolle und effiziente Zusammenarbeit

innerhalb der wissenschaftlichen Gemeinschaft aus.

Doch die Geschichte des Wirtschaftsstandortes reicht bis lange

vor die Universitätsgründung zurück.

38 3 | 2021


wissen

953 – 1289: Wie alles begann ...

Obwohl ,gutingi‘ bereits 953 erstmals urkundlich erwähnt wird, beginnt

die Wirtschaftsgeschichte der Stadt Göttingen erst zwischen 1152 und

1175. In diesem Zeitraum lässt der Welfenherzog Heinrich der Löwe

am westlichen Rand des alten Dorfes eine separate Marktsiedlung

errichten, um durch Steuern vom sich entwickelnden Handel zu

profitieren. Die sich hier kreuzenden mittelalterlichen Handelswege

ermöglichen im 13. Jahrhundert einen schnellen Aufstieg der städtischen

Siedlung. Mit den steigenden Steuereinnahmen aus dem über Göttingen

abgewickelten überregionalen Handel werden nicht nur der herzogliche

Haushalt, sondern auch der Ausbau der Stadt finanziert.

Das älteste bekannte Stadtsiegel aus dem Jahr 1278 bekräftigt die

Bedeutung der Stadt und ihren zunehmenden politischen Einfluss

gleichermaßen. Nachdem im Jahr 1289 das Bürgerrecht erstmals an

Juden vergeben wurde, welchen im Gegensatz zu den christlichen

Kaufleuten Kredit- und Pfandgeschäfte erlaubt waren, bieten sich

neue unternehmerische Möglichkeiten.

1319 – 1387: Die Stadt in voller Blüte

Im 14. Jahrhundert erlebt die Stadt ihre Blütezeit. Die Stadtmauer wird

erneuert, ein Rathaus am Marktplatz errichtet und die Jakobikirche

erweitert. Im Jahr 1351 wird Göttingen sogar Mitglied der Hanse, was

einerseits der gestiegenen wirtschaftlichen Bedeutung Rechnung trägt

und andererseits neue Märkte öffnet. Mit steuerfinanzierter Waffengewalt

setzt sich die Stadt 1387 schließlich gegen den Herzog durch

und erlangt politische und wirtschaftliche Gestaltungsfreiheit.

1463 – 1582: Schleichender Bedeutungsverlust

In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts setzt ein lang anhaltender

Bedeutungsverlust des Handels- und Wirtschaftsstandorts Göttingen

ein. Verschiedene Epidemien reduzieren die Bevölkerungszahl rapide,

die alten Handelsrouten verschieben sich zunehmend, und günstige

niederländische Stoffe überschwemmen den Textilmarkt. Um dieser

Entwicklung etwas entgegenzusetzen, beginnt der Göttinger Stadtrat

1475 mit der Anwerbung westfälischer und flandrischer Fachkräfte.

Doch trotz kurzfristiger Erfolge lässt sich der Abschwung nicht mehr

aufhalten. Nachdem die Stadt 1572 die Hanse verließ und 1582

ihre Leinedörfer an den Herzog verlor, besiegelt schließlich der

Dreißigjährige Krieg Göttingens Status als ,Ackerbürgerstadt‘

ohne überregionale Bedeutung.

1690 – 1722: Merkantilismus bringt Wiederaufschwung

Im Jahr 1690 wird Göttingen schließlich wieder unter herzogliche

Gewalt gestellt. Aus dieser Schmach für den Stadtrat geht jedoch

zugleich eine Chance für den wirtschaftlichen Wiederaufstieg hervor,

denn der hannoversche Herzog richtet sein Territorium ganz nach der

zeitgenössischen Idee des Merkantilismus aus: Mit großzügigen Staatsaufträgen

wird die lokale Textilindustrie unterstützt, ein regionales

Biermonopol fördert den städtischen Haushalt und ein reduziertes

Bürgergeld zieht neue Handwerker, Kaufleute und damit neues Kapital

in die Stadt. Nicht immer lässt sich die herzogliche beziehungsweise

später kurfürstliche Wirtschaftspolitik mit den Interessen der handwerklich

und kaufmännisch geprägten Bürgerschaft übereinbringen. Dies

wird bei der Ansiedlung der Tuchmanufaktur des Johann Heinrich

Grätzel zwischen 1722 und 1727 deutlich, welche der hannoversche

Kurfürst gegen den erbitterten Widerstand des Stadtrats und der

Tuchmachergilde durchsetzt.

3 |2021 39


wissen

1732 – 1737: Mit der Uni kommt eine neue Wirtschaft

Es ist die zwischen 1732 und 1737 vorangetriebene Universitätsgründung,

welche den entscheidenden Impuls für die Wiederbelebung

der Göttinger Wirtschaft gibt. Die Studenten und Professoren bringen

eine Nachfrage für verschiedenste Dienstleistungen und Produkte

mit. In den 1730er-Jahren kommen nicht weniger als 140 neue

Gewerbetreibende nach Göttingen, zum Beispiel Apotheker und

Ärzte, aber auch universitäre Buchdrucker beziehungsweise -händler,

Musikinstrumentenbauer und Kupferstecher.

Obwohl sich die Universitäts ansiedlung innerhalb kürzester

Zeit als äußerst erfolgreich herausstellt, musste auch diese gegen

anfängliche Bedenken der städtischen Bürgerschaft durchgesetzt

werden. So tauscht der hannoversche Kurfürst beispielsweise den

Göttinger Bürgermeister gegen seinen Northeimer Kollegen aus,

weil die Stadt die geforderten Baumaßnahmen verzögerte.

1751 – 1833: Von der Sternwarte zur Feinmechanik

Die 1751 eröffnete Universitätssternwarte legt den Grundstein für

die Entwicklung der Göttinger Feinmechanik. Wurden anfangs

noch Messinstrumente aus Großbritannien importiert, siedeln sich

innerhalb weniger Jahre selbstständige mechanische Werkstätten

an. Diese stillen die steigende Nachfrage nach immer präziseren

Instrumenten – häufig in enger Zusammenarbeit mit den hiesigen

Professoren. Als Carl Friedrich Gauß und Wilhelm Weber im Jahr

1833 ihren elektromagnetischen Telegrafen in Betrieb nehmen,

blickt Göttingen bereits auf eine mehr als 75-jährige feinmechanische

Tradition zurück.

1852 – 1862: Mit der Bahn in die Industrialisierung

Mit der Eröffnung des Göttinger Bahnhofs am 31. Juli 1854 wird

nicht nur das Eisenbahnzeitalter in Göttingen eingeleitet, sondern

auch die Grundlage für die spätere Industrialisierung geschaffen:

So wird sowohl der Transport von Rohstoffen, Personen und Waren

erleichtert als auch das Kommunikationswesen durch die parallel zur

Eisenbahn errichtete Telegrafenleitung nach Hannover beschleunigt.

Hermann Pfaff fertigt die dafür benötigten Morsetelegrafen

zwischen 1853 und 1857 in Göttingens erster elektrotechnischen

Werkstatt in der Burgstraße 47.

40 3 | 2021


wissen

1739 – 1891: Grätzelhaus im Zentrum der Entwicklung

Das zwischen 1739 und 1741 errichtete Grätzelhaus in der heutigen

Goethe-Allee wird zur Schnittstelle für die wirtschaftliche Entwicklung

Göttingens: Anfangs dient es vor allem als Unterkunft für die

wohlhabenden Studenten und Professoren. Der an technologischen

Forschungserkenntnissen interessierte Johann Heinrich Grätzel

profitiert vom Austausch mit den Universitätsangehörigen.

Zwischen 1857 und 1874 betreibt der Göttinger Mikroskop-

Pionier Rudolf Winkel hier seine erste Werkstatt. Im Jahr 1891

wird das Haus an den Göttinger Pianofabrikanten Rittmüller

verkauft, der entlang des Leinekanals eine moderne Produktionsanlage

einrichtet.

1890 – 1930: Pensionopolis statt Industrialisierung

Zu Beginn der 1890er-Jahre stehen in der industrialisierten Stadt

bereits 45 Dampfmaschinen. Im späten 19. Jahrhundert werden

zahlreiche feinmechanische Betriebe gegründet, wobei einige dieser

historischen Start-ups und akademischen Ausgründungen noch immer

wichtige Vertreter des heutigen ,Measurement Valley‘ sind.

Um 1900 wohnen rund 30.000 Menschen in Göttingen, dreimal

so viel wie Mitte des Jahrhunderts. Die Stadt versteht sich zu dieser

Zeit allerdings eher als ,Pensionopolis‘ – einen beliebten Altersruhesitz

mit moderner Kanalisation, Trinkwasserversorgung und einem

aufgeforsteten Hainberg – denn als aufstrebenden Wirtschaftsstandort.

1914 – 1945: Wirtschaftsförderung aus der Not heraus

In der Rolle der mäßig industrialisierten, aber mit modernsten

Annehmlichkeiten und Einrichtungen ausgestatteten Kleinstadt

gefällt sich Göttingen auch in den folgenden Jahrzehnten. Erst die

Auswirkungen des Zweiten Weltkriegs zwingen den Stadtoberen

dazu, sich wieder mit dem Thema Wirtschaftsförderung auseinanderzusetzen:

Auch weil die Stadt während des Kriegs von größeren

Zerstörungen verschont bleibt, beherbergt Göttingen 1945 rund

80.000 Menschen – davon bis zu einem Drittel Heimatvertriebene

und Zugewanderte.

Obwohl sich alle politischen Beteiligten einig sind, dass Göttingen

dringend neue Arbeitsplätze benötigt, ist der Handlungsspielraum

der Stadt äußerst gering. In der unmittelbaren Nachkriegszeit mangelt

es nicht nur an Lebensmitteln, Kleidung und Wohnraum, sondern

auch an Baumaterialien und geeigneten Grundstücken. Zwar wird

im Maschmühlenweg ein erstes Gewerbe- und Industriegebiet

vorangebracht, doch sind die finanziellen Mittel der Stadt bis

weit nach der Einführung der D-Mark 1948 beschränkt und die

Investitionspolitik zurückhaltend. Erschwerend kommt hinzu, dass

auch das Reichsbahn-Zentralamt auf den ehemaligen Militärflugplatz

mit seinen großen Hallen in Grone Ansprüche erhebt.

Zwischenzeitlich gelingt es immerhin, die Göttinger Filmstudios

auf dem Flugplatzgelände anzusiedeln.

3 |2021 41


wissen

1949 – 1953: Professionelle Strukturen am Zonenrand

Ein Neuanfang gelingt Göttingen erst nach der Gründung der

Bundes republik. Zwar befindet sich die Stadt jetzt im Zonenrandgebiet,

doch bilden die Autobahn und der Eisenbahnanschluss einen

wichtigen Standortvorteil. Dank der Förderung aus Bundes- und

Landesmitteln beziehungsweise dem Marshallplan gelingt es in den

frühen 1950er-Jahren, auf dem Hagenberg eine neue Wohnsiedlung

zu errichten und die Rudolf-Winkel-Straße zu erschließen – die

Keimzelle des heutigen Industriegebiets in Grone.

Nachdem 1953 zum ersten Mal ein Stadtwirtschaftsdirektor

gewählt wurde, tritt die Göttinger Wirtschaftsförderung auch erstmals

professionell auf: Die Stadt bietet an- und umsiedlungswilligen

Betrieben fortan einen direkten Ansprechpartner und bewirbt

den Wirtschaftsstandort Göttingen mit mehreren zehntausend

goldgelben und überregional zirkulierten Flyern.

1953 – 1963: Zeit für ein Wirtschaftswunder

Die von wirtschaftlichem Aufstieg und zunehmendem Wohlstand

geprägten späten 1950er- und frühen 1960er-Jahre – zeitgenössisch

als sogenanntes ,Wirtschaftswunder‘ wahrgenommen – zeigen

auch in Göttingen alsbald ihre Spuren im Stadtbild: breitere Straßen,

erste Ampeln und modern anmutende Neubauten. Der Stadt

gelingt es Anfang der 1960er sogar, das Bosch-Werk nach Göttingen

zu holen, doch ist der Arbeitsmarkt damit effektiv ausgeschöpft.

Da auch die finanziellen und vor allem räumlichen Spielräume der

Stadt weiterhin begrenzt sind, zieht es in diesen Jahren rund ein Dutzend

lokaler Unternehmen in die angrenzenden Gemeinden Geismar,

Grone, Rosdorf und Weende. Dennoch beschließt der Stadtrat im

März 1963, zukünftig keine aktive Wirtschaftsförderung mehr zu

betreiben

1958 – 1972: Stadt und Universität gemeinsam stark

Die 1960er-Jahre sind vor allem vom Ausbau der Universität

geprägt – einschließlich des Max-Planck-Instituts für Dynamik und

Selbstorganisation sowie der Universitätsklinik. Nicht zuletzt aufgrund

der Planungen für die zukünftige Schnellfahrstrecke gewinnt

die aktive Wirtschaftsförderung Anfang der 1970er-Jahre wieder an

Bedeutung. Nachdem diese zwischenzeitlich durch das Liegenschaftsamt

und einen externen Dienstleister verantwortet wurde,

wird 1978 erstmals eine eigene Referentenstelle für Wirtschaftsförderung

geschaffen. Diese zweite Professionalisierungsphase der

Göttinger Wirtschaftsförderung zeichnet sich vor allem durch eine

persönliche Betreuung der lokalen Wirtschaft und der wissenschaftlichen

Forschungseinrichtungen sowie durch ein vielfältiges

Informationsangebot aus. Im Fokus stehen insbesondere privatwirtschaftliche

Ausgründungen aus der Wissenschaft.

42 3 | 2021


wissen

1988 – 1990: Zweigleisig in die Wirtschaftsförderung

Zu Beginn der 1990er-Jahre wird die dritte Professionalisierungsphase

der Göttinger Wirtschaftsförderung eingeleitet. Nachdem

bereits 1988 das Amt für Stadtentwicklung, Wirtschafts- und

Be schäftigungsförderung eingerichtet wurde, wird am 16. November

1990 die GWG Gesellschaft für Wirtschaftsförderung Göttingen

gegründet. Dass es zu diesem Dualismus kommt, ist das Ergebnis

der langjährigen Förderung von akademischer und wirtschaftlicher

Kooperation: Die GWG wird gegründet, um kurzfristig auslaufende

Fördermittel des Landes Niedersachsen für das geplante Institut für

Bioanalytik zu sichern.

1989 – 1995: Neue Möglichkeiten im vereinten Land

Mit der 1990 vollzogenen Wiedervereinigung findet sich Göttingen

im geografischen Zentrum Deutschlands wieder. Der damit einhergehende

Abzug der Bundeswehr und die Eröffnung des ICE-Bahnhofes

stellen die Stadt vor neue Herausforderungen: Die notwendige

Konversion der Zieten-Kaserne und die Entwicklung der sogenannten

Bahnhof-Westseite mit dem Industriedenkmal Lokhalle gehören zu

den großen lokalpolitischen Herausforderungen der 1990er-Jahre.

Mit der Konzeption und Umsetzung dieser Projekte wird die GWG

betraut, deren Aufgabenspektrum sich in den frühen 1990er-Jahren

sukzessive erweitert.

Zum 1. Januar 1995 übernimmt die GWG die alleinige Wirtschaftsförderung

für die Stadt Göttingen. Zu den seitdem erreichten

Meilensteinen gehört allen voran, dass das einmalige Baudenkmal

Lokhalle erhalten und zur größten Veranstaltungslocation in der

Region um- und ausgebaut werden konnte. Auch die positive

Entwicklung des Güterverkehrszentrums mit zwei Standorten rund

um den Alten Güterbahnhof und den Siekanger ist auf die GWG

zurückzuführen. Das mehrfach erweiterte Institut für Bioanalytik

bildet die Grundlage für den heutigen Science Park und unterstreicht

die Möglichkeiten, die sich für die mittlerweile durch Sartorius im

DAX vertretene Stadt Göttingen aus einer vertrauensvollen Zusammenarbeit

zwischen Wirtschaft und Wissenschaft ergeben.

Und so geht es weiter ...

Auch in der Zukunft wird die GWG einen wichtigen Beitrag zur

positiven Entwicklung der Stadt leisten, um das von Professor

Stefan Hell eindrücklich beschriebene lokale Potenzial auch im

21. Jahrhundert zu nutzen und dem Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort

Göttingen neue und erfolgreiche Kapitel hinzuzufügen. ƒ


So geht Steuerberatung

im Handwerk

Als innovative Steuerberatungskanzlei ist es unser Anspruch, stets

technologisch auf der Höhe der Zeit zu sein, um Ihren Unternehmenserfolg

zu unterstützen und zu fördern.

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PROFIL

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Gisbert Hann, Leiter der Regionaldirektion Göttingen

Seit über 75 Jahren in Göttingen

Seit 1945 hat die Gothaer in Göttingen ein starkes Standbein – mit Krankenversicherung,

Lebensversicherung, Vertrieb. Neuestes Highlight: die betriebliche Krankenversicherung.

Ursprünglich im thüringischen Gotha

beheimatet, musste sich die Gothaer

1945 gezwungenermaßen einen neuen

Standort suchen. Die Wahl für die Gothaer

Lebensversicherung fiel dabei auf die Universitätsstadt

Göttingen.

HEUTE BESCHÄFTIGT DIE GOTHAER

am Standort Göttingen mehr als 350

Mitarbeiter. Und auch für die Zukunft wird

geplant: Mitt ler weile werden im Schnitt 20 bis

30 Auszubildende an die vielen interessanten

Berufsbilder heran geführt.

IM JAHR 2020 wurde das 200-jährige Jubiläum

der Gothaer gefeiert. Allerdings eher

mit Homeoffice, Videokonferenzen und jeder

Form von berührungsfreier Kommunikation.

Damit war 2020 auch ein Lehrjahr für die

digitale Kundenbetreuung. Damit ist die

Gothaer dem Trend, das Business auch mit

Apps, Videoberatung und allen Formen der

Online-Vernetzung darzustellen, gefolgt.

EINE SACHE ABER haben die Pandemiezeiten

deutlich gemacht: Die Gesundheit der

Menschen steht an erster Stelle. Gerade in

Gesprächen mit unseren Geschäftskunden

zeigt sich, dass diese die Gesundheit der

Belegschaft fördern wollen. Dafür wurde ein

spezielles Konzept entwickelt: die betriebliche

Krankenversicherung.

Die Firma zahlt die Zähne

Die betriebliche Krankenversicherung (bKV)

ist eine Zusatzversicherung für kleines Geld,

die der Arbeitgeber für seine Mitarbeiter abschließt.

Die erweiterten Leistungen setzen

dort an, wo der Schutz der gesetzlichen Krankenkassen

Lücken aufweist, z. B. beim Arzt,

beim Zahnarzt oder im Krankenhaus. Die bKV

ist damit direkt erlebbar.

Das Finanzamt hilft mit

Interessant: Seit 2019 ist die bKV steuerlich als

Sachbezug (§8 EStG) zu behandeln, ab 2022 mit

50 Euro monatlich. Damit wird das Engage-

ment des Arbeitgebers gefördert. Alles sind

Betriebsausgaben, keine Lohnnebenkosten.

EIN BEISPIEL: Bereits für 14,90 Euro monatlich,

kann ein Arbeitgeber den Mitarbeitern ein

Gesundheitsbudget von 500 Euro jährlich zur

Verfügung stellen. Flexibel nutzbar für Zähne,

Arzneimittel, Brille, Lasik, Krankenhaus. Und

da wir von unseren Kundenkontakten leben,

erläutern wir das natürlich gern.

KONTAKT

Regionaldirektion Göttingen

Gisbert Hann

Gothaer Platz 2–8

37083 Göttingen

Tel. 0551 701-55814

gisbert.hann@gothaer.de

www.gothaer.de


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Algorithmen, die lernen

Künstliche Intelligenz kann vielseitig eingesetzt werden – wie und in welcher Form

erklärt der Experte Dr. Gerhard Heinzerling, Senior Data Scientist bei Arineo.

Dr. Gerhard Heinzerling

Wenn Menschen Probleme mit der

Haut haben, gehen sie zum*r Dermatolog*in.

Diese*r sieht sich die

betroffene Stelle an und kann das Problem

häufig schnell erkennen und behandeln.

Wenn er*sie sich unsicher ist, schickt er*sie

vielleicht eine Probe für eine detailliertere Untersuchung

in ein Speziallabor.

Das Gleiche gilt für Blattkrankheiten. Ist

ein*e Landwirt*in unsicher, mit welcher Blattkrankheit

er*sie es zu tun hat, so schickt auch

er*sie eine Probe ins Labor. Allerdings kostet

eine Laboruntersuchung Zeit und Geld, die

man in Krankheitsfällen oft nicht hat.

Andererseits können sowohl Mediziner*in

als auch Landwirt*in erst nach einer sicheren

Diagnose der Krankheit die richtige Maßnahme

ergreifen. Ein Pilz muss anders behandelt

werden als ein Bakterium oder ein Virus.

Was wäre, wenn sich ein*e Landwirt*in für

eine Einschätzung auf ein einfaches Handyfoto

verlassen könnte? Was, wenn sich ein*e

Derm a tolog*in für eine Einschätzung auf ein

einfaches Handyfoto verlassen könnte?

Auch wenn die Antworten noch recht unterschiedlich

ausfallen mögen, so steht dennoch

fest, dass die Künstliche Intelligenz (KI)

im Bereich der Diagnostik anhand von Bilder-

kennung riesige Fortschritte macht. Sowohl

Mediziner*innen als auch Landwirt*innen

ziehen immer häufiger die Vorschläge der KI

in Betracht, bevor eine Probe ins Labor geschickt

oder eine Maßnahme ergriffen wird.

NATÜRLICH KANN UND SOLL DIE KI

eine*n Mediziner*in dabei nicht ersetzen.

Aber so, wie man Kolleg*innen um eine Meinung

bittet, kann zumindest ein Rat der KI

eingeholt werden. Das geschieht mittlerweile

weltweit in vielen Kliniken. Alles, was sich

mithilfe von Foto grafie und KI bearbeiten

lässt, wird dort analysiert. Ob Röntgenbilder

oder Aufnahmen von Augen und Zähnen,

überall ist die KI gefragt. Oder – um es etwas

provokanter auszudrücken – die KI hat

den kleinen Vorteil, dass sie nicht müde wird.

Wenn ein Arzt oder eine Ärztin eine oder

manchmal sogar zwei nervenaufreibende

Schichten hinter sich hat, möchte man vielleicht

doch gerne eine zweite Meinung hören.

STELLEN WIR UNS DIE FRAGE, wie die KI

eigentlich funktioniert. Schauen wir uns ein

einfaches Beispiel an: Sagen wir, wir haben drei

Blattkrankheiten. Dann machen wir von jeder

Blattkrankheit ungefähr 200 Bilder. Wenn


PROFIL

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Gesundes Blatt einer Zuckerrübe

Mit Blattkrankheit befallenes Blatt

nötig, auch ein paar mehr. Welche Krankheit

auf welchem Bild zu sehen ist, notieren wir

uns in einer einfachen Liste.

Nun zeigen wir einem KI-Algorithmus jedes

Bild ein paarmal und sagen ihm mithilfe unserer

Liste, welche Krankheit er gerade ,sieht‘.

Dann tritt das ,Wunder der KI‘ zutage. Der

Algorithmus lernt. Er lernt aus den Beispielen

und den fehlerhaften Vorhersagen. Am

Ende der Lernphase kann er auch völlig neue

Bilder richtig zuordnen. Diese Lernfähigkeit

ist es, die uns bei Arineo so sehr an der KI

fasziniert. Besonders interessant ist dabei,

dass der Algorithmus mit jedem neuen Bild,

das er gezeigt bekommt, noch besser wird.

Die von Arineo entwickelten Algorithmen,

die wir aktuell sehr erfolgreich in der Landwirtschaft

einsetzen, sagen mittlerweile mit bis zu

99 Prozent Sicherheit die korrekte Blattkrankheit

voraus.

BEI ARINEO ARBEITEN WIR DARAN, dem

Algorithmus weitere Krankheiten beizubringen

und dabei mit möglichst wenig Beispielbildern

auszukommen.

Auch im Bereich des ,Knowledge Minings‘

gibt es bei Arineo ein Projekt. Dort stellen wir

unseren KI-Algorithmen umgangssprachliche

Fragen wie etwa: Wie groß ist die Chance oder

das Risiko, mit einer bestimmten Firma ein

größeres IT-Projekt anzupacken? Zunächst

müssen wir die Fragen so umwandeln, dass

der Computer sie verstehen kann. Dazu gehört

zum Beispiel auch die Übersetzung aus

anderen Sprachen. In einem weiteren Schritt

durchsuchen wir verschiedene Datenquellen

in Bezug auf die Firma. Das Ergebnis wird wiederum

so umgewandelt, dass der Computer

es verwenden kann. Schließlich müssen wir

die Antworten, die uns der Computer zurückgibt,

auch wieder aufbereiten. Dafür arbeiten

wir eng mit Universitäten und Instituten zusammen.

Diese beiden Forschungsprojekte

mit einem Gesamtvolumen von 2,1 Millionen

Euro werden mit 0,5 Millionen Euro vom Bundesministerium

für Bildung und Forschung

unterstützt.

EIN WEITERES PRODUKT, das Arineo erfolgreich

vermarktet, ist eine Anomaly Detection,

die direkt in ein ERP-System integriert arbeitet.

Mithilfe dieses KI-Algorithmus finden wir die

kleinsten Abweichungen in Aufträgen, Rechnungen

oder Stammdaten. Das hilft vielen

Unternehmen, Fehler in ihren Dokumenten

aufzudecken.

KONTAKT

Arineo GmbH

Paulinerstr. 12

37073 Göttingen

Tel. 0551 521380

info@arineo.com

www.arineo.com


wissen

48 3 | 2021


wissen

Mann vs. Schweinehund

Die Frage muss erlaubt sein: Warum kümmern Männer sich eigentlich um (fast) alles –

außer um ihre Gesundheit? Drei Experten erklären, wie Mann aus diesem Hamsterrad entkommt,

bevor es zu spät ist, und worauf es beim Thema Männergesundheit wirklich ankommt.

TEXT STEFAN LIEBIG ILLUSTRATIONEN STOCK.ADOBE.COM

LESEZEIT: 6 MINUTEN

Wir Männer haben es schon nicht leicht: Ständig

müssen wir Topleistungen bringen und an die

Leistungsgrenze gehen – Schwächen zu zeigen ist

natürlich verboten. Aber wenigstens können wir

den Alltagsstress bei einem anständigen Grillabend

bei Bier und Steak einmal vergessen. Und ,vergessen‘ heißt

auch wirklich ,vergessen‘, denn die ganzen Nervereien fangen ja

morgen früh schon wieder an. Rund um die heißen Kohlen stehend

reden wir selbstverständlich nicht über persönliche Sorgen

und körperliche Wehwehchen, sondern vergleichen beim ein oder

anderen kühlen Fläschchen lieber, wer das dickste Konto, das

coolste Auto, das größte Haus und die meisten Wochenarbeitsstunden

zu bieten hat …

IN DIESEM HAMSTERRAD befand sich lange Zeit auch Jörg Thiel.

„Als Außendienstler im Lebensmittel-Einzelhandel war ich ständig

unterwegs und unter permanentem Leistungsdruck“, erzählt der

heute 51-Jährige. Eines Tages ist er auf der Autobahn unterwegs

und verspürt einen beängstigenden Druck in der Brust. Er kann

kaum atmen. „Zum Glück schaffte ich es noch auf einen Parkplatz.

Ich rief meine Frau an. Sie ließ nicht locker, und ich versprach, sofort

zum Arzt zu fahren.“ Die Diagnose lautet: Burnout. Ein Jahr

ist der Hann. Mündener krank, raus aus dem Rad – und gezwungen

nachzudenken: über seine Arbeit, über sein Leben, über seine

Gesundheit. „Das machen wir Männer nicht so gerne, aber es

kann helfen.“ Das zeigt auch Thiels Beispiel: Er macht damals

einen Persönlichkeitstest. Ergebnis: Er solle etwas machen, was

viel mit Kommunikation und empathischem Umgang mit Menschen

zu tun hat. Und er kommt zu dem Schluss, einen tiefen

Schnitt in seinem Leben machen zu müssen. Statt des Außen-

Häufige Krankheiten und

Gesundheitsprobleme der Männer

• 67 Prozent der Männer in Deutschland haben

Übergewicht (Adipositas) – 53 Prozent der Frauen.

• Knapp ein Drittel der Bundesbürger haben Bluthochdruck

(Hypertonie), bei Männern liegt der Wert mit

32,8 Prozent knapp zwei Prozent über dem der Frauen.

• 2017 erkrankten 3,7 Prozent Frauen an einer koronaren

Herzkrankheit, bei den Männern sind es 6 Prozent.

• 2020 litten 61,3 Prozent der Bundesbürger an

Rückenproblemen – sie treten bei Frauen (66 Prozent)

häufiger auf als bei Männern (56,4 Prozent).

• Mit fortschreitendem Alter steigen die Potenzprobleme

von Männern: So leidet jeder fünfte Mann in den

Zwanzigern an Potenzproblemen, in den Dreißigern

ist es bereits mehr als jeder vierte und bei den

Über-40-Jährigen sind es über die Hälfte.

(Quelle: rki, www.maennergesundheit.de)

3 |2021 49


wissen

FÜNF DINGE, die Männer über

ihre Gesundheit wissen sollten

1. Es ist nie zu spät

Auch wer seiner Gesundheit jahrelang nur wenig

Aufmerksamkeit geschenkt hat, kann schon durch

kleine Veränderungen Großes bewirken: Wer 50 Treppenstufen

erklimmt oder fünf Straßen weit durch die

Stadt läuft, reduziert sein Risiko, einen Herzinfarkt zu

erleiden, um bis zu 25 Prozent!

2. Schuld sind nicht nur die Gene

Unsere genetische Veranlagung wirkt sich gerade

einmal zu 30 Prozent auf die Gesundheit aus, die restlichen

70 Prozent werden durch den Lebensstil geprägt

– so ist Mann doch selbst in der Verantwortung.

3. Faulheit macht depressiv

Bei Männern, die sich nur wenig bewegen, steigt das

Risiko, an einer Depression zu erkranken – und zwar

um bis zu 60 Prozent!

4. Guter Schlaf fürs Herz

Schlafentzug schadet der Gesundheit. Vor allem unser

Herz-Kreislauf-System braucht die tägliche Nachtruhe.

Sieben bis acht durchgeschlafene Stunden pro Nacht

reduzieren das Risiko, an einem Herzinfarkt zu

erkranken, um bis zu 60 Prozent!

5. Regeln einer gesunden Männerernährung

• Vielseitig essen: Es gibt keine gesunden oder ungesunden

Lebensmittel. Auf die Menge, Auswahl und Kombination

kommt es an.

• Getreideprodukte: am besten aus Vollkorn – mehrmals

am Tag und reichlich Kartoffeln

• 5 x am Tag Gemüse und Obst: Frisch, kurz gegart oder

auch als Saft liefert es reichlich Vitamine, Mineralstoffe,

Ballaststoffe und sekundäre Pflanzenstoffe.

• Täglich Milchprodukte und 1 x in der Woche Fisch –

Fleisch, Wurstwaren sowie Eier in Maßen

• Fettarmes Fleisch und fettarmen Aufschnitt bevorzugen

und in der Küche zu hochwertigen pflanzlichen Speiseölen

wie Olivenöl oder Rapsöl greifen

• Zucker und Salz sparsam verwenden

• Reichlich trinken: mindestens 1,5 Liter jeden Tag

• Alkohol nur in Maßen: 0,5 l Bier oder 0,25 l Wein pro

Tag. Starker Konsum kann zu einer Entzündung der

Bauchspeicheldrüse führen, die sowohl eine Diabetes-

Erkrankung als auch Krebs begünstigen kann.

• Kurzes Garen mit wenig Wasser und wenig Fett erhält

den natürlichen Geschmack und schont die Nährstoffe.

• Lassen Sie sich Zeit: Bewusstes Essen hilft, richtig zu essen,

fördert das Sättigungsempfinden und macht Spaß.

PERSÖNLICHER TIPP

• „NEIN!“ sagen zu Dingen, die man

nicht tun möchte

• ausreichend Wasser trinken (täglich

0,03 Liter pro Kilogramm Körper gewicht)

• tägliche Bewegung in den Alltag einbauen

• pro Woche dreimal Sport treiben

• ausreichend und gut schlafen

Jörg Thiel

Personal Training

Galgenberg 53

34346 Hann. Münden

Tel. 05541 9530995

dienstjobs will er künftig als Lifestyle-Berater und Coach anderen

Menschen helfen, ebenfalls aus besagtem Hamsterrad herauszuklettern.

Doch zuallererst denkt Thiel an sich selbst: wird gesund, bringt

sich in Form, überdenkt seine Ernährung. Dann erst macht er Fortbildungen

und startet ins neue Business. Das Ganze ist nun drei Jahre

her. „Man darf nicht gegen die eigene Persönlichkeit leben, und

das Verdrängen von Symptomen ist tatsächlich lebensgefährlich“,

sagt der Coach heute bekehrt. „Man muss lernen, ‚Nein‘ zu sagen

und auf die eigenen Signale zu hören.“ Thiel hat – obwohl es „eigentlich

auch schon zu spät war“ – den Absprung geschafft und

kann jetzt mit dieser Erfahrung anderen dabei helfen, ihre Krise zu

meistern und alte Routinen zu überwinden. Er ist heute zufrieden.

Ein Wunsch bleibt aber offen: „Leider kommen die meisten Mitfünfziger

erst, wenn es – wie bei mir – schon beinahe zu spät ist. Ich

würde gern schon früher helfen. Aber da fehlt den meisten noch der

Leidensdruck.“

UND DIESER DRUCK KOMMT. Übergewicht, Diabetes, Bluthochdruck,

sexuelle Ausfallerscheinungen, Kopfschmerzen, Rücken- und

Schlafprobleme sind häufig körperliche Anzeichen oder Folgeerscheinungen

für psychischen Stress und eine nicht achtsame Lebensweise.

Neben einem körperlichen Training und einer Ernährungsumstellung,

wie sie Jörg Thiel als Coach anbietet, sollten Betroffene

aber auch auf medizinischen Rat zurückgreifen. In der Göttinger

Praxis von Arne Ströhlein suchen und finden Männer mit den

genannten Symptomen gesundheitliche Unterstützung. „Es sind oft

die ‚Männer im besten Alter‘, die unzufrieden, gereizt, ja unausstehlich

geworden sind und irgendwann in ein Loch fallen“, sagt der

Arzt und Resilienztrainer, der auf eine Mischung aus Schulmedizin

und Naturheilverfahren (etwa auf die Traditionelle Chinesische Medizin,

kurz TCM, und westliche Naturheilverfahren) setzt. „Dieser

ganzheitliche Ansatz ermöglicht es, emotionale Dysbalancen mit einem

strategischen Plan relativ leicht zu beheben“, erklärt der

Quellen: https://bit.ly/3A3rJpk und https://bit.ly/3z7gNpi

50 3 | 2021


Zeit für die Vorsorge – und wenn ja, ab wann?

Grundsätzlich gilt: Es ist nie zu früh, sich regelmäßig vom Arzt untersuchen zu lassen –

und nicht erst, wenn's brennt. Die wichtigsten Check-ups für Männer ...

wissen

Bis und ab 35 Jahren

Bereits unter 35 Jahren, dann aber spätestens, sollten Männer

einmal pro Jahr zu einer allgemeinen Gesundheitsuntersuchung

gehen. Diesen ,Check-up 35‘ bieten in der Regel

sowohl Hausärzte als auch Internisten (Fachärzte

für innere Medizin) an. Das wichtigste Ziel dieser

Vorsorge: die frühzeitige Erkennung von Herz-Kreislauf-Problemen,

Diabetes und Nieren erkrankungen.

Außerdem fragt der Arzt nach f amiliären Gesundheitsdefiziten,

misst den Blutdruck und überprüft die Vollständigkeit

der empfohlenen Impfungen.

Über 50 Jahre

Ab 50 kommt der Check-up gegen das Darmkrebs-

Risiko hinzu. Männer haben bis zum 55. Lebensjahr

das Recht auf einen jährlichen Stuhltest und eine Tastuntersuchung.

Außerdem können sie ab 50 alle fünf

Jahre eine Darmspiegelung (Koloskopie) durchführen

lassen. Die Kosten dafür trägt vollständig die gesetzliche

Krankenversicherung, da sich die meisten

Tumorarten nur langsam entwickeln und daher

durch eine Früherkennung rechtzeitig unschädlich

gemacht werden können.

Über 65 Jahre

Für 65-Jährige kommt das Angebot eines gründlichen

Check-ups der Bauchschlagader hinzu, der das Risiko

eines Risses der Aorta im Bauch verringern (,Bauchaortenaneurysma‘)

soll. Hierbei wird die Bauchschlagader

gescreent, um ein mögliches Absacken frühzeitig

zu diagnostizieren. Wird dies zu spät entdeckt, kann

es zu einem lebensgefährlichen Riss der Gefäßwände

kommen. Eine weitere Vorsorgemöglichkeit für Patienten

mit Bluthochdruck oder chronisch überhöhten

Cholesterin-Werten ist die Blutdruckmessung nach der

,Knöchel-Arm-Methode‘ (ABI). Mithilfe dieses

In dexes kann der Arzt das Risiko einer Erkrankung

der Herzkranzgefäße oder eines Arterienverschlusses

(PAVK) besser einschätzen.

Ab 45 Jahren

Spätestens ab dem 45. Lebensjahr sollte sich die Vorsorge

zusätzlich auf die Krebsfrüherkennung konzentrieren.

Besonders vordringlich ist hier ein kontinuierlicher Checkup

der Prostata auf Entzündungen, Vergrößerungen oder

gar Krebs. Diese Krankheiten zählen – nach Herz-Kreislauf-Problemen

– gerade bei den Ü-45-Jährigen zu den

häufigsten gesundheitlichen Risikofaktoren. Auch hier gilt:

Je früher entdeckt, desto besser die Chancen auf Heilung.

Ab Alter 45 übernimmt die gesetzliche Krankenkasse

einmal pro Jahr die Kosten der Prostata-Vorsorge.

Mehr dazu ab Seite cxxy.

Ab 55 Jahren

Ab dem Alter 55 ändern sich die empfohlenen

Check-ups im Wesentlichen nicht – nur

die Termine für Erstattungsleistungen. Bei

der Darmkrebsvorsorge können sich Männer

beispielsweise weiterhin alle fünf Jahre einer

Darmspiegelung unterziehen – sie können diese

Untersuchung aber auch wahlweise zweimal

binnen zehn Jahren durchführen lassen. Wer

diese Koloskopie nicht möchte, kann stattdessen

alle zwei Jahre wegen einer Stuhlprobe und einer

Tastuntersuchung des Darms zum Arzt gehen.

Dies liefert jedoch weniger sichere Testergebnisse

als eine Spiegelung.

Ist die Zukunft männersensibler Prävention digital?

Im Januar 2020 fand in Berlin die 5. Männer gesundheitskonferenz

zum Thema ,Ist die Zukunft männersensibler

Prävention digital?‘ statt. Dort wurden anhand aktueller

nationaler und internationaler gesundheitspolitischer

Strategien Fachfragen zum Thema Chancen und Risiken

von Gesundheitsinformationen im Netz am Beispiel der

Männergesundheit skizziert und in einem anschließenden

Expertenkreis diskutiert. Ebenfalls waren die Chancen

und Perspektiven der WHO-Strategie zur Förderung der

Gesundheit und des Wohlbefindens von Männern in der

Europäischen Region und deren Herausforderungen

für Deutschland ein Thema.

Die Ergebnisse und weitere Infos unter:

www.maennergesundheitsportal.de

3 |2021 51


wissen

PERSÖNLICHER TIPP

Die 6:4-Atmung

Ein gut funktionierendes, ausgleichendes vegetatives

Nervensystem ist grundlegend wichtig für

Fitness, Gesundheit und Wohlbefinden. Dazu eignet

sich die sogenannte 6:4-Atmung. Dabei wird die Ausatmung

auf sechs und die Einatmung auf vier Zähl -

einheiten (etwa je eine Sekunde pro Einheit) kontrolliert.

Am besten dreimal täglich zwei bis drei Minuten üben und

100 Tage trainieren – danach reicht einmal täglich.

Dr. med. Arne Ströhlein

Arztpraxis für chinesische Medizin (TCM) und

westliche Naturheilverfahren

Bürgerstraße 46

37073 Göttingen

Tel. 0551 703770

info@dr-stroehlein.de

www.dr-stroehlein.de

PERSÖNLICHER TIPP

• Gehen Sie zur Vorsorge! – Ihre Frau tut es

auch.

• Ernähren Sie sich gesund! – Vermeiden Sie typische

Fast-Food-Wohlstands versuchungen.

• Treiben Sie mehr Sport – Wer rastet, der rostet.

• Trinken Sie viel Wasser! – Beugen Sie Steinen vor und

entschlacken (im wahrsten Sinne) Sie die Nieren.

• Hören Sie auf zu rauchen! – Versteht sich von selbst!

• Trinken Sie keinen Alkohol im Übermaß! – Dann freuen

sich Leber und Hirn (auch das der Partnerin).

• Sorgen Sie für ausreichend Schlaf! – Denn wer schläft,

der sündigt nicht und ist am Morgen ausgeruht und

leistungsfähig.

Prof. Dr. Hans-Werner Gottfried

Chefarzt Urologie

Evangelisches Krankenhaus Weende (EKW)

Klinik für Urologie und Kinderurologie

An der Lutter 24

37075 Göttingen

Tel. 0551 50341364

www.ekweende.de

50-jährige Mediziner aus seiner Erfahrung. Er nutzt dazu ein intensives

Anamnesegespräch, um über die Lebenssituation und Persönlichkeit

des Patienten Bescheid zu wissen. Ein Blutbild zur Analyse

von Vitamin- und Hormonspiegel deckt eventuelle Mängel auf.

Entscheidend für Ströhlein ist jedoch das Gehirn: „Wir müssen

wieder lernen, uns auf unser Gehirn zu verlassen. Die Medizin und

die Pharmazie haben zwar riesige Fortschritte gemacht – viele Probleme

können wir aber statt mit Chemie allein durch das Hören

auf unsere Signale angehen und beseitigen.“

ABER DA SIND WIR DANN WIEDER AM ANFANG – denn wer hat

bei dem ganzen Stress und Leistungsdruck schon Zeit, in sich hineinzuhören.

Und Schwächen zugeben? Nein, das wollen wir nicht.

So schätzen es vielleicht auch viele von uns nur als Zeichen der

Angst ein, regelmäßige Check-up- und Vorsorgeuntersuchungstermine

wahrzunehmen – oder man bildet sich ein, beim ganzen

Stress gar keine Zeit für die eigene Gesundheit zu haben.

Vielleicht sollten wir da mal einen raschen Blick hinüber zu den

Frauen werfen, wie die das so handhaben? Sie gehen schließlich

schon in ihrer Jugend meist ebenso regelmäßig wie selbstverständlich

zum Frauenarzt – das legt wohl niemand als Zeichen der

Schwäche aus.

Und was sollen wir machen? Es gibt doch keinen ,Männerarzt‘,

höre ich den Einwand schon. „Doch es gibt ihn! Urologen mit der

Weiterbildung zum Andrologen kümmern sich explizit um typische

Männerprobleme“, sagt Hans-Werner Gottfried widersprechend,

fordert aber gleichzeitig auch, genau das aktiver zu kommunizieren.

Der Anfang-60-Jährige ist Chefarzt der Urologie am

Evangelischen Krankenhaus Weende (EKW) und trifft in seinem

Klinikalltag immer wieder auf die typischen Arzt- und Vorsorgemuffel.

Dabei können häufige Männerkrankheiten wie Prostatakrebs,

Blasentumore, Probleme beim Wasserlassen, nachlassende

Potenz und Libido bei regelmäßigen Vorsorgekontrollen im

Frühstadium entdeckt werden. Dies gilt zusätzlich auch für

andere Erkrankungen des Harntraktes wie die häufige, wohlstandsbedingte

Steinerkrankung. Und natürlich gilt: Je früher behandelt

wird, desto höher die Heilungschancen.

Gottfried setzt dabei auf wissenschaftlich belegte Therapien.

„Die Mischung aus rationaler, wissenschaftlicher Herangehensweise

mit einem empathischen Zugang zum Patienten bietet die besten

Gesundungsperspektiven“, sagt der Chefarzt und fasst damit

seine Expertise aus 15 Jahren im EKW zusammen. Und er fordert

die Männer ganz klar auf: „Suchen Sie sich Ihren Männerarzt und

gehen Sie auch regelmäßig hin.“

FAZIT: Wir harten Kerle sollten uns am Riemen reißen und gefälligst

auf unsere Gesundheit achten. Denn wer sich selbst stets unter

Leistungsdruck setzt und sich gleichzeitig schlecht ernährt, wenig

über eigene Probleme spricht und dann auch noch die Vorsorge

schleifen lässt – der sollte sich nicht darüber ärgern, dass seine

Lebenserwartung niedriger ist als die der Frauen. ƒ

52 3 | 2021


Schwarmintelligenz

Moderne Medizin braucht Neugier, Forschergene, Teamgeist.

Wo viele denken, kommt viel heraus.

Universitäre Medizin in Göttingen ist innovativ.

Hightech-Medizin, modernste Labore, genaueste Bildgebung,

internationale Forschungsverbünde.

Und Menschen, die das alles können.

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Geschäftsführerwechsel im

Sanitätshaus o.r.t GmbH

Armin Asselmeyer, Gründer des Sanitätshauses o.r.t und der neue Geschäftsführer

Felix Neumann im Interview über die vergangenen 25 Jahre, neue Wege und

die Zukunft der Hilfsmittelbranche

Armin Asselmeyer überreicht die Skulptur

,Die Dinge von innen bewegen‘ und wünscht

Felix Neumann viel Erfolg, das ,Rad‘ auch

weiterhin in Bewegung zu halten.

Herr Neumann, seit bald sechs Monaten

sind Sie Geschäftsführer des Sanitätshauses

o.r.t. Sind Sie gut angekommen?

Felix Neumann: Auf jeden Fall! Ich bin mit o.r.t

und der Versorgung von Menschen mit Einschränkungen

groß geworden, denn bevor ich

bereits einige Jahre im Unternehmen tätig war,

war mein Vater viele Jahre Mitarbeiter bei o.r.t.

In den letzten Jahren war Armin Asselmeyer

mein Mentor, Berater und Wegbegleiter und

hat mich intensiv an die Leitung des Unternehmens

herangeführt. Insofern wurde mir

der Start in die neue Position nicht schwer

gemacht, und es erfüllt mich jeden Tag mit

Freude.

Herr Asselmeyer, wenn Sie auf Ihre Zeit im

Sanitätshaus o.r.t zurückblicken, was ist

Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?

Armin Asselmeyer: Die Gründung des Unternehmens

im Jahr 1996 ist natürlich bleibend

in Erinnerung. Ohne Eigenkapital, aber mit

einer Bürgschaft der N-Bank, konnte ich von

Anfang an ein solides und auf Wachstum

ausgerichtetes Unternehmen aufbauen. Wir

konnten uns sehr schnell und sehr erfolgreich

gegen den Göttinger Wettbewerb durchsetzen.

Daraus resultierend waren für mich persönlich

als Orthopädietechniker die Betreuung

von Familien mit schwerstbehinderten Kindern

sowie die Gruppe der Palliativpatienten

fachlich die prägendste Herausforderung.

Eine Aufgabe, die meinem Berufsethos entsprach

und deren Betreuung mich bis heute

sehr zufrieden stimmt. In den 25 Jahren gab

es eine Vielzahl an Mitarbeiter*innen. In vielen

dieser Biografien gab es auch tragische

Momente, die mir sehr in Erinnerung bleiben

werden. Nicht zuletzt ist die Weiterentwicklung

des Unternehmens einer der wichtigsten

Bausteine für das Fortbestehen gewesen. Der

Verkauf an die Auxilium GmbH ist zielführend

und richtig gewesen. Die Möglichkeit, ein regional

verankertes Unternehmen unter dem

eingeführten Namen o.r.t weiterzuführen

sowie die eigene Firmenphilosophie weiterverfolgen

zu können, ist für mich ein sehr

gelungener Abschluss meiner erfolgreichen

Unternehmergeschichte mit o.r.t.

Welche Ziele und Ideen haben Sie für die

nächsten Monate und Jahre mitgebracht?

Felix Neumann: Wir stellen uns in den nächsten

zehn Jahren, im Zuge des demografischen

Wandels, einer großen Verantwortung.

Immer mehr Menschen werden Hilfsmittel

von uns benötigen. Trotz steigender Anzahl

der Versorgung darf zeitgleich die Individualität

der Versorgung nicht verloren gehen.

Der Patient steht im Vordergrund. Dies bedingt,

dass wir uns künftig weniger personenintensiv

mit Prozessen und Produktion

beschäftigen dürfen, um mehr Zeit am und

mit dem Patienten zu haben. Die Digitalisierung

spielt dabei eine tragende Rolle.

… und welche Chancen sehen Sie für das

Sanitätshaus als Unternehmen im Markt?

Felix Neumann: Armin Asselmeyer übergibt

ein hoch innovatives und wachstumsfähiges


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FOTO: ALCIRO THEODORO DA SILVA

PROFIL

Schlüsselübergabe o.r.t-Gründer Armin Asselmeyer (r.) legt nun die Zukunft seines Sanitätshauses in die Hände von Felix Neumann.

Unternehmen, welches sich in den letzten

Jahren in Südniedersachsen und zunehmend

mehr in Nordhessen als Komplettversorger

durchgesetzt hat. Durch die Zugehörigkeit

in der Auxiliumgruppe sind wir für die zukünftigen

Herausforderungen in der Gesundheitsbranche

bestens aufgestellt und können somit

überregional und auf höchstem fachlichen Niveau

Hilfsmittelversorgungen realisieren.

Was haben die o.r.t-Mitarbeiter*innen zu

erwarten?

Armin Asselmeyer: Wir haben mit Felix Neumann

einen versierten und hoch engagierten

Geschäftsführer gefunden. Er bringt sehr viel

Leidenschaft für die Branche mit. Die bisherigen

Werte des Unternehmens wird er ganz

sicher weiterverfolgen und die Entwicklung

der Mitarbeiter*innen im Auge behalten. Sie

können weiterhin eine hohe Dynamik in der

Unternehmensentwicklung erwarten, die den

Herausforderungen im Gesundheitswesen

gerecht wird.

Felix Neumann: Die Mitarbeiter*innen dürfen

sich weiterhin freuen, dass sie einem

zukunftsfähigen Arbeitgeber angehören, der

viele individuelle Entwicklungschancen bieten

wird. Dies bedingt weiterhin eine hohe Einsatzbereitschaft

für unsere Patient*innen. Ein

Generationenwechsel heißt auch, dass die Erfahrung

der Vergangenheit als Grundlage für

unseren Erfolg geachtet wird, jedoch weiterhin

die Offenheit für neue Ideen und Entwicklungen

zugelassen werden.

Herr Asselmeyer, gibt es etwas, das Sie Herrn

Neumann mit auf den Weg geben möchten?

Armin Asselmeyer: Entscheidungen im Unternehmen

sind heute zunehmend von Zahlen,

Daten und Fakten geprägt. Die vielen Informationen

wollen eingeordnet werden, damit eine

dem Unternehmen förderliche Entscheidung

getroffen werden kann. Die Intuition, auf Anhieb

eine gute Entscheidung zu treffen, kann

nicht erlernt werden. Daher wünsche ich ihm

sehr viel Fortune, auch instinktiv richtige Entscheidungen

treffen zu können. Hinzu kommt,

dass es ein besonnenes Energie management

erfordert, ein solches ,Rad‘ mit inzwischen

200 Mitarbeiter*innen anzutreiben. Ich wünsche

ihm viel Kraft und Gesundheit sowie

weiterhin inspirierende Menschen an seiner

Seite!

Herr Neumann, Herr Asselmeyer, vielen Dank

für das Gespräch.

KONTAKT

Sanitätshaus o.r.t GmbH

Maschmühlenweg 47

37081 Göttingen

Tel 0551 37071-100

Fax 0551 273790009

info@o-r-t.de

www.o-r-t.de


wissen

56 3 | 2021


wissen

Neue Wege

der Früherkennung

Ab dem 45. Lebensjahr sollten Männer regelmäßig zur Prostatakrebs-Vorsorge gehen – und das aus

gutem Grund: Je früher der Krebs erkannt wird, umso größer die Heilungs- und Überlebenschancen.

TEXT MARGARETA VOGEL FOTO STOCK.ADOBE.COM

Wer kennt das nicht? In der Verwandtschaft, Bekanntschaft oder im

näheren Umfeld trifft es einen Mann mit der Diagnose Prostatakrebs,

auch Prostatakarzinom genannt, einem bösartigen Tumor

der Vorsteherdrüse des Mannes. Und doch denken viele, dass es sie selber

nicht treffen wird. Dabei stellt der Prostatakrebs neben Lungenkrebs die

häufigste Erkrankung des Mannes dar. Pro Jahr werden bundesweit über

63.000 Neuerkrankungen diagnostiziert. Dem Prostatakarzinom kommt damit

eine ähnliche Bedeutung zu wie etwa dem Brustkrebs der Frau.

Beide wachsen sehr langsam und sind in der Frühphase ohne klinische

Symptome, das bedeutet, dass man oder frau zu Beginn dieser Tumorerkrankung

häufig keine Auffälligkeiten bemerkt. Ist das Prostatakarzinom erst

tastbar, handelt es sich häufig um ein späteres Tumorstadium. Das Ziel aber

muss sein, diesen Tumor früh zu erkennen, da die Früherkennung eine schonendere

Therapie und ein höheres Langzeitüberleben erlaubt – je frühzeitiger,

umso besser die Heilungschancen.

MÄNNER SOLLTEN AB DEM 45. LEBENSJAHR regelmäßig zur Prostata krebs-

Vorsorge gehen – und an dieser Stelle kommt den bildgebenden Untersuchungen

zur Früherkennung von Prostatakrebs die entscheidende Rolle zu. Der behandelnde

Urologe wird üblicherweise zusätzlich zur rektalen Tast untersuchung

einen transrektalen Ultraschall durchführen. Dabei wird die Prostata mit einer

Sonde über den Enddarm begutachtet. So lassen sich Größe, Gestalt und insbesondere

die Binnenstruktur der Vorsteherdrüse sehr gut beurteilen. Ergibt

sich hierbei ein auffälliger Befund, so kann der Ultraschall genutzt werden,

um die Entnahme von Gewebeproben aus der Prostata zu steuern.

Die Bestimmung des PSA-Wertes (prostataspezifisches Antigen) im Blut

ergänzt diese Untersuchungen. Das Prostatakarzinom sondert diese Substanz

in geringsten Mengen in das Blut ab, sodass es ein Hinweis auf eine erhöhte

Aktivität des Prostatagewebes, wie sie auch beim Prostatakrebs vorliegt,

sein kann. Trotzdem wird die Sinnhaftigkeit der PSA-Messung in der

Früherkennung kontrovers diskutiert, da bei erhöhten Werten einerseits

auch Zellveränderungen der Prostata vorliegen können, die nie zu einem

Prostatakrebs geführt hätten. Andererseits wird der aktuell steigende Anteil

der Diagnostik früher Stadien auf die Bestimmung des Tumormarkers PSA

zurückgeführt.

Und was, wenn sie alle – klinische Untersuchung, transrektaler Ultraschall

und PSA-Wert – keinen klaren Befund ergeben? Wenn bei erhöhtem Wert

eventuell keine Auffälligkeiten der Prostata nachzuweisen sind? Oder die

Gewebeentnahme abweichende Befunde zur Folge hat?

Mit der Magnetresonanztomographie, kurz MRT, der

Prostata steht ein Verfahren zur Verfügung, das aufgrund

technischer und methodischer Verbesserungen

insbesondere in den letzten Jahren in der Prostatadiagnostik

einen hohen Stellenwert bekommen hat. Der

Einsatz von 3-Tesla-Magneten und die Verwendung spezieller

Untersuchungsprotokolle ermöglicht hier inzwischen

eine exzellente Beurteilung der Prostata und seiner

Umgebung. Das Stichwort ist hier das multiparametrische

MRT (mpMRT), das natürlich entsprechend der

aktuellen Qualitätsstandards durchgeführt werden muss.

Dieses MRT umfasst letztendlich bis zu vier unterschiedliche

Messtechniken: Die hochauflösende T2-Messung,

die den Flüssigkeitsgehalt abbildet, die diffusionsgewichtete

Bildgebung, die Informationen zur Zelldichte

gibt, das dynamische kontrastmittelgestützte MRT, das

die Blutversorgung innerhalb der Prostata darstellt und

die Protonen-MR-Spektroskopie, die Informationen über

Stoffwechselvorgänge im Organ aufzeigt. Die Auswertung

der multiparametrischen MRT der Prostata erfolgt

durch erfahrene Radiologen. Für die Kategorisierung

der Befunde gibt ein spezieller PI-RADS-Score in fünf

Stufen die Wahrscheinlichkeit an, mit der eine Auffälligkeit

in der Prostata bösartig ist oder nicht: von sehr unwahrscheinlich

bis sehr wahrscheinlich.

In Kooperation mit dem Urologen kann das weitere diag

nostische Vorgehen in Abhängigkeit von den bisherigen

Ergebnissen und dem PI-RADS-Stadium festgelegt werden.

Eine harmonische Zusammenarbeit zwischen Urologie

und Radiologie ist hierbei ein wichtiger Faktor. ƒ

Für weitere Informationen stehen die Ärztinnen und Ärzte

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Stetiges Wachstum bei R+ MediTransport

Sich neu erfinden, ohne sich von den eigenen Wurzeln zu lösen

Bereits seit 1954 ist R+ MediTransport

als Familienbetrieb in der Krankenbeförderung

zu Hause. Wurden die

Leistungen zu Beginn nur in und um Gieboldehausen

angeboten, ist das Unternehmen später

bereits im gesamten Landkreis Göttingen

tätig. Heute ist R+ MediTransport der Spezialist

im qualifizierten Krankentransport in Niedersachsen

und verfügt über Standorte in den

Kreisen Göttingen, Northeim sowie in der Region

Hannover. Über das Joint Venture mit der

MTN Gruppe werden die Dienstleistungen

darüber hinaus in den Kreisen Hildesheim

und Peine angeboten.

Geschäftsführer Florian Reinhold feiert in

diesem Jahr sein zehnjähriges Jubiläum in

seiner Funktion und blickt auf eine Zeit zurück,

in der stetiges Wachstum, aber auch das

Festhalten an den eigenen Wurzeln im Fokus

standen.

SO SOLL DAS NEU GESCHAFFENE FRAN-

CHISE-MODELL weiteres Wachstum der

Mar ke R+ MediTransport ermöglichen, ohne

auf die Vorteile eines mittelständischen

Familienunternehmens verzichten zu müssen.

„Wir wollen die Schnelligkeit in unseren Entscheidungen

und das persönliche Miteinander

in kleinen Teams beibehalten. Durch das

Franchise-Konzept holen wir dennoch weitere

Menschen in die R+ Familie. Der Kreis derer,

die voneinander lernen können, wird größer“,

erklärt Florian Reinhold. Mit dem geschaffenen

Lizenzmodell öffnet sich R+ MediTransport

für Unternehmerinnen und Unternehmer in

Deutschland oder Menschen, die Interesse an

einer Selbstständigkeit haben.

DIE KASSENÄRZTLICHE VEREINIGUNG

Niedersachsen und R+ MediTransport haben

ebenfalls kürzlich ihre Zusammenarbeit in

gleich zwei Projekten beschlossen. So übernimmt

R+ MediTransport den vertragsärztlichen

Bereitschaftsdienst für die Kreisgebiete

Göttingen und Northeim. Parallel dazu laufen

Vorbereitungen für den Wechsel der Dispositionszentrale

für alle vertragsärztlichen

Bereitschaftsdienste in Niedersachsen zu

R+ MediTransport. Medizinisch ausgebildete

Disponentinnen und Disponenten werden

die Einsätze, die zunächst über die 116 117

angenommen wurden, effizient koordinieren.

Dazu wird auch die Zusammenarbeit mit den

niedersächsischen Rettungsleitstellen intensiviert.

FÜR DIE NEUEN PROJEKTE beginnen zum

Oktober weitere zehn Mitarbeiterinnen und

Mitarbeiter bei R+ MediTransport. Unter Einschluss

des Joint Ventures arbeiten nunmehr

über 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

an sieben Standorten für die Gesundheit der

Menschen.

KONTAKT

R+ MediTransport

Herzberger Landstraße 6

37434 Gieboldehausen

Tel. 05528 2019233

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wissen

FOTO: MEDICALINSTINKT

Von Recht und Pflicht

Anneke Fasterding, Fachanwältin für Medizinrecht, über die Notwendigkeit einer informierten

Zustimmung vor jedem (!) ärztlichen Eingriff und die Selbstbestimmung des Patienten

TEXT ANNEKE FASTERDING

Es klingt bizarr: Jeder ärztliche Heileingriff verwirklicht den Tat bestand

einer Körperverletzung. Er ist nur dann nicht strafbar, wenn der Patient

zuvor wirksam in die Behandlung eingewilligt hat. Voraussetzung

für die Wirksamkeit der Einwilligung ist eine Aufklärung des Patienten über

die mit dem Eingriff verbundenen Risiken und mögliche Alternativen. Nur

im Falle einer solchen Aufklärung kann der Patient eine ,informierte Zustimmung‘

(informed consent) zu der geplanten Behandlung erteilen. Fehlt diese,

begeht der Arzt eine strafbare Körperverletzung, auch wenn die Behandlung

an sich fehlerfrei und indiziert war.

Zweck dieser Regelung ist die Wahrung des Selbstbestimmungsrechts des

Patienten. Der Patient soll durch die ärztliche Aufklärung in die Lage versetzt

werden, selbst kompetent über seine Behandlung zu entscheiden. Eine Aufklärungspflicht

besteht dabei nicht nur bei Operationen, sondern auch bei

Injektionen, Medikamentenverordnungen, chiropraktischen Behandlungen

usw. Anders als früher sind Patienten heute durch Internet und sonstige Medien

nicht mehr ausschließlich auf die Information durch den Arzt angewiesen,

allerdings sind Qualität und Seriosität der Informationen für medizinische

Laien oft schwer beurteilbar.

AUCH FÜR ÄRZTE – zum Beispiel im Bereich Onkologie und Immunologie –

wird es durch die zunehmende Komplexität und den rasanten Fortschritt der

Medizin schwieriger, den Überblick über verschiedenste neue Behandlungsmöglichkeiten

und -alternativen zu behalten und diese dem Patienten verständlich

zu erklären. Hier stellt sich mitunter die Frage, ob eine ,informierte

Zustimmung‘, die bei dem Patienten ein gewisses Verständnis der medizinischen

Zusammenhänge voraussetzt, nicht als Utopie bezeichnet werden

muss. Doch wie weit geht die Informationspflicht des Arztes, wenn verschiedene

Behandlungsarten möglich sind?

DIE ALTERNATIVAUFKLÄRUNGSPFLICHT erfordert es,

Patienten über Behandlungsalternativen, die eine ähnliche

Erfolgschance bieten, aber ein anderes Risikoprofil

beinhalten, zu informieren. So muss zum Beispiel vor

relativ indizierten orthopädischen Operationen mit dem

Patienten die Möglichkeit einer konservativen Behandlung

durch Physio- und Schmerztherapie statt einer Operation

erörtert werden. Unterbleibt dieses, ist die Operation

rechtswidrig. Der Behandler muss den Patienten

aber nicht von sich aus auf sogenannte Neuland- oder

Außenseitermethoden hinweisen. Hier ist es Aufgabe des

Patienten, sich selbst zu informieren und bei seinem Arzt

nachzufragen, sofern er eine solche Behandlung wünscht.

Ob ein Arzt mit dem Patienten diesen Weg gehen will,

entscheidet er selbst – das Selbstbestimmungsrecht des

Patienten wird hier durch die Therapiefreiheit des Arztes

begrenzt. ƒ

Haben Sie Fragen zu diesen oder

anderen medizinrechtlichen Themen?

Weitere Infos und Beratung gibt es bei:

Anneke Fasterding

Fachanwältin für Medizinrecht

SBZW Rechtsanwalts- und Notariatskanzlei

Tel. 0551 497070

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3 |2021 61


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FOTO: ALCIRO THEODORO DA SILVA

Kompetente Unterstützung bei

• Berufseinstieg

• Praxisgründung

• Praxisübernahme

• Praxisfinanzierung

• Praxisabgabe

• Risk Management

Unternehmensberatung für Zahnheilberufe

Selbstständigkeit und Betriebswirtschaftslehre?

Obwohl die Mehrheit der Zahnärztinnen

und -ärzte in Deutschland selbstständig

tätig ist, haben wirtschaftliche Inhalte im

Studium der Zahnmedizin keinen Platz. An

dieser Stelle kommt Dirk Schulz ins Spiel, Geschäftsführer

von SMS – Unternehmensberatung

für Zahnheilberufe. Seit über 25 Jahren

begleitet er ausschließlich (Fach-)Zahnärztinnen

und -ärzte in ganz Deutschland vom Studium

bis in den Ruhestand.

SCHON STUDIENABGÄNGERN steht Schulz

bei allen Fragen rund um den Berufsstart mit

Rat und Tat zur Seite. Wie finde ich eine Assistenzstelle?

Was muss in meinem ersten

Arbeitsvertrag stehen? Welche Absicherungen

sind am Anfang notwendig? Welches Gehalt

ist angemessen? Worauf ist zu achten? Nach

Abschluss der Assistenzzeit gibt es keine

Standardlösungen. „Für die weitere Entwicklung

klären wir die persönlichen Präferenzen,

damit wir die Beratung optimal ausrichten

können“, so Schulz. Die Entscheidung für eine

Anstellung oder die Selbstständigkeit sollte

wohlüberlegt und gut geplant sein.

Nach wie vor ist eine Selbstständigkeit in

fast allen Fällen lohnend, wobei der Standortwunsch

der Zahnärztin bzw. des Zahnarztes

ausschlaggebend ist. Im Falle einer Neugründung

erstellt das Team von SMS unter

anderem eine fundierte Standortanalyse und

ermittelt den erforder lichen Mindestumsatz.

Inzwischen überwiegt allerdings die Zahl der

Praxisübernahmen, bei denen Schulz die Kaufvertragsverhandlungen

mit allem Drum und

Dran begleitet. In jedem Fall wird gemeinsam

mit der Zahnärztin oder dem Zahnarzt ein tragfähiger

Businessplan erstellt. Auch bei den Mietvertragsverhandlungen

und den Finanzierungsgesprächen

sind besonderes Know-how und ein

Auge für Details notwendig. So kann insbesondere

im Dialog mit Banken über die Einbindung

von öffentlichen Fördermitteln viel Geld gespart

werden. Abgerundet wird dieses Gesamtpaket

mit einem maßgeschneider ten Absicherungskonzept

über den hauseigenen Maklerdienst.

NACH DEM SCHRITT in die Selbstständigkeit

wird in regelmäßigen Abständen der Praxiserfolg

mit den Planzahlen abgeglichen, um

bei möglichen Fehlentwicklungen frühzeitig

gegensteuern zu können. In vielen Fällen steht

einige Jahre nach der erfolgreichen Niederlassung

die Aufnahme einer weiteren Kollegin

oder eines Kollegen an. Hier schließt sich der

Kreis zu der Begleitung und Vermittlung junger

Assistenzärztinnen und -ärzte.

AUCH DIE PRAXISÜBERGABE muss sorgfältig

vorbereitet und durchgeführt werden, damit

der Start in den wohlverdienten Ruhestand

reibungslos gelingt. Hierbei werden Abgeber

und Abgeberinnen von den ersten Überlegungen

bis zur Schlüsselübergabe kompetent und

individuell begleitet.

BEI SEINER ARBEIT KANN SICH der zertifizierte

Zahnärzteberater neben seinen eigenen

langjährigen Erfahrungen auch auf die Expertise

verschiedenster ausgewählter Fachleute

verlassen. So zählen zu dem von ihm gegründeten

,Expertennetzwerk Heilberufe‘ Fachanwälte

für Medizinrecht, auf Zahnheilberufe

spezialisierte Steuerberater, Praxiseinrichter,

Banken und weitere Dienstleister im Gesundheitswesen.

„Auf diese Weise können wir unseren Zahnärztinnen

und Zahnärzten in allen finanz-,

steuer- und vertragsrechtlichen Fragen eine

ganzheitliche Beratung anbieten“, erklärt

Schulz. Mit dieser bewährten Strategie hat

er inzwischen über 700 Zahnärztinnen und

-ärzte erfolgreich in die Selbstständigkeit begleitet.

info@sms-goettingen.de


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Defibrillator mit Smartphoneanbindung

für herzkranke Patienten

Telemedizinische Betreuung senkt die Sterberate um fast ein Drittel.

PROFIL

Bei einer Herzmuskelschwäche ist die

Pumpfunktion des Herzens eingeschränkt.

Trotz medikamentöser Behandlung kann es

zu Herzrhythmusstörungen und einem Herzkammerflimmern

kommen, was unbehandelt

in 95 Prozent der Fälle tödlich ist. Eine Defibrillator-Implantation

ist in solchen Fällen ein

Standardeingriff.

IM EV. KRANKENHAUS GÖTTINGEN-WEENDE

(EKW) kann Patienten mit einer Herzmuskelschwäche

ein neuartiger Defibrillator mit Teleanbindung

via Handy-App implantiert werden.

Das kleine Gerät verbindet sich sicher

und drahtlos mit dem Tablet des Arztes und

dem Smartphone des Patienten. Die 30-Minuten-OP

findet in Teilnarkose statt, bereits am

nächsten Tag kann der Patient das Krankenhaus

wieder verlassen.

Das Besondere des implantierten Defibrillators

liegt in der Nachsorge, denn die Herz-Daten

kommen zum Arzt ins Weender Krankenhaus,

nicht der Patient. Frühzeitig können über

die App automatisch Warnmeldungen von

klinisch relevanten Patientendaten an die Klinik

gesendet werden. Dadurch kann eine Verschlechterung

des Patientenzustands bereits

mehrere Tage vor einem drohenden Krankenhausaufenthalt

erkannt werden. Die Sterberate

bei Patienten mit Herzschwäche wird um

fast ein Drittel gesenkt. „Die neuen Geräte

erfordern dann auch weniger Krankenhausaufenthalte“,

sagt Dr. Stephan Schmidt-Schweda,

Chefarzt der Abteilung Kardiologie im EKW.

Dr. Stephan Schmidt-Schweda

Chefarzt der Abteilung Kardiologie im EKW

KONTAKT

Ev. Krankenhaus Göttingen-Weende

Abt. Kardiologie

An der Lutter 24

37075 Göttingen

Tel. 0551 5034-1402

www.ekweende.de/kardiologie

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mensch

Die Kraft

der Sprache

Ohne selbst auch nur ein Wort Deutsch zu sprechen,

gründet die gebürtige Inderin Nivedita Mani vor elf Jahren

die WortSchatzInsel an der Uni Göttingen, um den

Sprach erwerb von Babys und Kleinkindern zu erforschen.

Mit ihren Studien möchte die mehrfach ausgezeichnete

Professorin die Chancengleichheit für Kinder in sozial

schwachen Milieus erreichen – weiß sie doch aus eigener

Erfahrung, wie Sprache die Sicht auf unsere Welt verändert.

TEXT ANJA DANISEWITSCH FOTOGRAFIE ALCIRO THEODORO DA SILVA

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mensch

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mensch

» Sprache verändert die Sicht

auf unsere Welt. «

LESEZEIT: 11 MINUTEN

Das Georg-Elisa-Müller-Institut für Psychologie

in Göttingen liegt ein wenig abseits des

studentischen Trubels in der Goßlerstraße.

An heißen Sommertagen sitzen die Studierenden

auf der angrenzenden Wiese unter alten Platanen.

Lesen, lernen oder machen Mittagspause. Ein ruhiger

Ort. Die Vögel zwitschern, und Fahrradfahrer bevölkern

die Straße. Hier lehrt und forscht Nivedita Mani, die in

der knapp 30-Millionen-Einwohner-Metropole Delhi

aufgewachsen ist. „In Göttingen ist es so leise“, sagt sie

mit einem Lächeln. „Wenn meine Mutter aus In dien zu

Besuch kommt, erträgt sie die Stille fast nicht.“ Für sich

selbst, aber vor allem zum Forschen und für ihre Studien

könnte sich die 41-Jährige hingegen keinen besseren Ort

denken.

MANI IST IM HERZEN EINE NOMADIN. In Indien wuchs

sie dreisprachig auf. In ihrem Geburtsort Chennai im

Süden spricht ihre Familie Tamil, die natio nale Sprache

ist Hindi und die offizielle Englisch. „Ich habe keine

Muttersprache“, sagt Mani ohne Wehmut. Für sie sei es

normal, in vielen Sprachen zu Hause zu sein – je nachdem,

wo sie gerade lebt. „Das befreit und ist vielleicht

auch der Ursprung für meine Faszination für Sprache im

Allgemeinen.“

Als Mani zehn Jahre alt war, zog ihre Familie nach

Delhi, wo sie später auch studierte. „Hier fand ich die

Liebe zur Literatur“, erzählt sie. Und diese Liebe nahm

sie mit, als sie mit 21 Jahren für ein Studium der Linguistik

weiter nach Oxford ging, wo sie 2006 auch promovierte.

Ihr Postdoc-Betreuer war es schließlich, der ihr

Interesse für Entwicklungspsychologie weckte, das sie zu

ihrem heutigen Forschungsfeld führte, dem Spracherwerb

bei Babys und Kleinkindern. 2010 kam Mani

nach Göttingen – der Liebe wegen, wie sie erzählt, denn

ihren Mann, ein Deutscher, lernte sie in Oxford kennen.

Nach sieben Jahren in England bewarb sie sich auf

eine Stelle an der Universität Göttingen und bekam ein

für die damals 29-Jährige unglaubliches Angebot: Mani

erhielt die Juniorprofessur und übernahm gleichzeitig

die Leitung der Forschungsgruppe Psychologie der Sprache.

Und obendrein gründete sie das dazugehörige Göttinger

Zentrum für Spracherwerb, die ,WortSchatzInsel‘,

dessen Aufgabe es bis heute ist, herauszufinden, wie

Sprache unser Denken beeinflussen kann und wie Kleinkinder

Wörter erlernen und verarbeiten.

Die Ideen und Vorstellungen der jungen Professorin

waren federführend für das neue Forschungslabor. „Ich

konnte selbst kaum Deutsch und sollte deutschen Spracherwerb

bei Babys untersuchen“, erzählt Mani lachend

und erinnert sich, dass ihre ersten eigenen Wörter hier

eher untypisch für den Erwerb einer Fremdsprache

waren: „Waschbecken, Installation oder Rohre“ – was

natürlich ihrem Umfeld, dem Umbau des Sprach labors,

entsprach.

Das ist nun elf Jahre her. Inzwischen leitet die Professorin

nicht nur die Abteilung Psychologie der Sprache

und ist Direktorin des Georg-Elias- Müller-Institutes für

Psychologie. Sie wurde in die Akademie der Wissenschaften

zu Göttingen gewählt und gewann renommierte Preise

wie beispielsweise 2014 den Wissenschaftspreis der

Fritz- Behrens-Stiftung.

IHR DEUTSCH IST BIS HEUTE NICHT PERFEKT. Hier

und da schleichen sich englische Wörter ein, wenn ihr

die Vokabeln fehlen. „Meine erste Vorlesung in Göttingen

hielt ich, da hatte ich gerade einmal drei Monate

Privatunterricht genommen – es war wahrscheinlich

furchtbar“, sagt Mani rückblickend. „Aber ich habe nicht

diese Hemmungen wie viele andere Menschen. Mein Gehirn

geht flexibler mit Sprache um. Es stört mich überhaupt

nicht, wenn ich Fehler mache.“

Erlebt man ,Nivi‘ Mani, wie sie ihrem Institut genannt

wird, ist von einem akademischem Dünkel nichts zu spüren.

Ganz im Gegenteil. Sie wirkt erfrischend jung und

ist herzlich offen. Gastfreundlich führt sie uns durch die

Räume des Sprachlabors: durch einen Aufenthaltsraum

für die Eltern mit Kaffeeautomaten, ein Spielzimmer für

66 3 | 2021


mensch

die Kleinen und das eigentliche Test labor. Auf eine gelbe

Wand hat jemand eine Insel gemalt, darauf eine Schatztruhe,

gefüllt mit Buchstaben. Schnell muss der Begriff

eines typischen Labors revidiert werden: Hier in der

WortSchatzInsel ist alles kunterbunt und gemütlich. Kinderfreundlich

muss es natürlich sein, da die ‚Probanden‘

dieser Einrichtung zum Teil gerade einmal sechs Monate

alt sind. Forschung sieht daher in diesen Räumen etwas

anders aus. Alles ist Spiel und darf mit Spaß verbunden

sein.

DOCH WIE KÖNNEN BABYS und Kleinkinder überhaupt

in die Forschung eingebunden werden? Schließlich sind

sie noch gar nicht in der Lage, verbal auf eine Frage zu

antworten. Was in der WortSchatzInsel untersucht wird,

sind daher vor allem die Blickbewegungen. Messungen

mit Eyetracking und EEG (Elektroenzephalografie –

Messung der elektrischen Aktivität der Hirnrinde) registrieren,

wie Kinder Wörter verarbeiten. Ein Beispiel: Im

Testraum steht ein Stuhl, an der Wand hängt ein Bildschirm.

Dahinter verbirgt sich ein Lautsprechersystem,

über das den Kindern Sätze vorgespielt werden. Mithilfe

von Eyetracking wird nun beobachtet, wie das Kind reagiert.

Beispielsweise sind auf dem Bildschirm zwei Bilder

zu sehen: ein Auto und ein Keks. Wenn das Kind nun

den Satz ‚Der Junge isst ... einen Keks.‘ hört, wird beobachtet,

ob das Kind bereits in der kurzen Pause auf das

Essen blickt, also bevor das Wort ‚Keks‘ genannt wird.

Daran ist erkennbar, ob das Kind das Verb in seiner Bedeutung

kennt und eine semantische Verknüpfung zwischen

‚Junge‘, ‚essen‘ und ‚Keks‘ herstellt.

„Beim EEG bekommen die Kinder während der Messung

so eine Art Badekappe mit Sensoren und Kabeln

aufgesetzt“, erklärt Mani. „Damit es für das Kind als

normal angesehen wird, haben auch wir vom Team bei

solchen Terminen alle eine Kappe auf.“ Die Augen der

Sprachwissenschaftlerin strahlen, während sie von ihren

zahlreichen Studien erzählt. Jedes Mal, wenn eine

Hypothese aufgestellt wird, sei es wieder aufs Neue

spannend zu sehen, was sich letztendlich daraus ergibt.

„Und das Schöne ist: Es macht nicht nur uns Spaß, sondern

auch den Kindern. Sie wollen alle wiederkommen.“

Tatsächlich komme es nicht selten vor, dass die Eltern

mit ihrem Nachwuchs auch mal einfach so im Labor

vorbeischauen, um ‚Hallo‘ zu sagen.

Die Tests sind einfach, aber effektiv. So hat die zweifache

Mutter Mani auch bei der Erziehung ihrer eigenen

Kinder, fünf und acht Jahre alt, schon das ein oder andere

angewandt. „Meine Beiden müssen oft als Pilotkinder

herhalten“, sagt sie lachend. Das bleibe nicht aus. Ausgehend

von den Forschungsergebnissen werden Geschichten

aus Büchern nicht nur vorgelesen, sondern auch

während des Lesens besprochen, sodass das Kind die

Geschichte mit anderen Worten hört. „Dadurch lernen

die Kleinen, wie flexibel die Sprache ist und wie wir mit

anderen Worten das Gleiche sagen können.“

Zur WortSchatzInsel

Nivedita Mani kam 2010 nach Göttingen, um die Forschergruppe ,Psychologie

der Sprache‘ und das dazugehörige Babylab, die WortSchatzInsel, zu gründen.

In dem Sprachlabor werden die ersten Schritte des Spracherwerbs bei Babys und

Kleinkindern untersucht und wissenschaftlich begleitet. Hier wurde für die kleinen

Probanden ein Umfeld geschaffen, das spielerisch kurze ‚Forschungssequenzen‘,

die maximal fünf Minuten dauern, zulässt. Die WortSchatzInsel ist

für alle Eltern offen, die Lust haben, mit ihren Kleinen an Studien teilzunehmen.

www.wortschatzinsel.uni-goettingen.de

3 |2021 67


mensch

KINDER REAGIEREN IN IHRER ENTWICKLUNG sehr

stark auf das Umfeld, in dem sie sich häufig bewegen. So

lernen sie, wie ihre Eltern die Welt verstehen und vermitteln,

aber sie lernen auch, sich für eigene Dinge zu interessieren.

Dabei ist das eigentliche Wortlernen das Ergebnis

einer dynamischen wechselseitigen Interaktion zwischen

Umwelt und Mensch. Der Fokus der Forschung liegt in

der WortSchatzInsel auf dem lernenden Kind – darauf,

was es weiß und wofür es sich interessiert, und auf seiner

Motivation zu lernen. Als erklärendes Beispiel dient hierbei

die Bär- und Bagger-Studie, die das Team der Wort-

SchatzInsel durchführte. Die Studie wurde bei 30 Monate

alten Kleinkindern durchgeführt. Die Frage war: Lernen

manche Kinder leichter Tiernamen wie beispielsweise

Bär, und andere Kinder leichter Fahrzeugnamen wie

Bagger? Das Ergebnis: Kinder lernen Wörter leichter,

wenn sie sich für die Gegenstände interessieren, auf die

sich das Wort bezieht. Die Präferenz der Kinder, so Mani,

entwickelt sich aus ihrem eigenen Interesse, und somit

steuern Kinder auch ihren eigenen Spracherwerb. „Ich

selbst habe ein Bagger- und ein Bärenkind daheim.“

INZWISCHEN HABEN WIR ES UNS für das Interview im

Spielraum, gleich neben dem Testlabor, gemütlich gemacht.

Mani sitzt entspannt auf einem Sofa und trinkt

Tee. „Bevor Sie kamen, habe ich an einem neuen Forschungsantrag

gesessen. Wir wollen untersuchen, wie

Neugier unser Leben beeinflusst. So ein Antrag schreibt

sich wie von selbst“, erzählt die Professorin. Was sie damit

sagen will: Sie hat einen Job gefunden, in dem sie

sich und ihre Forschungsziele verwirklichen kann. Und

sie hat ein Team um sich, das unvergleichliche Arbeitsbedingungen

schafft. „Die Zeit der einsamen, zerstreuten

Wissenschaftler, die sich in ihrem Büro einschließen,

gehört längst der Vergangenheit an“, sagt Mani mit großer

Zufriedenheit. Sie ist ein Team-Mensch und sieht die

enormen Vorteile, wenn Studien rund um den Globus zu

validierten Ergebnissen führen. Auch hier in Göttingen

arbeitet ihr Forschungsteam fakultätsübergreifend und

interdisziplinär: Linguistik, Neurowissenschaften, Soziologie

und das Primatenzentrum. „Wir wissen, dass

wir mehr wissen können, wenn wir zusammenarbeiten.“

Sie alle haben an Studien teil, die langfristig helfen sollen,

das menschliche Gehirn zu verstehen und mehr Ruhe in

gestresste Erziehung zu bringen.

IHR LIEBLINGSZITAT STAMMT ÜBRIGENS von den

Wissenschaftlerinnen Thelen und Smith: ,There is no

plan.‘ Da ist kein Plan in der Welt. Sehr wenig ist von

Beginn an in unserer Entwicklung festgeschrieben. Vieles

lässt sich ändern oder verbessern. Nur weil ein Kind

nicht mit fünf Sprachen aufwächst, muss es in seinem

Leben keinen Nachteil haben. „Unser Gehirn ist so flexibel,

dass wir vieles ausgleichen können, wenn wir wissen,

wie das Gehirn funktioniert“, sagt Mani. Und um das

Gehirn besser zu verstehen, sind Studien wie die der

WortSchatzInsel notwendig. Demnach müssen Men-

schen, die in sozial schwachen Milieus aufgewachsen

sind, nicht auf Chancen im Leben verzichten. Mit den

Ergebnissen aus wissenschaftlichen Studien können

Strategien entwickelt werden, mögliche Unterschiede

langfristig auszugleichen. Mani hofft, dass in Zukunft

mit ihrer Hilfe Eltern von dem sozialen Druck befreit

werden, ein Kind müsse dies oder jedes in einem bestimmten

Alter können. Jeder Mensch ist individuell,

und seine Entwicklung ist es ebenso. Sprache, und auch

das zeigen die Studien, ist ein Vermittler zwischen der

Welt, wie wir sie wahrnehmen, und den Menschen. Je

mehr Wörter wir beherrschen, desto mehr verstehen wir

von der Welt. Das ist es, was Mani antreibt und begeistert:

Die Kraft der Sprache.

Zu Hause unterhält sich die Inderin mit ihren Kindern

auf Englisch, während ihr Mann Deutsch spricht. Einbis

zweimal pro Jahr fliegt die Familie gemeinsam nach

Delhi, wo Manis Mutter und ihre Schwester leben. Weil

hier ihre familiären Wurzeln liegen und ebenso die kulturellen.

Weil es ihr wichtig ist, dass ihre Kinder dieses

Leben kennenlernen und neben Englisch und Deutsch

als dritte Sprache Hindi verstehen. Und weil sie ihre Tradition

auch an die nächste Generation weitergeben

möchte. „Ich bin eine Wanderin. Meine Heimat ist, wo

ich bin“, sagt Nivi Mani. „Sprache verändert die Sicht

auf unsere Welt. Was auch bedeutet, dass man die Welt

mit ihrer Hilfe verbessern kann.“ ƒ

digital+

Lernen Sie unsere Cover-Frau Nivi Mani und

ihre spannnende Forschung in der WortSchatzInsel

auch im digitalen Interview kennen unter:

www.faktor-magazin.de/faktor-video

Zur Person

Prof. Dr. Nivedita Mani ist Professorin der Abteilung

Psychologie der Sprache an der Uni Göttingen und

Direktorin des Georg-Elias-Müller-Institutes für Psychologie.

Die gebürtige Inderin kam 2010 nach Göttingen und ist

seitdem leitende Forscherin in zahlreichen Projekten, die

von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanziert

sind. Sie wurde 2017 in die Akademie der Wissenschaften zu

Göttingen gewählt und ist Co-Autorin zahlreicher Publikationen,

unter anderem des Buchs ‚Early Word Learning‘.

Zudem gewann die 41-Jährige bereits mehrer Auszeichnungen

wie beispielsweise den Wissenschaftspreis

der Fritz-Behrens Stiftung.

68 3 | 2021



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Reise ins

Glück

Mit Zwölf führt Matthias Walter sein erstes ,Start-Up‘,

mit 22 Jahren ist er jüngster Büroleiter bei Neckermann- Reisen, und

mit 27 gründet er Reiseland. Mit faktor spricht der heute 58-Jährige

darüber, wie er kurz nach dem Mauerfall die Träume der DDR-Bürger

von ,exotischen‘ Orten wahr machte und damit in wenigen Jahren

ein Millionen-Geschäft aufbaute.

TEXT ANJA DANISEWITSCH FOTOGRAFIE ALCIRO THEODORO DA SILVA

70 3 |2021


mensch

3 |2021 71


mensch

Dann kam die Wende

Gemeinsam mit Bernd Riedel und Ralph Schiller nutzte Matthias Walter (v.l.n.r.)

die Gunst der Stunde und bot nur wenige Monate nach dem Mauerfall,

die ersten Reisen um den Globus an. Der Andrang auf die Reiseland-Büros

war riesig, denn die Menschen im Osten genossen ihre neue Freiheit.

72 3 | 2021


DIE DREI GRÜNDER STECKTEN IHR GELD und ihre

ganze Energie in diese Unternehmung. „Wir waren am

Anfang sehr hemdsärmelig“, sagt Walter lachend und

ganz eingetaucht in seine Erinnerungen. Auf der Suche

nach neuen Geschäftslokalen reisten sie durch die DDR.

Sie übernachteten in den Wohnungen ihrer neuen Partner

und bekamen die Kinderzimmer zur Verfügung gestellt.

Sie kauften VW-Busse, um Geld und Buchungsbestätigungen

von A nach B zu bringen, und sie schaffmensch

» Wir wussten sofort, dass sich uns eine

einmalige Chance eröffnete. Und so

entwickelten wir an einem einzigen Wochenende

das Grundkonzept von ‚Reiseland‘. «

LESEZEIT: 11 MINUTEN

Januar 1990 in der DDR: Die erste Eu phorie der

Grenzöffnung am 9. November 1989 hat sich gelegt.

Doch nicht ganz. Zu vieles ist zu neu und

unfassbar. Träume sind von nun an nicht mehr

in den eigenen Gedanken gefangen, nun darf

man sie laut denken. Plötzlich soll es möglich

sein zu reisen? Nicht ausschließlich nach Polen

oder Ungarn – nein, in den Westen! Aufbruchstimmung.

Neugier. Und eine Abenteuerlust keimt in den Menschen

aus der Noch-DDR auf. Auch wenn noch niemand so

recht weiß, wie sich jetzt alles ent wickeln wird – eines ist

sicher: Ein Zurück kann es nicht mehr geben. Es geht

vorwärts.

JANUAR 1990 IN GÖTTINGEN. Matthias Walter ist 27

Jahre alt und hat gerade seine feste Anstellung bei

Neckermann-Reisen gekündigt. Er hat andere Träume

und Pläne für sein Leben, er will Unternehmer werden.

Wie genau dies aussehen soll, das weiß er nicht. „Eines

aber wusste ich damals bereits ganz genau“, erzählt

Walter heute – 30 Jahre später, „Unternehmertum bedeutete

für mich gestalten zu können.“ Noch im selben

Monat trifft er auf seinen befreundeten Reiseunternehmer

Bernd Riedel, der ihm von Menschen aus der DDR

berichtet, mit denen er sich unterhalten habe, und von

deren Sehnsucht zu reisen. „Wir wussten sofort, dass

sich uns eine einmalige Chance eröffnete“, sagt Walter.

„Und so entwickelten wir an einem einzigen Wochenende

das Grundkonzept von ‚Reiseland‘.“

Was nach dem konspirativen Wochenende Anfang

1990 in dem kleinen Northeimer Büro von Bernd Riedel

geschah, ist eine gelebte Wiedervereinigungsgeschichte.

Die Vision der beiden war schnell klar: Sie wollten Reisebüros

in der DDR eröffnen, die auch noch 20 oder 30

Jahre später erfolgreich auf dem bis dato neuen Markt

sind. Dafür brauchten sie allerdings Partner vor Ort, die

in eigenständiger Verantwortung, aber unter der Schirmherrschaft

von Reiseland, agierten. Selbst durften die

Gründer damals im Osten kein Geschäft eröffnen, denn

noch waren es zwei eigenständige Staaten.

BEREITS ZWEI MONATE SPÄTER ERÖFFNETE das erste

Reiseland-Reisebüro in Sondershausen. „Der ganze

Platz vor dem Geschäft war voll mit Menschen“, erzählt

Walter noch immer voller Begeisterung. „Wir verteilten

an einem Tag 7.000 Rosen und unzählige Werbegeschenke

von TUI. Die Leute waren so glücklich – ich

kriege heute noch eine Gänsehaut.“ Die Menschen

waren so hungrig danach, die Welt zu entdecken. Und

Reise land machte es möglich. Die Geschäftspartner

Matthias Walter, Bernd Riedel und schließlich noch

Ralph Schiller – alle drei kamen aus der Branche – boten

ab dem ersten Tag Reisen zu allen Plätzen rund um den

Globus an, ob zu Musicals auf dem Broadway, dem

Amsterdamer Keukenhof oder nach Paris, der Stadt der

Liebe. „Wir mussten zu Beginn für die Reisenden in den

Bussen in Northeim noch einen westdeutschen Übergangspass

ausstellen lassen, da sie als noch offizielle

DDR-Bürger gar nicht hätten ins westliche Ausland fahren

dürfen – es war eine unglaublich aufregende Zeit.“

3 |2021 73


mensch

ten, was andere Reiseanbieter nicht vermochten: Bei

Reiseland bekam man bereits 1990 innerhalb nur eines

Tages eine Buchungsbestätigung! In Zeiten, als es in der

ehemaligen DDR nicht einmal in allen Haushalten

Te lefonanschlüsse gab, eine enorme Leistung. Reiseland

wuchs und wuchs. 1991 hatten sie bereits 37 Vertriebsstellen,

zehn Jahre später waren es 204.

MATTHIAS WALTER IST HEUTE 58 JAHRE ALT. In seinen

Augen ist noch immer ein Blitzen, das von der Abenteuerlust

erzählt. Eine Emotion, die ihn mit den Menschen der

ehemaligen DDR aufs Tiefste verband. Die Begeisterung,

die ihn damals antrieb, ist noch immer zu spüren, wenn

er Geschichten aus der Vergangenheit erzählt. Geschichten,

die es nur einmal geben kann. Denn die Jahre nach

der Wende waren für die Menschen auf beiden Seiten der

ehemaligen Grenze absolutes Neuland.

„Im Gegensatz zu manch anderen, die aus dem Westen

kamen, um sich an der Unwissenheit der Menschen im

Osten zu bereichern, haben wir es mit unserem Wunsch,

das Reisen zu ermöglichen und erfolgreiche Unternehmen

aufzubauen, ehrlich gemeint“, sagt Walter ernst.

Anfang 1990 konnten zwischen Ost und West noch keine

rechtskräftigen Verträge abgeschlossen werden. Alles

beruhte auf Vertrauen. Vielleicht war dies ein wesentlicher

Bestandteil des Erfolgsrezepts. „Geld war bei

allem, was wir taten, nicht unsere Motivation – wir

wollten zu den Top 10 der Reisebranche in Deutschland

gehören und auf dem Gebiet der neuen Bundesländer

die Nummer 1 sein, um bessere Konditionen für unser

Kunden auszuhandeln“, erklärt der gebürtige Hesse, für

den das Reisen durch die Welt auch für sich selbst schon

früh ein wichtiger Teil seines Lebens wurde.

DENN BEVOR ER SEINEN TRAUM vom eigenen Reiseunternehmen

verwirklichte, hatte er bereits über zehn

Jahre bei dem großen Anbieter Neckermann – später

Thomas Cook – in Frankfurt/Main gearbeitet. Seine

Ausbildung dort begann er, als er gerade einmal 15 Jahre

alt war. Eigentlich hatte er schon da auf Europareise

gehen wollen, womit sein Vater jedoch aus nachvollziehbaren

Ängsten nicht einverstanden war. Also entschied

sich der Sohn, eine passende Ausbildung zu machen.

„Schule war nicht mein Ding“, sagt Walter immer noch

aus vollster Überzeugung. Und wie sonst hätte er besser

die Welt bereisen können?

Als Angestellter bei Neckermann stand ihm die Welt

offen. „Wir bezahlten damals für so manchen Hin- und

Rückflug gerade einmal 25 Mark – so habe ich in meiner

Jugend die halbe Welt bereist“, erzählt er glücklich. „Ich

war zum Beispiel schon mit 16 zwei Wochen allein in

Kenia, später in Nord- und Westafrika und dann viel in

Asien unterwegs.“ Über das Wochenende ging es für die

Azubis und ,Ausgelernten‘ häuftig an Europas schönste

Badedestinationen. „Das war einfach Teil unserer Ausbildung

– und machte den Reiz daran aus, bei einem

74 3 | 2021


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mensch

großen Reise veranstalter zu arbeiten“, sagt Walter lachend

und erinnert sich daran, dass er mit „Welpenschutz“

im Team immer noch eine mehrsprachige schriftliche

Eltern erlaubnis brauchte, wenn er auf Reisen ging.

Mit 22 Jahren übernahm er dann als jüngster Büroleiter

bei Neckermann das Reisebüro am Gänseliesel in

Göttingen. Knapp vier Jahre später verließ er das Unternehmen

und stand – im Januar 1990 – an einem Scheideweg

in seinem Leben.

DER REST IST SCHNELL ERZÄHLT. Aus Reiseland wurde

bereits nach einem halben Jahr ein Franchise-Unternehmen,

das nun rasant wuchs. Ab der Jahrtausendwende

hatte Reiseland schließlich eine Größe erreicht, die

nach einem neuen Geschäftsmodell verlangte, wenn man

weiterhin auf Wachstum setzen wollte. Im Jahr 1996

stieg die Otto Group ins Unternehmen ein. Walter zog

sich 2000 aus dem operativen Geschäft zurück und verkaufte

vier Jahre später seine Geschäftsanteile. Heute ist

Reiseland ein Teil der Raiffeisen Touristik Group und

betreibt weiterhin über 300 Reisebüros. „Ich habe bis

heute noch zu vielen meiner Partner aus der Anfangszeit

Kontakt“, sagt Walter. „Es freut mich zu sehen, dass die

Büros inzwischen sogar an die nächste Generation

übergeben werden – so wie das erste Büro, das wir in

Sondershausen eröffneten.“

Und was macht der umtriebige Weltenbummler heute?

„Ich bin kein Konzernmensch“, sagt er von sich selbst.

Statt operativem Alltagsgeschäft entwickelt er viel lieber

neue Strategien und Konzepte. So ist er unter anderem

bereits seit 2001 Mitgesellschafter des Göttinger Unternehmens

Emlix, das linuxbasierte Systemlösungen für

industriell genutzte Produkte entwickelt, und seit 2006

Mitgründer des Softwareunternehmens BOSYS aus

Hamburg, das die erste CRM-Software und Digitale

Vertriebsplattform für die Reisebranche auf den deutschen

Markt brachte und Marktführer in diesem Segment

ist. Immer wieder hat er neue Geschäftsideen im

Kopf und den Mut, sie anzugehen. „Wichtig für einen

Erfolg ist ein klares Ziel und der Glaube daran, dass es

geht“, sagt der Unternehmer. Eine Erkenntnis, die ihn

durch viele Gründungen getragen und erfolgreich gemacht

hat.

UND EIGENTLICH IST WALTER, wenn es so etwas gibt,

schon seit seiner Kindheit eine Unternehmerpersönlichkeit

– auch wenn sein allererstes Start-up, das er mit

zwölf Jahren gründete, bereits nach kurzer Zeit von fürsorglichen

Eltern wieder in den Boden gestampft wurde.

„Mein Freund Christoph und ich gründeten damals

‚ChriMa‘: Wir kauften in der Metro große Dosen Süßigkeiten,

füllten diese in selbst gebastelte bunte Tütchen

und verkauften sie an die Nachbarskinder. Als diese

ihr gesamtes Taschengeld zu uns brachten, schritten die

Eltern ein und unterbanden es“, erzählt der dreifache

Familienvater und lacht herzlich auf. „Egal, welche Idee

ich in meinem Leben umsetzte. Meine Maxim war und

ist: Du musst Spaß haben an dem, was du tust.“

Weise Worte – die nun seit dem vergangenen Jahr auch

seine neueste Unternehmung leiten. Mit ‚TAB – The

Alternative Board‘, einem Tool für Businesscoaching, hat

Walter eine Herausforderung gefunden, die ihm wieder

verdammt viel Spaß macht. Unter dem Motto: ‚Unternehmer

teilen ihr Wissen‘ unterstützt er als Coach mit

strategischen Management-Tools andere Unternehmer

und Führungskräfte, neue Chancen zu erkennen und

Ziele zu erreichen. Dabei treffen sich sechs bis acht Mitglieder

in sogenannten Unternehmer-Boards, um sich

gegenseitig bei der Verwirklichung ihrer beruflichen und

persönlichen Ziele zu unterstützen und zu beraten.

EINE NEUE LEBENSAUFGABE – aber das Fernweh ist

dem Weltenbummler bis heute geblieben. Trotz seiner

unzähligen Reisen steht noch eine Region in der Welt auf

seiner Bucket-List: Australien. „Ich hatte nie lange genug

Urlaub, als dass es sich gelohnt hätte, dorthin zu fliegen“,

gesteht der Workaholic aus Leidenschaft und verrät im

gleichen Atemzug, dass sein eigentliches Lieblingsziel

auch gar nicht so weit von Göttingen entfernt liegt. „Ich

liebe einfach Italien. Vor allem wegen des Essens.“ So ist

das mit dem Glück und den Träumen. Nicht immer

muss man sie in weiter Ferne suchen. Sie sind oft näher,

als man denkt. ƒ

Zur Person

Der Wahl-Göttinger Matthias Walter kam Mitte der

1980er-Jahre als Büroleiter für Neckermann-Reisen in die

Universitätsstadt und blieb. Von hier aus startete er als Mitbegründer

von Reiseland seine Karriere als erfolgreicher

Unternehmer. Neben der Gründung von Softwareunternehmen

und der Übernahme eines Fitnessstudios für Frauen

begleitete er in seiner Laufbahn einige Start-ups mit seinen

strategischen Ideen. Seit 2020 teilt er als Businesscoach

sein Wissen mit anderen Unternehmern und Führungskräften.

Außerhalb seiner Berufung als Unternehmer ist er ein

glücklich verheirateter Ehemann, Familienvater und Großvater

mit einer unstillbaren Leidenschaft fürs Reisen,

Kochen, Skifahren, Joggen, Motorradfahren und für Musik.

TAB The Alternative Board

Brauweg 20,

37073 Göttingen

Tel. 0551 50063785

mwalter@tabdeutschland.de

www.thealternativeboard.biz/standorte/matthias-walter

76 3 | 2021


44 03| 2018

42 03| 2018

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PROFIL

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CUBUS GmbH & Co. KG, Unternehmer seit mehr als 40 Jahren erfolgreich im Immobilienmarkt.

Ich interessiere mich für:

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,Plateau Grün‘ Passivhaus 2021

Parkwohnungen an den Schillerwiesen

D

ie CUBUS Conceptions-, Baubetreuungs-,

Bauträger-Gesellschaft mbH

& Co. KG gehört zu den füh renden

Unternehmen in der südniedersächsischen

Immobilienbranche. Der Geschäftsführende

Gesellschafter Klaus Schneider

und sein Sohn Claus-Henrik Schneider,

stellvertretender Geschäftsführer und Prokurist,

geben einen Einblick über ihr Geschäft,

die aktuellen Herausforderungen

und die Unternehmensnachfolge.

Über CUBUS GmbH & Co. KG …

Wir bewegen uns mit unseren Firmen seit

mehr als 40 Jahren erfolgreich in strukturstarken

und historisch gewachsenen Immobilienmärkten,

dazu gehören neben

Göttingen auch Frankfurt, Düsseldorf, Köln

und Bonn. Unsere jahrzehntelange Erfahrung

setzen wir dabei für unsere Käufer

immer wieder in ein stress- und risikofreies

Bauen um – Bauen und Kaufen sollte

doch Spaß machen! Außerdem ist es immer

wieder faszinierend, dass unsere Liebe

zur Architektur, gepaart mit Qualität,

Kreativität und Know-how unseren Käufern

so ein schönes Domizil beschert. Wir

haben seit 1995 mehr als 300 Eigentumswohnungen

in Göttingen gebaut, mit rund

20.000 Quadratmetern Wohnfläche.

Über das aktuelle Bauvorhaben …

Ende dieses Jahres schließen wir unser

jüngstes Projekt ,Plateau Grün‘ Passivhaus

2021 bereits zwei Jahre vor Zielfertigstellungstermin

ab – mit einem Investitionsvolumen

von mehr als 43 Millionen Euro.

Alle 135 Wohnungen sind bereits verkauft.

Die schon erbauten Gebäude wurden kürzlich

von der Stadt Göttingen mit der „grünen

Hausnummer“, als besondere Leistung

für den Klimaschutz, ausgezeichnet.

Über aktuelle Herausforderungen …

Es gibt deutschlandweit einen hohen Bedarf

an Wohnraum: Die Menschen wollen

zurück in die Zentren, kurze Wege zum Arbeitsplatz

und die Angebote einer Großstadt

zu Fuß oder per Fahrrad oder Stadtbus

wahrnehmen können, sodass auch in

der Stadt Göttingen Wohnungen in vernünftiger

Lage und mit einem adäquaten

Baustandard quasi nicht verfügbar sind.

Es sind mehr Grundstücke notwendig, und

die Verdichtung von Wohnraum ist gefragt.

Die Kapazitäten im Handwerk aus dieser

Region sind ausgeschöpft, und entsprechend

ist Bauen auf unserem hochwertigen,

energetischen Niveau sehr teuer geworden.

Abgesehen davon, dass der Staat

seinerseits ein großer Preistreiber ist.

Über Zukunft und Strategie …

Zunächst wollen wir unsere gewachsene,

stets erfolgreiche Geschäftsphilosophie

weiter umsetzen. Dazu zählen ,Lage, Lage,

Lage‘, eine ansprechende besondere Architektur,

hoch attraktive Grundrisse, welche

stets Unikate sein sollten, und eine

über durchschnittliche Bauausstattung bei

einem attraktiven Preis-Leistungs-Verhältnis.

Den lokalen Schwerpunkt wollen

wir weiterhin erhalten, die Stadt sollte

aber weitere Flächen zur Bebauung zur

Verfügung stellen, damit wir den aktuellen

Bedarf decken können. Hierzu zählt auch

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Tradition und Moderne

Die HKS Sicherheitsservice GmbH geht mit Anna-Lena Keilholz erfolgreich in die zweite Generation des

Familienunternehmens.

„Traditionelle Werte wie

Ehrlichkeit und dass

man zu seinen Fehlern

steht – ohne das wären

wir heute nicht dort, wo

wir stehen.“

Anna-Lena Keilholz

ine Tradition entwickelt sich, wenn

man unter anderem moralische Werte

Evon Generation zu Generation weitergibt.

Und wenn diese Werte für das Wachstum

eines Unternehmens mit verantwortlich

sind, umso mehr. Jedoch war der Vater

zweier Töchter und Firmengründer Heiko S.

Keilholz nicht sicher, ob sein 1995 gegründetes

Unternehmen, die HKS Sicherheitsservice

GmbH, tatsächlich in Familienhand

bleiben würde. „Zum Glück stand für meine

ältere Tochter Anna-Lena schon relativ früh

fest, dass sie die Firmennachfolge antreten

möchte. Meine andere Tochter Marie-Luise

entschied sich stattdessen für eine Banklaufbahn“,

sagt der Familienvater durchaus

zufrieden. Bis heute ist der 58-Jährige Geschäftsführer

der Unternehmensgruppe HKS,

die durch schnelles Wachstum inzwischen

ein umfassendes Angebot rund um Sicherheit

zu bieten hat: Sicherheitsservice, Unternehmensberatung,

Projektmanagement

sowie eine Immobilien- und Verwaltungsgesellschaft,

und 2009 kam durch eine Firmenübernahme

die Technikerfahrung der

Wendler Alarmanlagen GmbH hinzu. Seit

Juli 2017 ist Anna-Lena Keilholz nun Geschäftsführerin

des Firmenzweigs HKS Sicherheitsservice

GmbH.

Im Interview mit Vater und Tochter zeigt

sich schnell, wie gut und umsichtig diese

Entscheidung getroffen wurde. „Im Grunde

bin ich mit dieser Firma aufgewachsen. Ich

war bei der Gründung fünf Jahre alt und

ging am Wochenende mit meinem Vater ins

Büro, um Papiere zu schreddern“, erinnert

sich Anna-Lena Keilholz. Sobald sie volljährig

war, arbeitete sie auf Veranstaltungen

und bei Überwachungen mit und verdiente

auf diese Weise während ihres General-

Management-Studiums ihr Geld. Doch allein

mit Ferienjobs war es weder aus ihrer

noch aus der Sicht ihres Vaters getan. Sie

wollten beide umsichtig die Nachfolge planen

und nicht die Fehler vieler anderer Unternehmer

vor ihnen wiederholen, indem

der Senior nur scheinbar bereit ist, seinen

Stuhl zu räumen. „Mir war es wichtig, dass

Anna-Lena ihren eigenen Weg geht und ich

mich aus ihren Entscheidungen heraushalte“,

so Heiko S. Keilholz. Nicht immer hat es

so reibungslos geklappt, aber Fehler gehören

zum Leben, so sieht man es in diesem

Unternehmen. Aber dann muss eben darüber

gesprochen werden – dies sei ein wesentlicher

Aspekt der Unternehmensführung,

das betont auch die neue Geschäftsführerin:

„Transparenz und Kommunikation

mit den Angestellten und den Kunden

gehören bei uns ganz selbstverständlich

dazu. Traditionelle Werte wie Ehrlichkeit

und dass man zu seinen Fehlern steht –

ohne das wären wir heute nicht dort, wo

wir stehen“, sagt Keilholz Junior.

Generationenübergreifende Unternehmensführung:

Anna-Lena und Heiko S. Keilholz

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Wenn Dinge sich fügen

Seit Anika Riedel im vergangenen Jahr die Riedels Ketchup-Manufaktur in Bevern übernahm,

fühlt sie sich endlich angekommen. Als Inhaberin eines kleinen Familienbetriebs und als Vorstand im

Erzeugerverband ,Kostbares Südniedersachsen‘ verrät sie ihr Erfolgsrezept für regionale Produkte.

TEXT CLAUDIA KLAFT FOTOGRAFIE ALCIRO THEODORO DA SILVA

78 3 | 2021


mensch

LESEZEIT: 6 MINUTEN

Jetzt sehe ich, dass alles, was in meinem Leben vorher

passiert ist, einen Sinn hatte“, sagt Anika Riedel

freudestrahlend, umgeben von gestapelten Holzpaletten

mit hübsch sortierten Ketchup- Flaschen

und Präsentkartons. „Denn es hat mich hierhin

geführt, an den richtigen Platz.“ Im April vergangenen

Jahres hat die 41-Jährige die Geschäftsführung der Riedels

Ketchup-Manufaktur in Bevern, einem Flecken im Landkreis

Holzminden, von ihrem Vater übernommen, mitten

in Corona-Zeiten. Ein bürokratischer Hürdenlauf sei

es gewesen. „Der ,Laden‘ ist auch definitiv noch ausbaufähig“,

erklärt sie, lächelt und blickt sich um. Bislang

dient nur eine kleine Ausstellungsfläche als Ketchup-Geschäft,

platziert inmitten des recht nüchternen Getränkemarkts

der Familie.

Doch die Aus- und Umbaupläne müssen warten, denn

das Geschäft mit dem Ketchup floriert und fordert aktuell

viel Einsatz. „Seit dem Shutdown haben Webshop

und der Verkauf im regionalen Einzelhandel richtig

Schwung aufgenommen – unser Umsatz ist um 40 Prozent

gestiegen“, erzählt Riedel. Eine positive Entwicklung,

die dem kleinen Betrieb viel abverlangt. Ihr Vater

Achim Riedel, der für die Produktion des Ketchups zuständig

ist, kommt gerade dazu und erzählt, dass er im

vergangenen Jahr insgesamt 55.000 Flaschen und Gläser

abgefüllt habe – manuell. Er setzt sich zu seiner Tochter,

nickt bedächtig und sagt: „Während manche in dieser

Zeit weniger Arbeit hatten, ging es bei uns rund um die

Uhr.“ Um Nachfrage und Versand bedienen zu können,

haben sie kurzerhand den Getränkemarkt nur noch ab

donnerstags geöffnet. Die Ketchup-Manufaktur ist bis

dato eben noch ein originärer Familienbetrieb, in dem

Zubereitung, Abfüllen, Etikettieren und Verpacken Handarbeit

ist – das braucht seine Zeit. Während der Vater als

„Innenminister“, sagt Anika Riedel, für die Manufaktur

der aktuell über 15 verschiedenen Sorten zuständig ist,

kümmert sie sich als „Außenministerin“ um Vertrieb,

Märkte, Organisation, Design und Marketing sowie um

die Entwicklung von Rezep tideen (siehe auch Seite 80).

»Wir haben ein neues Konzept erarbeitet,

das die regionalen Produzenten mit den

Hof- und Dorfläden noch enger miteinander

vernetzen soll, und wir wollen

die Sichtbarkeit der kleineren

Produzenten weiter hervorheben. «

SIE IST GERN UNTERWEGS, lässt sich inspirieren, knüpft

Netzwerke. Und so wurde sie, nachdem sie zuvor eine

solche Position auch schon bei den Wirtschaftsjunioren in

Holzminden innehatte, vergangenes Jahr auch beim

Regio nalen Erzeugerverband in den Vorstand gewählt.

Jetzt engagiert sie dort sich für die Weiterentwicklung der

Marke ‚Kostbares Südniedersachsen‘. „Wir haben ein

neues Konzept erarbeitet, das die regionalen Produzenten

mit den Hof- und Dorfläden noch enger miteinander

vernetzen soll“, erzählt Riedel. „Und wir wollen die

Sichtbarkeit der kleineren Produzenten weiter hervorheben.“

Dabei sei die Problematik der Begriffe Bio, Regionalität

und Qualität durchaus ein Thema: Da habe jeder

andere Vorstellungen. „Das Verbindende unserer Mitglieder

ist die regionale Wertschöpfung und der gemeinsame

Austausch darüber, welche Produkte oder Hersteller

vor Ort wir in unsere eigenen Prozesse einbinden

können.“

FÜR DAS TOMATENMARK IN RIEDELS KETCHUP gibt

es allerdings noch keinen deutschen Hersteller. „Deutschland

ist eben kein klassisches Anbaugebiet für Tomaten“,

erklärt die Geschäftsführerin. Sie beziehe es aus vertrauenswürdiger

Quelle und in geprüfter Qualität aus Spanien.

Aber für andere Ingredienzen ihrer Sorten habe sie

selbstverständlich Zulieferer aus der Region: die Einbecker

Senfmühle, die Brauerei Allersheim, die Imkereien

Schrimpf und Abendroth, Janniks Gourmet-Essig.

Vom Rittergut Meinbrexen kommen die Erdbeeren für

den Erdbeer-Ketchup, und die Ölmühle Solling liefert

den Kokosblütenzucker, der mit einem sehr niedrigen

glykämischen Wert den zuckerreduzierten Varianten Geschmack

gibt. „Es gibt Menschen, die im Ketchup keinen

Zucker wollen, aber ganz ohne geht es einfach

nicht“, sagt Achim Riedel. Vieles haben sie schon ausprobiert

und verwenden neben der exotischen Variante

auch natürlichen Rohrzucker: Er sei gesünder als Invertzucker

oder Glukosesirup, die sonst in Ketchup üblich

sind – außerdem ist er viel bekömmlicher.

Und damit kommen wir zum offenen Geheimnis von

Riedels Ketchup: Für Rezeptur, Sensorik, Geschmack

und Duft ist Achim Riedel der Profi, der beruflich

dafür ausgebildet ist. Jahrzehntelang war er als Gewürzkontrolleur

tätig und weiß genau, welche Mischung und

Fermentierung beim Kochen ein optimales Ergebnis liefern.

„Wir nennen es die fruchtig-frische Geschmacksexplosion“,

sagt die Tochter mit einem stolzen Seitenblick

auf ihren Vater. Sie weiß, dass es irgendwann eine

besondere Herausforderung wird, eine Nachfolge für

ihn zu finden. „Um an ihn heranzureichen, müsste ich

mich definitiv sensorisch noch weiterentwickeln“, sagt

Anika Riedel. „Zwar habe auch ich eine extrem feine

Nase – aber leider auch das Problem, dass ich ganz stark

auf Gewürze reagiere und aufpassen muss.“

3 |2021 79


mensch

Und eben diese Lebensmittelunverträglichkeiten sowie

ihre damit zusammenhängende schwere Neurodermitis

bereits in der Kindheit waren auch die Initialzündung für

das familiäre Ketchup-Rezept. Gesund, bekömmlich, ohne

Konservierungsmittel und künstliche Zusatzstoffe entwickelte

Achim Riedel 1986 für seine damals sechsjährige

Tochter seinen ersten eigenen Ketchup – der kurz darauf

auch auf dem kleinen Weihnachtsmarkt im Ort großen

Zuspruch fand. Erst 2006 begann er, den Ketchup in

kleinen Läden vor Ort zu verkaufen, und blieb auch

dabei, als er 2012 den Getränkemarkt eröffnete. Erst

sechs Jahre später wagte er den Sprung, aus dem Hobby

ein Unternehmen zu machen. Seine Tochter war gerade

mit einem schweren Neurodermitis-Schub aus Berlin zurückgekehrt.

„Für mich ein ganz klares Zeichen, dass ich

mich auch beruflich umorientieren muss“, erzählt die

studierte Immobilienwirtin heute.

Sie blickte damals auf ihre Erfahrungen in der Projektleitung,

im Kundenservice und bei Promotion- Aktivitäten

zurück, reflektierte ihre eigene krankheitsbedingte bewusste

Ernährungsweise und beschloss, ins Ketchup-

Geschäft einzusteigen. Eine Entscheidung, die sogar ihre

Neurodermitis zurückgehen ließ. Seitdem ist sie beschwerdefrei.

„Es ist einfach schön, mit der Familie zusammen

zu leben und zu arbeiten“, sagt sie glücklich. So

unterstützt ihre Stiefmutter Venee den Vater bei der sensorischen

Tätigkeit und verantwortet den Laden sowie

den Versand, während ihre Mutter im Kundenservice

arbeitet. Um die Belieferung und die Regalpflege des regionalen

Einzelhandels und der kleineren Hofläden im

Umkreis kümmert sich ein Angestellter. „Dadurch stellen

wir sicher, dass immer genügend Ware bereitsteht –

und unsere Vertriebspartner sind zufrieden, weil sie sich

nicht selbst um das Auffüllen kümmern müssen.“

DER PERSÖNLICHE UND GUTE KONTAKT nicht nur zu

den Dorfbewohnern, sondern gerade auch zu Kunden und

Lieferanten ist der Geschäftsfrau immens wichtig – all ihre

Beziehungen haben bewusst familiären Charakter: ein

kurzer Anruf, wie es so läuft, ob im Verkauf alles in Ordnung

ist, oder einfach eine Rückmeldung einholen, wie es

denn geschmeckt hat. „Persönlicher Service, gepaart mit

überzeugendem Geschmack – das ist das Erfolgsrezept unserer

kleinen Manufaktur. Das ist es, was mir Spaß und

den Leuten Freude macht“, sagt Anika Riedel und lächelt

wieder. Sie ist definitiv am richtigen Platz. ƒ

Oma Veras ultimative Nudelsauce

Calvados-Zimt-Ketchup im Apfelkuchen (vegan)

Zutaten

Nudeln, am besten

Maccheroni, Cannolicchi oder

Penne, da sich hier die Sauce

so richtig schön

einsaugen kann

200 g Mett

mind. 250 ml Riedels

Curry-Klassisch

1 Becher Sahne

Butter

Mehl

evtl. Salz & Pfeffer

Zubereitung

1. Mehlschwitze anrühren, das heißt Butter

in einem Topf erhitzen, den Topf vom Herd

nehmen und Mehl nach und nach mit einem

Schneebesen einrühren. Anschließend

nochmal bei mittlerer Hitze ca. 5 Minuten

unter ständigem Rühren anschwitzen.

2. Nun mit der Sahne ablöschen und danach

den Riedels Ketchup einrühren.

3. Als Nächstes das Hackfleisch in sehr kleine

Klößchen formen und in die Sauce werfen.

Die Sauce noch etwa 10 Minuten auf

kleiner bis mittlerer Hitze kochen lassen,

bis das Fleisch durch ist.

4. In der Zwischenzeit Wasser für die Nudeln

aufsetzen und die Nudeln nach Packungshinweis

zubereiten.

5. Die Nudeln auf einen Teller geben und

großzügig mit Sauce bedecken.

Zutaten

2 x 350 g Blätterteig

aus dem Kühlfach

100 ml Calvados-

Zimt-Ketchup

800 g Äpfel, süß-säuerlich

etwas Zimtzucker

etwas Pflanzenmilch

zum Bestreichen

Puderzucker

(optional Eis)

Zubereitung

1. Äpfel schälen, vierteln, Kerngehäuse entfernen

und in kleine Stücke schneiden. Die Stücke

in einen Kochtopf mit ein wenig Wasser

geben und ca. 10 Minuten köcheln lassen,

bis sie etwas weich sind. Zum Ende Riedels

Calvados-Zimt-Ketchup dazugeben.

2. In der Zwischenzeit den Backofen auf

200°C vorheizen. Backpapier auf einem

Backblech auslegen und den Blätterteig

ausrollen. Nun das ,Apfelmus‘ auf dem Teig

verteilen und den zweiten Teig darauflegen.

Diesen mit etwas Milch bepinseln und mit

Zimtzucker bestreuen.

3. Wenn man den Kuchen als Snack-Stäbchen

servieren möchte, sollte man den Teig jetzt

in lange Streifen und einmal quer schneiden.

4. Den Kuchen 20 bis 25 Minuten backen,

bis er goldbraun ist.

5. Ein wenig abkühlen lassen und mit

Puderzucker bestreuen.

80 3 | 2021


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Plan A hat funktioniert

Birgitt Witter-Wirsam, Inhaberin von HolzLand Hasselbach in Rosdorf, hat die

Unternehmensnachfolge geregelt: Der Betrieb kann in der Familie bleiben –

Sohn Michael Wirsam ist seit 2020 in die Geschäftsführung aufgerückt und führt

das Unternehmen nun hauptverantwortlich.

Unternehmensnachfolgen in Familienunternehmen

sind ein kompliziertes

Thema. Als langjährige Aufsichtsratsvorsitzende

in der europäischen Händlervereinigung

HolzLand-Kooperation und als Vizepräsidentin

der IHK Hannover kennt Birgitt

Witter-Wirsam, Geschäftsführerin von Holz-

Land Hasselbach, viele Geschichten, die nicht

gut ausgegangen sind. „Deswegen habe ich

meine Hausaufgaben gemacht und alles von

langer Hand vorbereitet“, sagt Witter-Wirsam.

Die Planungen reichen bis 2009 zurück, als

Witter-Wirsam das Areal direkt am Rosdorfer

Kreisel mit einem großen Neubau erschloss.

„Die Gesellschafterverträge wurden so angelegt,

dass es einen Plan A und einen Plan B

gab.“ Plan A war Sohn Michael, Jahrgang 1985

und damals noch in der Endphase seines Betriebswirtschaftsstudiums.

Er sollte die Möglichkeit

bekommen, den Betrieb später einmal

zu übernehmen, aber ohne, dass es dabei

Druck gab. „Die größte Bürde für Kinder in

Unternehmerfamilien ist die Erwartung, dass

sie das Unternehmen übernehmen müssen.

Das wollte ich nicht“, sagt Witter-Wirsam.

Für Michael Wirsam ging es nach dem Studium

zunächst weg aus Göttingen: „Ich wollte

erst einmal ins Berufsleben eintauchen.“ Zuerst

bei einem Logistikkonzern, anschließend

bei einem Start-up im Bereich E-Mobilität.

„Und dann kam die Kaltakquise meiner Mutter.“

Ein HolzLand-Betrieb in München meldete

Insolvenz an und bot damit die Chance zur

Übernahme.

HOLZLAND KERN, der Betrieb in München,

ist etwas kleiner als das Mutterhaus in Rosdorf.

„Die Idee war, dass ich mich eigenverantwortlich

um das Unternehmen kümmern

musste und so über mehrere Jahre ausprobieren

konnte, wie es ist, Unternehmer zu sein“,

sagt Michael Wirsam. „Die Konzernwelt ist

schön, aber man muss dafür geboren sein. Es

war gut, das vorher gemacht zu haben, weil

ich gemerkt habe, dass ich zwar gerne viel

arbeite, aber Ideen gewinnbringender im eigenen

Unternehmen ein- und umsetzen kann.“

Es war eine Unternehmens nachfolge auf 500

Kilometer Distanz, die 2013 begann.

Beide Betriebe sind als eigenständige

GmbHs organisiert, Synergieeffekte wurden

zwar in einer gemeinsamen EDV, Buchhaltung

und im Einkauf genutzt, aber ansonsten

war Michael Wirsam ganz für seinen Betrieb

verantwortlich. „Mein Sohn hat zwar das Eigenkapital

für den Betrieb bekommen, aber

den Rest, also den eigentlichen unternehmerischen

Erfolg, musste er sich selbst erarbeiten.

Damit war der Druck da, Gas zu geben“,

so Birgitt Witter-Wirsam. „Und wenn er nach

fünf Jahren gesagt hätte, das ist nichts für ihn,

wäre das auch ok gewesen.“

Doch stattdessen lief es. „Klar habe ich mir

meine blauen Flecken geholt“, sagt Michael

Wirsam. Die ersten Kundengespräche, die

nicht so „zuckersüß“ waren, Abwanderung

von Personal, Fehlanschaffungen. „Aber ich

konnte den Scherbenhaufen klein halten, weil

ich mit meiner Mutter immer jemanden im

Hintergrund hatte, den ich anrufen konnte.“

Acht Jahre nebeneinander und doch miteinander

zu arbeiten, liefen gut – und Michael

Wirsam entschloss sich, dabeizubleiben. „Ich

habe gemerkt, dass mir das Unternehmersein

Spaß macht: sich flexibel dem Markt anpassen

können, Neues ausprobieren, die Verantwortung

gegenüber der Belegschaft und den

Kunden zu tragen.“

So rückte Michael Wirsam 2020 in die Geschäftsführung

des Mutterunternehmens auf

und kehrte wieder nach Südniedersachsen


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FOTO: ALCIRO THEODORO DA SILVA

PROFIL

Fest in Familienhand Birgitt Witter-Wirsam, Geschäftsführerin von HolzLand Hasselbach, gibt das Zepter an Sohn Michael Wirsam weiter.

zurück. Der Münchener Betrieb wird jetzt

von einer Standortleiterin weitergeführt. Die

plötzlich sehr enge Zusammenarbeit lief

problemlos, der Umgang auf Augenhöhe

klappte. 2021 vollzieht sich daher die nächste

Etappe im langsamen Führungswechsel, indem

Michael Wirsam die Verantwortung für

HolzLand Hassel bach übernimmt und Birgitt

Witter-Wirsam in den Hintergrund tritt.

„Es gibt diesen Spruch: Neue Besen kehren

gut, aber die alten Besen wissen, wie man in

die Ecken kommt. Daher ergänzen wir uns

sehr gut“, erklärt Witter-Wirsam. Sie sieht die

Staffelübergabe an die nächste Generation

gelassen. „Ich hatte in der Regel Sechs-Tage-

Wochen und Zwölf-Stunden-Tage, es war nie

wirklich drin, sich mal eine Auszeit zu nehmen.

Jetzt freue ich mich auf die neuen Freiheiten,

mehr mit meinen beiden Enkeln zu

machen und mich ohne schlechtes Gewissen

auch mal zum Kaffee zu verabreden.“

MICHAEL WIRSAM SIEHT sein Unternehmen

gut aufgestellt, doch die Herausforderungen

stehen schon vor der Tür: wie etwa die immer

schwieriger werdende Suche nach Fachpersonal

oder die Entscheidung für oder gegen

den Onlinehandel. „Wir werden unser Profil

als Fachmarkt mit bauspezifischen Produkten

weiter schärfen müssen und uns immer mehr

zum Dienstleister entwickeln“, sagt Michael

Wirsam und gibt damit einen Ausblick. Die

Kunden wollten inzwischen nicht nur das Parkett

kaufen, sondern es auch zu Hause montiert

bekommen – das alles macht auch heute

schon sehr professionell die angeschlossene

Tischlerei. Und noch ein Großprojekt steht an:

Der ehemalige Göttinger Schlachthof direkt

neben dem Hasselbach-Gelände wurde gekauft

und soll als Gewerbeareal für Einzelhandel,

Büros und Praxen entwickelt werden, wer

also Interesse hat, darf sich gerne melden.

DOCH ZUNÄCHST EINMAL wird gefeiert:

die Übergabe des Unternehmens an die

inzwischen fünfte Familiengeneration und

pandemiebedingt mit einem Jahr Verspätung

auch das 135-jährige Firmenjubiläum. „Ich

will damit auch allen Weggefährten, die mich

über 40 Jahre begleitet haben“, so Birgitt Witter-Wirsam,

„Danke sagen und würde mich

sehr freuen, wenn Sie alle unserem Unternehmen

weiterhin treu bleiben. “

TEXT: SVEN GRÜNEWALD

KONTAKT

HolzLand Hasselbach

Am Flüthedamm 2

37124 Rosdorf (Göttingen)

Tel. 0551 50099 0

info@holzland-hasselbach.de

www.holzland-hasselbach.de


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Mit moderner IT die

Pandemie meistern

Ein Unternehmen durch Lockdowns steuern, die Belegschaft motivieren und Rahmenbedingungen

für das Homeoffice schaffen – die Anforderungen, die die Corona-Pandemie an Unternehmen

stellt, sind vielfältig. SerNet lud Dr. Friedhelm Rudolph, Leiter IT und Controlling der POCO

Einrichtungsmärkte GmbH, und Olaf Feuerstein, Geschäftsführender Gesellschafter der Hotel

Freizeit In GmbH, zu einem Erfahrungsaustausch ein.

Wir haben tief in die

Methodenkiste gegriffen,

neue Ansätze für die Unternehmenssteuerung

gesucht

und werden hieran auch

künftig weiter arbeiten.

DR. FRIEDHELM RUDOLPH

Als IT-Dienstleisterin hatte die SerNet in den

vergangenen Monaten viel zu tun. Aber wie

sah es bei Einrichtungsmärkten und in der

Hotel- & Gastro-Branche aus – wie sind Sie

bei POCO und im Freizeit In durch diese

Zeit gekommen?

Dr. Friedhelm Rudolph: Bei Poco arbeiten über

8.000 Menschen in 125 Einrichtungsmärkten

und zwei Unternehmenszentralen. Wir mussten

sehr schnell umorganisieren, einen großen

Teil der Betriebsangehörigen in die Kurzarbeit

schicken. Vor allem aber mussten wir uns

immer wieder mit vielen unterschiedlichen

Regelungen in den Bundesländern auseinandersetzen,

zum Beispiel hat NRW plötzlich

beschlossen, dass Möbelgeschäfte besonders

wichtig sind und öffnen sollen.

Olaf Feuerstein: Am 18. März 2020 habe ich

ein Meeting einberufen und dem Betrieb verkündet,

dass wir den großen Freizeit-In-Hotelkomplex

runterfahren müssen. Das war surreal.

Einige weinten voller Existenzängste. Ein großes

Lob geht an dieser Stelle an die Agentur

für Arbeit Göttingen, die uns in Sachen Kurzarbeit

und Kurzarbeitergeld hervorragend unterstützt

hat. Der erste Lockdown hatte noch fast

Abenteuer-Charakter. Wir haben Sachen abgeschaltet,

die in 30 Jahren noch nie abgeschaltet

waren. Und wir kennen jetzt unsere realen

Grenzkosten. An manchen Tagen waren wir zu

dritt vor Ort, nur damit der Laden nicht ausgeräumt

wird. Wo immer möglich, haben wir Mitarbeiterinnen

und Mitarbeiter ins Home office

geschickt. Das geht in einem Hotelbetrieb natürlich

nur bei wenigen Tätigkeiten, und nicht

alle können gut von zu Hause aus arbeiten.

Wie sah es bei Poco mit Homeoffice aus?

Rudolph: Das war für uns kein gänzlich neues

Thema, sondern ein über die Jahre gewachsenes.

Ich nutze schon seit 1994 einen

mobilen Arbeitsplatz, Anfang 2020 waren wir

bei 250 Plätzen über alle Abteilungen hinweg.

Mit Beginn der Corona-Pandemie haben wir

binnen Wochenfrist auf 500 aufgerüstet und

alle Notebooks aufgekauft, die irgendwie am

Markt greifbar waren.

War der Wechsel von der klassischen

Arbeitssituation vom Büro ins Homeoffice

unproblematisch?

Rudolph: Bislang hat vor allem unser Einkauf

mobil gearbeitet, jetzt haben auch Bereiche

wie die Finanzbuchhaltung nachgezogen. Mit

SerNet als Partner haben wir außerdem vor

ungefähr zehn Jahren unsere Infrastruktur mit

gesicherten Zugängen in das Firmennetzwerk

neu aufgestellt. Das konnten wir sehr schnell

und unkompliziert ausbauen.


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FOTO: WILLEM ROTHE

PROFIL

Dr. Friedhelm Rudolph (links) und Olaf Feuerstein (rechts) mit SerNet-Geschäftsführer Dr. Johannes Loxen

Feuerstein: Ähnlich sieht es bei uns aus. Alle

Geschäftsprozesse hängen an der IT – und

alles hängt am sicheren Zugriff. SerNet ist in

Sachen IT-Sicherheit extrem gründlich. Das

hat natürlich seinen Preis, ist aber für ein Unternehmen

überlebenswichtig.

Wie haben Sie es geschafft, die Belegschaft

zu motivieren?

Feuerstein: Unserem gesamten Team war

es extrem wichtig, gegenseitige Hilfe zu demonstrieren

und das Gefühl zu bekommen,

auch etwas Sinnvolles beitragen zu können.

Zum Beispiel haben wir die leer stehenden

Zimmer den Angestellten der Corona- Station

des Uni-Klinikums angeboten. So mussten

viele nach einer erschöpfenden Schicht

nicht noch mit dem Auto pendeln. Und es

war wichtig, die Perspektive zu geben, dass

es weitergeht. Auch darum haben wir im Mai,

gleich nach dem Lockdown, mit dem Liesel

ein Shabby-Chic-Café direkt am Göttinger

Gänse liesel aufgemacht. Mit der Unterstützung

durch SerNet war die Inbetriebnahme

des WLAN im etwas verschachtelten Altbau

kein Problem.

Wie geht es nun weiter?

Rudolph: Für uns war der erste Lockdown eine

gute Übung, und wir haben das als Chance für

Erneuerung wahrgenommen. Wir haben tief

in die Methodenkiste gegriffen, neue Ansätze

für die Unternehmenssteuerung gesucht und

werden hieran auch künftig weiter arbeiten.

Mit dem zweiten Lockdown über viele Monate

hatten wir aber nicht gerechnet. Diese großen

Verluste müssen wir nun im zweiten Halbjahr

2021 aufholen. Zum Glück für uns hat das

anfängliche ,Cocooning‘ zu einem Boom in

der Möbelbranche geführt. Inzwischen haben

sich aber alle ausgestattet.

Feuerstein: Wir sehen an der Vorbuchungsquote,

dass die Gäste zurückkommen. Als

Reisende, als Tagende – aber sie kommen

anders zurück. Vor allem wird das Hybride

als Veranstaltungsformat bleiben, und wir

freuen uns jetzt, dass wir diesen Trend auch

schon vor der Pandemie gesehen und uns mit

schnellem Internet und gutem WLAN darauf

eingestellt hatten. Dabei gibt es viele neue

Möglichkeiten zu entdecken. Außerdem wollen

wir erheblich expandieren – auch in Göttingen.

Es bleibt also spannend.

Danke für das Gespräch und viel Erfolg für

die kommende Zeit!

INTERVIEW: CLAUDIA KRELL

KONTAKT

SerNet GmbH

Bahnhofsallee 1b

37081 Göttingen

Tel. 0551-370000-0

kontakt@sernet.de

www.sernet.de

KONTAKT

POCO Einrichtungsmärkte GmbH

Schulstr. 2+5

37181 Hardegsen

info@poco.de

www.poco.de

KONTAKT

Hotel Freizeit In GmbH

Dransfelder Straße 3

37079 Göttingen

Tel. 0551-9001-0

info@freizeit-in.de

www.freizeit-in.de


leben

86 3 |2021


leben

Spiel, um zu wachsen!

Gabriel von Berlepsch und Rebecca Klingenberg begleiten Menschen mit ihrem Format Playtogrow

(schau)spielerisch auf einer Reise zu sich selbst und zu mehr Kreativität im Team.

TEXT CHRISTIAN VOGELBEIN FOTO CHRISTOPH TÜRKAY

3 |2021 87


leben

» Es ist toll zu sehen, was in der kurzen

Zeit entsteht und wer sich öffnet.

Menschen begegnen sich im Team

plötzlich auf Augenhöhe und

entwickeln tolle Qualitäten. «

GABRIEL VON BERLEPSCH

LESEZEIT: 6 MINUTEN

Stellen Sie sich kurz vor, Sie sitzen in einem

leeren Raum. Der leere Raum füllt sich in

Ihrem Kopf: An der linken Wand befindet

sich ein Bücherregal. Sie greifen hinein,

finden ein Buch mit leerem Cover. Mit ein

bisschen Fantasie füllt sich die farblose

Vorderseite. Das Buch bekommt einen

Namen, einen Titel, ein Bild und die ersten 20 Seiten,

dann 20 Seiten mehr. Auf der Rückseite wächst eine Zusammenfassung.

Wort für Wort, Satz für Satz, Sinn für

Sinn. Gewachsen in Ihrem Kopf, aus einer einfachen

Aufforderung: Greifen Sie in das Bücherregal – das es gar

nicht gibt. So oder so ähnlich beginnt eine Begegnung

mit Rebecca Klingenberg und Gabriel von Berlepsch.

Die beiden Schauspielenden gehören seit sieben Jahren

zum Ensemble des Deutschen Theaters – heute sind sie

auch abseits der großen Bühne ein gut eingespieltes Paar,

sowohl beruflich als auch privat.

ES IST EIN TYPISCH DEUTSCHER SPÄTSOMMERTAG,

als wir sie in ihrer Göttinger Altbauwohnung treffen.

Während draußen der warme Regen auf den Rasen prasselt,

gibt es Kekse, Tee und Kaffee. Das bisschen Licht

fällt trotz allem hell an die hohen Wände des Wohnzimmers

der kleinen Familie. Vor einer sonst freien Wand ist

eine riesige schwarze Leinwand aufgebaut, davor ein

Bühnen licht und eine Kamera. Als im vergangenen Jahr

Corona kam, waren die beiden Schauspieler dankbar für

ihre Anstellung am Deutschen Theater in Göttingen.

Denn statt das Ende der Karriere befürchten zu müssen,

wechselten sie ,nur‘ in Kurzarbeit. „Mit der zweiten Welle

hat es uns dann aber auch gereicht. Unser Beruf ist

sehr bedroht – wir brauchen das Publikum“, sagt Gabriel

von Berlepsch ernst. „Und wir hatten plötzlich sehr

viel Zeit“, ergänzt Rebecca Klingenberg. Zeit zu Hause

für die zwei Kinder, Zeit für sich, für Ideen. Und für ein

Projekt, das sie schon vor dem Jahr 2020 und seinen Folgen

begonnen hatten – das aber nun erst so richtig Fahrt

aufnahm.

MIT PLAYTOGROW haben die zwei Bühnenkünstler gemeinsam

ein Konzept entwickelt, mit dessen Hilfe sie

anderen Menschen spielerisch zu innerem Wachstum

verhelfen wollen. Oder besser: schauspielerisch. Denn

hier greifen sie tief in die Trickkiste ihres Berufes, regen

Sprache und Fantasie an und bringen Menschen in

Bewegung – sowohl physisch als auch mental. Wer

Klingenberg und von Berlepsch engagiert, sucht entweder

im Einzeltraining für sich persönlich oder in Verantwortung

für ein ganzes Team neue Wege. Privatpersonen,

Geschäftsführer oder ganze Abteilungen werden

durch das Coaching gestärkt. Das Versprechen der beiden:

Gruppen arbeiten hinterher nicht nur effizienter,

sondern auch mit Freude und Geist zusammen, weil sie

die Grundsätze co-kreativen Arbeitens spielerisch erlernt

haben.

Im Einzelcoaching geht es ans Eingemachte: Es gibt

Feedback zu Körpersprache, Stimme, Atmung, Haltung

und Wirkung des Teilnehmenden. Klingenberg und von

Berlepsch unterstützen bei Auftritten und Reden, lehren

Dramaturgie und die Fähigkeit, in komplexen Bildern

zu sprechen. Ihr volles Potenzial entfaltet Playtogrow

jedoch erst im Teamcoaching. Denn: „Wahre

kreative Energie und Schaffenskraft entsteht nicht allein

in der stillen Kammer, sondern durch den Austausch

in der Gruppe und gemeinsame Interaktion“,

erklärt Klingenberg ihre Theorie. Dabei schaffen sie

einen Raum der Begegnung, lassen Bewegung und Entfaltung

zu und regen spielerisch die Team-Dynamik an.

Normalerweise wird dann für einen halben bis zwei

Tage ein Raum gemietet, die bis zu 20 Teilnehmende

kommen dann über mehrere Stunden zusammen. „Wir

holen die Leute ab und zeigen, dass mit kleinen Werkzeugen

aus dem Theaterbereich die Kreativität von

ganz allein kommt. Denn wer sich anstrengt, kreativ zu

sein, wird schnell merken, dass das nur mäßig nicht

klappt“, erklärt von Berlepsch. Als dritter Sohn der

Grafenfamilie von Berlepsch wuchs er im Schloss bei

Witzenhausen auf, bevor er seine Schauspielausbildung

in Rostock absolvierte. Inzwischen ist er neben der

Theaterbühne auch immer wieder im TV zu sehen.

„Und im Team sind Menschen einfach per se kreativer“,

sagt auch noch einmal die gebürtige Bremerin an seiner

Seite, die ihre Ausbildung in Zürich genoss und bereits

zahlreiche Hörspiele für den SWR und das Schweizer

Radio DRS aufnahm. „Das kreative, einsame Genie ist

eher ein Mythos.“

88 3 | 2021


leben

WIE DIE SCHAUSPIELER auf der Bühne des Theaters, so

blühen auch die Teilnehmer der Workshops auf und entdecken

Stärken und Talente in sich – auch ohne Talent

zur Schauspielerei. Das gelingt von Berlepsch und Klingenberg

oftmals schon in der ersten Stunde. „Wenn wir

im Raum ankommen, uns bewegen, spielerisch eine offene

Geisteshaltung einnehmen, bauen sich Ängste ganz

von selbst ab “, sagt Klingenberg. „So wie auch wir vor

unseren Auftritten immer noch aufgeregt sein können,

so geht es auch unseren Teilnehmenden. Sie wissen ja

nicht, was sie gleich erwartet.“

Sich mit anderen Menschen zu verbinden, aufmerksam

zu sein und den Moment bewusst zu erleben und

einzuschätzen, ist nur eine Auswahl der Fähigkeiten, die

durch Playtogrow geweckt werden. „Es ist toll zu sehen,

was in der kurzen Zeit entsteht und wer sich öffnet.

Menschen begegnen sich im Team plötzlich auf Augenhöhe

und entwickeln tolle Qualitäten“, erzählt von Berlepsch.

Neue Farben und Facetten in sich zu entdecken,

ist eben nicht nur auf das Schauspielerdasein beschränkt,

sondern darf auch im realen Leben passieren, im Alltag

und in der Arbeitswelt. Und genau das lernen die Teilnehmer.

DIE VERGANGENEN MONATE bedeuteten für Playtogrow

einen Umzug in die digitale Welt. Statt in einem

Kursraum begegnete man sich nun auf einmal via

Zoom-Meeting. „Wir konnten uns erst gar nicht vorstellen,

dass das funktioniert“, sagt von Berlepsch. „Theater

ist etwas sehr Analoges: sehen, riechen, erleben. Man

setzt sich da hin, es passiert live, und man könnte es sogar

anfassen. Ganz ohne Instagram-Filter.“ Stattdessen

war man nun durch Raum und Bildschirme getrennt.

„Wir sind ins kalte Wasser gesprungen, weil es eine Anfrage

gab“, sagt von Berlepsch. „Und wir waren überrascht,

wie gut auch das funktioniert: Wir, aber auch die

Menschen vor den Computern, hatten riesigen Spaß.“

Die digitale Distanz war für einige sogar Segen statt

Fluch. „Eine Teilnehmerin sagte, dass es für sie so sogar

einfacher war, sich darauf einzulassen“, erzählt Klingenberg,

„weil sie geschützt zu Hause saß.“

MITTLERWEILE KEHREN DIE SCHAUSPIELER auch wieder

auf die richtige Bühne des Deutschen Theaters zurück,

wenn auch nur schrittweise. Diesem Ort gehört

auch weiterhin ihr Herz, da sind sie sich einig. Von

Kollegen bekommen sie Zuspruch für Playtogrow, doch

sich nur noch ganz dem einen oder anderen widmen –

das können und wollen sie noch nicht. „Wir machen

beides, weil es uns Freude bereitet und glücklich macht“,

sagt von Berlepsch. Es sei genau diese Abwechslung, die

ihr Leben und eben auch der erlernte Beruf mit sich

bringt. Eine Begeisterung und Leidenschaft, die sie gern

an Menschen weitergeben, die sonst im Alltag anderen

Dingen nachgehen – und auf diesem Weg vielleicht sogar

ungeahnte Talente in sich entdecken. ƒ

35. faktor-Business-Lounge

PLAYTOGROW – Die Show für Persönlichkeitsentwicklung

und Team-Kreativität

Die beste Voraussetzung für gut funktionierende Teams

sind ein kreatives Zusammenspiel und Selbstsicherheit im

Alltag. Beides kann man trainieren – und es macht Spaß!

Als Profi-Schauspieler am Deutschen Theater Göttingen

vermitteln Rebecca Klingenberg und Gabriel von Berlepsch

spielerisch die Grundlagen von mehr Präsenz und

gesteigerter Co-Kreativität im Team:

Starke und authentische Botschaften: Atem, Stimme und

Haltung als Tool nutzen

Kreativität unleashed: die besten Techniken & Tricks

für mehr Spontanität, Mut zur Improvisation und

empathisches Zusammenspiel

Behind the Scenes: unterhaltende Storys und Learnings

aus unserem Alltag als Film- und Theaterschauspieler

Die Show richtet sich an Unternehmer, Führungskräfte und

Mitarbeitende, die ihre Kreativität neu entdecken und ihr

Auftreten selbstbewusst gestalten wollen. Und das in einer

informativen und unterhaltenden Performance – Theaterbesuch

und Persönlichkeitsentwicklung in einem!

Donnerstag, 18. November 2021

19 Uhr

Sheddachhalle im Sartorius-Quartier in Göttingen

Preis: 69/99 Euro

Anmeldung und weitere Infos unter:

www.faktorevents.de/anmeldung-fbl-von-berlepsch

digital+

Möchten Sie einen kleinen Vorgeschmack

auf das, was Sie bei der 35. faktor-Business-

Lounge erwartet? Dann lernen Sie die beiden

Schauspieler digital kennen unter:

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leben

Über allem

schwebt

Vergänglichkeit

140 Jahre Göttinger Stadtfriedhof

TEXT STEFANIE WASKE FOTOGRAFIE ALCIRO THEODORO DA SILVA

LESEZEIT: 3 MINUTEN

Zahllose Kreise entstehen, als die Regentropfen

auf die Wasseroberfläche des

Teiches treffen. Im nächsten Moment

sind sie verschwunden, neue folgen

ihnen, durchdringen einander. Lange

blicke ich auf den kleinen See mit den

verblühten Seerosen, während der Regen unablässig

vom Himmel stürzt. Die Tropfen sind ein wenig wie das

Leben, das kommt und vergeht – denke ich schutzsuchend

unter dem Blätterdach einer riesigen Buche auf

dem Göttinger Stadtfriedhof. Geschätzte 65.000 Kreise

müsste ich zählen, so viele Menschen fanden hier seit

140 Jahren – genauer seit dem 15. Dezember 1881 – ihre

letzte Ruhestätte.

WIE VIEL HAT SICH IN DEN JAHREN GEWANDELT? Ich

brauche mich in meiner Zuflucht vor dem Regen nur

umzudrehen. Mein Blick fällt auf ein Grab, das mit

seinen Säulen und einer knienden Frauenskulptur mit

einem Strauß Blumen im Arm an einen kleinen griechischen

Tempel erinnert. Bruno Blaschny widmete den

Bau seiner 1927 verstorbenen Frau Helene. Zuvor war

ich am Urnenfeld des Friedhofs entlanggekommen, an

einer hölzernen Stele hängen Tafeln mit Lebensdaten

von Verstorbenen. Ihre Urnen sind anonym beigesetzt.

94 Jahre liegen zwischen den Gräbern. Sie drücken mehr

aus als nur den persönlichen Verlust, erzählen vom Wandel

der Bestattungskultur.

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Und ohne Wunsch nach einem Wandel wäre der Stadtfriedhof

auch nicht entstanden: abgerückt von den Kirchen

zu bestatten, in einer parkähnlichen Umgebung,

mit Raum für bürger liches Selbstbewusstsein. Angeregt

hatte ihn seinerzeit Bürgermeister Georg Merkel. „Bei

meinem Eintreffen in Göttingen fand ich nun alle Kirchhöfe

in einem solchen Zustande der Überfüllung (Gebeine

wurden fast bei allen Beerdigungen zutage gefördert),

der Vernachlässigung, Unordnung und Verwilderung,

dass der Pietät wie der Sanität in unerhörter Weise Hohn

gesprochen wurden“ – zitiert Jürgen Döring die Erinnerungen

des Bürgermeisters in seinem Buch ,Geschichte

der alten Göttinger Friedhöfe‘. Nicht nur in Göttingen

entstanden damals solche Parkfriedhöfe. Sie faszinieren

bis heute mit ihren majestätischen alten Bäumen, den

kunstvoll gearbeiteten Grabsteinen und vor allem den

Lebensgeschichten der Beerdigten.

DER HIESIGE STADTFRIEDHOF hat dennoch eine ganz

eigene Gestalt. Weniger ausladende Mausoleen oder

prachtvolle Grabanlagen von Unternehmern prägen das

Bild dieser parkähnlichen Anlage, die ganze 360.000

Quadratmeter umfasst, sondern Ruhestätten von Wissenschaftlern,

darunter neun Nobelpreisträger, Göttinger

Händler- und Handwerkerfamilien und Ehrenbürger.

Wer sich vertieft, für den können Gräber ein lebendiges

Geschichtsbuch sein. Soldaten- und Ehrenmäler mahnen

zudem an die Schrecken des Krieges, wie etwa eine vom

Moos grünlich schimmernde Stele, auf der ein Stahlhelm

ruht – das Gesicht des Soldaten ist nicht mehr erkennbar.

Wer wiederkommt, sieht immer anderes. Weil er ein

anderer ist. Und auch der Stadtfriedhof hat sich verändert,

mal mehr, mal weniger. Mir war vor vier Jahren die

Liebesbotschaft eines Jungen aufgefallen, der gleich

sechs Mädchennamen mittig auf die weiße Holzwand

des Pavillons geschrieben und alle mit einem Herzen versehen

hatte. Längst sind seine Zeilen überschrieben und

übertüncht. Vergänglichkeit schwebt über allem auf dem

Stadtfriedhof. Vielleicht macht es die Zeit auf seinen Wegen

deshalb zu etwas Kostbarem? Weil wir wissen, dass

all das Schöne, an dem unser Blick hängen bleibt, vergeht?

Ähnlich wie die Regentropfen, die versiegen, mich

aufbrechen lassen aus dem Friedhof. Bis ich hoffentlich

eines Tages wiederkomme. ƒ

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,Bis wir uns wiedersehen‘

Jubiläums-Ausstellung in der Torhaus-Galerie

Friedhöfe haben schon immer Künstler inspiriert –

da macht der Stadtfriedhof keine Ausnahme. Er verfügt

sogar über einen eigenen Ausstellungsraum: die Torhaus-

Galerie. Einst war das denkmalgeschützte Gebäude

Friedhofskapelle, Leichenhaus und Verwaltungssitz.

Zum 140-jährigen Jubiläum wurde dort im September die

Foto-Ausstellung ,Bis wir uns wiedersehen‘ gezeigt.

Neben den Fotografien von Beate Ohm, seit mehr als 35

Jahren Friedhofsgärtnerin, und Christoph Mischke, freier

Journalist und Fotograf, hat sich auch unser langjähriger

faktor- Fotograf Alciro Theodoro da Silva daran beteiligt.

Er hält den Stadtfriedhof seit Jahren mit seinen Aufnahmen

fest – bei Wind, Wetter sowie zu jeder Jahreszeit. Eine

Auswahl davon sehen Sie in dieser Bilderstrecke.

Die gesamte Ausstellung können Sie virtuell besuchen unter:

www.goettinger-verschoenerungsverein.de/torhaus-galerie

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leben

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www.mehralseinmagazin.de

Ausgabe 4 // 2021

› MEHR ALS EIN MAGAZIN

Stil

❉ LEBENSART UND WOHNKULTUR IN SÜDNIEDERSACHSEN

Kunst als treibende Kraft

Was uns im Kunsthaus

Göttingen erwartet

Ein rares Tröpfchen

Zu Besuch bei Göttingens

erstem Weinbauer

As Porsche as possible

Der Taycan Turbo

im E-Auto-Test

faktorStil PARTNER

IMPRESSUM

Herausgeber: faktor Stil Entscheider Medien GmbH, Berliner Str. 10, 37073 Göttingen, Tel. 0551 3098390, Fax 0551 30983911, info@faktor-magazin.de, www.faktor-magazin.de Herausgeber: Marco Böhme (V.i.S.d.P.) // Chefredaktion: Elena Schrader (schrader@faktor-magazin.de) //

Autoren: Lea van der Pütten (faktor), Jan Fragel, Claudia Klaft, Jonas Knostman, Christian Vogelbein, Stefanie Waske // Lektorat: CoLibris-Lektoratsbüro Dr. Barbara Welzel // Grafisches Konzept: Julia Braun // Art-Direktion und Layout: Julia Braun // Vertrieb: Nicole Benseler // Auflage:

7.500 // Druck: Silber Druck oHG // Wir übernehmen für unverlangt eingesendete Texte, Fotos, Zeichnungen etc. keine Haftung. Namentlich gekennzeichnete Artikel geben nicht die Meinung des Herausgebers wieder. // Von faktor Stil gestaltete Anzeigen sind urheberrechtlich geschützt.

Eine anderweitige Verwendung ist nur mit schriftlicher Genehmigung des Heraus gebers und einer Nutzungsentschädigung möglich. // Ein Nachdruck der im faktor Stil veröffentlichten Beiträge (auch auszugsweise) ist nur mit schriftlicher Genehmigung des Herausgebers möglich.


104 Stil


Ein rares

Tröpfchen

Leichte Zitrusnoten und das Aroma reifer Beeren unterm Gaumen –

Apotheker Michael Winkler betreibt Weinanbau vor den Toren Göttingens.

TEXT JAN FRAGEL

FOTOGRAFIE ALCIRO THEODORO DA SILVA & JAN FRAGEL

105 Stil


STIL

Ein Weinberg ist

nicht nur das Werk

eines Einzelnen – vor allem

bei der Lese im Herbst braucht

es viele starke Menschen, Freunde

und Familie, um die Arbeit

auf Winklers 2,8 Hektar großen

Feld vor Göttingen zu

meistern.

106 Stil


STIL

Zeitsprung. September 2020. Prall

und saftig hängen die Trauben

von Neu-Winzer Michael Winkler

an den Reben. Richtung Südosten

fällt der Blick auf Göttingen. In

Reih und Glied stehen Hunderte Weinstöcke

auf der ,Finkenbreite‘, einem Hang nördlich

der Stadt in der Gemeinde Bovenden. Das

Weinlaub raschelt während der Lese im Wind,

Erntehelfer bringen die Trauben in Eimern

zum schmalen Traktor. Der auf 200 Metern

Höhe gelegene Weinberg wirkt zwischen den

teilweise abgeernteten Weizen-, Raps- und Zuckerrübenfelder

des angrenzenden Leinetals

etwas fremd. Noch ... Michael Winkler gehört

zu den 38 Neu-Winzern in Niedersachsen, die

seit 2016 kommerziell Wein anbauen dürfen.

Und das Potenzial für mehr im Norden ist da.

Auf seinem 2,8 Hektar großen Weinberg ist

an diesem Herbstwochenende einiges los.

Freunde, interessierte Agrarstudierende aus

Göttingen, ein befreundetes Winzerpaar und

natürlich seine Familie helfen bei der ersten

größeren Lese mit. Wein ist eine Kultur mit

Familienanschluss.

Winkler nimmt ein kleines Rohr zur Hand.

Darin befindet sich eine vergrößernde Optik.

Er gibt ein paar Tropfen Traubenmost auf

eine Scheibe im Rohr und schaut hindurch:

„85 Grad Oechsle, das ist ein guter Wert,“

sagt der Jungwinzer. Das Rohr ist ein Refraktometer

und Grad Oechsle ein wichtiger

Wert, um zu bestimmen, ob aus den Weintrauben

– in diesem Fall der Rebsorte Solaris

– auch in Niedersachsen ein gescheiter Wein

werden kann. Oechsle gibt, kurz gesagt, den

Zuckergehalt im Traubenmost, dem unvergorenen

Saft, an. Und der ist eine Voraussetzung

dafür, ob der Wein auch lecker wird.

Eine weitere Voraussetzung für guten Wein

ist die sorgfältige Ernte. Seine Ehefrau

Dunja schneidet mit einer feinen Zweigschere

die reifen Trauben von den Reben.

Dann kontrolliert sie, ob die Beeren gesund

sind: „In diesem Jahr haben die Wespen einen

Teil der Trauben angefressen. Sie wissen

auch, was gut schmeckt.“ Die verdorbenen

Beeren schneidet sie einzeln aus den Trauben

heraus – nur die gesunden landen im

Sammeleimer.

EIN WEINBERG ist nicht nur das Werk eines

Einzelnen, es braucht viele starke Menschen.

„Man wächst hinein, lernt bei jedem Wachstumsschub

der Reben dazu,“ erzählt Michael

Winkler. Noch gleicht die Arbeit auf dem

Weinberg, der etwa so groß ist wie vier Fußballfelder,

der Arbeit von Sisyphos. „Man

fängt vorne an, und wenn man hinten ist,

geht es wieder von vorne los“, erzählt der

56-Jährige und lächelt dennoch zufrieden.

Nur ertraglos wie in der griechischen Mythologie

soll die Arbeit auf dem Weinberg Finkenbreite

nicht sein. Das Ziel sind erstklassige

Weine. Und die Voraussetzungen dafür sind

gut. Durch die Hanglange können Spätfröste

weniger Schaden anrichten, weil die kalte Luft

gut ,abfließen‘ kann, und die Sonne sorgt in

der Südost-Ausrichtung schnell für Wärme.

DIE PRÄZISE HANDARBEIT, wenig Pflanzenschutzmittel

und mechanische Unkrautbekämpfung

gehören von Anfang an zu Winklers

Philosophie und Anspruch. „Wir wollen

von vornherein gute Qualität in den Tank

bekommen und nicht hinterher korrigie-


107 Stil


STIL

Das ganze Jahr im Einsatz Vom Winter bis zum Frühlingsbeginn werden die Reben von Neu-Winzer

Michael Winkler geschnitten. Im Frühling bindet er die jungen Triebe hoch – einige Rebsorten brauchen

mehr Hilfe zum Ranken, andere halten sich selbst an den quergespannten Drähten fest.

ren, zum Beispiel mit Schwefel.“ Ob sich der

Aufwand wirklich gelohnt hat, wird sich erst

im nächsten Frühjahr zeigen. Erst nach einem

halben Jahr Gärung, Verarbeitung und

viel Ruhe ist der Wein reif für den Genuss.

DEN JAHRGANG 2020 verarbeitet Familie

Winkler nicht selbst, sondern lässt ihn bei

einem Winzer in Sachsen-Anhalt ausbauen.

Rund 2,5 Tonnen sind in diesem Jahr zusammengekommen

– „das ist immer noch eine

Versuchsmenge.“ Solaris, Souvignier gris und

Riesling werden zunächst einzeln vergoren

und ausgebaut. „Hinterher gucken wir mal,

wie wir die Weine verschneiden“, so der Winzer.

Eine Göttinger Cuvée wird entstehen. Allein

der Genuss der reifen Solaris-Trauben

bringt die Fantasie in Schwung: In der Nase

verbreiten sich leichte Zitrusnoten, unterm

Gaumen entfalten die Aromen reifer Beerenfrüchte

ihre betörende Wirkung. Das macht

Lust auf Wein aus Niedersachsen.

Schon ein Jahr zuvor haben die Winklers in

kleinem Rahmen zu Hause eine Cuvée aus

Muscaris und Solaris hergestellt. „Das war

schon ein sehr gutes Tröpfchen,“ sagt Michael

Winkler und lacht. „Fruchtiges Bouquet im

Glas und trocken – so, wie wir das mögen,“

ergänzt seine Frau. Perspektivisch will Familie

Winkler alles selbst machen: von der Rebe bis

zur Flasche

ES WAR UM SEINEN 50. GEBURTSTAG herum,

als sich Michael Winkler vorgenommen

hat, neben seinem Hauptberuf als Apotheker

in Göttingen noch etwas anderes anzufangen.

Ein Faible für Wein, für den Genuss und das

Lebensgefühl hatte er schon immer. Er ist ,am

Tor zum Rheingau‘ geboren, einer Region in

Hessen, wo der Weinanbau Tradi tion hat. So

kam es dazu, dass er sich umgehört hat, ob

und wie in Südniedersachsen Wein professionell

angebaut werden kann. Und damit ist er

nicht allein. Die Lust, etwas Besonderes zu

machen, und die Leidenschaft für Wein sind

es, die viele der Winzerpioniere antreiben. Es

sind Lehrer dabei, ein Architekt, Restaurantbesitzer

und auch Landwirte.

2016 hat das Land Niedersachsen 7,5

Hektar Weinanbaufläche genehmigt – eine

EU- Verordnung hat das möglich gemacht.

Winkler bekam rund 2,8 davon zugesprochen

– bis heute eine der größten zusammenhängenden

professionellen Anbauflächen in

diesem Gebiet. Mittlerweile sind es bundesweit

fast 25 Hektar, Tendenz steigend.

WIRD NIEDERSACHSEN also einmal Weinland?

Vielleicht, aber das wird dauern. „Die

Perspektiven dafür sind zumindest nicht

schlecht – der Klimawandel macht es möglich“,

sagt Jan Brinkmann, Vorsitzender des

,Niedersächsischen Weinanbauverbandes‘ , in

dem mehr als die Hälfte der 38 Weinanbauer

des Bundeslandes organisiert sind. „Wenn

auch noch die regionalen Voraussetzungen

stimmen“, so Brinkmann, „kann der Weinanbau

hier also durchaus gelingen.“ Der Landwirt

selbst glaubt an den Erfolg und möchte

für seinen Betrieb in Bad Iburg neben Ackerbau

und Sauenzucht eine weitere wirtschaftliche

Säule aufbauen. Wie schnell die Anbaufläche

aber wächst, ist gesetzlich streng geregelt

– im Weingesetz. Um fünf Hektar darf die

Anbaufläche pro Jahr landesweit wachsen,

das sind etwa sieben Fußballfelder, in bestimmten

Fällen auch mehr. Aktuell gibt es bei

uns noch immer ein paar unbestellte Flächen

– und so ist niedersächsischer Wein, und

bleibt es noch sehr lange, ein ganz rares

Tröpfchen.

DENN: EINEN NEUEN WEINBERG aufzubauen,

ist eine Lebens- und Generationenaufgabe

zugleich. Die Investitionen sind nicht unerheblich.

25.000 bis 30.000 Euro pro Hektar

kostet es allein, den Berg anzulegen. Die ungezählten

Arbeitsstunden kommen noch oben

drauf. Arbeit gibt es immer wieder, das ganze

Jahr über. Vom Winter bis zum Frühlingsbeginn

werden die Reben geschnitten. Im Frühling

werden die jungen Triebe hochgebunden,

einige Rebsorten brauchen mehr Hilfe zum

Ranken, andere halten sich selbst an den

quer gespannten Drähten fest. Später wird das

Unkraut unter den Reben mechanisch mit einem

sogenannten Schlegel entfernt, damit es

den Rebstöcken nicht Nährstoffe und Wasser

wegnimmt. Je nach Bedarf setzt Michael

Winkler auch Fungizide gegen Pilzbefall ein.

Die meisten seiner Rebsorten gelten als pilzresistent.

Darauf würden die meisten Weinanbauer

in Niedersachsen setzen, so der Vorsitzendende

Brinkmann. Grund sei das feuchtere

Klima im Norden. Mit pilzresistenteren Sorten

könne der Einsatz von Spritzmitteln massiv

reduziert oder sogar ganz darauf verzichtet

werden. Jeder dritte Verbandsanbauer produziert

in Niedersachsen nach Bio-Kriterien.


108 Stil


Unser Leistungsspektrum:

• Entwurfs- und Ausführungsplanung

• Bauleitung und Projektsteuerung

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STIL

Winklers ganzer Stolz Im vergangenen Jahr sind vier feine Tröpfchen entstanden: ein spritziger

Weißwein- Cuvée aus Solaris und Muscaris (o.) mit dem Duft von Honigmelone, ein Riesling

mit angenehmer Säure und Pfirsicharomen, ein Souvignier gris mit dem Aroma von Aprikosen

und Quitten sowie ein beeriger Rosé-Cuvée (r.) aus Pinotin und Cabernet cortis.

UND WIE SCHMECKT ER NUN, der erste

Göttinger Wein? Hat sich die harte Arbeit gelohnt?

Herbst 2021 – genau ein Jahr ist seit

der Lese vergangen. Stolz präsentiert Michael

Winkler seine vier raren Tröpfchen, Jahrgang

2020: zunächst eine Weißwein- Cuvée aus Solaris

und Muscaris. Bei einem ersten Atemzug

durch die Nase entfaltet sich ein leichter Duft

von Honig melone – unterm Gaumen dann

eine blumige Note. Es ist ein leichter, spritziger

und trockener Sommerwein.

Der Riesling von der Finkenbreite hat im

Glas ein typische blassgelbe bis grünlich-gelbe

Farbe. Er prickelt in der Nase. Unterm Gaumen

wird die Vorfreude auf den Genuss durch eine

angenehme Säure und Pfirsicharomen erfüllt.

Daraus hätte der Apotheker auch gern einen

Sekt gemacht, sagt er. Vielleicht ja später.

Im Glas mit Souvignier gris spiegeln sich

die reifen Reben wider. Obwohl es ein Weißwein

ist, sind die Beeren leicht rötlich. Das

verleiht dem Wein eine interessante Apricotfarbe,

die gut zum runden Aroma nach Aprikosen

und Quitten passt.

Der vierte Wein des Jahrgangs ist ein

Rosé-Cuvée aus Pinotin und Cabernet cortis.

Die Farbe verspricht ein beeriges Aroma –

und so schmeckt er auch: intensiv fruchtig.

Kurzum: Das Warten hat sich gelohnt – sie

schmecken Erfolg versprechend.

UM DEN WEIN VON DER SONNENSEITE Südniedersachsens

irgendwann einmal komplett

selbst herzustellen, braucht Familie Winkler

noch eine passende Immobilie. Die Finger

danach sind schon aus gestreckt. Dort soll der

Wein dann dauerhaft zu kaufen sein – aber

bis dahin wird noch ein bisschen Zeit ins

Land ziehen. Die ersten Flaschen von Winkler

gibt es dennoch bereits im Handel – wenn

auch bisher nur in seiner Apotheke. ƒ

Wo gibt es den Wein zu kaufen?

LINDA - Süd-Apotheke

Reinhäuser Landstraße 25

37083 Göttingen

oder über Facebook:

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STIL

111 Stil


„Kaffee ist fertig!“

Lust auf das beliebteste Heißgetränk der Deutschen

macht Alexander Pohl. Der Inhaber der Einbecker Kaffeerösterei

entführt in die Welt der Bohnen und Aromen.

TEXT CLAUDIA KLAFT FOTOGRAFIE ALCIRO THEODORO DA SILVA

112 Stil


STIL

J

„Jute! Die Bohnen riechen eindeutig nach

Jute“, sage ich und ziehe enttäuscht meine

Nase zurück, meine Augen nehmen fragend

Kontakt mit Alexander Pohl auf, in dessen

Hand die kleinen Kugeln liegen. „Ich muss Ihnen

leider alle Illusionen nehmen. Rohkaffee

hat noch keinen leckeren Geruch“, sagt er

lächelnd und lässt die Bohnen zurück in eine

Schale gleiten.

Wir sitzen zusammen in seiner Einbecker

Kaffeerösterei am Markt in der idyllischen

Altstadt. Innen ist es klein und gemütlich,

Foto grafien von Kaffeebohnen und -plantagen

aus Kolumbien und Indien zieren die Wände,

am Tresen im Eingangsbereich thront die

glänzende Barista-Maschine. Mit geübten

Handgriffen bereitet eine Mitarbeiterin darauf

Kaffee, lautmalerisch begleitet vom knarzenden

Mahlwerk, zischendem Dampf und klapperndem

Geschirr. Vor dem Geschäft – in der

Fußgängerzone – sind alle Tische besetzt, die

Gäste plaudern, beobachten das Treiben, die

Sonne lacht: italienisches Dolce-Vita- Gefühl

mitten in Einbeck.

„So habe ich es mir immer vorgestellt“, sagt

Pohl, lässt den Blick durch seinen Laden

schweifen und nippt zufrieden an seiner Tasse

– einer von fünfen jeden Tag. „Auch wenn bei

der Gründung keiner an den Erfolg geglaubt

hat.“ Und doch hat der passionierte Kaffeetrinker

vor vier Jahren voller Tatendrang seinen

Traum in die Realität umgesetzt – mit der

festen Überzeugung, dass die Kombination

aus Bohnenverkauf und Bewirtung bestens

läuft. „Mein Plan B ist, dass Plan A funktioniert“,

sagt der gebürtige Einbecker entschieden

und gibt damit sein Lebensmotto preis.

PLAN A GING AUF – auch wenn er trotz

To-go-Bechern und Außer- Haus-Verkauf im

letzten Corona-Jahr ein wenig ins Stocken

kam. Inzwischen kommen die Kunden aber

gern wieder zum längeren Verweilen, was

Pohl durchaus optimistisch stimmt. Einer von

ihnen winkt ihm gerade zu, mit einem gekauften

Päckchen Kaffee in der Hand, und fragt

den Inhaber nach seinem Befinden. Pohl

nimmt sich die Zeit für ein paar freundschaftliche

Sätze, bevor er sich wieder dem Tischgespräch

zuwendet.

„Das Café ist praktischerweise auch meine

Marke tingabteilung“, erklärt er lächelnd.

„Denn wer hier seinen Kaffee genießt, nimmt,

wie Sie sehen, auch gern ein Päckchen für

Zuhause mit.“ Ihm sei klar gewesen, dass es

utopisch ist, allein mit einem Café die schnelle

Mark zu generieren. „Schließlich bringen

Gäste, die nur eine Tasse pro Stunde konsumieren,

keinen großen Umsatz. Genuss kennt

keine Eile.“ Er schüttelt den Kopf und zählt

an den Fingern seine drei Erfolgsfaktoren für

eine gut laufende Gastronomie auf: ein solides

Konzept, ein langer Atem und vor allem ein

Alleinstellungsmerkmal. Letzteres sei für ihn

eben die ergänzende Kaffeerösterei, die 70 Prozent

seines Umsatzes ausmache.

DOCH WIE KAM POHL – der zuvor international

als Hotelbetriebswirt in der Gastronomie

und später im Außendienst bei der Einbecker

Brauerei arbeitete – eigentlich darauf, plötzlich

sein Geld mit Kaffee zu verdienen? Der

44-Jährige lehnt sich entspannt zurück und

erzählt von seinem ,Blick von außen‘ auf verschiedenste

Club- Hotels und Fünf-Sterne-

Häuser, bei denen er erkannte, welche Fehler

vermeidbar gewesen wären, und davon, dass

er die Selbstständigkeit ja schon von seinen

Eltern her kenne, die bis heute mit dem Einbecker

Hof ihr eigenes Hotel führen. „Vor 70

Jahren von meinen Großeltern gegründet und

noch immer im Familien besitz“, sagt Pohl

nicht ohne Stolz. Aber ausschlaggebend für

die eigene Kaffeerösterei, so erinnert er sich,

sei vor sechs Jahren ein Kaffee seminar in Hamburg

Altona gewesen: „Es war ein Geschenk

meiner Schwester, die wusste, dass ich diese

Rösterei schon immer toll fand und näher

kennenlernen wollte.“

So kam er schlückchenweise auf den Geschmack

und auf die Idee eines eigenen Kaffeegeschäfts.

Er vertiefte das Thema in weiteren

Seminaren und knüpfte Kontakt zur Hannoverschen

Kaffeemanufaktur, wo er bei einem

seiner früheren Arbeitskollegen Gelegenheit

bekam, praktische Erfahrung zu sammeln und

Prozesse kennenzulernen.

„Mir hat das großen Spaß gemacht, mich

aber zum Glück auch schnell gelehrt, wie

komplex doch das ganze Drumherum ist: Bezugswege,

Zollvorgaben, Steuern, Einfuhr, Lagerung,

Zertifizierung – das geht nicht


113 Stil


STIL

nebenbei“, erklärt Pohl und erzählt, dass allein

die Steuer auf ein Kilo Rohkaffee 2,19

Euro beträgt, dieser jedoch bei der Röstung

zehn Prozent an Gewicht verliert. Und dass

eine Bio zertifizierung – wie sie vier seiner Sorten

haben – voraussetzt, dass schon der Farmer

den Kaffee zertifiziert. „Das kann nicht

jeder Kleinbauer leisten.“

ALLE AUFGABEN ALLEINE ZU STEMMEN, so

sein Fazit, ist zu aufwendig und kostenintensiv.

Also holte er sich zur Gründung des eigenen

Geschäfts kurzerhand den Geschäftsführer der

Hannoverschen Kaffeemanufaktur als Partner

mit ins Boot. Pohl nutzt bis heute mit ihm gemeinsam

Lieferwege, wobei er die Rohware

zu 75 Prozent direkt von kleinen Farmen und

zu 25 Prozent aus Kooperativen bezieht. Für

die Produktion größerer Mengen haben sie in

eine technisch moderne Röstanlage investiert,

die in Hannover steht. Dorthin führt Pohl der

Weg jeden Dienstag, dann ist sein Einbecker

Laden im denkmalgeschützten Altbau geschlossen.

WAS PASSIERT BEI DER RÖSTUNG?

Für seine spezielle Mischung der ,Einbecker

Premium Melange‘ heizt Alexander Pohl seine

Röstmaschine zunächst auf 190 Grad Celsius

vor, um sie gleich darauf wieder auf 90 Grad

abzukühlen. Dann erst werden die Bohnen eingefüllt,

die Hitze wird langsam wieder auf 190

Grad Celsius hochgefahren und für 18 bis 20

Minuten geröstet, bis es zum ,first crack‘ kommt

– dabei platzt das Silberhäutchen der Bohne

auf, die ,Gelbphase‘ beginnt. Erst jetzt entwickelt

sich langsam die Farbe – über Gold hin

zum bekannten klassischen Braun. Die Temperatur

unter 200 Grad Celsius habe den Vorteil,

dass die Säure rausgezogen und Acrylamide

vermieden werden. „Der Kaffee wird damit bekömmlicher“,

erklärt Pohl. Bei der italienischen

und portugiesischen Röstung hingegen werden

die Bohnen für vier Minuten auf 400 Grad Celsius

erhitzt, um den ‚second crack‘ zu erreichen:

Die Bohne platzt ein zweites Mal auf, wird fast

schwarz und bekommt dadurch einen noch

intensiveren Geschmack. Dieser ist vor allem

für Espresso ausschlaggebend, der in südlichen

Gefilden die Grundlage jeglicher Kaffeespezialitäten

ist. In Deutschland wird noch immer

Filterkaffee bevorzugt.

WIE EINGANGS BEREITS FESTGESTELLT:

Roh duftet die Bohne nur nach Jute. Erst die

gezielte Röstung durch einen Fachmann kitzelt

die feinen Noten heraus und das je nach Temperatur

und Röstdauer (siehe Kasten). Doch

hier geht es nicht nur um den Duft. Das Rösten

ist ,der‘ aromagebende Faktor – und genauso

entscheidend für den Geschmack wie

Anbaugebiet, Boden und Witterung. „Im sogenannten

Kaffeegürtel in Südamerika beispielsweise

fällt viel Regen, die Bohnen von dort

zeichnen sich durch einen mehr schokoladigen,

nussigen Geschmack aus“, erklärt der Experte.

Afrikanischer Kaffee, der auf sandigen Böden

gedeiht, habe eher florale Noten. Aus indischen

Bohnen lasse sich ein leichtes Süßholzaroma

rausschmecken – sie werden oft auf

ehemaligen Opiumfeldern angebaut und müssen

dem Monsunregen standhalten. „Wie

beim Wein bestimmen also auch Boden, Lage

und Klima den Geschmack“, sagt Pohl.

850 verschiedene Aromen gibt es insgesamt,

die sich von der Grundnote ausgehend bei der

Röstung entfalten können. Ein Aromarad gibt

über die detaillierte Kategorisierung Aufschluss.

Und weil Einflussfaktoren und

Aromen ebenso komplex sind, gibt es auch

speziell ausgebildete Kaffeesommeliers. Ein

solcher steht auch Pohl zur Seite: „Denn mir

fehlt da doch noch etwas letzte Expertise.“

NEBEN DEM AROMA ist für Pohl auch die

Bekömmlichkeit ein wichtiges Auswahlkriterium,

entsprechend hat er sein Sortiment ausgerichtet:

Zum Verkauf bietet er sortenreine

Kaffees aus Südamerika (Brasilien, Kolumbien,

Peru), aus Afrika (Ruanda) und Asien

(Indien, Thailand). Und im Ausschank kredenzt

er seine ,Einbecker Premium-Melange‘

mit Bohnen aus Guatemala und Äthiopien,

seine ,Espresso Selection‘ hat er aus 60 Prozent

brasilianischen und je 20 Prozent vietnamesischen

und indischen Bohnen fein abgestimmt.

Doch abgesehen von der Herkunft spielt

auch die Pflanzenart für den Geschmack eine

große Rolle: Zum einen gibt es Robusta, die

selbst unter widrigen Bedingungen wächst,

tropische Wärme und Feuchte verträgt, aber

viel Säure und Koffein enthält. Ihr Marktanteil

beträgt ca. 30 Prozent. Zum anderen

gibt es Arabica mit 70 Prozent Marktanteil,

die zwar empfindlicher und dadurch teurer ist,

aber eben auch bekömmlicher. Diese Pflanzenart

wächst in Höhenlagen zwischen 900

und 3.000 Metern über dem Meeres-


114 Stil


STIL

115 Stil


STIL

TIPPS RUND UM DIE BOHNE

Wissenswertes

• Kaffee nie mit kochendem Wasser aufgießen!

Die Oberfläche wird dadurch nach geröstet

und der Kaffee entwickelt einen Fehlgeschmack.

Ideal ist eine Temperatur

von 92 bis 94 Grad Celsius.

• Beim Espresso den Zucker nicht sofort

umrühren, sondern auf der Crema schmelzen

lassen, damit sich eine feinere Note

entwickelt.

• Kaffee wird durch zu hohe Dosierung, zu

heißes Aufgießen und zu lange Standzeiten

bitter. Trick: Milch nimmt die Säure aus dem

Kaffee.

Auf die Röstung kommt es an. Je nach Temperatur und Röstdauer kitzelt Alexander Pohl gekonnt

die feinen Noten aus den Bohnen heraus.

spiegel, wo Nachtfrost eine ernsthafte Gefahr

ist – im Juli dieses Jahres hat er in Brasilien

ganze Ernten vernichtet.

„INSGESAMT IST DER KLIMAWANDEL mit seinen

unbeständigen Temperaturen, den Regenfluten

in Südamerika und Dürren in Afrika

schon jetzt ein großes Problem“, erklärt Pohl

mit Nachdruck. Doch zusätzlich wirken sich

noch ganz andere Faktoren negativ auf den

Ertrag aus. „Faktoren, die uns hier in Deutschland

nicht wirklich bewusst sind.“ Die Anbauländer

haben mit Abwanderung zu kämpfen,

sind durch Bürgerkriege und Staatskrisen

gebeutelt, können dadurch weniger importieren

– mit der Folge, dass Container fehlen,

um den Kaffee zu exportieren. „Schon jetzt

schießen die Verschiffungs- und Zollgebühren

durch die Decke“, erklärt der Geschäftsführer

und ergänzt: „Noch dieses Jahr wird der Kaffee

einen Preissprung machen.“

Trübe Aussichten also für das beliebteste

Heißgetränk Deutschlands. Das ökologische

Bewusstsein hat den dreifachen Familienvater

auch veranlasst, das Thema Umwelt mit wiederverwendbaren

Bechern in die eigene Hand

zu nehmen. Viel lieber noch hätte er eine gemeinsame

Lösung mit den anderen Gastronomiebetrieben

vor Ort: „Das wäre kundenfreundlicher.“

UND WIE STELLT ER SICH DIE ZUKUNFT vor?

Pohl möchte noch mehr Menschen für die

Welt des Kaffees sensibilisieren. „Auch weil

sich beim gemeinsamen Genuss immer gute

Gespräche entwickeln.“ Dafür lässt er seine

Seminare, die durch Corona zum Erliegen kamen,

wieder aufleben. Auch habe er mit einer

zwischenzeitlichen Online-Variante gute Erfahrungen

gemacht. „Ich hatte den Menschen

aus vielerlei Ländern vorab ein Paket geschickt,

so konnten wir gemeinsam den Kaffee

aufbrühen und kosten. Selbst am Monitor

kam eine gute und entspannte Stimmung auf“,

erzählt Pohl, der als leidenschaftlicher Jäger in

seiner Freizeit vor allem auf dem Hochsitz

Entspannung findet.

Ansonsten stehen Überlegungen zum Einbecker

Hof an, denn seine Eltern stehen kurz

vor der Rente. Deshalb gehöre auch eine Expansion

für die Kaffeerösterei nicht in seine

aktuellen Überlegungen – sie soll bleiben, wie

sie ist. Ob seine Einbecker Kaffeerösterei dann

auch noch in 70 Jahren existiert? Alexander

Pohl lehnt sich entspannt zurück und lässt es

ruhig angehen – bei einer guten Tasse Kaffee. ƒ

Einbecker Kaffeerösterei

Marktplatz 25, 37574 Einbeck

Tel. 05561 92730-70

www.einbecker-kaffee.de

Cupping – die richtige Art Kaffee zu kosten

Frisch geröstet wird der Kaffee vermahlen

und das Mehl in eine Tasse gegeben. Dann

gießt man es mit heißem Wasser (92 bis 94

Grad Celsius) auf und schöpft die Crema ab –

in der sich kleine gelöste Partikel der Bohne

befinden. Erst darf die Nase schnuppern,

dann schlürft der Mund. Der Kaffee soll sich

im gesamten Mundraum ausbreiten, bevor

er runtergeschluckt wird. Dann wird durch

die Nase ausgeatmet, um die Aromen zu

erfassen. Wie beim Wein kommt es auf den

Nachgeschmack (den bleibenden Eindruck im

Mund und die Sensorik in der Nase) an.

Dosierung bei Handaufguss

• 10–12 g pro Becher

• 16 g auf 250 ml Wasser

• 55–60 g auf eine große Kanne (1,2 Liter)

Wichtig: Da sich das Pulver im Trichter

verdichtet, sollte bei doppelter Wassermenge

die zusätzliche Kaffeemenge geringer als

doppelt sein.

French-Press in der Stempelkanne

20 g Kaffee aufgießen, eine Minute quellen

lassen – in dieser Blooming-Phase entfalten

sich die Aromen. Dann vollständig aufgießen,

drei bis vier Minuten ziehen lassen und

runterdrücken.

Für Cold-Brew: Die Kanne ganz auffüllen,

jede Stunde umrühren und erst nach einem

Tag runterdrücken. Noch intensiveren Kaffee

bekommt man durch nochmaliges Ziehenlassen

und Filtern durch einen Papierfilter.

Mit Eiswürfeln auffüllen und Sodawasser

dazu servieren.

116 Stil


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118 Stil


As

PORSCHE

as possible

Wer Porsche hört, erwartet sechs Zylinder

im Heck. Doch mit dem neuen und ersten

E-Porsche Taycan Turbo wollen die Autobauer

aus Zuffenhausen beweisen, dass sie auch

elektrisch richtig Power und Geschwindigkeit

auf die Straße bringen können. Ob ihnen das

gelungen ist, finden wir gemeinsam mit

Catering-Unternehmerin und Porsche-Fan

Anke Schwanebeck-Reddersen heraus.

TEXT CHRISTIAN VOGELBEIN

FOTOGRAFIE LUKA GORJUP

119 Stil


STIL

120 Stil


STIL

D

Die letzte Sommersonne des Jahres wirft Licht

und Schatten auf den Asphalt, die Straßen sind

an diesem Abend leer. Gespannt wartet Anke

Schwanebeck- Reddersen bereits am Porsche

Zentrum in Göttingen, um die Schlüssel für

eine Testfahrt mit dem E-Porsche Taycan Turbo

in Empfang zu nehmen. Gemeinsam mit ihrem

Ehemann Marco Reddersen führt sie die Streetfood

Company in Bovenden. Beide sind seit

mehr als 20 Jahren in der Catering-Branche

unterwegs, seit fünf Jahren machen sie wahlweise

100 oder 10.000 Menschen satt. Die

Unternehmerin strotzt vor Energie. Gerade

kommt sie von einem laufenden Event, klärt

am Telefon noch schnell, ob auch ohne sie „der

Laden läuft“. Sie hat sich heute extra für den

Test ein Plätzchen in ihrem gut gefüllten

Termin kalender freigeschaufelt. Denn auf den

Taycan Turbo freut sie sich ganz besonders –

die Marke Porsche und die Autos aus Stuttgart-

Zuffenhausen haben einen ganz speziellen

Platz in ihrem Herzen.

GANZ UNBEKANNT IST IHR das neue Porsche-

Modell zwar nicht, doch mit dem Taycan

Turbo sitzt auch sie erstmals in einem Elektroauto.

625 PS Motorleistung, 484 Kilometer

Reichweite, von 0 auf 100 in 3,2 Sekunden –

diese Zahlen kennt Schwanebeck- Reddersen

bereits auswendig, Euphorie liegt in der Luft.

Auch der Preis ist ihr bekannt, ab 150.000

Euro geht es los. „Wenn ich mal im Lotto gewinne

...“, sagt sie schwärmend, während sie

die Schlüssel entgegennimmt und einsteigt –

der Sitz schmiegt sich eng, aber bequem um

die Fahrerin.

DABEI HAT SIE SICH VOR GUT ZWEI Jahren

bereits selbst ihren persönlichen Traum erfüllt

und den Kaufvertrag für einen Porsche unterschrieben.

„Ich habe mir das immer gewünscht

und diese Entscheidung ganz bewusst und für

mich getroffen – und genieße es bis heute“, erzählt

Schwanebeck-Reddersen. Als Selbstständige

arbeite sie teilweise 19 Stunden am Tag.

Viel Zeit für Freizeit und Urlaub bleibt da

nicht. Umso mehr genieße sie die privaten

Momente mit der Familie … – und die Minuten

im eigenen Traumauto. Geworden ist es

ein Macan – der kleinste SUV der Marke.

„Aber ein Porsche!“, sagt sie stolz. Sie liebt den

Sound, das Auto, die Leidenschaft, für die die

Marke steht. „Damit kann ich mich als

Macherin sehr gut identifizieren.“

Und genau aus diesem Grund wird der

Test heute spannend: Denn mit dem Taycan

Turbo macht Porsche erstmals vieles – wenn

auch nicht alles – anders. Und ein Elektromotor

und Ladekabel im Kofferraum

machen noch lange kein gutes E-Auto.

DIE GRÖSSTE ÜBERRASCHUNG gibt es

gleich zum Start. „Ist der jetzt schon an?“,

fragt Schwanebeck-Reddersen. Tatsächlich ist

nichts zu hören, nur die Lichter des Autos

blinken. Doch ein sanfter Druck aufs Gaspedal

verrät: Ja, er ist definitiv schon an.

Der Fahrer bekommt zwar keine Drehzahl

mehr angezeigt, dafür aber in einem Untermenü

am Touchdisplay einen futuristischen –

und per Schalter wählbaren – Motorsound.

Der ist auf Wunsch angenehm säuselnd oder

brachial sportlich. Schwanebeck-Reddersen

entscheidet sich ohne Zögern für die Sportwagen-Variante.

Das kleine Lenkrad liegt gut in der Hand

und lässt – wenn gewünscht und notwendig –

schnelle Bewegungen zu. „Eindeutig ein Porsche“,

sagt Schwanebeck-Reddersen und fällt

damit bereits nach kurzer Zeit auf der Straße

ihr erstes Zwischenfazit. Der erste kräftige

Druck aufs Gaspedal ruft Respekt und Begeisterung

zugleich hervor. „Schon ganz ordentlich!“,

sagt die Testerin. Geschaltet wird nicht

mehr. Die Elektromotoren bewegen den Viertürer

mit mehr als 625 PS von der Stelle, per

Sport-Start sind es für einen Moment sogar

deutlich mehr – auf der Geraden drückt es einen

ordentlich in die Sitze. „Porschefahren ist

wie auf Schienen fahren“, sagt Schwanebeck-

Reddersen nun wieder entspannt, während sie

mit ihrem Fuß den Porsche Electric Sport

Sound erneut freudig aufheulen lässt. „Ich kenne

kein Auto, das so gut auf der Straße klebt.“

WIE DEN INGENIEUREN DAS bei einem mehr

als zwei Tonnen schweren Sportwagen gelungen

ist, bleibt wohl ihr (gut bezahltes) Geheimnis.

Denn auch in den engen Kurven der

Landstraßen rund um Göttingen gibt sich der

Taycan keine Blöße. Im Gegenteil: Kraftvoll

und unaufgeregt, aber immer mit etwas

Gänse haut, lenkt die Unternehmerin die Sport-

Limousine über den Asphalt. Die Reichweite

hat sie dabei stets im Auge – für Aufregung

sorgt diese allerdings nicht. Trotz des Gewichts

und trotz der Power an allen vier Rädern

bleibt der ,Verbrauch‘ vernünftig. Beim Bremsen

fließen ein paar Watt wieder zurück in die

Batterien. Geladen wird entweder an der

Schnellladesäule oder an der Haussteckdose –

zu Hause dauert es allerdings etwas länger.

Wer sportlich fährt, braucht erst nach 300 Kilometern

eine Steckdose. Bevor der ,Tank‘ wirklich

leer ist, bekommt der Fahrer entweder

Hunger oder Durst.

Beides sind Kernkompetenzen von Anke

Schwanebeck-Reddersen. Mit der Streetfood

Company verkauft sie nicht bloß gedrehte

Bratwurst aus dem Anhänger. Wenn Kunden

es wünschen, realisieren sie mit dem Team

ganze Feste und Märkte für Tausende Festivalbesucher

oder lässt Firmenfeiern unvergesslich

werden. Große Unternehmen wie Mayer

Feintechnik, das Weender Krankenhaus oder

Goldbeck wissen ganz genau, was sie an

den Reddersens haben: „Wir wollen auch


121 Stil


STIL

schon mal etwas Besonderes bieten und die Besucher

mit neuen Dingen begeistern – etwas

ausprobieren, mutig sein.“

MUTIG IST AUCH PORSCHE mit der Entscheidung,

die eigenen Werte und Traditionen

zu elektrifizieren. Noch nie hat sich ein Auto

für Kenner so neu und gleichzeitig so gewohnt

angefühlt wie der Taycan Turbo. Das bezieht

sich auch auf die Verarbeitungsqualität, die

die heutige Testerin überzeugt. Porsche steht

neben Sportlichkeit für eleganten Luxus, klare

und weiche Linien, die so nur zu einem Sportwagen

aus Zuffenhausen passen – und genau

das liefert auch der Taycan Turbo kompromisslos.

„Optisch spricht das Auto eine ganz

klare Sprache: Ich bin ein Porsche“, sagt

Schwanebeck-Reddersen, die inzwischen mit

kritischen Augen das Innere des Testwagens

unter die Lupe nimmt, „aber aus der Zukunft.“

Porsche setzt auf einen modernen Innenraum

mit viel Licht, Displays und wenig

Schaltern. Feine Details und Linien wie breitere

Lufteinlässe und LED-Technik im Licht

verraten aber die Blitze im Tank. Anders als

die Wettbewerber verwandelt sich das Kraftfahrzeug

aber nicht in ein Raumschiff. Der

Taycan reduziert sein Gros an Funktionen auf

das sportlich nötigste Bedien element. Der

Porsche bleibt ein Porsche: Fast alles lässt sich

vom Lenkrad aus bedienen, darunter auch die

fünf Fahrstufen, die dem Taycan auf Knopfdruck

fünf verschiedene Gesichter und Stimmen

verleihen. Fast jede Eigenschaft lässt sich

anpassen: Motorensound, Luftfahrwerk, Lichtstimmung.

So wird der Elektroflitzer wahlweise

ein eleganter Maßanzug oder ein brüllender

Supersportler. „Porsche ist einfach ein Lebensgefühl,

das zu jedem passt, der es erleben möchte“,

sagt Schwanebeck-Reddersen.

MITTLERWEILE STEHT DIE SONNE tief und

rot am Horizont, wir drehen die letzte Runde.

Das Fazit ist eindeutig: Mit dem Taycan Turbo

ist es den Autobauern von Porsche gelungen,

ihre Identität auch auf die neue Generation

E-Auto zu übertragen – vor allem, weil sie ihren

Werten treu geblieben sind und gleichzeitig mutig

genug waren, Neues zu wagen. Festgehalten

haben sie dabei an Qualität und Sportlichkeit.

Den Rest regeln 625 PS und leidenschaftliche

Fans wie Anke Schwanebeck-Reddersen. ƒ

Zum Auto

Modell:

Leistung:

Höchstgeschwindigkeit:

Beschleunigung:

Verbrauch:

CO2:

Preis:

„Optisch spricht das Auto

eine ganz klare Sprache:

Ich bin ein Porsche, aber

aus der Zukunft.“

ANKE SCHWANEBECK- REDDERSEN

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122 Stil


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Wie arbeiten wir in Zukunft?

Die Bürowelt wandelt sich. Struckmeier in Göttingen hat dafür die Lösungen.

Die Corona-Pandemie hat sich als

Kata lysator für Veränderungen in der

Arbeitswelt herausgestellt. Jetzt, wo

es in vielen Unternehmen wieder zurück an

den ursprünglichen Arbeitsplatz geht, kommen

viele Fragen auf. Durch die Erfahrungen

des hybriden Arbeitens müssen die Strukturen

neu überdacht werden, bis es zu einer

,neuen Normalität‘ kommen kann.

ZAHLREICHE ARBEITSPLÄTZE sind für viele

Unternehmen gar nicht mehr nutzbar. Aufgrund

von Abstandsregeln muss entzerrt werden,

Schutzelemente müssen geplant werden,

Luftreinigung rückt immer mehr in den Fokus,

und die Flächennutzung muss überdacht werden.

Hygienekonzepte sollen Ansteckungen

verhindern und dies dauerhaft.

Für die Mitarbeiter stellen sich zusätzliche

Fragen: Wo arbeite ich heute, um meine Aufgaben

erfüllen zu können? Wie sieht mein

Team aus und wo erreiche ich eigentlich wen?

Ist der Kollege bzw. die Kollegin präsent oder

erreiche ich ihn bzw. sie nur digital? Welche

Technik steht mir zur Verfügung? Und wenn ich

mich konzentriert zurückziehen möchte oder

ein vertrautes Gespräch mit Kunden führen

will? Kann ich Räume in der Firma nutzen oder

muss ich mich woanders treffen?

Das Homeoffice wird zu einem etablierten

Arbeitsort. So viel steht fest. Mit Interimslösungen

ist jetzt allerdings Schluss.

Die Struckmeier-Geschäftsleitung: Jens Barwinske und

Thomas Kleinert

„Ab September haben wir zu allen

Themen Lösungen in unserer

Ausstellung. Wir laden Sie herzlich

ein, bei uns vorbeizuschauen.“

JENS BARWINSKE


PROFIL

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BILDNACHWEISE: SEDUS, ADOBE-STOCK, LIZ-SOLUTIONS, STRUCKMEIER

GESUNDE HOMEOFFICE-LÖSUNGEN, die

in das Zuhause der Mitarbeiter integrierbar

sind, müssen her. Und dies mit der richtigen

Technik – und das Ganze am besten noch gut

finanzierbar. Viele Unternehmen unterstützen

hier ihre Mitarbeiter, es gibt aber noch viele

Unsicherheiten.

Wo früher der Arbeitsplatz fest definiert war,

stellen sich auch für die Unternehmen jetzt

neue Herausforderungen. Warum sollen die

Mitarbeiter überhaupt noch in die Firma kommen,

wenn sie auch von zu Hause aus arbeiten

können? Hier müssen Anreize geschaffen

werden: in der Zusammenarbeit im Team, bei

der Technik, der Atmosphäre und der Eigendarstellung.

Studien zeigen, dass das Bewusstsein

für den ,Stallgeruch‘ verloren geht, wenn die

Mitarbeiter zu viel dezentral arbeiten. Also wird

das Arbeitsumfeld zum entscheidenden Anreiz.

STRUCKMEIER hat es sich zur Aufgabe gemacht,

für diese aktuelle Themen Antworten

zu finden. Es gibt Buchungssysteme, die Kollegen

und Arbeitsorte auffindbar machen und

vernetzen. Dazu messen Sensoren sogar die

Arbeitsatmosphäre und werten aus, welche

Arbeitsorte von den Mitarbeitern am meisten

gebucht werden. Homeoffice as a service kann

eine Lösung sein, die Unternehmer wie Mitarbeiter

gleichermaßen begeistert und zudem

finanzierbar ist. Wohnlicher wird die zukünftige

Arbeitswelt auf jeden Fall.

In den Ausstellungsräumen von Struckmeier

in der Karl-Arnold-Straße in Göttingen werden

Homeoffice-Lösungen gezeigt, aktuelle Videokonferenztechnik

und Hygienekonzepte mit

Ionisierung und UV-C-Klimaverbesserung. Es

gibt viele Produktneuheiten zum Ausprobieren,

Erleben und Diskutieren.

DAS INNENARCHITEKTENTEAM plant gemeinsam

mit den Kunden die vorhandenen

Flächen nach Wunsch um und berücksichtigt

dabei alle Hygieneauflagen.

Vorher kann man sich mit dem Struckmeier-

Team in einem Workshop den Kopf zerbrechen,

wie in Zukunft im Unternehmen gearbeitet

wird. Der Vorteil: Das gemeinsam entwickelte

Konzept kann virtuell erlebt und hinterher

durch Struckmeier 1:1 umgesetzt werden.

ZUM SORTIMENT des Unternehmens gehört

traditionell auch der Bürobedarf. Hier kann der

Kunde ebenfalls zwischen digitaler und materieller

Betrachtung wählen. Struckmeier bietet

die Möglichkeit, online oder per telefonischem

Service zu bestellen. Zusätzlich können Kunden

im Fachmarkt Produkte testen und gleich

mitnehmen.

„Ab September haben wir in unserer

Ausstel lung zu allen Themen Lösungen“, sagt

Ge schäftsführer Jens Barwinske. „Wir laden

Sie herzlich ein, bei uns vorbeizuschauen.“

Für weitere Informationen:

www.struckmeier-aktuell.de/events/Einladung.pdf

KONTAKT

Aktuelle Raumbuchungssysteme

helfen beim Auffinden von Arbeitsplätzen

und Teammitgliedern.

System-Büro Struckmeier GmbH

Karl-Arnold-Straße 4

37079 Göttingen

Tel. 0551 506690

info@struckmeier.de

www.struckmeier.de


Schöne neue

Arbeitswelt

Unsere Büros befinden sich im

steten Wandel. Dabei werden

mit der steigenden Popularität

von New-Work-Konzepten wie

Home office, Co-Working und

Shared Spaces auch die Ansprüche

an eine flexible Einrichtung immer

größer. Bosse-Geschäftsführer

André Heuer erklärt, wie sich der

Möbelhersteller aus Höxter dieser

Herausforderung stellt – und das

seit fast 60 Jahren.

TEXT JONAS KNOSTMANN

FOTOGRAFIE ALCIRO THEODORO DA SILVA

126 Stil


127 Stil


STIL

Ein bisschen wie Lego ®

In der Werkhalle in Höxter werden Rohre, Knoten

und Paneele zu individuellen Möbeln montiert, wie

zu dem Sideboard modul space Black Edition (u.)

in Farben aus dem Le- Corbusier-Farbsystem.

New Work ist zweifelsohne

einer der Mega trends der

letzten Jahre: Das Verständnis

von Arbeit verändert

sich grund legend,

die Sinnfrage rückt in

den Mittel punkt, Grenzen

zwischen Leben und Beruf verschwimmen

immer mehr. Eine zentrale Rolle spielt dabei

auch der Arbeitsplatz selbst. Vorbei sind die

Zeiten frostiger Callcenter- Atmosphäre – das

Büro von morgen soll ein produktiver Wohlfühlort

sein, an dem gemeinsam Neues entsteht

und Werte gelebt werden.

Die Corona-Pandemie hat diesen Trend

noch einmal befeuert. Das oft nicht ganz

freiwillige Homeoffice-Experiment ist vielerorts

geglückt und damit zu einer echten

Alter native mit Zukunft geworden. Ebenso

verlangen neue Arbeitskonzepte wie Co-

Working nach individuellen Lösungen hinsichtlich

Raumplanung und Mobiliar. Und

die sollen bitte schön möglichst beides bieten:

Funktionalität und Design.

Eben diesen zwei Anforderungen will Bosse

gerecht werden – und das nicht erst seit

gestern. Seit fast 60 Jahren entwickelt das

Unternehmen aus Höxter innovative Tragrohrsystemmöbel

sowie individuelle Tischund

Raum-in-Raum-Systeme. „Zeitloses Design

liegt in unserer DNA“, sagt Geschäftsführer

André Heuer und deutet auf die

hellgraue Schrankwand im Konferenzraum

der Firma. „Das hier war mal das Büro von

Herrn Bosse persönlich – die Wand haben wir

bis heute stehen gelassen.“ Und tatsächlich

wirkt die raumeinnehmende In stallation

nicht wie etwas, das aus den 1970er-Jahren

stammt.

1962 VON GÜNTER BOSSE GEGRÜNDET,

machte sich das Unternehmen aus dem Weserbergland

zunächst mit eben solchen Schrankund

Trennwandsystemen in der Branche einen

Namen. Inspiriert vom Design des Bauhaus

war schon damals die Verbindung von Form

und Funktion der Maßstab, den sich der

Möbelhersteller setzte. Seit 1992 gehört Bosse

zur Dauphin HumanDesign ® Group. Heute

fokussiert sich das Unternehmen auf zwei Geschäftsbereiche:

Unter dem Sammelbegriff

,human space‘ werden Raum-in-Raum-Lösungen

entwickelt, die beispielsweise als Mini -

büro, Rückzugsort oder für Besprechungen

genutzt werden können. Beim Baukastensystem

,modul space‘ können Kunden ihr individuelles

Möbel in einem Web-Konfigurator

entwerfen.

Geschäftsführer Heuer leitet das Unternehmen

seit 14 Jahren. Wenn der 58-Jährige über

seine Belegschaft spricht, hört man Stolz in

seiner Stimme: „Wir haben hier eine sehr

hohe Identifikation mit dem Unternehmen.“

86 Mitarbeiter umfasst das Team von Bosse

am Standort, darunter regelmäßig auch

Azubis. „Ausbilden, das werden wir immer

machen“, sagt der studierte Maschinenbauingenieur.

„Denn wenn sie bei uns gelernt

haben, sind sie sehr flexibel. Und das brauchen

wir hier. Dann macht es richtig Spaß,

zusammen zu arbeiten.“

IN DER TAT HERRSCHT in der Produktionshalle

eine fast familiäre Atmosphäre. Heuer

grüßt fröhlich seine Mitarbeiter, die an computergesteuerten

Werkzeugmaschinen arbeiten,

Rohre, Knoten und Paneele zu einem individuellen

Möbel montieren oder fertige Produkte

verpacken. Mit den meisten tauscht er

sich kurz aus, es wird gescherzt. Eine Truppe

steht konzentriert versammelt um einen großen

Tisch herum, misst, tüftelt und diskutiert.

„Wir sind klein und kämpfen gegen hundertfach

größere Unternehmen“, erklärt der Chef.

„Wenn wir hier nicht alle gemeinsam an einem

Strang ziehen, können wir einpacken.“


128 Stil


STIL


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STIL

Die Luft ist rein – Bosses cube 4.0

ION-Cloud bietet einen ruhigen Rückzugsort und

gleichzeitig Platz für kleinere Arbeitsgruppen –

dank des Luftreinigungssystems

in sauberer Atmosphäre.

In einer Ecke der Halle stehen auf mehreren

Paletten fertiggestellte ,modul space‘-Möbel,

gut verpackt für den Versand. Der Adressaufkleber

verrät das Ziel: Südostasien. „Wir arbeiten

dort mit einem großen Partner zusammen,

der einen viergeschossigen Bosse-Flag ship-

Store betreibt und sich fantastisch ent wickelt“,

erzählt Heuer stolz und glücklich über die Vorliebe

der Südostasiaten für zeit loses Design.

Um dieses als Standard zu halten, hat sich

Bosse – sowohl für modul space als auch

human space – die Rechte an Le Corbusiers

Poly chromie Architecturale gesichert. Das

Farb system des schweizerisch- französischen

Archi tekten, der zu den einflussreichsten des

20. Jahrhunderts zählt, umfasst 63 Farb töne,

die harmonisch miteinander kombinierbar

sind.

„INDIVIDUALITÄT, INNOVATION, Nachhaltigkeit

– diese Trends muss man als Unternehmen

heute einfach bedienen“, sagt Heuer.

„Besonders im Geschäftsbereich ,human space‘

sind neue Ideen wichtig, da sich hier die

Wettbewerbssituation gerade in den letzten

Monaten verschärft hat.“ Eine dieser Innovationen

im Hause Bosse ist die sogenannte

ION-Cloud – sie lässt vor allem mit Blick auf

die Corona krise aufhorchen. Das Luftreinigungssystem

erzeugt Negativ-Ionen, die sich

positiv auf das physische und psychische

Wohlbefinden auswirken und so Konzentration

und Leistungsfähigkeit hochhalten sollen.

Diese Minus-Ionen haften sich an positiv geladene,

schädliche Partikel in der Luft und

inaktivieren so Viren, neutralisieren Bakterien

und machen Pollen, Pilzsporen, Rauchpartikel

und Feinstaub unschädlich – so das Versprechen

des Unternehmens. Wirksamkeit

und Unschädlichkeit des Systems hat sich

Bosse mit Studien der Universität Leipzig sowie

des Augsburger Umweltinstituts Bifa bestätigen

lassen. Jede der erhältlichen Raumin-Raum-Lösungen

kann mit dem System

ausgestattet werden. Mit ION-Cloud hat

Bosse zudem ein mobiles Tischgerät entwickelt,

welches an jedem Arbeitsplatz individuell

eingesetzt werden kann. Klingt tatsächlich

nach einer Idee mit Zukunft.

DOCH BEI ALLER NOTWENIGKEIT von Innovationsgeist

– in Höxter widme man sich,

so Heuer, auch in gleichem Maße der Nachhaltigkeit,

und dazu gehöre auch die Regionalität.

„Darum setzen wir bei den Materialien

wie Spanplatten, Metallkomponenten, Glas,

Steuerboxen und Elektronik- Bauteilen auch

ausschließlich auf Zulieferer im Umkreis.“

Das verwendete Aluminium wird mithilfe von

Wasserkraft umweltschonend produziert, wodurch

nur ein Viertel der sonst üblichen

CO 2

-Belastung entsteht. Nachhaltigkeit bedeute

aber immer auch Langlebigkeit. „Unsere

Produkte sind so konzipiert, dass sie Generationen

überdauern, und das in jeder Hinsicht“,

erklärt der Geschäftsführer zufrieden,

denn das Bosse-Konzept ging bislang auf. Die

Auftragsbücher sind voll.

UND IN DER ZUKUNFT? „Wir waren in der

Vergangenheit ein ziemlich deutsches Unternehmen“,

so der Geschäftsführer. „Export

hieß für uns Österreich und die Schweiz.“

Das hat sich in den letzten Jahren schon stark

geändert: Mittlerweile realisiert Bosse nicht

nur Projekte in ganz Europa, sondern auch in

den USA, Südafrika oder Südostasien. In diese

Richtung soll es weitergehen.

Dabei sei für André Heuer jedoch eines von

zentraler Bedeutung: Wachstum nicht um jeden

Preis. „Unternehmen unserer Größenordnung

müssen sich bei der Internationalisierung

fokussieren. Darum werden wir auch in

Zukunft darauf achten, dass wir bei all unseren

Vorhaben unsere hohen Ansprüche an

Qualität und Service sicherstellen können.“ƒ

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130 Stil


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132 Stil


Gedanken in Bilder

verwandeln

Ute Eskildsen, Gründungskuratorin des Kunsthauses Göttingen, über ihren Fokus auf Papier,

das angestrebte Renommee auf dem internationalen Parkett und die Kunst als treibende Kraft

in unserer Gesellschaft

INTERVIEW STEFANIE WASKE FOTOGRAFIE ALCIRO THEODORO DA SILVA

133 Stil


STIL

E

Es ist ein warmer schwüler Sommertag. Nach den Monaten der Pandemie leuchtet

Göttingen in allen Farben. Alle paar Meter könnte ein Fotograf Schnappschüsse machen:

von Studentinnen in bunten Sommerkleidern oder von Familien, die geduldig für

ein Eis anstehen. Klick, und schon wartet das nächste Bild. In der Düsteren Straße ist die

Musik vom Marktplatz nicht mehr zu hören. Wenige wandern die Gasse entlang. Ein

ungewöhnliches, taupefarbenes Haus lässt fast alle abrupt innehalten: Feine vertikale

Linien durchziehen die Fassade, die einzig von zwei kleinen schmalen Fenstern und dem

Eingang unterbrochen wird. Eine junge Frau streicht sanft mit ihrer Hand die Rillen an

der Außenwand entlang. Es ist das neue Kunsthaus, initiiert von Verleger Gerhard

Steidl. Drinnen wartet Gründungskuratorin Ute Eskildsen zum Gespräch, ein idealer

Tag, um über Kunst und Fotografie zu reden – ihre Steckenpferde. Als renommierte

Fotografin und Fotohistorikerin war Eskildsen bis zu ihrer Pensionierung vor neun Jahren

stellvertretende Direktorin des Museum Folkwang in Essen. Von dort ist die zierliche

74-Jährige heute auch bereits angereist. Gerade hat sie eine Gruppe durch die aktuelle

Ausstellung geführt, schon klettert sie rasch die Treppe aus Beton hinauf bis ins

Dachgeschoss. Zeit zu verlieren, ist ihre Sache nicht.

Frau Eskildsen, als Kuratorin begegnen Ihnen

sicherlich über den Tag immer wieder Bilder,

an denen der Blick hängen bleibt. Gab es heute

schon einen solchen Moment?

Den gab es tatsächlich. Ich habe im Zug

gesessen und auf dem Weg hierher zugeschaut,

wie zwei kleine Mädchen einen Karton

Donuts verspeisten – und das in Windeseile.

Sie leben in Essen, einer von der Industriekultur

geprägten Region. Wie nehmen Sie

Göttingen wahr?

Ich bin schon früher häufiger in Göttingen

gewesen – für eine Katalogproduktion vom

Steidl Verlag für das renommierte Museum

Folk wang in Essen, wo ich auch die Fotografische

Sammlung geleitet habe.

Aber um ehrlich zu sein, habe ich Göttingen

noch nicht wirklich kennengelernt. Ich bin,

wenn ich durch die Straßen gehe, immer ganz

erfreut: Es ist eine Studentenstadt mit sehr

vielen jungen Leuten. Ich lebe in Essen in dem

Viertel, in dem auch die Folkwang Universität

der Künste liegt, also in einem Quartier mit

134 Stil


STIL

FOTO: © EMILIA HESSE, STEIDL PUBLISHERS

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» Ich finde es sehr schön, so ein kleines Haus zu gestalten.

Hier lässt sich eine Anschaulichkeit entwickeln, die in gewisser

Weise auch ein bisschen bescheidener daherkommen kann,

und man kann sich flexibel einrichten. «

vielen jungen Menschen, insofern hat es eine

gewisse Ähnlichkeit.

Sie sind bekannt dafür, dass Sie das historische

Erbe der Fotografie und die Gegenwartsfotografie

gleichermaßen schätzen. Inwiefern hat

dies Ihre Aufgabe im Kunsthauses Göttingen

geprägt? Was erwartet die Besucher?

Als Gründungskuratorin habe ich ein inhaltliches

Konzept für das Kunsthaus entwickelt

– es ist ja ein Ausstellungsort und kein

Museum –, und wir haben uns dann gemeinsam

für die Konzentration ,Works on paper‘

entschieden, also auf die Konzentration Arbeiten

auf Papier. Dazu gehören Skizzen,

Zeichnungen, Plakate, Grafiken und Collagen.

Aber auch Fotografien und Bücher. Das Buch

ist ein ganz wichtiges Medium in der zeitgenössischen

Kunst, und wir orientieren uns an

der Gegenwartskunst. Nun kommt hinzu,

dass wir für dieses Gebiet die Expertise von

Gerhard Steidl haben, dem Gründungsdirektor

des Kunsthauses.

Geplant sind drei bis vier Ausstellungen im

Jahr. Und für die Abbauzeit, also den Zeitraum

zwischen zwei großen Ausstellungen,

haben wir uns für die Galerie im Erdgeschoss

für das Programm ,Inbetween‘ entschieden.

Damit kann man auch ad hoc reagieren, wenn

kurzfristig etwas angeboten wird. Und weil

Sie mein historisches Interesse erwähnten: Für

die Inbetween kann ich mir sehr gut vorstellen,

dort auch selbst einmal eine historische

Referenz geben zu können.

Sie haben als Kuratorin die Fotografische

Sammlung im Museum Folkwang als eine der

europaweit führenden aufgebaut. Welche

Möglichkeiten gibt ihnen die Kunst auf Papier

in Göttingen?

Dass man Werke zusammenbringen kann, die

man vorher noch nicht zusammen gesehen

hat. Und ich finde es sehr schön, so ein kleines

Haus zu gestalten. Hier lässt sich eine Anschaulichkeit

entwickeln, die in gewisser Weise

auch ein bisschen bescheidener daherkommen

kann, und man kann sich flexibel einrichten.

Sie können zum Beispiel einmal sagen,

die Ausstellung, die ich für jetzt geplant habe,

mache ich ein Jahr später. Das können Sie in

einem großen Haus nicht. Dort sind ein längerer

Vorlauf und höherer Aufwand im Spiel.

Wie kam es zur Auswahl der ersten

Ausstellungen der amerikanischen Künstlerin

Roni Horn?

Roni Horn ist eine großartige internationale

Künstlerin, und ich denke, man muss gleich mit

dem, was man anstrebt, beginnen. Denn dies ist

nicht nur ein regionales oder nationales Ausstellungshaus.

Hinzu kommt, dass Roni Horn in

allen Medien unserer Ausrichtung arbeitet. Sie

macht wunderbare Bücher, arbeitet mit Fotografien

und auch im Bereich Grafik. Insofern

fand ich ihr Werk für die Eröffnung des Hauses

prädestiniert. Obendrein ist sie eine Künstlerin,

deren Arbeitsgrundlage immer wieder die Diversität

ist, die auffordert, Unterschiede zu denken.

Diese Qualität passt gut in unsere Zeit.

Gibt es neben dem ,Arbeiten auf Papier‘ noch

weitere, inhaltliche Schwerpunkte im Konzept?

Die Medien sind ja schon eine Eingrenzung.

Ich glaube, die Inhalte muss man offenlassen,

das wäre sonst zu eingegrenzt. Es gibt ja interessante

Möglichkeiten, ein bestimmtes Thema

in zwei Medien zu zeigen. In der nächsten

Ausstellung, die ich im Kunsthaus kuratiere –

,Modell Tier‘ – werden beispielsweise neun

internationale Künstler gezeigt, die sich mit

dem Tier auseinandersetzen. Unter anderem

ist ein Illustrator dabei, der für wunderbare

Kindertierbücher berühmt ist: Wolf Erlbruch.

Dann aber auch eine Israelin mit Videopro-

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jektionen ihrer nächtlichen Beobachtungen

von Schakalen. Sie sehen, auf diese Weise wird

die Konzentration auf das Papier hier und da

auch mal durch Videos erweitert.

Kann man bereits von einer speziellen

Handschrift sprechen – auch mit Blick auf

andere Häuser. Wo ist das Kunsthaus

Göttingen verortet?

Erst einmal haben wir mit der Reduktion der

Medien ein Alleinstellungsmerkmal. Und wir

schauen auf nationale, regionale und internationale

Künstlerinnen und Künstler. Wir müssen

natürlich zuerst einmal versuchen, das regionale

Publikum mitzunehmen. Die bis herige

Presse zeigt aber, dass wir eine nationale Ausstrahlung

haben.

Vielleicht muss sich der Schwerpunkt erst

organisch entwickeln.

Unbedingt. Das ist ganz wichtig, um die Kunstszene

überhaupt zu erreichen. Man muss sich

erst einmal ein Renommee – ein Niveau – erarbeiten.

Bei Ihrer folgenden Ausstellung ,Modell Tier‘

sind auch Naturschutzbiologen der Universität

Göttingen eingebunden.

Das habe ich von Anbeginn vorgehabt. Ich

habe, als ich die erste Zeit in der Planung war,

verschiedene Abteilungen der Universität besucht.

Beispielsweise gibt es in der Uni-Bibliothek

das Buch-Gesamtœuvre von Edward

Curtis, einem Fotografen, der die Ureinwohner

Nordamerikas systematisch dokumentiert

hat. Es ist angedacht, dieses Werk mit

heutigen Dokumentarfotos zu verbinden. Ich

würde sehr gern weitere Kontakte zur Universität

suchen, um mögliche Kooperationen

zu entwickeln.

Um noch einmal auf den Bau einzugehen –

Sie sagten, Sie hätten sich sehr viel mit der

Architektur beschäftigt. Was war Ihnen

dabei wichtig?

Besonders wichtig ist mir, dass die klimatischen

Bedingungen eingehalten werden. Und

die Lichtsituation, die ist auch auf dem neuesten

Stand. Das Architektenteam aus Leipzig

hat sich erfolgreich bemüht, die Funktion in

den Vordergrund zu stellen. Sprich, die Architektur

stellt sich auf die Kunst ein und nicht

andersherum. Es ist eine sehr funktionale Architektur.

Es gibt Blicke nach außen. Einige

Leute wundern sich sicher über die wenigen

Fenster, aber Arbeiten auf Papier vertragen

Die perfekte Eröffnung

Die erste Ausstellung im Kunsthaus gab

einen umfassenden Einblick in das vielfältige

Schaffen der Amerikanerin Roni Horn.

Auf drei Ebenen wurden exemplarisch für

den Fokus des Hauses – Arbeiten auf Papier –

Fotografien, Zeichnungen und Buchkunst aus

Horns Œuvre gezeigt. Sie kreisen um die

Wandlungsfähigkeit von Identitäten, die

Instabilität von Ort und Zeit, von Formen

und Sprache.

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nicht viel Licht. Wenn Sie durch das Haus gehen,

finden Sie immer wieder Ausblicke, diese

können aber geschlossen werden, wenn sehr

empfindliche Werke ausgestellt sind. Das ist

gut gemacht, und alle Fensterscheiben sind

vor UV-Licht geschützt.

Das Haus musste sich aber auch in die

historischen Bauten der Straße integrieren.

Es gab eine Bauphase, in der ich mich fragte:

Wird es zu hoch, zu massiv? Ich finde, das

Kunsthaus fügt sich sehr schön in die Häuserzeile

ein. Es springt nicht hervor, was die wunderbar

abgestufte Fassade unterstützt.

Die letzte Bauphase und die Eröffnung waren

schon zu Zeiten der Corona-Pandemie. Hat

die Krise denn auch die Ausstellungs projekte

verändert? Den Blick?

Nein, die Konzepte der ersten Ausstellungen

stehen ja, dabei ist es auch geblieben. Und das

mit dem Blick wird sich erst zeigen.

Sie sehen ja sehr viel Kunst. Haben sich Ihrer

Meinung nach die Themen verändert?

Ich glaube schon, dass es eine ganze Reihe

von zeitgenössischen Künstlern gibt, die die

Auswirkungen beziehungsweise die Situationen

der Pandemie zum Thema machen. Das

wird jetzt sukzessive sichtbar und auch ausgestellt

werden. Ich glaube, dass wir neue

Ideen brauchen. Wohin soll unsere Gesellschaft

gehen?

Das bezieht sich nicht nur auf die Kunst.

Aber sie ist ja immer auch eine tragende Kraft,

die Veränderungen frühzeitig aufnimmt und

sich mit gesellschaftlichen Problemen auseinandersetzt.

Ich denke, man sollte an die Kunst

jedoch nicht direkte politische Anforderungen

stellen. Es gibt ja subtile Formen, in denen

zum Ausdruck kommt, was die Krisen zeit

bewirkt hat, ohne dass gleich eine neue

soziale Perspektive entworfen wird.

Viele Ausstellungshäuser ermöglichen

mittlerweile ja auch, dass man digital durch

die Räume geht.

Das wird es immer mehr geben. Ich kann mir

bestimmte Ausstellungen auch gut in digitaler

Form vorstellen, weil die Kamera heranfahren

kann, was dem Betrachter bei vorgegebenem

Abstand im Museum nicht möglich ist. Ich

glaube jedoch, die Wahrnehmung eines Kunstwerks

vor Ort, wie auch immer das Original

beschaffen ist, ist grundsätzlich nicht ersetzbar.

Es sei denn, Künstler konzentrieren sich

gleich auf das Netz. Das ist dann aber ein anderer

Bereich der Kunst.

Daher wird es vermutlich zukünftig zunehmend

eine Mixtur zwischen Ausstellungsbesuch

und digitaler Dokumentation geben.

Wie würden Sie das Besondere beschreiben,

wenn man vor einem Kunstwerk steht? Was ist

der Unterschied, wenn man es im Internet sieht?

Sie haben dann ja immer den zweidimensionalen

Bildschirm und bekommen kein Gefühl

für Materialität. Das ist doch ein immenser

Unterschied: So wie ich Sie jetzt live vor mir

anschaue oder Sie auf einem Monitor. Das ist

etwas völlig anderes.

Was ist es, das Sie bis heute und auch weiterhin

antreibt, Ausstellungen zu kuratieren und

Bücher herauszugeben?

Es ist das Interesse an der Transformation von

Gedanken in Bilder, an visuellen Formulierungen

– und es ist meine Freude, mit Künstlerinnen

und Künstlern zu arbeiten und dies alles

unseren Besuchern mitzuteilen.

Vielen Dank für das Gespräch.

ZUM KUNSTHAUS

Das Kunsthaus Göttingen mit dem Schwerpunkt

zeitgenössische Kunst wurde im Juni

2021 eröffnet. Die Idee hatte Verleger Gerhard

Steidl bereits fünf Jahrzehnte zuvor. Ab

2008 unterstützte ihn der damalige Göttinger

Oberbürgermeister Wolfgang Meyer. Gemeinsam

definierten sie das Haus als Mittelpunkt eines

zu entwickelnden Kunstquartiers. Die Stadt

erhielt dafür Fördermittel des Bundes in Höhe

von 4,5 Millio nen Euro. Der Duderstädter

Unternehmer Hans Georg Näder unterstützte

den Bau mit einer Million Euro, dazu kamen

weitere Spender. Sartorius wurde Hauptsponsor

und ermöglicht den freien Eintritt. Neben dem

Kunsthaus entstand außerdem ein Atelier des

amerikanischen Künstlers Jim Dine.

ZUR KURATORIN

Ute Eskildsen studierte Fotografie und

Fotografiegeschichte an der Folkwang-Schule

für Gestaltung, Essen. Danach arbeitete sie

als freie Fotografin und Assistentin von Otto

Steinert, einem der bedeutendsten Fotografen

der Nachkriegszeit. Nach einem Arbeitsaufenthalt

am International Museum of Photography

(USA) war sie von 1979 bis 2012 Kuratorin für

Fotografie am Museum Folkwang, Essen.

Dort baute sie die Fotografische Abteilung

auf und initiierte mehrere Nachwuchs-

Förderprogramme. Ab 1991 war Eskildsen

stellvertretende Direktorin des Museums.

2012 bis 2015 lehrte sie als Gastprofessorin an

der University of Wales, Großbritannien. Sie

veröffentlichte zahlreiche einschlägige Publikationen

zur Fotografie. Ihre Forschungsschwerpunkte

liegen in der Zwischenkriegszeit, den

195oer-Jahren und der zeitgenössischen Praxis.

ZUR AKTUELLE AUSSTELLUNG

Modell Tier: Fotografie – Projektion –

Illustration

24. September 2021 bis 2. Januar 2022

Das Tier und seine ambivalente Beziehung

zum Menschen rückt diese Ausstellung in den

Mittelpunkt – mit Videos, Fotografien, Büchern,

Zeichnungen und Installationen. Wolf Erlbruch

(Deutschland), Roni Horn (USA), Sanna Kannisto

(Finnland), Jo Longhurst (Großbritannien),

Olivier Richon (Schweiz), Michal Rovner (Israel),

Thomas Struth (Deutschland) und Tomasz

Gudzowaty (Polen) werden ganz unterschiedliche

Blickwinkel präsentieren. Zu sehen sind

außerdem Bilder eines ,Luchsprojekts‘ der

Naturschutzbiologen der Georg-August-

Universität Göttingen.

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