faktor Herbst 2021
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17. Jahrgang Herbst 2021 8 Euro
› MEHR ALS EIN MAGAZIN
› DAS ENTSCHEIDER-MAGAZIN FÜR DIE REGION GÖTTINGEN
erfolgsgeschichte Wissenschaftlerin Nivedita Mani erforscht die Kraft der Sprache und verändert so unsere Sicht auf die Welt 64
Der Schlüssel
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editorial
FOTO COVER: ALCIRO THEODORO DA SILVA / FOTO EDITORIAL: LUKA GORJUP
Das Leben ist bunt ... und schreibt die schönsten Geschichten.
Damit lässt sich der Inhalt unserer Herbstausgabe, so finde ich, ganz ausgezeichnet
zusammenfassen – denn wie selten zuvor treffen in diesem faktor die unterschiedlichsten
Menschen und Themen aufeinander.
Uni-Professorin ,Nivi‘ Mani – unsere Coverfrau – ist gebürtige Inderin und der
festen Überzeugung, dass die Kraft der Sprache das Leben von Kindern und
unsere gesamte Welt verändern kann. Matthias Walter erzählt, wie er kurz nach
dem Mauerfall mit seinen Reiseland-Büros Träume von Freiheit erfüllte und so
ein Millionengeschäft aufbaute. Außerdem erfahren Sie, wo die Schmerz tabletten
aus den meisten deutschen Apotheken hergestellt werden – nämlich in Göttingen –
und in unserem Gesundheitsschwerpunkt, worauf es für Männer bei der Vorsorge
wirklich ankommt.
Und wir nehmen Sie mit auf gleich zwei Reisen in die Vergangenheit: Wandeln Sie
mit uns auf den historischen Spuren der Wirtschaftsgeschichte Göttingens und
begeben Sie sich auf einen visuellen Spaziergang über den ältesten Friedhof der
Stadt, der in diesem Jahr sein 140-jähriges Bestehen feiert.
Doch damit nicht genug! Erstmals integrieren wir in dieser Ausgabe auch unseren
faktor Stil – das Magazin für Lebensart und Wohnkultur in Südniedersachsen.
Hier stellen wir Ihnen den ersten Göttinger Weinbauer vor, testen den neuen
Elektro- Porsche und sprechen mit der Gründungskuratorin des frisch eröffneten
Kunsthauses über ihre Pläne auf der internationalen Kunstbühne.
Bei der Lektüre all dieser wunderbaren Geschichten wünsche ich Ihnen viel
Vergnügen sowie einen entspannten und vor allem bunten Herbst!
Ihre Elena Schrader
Chefredakteurin
schrader@faktor-magazin.de
www.mehralseinmagazin.de
3 |2021 3
inhalt
unternehmen
18 Am laufenden Band
Der Arzneimittelhersteller
NextPharma feiert sein 75-jähriges
Bestehen in Göttingen
32 Der Zug nimmt wieder Fahrt auf
40 Jahre Marketing Club
36 Weiter wachsen
faktor-Sonderausgabe
zum Neubau bei Qioptiq
leben
86 Spiel, um zu wachsen!
Rebecca Klingenberg und Gabriel
von Berlepsch begleiten Menschen
auf einer Reise zu sich selbst
90 Über allem schwebt
Vergänglichkeit
140 Jahre Göttinger Stadtfriedhof
64 Für eine bessere Welt
Mehrfach ausgezeichnet. Nivedita Mani
weiß, wie Sprache die Sicht auf unsere
Welt verändert. Sie kämpft für mehr
Chancengleichheit für Kinder in sozial
schwachen Milieus.
4 3 |2021
Mit im Magazin:
faktorStil ab Seite 103
wissen
38 Die lange Tradition des
Göttingen-Spirits
Geschichte eines erfolgreichen
Wirtschaftsstandorts
48 Mann vs. Schweinehund
Worauf es beim Thema
Männergesundheit wirklich
ankommt
56 Neue Wege der Früherkennung
Prostatakrebs-Vorsorge sichert
Überlebenschancen
61 Von Recht und Pflicht
Fachanwältin Anneke Fasterding
über die Selbstbestimmung des
Patienten
mensch
64 Die Kraft der Sprache
Uni-Professorin Nivedita Mani
erforscht den Spracherwerb von
Kleinkindern und den Weg in eine
bessere Welt
70 Reise ins Glück
Matthias Walter baut nach
der Wende mit Reiseland ein
Millionengeschäft auf
78 Wenn Dinge sich fügen
Das Erfolgsrezept von Anika Riedel
für regionale Produkte – und
für Riedels Ketchup
stil
104 Ein rares Tröpfchen
Apotheker Michael Winkler
betreibt Weinanbau vor den
Toren Göttingens
112 „Kaffee ist fertig!“
Alexander Pohl, Inhaber der
Einbecker Kaffeerösterei, entführt in
die Welt der Bohnen und Aromen
118 As Porsche as possible
Im Test: der erste Elektro-Porsche,
der Taycan Turbo
126 Schöne neue Arbeitswelt
Bosse aus Höxter fertigt
flexible Büromöbel
132 Fokus auf Papier
Im Gespräch mit der Kuratorin des
Göttinger Kunsthauses
service
3 Editorial
8 Momentaufnahmen
Besondere Augenblicke
vergangener Tage
14 Aktuelles
Neues aus der faktor-Redaktion
145 Impressum
146 Komisch, is’ aber so
Comic von Hagen Schulze
FOTOS: ALCIRO THEODORO DA SILVA
18 NextPharma-Leiter Georg Althaus führt durch die Pillenproduktion
»Ich wage zu behaupten, dass es in Deutschland
keine Apotheke gibt, in der Sie nichts aus
unserer Produktion finden.«
90 Bilder sagen mehr als Worte
140 Jahre Göttinger Stadtfriedhof
– ein visueller Spaziergang über die
älteste Ruhestätte der Stadt
132 Gedanken in Bilder verwandeln
Tiefe Einblicke. Ute Eskildsen, Gründungskuratorin des Kunsthauses Göttingen, über ihren
Fokus auf Papier und die Kunst als treibende Kraft in unserer Gesellschaft
70 Zur rechten Zeit zur Stelle
Nach der Wende. Matthias Walter wusste
sofort, dass sich mit dem Mauerfall eine
einmalige Chance eröffnete, und gründete
‚Reiseland‘.
3 |2021 5
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Momentaufnahmen
faktor lässt besondere Ereignisse in der Region mit ausgewählten Impressionen Revue passieren.
FOTOGRAFIE ALCIRO THEODORO DA SILVA
Die Kultur lebt wieder auf!
Das Festival im Kaiser-Wilhelm-Park – kurz KWP – am 3. und 4. September war nach der
Zwangspause im vergangenen Jahr wieder ein voller Erfolg. Neben Lea & the Moment und
den Göttinger Lokalmatadoren von Flooot rockte unter anderem auch Michael Schulte (Foto)
die Bühne. Die Freude, endlich wieder live vor Publikum aufzutreten, war allen Künstlern
gleichermaßen anzumerken und übertrug sich trotz der vorgegebenen Corona-Maßnahmen
auf die insgesamt 1.400 glücklichen Besucher des Waldes.
8 3 |2021
momentaufnahmen
3 |2021 9
momentaufnahmen
Biker am Start
Am 21. August lud der PS.Speicher in Einbeck, Europas größte Oldtimersammlung,
einmal mehr zum PS.Bikertag ein. Bereits zum dritten Mal kamen zahlreiche Motorradfahrer
zusammen und hauchten der historischen Fachwerkstadt mit ihren heißen Reifen neues Leben
ein. Das Thema in diesem Jahr ,Honda – The Power of Dreams‘ lockte dabei nicht nur Honda-
Fahrer auf ihren Öfen hervor, sondern interessierte Gäste aller Art bevölkerten die Gassen.
10 3 |2021
momentaufnahmen
3 |2021 11
momentaufnahmen
Händel feiert – endlich – Jubiläum
Mit dieser Aufführung fing vor 101 Jahren für die Internationalen Händel-Festspiele Göttingen alles an:
mit Rodelinda (Foto). Und wie bereits über ein Jahrhundert zuvor verzauberte die Titelheldin der gleichnamigen
Oper auch bei der diesjährigen Premiere am 9. September im Deutschen Theater die Zuschauer.
Auch an den folgenden Tagen stießen die weiteren Live-Veranstaltungen in Göttingen und Umgebung auf
Begeisterung – hatte man dem großen Jubiläum doch lang genug entgegengefiebert! Händel-Enthusiasten
aus aller Welt kamen zusammen, um nach mehr als einem Jahr coronabedingter Verspätung endlich das
100-jährige Bestehen der Festspiele gebührend (nach) zu feiern.
12 3 |2021
momentaufnahmen
3 |2021 13
aktuelles
faktor präsentiert
Sonderausgabe: Excelitas
FOTO: ALCIRO THEODORO DA SILVA
Ein stark wachsender Hochtechnologiekonzern, ein neues
Produktionswerk und ein enormer Aufwand zur Gewährleistung
der Reinheitsqualität – Excelitas in Göttingen erweitert seine
Kapazitäten und weiht ein neues Gebäude im Göttinger Science
Park ein.
Was genau hinter dieser enormen Investition in die Zukunft steckt
und wie sich das Unternehmen seit seiner Gründung entwickelt
hat, erfahren Sie in der aktuellen faktor-Sonderausgabe.
Einen kleinen Einblick ins Heft erhalten Sie bereits auf Seite 36.
34. faktor-Business-Lounge
„Alles so schön digital hier …“
Haben auch Sie Interesse an einer Sonderausgabe
für Ihr Unternehmen?
Nicole Benseler versorgt Sie gern mit weiteren Infos:
Tel. 0551 309839-22 oder benseler@faktor-magazin.de
Am 16. September war es endlich so weit: Nach langer coronabedingter
Pause fand erstmals wieder die faktor-Business-
Lounge statt und war sogleich ein voller Erfolg. Zu Gast:
Felix Dossmann. Der Selfmade-Unternehmer und Computer-
Nerd sprach im Audi Zentrum Göttingen zum Thema
‚Digitalisierung – über die Chancen und Risiken auf unseren
(Daten-)Autobahnen‘. 1998 gründete er noch aus dem Studium
heraus seine erste Firma und machte sie zum Marktführer im
Bereich mobile Datenerfassung in der deutschen Lebensmittellogistik.
Seit dem erfolgreichen Verkauf seines Unternehmens
vor vier Jahren berät er nun Start-ups, unterstützt sie bei
Gründung und Wachstum und bringt sie mit Investoren
zusammen. Darüber hinaus berät Dossmann Mittelständler im
Bereich der digitalen Transformation.
In seinem spannenden Impulsvortrag machte der Speaker auf
der Lounge deutlich, dass man auch mit seinen aktuell bereits
bestehenden digitalen Ressourcen Veränderungen herbeiführen
kann. Im Anschluss konnten sich die Teilnehmenden noch in
entspannter Atmosphäre bei Snacks und Getränken über ihre
eigenen Schritte und Pläne hin zu mehr Digitalität im
Arbeitsalltag austauschen.
Hier geht’s zur Bildergalerie des Abends:
www.faktor-magazin.de/faktor-business-lounge-bildergalerien
14 3 |2021
aktuelles
In den Startlöchern
Die 35. faktor-Business-
Lounge wird eine Show!
Wieder auf den Geschmack gekommen, findet am 18. November
direkt die nächste faktor-Business-Lounge in der Sheddachhalle
im Sartorius-Quartier in Göttingen statt. Und dieses Mal
ist etwas Außergewöhnliches geplant: Theaterbesuch und
Persönlichkeitsentwicklung in einem!
Zukunft in Sicht
Der neue faktorAzubi
ist da!
Neben zahlreichen Bewerbungs- und Freizeittipps wirft
faktorAzubi in der aktuellen Ausgabe einen prüfenden Blick
auf die vielseitige Branche der Handwerksberufe, spricht mit
Azubis und Studierenden und kommt zu einem eindeutigen
Fazit: Handwerk macht glücklich! Mit dem Big-Five-
Persönlich keitstest können Schüler und Absolventen
dann herausfinden, ob das Handwerk auch zu ihrem Typ
passt – oder in welchem Beruf sie doch besser aufgehoben
wären. Und mit dem kreativen ‚Spiel deines Lebens‘ können
sich die Fachkräfte von morgen auf unterhaltsame Weise
auch gleich noch der Frage nähern: Ausbildung oder Studium?
Als Schauspielende am Deutschen Theater Göttingen vermitteln
Rebecca Klingenberg und Gabriel von Berlepsch spielerisch die
Grundlagen von mehr Präsenz und gesteigerter Co-Kreativität
im Team. Mit ihrem Konzept Playtogrow richten sie sich an
Unternehmer, Führungskräfte und Mitarbeitende, die sich selbst
neu entdecken und ihr Auftreten selbstbewusst gestalten wollen.
Am Abend der faktor-Business-Lounge verraten Klingenberg
und von Berlepsch, wie man Atem, Stimme und Haltung als
Tool für starke und authentische Botschaften nutzen kann, präsentieren
die besten Tricks für mehr Spontanität und empathisches
Zusammenspiel und geben obendrein unterhaltsame Einblicke
hinter die Kulissen ihres Film- und Theater alltags. Mehr zu
Playtogrow lesen Sie auch in dieser Ausgabe ab Seite 86.
Seien Sie dabei!
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FOTO: CHRISTOPH TÜRKAY
3 |2021 15
aktuelles
FOTO: ALCIRO THEODORO DA SILVA
Netzwerken
Inspirierende Geschichten
Kurz vor der Sommerpause fand im Juni noch der faktor-Mittagsclub mit
Paul und Richard Petersik (Foto o.) statt. Die Brüder berichteten im Amavi von
ihrer Mission, einen nachhaltigen Weinbau mit digitalen Lösungen zu fördern.
So entstand VineForecast, ein neues System, das exakte Krankheitsprognosen
für den Winzer erstellt. Einfach und bezahlbar – dafür wurde VineForecast
bereits im vergangenen Jahr beim Lift-Off-Gründungswettbewerb der Uni
Göttingen mit dem Publikumspreis Wissenschaft ausgezeichnet.
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faktor-mittagsclub-bildergalerien
Gut erholt traf man sich Ende August dann wieder in gewohnter Runde.
Zu Gast waren Oliver Becker (r.) und Lukas Campen von der Film produktion
und Medienagentur weTellmedia. Ihr erklärtes Ziel: komplexe Inhalte
verständlich, bewegend und visuell ansprechend vermitteln. Vor dem gemeinsamen
Essen gaben sie den Teilnehmern einen kurzweiligen Einblick in ihre Arbeit
und auch gleich noch praktische Tipps für professionelle Videos und
einnehmendes Storytelling.
16 3 |2021
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Am laufenden Band
18 3 |2021
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Der Arzneimittelhersteller NextPharma feiert sein 75-jähriges Bestehen in Göttingen.
Jährlich versorgt uns das Unternehmen mit über neun Milliarden Tabletten –
die Pillen gegen Kopfschmerz und Co. erhalten wir in jeder Apotheke.
TEXT SVEN GRÜNEWALD FOTOGRAFIE ALCIRO THEODORO DA SILVA
3 |2021 19
unternehmen
20 3 |2021
unternehmen
LESEZEIT: 8 MINUTEN
Ich wage zu behaupten, dass es in Deutschland keine
Apotheke gibt, in der Sie nichts aus unserer Produktion
finden“, sagt Georg Althaus, Leiter des
NextPharma-Standorts in Göttingen. Rund um die
Uhr werden hier die gängigsten Arzneimittel hergestellt
und in die ganze Welt verschickt – wie Ibuprofen, Paracetamol
oder Blutdrucksenker. Insgesamt werden jährlich
ungefähr acht Milliarden Tabletten und 1,2 Milliarden
beschichtete sogenannte Film tabletten abgepackt.
Zur europaweiten NextPharma-Gruppe gehören neun
jeweils klar spezialisierte Produktionsstandorte: Fünf
davon sind in Deutschland, zwei in Frankreich sowie
jeweils einer in Finnland und Schottland. Göttingen ist
auf feste Arzneiformen spezialisiert. NextPharma tritt
selbst jedoch nie namentlich in Erscheinung, denn die
Gruppe ist ein sogenannter Lohnhersteller oder genauer
eine CDMO: Contract Development Manufacturing
Organisation. „Wir haben keine eigenen Produkte, sondern
produzieren und entwickeln Arzneimittel für an dere
Kunden“, erklärt der Werksleiter Georg Althaus. Das bedeutet
konkret: NextPharma übernimmt wahlweise die
Produktion auf Basis eines Rezepts und Patents eines
Pharmaunternehmens oder erhält den Auftrag, etwa eine
Kopfschmerztablette bis zur Marktreife zu entwickeln.
Zur Person
Georg Althaus kam vor 43 Jahren im Eichsfeld zur
Welt. Nach dem Studium der Pharmazie in Marburg
promovierte er im Bereich Pharmazeutische Technologie
an der Universität Würzburg. 2006 fing er als Assistent
der Herstellungsleitung bei NextPharma in Göttingen an.
2008 übernahm er die Abteilungs leitung der Tablettenproduktion,
2010 wurde er Leiter der Entwicklungsabteilung,
2014 Produktionsleiter – und seit sechs
Jahren leitet Althaus den gesamten Standort.
ES SIND DIESELBEN KOMPETENZEN wie in einem
Pharmaunternehmen, die NextPharma unter seinem
Dach vereint. Dass man sich dennoch aus der Entwicklung
und dem Vertrieb von Eigenprodukten heraushält,
hat sowohl praktische Gründe als auch Kostengründe.
Denn nach der Produktentwicklung kommt der deutlich
kostenintensivere Teil. Bevor eine Arznei zugelassen
wird, müssen klinische Studien durchgeführt werden, zudem
stehen Stabili täts unter suchungen und die Prozessvali
die rung an. Nach der Zulassung kommt das Marketing
für neue Produkte – in einem Markt, in dem in
Deutschland schon knapp über 100.000 Arzneimittel
vorhanden sind.
3 |2021 21
unternehmen
22 3 |2021
unternehmen
Beeindruckende Zahlen Mit seinen knapp 430 Mitarbeitern ist der
NextPharma-Standort in Göttingen vor allem auf die Herstellung von festen
Arzneiformen spezialisiert – ca. acht Milliarden Tabletten und 1,2 Milliarden
beschichtete sogenannte Filmtabletten werden hier jährlich über
die Laufbänder befördert und abgepackt.
Stattdessen profitiert NextPharma von den Marktbedingungen
in der Branche. „In der Pharmaindustrie
gibt es einen großen Preisdruck“, sagt Althaus. Da lohne
es sich nicht für jeden Kunden, eine eigene Produktion
aufzubauen. Im Gegenteil gebe es sogar den Trend, dass
selbst große Pharmaunternehmen ihre Produktion auslagern
– „da das nur ein kleiner Teil der Wertschöpfungskette
ist, aber viel Arbeit bedeutet“, erklärt der
promovierte Apotheker. Diese Auslagerungstendenzen
betreffen vor allem kleinere und mittlere Volumina, denn
nicht jedes Arzneimittel ist ein Blockbuster, der in
milliar denfacher Stückzahl gefertigt wird. „Bei einer
Milliarde Tabletten stellt man die Maschine einmal ein,
und dann läuft sie das ganze Jahr. Bei einer Million Tabletten
lohnt sich das einfach nicht.“ Gleiches gilt auch
für Arzneimittel, deren Patentschutz ausgelaufen ist, was
die Gewinnmargen deutlich reduziert.
DASS LOHNHERSTELLER GEFRAGT SIND, zeigen die
Zahlen von NextPharma. Am Standort Göttingen ist die
Mitarbeiterzahl in den letzten zehn Jahren von 260 auf
aktuell rund 430 gewachsen, der Umsatz hat sich allein
in den letzten fünf Jahren verdoppelt. Konzernweit
erwirtschaften die etwa 2.000 Mitarbeiter einen Umsatz
von rund 300 Millionen Euro bei einer jährlichen Wachstumsrate
des Ergebnisses von 14 Prozent.
Konkurrenz im Segment der Lohnhersteller gibt es
reichlich, doch NextPharma hat es geschafft, unter die
Top 10 in Europa aufzusteigen. „Gelungen ist uns das,
weil wir uns auf attraktive Technologien und teils auch
Nischen spezialisiert haben“, sagt Althaus. Denn in
Göttingen werden nicht etwa nur Tabletten produziert,
auch wenn das den Hauptumsatz ausmacht. Außer der
Produktion werden Arzneimittel auch neu entwickelt
und analytische Methoden konzipiert, anhand derer sich
die korrekte Wirkstoffzusammensetzung eines Pro-
3 |2021 23
unternehmen
Extrem hohe Standards Etwa ein Viertel aller Mitarbeiter bei NextPharma sind derweil in der Qualitätskontrolle und -sicherung tätig.
24 3 |2021
unternehmen
3 |2021 25
unternehmen
„Und so bin ich hiergeblieben – weil sich
immer Möglichkeiten ergeben haben,
die ich wahrscheinlich bei einem großen
Unternehmen nicht bekommen hätte.“
dukts über wachen lässt – es werden mikrobiologische
Prüfungen durchgeführt, mit denen beispielsweise Sonnencremes
darauf geprüft werden, ob sie mit Keimen belastet
sind. Und dann gibt es noch ein weiteres Standbein,
allerdings ein noch relativ neues: die Produktion klinischer
Prüfmuster. Hier werden in Kooperation mit Kliniken
kleine Chargen noch nicht zugelassener Produkte gefertigt,
die dann in klinischen Tests zum Einsatz kommen.
DAMIT SETZT NEXTPHARMA die lange Tradition findiger
Arzneiproduktion fort, mit der 1946 am Standort Göttingen
alles begann. Die damals gegründete Penicillin-
Gesellschaft Dauelsberg sah im Nachkriegsdeutschland
den hohen Bedarf an Penicillin-Antibiotika zur Behandlung
von Kriegsverletzungen. Da die Nachfrage jedoch bei
Weitem nicht gedeckt werden konnte, wurde man kreativ:
Da US-Soldaten gut mit Antibiotika versorgt waren,
filterte man in der Penicillin-Gesellschaft kurzerhand
den Wirkstoff aus dem Urin der Soldaten zurück.
DASS SICH GÖTTINGEN, als größter Standort der
NextPharma-Gruppe, so gut entwickelt hat, sei auch
dem Umfeld geschuldet. „Apotheker werden zwar nicht
an der Universität ausgebildet“, sagt Althaus, „aber wir
finden hier Ingenieure und Biologen mit einer sehr guten
Grundausbildung. Das hat geholfen, das Unternehmen
so schnell voranzubringen.“ Der 43-Jährige nimmt Göttingen
als einen sehr innovationsfreundlichen Standort
wahr, weshalb es auch den erklärten Willen gebe, hier zu
bleiben. Dazu trage auch die sehr gute Zusammenarbeit
mit den Genehmigungsbehörden bei.
Aktuelles Beispiel für die schnellen Verfahren und das
starke Wachstum ist eine Investition von 15 Millionen
Euro, die NextPharma hier im vergangenen Jahr getätigt
hat. Das Investitionsprojekt, das innerhalb von zwölf
Monaten umgesetzt wurde, umfasste den Bau eines
1.000 Quadratmeter großen Gebäudes auf zwei Ebenen
mit zusätzlichen Produktionsanlagen im Erd geschoss –
zum Mischen, Granulieren, Tablettieren und Befilmen.
Keine leichte Aufgabe auf dem seit 1946 organisch ge-
26 3 |2021
unternehmen
wachsenen Werksgelände in der Stadt – bei laufender
Produktion und fast kontinuierlichem Lieferverkehr.
Doch es hat sich gelohnt: Dadurch hat sich die Kapazität
in Göttingen noch einmal um 25 Prozent erweitert.
DIE INVESTITION IST TEIL einer breiteren Erweiterungs
strategie an allen Standorten der Gruppe, die stark
wachsen – trotz der Herausforderungen durch die Pandemie.
So ist etwa durch die Lockdownmaßnahmen die
Nachfrage nach Antibiotika, Husten- und Schnupfenarzneimitteln
sowie Grippemedikamenten um bis zu
80 Prozent eingebrochen. „Zum Glück sind wir jedoch
sehr vielfältig aufgestellt und haben einen breiten
Kunden stamm“, sagt Georg Althaus. „So konnten wir
die Krise ausbalancieren und dennoch weiter wachsen.“
Und eben dieses dynamische Wachstum eröffnet auch
den Mitarbeitern Chancen. So sind im Führungsteam viele
Mitarbeiter um die 40 – der neue Lagerleiter ist noch
keine 30. „Wir sind ein relativ junges Team und diese
Chance, in Führungspositionen hineinzuwachsen, ist
wichtig, wenn wir neue Mitarbeiter suchen“, so Althaus.
Der Standortleiter ist selbst das beste Beispiel dafür. „Ich
wollte nach meiner Promotion eigentlich nicht zu einem
Lohnhersteller, sondern zu einem der großen Pharmakonzerne.
Allerdings war die Stellenausschreibung in Göttingen
als Assistenz des Herstellungsleiters sehr spannend.“
Dadurch, dass das pharmazeutische Aufgabenspektrum
sehr vielfältig ist, habe der Mittelständler ihm die Chance
geboten, viele Bereiche kennenzulernen. Schon nach einem
Jahr wurde Althaus Abteilungsleiter in der Tablettenherstellung,
später in der Entwicklungsabteilung, hat sich
weiterqualifiziert und durfte schließlich Arzneimittel für
den Markt freigeben. 2015 erhielt er das Angebot, die
Werksleitung zu übernehmen. „Und so bin ich hiergeblieben
– weil sich immer Möglichkeiten ergeben haben, die
ich wahrscheinlich bei einem großen Unternehmen nicht
bekommen hätte.“ Für den gebürtigen Eichsfelder zudem
eine Gelegenheit, in der Region zu bleiben.
ETWA EIN VIERTEL ALLER MITARBEITER sind derweil in
der Qualitätskontrolle und -sicherung tätig. Das hat mit
den hohen Standards zu tun, die eingehalten werden
müssen – und die für einen regen internationalen Besuch
im Göttinger Werk sorgen. Rund 150 Kunden auf sechs
Kontinenten beliefert NextPharma, und die Vorgaben
aller Länder sowie der Kunden müssen eingehalten werden.
Um zu überprüfen, dass das auch passiert, geben
sich Inspektoren der jeweiligen Zulassungsbehörden
und Kunden quasi die Klinke in die Hand. „Wir haben
jede Woche mindestens eine Inspektion oder ein Audit“,
so Althaus. „Das ist alles andere als business as usual
und tatsächlich auch immer wieder aufregend.“
Jedes Jahr gibt es andere Schwerpunkte der Inspektoren,
auch national gibt es unterschiedliche Prioritäten.
„Eine Inspektorin aus Afrika wollte wissen, wo unser
Wasser herkommt“, erzählt der Werksleiter. Was für uns
selbstverständlich ist – nämlich, dass es sauber aus dem
Hahn kommt –, ist in Uganda und Kenia anders.“ US-Inspektoren
der Food and Drug Administration legten hingegen
viel Wert auf eine harte Dokumentation und
Nachvollziehbarkeit aller Prozesse, um sich gegen eventuelle
Klagen abzusichern. Insofern müsse man sich immer
wieder überraschen lassen, was auf einen zukommt,
so Althaus.
VON DEM IMAGEPROBLEM der Pharmabranche sieht
Althaus sein Unternehmen als Lohnhersteller nicht direkt
betroffen. „Wir sind ein Servicebetrieb und produzieren
für andere“, sagt der Standortleiter. Bei aller Kritik
werde sehr oft vergessen, wie viel Arbeit und Kosten in
der Entwicklung von Arzneimitteln stecken. „Wir sehen
jedes Jahr, mit wie vielen Firmen wir Projekte starten
und wie viele Entwicklungen bis zur Marktreife pulverisiert
werden.“ Nur eine von neun schaffe diesen Weg.
„Darum sollte man sich auch bewusst machen, dass wir
am Ende Menschen helfen und sie heilen wollen.“ƒ
ZUM UNTERNEHMEN
Die komplizierte Geschichte von NextPharma in Göttingen
1946 wurde in Göttingen die Penicillin-Gesellschaft
Dauelsberg gegründet, die zunächst aus dem Urin von
US-Soldaten Penicillin zurückgewann, weil im Nachkriegsdeutschland
ein hoher Bedarf daran bestand.
1976 wurde die Firma von SmithKline übernommen.
1990 kaufte die Gehe AG den Standort und gründete
daraus die allphamed Arzneimittelgesellschaft.
1996 kaufte die Bielefelder Pharbil Pharma den Standort.
1999 wurde die PenCef Pharma als Joint Venture mit der
Haupt Pharma AG gegründet. Die allphamed Arzneimittelgesellschaft
und PenCef Pharma existieren – unter dem
Dach der NextPharma als eingetragene Unternehmen am
Standort Göttingen – noch heute.
2000 wurde aus den beiden Standorten Bielefeld
und Göttingen im Rahmen einer Restrukturierung des
Unternehmens die NextPharma gegründet, die seither
ihre Standorte durch gezielte Zukäufe erweitert.
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Kein Display ohne diese Firma
Der Coherent-Standort Göttingen wird 50!
Gemeinsam mit geladenen Gästen aus Politik und Wirtschaft sowie allen geschätzten
Mitarbeitern feierte das Unternehmen am 7. September seine Erfolgsgeschichte: Was 1971
als Zwei-Mann-Firma begann, hat heute rund 450 Beschäftigte und vier Werke im Stadtteil
Grone – ohne die dort produzierten Laser kommt weltweit keine Displayherstellung aus.
Geschäftsführer Dr. K. Schmidt begrüßte die Gäste.
Göttinger Lasertechnologie ermöglicht Hightech-Innovationen.
Die ehemaligen Geschäftsführer Dr. D. Basting (mit R. Basting), R. Waldermann, Dr. T. Damm sowie
der aktuelle Geschäftsführer Dr. K. Schmidt im Foyer des Verwaltungsgebäudes
Der Göttingen-Standort der Firmengruppe
von Coherent entwickelt und
produziert eine entscheidende UV-
Laser technologie in verschiedenen Varianten:
den Excimer-Laser. Es sind berührungslose
Präzisionswerkzeuge, mit denen kleinste Strukturen
erzeugt werden können, die hundertmal
kleiner als ein menschliches Haar sind. Entscheidend
für die Industrie, denn kein weltweit
produziertes OLED- oder LCD-Display
– beispielsweise in Smartphones, Tablets und
Flachbildschirmen – kommt in der Herstellung
ohne diesen Laser aus. Der wachsende Markt
trägt dazu bei, dass sich der Standort Göttingen
in der Firmengruppe stark entwickelt.
IM DEZEMBER 2016 hat die Firma in Göttingen
ihr inzwischen viertes Werk in Grone (mit
über 5.000 Quadratmetern Produktionsfläche)
eröffnet – die weiteren Aussichten für den Standort
sind sehr gut. Es ist eine Erfolgsstory, die
1971 begann, als Bernd Steyer und Dirk Basting
aus dem Max-Planck-Institut für biophysikalische
Chemie heraus die Firma Lambda Physik
gründeten und 1977 ihren ersten kommerziellen
Excimer-Laser vermarkteten. 1990 hatte die
PROFIL
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Ortsbürgermeisterin B. Sterr überreichte
Geschäftsführer K. Schmidt einen Präsentkorb
mit Göttinger Spezialtäten.
Firmengründer Dr. D. Basting gab spannende Einblicke in die Zeit der Ausgründung des Unternehmens
und die turbulenten Anfangsjahre. So manche Anekdote brachte die Gäste zum Schmunzeln.
Dem Wetter entsprechend war für das leibliche
Wohl nach der Veranstaltung gesorgt.
Die Gäste aus Politik und Wirtschaft im Hörsaal
waren von der 50-jährigen Erfolgs geschichte des
Unternehmens beeindruckt.
Die Mitarbeiter verfolgten die Festvorträge auf
eigens dafür installierten TV-Bildschirmen.
Firma bereits um die 100 Mitarbeiter und 2021
etwa 450. 2004 wurde sie vom US-Unternehmen
Coherent übernommen.
DAS BESONDERE AM EXCIMER-LASER ist,
dass er hauchdünne Schichten mit gepulstem
UV-Licht schnell und dabei hoch präzise
be arbeiten kann. So können für dünne und
hochauflösende Displays großflächig feinste
Transistor-Strukturen aus mit dem Excimer-
Laser kristallisierten Siliziumfilmen produziert
werden. Für die Excimer-Laser aus Göttingen
gibt es zahlreiche Anwendungsgebiete. Den
Hauptmarkt stellt jedoch die Displaybearbeitung
dar, die entsprechenden Lasersysteme
sind wohnzimmergroß.
COHERENT PRODUZIERT zudem Excimer-
Laser für ganz andere Anwendungen. So stehen
etwa in Augenarztpraxen und -kliniken Lasersysteme
für die LASIK-Hornhautchirurgie
und ermöglichen vielen ein Leben ohne Sehhilfe
– und mit der Pulsed Laser Deposition
können industrielle Substrate ultradünn mit
effizienteren Materialien beschichtet werden.
Und auch die Wissenschaft greift gerne auf
die Göttinger Coherent-Lasertechnologie zurück:
Auf der Zugspitze, dem höchsten Berg
Deutschlands, ist in der dortigen Umweltforschungsstation
ein Excimer-Laser zur Atmosphärenbeobachtung
im Einsatz.
DIE PERSPEKTIVEN SIND SEHR GUT: Die
bereits 50 Jahre währende Göttinger Wachstums-
und Erfolgsgeschichte geht weiter.
Denn in der 5G-Kommunikation, der Energiewende
und neuen Mobilitätsformen kann der
Excimer-Laser seine besonderen Eigenschaften
gerade da ausspielen, wo andere Produktionstechnologien
an ihre Grenzen stoßen.
TEXT: SVEN GRÜNEWALD
KONTAKT
Coherent LaserSystems GmbH & Co. KG
Hans-Böckler-Str. 12
37079 Göttingen
Tel. 0551 6938-0
www.coherent.com
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Hinten (v.l.n.r.) Martin Liese, Maren Dörhage, Andrea Glaser, Steffen Beese, Claudia Weski, Matthias Leonhardt, Rainer Hald, Michael Birlin, Daniela Henkelmann,
Marco Ebrecht, Nadine Jacobi, Maik Fiedler. Vorne: Thomas Häntzsch, Heike Herbst, Max-Leon Ott, Melanie Kaufhold, Frank Hasselmann
Maren Dörhage, Claudia Weski, Andrea Glaser
Thomas Häntzsch, Marco Ebrecht, Steffen Beese
Martin Liese, Maik Fiedler, Frank Hasselmann
Daniela Henkelmann, stellvertretende Leiterin des
Private Banking, und Matthias Leonhardt,
Leiter Private Banking
Melanie Kaufhold, Max-Leon Ott,
Nadine Jacobi, Heike Herbst
Matthias Leonhardt, Rainer Hald, Michael Birlin,
Daniela Henkelmann
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Der Qualität verpflichtet
Vor 20 Jahren hat die Sparkasse Göttingen als eine der ersten Sparkassen in Deutschland
eine ganzheitliche Betreuung für vermögende Kunden aufgebaut – das Private Banking.
Seitdem hat sich dieser Bereich der Sparkasse konstant weiterentwickelt und darf sich
heute sogar ,bestes Private Banking in Niedersachsen‘ nennen.
PROFIL
Werte schaffen, bewahren und mehren.
Mit diesem Antrieb begann
die Sparkasse Göttingen im Herbst
2001 mit dem Aufbau eines Betreuungs- und
Serviceangebotes für ihre sehr vermögenden
Privatkunden und Unternehmer. Das Private
Banking sollte nicht nur den Kunden in den
Mittelpunkt stellen, sondern noch einen Schritt
weitergehen: Ziel war es, die gesamte individuelle
Lebensplanung der Kunden durch
maßgeschneiderte und nachhaltige Vermögenskonzepte
zu unterstützen. Seit nunmehr
20 Jahren fühlt sich das Private Banking diesem
Qualitätsanspruch verpflichtet. „Wir dürfen
– durchaus mit ein wenig Stolz – behaupten,
dass unser Private Banking sich im steten
Wandel der Zeit und der globalen wirtschaftlichen
Bedingungen erfolgreich mitentwickelt
hat“, sagt der Vorstandsvorsitzende der Sparkasse
Göttingen, Rainer Hald, und blickt dabei
auf die letzten zwei Jahrzehnte zurück. Hald
selbst hatte es sich damals als Vorstand zur
Aufgabe gemacht, in der Betreuung der vermögenden
Kunden neue Wege zu beschreiten.
MATTHIAS LEONHARDT, Leiter des Private
Banking und vom ersten Tag an dabei, erinnert
sich noch gut an die Anfänge. „Unser Private
Banking startete als relativ kleines Projekt
mit zwei Beratern. Wir wollten die Kunden bei
der ,Vertrauenssache Vermögen‘ so persönlich
wie möglich betreuen, jeden Kunden als
ganz individuellen Charakter in den Fokus
stellen“, sagt Leonhardt. „Wir haben dann
schnell gemerkt, dass dieser Ansatz genau
zu den Bedürfnissen und Wünschen unserer
Kundengruppe gepasst hat.“ Das erfolgreiche
Konzept sollte sich auch in den folgenden
Jahren bewähren: Heute betreut das Private
Banking der Sparkasse deutschlandweit rund
850 Familien, mehr als 60 Stiftungen und ein
Gesamtvermögen von etwa einer Milliarde
Euro. Das Deutsche Institut für Bankentests
(DIfB) hat das Beraterteam in diesem Jahr
bereits zum vierten Mal in Folge als bestes
Private Banking in ganz Niedersachsen ausgezeichnet.
BEI EINEM BLICK auf die komplexen und
vielschichtigen Lösungen, die das Private Banking
anbietet, verwundert die wiederholte Auszeichnung
nicht. Denn die Beratungsleistung
ist breit gefächert: Sie umfasst unter anderem
eine umfangreiche Wertpapier beratung,
Finanzierungsgespräche, Unterstützung bei
der Stiftungsgründung sowie Testamentsvollstreckung
bis hin zur Hilfestellung beim
Erwerb von Wald- und Ackerflächen. „Unsere
Beratungsphilosophie fußt dabei auf Werten
wie Nähe, Kompetenz, Verlässlichkeit und
Diskretion“, erklärt Matthias Leonhardt. „So
haben wir uns das Vertrauen unserer Kunden
erarbeitet, von denen wir viele bereits über
Jahrzehnte oder teilweise in der nächsten
Generation betreuen“, erklärt Matthias Leonhardt.
DIE GESPRÄCHE MIT DEN KUNDEN finden
in der Regel im historischen Michaelishaus in
der Göttinger Prinzenstraße statt, wo in den
vergangenen Jahrhunderten einige bedeutende
Gelehrte – unter anderem auch Benjamin
Franklin, einer der Gründerväter der Vereinigten
Staaten von Amerika – wohnten oder arbeiteten.
Hier bietet das Private Banking ein
besonderes Ambiente, genauso wie die Ruhe
und Diskretion, die die Kunden erwarten. So
steht auch das Michaelishaus ein wenig sinnbildlich
dafür, worauf es beim Private Banking
der Sparkasse Göttingen eben schon seit dem
ersten Tag ankommt: Werte schaffen, bewahren
und mehren.
FÜR MICHAEL BIRLIN, den Vertriebsvorstand
der Sparkasse Göttingen, ist das Jubiläum
auch ein besonderer Anlass, Danke zu
sagen: „Die höchste Qualität bei Beratung
und Service ist unser Anspruch. Das zahlen
unsere Kunden uns mit Vertrauen zurück. Zu
verdanken haben wir diesen Erfolg allen Mitarbeiterinnen
und Mitarbeitern, die täglich die
finanzielle Lebensplanung der Kunden kompetent
und mit größter Hingabe und Sorgfalt
vorantreiben.“
KONTAKT
Sparkasse Göttingen
Private Banking
Prinzenstr. 21
37073 Göttingen
Tel. 0551 405-3021 oder -3026
spk-private-banking@spk-goettingen.de
www.private-banking-goettingen.de
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Der Zug nimmt
wieder Fahrt auf
40 Jahre Marketing Club Göttingen: Zeit, neue Wege zu gehen – für den langjährigen
Präsidenten Gerhard Sauer, aber auch für den neuen Vorstand des Berufsverbands.
TEXT SVEN GRÜNEWALD FOTOGRAFIE ALCIRO THEODORO DA SILVA
LESEZEIT: 6 MINUTEN
Der Marketing Club Göttingen feiert in diesem
Jahr seinen 40. Geburtstag – und steht vor
einer kleinen Zeitenwende. Nach dem Ende
der Ära Gerhard Sauer, der sich nach über
zwei Jahrzehnten als Präsident und Gesicht des Berufsverbands
im vergangenen Jahr nicht wieder zur Wahl
gestellt hat, steht der neu gewählte Vorstand nun vor
gleich zwei Herausforderungen: Es gilt zum einen, die
hinterlassenen großen Fußstapfen mit frischen Ideen zu
füllen, um den Verein auch in die Zukunft zu führen,
zum anderen ist das Vereinsleben durch anderthalb Jahre
pandemiebedingte Zwangspause quasi zum Erliegen
gekommen.
Hinzu kommt noch ein Trend, den es dabei zu berücksichtigen
gilt: Wirtschaftsförderungen, Branchennetzwerke
und Verbände haben in den letzten Jahren alle
ihre Foren fürs Netzwerken geschaffen. Zwischen Unternehmerfrühstücken
und Wirtschaft-meets-Wissenschaft-
Speeddating ist es für engagierte Akteure inzwischen
schwer, den Überblick zu behalten – inhaltliche und terminliche
Überschneidungen sind keine Seltenheit. Damit
wächst auch für den Marketing Club die Herausforderung,
seinen Mitgliedern auch weiterhin den berühmten
Mehrwert zu bieten.
DER MARKETING CLUB GÖTTINGEN ist seit 40 Jahren
Teil eines bundesweiten Netzwerks, das in Marketing
und Kommunikation Tätige zusammenbringt. Insgesamt
62 regionale Marketing Clubs gibt es in Deutschland,
zusammengeschlossen sind sie unter dem Dach des
Deutschen Marketing Verbandes (DMV) und teilweise
schon seit über 70 Jahren aktiv. Während der DMV um
die 14.000 Mitglieder hat – vom Telekom-Vorstand bis
zum Studenten –, zählt der Göttinger Verein stabil um
die 100 Mitglieder und hat dabei einen recht großen regionalen
Einzugsbereich. Der nächste Club im Norden
sitzt in Goslar und in Richtung Süden in Kassel.
Umso wichtiger ist die Qualität der Vereinsaktivitäten,
in deren Kern bislang jährlich etwa zwölf Veranstaltungen
mit Fachvorträgen standen. Das stete Ziel: ein interessanter
Redner zu einem aktuellen und visionären
Thema an einer passenden Location. „2018 hatten wir
zum Beispiel Peter Kowalsky eingeladen, den Erfinder
der Bionade, der darüber gesprochen hat, wie Start-ups
mit Mut und neuem Denken erfolgreich sein können“,
erzählt Ex-Präsident Gerhard Sauer. Im Vorfeld standen
drei bis vier Monate Planungsvorlauf und immer ein
wachsames Auge, um auf plötzliche Ereignisse und Veränderungen
reagieren zu können.
32 3 | 2021
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Eine Ära zu Ende Nach über 20 Jahren als Präsident des Marketing Clubs hinterlässt Gerhard Sauer große Fußspuren für die neue Riege.
Bei der Suche nach geeigneten Speakern halfen immer
wieder auch Sauers gute Verbindungen zu anderen Clubs.
Die Clubs aus dem Norden trafen sich zum Beispiel viermal
im Jahr und tauschten sich über ihre Aktivitäten aus.
„Dadurch knüpft man schon viele Kontakte“, sagt Sauer.
„Wollten wir beispielsweise etwas zum Thema Autos
machen – ich kenne jemanden bei VW.“
DIE ÄRA SAUER war gleichbedeutend mit Stabilität. Und
gleichzeitig hat er den Marketing Club stets vorangetrieben,
indem er ihn auch mit vielen anderen Netzwerken
und Partnern der Region zusammenbrachte – zur gegenseitigen
Bereicherung und zum Know-how-Austausch.
Daran gilt es nun anzuknüpfen und darauf aufzubauen.
„Ich habe mich dazu entschieden, diese Zäsur auch als
Aufbruch zur Weiterentwicklung des Vereins zu nutzen“,
erklärt Ulrich Büchner, der selbst bereits rund 20 Jahre
Mitglied im Club ist und seit dem vergangenen Jahr – an
der Seite von Thomas Franke, Carsten Wiegmann und
Waldemar Toporowski – als neuer Präsident den Vorstand
repräsentiert. Denn: „Die Corona- Zeit war lange
Stillstandzeit, das ganze Wirtschaftsleben war wie eingefroren“,
sagt Franke, im Vorstand für den Programmbereich
zuständig. Trotz zahlreicher Anläufe waren persönliche
Treffen wiederholt gescheitert. „Unser Verein
lebt jedoch vom persönlichen Austausch“, erklärt Büchner.
Grob gebe es drei Mitgliederprofile: Menschen aus
dem Wissenschafts bereich, Angestellte im Marketing
von Unternehmen sowie unternehmerisch Selbstständige.
„Alle haben einen ganz unterschiedlichen Blick auf das
Marketing, und unsere Treffen bieten die Chance, die
Perspektiven der anderen zu erfahren, ohne dass man
das Gefühl hat, der andere will einem etwas verkaufen.“
Es seien oftmals diese ,Gespräche danach‘, die den
Mitgliedern persönlichen Mehrwert bringen, betont
Franke. „Man unterhält sich nach den Veranstaltungen
noch lange, bekommt fachlichen Input und kommt so
auch dazu, seine Standpunkte zu hinterfragen. Das ist
mir persönlich immer sehr wichtig gewesen.“ Er betrachtet
diese Treffen als geschützte Räume, auch für
sensiblere Themen.
NUN STELLT SICH FÜR DEN VORSTAND die Frage: Wie
schafft man es, diesen Wesenskern der Vereinsarbeit zu
erhalten sowie gleichzeitig neue Wege zu gehen und
spannende Formate zu etablieren? Gespräche mit Mitgliedern
haben gezeigt: Es muss sich etwas ändern. Franke
beobachtet etwa den zunehmenden Trend, dass viel
3 |2021 33
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Seit Kurzem an der Spitze Mit spannenden Formaten will Ulrich Büchner (r.) als neuer Präsident – gemeinsam mit Vorstandsmitglied
Thomas Franke – dem Marketing Club wieder frisches Leben einhauchen.
stärker auf die Trennung zwischen Berufsleben und
überschaubarer Freizeit mit Familie geachtet wird. „Deswegen
haben Führungskräfte mich direkt gefragt: Das ist
ein Berufsverband – warum treffen wir uns da nicht
nachmittags?“, erzählt Büchner. „Die Vortrags-Events
haben bei uns stark überwogen, daneben gab es Unternehmensbesuche,
Unterhaltungsformate oder solche zur
Gemeinschaftsbildung. Aber mit diesen Formaten können
wir die Leute nicht mehr gewinnen. Das war auch
vor Corona schon abzusehen.“
WAS ALSO IST DIE LÖSUNG? Im Marketing Club ging
das erste digitale Format erst Anfang dieses Jahres mit
einem virtuellen Unternehmensbesuch an den Start. Eine
erste Präsenzveranstaltung hat auch bereits wieder stattgefunden
– mit regem Interesse und langen Gesprächen.
„Wir wollen diese geschützten persönlichen Gesprächsräume
erhalten“, erklärt Franke, „gleichzeitig aber auch
digitale Formate stärker nutzen und kleinteiliger werden,
indem wir stärker die fachlichen Interessen unserer Mitglieder
adressieren.“ Auch sei der Plan, stärker in die
Region hinauszugehen und neue Mitglieder anzusprechen.
„Wir sind gerade mitten in diesem Entwicklungsprozess,
die Themen der Zukunft in konkrete Formate
zu übersetzen.“
Sich angesichts von 40 Jahren Geschichte neu zu erfinden
– das könne am Ende nicht der Vorstand allein, so
Büchner. „Das geht nur auf einer breiten Basis“, sagt der
neue Präsident. Deswegen sollen möglichst viele Mitglieder
mitgenommen und mit ihren Ideen beteiligt werden.
Eine konkrete Zielmarke für den kompletten Neustart
hat Büchner jedoch vor Augen: „Im Oktober feiert der
Verein sein Jubiläum. Das wollen wir als Auftakt nehmen,
um wieder richtig durchzustarten.“ƒ
Kontakt
Marketing Club Göttingen e.V.
Maschmühlenweg 105
37081 Göttingen
Tel. 0551 27074640
34 3 | 2021
Anwaltskanzlei „Arkaden am Gericht“
Guter Rat
ist die Wurzel
Ihres Erfolges
dr. Bodenburg
Zilian
Werk
Rechtsanwalts- und Notariatskanzlei in Göttingen
Anwaltskanzlei „Arkaden am Gericht“
Seit Generationen erste Anlaufstelle für Unternehmen und private Mandanten
in allen juristischen Angelegenheiten
dr. Bodenburg
Zilian
Werk
Rechtsanwalts- Rechtsanwalts- und und Notariatskanzlei Notarkanzlei in Göttingen
Rechtsgebiete
Arbeitsrecht
Bank-, Kapital-, Gesellschaftsrecht
Erbrecht
Versicherungsrecht
Compliance
Medizinrecht
Energierecht
Immobilien-, Bau-, Mietrecht
Familienrecht
Straf- & Verkehrsrecht
Notariat
Seit Generationen erste Anlaufstelle für Unternehmen und private Mandanten
Vertrags- & Zivilrecht
in allen juristischen Angelegenheiten
Anwaltskanzlei „Arkaden am Gericht“
Rechtsgebiete
SBZW Rechtsanwalts- und Notarkanzlei in Göttingen
Arbeitsrecht
Dr. Reinhard Bodenburg (Notar a. D.), Michael Bank-, Kapital-, Zilian Gesellschaftsrecht
(Notar), Hasso Werk
Berliner Straße 10, 37073 Göttingen · T Erbrecht elefon 0551 497070
www.sbzw.de
wissen
Weiter wachsen
Qioptiq erweitert Produktionskapazitäten im Göttinger Science Park.
TEXT SVEN GRÜNEWALD
In der Gruppe der Messtechnikunternehmen mit
Tradition ist Qioptiq in Göttingen inzwischen eine
feste Größe: Ihren Haupt umsatz macht die Firma,
die bereits 1898 als Spindler & Hoyer gegründet
wurde, heute im Halbleiter geschäft, das gleichzeitig
auch der große Treiber der wirtschaftlichen Entwicklung
ist. Seit das Unternehmen 2013 von der Excelitas Technologies
übernommen wurde, ist der Umsatz um das
Vier- bis Fünffache gestiegen. Das überdurchschnittliche
Wachstum war auch ein wesent licher Grund, warum der
Konzern am Göttinger Standort ganze 25 Millionen
Euro in ein neues Hightech- Gebäude investierte – und
ebenso Grund genug für faktor, eine Spezialausgabe
dazu herauszugeben.
Denn dieses immense Investitionsvolumen ermöglicht
es, die bisherigen Produktionskapazitäten in Göttingen
mit einem Schlag noch einmal um das Dreifache zu vergrößern.
„Die Produkte, die wir hier ent wickeln und
produzieren, haben eine für die Unternehmensgruppe
sehr hohe Bedeutung“, erklärt Robert Vollmers, Vice
President Operations, Commercial Optics bei Excelitas.
„Wir machen in diesem Jahr etwa eine Milliarde US-Dollar
Umsatz. Davon kommen etwa zehn Prozent – also
ein relativ großer Anteil – allein aus Göttingen. Zudem
ist der Hauptkunde, den wir von hier aus bedienen, der
größte des Konzerns.“
DOCH WAS GENAU MACHEN DIE DA EIGENTLICH?
Excelitas beliefert mit seinen mehr als 7.000 Mitarbeitern
Kunden auf der ganzen Welt. Die Produkte werden
in verschiedensten Anwendungsfeldern eingesetzt: von
der Prozessautomatisierung und Qualitätssicherung in
der Industrie über die robotergestützte Chirurgie bis hin
zur Biotechnologie. Die Spezialität der Göttinger Entwicklungen
und Produktion liegt im Bau hoch-präziser Messtechnik
für die Halbleiterproduktion sowie im Bereich der
Medizintechnik. Darüber hinaus werden Wissenschaftseinrichtungen
mit optischen Systemen beliefert. Die Anwendungen
der Halbleitertechnik sind heute sehr vielfältig
– fast überall ist ein Stück Excelitas und Göttingen
drin. Und: Es gibt kaum Mobiltelefone, die nicht mithilfe
des Halbleiterverfahrens hergestellt wurden.
DOCH MIT DIESER DYNAMISCHEN Entwicklung
wuchsen gleichermaßen auch die technischen Ansprüche
an die Produktion und Qualitätskontrolle – und sie
wachsen weiter. So kamen auch die alten Räume und
technischen Gegebenheiten am Qioptiq-Standort in
Göttingen an ihre Grenzen. Der Neubau im Science Park
mit einer Fläche von über 7.000 Quadratmetern soll darum
nun auch mehr sein als eine große finanzielle Investition
in Beton – es ist eine Investition in die Zukunft. ƒ
Sie möchten mehr über Excelitas erfahren?
Dann melden Sie sich – wir senden Ihnen gern
ein Exemplar der faktor-Spezialausgabe zu.
Oder haben Sie Interesse an einer eigenen
Ausgabe für Ihr Unternehmen?
Melden Sie sich bei Nicole Benseler:
Tel. 0551 309839-22 oder benseler@faktor-magazin.de
36 3 | 2021
Koordinierungsstelle ,Frauen & Wirtschaft‘
(KoStelle) mit buntem Herbstrepertoire
nach der Sommerpause
PROFIL
Infoveranstaltungen für Wiedereinsteigerinnen
und Elternzeitler*innen, Business
Impul se für Unternehmerinnen, Talkrunde
,Frauen in Führung‘ und noch viel mehr stehen
auf der Agenda der KoStelle und des überbetrieblichen
Verbundes ,Frau & Betrieb‘.
Das neue Weiterbildungsprogramm der
KoStelle bietet im zweiten Halbjahr ein breites
Spektrum an regionalen Bildungsangeboten
für Frauen.
AM 4. NOVEMBER LADEN DIE KOSTELLE
und die Agentur für Arbeit Göttingen zum
siebten FrauenInfoTag/FIT – regionale Frauenberufsmesse
ein. Zahlreiche Aussteller*innen
werden den Besucher*innen ihre Angebote
vorstellen. Sollte sich die pandemische Lage
im Herbst verändern, findet der FIT digital
statt.
Nach der Broschüre ,Frauen im Handwerk
von hier!‘ setzt die KoStelle ihre Arbeit mit
der gleichnamigen Wanderausstellung im Dezember
2021 fort, um Handwerksunternehmerinnen
sichtbar zu machen und Frauen fürs
Handwerk zu begeistern.
MEHR INFORMATIONEN UNTER:
www.frauen-wirtschaft.de
KONTAKT
Koordinierungsstelle ,Frauen und Wirtschaft‘/
Verbund ,Frau und Betrieb‘ e. V.
Stadt Göttingen
Dr. Natalia Hefele
Hiroshimaplatz 1-4
37083 Göttingen
Tel. 0551 400 2860
kostelle@goettingen.de
www.frauen-wirtschaft.de
wissen
Die lange Tradition des
Göttingen-Spirits
TEXT NORMAN LIPPERT ILLUSTRATIONEN TANJA WEHR
LESEZEIT: 9 MINUTEN
Seit der Eröffnung der Georg-August-Universität im Jahr
1737 bilden die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt
und der wissenschaftliche Erfolg der Forschungseinrichtungen
und Hochschulen eine geradezu symbiotische
Beziehung. Dank der über die Jahrzehnte hinweg gewachsenen
Zahl verschiedenster Einrichtungen der Spitzenforschung hat
sich ein einzigartiger ,Göttingen- Spirit‘ herausgebildet. Anlässlich
der feierlichen Begrüßung des neuen Unipräsidenten Metin
Tolan betont auch Nobelpreisträger Stefan Hell dieses Markenzeichen
des Wissenschafts- und Wirtschaftsstandortes: Für den
Direktor des Max-Planck-Instituts zeichne sich Göttingen
vor allem durch eine vertrauensvolle und effiziente Zusammenarbeit
innerhalb der wissenschaftlichen Gemeinschaft aus.
Doch die Geschichte des Wirtschaftsstandortes reicht bis lange
vor die Universitätsgründung zurück.
38 3 | 2021
wissen
953 – 1289: Wie alles begann ...
Obwohl ,gutingi‘ bereits 953 erstmals urkundlich erwähnt wird, beginnt
die Wirtschaftsgeschichte der Stadt Göttingen erst zwischen 1152 und
1175. In diesem Zeitraum lässt der Welfenherzog Heinrich der Löwe
am westlichen Rand des alten Dorfes eine separate Marktsiedlung
errichten, um durch Steuern vom sich entwickelnden Handel zu
profitieren. Die sich hier kreuzenden mittelalterlichen Handelswege
ermöglichen im 13. Jahrhundert einen schnellen Aufstieg der städtischen
Siedlung. Mit den steigenden Steuereinnahmen aus dem über Göttingen
abgewickelten überregionalen Handel werden nicht nur der herzogliche
Haushalt, sondern auch der Ausbau der Stadt finanziert.
Das älteste bekannte Stadtsiegel aus dem Jahr 1278 bekräftigt die
Bedeutung der Stadt und ihren zunehmenden politischen Einfluss
gleichermaßen. Nachdem im Jahr 1289 das Bürgerrecht erstmals an
Juden vergeben wurde, welchen im Gegensatz zu den christlichen
Kaufleuten Kredit- und Pfandgeschäfte erlaubt waren, bieten sich
neue unternehmerische Möglichkeiten.
1319 – 1387: Die Stadt in voller Blüte
Im 14. Jahrhundert erlebt die Stadt ihre Blütezeit. Die Stadtmauer wird
erneuert, ein Rathaus am Marktplatz errichtet und die Jakobikirche
erweitert. Im Jahr 1351 wird Göttingen sogar Mitglied der Hanse, was
einerseits der gestiegenen wirtschaftlichen Bedeutung Rechnung trägt
und andererseits neue Märkte öffnet. Mit steuerfinanzierter Waffengewalt
setzt sich die Stadt 1387 schließlich gegen den Herzog durch
und erlangt politische und wirtschaftliche Gestaltungsfreiheit.
1463 – 1582: Schleichender Bedeutungsverlust
In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts setzt ein lang anhaltender
Bedeutungsverlust des Handels- und Wirtschaftsstandorts Göttingen
ein. Verschiedene Epidemien reduzieren die Bevölkerungszahl rapide,
die alten Handelsrouten verschieben sich zunehmend, und günstige
niederländische Stoffe überschwemmen den Textilmarkt. Um dieser
Entwicklung etwas entgegenzusetzen, beginnt der Göttinger Stadtrat
1475 mit der Anwerbung westfälischer und flandrischer Fachkräfte.
Doch trotz kurzfristiger Erfolge lässt sich der Abschwung nicht mehr
aufhalten. Nachdem die Stadt 1572 die Hanse verließ und 1582
ihre Leinedörfer an den Herzog verlor, besiegelt schließlich der
Dreißigjährige Krieg Göttingens Status als ,Ackerbürgerstadt‘
ohne überregionale Bedeutung.
1690 – 1722: Merkantilismus bringt Wiederaufschwung
Im Jahr 1690 wird Göttingen schließlich wieder unter herzogliche
Gewalt gestellt. Aus dieser Schmach für den Stadtrat geht jedoch
zugleich eine Chance für den wirtschaftlichen Wiederaufstieg hervor,
denn der hannoversche Herzog richtet sein Territorium ganz nach der
zeitgenössischen Idee des Merkantilismus aus: Mit großzügigen Staatsaufträgen
wird die lokale Textilindustrie unterstützt, ein regionales
Biermonopol fördert den städtischen Haushalt und ein reduziertes
Bürgergeld zieht neue Handwerker, Kaufleute und damit neues Kapital
in die Stadt. Nicht immer lässt sich die herzogliche beziehungsweise
später kurfürstliche Wirtschaftspolitik mit den Interessen der handwerklich
und kaufmännisch geprägten Bürgerschaft übereinbringen. Dies
wird bei der Ansiedlung der Tuchmanufaktur des Johann Heinrich
Grätzel zwischen 1722 und 1727 deutlich, welche der hannoversche
Kurfürst gegen den erbitterten Widerstand des Stadtrats und der
Tuchmachergilde durchsetzt.
3 |2021 39
wissen
1732 – 1737: Mit der Uni kommt eine neue Wirtschaft
Es ist die zwischen 1732 und 1737 vorangetriebene Universitätsgründung,
welche den entscheidenden Impuls für die Wiederbelebung
der Göttinger Wirtschaft gibt. Die Studenten und Professoren bringen
eine Nachfrage für verschiedenste Dienstleistungen und Produkte
mit. In den 1730er-Jahren kommen nicht weniger als 140 neue
Gewerbetreibende nach Göttingen, zum Beispiel Apotheker und
Ärzte, aber auch universitäre Buchdrucker beziehungsweise -händler,
Musikinstrumentenbauer und Kupferstecher.
Obwohl sich die Universitäts ansiedlung innerhalb kürzester
Zeit als äußerst erfolgreich herausstellt, musste auch diese gegen
anfängliche Bedenken der städtischen Bürgerschaft durchgesetzt
werden. So tauscht der hannoversche Kurfürst beispielsweise den
Göttinger Bürgermeister gegen seinen Northeimer Kollegen aus,
weil die Stadt die geforderten Baumaßnahmen verzögerte.
1751 – 1833: Von der Sternwarte zur Feinmechanik
Die 1751 eröffnete Universitätssternwarte legt den Grundstein für
die Entwicklung der Göttinger Feinmechanik. Wurden anfangs
noch Messinstrumente aus Großbritannien importiert, siedeln sich
innerhalb weniger Jahre selbstständige mechanische Werkstätten
an. Diese stillen die steigende Nachfrage nach immer präziseren
Instrumenten – häufig in enger Zusammenarbeit mit den hiesigen
Professoren. Als Carl Friedrich Gauß und Wilhelm Weber im Jahr
1833 ihren elektromagnetischen Telegrafen in Betrieb nehmen,
blickt Göttingen bereits auf eine mehr als 75-jährige feinmechanische
Tradition zurück.
1852 – 1862: Mit der Bahn in die Industrialisierung
Mit der Eröffnung des Göttinger Bahnhofs am 31. Juli 1854 wird
nicht nur das Eisenbahnzeitalter in Göttingen eingeleitet, sondern
auch die Grundlage für die spätere Industrialisierung geschaffen:
So wird sowohl der Transport von Rohstoffen, Personen und Waren
erleichtert als auch das Kommunikationswesen durch die parallel zur
Eisenbahn errichtete Telegrafenleitung nach Hannover beschleunigt.
Hermann Pfaff fertigt die dafür benötigten Morsetelegrafen
zwischen 1853 und 1857 in Göttingens erster elektrotechnischen
Werkstatt in der Burgstraße 47.
40 3 | 2021
wissen
1739 – 1891: Grätzelhaus im Zentrum der Entwicklung
Das zwischen 1739 und 1741 errichtete Grätzelhaus in der heutigen
Goethe-Allee wird zur Schnittstelle für die wirtschaftliche Entwicklung
Göttingens: Anfangs dient es vor allem als Unterkunft für die
wohlhabenden Studenten und Professoren. Der an technologischen
Forschungserkenntnissen interessierte Johann Heinrich Grätzel
profitiert vom Austausch mit den Universitätsangehörigen.
Zwischen 1857 und 1874 betreibt der Göttinger Mikroskop-
Pionier Rudolf Winkel hier seine erste Werkstatt. Im Jahr 1891
wird das Haus an den Göttinger Pianofabrikanten Rittmüller
verkauft, der entlang des Leinekanals eine moderne Produktionsanlage
einrichtet.
1890 – 1930: Pensionopolis statt Industrialisierung
Zu Beginn der 1890er-Jahre stehen in der industrialisierten Stadt
bereits 45 Dampfmaschinen. Im späten 19. Jahrhundert werden
zahlreiche feinmechanische Betriebe gegründet, wobei einige dieser
historischen Start-ups und akademischen Ausgründungen noch immer
wichtige Vertreter des heutigen ,Measurement Valley‘ sind.
Um 1900 wohnen rund 30.000 Menschen in Göttingen, dreimal
so viel wie Mitte des Jahrhunderts. Die Stadt versteht sich zu dieser
Zeit allerdings eher als ,Pensionopolis‘ – einen beliebten Altersruhesitz
mit moderner Kanalisation, Trinkwasserversorgung und einem
aufgeforsteten Hainberg – denn als aufstrebenden Wirtschaftsstandort.
1914 – 1945: Wirtschaftsförderung aus der Not heraus
In der Rolle der mäßig industrialisierten, aber mit modernsten
Annehmlichkeiten und Einrichtungen ausgestatteten Kleinstadt
gefällt sich Göttingen auch in den folgenden Jahrzehnten. Erst die
Auswirkungen des Zweiten Weltkriegs zwingen den Stadtoberen
dazu, sich wieder mit dem Thema Wirtschaftsförderung auseinanderzusetzen:
Auch weil die Stadt während des Kriegs von größeren
Zerstörungen verschont bleibt, beherbergt Göttingen 1945 rund
80.000 Menschen – davon bis zu einem Drittel Heimatvertriebene
und Zugewanderte.
Obwohl sich alle politischen Beteiligten einig sind, dass Göttingen
dringend neue Arbeitsplätze benötigt, ist der Handlungsspielraum
der Stadt äußerst gering. In der unmittelbaren Nachkriegszeit mangelt
es nicht nur an Lebensmitteln, Kleidung und Wohnraum, sondern
auch an Baumaterialien und geeigneten Grundstücken. Zwar wird
im Maschmühlenweg ein erstes Gewerbe- und Industriegebiet
vorangebracht, doch sind die finanziellen Mittel der Stadt bis
weit nach der Einführung der D-Mark 1948 beschränkt und die
Investitionspolitik zurückhaltend. Erschwerend kommt hinzu, dass
auch das Reichsbahn-Zentralamt auf den ehemaligen Militärflugplatz
mit seinen großen Hallen in Grone Ansprüche erhebt.
Zwischenzeitlich gelingt es immerhin, die Göttinger Filmstudios
auf dem Flugplatzgelände anzusiedeln.
3 |2021 41
wissen
1949 – 1953: Professionelle Strukturen am Zonenrand
Ein Neuanfang gelingt Göttingen erst nach der Gründung der
Bundes republik. Zwar befindet sich die Stadt jetzt im Zonenrandgebiet,
doch bilden die Autobahn und der Eisenbahnanschluss einen
wichtigen Standortvorteil. Dank der Förderung aus Bundes- und
Landesmitteln beziehungsweise dem Marshallplan gelingt es in den
frühen 1950er-Jahren, auf dem Hagenberg eine neue Wohnsiedlung
zu errichten und die Rudolf-Winkel-Straße zu erschließen – die
Keimzelle des heutigen Industriegebiets in Grone.
Nachdem 1953 zum ersten Mal ein Stadtwirtschaftsdirektor
gewählt wurde, tritt die Göttinger Wirtschaftsförderung auch erstmals
professionell auf: Die Stadt bietet an- und umsiedlungswilligen
Betrieben fortan einen direkten Ansprechpartner und bewirbt
den Wirtschaftsstandort Göttingen mit mehreren zehntausend
goldgelben und überregional zirkulierten Flyern.
1953 – 1963: Zeit für ein Wirtschaftswunder
Die von wirtschaftlichem Aufstieg und zunehmendem Wohlstand
geprägten späten 1950er- und frühen 1960er-Jahre – zeitgenössisch
als sogenanntes ,Wirtschaftswunder‘ wahrgenommen – zeigen
auch in Göttingen alsbald ihre Spuren im Stadtbild: breitere Straßen,
erste Ampeln und modern anmutende Neubauten. Der Stadt
gelingt es Anfang der 1960er sogar, das Bosch-Werk nach Göttingen
zu holen, doch ist der Arbeitsmarkt damit effektiv ausgeschöpft.
Da auch die finanziellen und vor allem räumlichen Spielräume der
Stadt weiterhin begrenzt sind, zieht es in diesen Jahren rund ein Dutzend
lokaler Unternehmen in die angrenzenden Gemeinden Geismar,
Grone, Rosdorf und Weende. Dennoch beschließt der Stadtrat im
März 1963, zukünftig keine aktive Wirtschaftsförderung mehr zu
betreiben
1958 – 1972: Stadt und Universität gemeinsam stark
Die 1960er-Jahre sind vor allem vom Ausbau der Universität
geprägt – einschließlich des Max-Planck-Instituts für Dynamik und
Selbstorganisation sowie der Universitätsklinik. Nicht zuletzt aufgrund
der Planungen für die zukünftige Schnellfahrstrecke gewinnt
die aktive Wirtschaftsförderung Anfang der 1970er-Jahre wieder an
Bedeutung. Nachdem diese zwischenzeitlich durch das Liegenschaftsamt
und einen externen Dienstleister verantwortet wurde,
wird 1978 erstmals eine eigene Referentenstelle für Wirtschaftsförderung
geschaffen. Diese zweite Professionalisierungsphase der
Göttinger Wirtschaftsförderung zeichnet sich vor allem durch eine
persönliche Betreuung der lokalen Wirtschaft und der wissenschaftlichen
Forschungseinrichtungen sowie durch ein vielfältiges
Informationsangebot aus. Im Fokus stehen insbesondere privatwirtschaftliche
Ausgründungen aus der Wissenschaft.
42 3 | 2021
wissen
1988 – 1990: Zweigleisig in die Wirtschaftsförderung
Zu Beginn der 1990er-Jahre wird die dritte Professionalisierungsphase
der Göttinger Wirtschaftsförderung eingeleitet. Nachdem
bereits 1988 das Amt für Stadtentwicklung, Wirtschafts- und
Be schäftigungsförderung eingerichtet wurde, wird am 16. November
1990 die GWG Gesellschaft für Wirtschaftsförderung Göttingen
gegründet. Dass es zu diesem Dualismus kommt, ist das Ergebnis
der langjährigen Förderung von akademischer und wirtschaftlicher
Kooperation: Die GWG wird gegründet, um kurzfristig auslaufende
Fördermittel des Landes Niedersachsen für das geplante Institut für
Bioanalytik zu sichern.
1989 – 1995: Neue Möglichkeiten im vereinten Land
Mit der 1990 vollzogenen Wiedervereinigung findet sich Göttingen
im geografischen Zentrum Deutschlands wieder. Der damit einhergehende
Abzug der Bundeswehr und die Eröffnung des ICE-Bahnhofes
stellen die Stadt vor neue Herausforderungen: Die notwendige
Konversion der Zieten-Kaserne und die Entwicklung der sogenannten
Bahnhof-Westseite mit dem Industriedenkmal Lokhalle gehören zu
den großen lokalpolitischen Herausforderungen der 1990er-Jahre.
Mit der Konzeption und Umsetzung dieser Projekte wird die GWG
betraut, deren Aufgabenspektrum sich in den frühen 1990er-Jahren
sukzessive erweitert.
Zum 1. Januar 1995 übernimmt die GWG die alleinige Wirtschaftsförderung
für die Stadt Göttingen. Zu den seitdem erreichten
Meilensteinen gehört allen voran, dass das einmalige Baudenkmal
Lokhalle erhalten und zur größten Veranstaltungslocation in der
Region um- und ausgebaut werden konnte. Auch die positive
Entwicklung des Güterverkehrszentrums mit zwei Standorten rund
um den Alten Güterbahnhof und den Siekanger ist auf die GWG
zurückzuführen. Das mehrfach erweiterte Institut für Bioanalytik
bildet die Grundlage für den heutigen Science Park und unterstreicht
die Möglichkeiten, die sich für die mittlerweile durch Sartorius im
DAX vertretene Stadt Göttingen aus einer vertrauensvollen Zusammenarbeit
zwischen Wirtschaft und Wissenschaft ergeben.
Und so geht es weiter ...
Auch in der Zukunft wird die GWG einen wichtigen Beitrag zur
positiven Entwicklung der Stadt leisten, um das von Professor
Stefan Hell eindrücklich beschriebene lokale Potenzial auch im
21. Jahrhundert zu nutzen und dem Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort
Göttingen neue und erfolgreiche Kapitel hinzuzufügen. ƒ
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technologisch auf der Höhe der Zeit zu sein, um Ihren Unternehmenserfolg
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PROFIL
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Gisbert Hann, Leiter der Regionaldirektion Göttingen
Seit über 75 Jahren in Göttingen
Seit 1945 hat die Gothaer in Göttingen ein starkes Standbein – mit Krankenversicherung,
Lebensversicherung, Vertrieb. Neuestes Highlight: die betriebliche Krankenversicherung.
Ursprünglich im thüringischen Gotha
beheimatet, musste sich die Gothaer
1945 gezwungenermaßen einen neuen
Standort suchen. Die Wahl für die Gothaer
Lebensversicherung fiel dabei auf die Universitätsstadt
Göttingen.
HEUTE BESCHÄFTIGT DIE GOTHAER
am Standort Göttingen mehr als 350
Mitarbeiter. Und auch für die Zukunft wird
geplant: Mitt ler weile werden im Schnitt 20 bis
30 Auszubildende an die vielen interessanten
Berufsbilder heran geführt.
IM JAHR 2020 wurde das 200-jährige Jubiläum
der Gothaer gefeiert. Allerdings eher
mit Homeoffice, Videokonferenzen und jeder
Form von berührungsfreier Kommunikation.
Damit war 2020 auch ein Lehrjahr für die
digitale Kundenbetreuung. Damit ist die
Gothaer dem Trend, das Business auch mit
Apps, Videoberatung und allen Formen der
Online-Vernetzung darzustellen, gefolgt.
EINE SACHE ABER haben die Pandemiezeiten
deutlich gemacht: Die Gesundheit der
Menschen steht an erster Stelle. Gerade in
Gesprächen mit unseren Geschäftskunden
zeigt sich, dass diese die Gesundheit der
Belegschaft fördern wollen. Dafür wurde ein
spezielles Konzept entwickelt: die betriebliche
Krankenversicherung.
Die Firma zahlt die Zähne
Die betriebliche Krankenversicherung (bKV)
ist eine Zusatzversicherung für kleines Geld,
die der Arbeitgeber für seine Mitarbeiter abschließt.
Die erweiterten Leistungen setzen
dort an, wo der Schutz der gesetzlichen Krankenkassen
Lücken aufweist, z. B. beim Arzt,
beim Zahnarzt oder im Krankenhaus. Die bKV
ist damit direkt erlebbar.
Das Finanzamt hilft mit
Interessant: Seit 2019 ist die bKV steuerlich als
Sachbezug (§8 EStG) zu behandeln, ab 2022 mit
50 Euro monatlich. Damit wird das Engage-
ment des Arbeitgebers gefördert. Alles sind
Betriebsausgaben, keine Lohnnebenkosten.
EIN BEISPIEL: Bereits für 14,90 Euro monatlich,
kann ein Arbeitgeber den Mitarbeitern ein
Gesundheitsbudget von 500 Euro jährlich zur
Verfügung stellen. Flexibel nutzbar für Zähne,
Arzneimittel, Brille, Lasik, Krankenhaus. Und
da wir von unseren Kundenkontakten leben,
erläutern wir das natürlich gern.
KONTAKT
Regionaldirektion Göttingen
Gisbert Hann
Gothaer Platz 2–8
37083 Göttingen
Tel. 0551 701-55814
gisbert.hann@gothaer.de
www.gothaer.de
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Algorithmen, die lernen
Künstliche Intelligenz kann vielseitig eingesetzt werden – wie und in welcher Form
erklärt der Experte Dr. Gerhard Heinzerling, Senior Data Scientist bei Arineo.
Dr. Gerhard Heinzerling
Wenn Menschen Probleme mit der
Haut haben, gehen sie zum*r Dermatolog*in.
Diese*r sieht sich die
betroffene Stelle an und kann das Problem
häufig schnell erkennen und behandeln.
Wenn er*sie sich unsicher ist, schickt er*sie
vielleicht eine Probe für eine detailliertere Untersuchung
in ein Speziallabor.
Das Gleiche gilt für Blattkrankheiten. Ist
ein*e Landwirt*in unsicher, mit welcher Blattkrankheit
er*sie es zu tun hat, so schickt auch
er*sie eine Probe ins Labor. Allerdings kostet
eine Laboruntersuchung Zeit und Geld, die
man in Krankheitsfällen oft nicht hat.
Andererseits können sowohl Mediziner*in
als auch Landwirt*in erst nach einer sicheren
Diagnose der Krankheit die richtige Maßnahme
ergreifen. Ein Pilz muss anders behandelt
werden als ein Bakterium oder ein Virus.
Was wäre, wenn sich ein*e Landwirt*in für
eine Einschätzung auf ein einfaches Handyfoto
verlassen könnte? Was, wenn sich ein*e
Derm a tolog*in für eine Einschätzung auf ein
einfaches Handyfoto verlassen könnte?
Auch wenn die Antworten noch recht unterschiedlich
ausfallen mögen, so steht dennoch
fest, dass die Künstliche Intelligenz (KI)
im Bereich der Diagnostik anhand von Bilder-
kennung riesige Fortschritte macht. Sowohl
Mediziner*innen als auch Landwirt*innen
ziehen immer häufiger die Vorschläge der KI
in Betracht, bevor eine Probe ins Labor geschickt
oder eine Maßnahme ergriffen wird.
NATÜRLICH KANN UND SOLL DIE KI
eine*n Mediziner*in dabei nicht ersetzen.
Aber so, wie man Kolleg*innen um eine Meinung
bittet, kann zumindest ein Rat der KI
eingeholt werden. Das geschieht mittlerweile
weltweit in vielen Kliniken. Alles, was sich
mithilfe von Foto grafie und KI bearbeiten
lässt, wird dort analysiert. Ob Röntgenbilder
oder Aufnahmen von Augen und Zähnen,
überall ist die KI gefragt. Oder – um es etwas
provokanter auszudrücken – die KI hat
den kleinen Vorteil, dass sie nicht müde wird.
Wenn ein Arzt oder eine Ärztin eine oder
manchmal sogar zwei nervenaufreibende
Schichten hinter sich hat, möchte man vielleicht
doch gerne eine zweite Meinung hören.
STELLEN WIR UNS DIE FRAGE, wie die KI
eigentlich funktioniert. Schauen wir uns ein
einfaches Beispiel an: Sagen wir, wir haben drei
Blattkrankheiten. Dann machen wir von jeder
Blattkrankheit ungefähr 200 Bilder. Wenn
PROFIL
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Gesundes Blatt einer Zuckerrübe
Mit Blattkrankheit befallenes Blatt
nötig, auch ein paar mehr. Welche Krankheit
auf welchem Bild zu sehen ist, notieren wir
uns in einer einfachen Liste.
Nun zeigen wir einem KI-Algorithmus jedes
Bild ein paarmal und sagen ihm mithilfe unserer
Liste, welche Krankheit er gerade ,sieht‘.
Dann tritt das ,Wunder der KI‘ zutage. Der
Algorithmus lernt. Er lernt aus den Beispielen
und den fehlerhaften Vorhersagen. Am
Ende der Lernphase kann er auch völlig neue
Bilder richtig zuordnen. Diese Lernfähigkeit
ist es, die uns bei Arineo so sehr an der KI
fasziniert. Besonders interessant ist dabei,
dass der Algorithmus mit jedem neuen Bild,
das er gezeigt bekommt, noch besser wird.
Die von Arineo entwickelten Algorithmen,
die wir aktuell sehr erfolgreich in der Landwirtschaft
einsetzen, sagen mittlerweile mit bis zu
99 Prozent Sicherheit die korrekte Blattkrankheit
voraus.
BEI ARINEO ARBEITEN WIR DARAN, dem
Algorithmus weitere Krankheiten beizubringen
und dabei mit möglichst wenig Beispielbildern
auszukommen.
Auch im Bereich des ,Knowledge Minings‘
gibt es bei Arineo ein Projekt. Dort stellen wir
unseren KI-Algorithmen umgangssprachliche
Fragen wie etwa: Wie groß ist die Chance oder
das Risiko, mit einer bestimmten Firma ein
größeres IT-Projekt anzupacken? Zunächst
müssen wir die Fragen so umwandeln, dass
der Computer sie verstehen kann. Dazu gehört
zum Beispiel auch die Übersetzung aus
anderen Sprachen. In einem weiteren Schritt
durchsuchen wir verschiedene Datenquellen
in Bezug auf die Firma. Das Ergebnis wird wiederum
so umgewandelt, dass der Computer
es verwenden kann. Schließlich müssen wir
die Antworten, die uns der Computer zurückgibt,
auch wieder aufbereiten. Dafür arbeiten
wir eng mit Universitäten und Instituten zusammen.
Diese beiden Forschungsprojekte
mit einem Gesamtvolumen von 2,1 Millionen
Euro werden mit 0,5 Millionen Euro vom Bundesministerium
für Bildung und Forschung
unterstützt.
EIN WEITERES PRODUKT, das Arineo erfolgreich
vermarktet, ist eine Anomaly Detection,
die direkt in ein ERP-System integriert arbeitet.
Mithilfe dieses KI-Algorithmus finden wir die
kleinsten Abweichungen in Aufträgen, Rechnungen
oder Stammdaten. Das hilft vielen
Unternehmen, Fehler in ihren Dokumenten
aufzudecken.
KONTAKT
Arineo GmbH
Paulinerstr. 12
37073 Göttingen
Tel. 0551 521380
info@arineo.com
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wissen
48 3 | 2021
wissen
Mann vs. Schweinehund
Die Frage muss erlaubt sein: Warum kümmern Männer sich eigentlich um (fast) alles –
außer um ihre Gesundheit? Drei Experten erklären, wie Mann aus diesem Hamsterrad entkommt,
bevor es zu spät ist, und worauf es beim Thema Männergesundheit wirklich ankommt.
TEXT STEFAN LIEBIG ILLUSTRATIONEN STOCK.ADOBE.COM
LESEZEIT: 6 MINUTEN
Wir Männer haben es schon nicht leicht: Ständig
müssen wir Topleistungen bringen und an die
Leistungsgrenze gehen – Schwächen zu zeigen ist
natürlich verboten. Aber wenigstens können wir
den Alltagsstress bei einem anständigen Grillabend
bei Bier und Steak einmal vergessen. Und ,vergessen‘ heißt
auch wirklich ,vergessen‘, denn die ganzen Nervereien fangen ja
morgen früh schon wieder an. Rund um die heißen Kohlen stehend
reden wir selbstverständlich nicht über persönliche Sorgen
und körperliche Wehwehchen, sondern vergleichen beim ein oder
anderen kühlen Fläschchen lieber, wer das dickste Konto, das
coolste Auto, das größte Haus und die meisten Wochenarbeitsstunden
zu bieten hat …
IN DIESEM HAMSTERRAD befand sich lange Zeit auch Jörg Thiel.
„Als Außendienstler im Lebensmittel-Einzelhandel war ich ständig
unterwegs und unter permanentem Leistungsdruck“, erzählt der
heute 51-Jährige. Eines Tages ist er auf der Autobahn unterwegs
und verspürt einen beängstigenden Druck in der Brust. Er kann
kaum atmen. „Zum Glück schaffte ich es noch auf einen Parkplatz.
Ich rief meine Frau an. Sie ließ nicht locker, und ich versprach, sofort
zum Arzt zu fahren.“ Die Diagnose lautet: Burnout. Ein Jahr
ist der Hann. Mündener krank, raus aus dem Rad – und gezwungen
nachzudenken: über seine Arbeit, über sein Leben, über seine
Gesundheit. „Das machen wir Männer nicht so gerne, aber es
kann helfen.“ Das zeigt auch Thiels Beispiel: Er macht damals
einen Persönlichkeitstest. Ergebnis: Er solle etwas machen, was
viel mit Kommunikation und empathischem Umgang mit Menschen
zu tun hat. Und er kommt zu dem Schluss, einen tiefen
Schnitt in seinem Leben machen zu müssen. Statt des Außen-
Häufige Krankheiten und
Gesundheitsprobleme der Männer
• 67 Prozent der Männer in Deutschland haben
Übergewicht (Adipositas) – 53 Prozent der Frauen.
• Knapp ein Drittel der Bundesbürger haben Bluthochdruck
(Hypertonie), bei Männern liegt der Wert mit
32,8 Prozent knapp zwei Prozent über dem der Frauen.
• 2017 erkrankten 3,7 Prozent Frauen an einer koronaren
Herzkrankheit, bei den Männern sind es 6 Prozent.
• 2020 litten 61,3 Prozent der Bundesbürger an
Rückenproblemen – sie treten bei Frauen (66 Prozent)
häufiger auf als bei Männern (56,4 Prozent).
• Mit fortschreitendem Alter steigen die Potenzprobleme
von Männern: So leidet jeder fünfte Mann in den
Zwanzigern an Potenzproblemen, in den Dreißigern
ist es bereits mehr als jeder vierte und bei den
Über-40-Jährigen sind es über die Hälfte.
(Quelle: rki, www.maennergesundheit.de)
3 |2021 49
wissen
FÜNF DINGE, die Männer über
ihre Gesundheit wissen sollten
1. Es ist nie zu spät
Auch wer seiner Gesundheit jahrelang nur wenig
Aufmerksamkeit geschenkt hat, kann schon durch
kleine Veränderungen Großes bewirken: Wer 50 Treppenstufen
erklimmt oder fünf Straßen weit durch die
Stadt läuft, reduziert sein Risiko, einen Herzinfarkt zu
erleiden, um bis zu 25 Prozent!
2. Schuld sind nicht nur die Gene
Unsere genetische Veranlagung wirkt sich gerade
einmal zu 30 Prozent auf die Gesundheit aus, die restlichen
70 Prozent werden durch den Lebensstil geprägt
– so ist Mann doch selbst in der Verantwortung.
3. Faulheit macht depressiv
Bei Männern, die sich nur wenig bewegen, steigt das
Risiko, an einer Depression zu erkranken – und zwar
um bis zu 60 Prozent!
4. Guter Schlaf fürs Herz
Schlafentzug schadet der Gesundheit. Vor allem unser
Herz-Kreislauf-System braucht die tägliche Nachtruhe.
Sieben bis acht durchgeschlafene Stunden pro Nacht
reduzieren das Risiko, an einem Herzinfarkt zu
erkranken, um bis zu 60 Prozent!
5. Regeln einer gesunden Männerernährung
• Vielseitig essen: Es gibt keine gesunden oder ungesunden
Lebensmittel. Auf die Menge, Auswahl und Kombination
kommt es an.
• Getreideprodukte: am besten aus Vollkorn – mehrmals
am Tag und reichlich Kartoffeln
• 5 x am Tag Gemüse und Obst: Frisch, kurz gegart oder
auch als Saft liefert es reichlich Vitamine, Mineralstoffe,
Ballaststoffe und sekundäre Pflanzenstoffe.
• Täglich Milchprodukte und 1 x in der Woche Fisch –
Fleisch, Wurstwaren sowie Eier in Maßen
• Fettarmes Fleisch und fettarmen Aufschnitt bevorzugen
und in der Küche zu hochwertigen pflanzlichen Speiseölen
wie Olivenöl oder Rapsöl greifen
• Zucker und Salz sparsam verwenden
• Reichlich trinken: mindestens 1,5 Liter jeden Tag
• Alkohol nur in Maßen: 0,5 l Bier oder 0,25 l Wein pro
Tag. Starker Konsum kann zu einer Entzündung der
Bauchspeicheldrüse führen, die sowohl eine Diabetes-
Erkrankung als auch Krebs begünstigen kann.
• Kurzes Garen mit wenig Wasser und wenig Fett erhält
den natürlichen Geschmack und schont die Nährstoffe.
• Lassen Sie sich Zeit: Bewusstes Essen hilft, richtig zu essen,
fördert das Sättigungsempfinden und macht Spaß.
PERSÖNLICHER TIPP
• „NEIN!“ sagen zu Dingen, die man
nicht tun möchte
• ausreichend Wasser trinken (täglich
0,03 Liter pro Kilogramm Körper gewicht)
• tägliche Bewegung in den Alltag einbauen
• pro Woche dreimal Sport treiben
• ausreichend und gut schlafen
Jörg Thiel
Personal Training
Galgenberg 53
34346 Hann. Münden
Tel. 05541 9530995
dienstjobs will er künftig als Lifestyle-Berater und Coach anderen
Menschen helfen, ebenfalls aus besagtem Hamsterrad herauszuklettern.
Doch zuallererst denkt Thiel an sich selbst: wird gesund, bringt
sich in Form, überdenkt seine Ernährung. Dann erst macht er Fortbildungen
und startet ins neue Business. Das Ganze ist nun drei Jahre
her. „Man darf nicht gegen die eigene Persönlichkeit leben, und
das Verdrängen von Symptomen ist tatsächlich lebensgefährlich“,
sagt der Coach heute bekehrt. „Man muss lernen, ‚Nein‘ zu sagen
und auf die eigenen Signale zu hören.“ Thiel hat – obwohl es „eigentlich
auch schon zu spät war“ – den Absprung geschafft und
kann jetzt mit dieser Erfahrung anderen dabei helfen, ihre Krise zu
meistern und alte Routinen zu überwinden. Er ist heute zufrieden.
Ein Wunsch bleibt aber offen: „Leider kommen die meisten Mitfünfziger
erst, wenn es – wie bei mir – schon beinahe zu spät ist. Ich
würde gern schon früher helfen. Aber da fehlt den meisten noch der
Leidensdruck.“
UND DIESER DRUCK KOMMT. Übergewicht, Diabetes, Bluthochdruck,
sexuelle Ausfallerscheinungen, Kopfschmerzen, Rücken- und
Schlafprobleme sind häufig körperliche Anzeichen oder Folgeerscheinungen
für psychischen Stress und eine nicht achtsame Lebensweise.
Neben einem körperlichen Training und einer Ernährungsumstellung,
wie sie Jörg Thiel als Coach anbietet, sollten Betroffene
aber auch auf medizinischen Rat zurückgreifen. In der Göttinger
Praxis von Arne Ströhlein suchen und finden Männer mit den
genannten Symptomen gesundheitliche Unterstützung. „Es sind oft
die ‚Männer im besten Alter‘, die unzufrieden, gereizt, ja unausstehlich
geworden sind und irgendwann in ein Loch fallen“, sagt der
Arzt und Resilienztrainer, der auf eine Mischung aus Schulmedizin
und Naturheilverfahren (etwa auf die Traditionelle Chinesische Medizin,
kurz TCM, und westliche Naturheilverfahren) setzt. „Dieser
ganzheitliche Ansatz ermöglicht es, emotionale Dysbalancen mit einem
strategischen Plan relativ leicht zu beheben“, erklärt der
Quellen: https://bit.ly/3A3rJpk und https://bit.ly/3z7gNpi
50 3 | 2021
Zeit für die Vorsorge – und wenn ja, ab wann?
Grundsätzlich gilt: Es ist nie zu früh, sich regelmäßig vom Arzt untersuchen zu lassen –
und nicht erst, wenn's brennt. Die wichtigsten Check-ups für Männer ...
wissen
Bis und ab 35 Jahren
Bereits unter 35 Jahren, dann aber spätestens, sollten Männer
einmal pro Jahr zu einer allgemeinen Gesundheitsuntersuchung
gehen. Diesen ,Check-up 35‘ bieten in der Regel
sowohl Hausärzte als auch Internisten (Fachärzte
für innere Medizin) an. Das wichtigste Ziel dieser
Vorsorge: die frühzeitige Erkennung von Herz-Kreislauf-Problemen,
Diabetes und Nieren erkrankungen.
Außerdem fragt der Arzt nach f amiliären Gesundheitsdefiziten,
misst den Blutdruck und überprüft die Vollständigkeit
der empfohlenen Impfungen.
Über 50 Jahre
Ab 50 kommt der Check-up gegen das Darmkrebs-
Risiko hinzu. Männer haben bis zum 55. Lebensjahr
das Recht auf einen jährlichen Stuhltest und eine Tastuntersuchung.
Außerdem können sie ab 50 alle fünf
Jahre eine Darmspiegelung (Koloskopie) durchführen
lassen. Die Kosten dafür trägt vollständig die gesetzliche
Krankenversicherung, da sich die meisten
Tumorarten nur langsam entwickeln und daher
durch eine Früherkennung rechtzeitig unschädlich
gemacht werden können.
Über 65 Jahre
Für 65-Jährige kommt das Angebot eines gründlichen
Check-ups der Bauchschlagader hinzu, der das Risiko
eines Risses der Aorta im Bauch verringern (,Bauchaortenaneurysma‘)
soll. Hierbei wird die Bauchschlagader
gescreent, um ein mögliches Absacken frühzeitig
zu diagnostizieren. Wird dies zu spät entdeckt, kann
es zu einem lebensgefährlichen Riss der Gefäßwände
kommen. Eine weitere Vorsorgemöglichkeit für Patienten
mit Bluthochdruck oder chronisch überhöhten
Cholesterin-Werten ist die Blutdruckmessung nach der
,Knöchel-Arm-Methode‘ (ABI). Mithilfe dieses
In dexes kann der Arzt das Risiko einer Erkrankung
der Herzkranzgefäße oder eines Arterienverschlusses
(PAVK) besser einschätzen.
Ab 45 Jahren
Spätestens ab dem 45. Lebensjahr sollte sich die Vorsorge
zusätzlich auf die Krebsfrüherkennung konzentrieren.
Besonders vordringlich ist hier ein kontinuierlicher Checkup
der Prostata auf Entzündungen, Vergrößerungen oder
gar Krebs. Diese Krankheiten zählen – nach Herz-Kreislauf-Problemen
– gerade bei den Ü-45-Jährigen zu den
häufigsten gesundheitlichen Risikofaktoren. Auch hier gilt:
Je früher entdeckt, desto besser die Chancen auf Heilung.
Ab Alter 45 übernimmt die gesetzliche Krankenkasse
einmal pro Jahr die Kosten der Prostata-Vorsorge.
Mehr dazu ab Seite cxxy.
Ab 55 Jahren
Ab dem Alter 55 ändern sich die empfohlenen
Check-ups im Wesentlichen nicht – nur
die Termine für Erstattungsleistungen. Bei
der Darmkrebsvorsorge können sich Männer
beispielsweise weiterhin alle fünf Jahre einer
Darmspiegelung unterziehen – sie können diese
Untersuchung aber auch wahlweise zweimal
binnen zehn Jahren durchführen lassen. Wer
diese Koloskopie nicht möchte, kann stattdessen
alle zwei Jahre wegen einer Stuhlprobe und einer
Tastuntersuchung des Darms zum Arzt gehen.
Dies liefert jedoch weniger sichere Testergebnisse
als eine Spiegelung.
Ist die Zukunft männersensibler Prävention digital?
Im Januar 2020 fand in Berlin die 5. Männer gesundheitskonferenz
zum Thema ,Ist die Zukunft männersensibler
Prävention digital?‘ statt. Dort wurden anhand aktueller
nationaler und internationaler gesundheitspolitischer
Strategien Fachfragen zum Thema Chancen und Risiken
von Gesundheitsinformationen im Netz am Beispiel der
Männergesundheit skizziert und in einem anschließenden
Expertenkreis diskutiert. Ebenfalls waren die Chancen
und Perspektiven der WHO-Strategie zur Förderung der
Gesundheit und des Wohlbefindens von Männern in der
Europäischen Region und deren Herausforderungen
für Deutschland ein Thema.
Die Ergebnisse und weitere Infos unter:
www.maennergesundheitsportal.de
3 |2021 51
wissen
PERSÖNLICHER TIPP
Die 6:4-Atmung
Ein gut funktionierendes, ausgleichendes vegetatives
Nervensystem ist grundlegend wichtig für
Fitness, Gesundheit und Wohlbefinden. Dazu eignet
sich die sogenannte 6:4-Atmung. Dabei wird die Ausatmung
auf sechs und die Einatmung auf vier Zähl -
einheiten (etwa je eine Sekunde pro Einheit) kontrolliert.
Am besten dreimal täglich zwei bis drei Minuten üben und
100 Tage trainieren – danach reicht einmal täglich.
Dr. med. Arne Ströhlein
Arztpraxis für chinesische Medizin (TCM) und
westliche Naturheilverfahren
Bürgerstraße 46
37073 Göttingen
Tel. 0551 703770
info@dr-stroehlein.de
www.dr-stroehlein.de
PERSÖNLICHER TIPP
• Gehen Sie zur Vorsorge! – Ihre Frau tut es
auch.
• Ernähren Sie sich gesund! – Vermeiden Sie typische
Fast-Food-Wohlstands versuchungen.
• Treiben Sie mehr Sport – Wer rastet, der rostet.
• Trinken Sie viel Wasser! – Beugen Sie Steinen vor und
entschlacken (im wahrsten Sinne) Sie die Nieren.
• Hören Sie auf zu rauchen! – Versteht sich von selbst!
• Trinken Sie keinen Alkohol im Übermaß! – Dann freuen
sich Leber und Hirn (auch das der Partnerin).
• Sorgen Sie für ausreichend Schlaf! – Denn wer schläft,
der sündigt nicht und ist am Morgen ausgeruht und
leistungsfähig.
Prof. Dr. Hans-Werner Gottfried
Chefarzt Urologie
Evangelisches Krankenhaus Weende (EKW)
Klinik für Urologie und Kinderurologie
An der Lutter 24
37075 Göttingen
Tel. 0551 50341364
www.ekweende.de
50-jährige Mediziner aus seiner Erfahrung. Er nutzt dazu ein intensives
Anamnesegespräch, um über die Lebenssituation und Persönlichkeit
des Patienten Bescheid zu wissen. Ein Blutbild zur Analyse
von Vitamin- und Hormonspiegel deckt eventuelle Mängel auf.
Entscheidend für Ströhlein ist jedoch das Gehirn: „Wir müssen
wieder lernen, uns auf unser Gehirn zu verlassen. Die Medizin und
die Pharmazie haben zwar riesige Fortschritte gemacht – viele Probleme
können wir aber statt mit Chemie allein durch das Hören
auf unsere Signale angehen und beseitigen.“
ABER DA SIND WIR DANN WIEDER AM ANFANG – denn wer hat
bei dem ganzen Stress und Leistungsdruck schon Zeit, in sich hineinzuhören.
Und Schwächen zugeben? Nein, das wollen wir nicht.
So schätzen es vielleicht auch viele von uns nur als Zeichen der
Angst ein, regelmäßige Check-up- und Vorsorgeuntersuchungstermine
wahrzunehmen – oder man bildet sich ein, beim ganzen
Stress gar keine Zeit für die eigene Gesundheit zu haben.
Vielleicht sollten wir da mal einen raschen Blick hinüber zu den
Frauen werfen, wie die das so handhaben? Sie gehen schließlich
schon in ihrer Jugend meist ebenso regelmäßig wie selbstverständlich
zum Frauenarzt – das legt wohl niemand als Zeichen der
Schwäche aus.
Und was sollen wir machen? Es gibt doch keinen ,Männerarzt‘,
höre ich den Einwand schon. „Doch es gibt ihn! Urologen mit der
Weiterbildung zum Andrologen kümmern sich explizit um typische
Männerprobleme“, sagt Hans-Werner Gottfried widersprechend,
fordert aber gleichzeitig auch, genau das aktiver zu kommunizieren.
Der Anfang-60-Jährige ist Chefarzt der Urologie am
Evangelischen Krankenhaus Weende (EKW) und trifft in seinem
Klinikalltag immer wieder auf die typischen Arzt- und Vorsorgemuffel.
Dabei können häufige Männerkrankheiten wie Prostatakrebs,
Blasentumore, Probleme beim Wasserlassen, nachlassende
Potenz und Libido bei regelmäßigen Vorsorgekontrollen im
Frühstadium entdeckt werden. Dies gilt zusätzlich auch für
andere Erkrankungen des Harntraktes wie die häufige, wohlstandsbedingte
Steinerkrankung. Und natürlich gilt: Je früher behandelt
wird, desto höher die Heilungschancen.
Gottfried setzt dabei auf wissenschaftlich belegte Therapien.
„Die Mischung aus rationaler, wissenschaftlicher Herangehensweise
mit einem empathischen Zugang zum Patienten bietet die besten
Gesundungsperspektiven“, sagt der Chefarzt und fasst damit
seine Expertise aus 15 Jahren im EKW zusammen. Und er fordert
die Männer ganz klar auf: „Suchen Sie sich Ihren Männerarzt und
gehen Sie auch regelmäßig hin.“
FAZIT: Wir harten Kerle sollten uns am Riemen reißen und gefälligst
auf unsere Gesundheit achten. Denn wer sich selbst stets unter
Leistungsdruck setzt und sich gleichzeitig schlecht ernährt, wenig
über eigene Probleme spricht und dann auch noch die Vorsorge
schleifen lässt – der sollte sich nicht darüber ärgern, dass seine
Lebenserwartung niedriger ist als die der Frauen. ƒ
52 3 | 2021
Schwarmintelligenz
Moderne Medizin braucht Neugier, Forschergene, Teamgeist.
Wo viele denken, kommt viel heraus.
Universitäre Medizin in Göttingen ist innovativ.
Hightech-Medizin, modernste Labore, genaueste Bildgebung,
internationale Forschungsverbünde.
Und Menschen, die das alles können.
Dafür sind wir da.
Universitätsmedizin Göttingen, Georg-August-Universität
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Geschäftsführerwechsel im
Sanitätshaus o.r.t GmbH
Armin Asselmeyer, Gründer des Sanitätshauses o.r.t und der neue Geschäftsführer
Felix Neumann im Interview über die vergangenen 25 Jahre, neue Wege und
die Zukunft der Hilfsmittelbranche
Armin Asselmeyer überreicht die Skulptur
,Die Dinge von innen bewegen‘ und wünscht
Felix Neumann viel Erfolg, das ,Rad‘ auch
weiterhin in Bewegung zu halten.
Herr Neumann, seit bald sechs Monaten
sind Sie Geschäftsführer des Sanitätshauses
o.r.t. Sind Sie gut angekommen?
Felix Neumann: Auf jeden Fall! Ich bin mit o.r.t
und der Versorgung von Menschen mit Einschränkungen
groß geworden, denn bevor ich
bereits einige Jahre im Unternehmen tätig war,
war mein Vater viele Jahre Mitarbeiter bei o.r.t.
In den letzten Jahren war Armin Asselmeyer
mein Mentor, Berater und Wegbegleiter und
hat mich intensiv an die Leitung des Unternehmens
herangeführt. Insofern wurde mir
der Start in die neue Position nicht schwer
gemacht, und es erfüllt mich jeden Tag mit
Freude.
Herr Asselmeyer, wenn Sie auf Ihre Zeit im
Sanitätshaus o.r.t zurückblicken, was ist
Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?
Armin Asselmeyer: Die Gründung des Unternehmens
im Jahr 1996 ist natürlich bleibend
in Erinnerung. Ohne Eigenkapital, aber mit
einer Bürgschaft der N-Bank, konnte ich von
Anfang an ein solides und auf Wachstum
ausgerichtetes Unternehmen aufbauen. Wir
konnten uns sehr schnell und sehr erfolgreich
gegen den Göttinger Wettbewerb durchsetzen.
Daraus resultierend waren für mich persönlich
als Orthopädietechniker die Betreuung
von Familien mit schwerstbehinderten Kindern
sowie die Gruppe der Palliativpatienten
fachlich die prägendste Herausforderung.
Eine Aufgabe, die meinem Berufsethos entsprach
und deren Betreuung mich bis heute
sehr zufrieden stimmt. In den 25 Jahren gab
es eine Vielzahl an Mitarbeiter*innen. In vielen
dieser Biografien gab es auch tragische
Momente, die mir sehr in Erinnerung bleiben
werden. Nicht zuletzt ist die Weiterentwicklung
des Unternehmens einer der wichtigsten
Bausteine für das Fortbestehen gewesen. Der
Verkauf an die Auxilium GmbH ist zielführend
und richtig gewesen. Die Möglichkeit, ein regional
verankertes Unternehmen unter dem
eingeführten Namen o.r.t weiterzuführen
sowie die eigene Firmenphilosophie weiterverfolgen
zu können, ist für mich ein sehr
gelungener Abschluss meiner erfolgreichen
Unternehmergeschichte mit o.r.t.
Welche Ziele und Ideen haben Sie für die
nächsten Monate und Jahre mitgebracht?
Felix Neumann: Wir stellen uns in den nächsten
zehn Jahren, im Zuge des demografischen
Wandels, einer großen Verantwortung.
Immer mehr Menschen werden Hilfsmittel
von uns benötigen. Trotz steigender Anzahl
der Versorgung darf zeitgleich die Individualität
der Versorgung nicht verloren gehen.
Der Patient steht im Vordergrund. Dies bedingt,
dass wir uns künftig weniger personenintensiv
mit Prozessen und Produktion
beschäftigen dürfen, um mehr Zeit am und
mit dem Patienten zu haben. Die Digitalisierung
spielt dabei eine tragende Rolle.
… und welche Chancen sehen Sie für das
Sanitätshaus als Unternehmen im Markt?
Felix Neumann: Armin Asselmeyer übergibt
ein hoch innovatives und wachstumsfähiges
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PROFIL
Schlüsselübergabe o.r.t-Gründer Armin Asselmeyer (r.) legt nun die Zukunft seines Sanitätshauses in die Hände von Felix Neumann.
Unternehmen, welches sich in den letzten
Jahren in Südniedersachsen und zunehmend
mehr in Nordhessen als Komplettversorger
durchgesetzt hat. Durch die Zugehörigkeit
in der Auxiliumgruppe sind wir für die zukünftigen
Herausforderungen in der Gesundheitsbranche
bestens aufgestellt und können somit
überregional und auf höchstem fachlichen Niveau
Hilfsmittelversorgungen realisieren.
Was haben die o.r.t-Mitarbeiter*innen zu
erwarten?
Armin Asselmeyer: Wir haben mit Felix Neumann
einen versierten und hoch engagierten
Geschäftsführer gefunden. Er bringt sehr viel
Leidenschaft für die Branche mit. Die bisherigen
Werte des Unternehmens wird er ganz
sicher weiterverfolgen und die Entwicklung
der Mitarbeiter*innen im Auge behalten. Sie
können weiterhin eine hohe Dynamik in der
Unternehmensentwicklung erwarten, die den
Herausforderungen im Gesundheitswesen
gerecht wird.
Felix Neumann: Die Mitarbeiter*innen dürfen
sich weiterhin freuen, dass sie einem
zukunftsfähigen Arbeitgeber angehören, der
viele individuelle Entwicklungschancen bieten
wird. Dies bedingt weiterhin eine hohe Einsatzbereitschaft
für unsere Patient*innen. Ein
Generationenwechsel heißt auch, dass die Erfahrung
der Vergangenheit als Grundlage für
unseren Erfolg geachtet wird, jedoch weiterhin
die Offenheit für neue Ideen und Entwicklungen
zugelassen werden.
Herr Asselmeyer, gibt es etwas, das Sie Herrn
Neumann mit auf den Weg geben möchten?
Armin Asselmeyer: Entscheidungen im Unternehmen
sind heute zunehmend von Zahlen,
Daten und Fakten geprägt. Die vielen Informationen
wollen eingeordnet werden, damit eine
dem Unternehmen förderliche Entscheidung
getroffen werden kann. Die Intuition, auf Anhieb
eine gute Entscheidung zu treffen, kann
nicht erlernt werden. Daher wünsche ich ihm
sehr viel Fortune, auch instinktiv richtige Entscheidungen
treffen zu können. Hinzu kommt,
dass es ein besonnenes Energie management
erfordert, ein solches ,Rad‘ mit inzwischen
200 Mitarbeiter*innen anzutreiben. Ich wünsche
ihm viel Kraft und Gesundheit sowie
weiterhin inspirierende Menschen an seiner
Seite!
Herr Neumann, Herr Asselmeyer, vielen Dank
für das Gespräch.
KONTAKT
Sanitätshaus o.r.t GmbH
Maschmühlenweg 47
37081 Göttingen
Tel 0551 37071-100
Fax 0551 273790009
info@o-r-t.de
www.o-r-t.de
wissen
56 3 | 2021
wissen
Neue Wege
der Früherkennung
Ab dem 45. Lebensjahr sollten Männer regelmäßig zur Prostatakrebs-Vorsorge gehen – und das aus
gutem Grund: Je früher der Krebs erkannt wird, umso größer die Heilungs- und Überlebenschancen.
TEXT MARGARETA VOGEL FOTO STOCK.ADOBE.COM
Wer kennt das nicht? In der Verwandtschaft, Bekanntschaft oder im
näheren Umfeld trifft es einen Mann mit der Diagnose Prostatakrebs,
auch Prostatakarzinom genannt, einem bösartigen Tumor
der Vorsteherdrüse des Mannes. Und doch denken viele, dass es sie selber
nicht treffen wird. Dabei stellt der Prostatakrebs neben Lungenkrebs die
häufigste Erkrankung des Mannes dar. Pro Jahr werden bundesweit über
63.000 Neuerkrankungen diagnostiziert. Dem Prostatakarzinom kommt damit
eine ähnliche Bedeutung zu wie etwa dem Brustkrebs der Frau.
Beide wachsen sehr langsam und sind in der Frühphase ohne klinische
Symptome, das bedeutet, dass man oder frau zu Beginn dieser Tumorerkrankung
häufig keine Auffälligkeiten bemerkt. Ist das Prostatakarzinom erst
tastbar, handelt es sich häufig um ein späteres Tumorstadium. Das Ziel aber
muss sein, diesen Tumor früh zu erkennen, da die Früherkennung eine schonendere
Therapie und ein höheres Langzeitüberleben erlaubt – je frühzeitiger,
umso besser die Heilungschancen.
MÄNNER SOLLTEN AB DEM 45. LEBENSJAHR regelmäßig zur Prostata krebs-
Vorsorge gehen – und an dieser Stelle kommt den bildgebenden Untersuchungen
zur Früherkennung von Prostatakrebs die entscheidende Rolle zu. Der behandelnde
Urologe wird üblicherweise zusätzlich zur rektalen Tast untersuchung
einen transrektalen Ultraschall durchführen. Dabei wird die Prostata mit einer
Sonde über den Enddarm begutachtet. So lassen sich Größe, Gestalt und insbesondere
die Binnenstruktur der Vorsteherdrüse sehr gut beurteilen. Ergibt
sich hierbei ein auffälliger Befund, so kann der Ultraschall genutzt werden,
um die Entnahme von Gewebeproben aus der Prostata zu steuern.
Die Bestimmung des PSA-Wertes (prostataspezifisches Antigen) im Blut
ergänzt diese Untersuchungen. Das Prostatakarzinom sondert diese Substanz
in geringsten Mengen in das Blut ab, sodass es ein Hinweis auf eine erhöhte
Aktivität des Prostatagewebes, wie sie auch beim Prostatakrebs vorliegt,
sein kann. Trotzdem wird die Sinnhaftigkeit der PSA-Messung in der
Früherkennung kontrovers diskutiert, da bei erhöhten Werten einerseits
auch Zellveränderungen der Prostata vorliegen können, die nie zu einem
Prostatakrebs geführt hätten. Andererseits wird der aktuell steigende Anteil
der Diagnostik früher Stadien auf die Bestimmung des Tumormarkers PSA
zurückgeführt.
Und was, wenn sie alle – klinische Untersuchung, transrektaler Ultraschall
und PSA-Wert – keinen klaren Befund ergeben? Wenn bei erhöhtem Wert
eventuell keine Auffälligkeiten der Prostata nachzuweisen sind? Oder die
Gewebeentnahme abweichende Befunde zur Folge hat?
Mit der Magnetresonanztomographie, kurz MRT, der
Prostata steht ein Verfahren zur Verfügung, das aufgrund
technischer und methodischer Verbesserungen
insbesondere in den letzten Jahren in der Prostatadiagnostik
einen hohen Stellenwert bekommen hat. Der
Einsatz von 3-Tesla-Magneten und die Verwendung spezieller
Untersuchungsprotokolle ermöglicht hier inzwischen
eine exzellente Beurteilung der Prostata und seiner
Umgebung. Das Stichwort ist hier das multiparametrische
MRT (mpMRT), das natürlich entsprechend der
aktuellen Qualitätsstandards durchgeführt werden muss.
Dieses MRT umfasst letztendlich bis zu vier unterschiedliche
Messtechniken: Die hochauflösende T2-Messung,
die den Flüssigkeitsgehalt abbildet, die diffusionsgewichtete
Bildgebung, die Informationen zur Zelldichte
gibt, das dynamische kontrastmittelgestützte MRT, das
die Blutversorgung innerhalb der Prostata darstellt und
die Protonen-MR-Spektroskopie, die Informationen über
Stoffwechselvorgänge im Organ aufzeigt. Die Auswertung
der multiparametrischen MRT der Prostata erfolgt
durch erfahrene Radiologen. Für die Kategorisierung
der Befunde gibt ein spezieller PI-RADS-Score in fünf
Stufen die Wahrscheinlichkeit an, mit der eine Auffälligkeit
in der Prostata bösartig ist oder nicht: von sehr unwahrscheinlich
bis sehr wahrscheinlich.
In Kooperation mit dem Urologen kann das weitere diag
nostische Vorgehen in Abhängigkeit von den bisherigen
Ergebnissen und dem PI-RADS-Stadium festgelegt werden.
Eine harmonische Zusammenarbeit zwischen Urologie
und Radiologie ist hierbei ein wichtiger Faktor. ƒ
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Stetiges Wachstum bei R+ MediTransport
Sich neu erfinden, ohne sich von den eigenen Wurzeln zu lösen
Bereits seit 1954 ist R+ MediTransport
als Familienbetrieb in der Krankenbeförderung
zu Hause. Wurden die
Leistungen zu Beginn nur in und um Gieboldehausen
angeboten, ist das Unternehmen später
bereits im gesamten Landkreis Göttingen
tätig. Heute ist R+ MediTransport der Spezialist
im qualifizierten Krankentransport in Niedersachsen
und verfügt über Standorte in den
Kreisen Göttingen, Northeim sowie in der Region
Hannover. Über das Joint Venture mit der
MTN Gruppe werden die Dienstleistungen
darüber hinaus in den Kreisen Hildesheim
und Peine angeboten.
Geschäftsführer Florian Reinhold feiert in
diesem Jahr sein zehnjähriges Jubiläum in
seiner Funktion und blickt auf eine Zeit zurück,
in der stetiges Wachstum, aber auch das
Festhalten an den eigenen Wurzeln im Fokus
standen.
SO SOLL DAS NEU GESCHAFFENE FRAN-
CHISE-MODELL weiteres Wachstum der
Mar ke R+ MediTransport ermöglichen, ohne
auf die Vorteile eines mittelständischen
Familienunternehmens verzichten zu müssen.
„Wir wollen die Schnelligkeit in unseren Entscheidungen
und das persönliche Miteinander
in kleinen Teams beibehalten. Durch das
Franchise-Konzept holen wir dennoch weitere
Menschen in die R+ Familie. Der Kreis derer,
die voneinander lernen können, wird größer“,
erklärt Florian Reinhold. Mit dem geschaffenen
Lizenzmodell öffnet sich R+ MediTransport
für Unternehmerinnen und Unternehmer in
Deutschland oder Menschen, die Interesse an
einer Selbstständigkeit haben.
DIE KASSENÄRZTLICHE VEREINIGUNG
Niedersachsen und R+ MediTransport haben
ebenfalls kürzlich ihre Zusammenarbeit in
gleich zwei Projekten beschlossen. So übernimmt
R+ MediTransport den vertragsärztlichen
Bereitschaftsdienst für die Kreisgebiete
Göttingen und Northeim. Parallel dazu laufen
Vorbereitungen für den Wechsel der Dispositionszentrale
für alle vertragsärztlichen
Bereitschaftsdienste in Niedersachsen zu
R+ MediTransport. Medizinisch ausgebildete
Disponentinnen und Disponenten werden
die Einsätze, die zunächst über die 116 117
angenommen wurden, effizient koordinieren.
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Von Recht und Pflicht
Anneke Fasterding, Fachanwältin für Medizinrecht, über die Notwendigkeit einer informierten
Zustimmung vor jedem (!) ärztlichen Eingriff und die Selbstbestimmung des Patienten
TEXT ANNEKE FASTERDING
Es klingt bizarr: Jeder ärztliche Heileingriff verwirklicht den Tat bestand
einer Körperverletzung. Er ist nur dann nicht strafbar, wenn der Patient
zuvor wirksam in die Behandlung eingewilligt hat. Voraussetzung
für die Wirksamkeit der Einwilligung ist eine Aufklärung des Patienten über
die mit dem Eingriff verbundenen Risiken und mögliche Alternativen. Nur
im Falle einer solchen Aufklärung kann der Patient eine ,informierte Zustimmung‘
(informed consent) zu der geplanten Behandlung erteilen. Fehlt diese,
begeht der Arzt eine strafbare Körperverletzung, auch wenn die Behandlung
an sich fehlerfrei und indiziert war.
Zweck dieser Regelung ist die Wahrung des Selbstbestimmungsrechts des
Patienten. Der Patient soll durch die ärztliche Aufklärung in die Lage versetzt
werden, selbst kompetent über seine Behandlung zu entscheiden. Eine Aufklärungspflicht
besteht dabei nicht nur bei Operationen, sondern auch bei
Injektionen, Medikamentenverordnungen, chiropraktischen Behandlungen
usw. Anders als früher sind Patienten heute durch Internet und sonstige Medien
nicht mehr ausschließlich auf die Information durch den Arzt angewiesen,
allerdings sind Qualität und Seriosität der Informationen für medizinische
Laien oft schwer beurteilbar.
AUCH FÜR ÄRZTE – zum Beispiel im Bereich Onkologie und Immunologie –
wird es durch die zunehmende Komplexität und den rasanten Fortschritt der
Medizin schwieriger, den Überblick über verschiedenste neue Behandlungsmöglichkeiten
und -alternativen zu behalten und diese dem Patienten verständlich
zu erklären. Hier stellt sich mitunter die Frage, ob eine ,informierte
Zustimmung‘, die bei dem Patienten ein gewisses Verständnis der medizinischen
Zusammenhänge voraussetzt, nicht als Utopie bezeichnet werden
muss. Doch wie weit geht die Informationspflicht des Arztes, wenn verschiedene
Behandlungsarten möglich sind?
DIE ALTERNATIVAUFKLÄRUNGSPFLICHT erfordert es,
Patienten über Behandlungsalternativen, die eine ähnliche
Erfolgschance bieten, aber ein anderes Risikoprofil
beinhalten, zu informieren. So muss zum Beispiel vor
relativ indizierten orthopädischen Operationen mit dem
Patienten die Möglichkeit einer konservativen Behandlung
durch Physio- und Schmerztherapie statt einer Operation
erörtert werden. Unterbleibt dieses, ist die Operation
rechtswidrig. Der Behandler muss den Patienten
aber nicht von sich aus auf sogenannte Neuland- oder
Außenseitermethoden hinweisen. Hier ist es Aufgabe des
Patienten, sich selbst zu informieren und bei seinem Arzt
nachzufragen, sofern er eine solche Behandlung wünscht.
Ob ein Arzt mit dem Patienten diesen Weg gehen will,
entscheidet er selbst – das Selbstbestimmungsrecht des
Patienten wird hier durch die Therapiefreiheit des Arztes
begrenzt. ƒ
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Unternehmensberatung für Zahnheilberufe
Selbstständigkeit und Betriebswirtschaftslehre?
Obwohl die Mehrheit der Zahnärztinnen
und -ärzte in Deutschland selbstständig
tätig ist, haben wirtschaftliche Inhalte im
Studium der Zahnmedizin keinen Platz. An
dieser Stelle kommt Dirk Schulz ins Spiel, Geschäftsführer
von SMS – Unternehmensberatung
für Zahnheilberufe. Seit über 25 Jahren
begleitet er ausschließlich (Fach-)Zahnärztinnen
und -ärzte in ganz Deutschland vom Studium
bis in den Ruhestand.
SCHON STUDIENABGÄNGERN steht Schulz
bei allen Fragen rund um den Berufsstart mit
Rat und Tat zur Seite. Wie finde ich eine Assistenzstelle?
Was muss in meinem ersten
Arbeitsvertrag stehen? Welche Absicherungen
sind am Anfang notwendig? Welches Gehalt
ist angemessen? Worauf ist zu achten? Nach
Abschluss der Assistenzzeit gibt es keine
Standardlösungen. „Für die weitere Entwicklung
klären wir die persönlichen Präferenzen,
damit wir die Beratung optimal ausrichten
können“, so Schulz. Die Entscheidung für eine
Anstellung oder die Selbstständigkeit sollte
wohlüberlegt und gut geplant sein.
Nach wie vor ist eine Selbstständigkeit in
fast allen Fällen lohnend, wobei der Standortwunsch
der Zahnärztin bzw. des Zahnarztes
ausschlaggebend ist. Im Falle einer Neugründung
erstellt das Team von SMS unter
anderem eine fundierte Standortanalyse und
ermittelt den erforder lichen Mindestumsatz.
Inzwischen überwiegt allerdings die Zahl der
Praxisübernahmen, bei denen Schulz die Kaufvertragsverhandlungen
mit allem Drum und
Dran begleitet. In jedem Fall wird gemeinsam
mit der Zahnärztin oder dem Zahnarzt ein tragfähiger
Businessplan erstellt. Auch bei den Mietvertragsverhandlungen
und den Finanzierungsgesprächen
sind besonderes Know-how und ein
Auge für Details notwendig. So kann insbesondere
im Dialog mit Banken über die Einbindung
von öffentlichen Fördermitteln viel Geld gespart
werden. Abgerundet wird dieses Gesamtpaket
mit einem maßgeschneider ten Absicherungskonzept
über den hauseigenen Maklerdienst.
NACH DEM SCHRITT in die Selbstständigkeit
wird in regelmäßigen Abständen der Praxiserfolg
mit den Planzahlen abgeglichen, um
bei möglichen Fehlentwicklungen frühzeitig
gegensteuern zu können. In vielen Fällen steht
einige Jahre nach der erfolgreichen Niederlassung
die Aufnahme einer weiteren Kollegin
oder eines Kollegen an. Hier schließt sich der
Kreis zu der Begleitung und Vermittlung junger
Assistenzärztinnen und -ärzte.
AUCH DIE PRAXISÜBERGABE muss sorgfältig
vorbereitet und durchgeführt werden, damit
der Start in den wohlverdienten Ruhestand
reibungslos gelingt. Hierbei werden Abgeber
und Abgeberinnen von den ersten Überlegungen
bis zur Schlüsselübergabe kompetent und
individuell begleitet.
BEI SEINER ARBEIT KANN SICH der zertifizierte
Zahnärzteberater neben seinen eigenen
langjährigen Erfahrungen auch auf die Expertise
verschiedenster ausgewählter Fachleute
verlassen. So zählen zu dem von ihm gegründeten
,Expertennetzwerk Heilberufe‘ Fachanwälte
für Medizinrecht, auf Zahnheilberufe
spezialisierte Steuerberater, Praxiseinrichter,
Banken und weitere Dienstleister im Gesundheitswesen.
„Auf diese Weise können wir unseren Zahnärztinnen
und Zahnärzten in allen finanz-,
steuer- und vertragsrechtlichen Fragen eine
ganzheitliche Beratung anbieten“, erklärt
Schulz. Mit dieser bewährten Strategie hat
er inzwischen über 700 Zahnärztinnen und
-ärzte erfolgreich in die Selbstständigkeit begleitet.
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Defibrillator mit Smartphoneanbindung
für herzkranke Patienten
Telemedizinische Betreuung senkt die Sterberate um fast ein Drittel.
PROFIL
Bei einer Herzmuskelschwäche ist die
Pumpfunktion des Herzens eingeschränkt.
Trotz medikamentöser Behandlung kann es
zu Herzrhythmusstörungen und einem Herzkammerflimmern
kommen, was unbehandelt
in 95 Prozent der Fälle tödlich ist. Eine Defibrillator-Implantation
ist in solchen Fällen ein
Standardeingriff.
IM EV. KRANKENHAUS GÖTTINGEN-WEENDE
(EKW) kann Patienten mit einer Herzmuskelschwäche
ein neuartiger Defibrillator mit Teleanbindung
via Handy-App implantiert werden.
Das kleine Gerät verbindet sich sicher
und drahtlos mit dem Tablet des Arztes und
dem Smartphone des Patienten. Die 30-Minuten-OP
findet in Teilnarkose statt, bereits am
nächsten Tag kann der Patient das Krankenhaus
wieder verlassen.
Das Besondere des implantierten Defibrillators
liegt in der Nachsorge, denn die Herz-Daten
kommen zum Arzt ins Weender Krankenhaus,
nicht der Patient. Frühzeitig können über
die App automatisch Warnmeldungen von
klinisch relevanten Patientendaten an die Klinik
gesendet werden. Dadurch kann eine Verschlechterung
des Patientenzustands bereits
mehrere Tage vor einem drohenden Krankenhausaufenthalt
erkannt werden. Die Sterberate
bei Patienten mit Herzschwäche wird um
fast ein Drittel gesenkt. „Die neuen Geräte
erfordern dann auch weniger Krankenhausaufenthalte“,
sagt Dr. Stephan Schmidt-Schweda,
Chefarzt der Abteilung Kardiologie im EKW.
Dr. Stephan Schmidt-Schweda
Chefarzt der Abteilung Kardiologie im EKW
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Die Kraft
der Sprache
Ohne selbst auch nur ein Wort Deutsch zu sprechen,
gründet die gebürtige Inderin Nivedita Mani vor elf Jahren
die WortSchatzInsel an der Uni Göttingen, um den
Sprach erwerb von Babys und Kleinkindern zu erforschen.
Mit ihren Studien möchte die mehrfach ausgezeichnete
Professorin die Chancengleichheit für Kinder in sozial
schwachen Milieus erreichen – weiß sie doch aus eigener
Erfahrung, wie Sprache die Sicht auf unsere Welt verändert.
TEXT ANJA DANISEWITSCH FOTOGRAFIE ALCIRO THEODORO DA SILVA
64 3 | 2021
mensch
3 |2021 65
mensch
» Sprache verändert die Sicht
auf unsere Welt. «
LESEZEIT: 11 MINUTEN
Das Georg-Elisa-Müller-Institut für Psychologie
in Göttingen liegt ein wenig abseits des
studentischen Trubels in der Goßlerstraße.
An heißen Sommertagen sitzen die Studierenden
auf der angrenzenden Wiese unter alten Platanen.
Lesen, lernen oder machen Mittagspause. Ein ruhiger
Ort. Die Vögel zwitschern, und Fahrradfahrer bevölkern
die Straße. Hier lehrt und forscht Nivedita Mani, die in
der knapp 30-Millionen-Einwohner-Metropole Delhi
aufgewachsen ist. „In Göttingen ist es so leise“, sagt sie
mit einem Lächeln. „Wenn meine Mutter aus In dien zu
Besuch kommt, erträgt sie die Stille fast nicht.“ Für sich
selbst, aber vor allem zum Forschen und für ihre Studien
könnte sich die 41-Jährige hingegen keinen besseren Ort
denken.
MANI IST IM HERZEN EINE NOMADIN. In Indien wuchs
sie dreisprachig auf. In ihrem Geburtsort Chennai im
Süden spricht ihre Familie Tamil, die natio nale Sprache
ist Hindi und die offizielle Englisch. „Ich habe keine
Muttersprache“, sagt Mani ohne Wehmut. Für sie sei es
normal, in vielen Sprachen zu Hause zu sein – je nachdem,
wo sie gerade lebt. „Das befreit und ist vielleicht
auch der Ursprung für meine Faszination für Sprache im
Allgemeinen.“
Als Mani zehn Jahre alt war, zog ihre Familie nach
Delhi, wo sie später auch studierte. „Hier fand ich die
Liebe zur Literatur“, erzählt sie. Und diese Liebe nahm
sie mit, als sie mit 21 Jahren für ein Studium der Linguistik
weiter nach Oxford ging, wo sie 2006 auch promovierte.
Ihr Postdoc-Betreuer war es schließlich, der ihr
Interesse für Entwicklungspsychologie weckte, das sie zu
ihrem heutigen Forschungsfeld führte, dem Spracherwerb
bei Babys und Kleinkindern. 2010 kam Mani
nach Göttingen – der Liebe wegen, wie sie erzählt, denn
ihren Mann, ein Deutscher, lernte sie in Oxford kennen.
Nach sieben Jahren in England bewarb sie sich auf
eine Stelle an der Universität Göttingen und bekam ein
für die damals 29-Jährige unglaubliches Angebot: Mani
erhielt die Juniorprofessur und übernahm gleichzeitig
die Leitung der Forschungsgruppe Psychologie der Sprache.
Und obendrein gründete sie das dazugehörige Göttinger
Zentrum für Spracherwerb, die ,WortSchatzInsel‘,
dessen Aufgabe es bis heute ist, herauszufinden, wie
Sprache unser Denken beeinflussen kann und wie Kleinkinder
Wörter erlernen und verarbeiten.
Die Ideen und Vorstellungen der jungen Professorin
waren federführend für das neue Forschungslabor. „Ich
konnte selbst kaum Deutsch und sollte deutschen Spracherwerb
bei Babys untersuchen“, erzählt Mani lachend
und erinnert sich, dass ihre ersten eigenen Wörter hier
eher untypisch für den Erwerb einer Fremdsprache
waren: „Waschbecken, Installation oder Rohre“ – was
natürlich ihrem Umfeld, dem Umbau des Sprach labors,
entsprach.
Das ist nun elf Jahre her. Inzwischen leitet die Professorin
nicht nur die Abteilung Psychologie der Sprache
und ist Direktorin des Georg-Elias- Müller-Institutes für
Psychologie. Sie wurde in die Akademie der Wissenschaften
zu Göttingen gewählt und gewann renommierte Preise
wie beispielsweise 2014 den Wissenschaftspreis der
Fritz- Behrens-Stiftung.
IHR DEUTSCH IST BIS HEUTE NICHT PERFEKT. Hier
und da schleichen sich englische Wörter ein, wenn ihr
die Vokabeln fehlen. „Meine erste Vorlesung in Göttingen
hielt ich, da hatte ich gerade einmal drei Monate
Privatunterricht genommen – es war wahrscheinlich
furchtbar“, sagt Mani rückblickend. „Aber ich habe nicht
diese Hemmungen wie viele andere Menschen. Mein Gehirn
geht flexibler mit Sprache um. Es stört mich überhaupt
nicht, wenn ich Fehler mache.“
Erlebt man ,Nivi‘ Mani, wie sie ihrem Institut genannt
wird, ist von einem akademischem Dünkel nichts zu spüren.
Ganz im Gegenteil. Sie wirkt erfrischend jung und
ist herzlich offen. Gastfreundlich führt sie uns durch die
Räume des Sprachlabors: durch einen Aufenthaltsraum
für die Eltern mit Kaffeeautomaten, ein Spielzimmer für
66 3 | 2021
mensch
die Kleinen und das eigentliche Test labor. Auf eine gelbe
Wand hat jemand eine Insel gemalt, darauf eine Schatztruhe,
gefüllt mit Buchstaben. Schnell muss der Begriff
eines typischen Labors revidiert werden: Hier in der
WortSchatzInsel ist alles kunterbunt und gemütlich. Kinderfreundlich
muss es natürlich sein, da die ‚Probanden‘
dieser Einrichtung zum Teil gerade einmal sechs Monate
alt sind. Forschung sieht daher in diesen Räumen etwas
anders aus. Alles ist Spiel und darf mit Spaß verbunden
sein.
DOCH WIE KÖNNEN BABYS und Kleinkinder überhaupt
in die Forschung eingebunden werden? Schließlich sind
sie noch gar nicht in der Lage, verbal auf eine Frage zu
antworten. Was in der WortSchatzInsel untersucht wird,
sind daher vor allem die Blickbewegungen. Messungen
mit Eyetracking und EEG (Elektroenzephalografie –
Messung der elektrischen Aktivität der Hirnrinde) registrieren,
wie Kinder Wörter verarbeiten. Ein Beispiel: Im
Testraum steht ein Stuhl, an der Wand hängt ein Bildschirm.
Dahinter verbirgt sich ein Lautsprechersystem,
über das den Kindern Sätze vorgespielt werden. Mithilfe
von Eyetracking wird nun beobachtet, wie das Kind reagiert.
Beispielsweise sind auf dem Bildschirm zwei Bilder
zu sehen: ein Auto und ein Keks. Wenn das Kind nun
den Satz ‚Der Junge isst ... einen Keks.‘ hört, wird beobachtet,
ob das Kind bereits in der kurzen Pause auf das
Essen blickt, also bevor das Wort ‚Keks‘ genannt wird.
Daran ist erkennbar, ob das Kind das Verb in seiner Bedeutung
kennt und eine semantische Verknüpfung zwischen
‚Junge‘, ‚essen‘ und ‚Keks‘ herstellt.
„Beim EEG bekommen die Kinder während der Messung
so eine Art Badekappe mit Sensoren und Kabeln
aufgesetzt“, erklärt Mani. „Damit es für das Kind als
normal angesehen wird, haben auch wir vom Team bei
solchen Terminen alle eine Kappe auf.“ Die Augen der
Sprachwissenschaftlerin strahlen, während sie von ihren
zahlreichen Studien erzählt. Jedes Mal, wenn eine
Hypothese aufgestellt wird, sei es wieder aufs Neue
spannend zu sehen, was sich letztendlich daraus ergibt.
„Und das Schöne ist: Es macht nicht nur uns Spaß, sondern
auch den Kindern. Sie wollen alle wiederkommen.“
Tatsächlich komme es nicht selten vor, dass die Eltern
mit ihrem Nachwuchs auch mal einfach so im Labor
vorbeischauen, um ‚Hallo‘ zu sagen.
Die Tests sind einfach, aber effektiv. So hat die zweifache
Mutter Mani auch bei der Erziehung ihrer eigenen
Kinder, fünf und acht Jahre alt, schon das ein oder andere
angewandt. „Meine Beiden müssen oft als Pilotkinder
herhalten“, sagt sie lachend. Das bleibe nicht aus. Ausgehend
von den Forschungsergebnissen werden Geschichten
aus Büchern nicht nur vorgelesen, sondern auch
während des Lesens besprochen, sodass das Kind die
Geschichte mit anderen Worten hört. „Dadurch lernen
die Kleinen, wie flexibel die Sprache ist und wie wir mit
anderen Worten das Gleiche sagen können.“
Zur WortSchatzInsel
Nivedita Mani kam 2010 nach Göttingen, um die Forschergruppe ,Psychologie
der Sprache‘ und das dazugehörige Babylab, die WortSchatzInsel, zu gründen.
In dem Sprachlabor werden die ersten Schritte des Spracherwerbs bei Babys und
Kleinkindern untersucht und wissenschaftlich begleitet. Hier wurde für die kleinen
Probanden ein Umfeld geschaffen, das spielerisch kurze ‚Forschungssequenzen‘,
die maximal fünf Minuten dauern, zulässt. Die WortSchatzInsel ist
für alle Eltern offen, die Lust haben, mit ihren Kleinen an Studien teilzunehmen.
www.wortschatzinsel.uni-goettingen.de
3 |2021 67
mensch
KINDER REAGIEREN IN IHRER ENTWICKLUNG sehr
stark auf das Umfeld, in dem sie sich häufig bewegen. So
lernen sie, wie ihre Eltern die Welt verstehen und vermitteln,
aber sie lernen auch, sich für eigene Dinge zu interessieren.
Dabei ist das eigentliche Wortlernen das Ergebnis
einer dynamischen wechselseitigen Interaktion zwischen
Umwelt und Mensch. Der Fokus der Forschung liegt in
der WortSchatzInsel auf dem lernenden Kind – darauf,
was es weiß und wofür es sich interessiert, und auf seiner
Motivation zu lernen. Als erklärendes Beispiel dient hierbei
die Bär- und Bagger-Studie, die das Team der Wort-
SchatzInsel durchführte. Die Studie wurde bei 30 Monate
alten Kleinkindern durchgeführt. Die Frage war: Lernen
manche Kinder leichter Tiernamen wie beispielsweise
Bär, und andere Kinder leichter Fahrzeugnamen wie
Bagger? Das Ergebnis: Kinder lernen Wörter leichter,
wenn sie sich für die Gegenstände interessieren, auf die
sich das Wort bezieht. Die Präferenz der Kinder, so Mani,
entwickelt sich aus ihrem eigenen Interesse, und somit
steuern Kinder auch ihren eigenen Spracherwerb. „Ich
selbst habe ein Bagger- und ein Bärenkind daheim.“
INZWISCHEN HABEN WIR ES UNS für das Interview im
Spielraum, gleich neben dem Testlabor, gemütlich gemacht.
Mani sitzt entspannt auf einem Sofa und trinkt
Tee. „Bevor Sie kamen, habe ich an einem neuen Forschungsantrag
gesessen. Wir wollen untersuchen, wie
Neugier unser Leben beeinflusst. So ein Antrag schreibt
sich wie von selbst“, erzählt die Professorin. Was sie damit
sagen will: Sie hat einen Job gefunden, in dem sie
sich und ihre Forschungsziele verwirklichen kann. Und
sie hat ein Team um sich, das unvergleichliche Arbeitsbedingungen
schafft. „Die Zeit der einsamen, zerstreuten
Wissenschaftler, die sich in ihrem Büro einschließen,
gehört längst der Vergangenheit an“, sagt Mani mit großer
Zufriedenheit. Sie ist ein Team-Mensch und sieht die
enormen Vorteile, wenn Studien rund um den Globus zu
validierten Ergebnissen führen. Auch hier in Göttingen
arbeitet ihr Forschungsteam fakultätsübergreifend und
interdisziplinär: Linguistik, Neurowissenschaften, Soziologie
und das Primatenzentrum. „Wir wissen, dass
wir mehr wissen können, wenn wir zusammenarbeiten.“
Sie alle haben an Studien teil, die langfristig helfen sollen,
das menschliche Gehirn zu verstehen und mehr Ruhe in
gestresste Erziehung zu bringen.
IHR LIEBLINGSZITAT STAMMT ÜBRIGENS von den
Wissenschaftlerinnen Thelen und Smith: ,There is no
plan.‘ Da ist kein Plan in der Welt. Sehr wenig ist von
Beginn an in unserer Entwicklung festgeschrieben. Vieles
lässt sich ändern oder verbessern. Nur weil ein Kind
nicht mit fünf Sprachen aufwächst, muss es in seinem
Leben keinen Nachteil haben. „Unser Gehirn ist so flexibel,
dass wir vieles ausgleichen können, wenn wir wissen,
wie das Gehirn funktioniert“, sagt Mani. Und um das
Gehirn besser zu verstehen, sind Studien wie die der
WortSchatzInsel notwendig. Demnach müssen Men-
schen, die in sozial schwachen Milieus aufgewachsen
sind, nicht auf Chancen im Leben verzichten. Mit den
Ergebnissen aus wissenschaftlichen Studien können
Strategien entwickelt werden, mögliche Unterschiede
langfristig auszugleichen. Mani hofft, dass in Zukunft
mit ihrer Hilfe Eltern von dem sozialen Druck befreit
werden, ein Kind müsse dies oder jedes in einem bestimmten
Alter können. Jeder Mensch ist individuell,
und seine Entwicklung ist es ebenso. Sprache, und auch
das zeigen die Studien, ist ein Vermittler zwischen der
Welt, wie wir sie wahrnehmen, und den Menschen. Je
mehr Wörter wir beherrschen, desto mehr verstehen wir
von der Welt. Das ist es, was Mani antreibt und begeistert:
Die Kraft der Sprache.
Zu Hause unterhält sich die Inderin mit ihren Kindern
auf Englisch, während ihr Mann Deutsch spricht. Einbis
zweimal pro Jahr fliegt die Familie gemeinsam nach
Delhi, wo Manis Mutter und ihre Schwester leben. Weil
hier ihre familiären Wurzeln liegen und ebenso die kulturellen.
Weil es ihr wichtig ist, dass ihre Kinder dieses
Leben kennenlernen und neben Englisch und Deutsch
als dritte Sprache Hindi verstehen. Und weil sie ihre Tradition
auch an die nächste Generation weitergeben
möchte. „Ich bin eine Wanderin. Meine Heimat ist, wo
ich bin“, sagt Nivi Mani. „Sprache verändert die Sicht
auf unsere Welt. Was auch bedeutet, dass man die Welt
mit ihrer Hilfe verbessern kann.“ ƒ
digital+
Lernen Sie unsere Cover-Frau Nivi Mani und
ihre spannnende Forschung in der WortSchatzInsel
auch im digitalen Interview kennen unter:
www.faktor-magazin.de/faktor-video
Zur Person
Prof. Dr. Nivedita Mani ist Professorin der Abteilung
Psychologie der Sprache an der Uni Göttingen und
Direktorin des Georg-Elias-Müller-Institutes für Psychologie.
Die gebürtige Inderin kam 2010 nach Göttingen und ist
seitdem leitende Forscherin in zahlreichen Projekten, die
von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanziert
sind. Sie wurde 2017 in die Akademie der Wissenschaften zu
Göttingen gewählt und ist Co-Autorin zahlreicher Publikationen,
unter anderem des Buchs ‚Early Word Learning‘.
Zudem gewann die 41-Jährige bereits mehrer Auszeichnungen
wie beispielsweise den Wissenschaftspreis
der Fritz-Behrens Stiftung.
68 3 | 2021
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Reise ins
Glück
Mit Zwölf führt Matthias Walter sein erstes ,Start-Up‘,
mit 22 Jahren ist er jüngster Büroleiter bei Neckermann- Reisen, und
mit 27 gründet er Reiseland. Mit faktor spricht der heute 58-Jährige
darüber, wie er kurz nach dem Mauerfall die Träume der DDR-Bürger
von ,exotischen‘ Orten wahr machte und damit in wenigen Jahren
ein Millionen-Geschäft aufbaute.
TEXT ANJA DANISEWITSCH FOTOGRAFIE ALCIRO THEODORO DA SILVA
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mensch
Dann kam die Wende
Gemeinsam mit Bernd Riedel und Ralph Schiller nutzte Matthias Walter (v.l.n.r.)
die Gunst der Stunde und bot nur wenige Monate nach dem Mauerfall,
die ersten Reisen um den Globus an. Der Andrang auf die Reiseland-Büros
war riesig, denn die Menschen im Osten genossen ihre neue Freiheit.
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DIE DREI GRÜNDER STECKTEN IHR GELD und ihre
ganze Energie in diese Unternehmung. „Wir waren am
Anfang sehr hemdsärmelig“, sagt Walter lachend und
ganz eingetaucht in seine Erinnerungen. Auf der Suche
nach neuen Geschäftslokalen reisten sie durch die DDR.
Sie übernachteten in den Wohnungen ihrer neuen Partner
und bekamen die Kinderzimmer zur Verfügung gestellt.
Sie kauften VW-Busse, um Geld und Buchungsbestätigungen
von A nach B zu bringen, und sie schaffmensch
» Wir wussten sofort, dass sich uns eine
einmalige Chance eröffnete. Und so
entwickelten wir an einem einzigen Wochenende
das Grundkonzept von ‚Reiseland‘. «
LESEZEIT: 11 MINUTEN
Januar 1990 in der DDR: Die erste Eu phorie der
Grenzöffnung am 9. November 1989 hat sich gelegt.
Doch nicht ganz. Zu vieles ist zu neu und
unfassbar. Träume sind von nun an nicht mehr
in den eigenen Gedanken gefangen, nun darf
man sie laut denken. Plötzlich soll es möglich
sein zu reisen? Nicht ausschließlich nach Polen
oder Ungarn – nein, in den Westen! Aufbruchstimmung.
Neugier. Und eine Abenteuerlust keimt in den Menschen
aus der Noch-DDR auf. Auch wenn noch niemand so
recht weiß, wie sich jetzt alles ent wickeln wird – eines ist
sicher: Ein Zurück kann es nicht mehr geben. Es geht
vorwärts.
JANUAR 1990 IN GÖTTINGEN. Matthias Walter ist 27
Jahre alt und hat gerade seine feste Anstellung bei
Neckermann-Reisen gekündigt. Er hat andere Träume
und Pläne für sein Leben, er will Unternehmer werden.
Wie genau dies aussehen soll, das weiß er nicht. „Eines
aber wusste ich damals bereits ganz genau“, erzählt
Walter heute – 30 Jahre später, „Unternehmertum bedeutete
für mich gestalten zu können.“ Noch im selben
Monat trifft er auf seinen befreundeten Reiseunternehmer
Bernd Riedel, der ihm von Menschen aus der DDR
berichtet, mit denen er sich unterhalten habe, und von
deren Sehnsucht zu reisen. „Wir wussten sofort, dass
sich uns eine einmalige Chance eröffnete“, sagt Walter.
„Und so entwickelten wir an einem einzigen Wochenende
das Grundkonzept von ‚Reiseland‘.“
Was nach dem konspirativen Wochenende Anfang
1990 in dem kleinen Northeimer Büro von Bernd Riedel
geschah, ist eine gelebte Wiedervereinigungsgeschichte.
Die Vision der beiden war schnell klar: Sie wollten Reisebüros
in der DDR eröffnen, die auch noch 20 oder 30
Jahre später erfolgreich auf dem bis dato neuen Markt
sind. Dafür brauchten sie allerdings Partner vor Ort, die
in eigenständiger Verantwortung, aber unter der Schirmherrschaft
von Reiseland, agierten. Selbst durften die
Gründer damals im Osten kein Geschäft eröffnen, denn
noch waren es zwei eigenständige Staaten.
BEREITS ZWEI MONATE SPÄTER ERÖFFNETE das erste
Reiseland-Reisebüro in Sondershausen. „Der ganze
Platz vor dem Geschäft war voll mit Menschen“, erzählt
Walter noch immer voller Begeisterung. „Wir verteilten
an einem Tag 7.000 Rosen und unzählige Werbegeschenke
von TUI. Die Leute waren so glücklich – ich
kriege heute noch eine Gänsehaut.“ Die Menschen
waren so hungrig danach, die Welt zu entdecken. Und
Reise land machte es möglich. Die Geschäftspartner
Matthias Walter, Bernd Riedel und schließlich noch
Ralph Schiller – alle drei kamen aus der Branche – boten
ab dem ersten Tag Reisen zu allen Plätzen rund um den
Globus an, ob zu Musicals auf dem Broadway, dem
Amsterdamer Keukenhof oder nach Paris, der Stadt der
Liebe. „Wir mussten zu Beginn für die Reisenden in den
Bussen in Northeim noch einen westdeutschen Übergangspass
ausstellen lassen, da sie als noch offizielle
DDR-Bürger gar nicht hätten ins westliche Ausland fahren
dürfen – es war eine unglaublich aufregende Zeit.“
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mensch
ten, was andere Reiseanbieter nicht vermochten: Bei
Reiseland bekam man bereits 1990 innerhalb nur eines
Tages eine Buchungsbestätigung! In Zeiten, als es in der
ehemaligen DDR nicht einmal in allen Haushalten
Te lefonanschlüsse gab, eine enorme Leistung. Reiseland
wuchs und wuchs. 1991 hatten sie bereits 37 Vertriebsstellen,
zehn Jahre später waren es 204.
MATTHIAS WALTER IST HEUTE 58 JAHRE ALT. In seinen
Augen ist noch immer ein Blitzen, das von der Abenteuerlust
erzählt. Eine Emotion, die ihn mit den Menschen der
ehemaligen DDR aufs Tiefste verband. Die Begeisterung,
die ihn damals antrieb, ist noch immer zu spüren, wenn
er Geschichten aus der Vergangenheit erzählt. Geschichten,
die es nur einmal geben kann. Denn die Jahre nach
der Wende waren für die Menschen auf beiden Seiten der
ehemaligen Grenze absolutes Neuland.
„Im Gegensatz zu manch anderen, die aus dem Westen
kamen, um sich an der Unwissenheit der Menschen im
Osten zu bereichern, haben wir es mit unserem Wunsch,
das Reisen zu ermöglichen und erfolgreiche Unternehmen
aufzubauen, ehrlich gemeint“, sagt Walter ernst.
Anfang 1990 konnten zwischen Ost und West noch keine
rechtskräftigen Verträge abgeschlossen werden. Alles
beruhte auf Vertrauen. Vielleicht war dies ein wesentlicher
Bestandteil des Erfolgsrezepts. „Geld war bei
allem, was wir taten, nicht unsere Motivation – wir
wollten zu den Top 10 der Reisebranche in Deutschland
gehören und auf dem Gebiet der neuen Bundesländer
die Nummer 1 sein, um bessere Konditionen für unser
Kunden auszuhandeln“, erklärt der gebürtige Hesse, für
den das Reisen durch die Welt auch für sich selbst schon
früh ein wichtiger Teil seines Lebens wurde.
DENN BEVOR ER SEINEN TRAUM vom eigenen Reiseunternehmen
verwirklichte, hatte er bereits über zehn
Jahre bei dem großen Anbieter Neckermann – später
Thomas Cook – in Frankfurt/Main gearbeitet. Seine
Ausbildung dort begann er, als er gerade einmal 15 Jahre
alt war. Eigentlich hatte er schon da auf Europareise
gehen wollen, womit sein Vater jedoch aus nachvollziehbaren
Ängsten nicht einverstanden war. Also entschied
sich der Sohn, eine passende Ausbildung zu machen.
„Schule war nicht mein Ding“, sagt Walter immer noch
aus vollster Überzeugung. Und wie sonst hätte er besser
die Welt bereisen können?
Als Angestellter bei Neckermann stand ihm die Welt
offen. „Wir bezahlten damals für so manchen Hin- und
Rückflug gerade einmal 25 Mark – so habe ich in meiner
Jugend die halbe Welt bereist“, erzählt er glücklich. „Ich
war zum Beispiel schon mit 16 zwei Wochen allein in
Kenia, später in Nord- und Westafrika und dann viel in
Asien unterwegs.“ Über das Wochenende ging es für die
Azubis und ,Ausgelernten‘ häuftig an Europas schönste
Badedestinationen. „Das war einfach Teil unserer Ausbildung
– und machte den Reiz daran aus, bei einem
74 3 | 2021
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mensch
großen Reise veranstalter zu arbeiten“, sagt Walter lachend
und erinnert sich daran, dass er mit „Welpenschutz“
im Team immer noch eine mehrsprachige schriftliche
Eltern erlaubnis brauchte, wenn er auf Reisen ging.
Mit 22 Jahren übernahm er dann als jüngster Büroleiter
bei Neckermann das Reisebüro am Gänseliesel in
Göttingen. Knapp vier Jahre später verließ er das Unternehmen
und stand – im Januar 1990 – an einem Scheideweg
in seinem Leben.
DER REST IST SCHNELL ERZÄHLT. Aus Reiseland wurde
bereits nach einem halben Jahr ein Franchise-Unternehmen,
das nun rasant wuchs. Ab der Jahrtausendwende
hatte Reiseland schließlich eine Größe erreicht, die
nach einem neuen Geschäftsmodell verlangte, wenn man
weiterhin auf Wachstum setzen wollte. Im Jahr 1996
stieg die Otto Group ins Unternehmen ein. Walter zog
sich 2000 aus dem operativen Geschäft zurück und verkaufte
vier Jahre später seine Geschäftsanteile. Heute ist
Reiseland ein Teil der Raiffeisen Touristik Group und
betreibt weiterhin über 300 Reisebüros. „Ich habe bis
heute noch zu vielen meiner Partner aus der Anfangszeit
Kontakt“, sagt Walter. „Es freut mich zu sehen, dass die
Büros inzwischen sogar an die nächste Generation
übergeben werden – so wie das erste Büro, das wir in
Sondershausen eröffneten.“
Und was macht der umtriebige Weltenbummler heute?
„Ich bin kein Konzernmensch“, sagt er von sich selbst.
Statt operativem Alltagsgeschäft entwickelt er viel lieber
neue Strategien und Konzepte. So ist er unter anderem
bereits seit 2001 Mitgesellschafter des Göttinger Unternehmens
Emlix, das linuxbasierte Systemlösungen für
industriell genutzte Produkte entwickelt, und seit 2006
Mitgründer des Softwareunternehmens BOSYS aus
Hamburg, das die erste CRM-Software und Digitale
Vertriebsplattform für die Reisebranche auf den deutschen
Markt brachte und Marktführer in diesem Segment
ist. Immer wieder hat er neue Geschäftsideen im
Kopf und den Mut, sie anzugehen. „Wichtig für einen
Erfolg ist ein klares Ziel und der Glaube daran, dass es
geht“, sagt der Unternehmer. Eine Erkenntnis, die ihn
durch viele Gründungen getragen und erfolgreich gemacht
hat.
UND EIGENTLICH IST WALTER, wenn es so etwas gibt,
schon seit seiner Kindheit eine Unternehmerpersönlichkeit
– auch wenn sein allererstes Start-up, das er mit
zwölf Jahren gründete, bereits nach kurzer Zeit von fürsorglichen
Eltern wieder in den Boden gestampft wurde.
„Mein Freund Christoph und ich gründeten damals
‚ChriMa‘: Wir kauften in der Metro große Dosen Süßigkeiten,
füllten diese in selbst gebastelte bunte Tütchen
und verkauften sie an die Nachbarskinder. Als diese
ihr gesamtes Taschengeld zu uns brachten, schritten die
Eltern ein und unterbanden es“, erzählt der dreifache
Familienvater und lacht herzlich auf. „Egal, welche Idee
ich in meinem Leben umsetzte. Meine Maxim war und
ist: Du musst Spaß haben an dem, was du tust.“
Weise Worte – die nun seit dem vergangenen Jahr auch
seine neueste Unternehmung leiten. Mit ‚TAB – The
Alternative Board‘, einem Tool für Businesscoaching, hat
Walter eine Herausforderung gefunden, die ihm wieder
verdammt viel Spaß macht. Unter dem Motto: ‚Unternehmer
teilen ihr Wissen‘ unterstützt er als Coach mit
strategischen Management-Tools andere Unternehmer
und Führungskräfte, neue Chancen zu erkennen und
Ziele zu erreichen. Dabei treffen sich sechs bis acht Mitglieder
in sogenannten Unternehmer-Boards, um sich
gegenseitig bei der Verwirklichung ihrer beruflichen und
persönlichen Ziele zu unterstützen und zu beraten.
EINE NEUE LEBENSAUFGABE – aber das Fernweh ist
dem Weltenbummler bis heute geblieben. Trotz seiner
unzähligen Reisen steht noch eine Region in der Welt auf
seiner Bucket-List: Australien. „Ich hatte nie lange genug
Urlaub, als dass es sich gelohnt hätte, dorthin zu fliegen“,
gesteht der Workaholic aus Leidenschaft und verrät im
gleichen Atemzug, dass sein eigentliches Lieblingsziel
auch gar nicht so weit von Göttingen entfernt liegt. „Ich
liebe einfach Italien. Vor allem wegen des Essens.“ So ist
das mit dem Glück und den Träumen. Nicht immer
muss man sie in weiter Ferne suchen. Sie sind oft näher,
als man denkt. ƒ
Zur Person
Der Wahl-Göttinger Matthias Walter kam Mitte der
1980er-Jahre als Büroleiter für Neckermann-Reisen in die
Universitätsstadt und blieb. Von hier aus startete er als Mitbegründer
von Reiseland seine Karriere als erfolgreicher
Unternehmer. Neben der Gründung von Softwareunternehmen
und der Übernahme eines Fitnessstudios für Frauen
begleitete er in seiner Laufbahn einige Start-ups mit seinen
strategischen Ideen. Seit 2020 teilt er als Businesscoach
sein Wissen mit anderen Unternehmern und Führungskräften.
Außerhalb seiner Berufung als Unternehmer ist er ein
glücklich verheirateter Ehemann, Familienvater und Großvater
mit einer unstillbaren Leidenschaft fürs Reisen,
Kochen, Skifahren, Joggen, Motorradfahren und für Musik.
TAB The Alternative Board
Brauweg 20,
37073 Göttingen
Tel. 0551 50063785
mwalter@tabdeutschland.de
www.thealternativeboard.biz/standorte/matthias-walter
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42 03| 2018
03| 2018 45
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Verlagssonderveröffentlichung Ausgabe 01 20
TOP-ARBEITGEBER
in Südniedersachsen
Muster Logoseite
Ich interessiere mich für:
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ausklappbaren
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PROFIL
top-familienunternehmen
Wohn- und Lebensqualität
CUBUS GmbH & Co. KG, Unternehmer seit mehr als 40 Jahren erfolgreich im Immobilienmarkt.
Ich interessiere mich für:
ein halbseitiges Profil
,Plateau Grün‘ Passivhaus 2021
Parkwohnungen an den Schillerwiesen
D
ie CUBUS Conceptions-, Baubetreuungs-,
Bauträger-Gesellschaft mbH
& Co. KG gehört zu den füh renden
Unternehmen in der südniedersächsischen
Immobilienbranche. Der Geschäftsführende
Gesellschafter Klaus Schneider
und sein Sohn Claus-Henrik Schneider,
stellvertretender Geschäftsführer und Prokurist,
geben einen Einblick über ihr Geschäft,
die aktuellen Herausforderungen
und die Unternehmensnachfolge.
Über CUBUS GmbH & Co. KG …
Wir bewegen uns mit unseren Firmen seit
mehr als 40 Jahren erfolgreich in strukturstarken
und historisch gewachsenen Immobilienmärkten,
dazu gehören neben
Göttingen auch Frankfurt, Düsseldorf, Köln
und Bonn. Unsere jahrzehntelange Erfahrung
setzen wir dabei für unsere Käufer
immer wieder in ein stress- und risikofreies
Bauen um – Bauen und Kaufen sollte
doch Spaß machen! Außerdem ist es immer
wieder faszinierend, dass unsere Liebe
zur Architektur, gepaart mit Qualität,
Kreativität und Know-how unseren Käufern
so ein schönes Domizil beschert. Wir
haben seit 1995 mehr als 300 Eigentumswohnungen
in Göttingen gebaut, mit rund
20.000 Quadratmetern Wohnfläche.
Über das aktuelle Bauvorhaben …
Ende dieses Jahres schließen wir unser
jüngstes Projekt ,Plateau Grün‘ Passivhaus
2021 bereits zwei Jahre vor Zielfertigstellungstermin
ab – mit einem Investitionsvolumen
von mehr als 43 Millionen Euro.
Alle 135 Wohnungen sind bereits verkauft.
Die schon erbauten Gebäude wurden kürzlich
von der Stadt Göttingen mit der „grünen
Hausnummer“, als besondere Leistung
für den Klimaschutz, ausgezeichnet.
Über aktuelle Herausforderungen …
Es gibt deutschlandweit einen hohen Bedarf
an Wohnraum: Die Menschen wollen
zurück in die Zentren, kurze Wege zum Arbeitsplatz
und die Angebote einer Großstadt
zu Fuß oder per Fahrrad oder Stadtbus
wahrnehmen können, sodass auch in
der Stadt Göttingen Wohnungen in vernünftiger
Lage und mit einem adäquaten
Baustandard quasi nicht verfügbar sind.
Es sind mehr Grundstücke notwendig, und
die Verdichtung von Wohnraum ist gefragt.
Die Kapazitäten im Handwerk aus dieser
Region sind ausgeschöpft, und entsprechend
ist Bauen auf unserem hochwertigen,
energetischen Niveau sehr teuer geworden.
Abgesehen davon, dass der Staat
seinerseits ein großer Preistreiber ist.
Über Zukunft und Strategie …
Zunächst wollen wir unsere gewachsene,
stets erfolgreiche Geschäftsphilosophie
weiter umsetzen. Dazu zählen ,Lage, Lage,
Lage‘, eine ansprechende besondere Architektur,
hoch attraktive Grundrisse, welche
stets Unikate sein sollten, und eine
über durchschnittliche Bauausstattung bei
einem attraktiven Preis-Leistungs-Verhältnis.
Den lokalen Schwerpunkt wollen
wir weiterhin erhalten, die Stadt sollte
aber weitere Flächen zur Bebauung zur
Verfügung stellen, damit wir den aktuellen
Bedarf decken können. Hierzu zählt auch
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Ich interessiere mich für:
ein ganzseitiges Profil
PROFIL
PROFIL
top-familienunternehmen
Tradition und Moderne
Die HKS Sicherheitsservice GmbH geht mit Anna-Lena Keilholz erfolgreich in die zweite Generation des
Familienunternehmens.
„Traditionelle Werte wie
Ehrlichkeit und dass
man zu seinen Fehlern
steht – ohne das wären
wir heute nicht dort, wo
wir stehen.“
Anna-Lena Keilholz
ine Tradition entwickelt sich, wenn
man unter anderem moralische Werte
Evon Generation zu Generation weitergibt.
Und wenn diese Werte für das Wachstum
eines Unternehmens mit verantwortlich
sind, umso mehr. Jedoch war der Vater
zweier Töchter und Firmengründer Heiko S.
Keilholz nicht sicher, ob sein 1995 gegründetes
Unternehmen, die HKS Sicherheitsservice
GmbH, tatsächlich in Familienhand
bleiben würde. „Zum Glück stand für meine
ältere Tochter Anna-Lena schon relativ früh
fest, dass sie die Firmennachfolge antreten
möchte. Meine andere Tochter Marie-Luise
entschied sich stattdessen für eine Banklaufbahn“,
sagt der Familienvater durchaus
zufrieden. Bis heute ist der 58-Jährige Geschäftsführer
der Unternehmensgruppe HKS,
die durch schnelles Wachstum inzwischen
ein umfassendes Angebot rund um Sicherheit
zu bieten hat: Sicherheitsservice, Unternehmensberatung,
Projektmanagement
sowie eine Immobilien- und Verwaltungsgesellschaft,
und 2009 kam durch eine Firmenübernahme
die Technikerfahrung der
Wendler Alarmanlagen GmbH hinzu. Seit
Juli 2017 ist Anna-Lena Keilholz nun Geschäftsführerin
des Firmenzweigs HKS Sicherheitsservice
GmbH.
Im Interview mit Vater und Tochter zeigt
sich schnell, wie gut und umsichtig diese
Entscheidung getroffen wurde. „Im Grunde
bin ich mit dieser Firma aufgewachsen. Ich
war bei der Gründung fünf Jahre alt und
ging am Wochenende mit meinem Vater ins
Büro, um Papiere zu schreddern“, erinnert
sich Anna-Lena Keilholz. Sobald sie volljährig
war, arbeitete sie auf Veranstaltungen
und bei Überwachungen mit und verdiente
auf diese Weise während ihres General-
Management-Studiums ihr Geld. Doch allein
mit Ferienjobs war es weder aus ihrer
noch aus der Sicht ihres Vaters getan. Sie
wollten beide umsichtig die Nachfolge planen
und nicht die Fehler vieler anderer Unternehmer
vor ihnen wiederholen, indem
der Senior nur scheinbar bereit ist, seinen
Stuhl zu räumen. „Mir war es wichtig, dass
Anna-Lena ihren eigenen Weg geht und ich
mich aus ihren Entscheidungen heraushalte“,
so Heiko S. Keilholz. Nicht immer hat es
so reibungslos geklappt, aber Fehler gehören
zum Leben, so sieht man es in diesem
Unternehmen. Aber dann muss eben darüber
gesprochen werden – dies sei ein wesentlicher
Aspekt der Unternehmensführung,
das betont auch die neue Geschäftsführerin:
„Transparenz und Kommunikation
mit den Angestellten und den Kunden
gehören bei uns ganz selbstverständlich
dazu. Traditionelle Werte wie Ehrlichkeit
und dass man zu seinen Fehlern steht –
ohne das wären wir heute nicht dort, wo
wir stehen“, sagt Keilholz Junior.
Generationenübergreifende Unternehmensführung:
Anna-Lena und Heiko S. Keilholz
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Wenn Dinge sich fügen
Seit Anika Riedel im vergangenen Jahr die Riedels Ketchup-Manufaktur in Bevern übernahm,
fühlt sie sich endlich angekommen. Als Inhaberin eines kleinen Familienbetriebs und als Vorstand im
Erzeugerverband ,Kostbares Südniedersachsen‘ verrät sie ihr Erfolgsrezept für regionale Produkte.
TEXT CLAUDIA KLAFT FOTOGRAFIE ALCIRO THEODORO DA SILVA
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Jetzt sehe ich, dass alles, was in meinem Leben vorher
passiert ist, einen Sinn hatte“, sagt Anika Riedel
freudestrahlend, umgeben von gestapelten Holzpaletten
mit hübsch sortierten Ketchup- Flaschen
und Präsentkartons. „Denn es hat mich hierhin
geführt, an den richtigen Platz.“ Im April vergangenen
Jahres hat die 41-Jährige die Geschäftsführung der Riedels
Ketchup-Manufaktur in Bevern, einem Flecken im Landkreis
Holzminden, von ihrem Vater übernommen, mitten
in Corona-Zeiten. Ein bürokratischer Hürdenlauf sei
es gewesen. „Der ,Laden‘ ist auch definitiv noch ausbaufähig“,
erklärt sie, lächelt und blickt sich um. Bislang
dient nur eine kleine Ausstellungsfläche als Ketchup-Geschäft,
platziert inmitten des recht nüchternen Getränkemarkts
der Familie.
Doch die Aus- und Umbaupläne müssen warten, denn
das Geschäft mit dem Ketchup floriert und fordert aktuell
viel Einsatz. „Seit dem Shutdown haben Webshop
und der Verkauf im regionalen Einzelhandel richtig
Schwung aufgenommen – unser Umsatz ist um 40 Prozent
gestiegen“, erzählt Riedel. Eine positive Entwicklung,
die dem kleinen Betrieb viel abverlangt. Ihr Vater
Achim Riedel, der für die Produktion des Ketchups zuständig
ist, kommt gerade dazu und erzählt, dass er im
vergangenen Jahr insgesamt 55.000 Flaschen und Gläser
abgefüllt habe – manuell. Er setzt sich zu seiner Tochter,
nickt bedächtig und sagt: „Während manche in dieser
Zeit weniger Arbeit hatten, ging es bei uns rund um die
Uhr.“ Um Nachfrage und Versand bedienen zu können,
haben sie kurzerhand den Getränkemarkt nur noch ab
donnerstags geöffnet. Die Ketchup-Manufaktur ist bis
dato eben noch ein originärer Familienbetrieb, in dem
Zubereitung, Abfüllen, Etikettieren und Verpacken Handarbeit
ist – das braucht seine Zeit. Während der Vater als
„Innenminister“, sagt Anika Riedel, für die Manufaktur
der aktuell über 15 verschiedenen Sorten zuständig ist,
kümmert sie sich als „Außenministerin“ um Vertrieb,
Märkte, Organisation, Design und Marketing sowie um
die Entwicklung von Rezep tideen (siehe auch Seite 80).
»Wir haben ein neues Konzept erarbeitet,
das die regionalen Produzenten mit den
Hof- und Dorfläden noch enger miteinander
vernetzen soll, und wir wollen
die Sichtbarkeit der kleineren
Produzenten weiter hervorheben. «
SIE IST GERN UNTERWEGS, lässt sich inspirieren, knüpft
Netzwerke. Und so wurde sie, nachdem sie zuvor eine
solche Position auch schon bei den Wirtschaftsjunioren in
Holzminden innehatte, vergangenes Jahr auch beim
Regio nalen Erzeugerverband in den Vorstand gewählt.
Jetzt engagiert sie dort sich für die Weiterentwicklung der
Marke ‚Kostbares Südniedersachsen‘. „Wir haben ein
neues Konzept erarbeitet, das die regionalen Produzenten
mit den Hof- und Dorfläden noch enger miteinander
vernetzen soll“, erzählt Riedel. „Und wir wollen die
Sichtbarkeit der kleineren Produzenten weiter hervorheben.“
Dabei sei die Problematik der Begriffe Bio, Regionalität
und Qualität durchaus ein Thema: Da habe jeder
andere Vorstellungen. „Das Verbindende unserer Mitglieder
ist die regionale Wertschöpfung und der gemeinsame
Austausch darüber, welche Produkte oder Hersteller
vor Ort wir in unsere eigenen Prozesse einbinden
können.“
FÜR DAS TOMATENMARK IN RIEDELS KETCHUP gibt
es allerdings noch keinen deutschen Hersteller. „Deutschland
ist eben kein klassisches Anbaugebiet für Tomaten“,
erklärt die Geschäftsführerin. Sie beziehe es aus vertrauenswürdiger
Quelle und in geprüfter Qualität aus Spanien.
Aber für andere Ingredienzen ihrer Sorten habe sie
selbstverständlich Zulieferer aus der Region: die Einbecker
Senfmühle, die Brauerei Allersheim, die Imkereien
Schrimpf und Abendroth, Janniks Gourmet-Essig.
Vom Rittergut Meinbrexen kommen die Erdbeeren für
den Erdbeer-Ketchup, und die Ölmühle Solling liefert
den Kokosblütenzucker, der mit einem sehr niedrigen
glykämischen Wert den zuckerreduzierten Varianten Geschmack
gibt. „Es gibt Menschen, die im Ketchup keinen
Zucker wollen, aber ganz ohne geht es einfach
nicht“, sagt Achim Riedel. Vieles haben sie schon ausprobiert
und verwenden neben der exotischen Variante
auch natürlichen Rohrzucker: Er sei gesünder als Invertzucker
oder Glukosesirup, die sonst in Ketchup üblich
sind – außerdem ist er viel bekömmlicher.
Und damit kommen wir zum offenen Geheimnis von
Riedels Ketchup: Für Rezeptur, Sensorik, Geschmack
und Duft ist Achim Riedel der Profi, der beruflich
dafür ausgebildet ist. Jahrzehntelang war er als Gewürzkontrolleur
tätig und weiß genau, welche Mischung und
Fermentierung beim Kochen ein optimales Ergebnis liefern.
„Wir nennen es die fruchtig-frische Geschmacksexplosion“,
sagt die Tochter mit einem stolzen Seitenblick
auf ihren Vater. Sie weiß, dass es irgendwann eine
besondere Herausforderung wird, eine Nachfolge für
ihn zu finden. „Um an ihn heranzureichen, müsste ich
mich definitiv sensorisch noch weiterentwickeln“, sagt
Anika Riedel. „Zwar habe auch ich eine extrem feine
Nase – aber leider auch das Problem, dass ich ganz stark
auf Gewürze reagiere und aufpassen muss.“
3 |2021 79
mensch
Und eben diese Lebensmittelunverträglichkeiten sowie
ihre damit zusammenhängende schwere Neurodermitis
bereits in der Kindheit waren auch die Initialzündung für
das familiäre Ketchup-Rezept. Gesund, bekömmlich, ohne
Konservierungsmittel und künstliche Zusatzstoffe entwickelte
Achim Riedel 1986 für seine damals sechsjährige
Tochter seinen ersten eigenen Ketchup – der kurz darauf
auch auf dem kleinen Weihnachtsmarkt im Ort großen
Zuspruch fand. Erst 2006 begann er, den Ketchup in
kleinen Läden vor Ort zu verkaufen, und blieb auch
dabei, als er 2012 den Getränkemarkt eröffnete. Erst
sechs Jahre später wagte er den Sprung, aus dem Hobby
ein Unternehmen zu machen. Seine Tochter war gerade
mit einem schweren Neurodermitis-Schub aus Berlin zurückgekehrt.
„Für mich ein ganz klares Zeichen, dass ich
mich auch beruflich umorientieren muss“, erzählt die
studierte Immobilienwirtin heute.
Sie blickte damals auf ihre Erfahrungen in der Projektleitung,
im Kundenservice und bei Promotion- Aktivitäten
zurück, reflektierte ihre eigene krankheitsbedingte bewusste
Ernährungsweise und beschloss, ins Ketchup-
Geschäft einzusteigen. Eine Entscheidung, die sogar ihre
Neurodermitis zurückgehen ließ. Seitdem ist sie beschwerdefrei.
„Es ist einfach schön, mit der Familie zusammen
zu leben und zu arbeiten“, sagt sie glücklich. So
unterstützt ihre Stiefmutter Venee den Vater bei der sensorischen
Tätigkeit und verantwortet den Laden sowie
den Versand, während ihre Mutter im Kundenservice
arbeitet. Um die Belieferung und die Regalpflege des regionalen
Einzelhandels und der kleineren Hofläden im
Umkreis kümmert sich ein Angestellter. „Dadurch stellen
wir sicher, dass immer genügend Ware bereitsteht –
und unsere Vertriebspartner sind zufrieden, weil sie sich
nicht selbst um das Auffüllen kümmern müssen.“
DER PERSÖNLICHE UND GUTE KONTAKT nicht nur zu
den Dorfbewohnern, sondern gerade auch zu Kunden und
Lieferanten ist der Geschäftsfrau immens wichtig – all ihre
Beziehungen haben bewusst familiären Charakter: ein
kurzer Anruf, wie es so läuft, ob im Verkauf alles in Ordnung
ist, oder einfach eine Rückmeldung einholen, wie es
denn geschmeckt hat. „Persönlicher Service, gepaart mit
überzeugendem Geschmack – das ist das Erfolgsrezept unserer
kleinen Manufaktur. Das ist es, was mir Spaß und
den Leuten Freude macht“, sagt Anika Riedel und lächelt
wieder. Sie ist definitiv am richtigen Platz. ƒ
Oma Veras ultimative Nudelsauce
Calvados-Zimt-Ketchup im Apfelkuchen (vegan)
Zutaten
Nudeln, am besten
Maccheroni, Cannolicchi oder
Penne, da sich hier die Sauce
so richtig schön
einsaugen kann
200 g Mett
mind. 250 ml Riedels
Curry-Klassisch
1 Becher Sahne
Butter
Mehl
evtl. Salz & Pfeffer
Zubereitung
1. Mehlschwitze anrühren, das heißt Butter
in einem Topf erhitzen, den Topf vom Herd
nehmen und Mehl nach und nach mit einem
Schneebesen einrühren. Anschließend
nochmal bei mittlerer Hitze ca. 5 Minuten
unter ständigem Rühren anschwitzen.
2. Nun mit der Sahne ablöschen und danach
den Riedels Ketchup einrühren.
3. Als Nächstes das Hackfleisch in sehr kleine
Klößchen formen und in die Sauce werfen.
Die Sauce noch etwa 10 Minuten auf
kleiner bis mittlerer Hitze kochen lassen,
bis das Fleisch durch ist.
4. In der Zwischenzeit Wasser für die Nudeln
aufsetzen und die Nudeln nach Packungshinweis
zubereiten.
5. Die Nudeln auf einen Teller geben und
großzügig mit Sauce bedecken.
Zutaten
2 x 350 g Blätterteig
aus dem Kühlfach
100 ml Calvados-
Zimt-Ketchup
800 g Äpfel, süß-säuerlich
etwas Zimtzucker
etwas Pflanzenmilch
zum Bestreichen
Puderzucker
(optional Eis)
Zubereitung
1. Äpfel schälen, vierteln, Kerngehäuse entfernen
und in kleine Stücke schneiden. Die Stücke
in einen Kochtopf mit ein wenig Wasser
geben und ca. 10 Minuten köcheln lassen,
bis sie etwas weich sind. Zum Ende Riedels
Calvados-Zimt-Ketchup dazugeben.
2. In der Zwischenzeit den Backofen auf
200°C vorheizen. Backpapier auf einem
Backblech auslegen und den Blätterteig
ausrollen. Nun das ,Apfelmus‘ auf dem Teig
verteilen und den zweiten Teig darauflegen.
Diesen mit etwas Milch bepinseln und mit
Zimtzucker bestreuen.
3. Wenn man den Kuchen als Snack-Stäbchen
servieren möchte, sollte man den Teig jetzt
in lange Streifen und einmal quer schneiden.
4. Den Kuchen 20 bis 25 Minuten backen,
bis er goldbraun ist.
5. Ein wenig abkühlen lassen und mit
Puderzucker bestreuen.
80 3 | 2021
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Plan A hat funktioniert
Birgitt Witter-Wirsam, Inhaberin von HolzLand Hasselbach in Rosdorf, hat die
Unternehmensnachfolge geregelt: Der Betrieb kann in der Familie bleiben –
Sohn Michael Wirsam ist seit 2020 in die Geschäftsführung aufgerückt und führt
das Unternehmen nun hauptverantwortlich.
Unternehmensnachfolgen in Familienunternehmen
sind ein kompliziertes
Thema. Als langjährige Aufsichtsratsvorsitzende
in der europäischen Händlervereinigung
HolzLand-Kooperation und als Vizepräsidentin
der IHK Hannover kennt Birgitt
Witter-Wirsam, Geschäftsführerin von Holz-
Land Hasselbach, viele Geschichten, die nicht
gut ausgegangen sind. „Deswegen habe ich
meine Hausaufgaben gemacht und alles von
langer Hand vorbereitet“, sagt Witter-Wirsam.
Die Planungen reichen bis 2009 zurück, als
Witter-Wirsam das Areal direkt am Rosdorfer
Kreisel mit einem großen Neubau erschloss.
„Die Gesellschafterverträge wurden so angelegt,
dass es einen Plan A und einen Plan B
gab.“ Plan A war Sohn Michael, Jahrgang 1985
und damals noch in der Endphase seines Betriebswirtschaftsstudiums.
Er sollte die Möglichkeit
bekommen, den Betrieb später einmal
zu übernehmen, aber ohne, dass es dabei
Druck gab. „Die größte Bürde für Kinder in
Unternehmerfamilien ist die Erwartung, dass
sie das Unternehmen übernehmen müssen.
Das wollte ich nicht“, sagt Witter-Wirsam.
Für Michael Wirsam ging es nach dem Studium
zunächst weg aus Göttingen: „Ich wollte
erst einmal ins Berufsleben eintauchen.“ Zuerst
bei einem Logistikkonzern, anschließend
bei einem Start-up im Bereich E-Mobilität.
„Und dann kam die Kaltakquise meiner Mutter.“
Ein HolzLand-Betrieb in München meldete
Insolvenz an und bot damit die Chance zur
Übernahme.
HOLZLAND KERN, der Betrieb in München,
ist etwas kleiner als das Mutterhaus in Rosdorf.
„Die Idee war, dass ich mich eigenverantwortlich
um das Unternehmen kümmern
musste und so über mehrere Jahre ausprobieren
konnte, wie es ist, Unternehmer zu sein“,
sagt Michael Wirsam. „Die Konzernwelt ist
schön, aber man muss dafür geboren sein. Es
war gut, das vorher gemacht zu haben, weil
ich gemerkt habe, dass ich zwar gerne viel
arbeite, aber Ideen gewinnbringender im eigenen
Unternehmen ein- und umsetzen kann.“
Es war eine Unternehmens nachfolge auf 500
Kilometer Distanz, die 2013 begann.
Beide Betriebe sind als eigenständige
GmbHs organisiert, Synergieeffekte wurden
zwar in einer gemeinsamen EDV, Buchhaltung
und im Einkauf genutzt, aber ansonsten
war Michael Wirsam ganz für seinen Betrieb
verantwortlich. „Mein Sohn hat zwar das Eigenkapital
für den Betrieb bekommen, aber
den Rest, also den eigentlichen unternehmerischen
Erfolg, musste er sich selbst erarbeiten.
Damit war der Druck da, Gas zu geben“,
so Birgitt Witter-Wirsam. „Und wenn er nach
fünf Jahren gesagt hätte, das ist nichts für ihn,
wäre das auch ok gewesen.“
Doch stattdessen lief es. „Klar habe ich mir
meine blauen Flecken geholt“, sagt Michael
Wirsam. Die ersten Kundengespräche, die
nicht so „zuckersüß“ waren, Abwanderung
von Personal, Fehlanschaffungen. „Aber ich
konnte den Scherbenhaufen klein halten, weil
ich mit meiner Mutter immer jemanden im
Hintergrund hatte, den ich anrufen konnte.“
Acht Jahre nebeneinander und doch miteinander
zu arbeiten, liefen gut – und Michael
Wirsam entschloss sich, dabeizubleiben. „Ich
habe gemerkt, dass mir das Unternehmersein
Spaß macht: sich flexibel dem Markt anpassen
können, Neues ausprobieren, die Verantwortung
gegenüber der Belegschaft und den
Kunden zu tragen.“
So rückte Michael Wirsam 2020 in die Geschäftsführung
des Mutterunternehmens auf
und kehrte wieder nach Südniedersachsen
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FOTO: ALCIRO THEODORO DA SILVA
PROFIL
Fest in Familienhand Birgitt Witter-Wirsam, Geschäftsführerin von HolzLand Hasselbach, gibt das Zepter an Sohn Michael Wirsam weiter.
zurück. Der Münchener Betrieb wird jetzt
von einer Standortleiterin weitergeführt. Die
plötzlich sehr enge Zusammenarbeit lief
problemlos, der Umgang auf Augenhöhe
klappte. 2021 vollzieht sich daher die nächste
Etappe im langsamen Führungswechsel, indem
Michael Wirsam die Verantwortung für
HolzLand Hassel bach übernimmt und Birgitt
Witter-Wirsam in den Hintergrund tritt.
„Es gibt diesen Spruch: Neue Besen kehren
gut, aber die alten Besen wissen, wie man in
die Ecken kommt. Daher ergänzen wir uns
sehr gut“, erklärt Witter-Wirsam. Sie sieht die
Staffelübergabe an die nächste Generation
gelassen. „Ich hatte in der Regel Sechs-Tage-
Wochen und Zwölf-Stunden-Tage, es war nie
wirklich drin, sich mal eine Auszeit zu nehmen.
Jetzt freue ich mich auf die neuen Freiheiten,
mehr mit meinen beiden Enkeln zu
machen und mich ohne schlechtes Gewissen
auch mal zum Kaffee zu verabreden.“
MICHAEL WIRSAM SIEHT sein Unternehmen
gut aufgestellt, doch die Herausforderungen
stehen schon vor der Tür: wie etwa die immer
schwieriger werdende Suche nach Fachpersonal
oder die Entscheidung für oder gegen
den Onlinehandel. „Wir werden unser Profil
als Fachmarkt mit bauspezifischen Produkten
weiter schärfen müssen und uns immer mehr
zum Dienstleister entwickeln“, sagt Michael
Wirsam und gibt damit einen Ausblick. Die
Kunden wollten inzwischen nicht nur das Parkett
kaufen, sondern es auch zu Hause montiert
bekommen – das alles macht auch heute
schon sehr professionell die angeschlossene
Tischlerei. Und noch ein Großprojekt steht an:
Der ehemalige Göttinger Schlachthof direkt
neben dem Hasselbach-Gelände wurde gekauft
und soll als Gewerbeareal für Einzelhandel,
Büros und Praxen entwickelt werden, wer
also Interesse hat, darf sich gerne melden.
DOCH ZUNÄCHST EINMAL wird gefeiert:
die Übergabe des Unternehmens an die
inzwischen fünfte Familiengeneration und
pandemiebedingt mit einem Jahr Verspätung
auch das 135-jährige Firmenjubiläum. „Ich
will damit auch allen Weggefährten, die mich
über 40 Jahre begleitet haben“, so Birgitt Witter-Wirsam,
„Danke sagen und würde mich
sehr freuen, wenn Sie alle unserem Unternehmen
weiterhin treu bleiben. “
TEXT: SVEN GRÜNEWALD
KONTAKT
HolzLand Hasselbach
Am Flüthedamm 2
37124 Rosdorf (Göttingen)
Tel. 0551 50099 0
info@holzland-hasselbach.de
www.holzland-hasselbach.de
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Mit moderner IT die
Pandemie meistern
Ein Unternehmen durch Lockdowns steuern, die Belegschaft motivieren und Rahmenbedingungen
für das Homeoffice schaffen – die Anforderungen, die die Corona-Pandemie an Unternehmen
stellt, sind vielfältig. SerNet lud Dr. Friedhelm Rudolph, Leiter IT und Controlling der POCO
Einrichtungsmärkte GmbH, und Olaf Feuerstein, Geschäftsführender Gesellschafter der Hotel
Freizeit In GmbH, zu einem Erfahrungsaustausch ein.
Wir haben tief in die
Methodenkiste gegriffen,
neue Ansätze für die Unternehmenssteuerung
gesucht
und werden hieran auch
künftig weiter arbeiten.
DR. FRIEDHELM RUDOLPH
Als IT-Dienstleisterin hatte die SerNet in den
vergangenen Monaten viel zu tun. Aber wie
sah es bei Einrichtungsmärkten und in der
Hotel- & Gastro-Branche aus – wie sind Sie
bei POCO und im Freizeit In durch diese
Zeit gekommen?
Dr. Friedhelm Rudolph: Bei Poco arbeiten über
8.000 Menschen in 125 Einrichtungsmärkten
und zwei Unternehmenszentralen. Wir mussten
sehr schnell umorganisieren, einen großen
Teil der Betriebsangehörigen in die Kurzarbeit
schicken. Vor allem aber mussten wir uns
immer wieder mit vielen unterschiedlichen
Regelungen in den Bundesländern auseinandersetzen,
zum Beispiel hat NRW plötzlich
beschlossen, dass Möbelgeschäfte besonders
wichtig sind und öffnen sollen.
Olaf Feuerstein: Am 18. März 2020 habe ich
ein Meeting einberufen und dem Betrieb verkündet,
dass wir den großen Freizeit-In-Hotelkomplex
runterfahren müssen. Das war surreal.
Einige weinten voller Existenzängste. Ein großes
Lob geht an dieser Stelle an die Agentur
für Arbeit Göttingen, die uns in Sachen Kurzarbeit
und Kurzarbeitergeld hervorragend unterstützt
hat. Der erste Lockdown hatte noch fast
Abenteuer-Charakter. Wir haben Sachen abgeschaltet,
die in 30 Jahren noch nie abgeschaltet
waren. Und wir kennen jetzt unsere realen
Grenzkosten. An manchen Tagen waren wir zu
dritt vor Ort, nur damit der Laden nicht ausgeräumt
wird. Wo immer möglich, haben wir Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter ins Home office
geschickt. Das geht in einem Hotelbetrieb natürlich
nur bei wenigen Tätigkeiten, und nicht
alle können gut von zu Hause aus arbeiten.
Wie sah es bei Poco mit Homeoffice aus?
Rudolph: Das war für uns kein gänzlich neues
Thema, sondern ein über die Jahre gewachsenes.
Ich nutze schon seit 1994 einen
mobilen Arbeitsplatz, Anfang 2020 waren wir
bei 250 Plätzen über alle Abteilungen hinweg.
Mit Beginn der Corona-Pandemie haben wir
binnen Wochenfrist auf 500 aufgerüstet und
alle Notebooks aufgekauft, die irgendwie am
Markt greifbar waren.
War der Wechsel von der klassischen
Arbeitssituation vom Büro ins Homeoffice
unproblematisch?
Rudolph: Bislang hat vor allem unser Einkauf
mobil gearbeitet, jetzt haben auch Bereiche
wie die Finanzbuchhaltung nachgezogen. Mit
SerNet als Partner haben wir außerdem vor
ungefähr zehn Jahren unsere Infrastruktur mit
gesicherten Zugängen in das Firmennetzwerk
neu aufgestellt. Das konnten wir sehr schnell
und unkompliziert ausbauen.
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FOTO: WILLEM ROTHE
PROFIL
Dr. Friedhelm Rudolph (links) und Olaf Feuerstein (rechts) mit SerNet-Geschäftsführer Dr. Johannes Loxen
Feuerstein: Ähnlich sieht es bei uns aus. Alle
Geschäftsprozesse hängen an der IT – und
alles hängt am sicheren Zugriff. SerNet ist in
Sachen IT-Sicherheit extrem gründlich. Das
hat natürlich seinen Preis, ist aber für ein Unternehmen
überlebenswichtig.
Wie haben Sie es geschafft, die Belegschaft
zu motivieren?
Feuerstein: Unserem gesamten Team war
es extrem wichtig, gegenseitige Hilfe zu demonstrieren
und das Gefühl zu bekommen,
auch etwas Sinnvolles beitragen zu können.
Zum Beispiel haben wir die leer stehenden
Zimmer den Angestellten der Corona- Station
des Uni-Klinikums angeboten. So mussten
viele nach einer erschöpfenden Schicht
nicht noch mit dem Auto pendeln. Und es
war wichtig, die Perspektive zu geben, dass
es weitergeht. Auch darum haben wir im Mai,
gleich nach dem Lockdown, mit dem Liesel
ein Shabby-Chic-Café direkt am Göttinger
Gänse liesel aufgemacht. Mit der Unterstützung
durch SerNet war die Inbetriebnahme
des WLAN im etwas verschachtelten Altbau
kein Problem.
Wie geht es nun weiter?
Rudolph: Für uns war der erste Lockdown eine
gute Übung, und wir haben das als Chance für
Erneuerung wahrgenommen. Wir haben tief
in die Methodenkiste gegriffen, neue Ansätze
für die Unternehmenssteuerung gesucht und
werden hieran auch künftig weiter arbeiten.
Mit dem zweiten Lockdown über viele Monate
hatten wir aber nicht gerechnet. Diese großen
Verluste müssen wir nun im zweiten Halbjahr
2021 aufholen. Zum Glück für uns hat das
anfängliche ,Cocooning‘ zu einem Boom in
der Möbelbranche geführt. Inzwischen haben
sich aber alle ausgestattet.
Feuerstein: Wir sehen an der Vorbuchungsquote,
dass die Gäste zurückkommen. Als
Reisende, als Tagende – aber sie kommen
anders zurück. Vor allem wird das Hybride
als Veranstaltungsformat bleiben, und wir
freuen uns jetzt, dass wir diesen Trend auch
schon vor der Pandemie gesehen und uns mit
schnellem Internet und gutem WLAN darauf
eingestellt hatten. Dabei gibt es viele neue
Möglichkeiten zu entdecken. Außerdem wollen
wir erheblich expandieren – auch in Göttingen.
Es bleibt also spannend.
Danke für das Gespräch und viel Erfolg für
die kommende Zeit!
INTERVIEW: CLAUDIA KRELL
KONTAKT
SerNet GmbH
Bahnhofsallee 1b
37081 Göttingen
Tel. 0551-370000-0
kontakt@sernet.de
www.sernet.de
KONTAKT
POCO Einrichtungsmärkte GmbH
Schulstr. 2+5
37181 Hardegsen
info@poco.de
www.poco.de
KONTAKT
Hotel Freizeit In GmbH
Dransfelder Straße 3
37079 Göttingen
Tel. 0551-9001-0
info@freizeit-in.de
www.freizeit-in.de
leben
86 3 |2021
leben
Spiel, um zu wachsen!
Gabriel von Berlepsch und Rebecca Klingenberg begleiten Menschen mit ihrem Format Playtogrow
(schau)spielerisch auf einer Reise zu sich selbst und zu mehr Kreativität im Team.
TEXT CHRISTIAN VOGELBEIN FOTO CHRISTOPH TÜRKAY
3 |2021 87
leben
» Es ist toll zu sehen, was in der kurzen
Zeit entsteht und wer sich öffnet.
Menschen begegnen sich im Team
plötzlich auf Augenhöhe und
entwickeln tolle Qualitäten. «
GABRIEL VON BERLEPSCH
LESEZEIT: 6 MINUTEN
Stellen Sie sich kurz vor, Sie sitzen in einem
leeren Raum. Der leere Raum füllt sich in
Ihrem Kopf: An der linken Wand befindet
sich ein Bücherregal. Sie greifen hinein,
finden ein Buch mit leerem Cover. Mit ein
bisschen Fantasie füllt sich die farblose
Vorderseite. Das Buch bekommt einen
Namen, einen Titel, ein Bild und die ersten 20 Seiten,
dann 20 Seiten mehr. Auf der Rückseite wächst eine Zusammenfassung.
Wort für Wort, Satz für Satz, Sinn für
Sinn. Gewachsen in Ihrem Kopf, aus einer einfachen
Aufforderung: Greifen Sie in das Bücherregal – das es gar
nicht gibt. So oder so ähnlich beginnt eine Begegnung
mit Rebecca Klingenberg und Gabriel von Berlepsch.
Die beiden Schauspielenden gehören seit sieben Jahren
zum Ensemble des Deutschen Theaters – heute sind sie
auch abseits der großen Bühne ein gut eingespieltes Paar,
sowohl beruflich als auch privat.
ES IST EIN TYPISCH DEUTSCHER SPÄTSOMMERTAG,
als wir sie in ihrer Göttinger Altbauwohnung treffen.
Während draußen der warme Regen auf den Rasen prasselt,
gibt es Kekse, Tee und Kaffee. Das bisschen Licht
fällt trotz allem hell an die hohen Wände des Wohnzimmers
der kleinen Familie. Vor einer sonst freien Wand ist
eine riesige schwarze Leinwand aufgebaut, davor ein
Bühnen licht und eine Kamera. Als im vergangenen Jahr
Corona kam, waren die beiden Schauspieler dankbar für
ihre Anstellung am Deutschen Theater in Göttingen.
Denn statt das Ende der Karriere befürchten zu müssen,
wechselten sie ,nur‘ in Kurzarbeit. „Mit der zweiten Welle
hat es uns dann aber auch gereicht. Unser Beruf ist
sehr bedroht – wir brauchen das Publikum“, sagt Gabriel
von Berlepsch ernst. „Und wir hatten plötzlich sehr
viel Zeit“, ergänzt Rebecca Klingenberg. Zeit zu Hause
für die zwei Kinder, Zeit für sich, für Ideen. Und für ein
Projekt, das sie schon vor dem Jahr 2020 und seinen Folgen
begonnen hatten – das aber nun erst so richtig Fahrt
aufnahm.
MIT PLAYTOGROW haben die zwei Bühnenkünstler gemeinsam
ein Konzept entwickelt, mit dessen Hilfe sie
anderen Menschen spielerisch zu innerem Wachstum
verhelfen wollen. Oder besser: schauspielerisch. Denn
hier greifen sie tief in die Trickkiste ihres Berufes, regen
Sprache und Fantasie an und bringen Menschen in
Bewegung – sowohl physisch als auch mental. Wer
Klingenberg und von Berlepsch engagiert, sucht entweder
im Einzeltraining für sich persönlich oder in Verantwortung
für ein ganzes Team neue Wege. Privatpersonen,
Geschäftsführer oder ganze Abteilungen werden
durch das Coaching gestärkt. Das Versprechen der beiden:
Gruppen arbeiten hinterher nicht nur effizienter,
sondern auch mit Freude und Geist zusammen, weil sie
die Grundsätze co-kreativen Arbeitens spielerisch erlernt
haben.
Im Einzelcoaching geht es ans Eingemachte: Es gibt
Feedback zu Körpersprache, Stimme, Atmung, Haltung
und Wirkung des Teilnehmenden. Klingenberg und von
Berlepsch unterstützen bei Auftritten und Reden, lehren
Dramaturgie und die Fähigkeit, in komplexen Bildern
zu sprechen. Ihr volles Potenzial entfaltet Playtogrow
jedoch erst im Teamcoaching. Denn: „Wahre
kreative Energie und Schaffenskraft entsteht nicht allein
in der stillen Kammer, sondern durch den Austausch
in der Gruppe und gemeinsame Interaktion“,
erklärt Klingenberg ihre Theorie. Dabei schaffen sie
einen Raum der Begegnung, lassen Bewegung und Entfaltung
zu und regen spielerisch die Team-Dynamik an.
Normalerweise wird dann für einen halben bis zwei
Tage ein Raum gemietet, die bis zu 20 Teilnehmende
kommen dann über mehrere Stunden zusammen. „Wir
holen die Leute ab und zeigen, dass mit kleinen Werkzeugen
aus dem Theaterbereich die Kreativität von
ganz allein kommt. Denn wer sich anstrengt, kreativ zu
sein, wird schnell merken, dass das nur mäßig nicht
klappt“, erklärt von Berlepsch. Als dritter Sohn der
Grafenfamilie von Berlepsch wuchs er im Schloss bei
Witzenhausen auf, bevor er seine Schauspielausbildung
in Rostock absolvierte. Inzwischen ist er neben der
Theaterbühne auch immer wieder im TV zu sehen.
„Und im Team sind Menschen einfach per se kreativer“,
sagt auch noch einmal die gebürtige Bremerin an seiner
Seite, die ihre Ausbildung in Zürich genoss und bereits
zahlreiche Hörspiele für den SWR und das Schweizer
Radio DRS aufnahm. „Das kreative, einsame Genie ist
eher ein Mythos.“
88 3 | 2021
leben
WIE DIE SCHAUSPIELER auf der Bühne des Theaters, so
blühen auch die Teilnehmer der Workshops auf und entdecken
Stärken und Talente in sich – auch ohne Talent
zur Schauspielerei. Das gelingt von Berlepsch und Klingenberg
oftmals schon in der ersten Stunde. „Wenn wir
im Raum ankommen, uns bewegen, spielerisch eine offene
Geisteshaltung einnehmen, bauen sich Ängste ganz
von selbst ab “, sagt Klingenberg. „So wie auch wir vor
unseren Auftritten immer noch aufgeregt sein können,
so geht es auch unseren Teilnehmenden. Sie wissen ja
nicht, was sie gleich erwartet.“
Sich mit anderen Menschen zu verbinden, aufmerksam
zu sein und den Moment bewusst zu erleben und
einzuschätzen, ist nur eine Auswahl der Fähigkeiten, die
durch Playtogrow geweckt werden. „Es ist toll zu sehen,
was in der kurzen Zeit entsteht und wer sich öffnet.
Menschen begegnen sich im Team plötzlich auf Augenhöhe
und entwickeln tolle Qualitäten“, erzählt von Berlepsch.
Neue Farben und Facetten in sich zu entdecken,
ist eben nicht nur auf das Schauspielerdasein beschränkt,
sondern darf auch im realen Leben passieren, im Alltag
und in der Arbeitswelt. Und genau das lernen die Teilnehmer.
DIE VERGANGENEN MONATE bedeuteten für Playtogrow
einen Umzug in die digitale Welt. Statt in einem
Kursraum begegnete man sich nun auf einmal via
Zoom-Meeting. „Wir konnten uns erst gar nicht vorstellen,
dass das funktioniert“, sagt von Berlepsch. „Theater
ist etwas sehr Analoges: sehen, riechen, erleben. Man
setzt sich da hin, es passiert live, und man könnte es sogar
anfassen. Ganz ohne Instagram-Filter.“ Stattdessen
war man nun durch Raum und Bildschirme getrennt.
„Wir sind ins kalte Wasser gesprungen, weil es eine Anfrage
gab“, sagt von Berlepsch. „Und wir waren überrascht,
wie gut auch das funktioniert: Wir, aber auch die
Menschen vor den Computern, hatten riesigen Spaß.“
Die digitale Distanz war für einige sogar Segen statt
Fluch. „Eine Teilnehmerin sagte, dass es für sie so sogar
einfacher war, sich darauf einzulassen“, erzählt Klingenberg,
„weil sie geschützt zu Hause saß.“
MITTLERWEILE KEHREN DIE SCHAUSPIELER auch wieder
auf die richtige Bühne des Deutschen Theaters zurück,
wenn auch nur schrittweise. Diesem Ort gehört
auch weiterhin ihr Herz, da sind sie sich einig. Von
Kollegen bekommen sie Zuspruch für Playtogrow, doch
sich nur noch ganz dem einen oder anderen widmen –
das können und wollen sie noch nicht. „Wir machen
beides, weil es uns Freude bereitet und glücklich macht“,
sagt von Berlepsch. Es sei genau diese Abwechslung, die
ihr Leben und eben auch der erlernte Beruf mit sich
bringt. Eine Begeisterung und Leidenschaft, die sie gern
an Menschen weitergeben, die sonst im Alltag anderen
Dingen nachgehen – und auf diesem Weg vielleicht sogar
ungeahnte Talente in sich entdecken. ƒ
35. faktor-Business-Lounge
PLAYTOGROW – Die Show für Persönlichkeitsentwicklung
und Team-Kreativität
Die beste Voraussetzung für gut funktionierende Teams
sind ein kreatives Zusammenspiel und Selbstsicherheit im
Alltag. Beides kann man trainieren – und es macht Spaß!
Als Profi-Schauspieler am Deutschen Theater Göttingen
vermitteln Rebecca Klingenberg und Gabriel von Berlepsch
spielerisch die Grundlagen von mehr Präsenz und
gesteigerter Co-Kreativität im Team:
Starke und authentische Botschaften: Atem, Stimme und
Haltung als Tool nutzen
Kreativität unleashed: die besten Techniken & Tricks
für mehr Spontanität, Mut zur Improvisation und
empathisches Zusammenspiel
Behind the Scenes: unterhaltende Storys und Learnings
aus unserem Alltag als Film- und Theaterschauspieler
Die Show richtet sich an Unternehmer, Führungskräfte und
Mitarbeitende, die ihre Kreativität neu entdecken und ihr
Auftreten selbstbewusst gestalten wollen. Und das in einer
informativen und unterhaltenden Performance – Theaterbesuch
und Persönlichkeitsentwicklung in einem!
Donnerstag, 18. November 2021
19 Uhr
Sheddachhalle im Sartorius-Quartier in Göttingen
Preis: 69/99 Euro
Anmeldung und weitere Infos unter:
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Möchten Sie einen kleinen Vorgeschmack
auf das, was Sie bei der 35. faktor-Business-
Lounge erwartet? Dann lernen Sie die beiden
Schauspieler digital kennen unter:
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leben
Über allem
schwebt
Vergänglichkeit
140 Jahre Göttinger Stadtfriedhof
TEXT STEFANIE WASKE FOTOGRAFIE ALCIRO THEODORO DA SILVA
LESEZEIT: 3 MINUTEN
Zahllose Kreise entstehen, als die Regentropfen
auf die Wasseroberfläche des
Teiches treffen. Im nächsten Moment
sind sie verschwunden, neue folgen
ihnen, durchdringen einander. Lange
blicke ich auf den kleinen See mit den
verblühten Seerosen, während der Regen unablässig
vom Himmel stürzt. Die Tropfen sind ein wenig wie das
Leben, das kommt und vergeht – denke ich schutzsuchend
unter dem Blätterdach einer riesigen Buche auf
dem Göttinger Stadtfriedhof. Geschätzte 65.000 Kreise
müsste ich zählen, so viele Menschen fanden hier seit
140 Jahren – genauer seit dem 15. Dezember 1881 – ihre
letzte Ruhestätte.
WIE VIEL HAT SICH IN DEN JAHREN GEWANDELT? Ich
brauche mich in meiner Zuflucht vor dem Regen nur
umzudrehen. Mein Blick fällt auf ein Grab, das mit
seinen Säulen und einer knienden Frauenskulptur mit
einem Strauß Blumen im Arm an einen kleinen griechischen
Tempel erinnert. Bruno Blaschny widmete den
Bau seiner 1927 verstorbenen Frau Helene. Zuvor war
ich am Urnenfeld des Friedhofs entlanggekommen, an
einer hölzernen Stele hängen Tafeln mit Lebensdaten
von Verstorbenen. Ihre Urnen sind anonym beigesetzt.
94 Jahre liegen zwischen den Gräbern. Sie drücken mehr
aus als nur den persönlichen Verlust, erzählen vom Wandel
der Bestattungskultur.
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Und ohne Wunsch nach einem Wandel wäre der Stadtfriedhof
auch nicht entstanden: abgerückt von den Kirchen
zu bestatten, in einer parkähnlichen Umgebung,
mit Raum für bürger liches Selbstbewusstsein. Angeregt
hatte ihn seinerzeit Bürgermeister Georg Merkel. „Bei
meinem Eintreffen in Göttingen fand ich nun alle Kirchhöfe
in einem solchen Zustande der Überfüllung (Gebeine
wurden fast bei allen Beerdigungen zutage gefördert),
der Vernachlässigung, Unordnung und Verwilderung,
dass der Pietät wie der Sanität in unerhörter Weise Hohn
gesprochen wurden“ – zitiert Jürgen Döring die Erinnerungen
des Bürgermeisters in seinem Buch ,Geschichte
der alten Göttinger Friedhöfe‘. Nicht nur in Göttingen
entstanden damals solche Parkfriedhöfe. Sie faszinieren
bis heute mit ihren majestätischen alten Bäumen, den
kunstvoll gearbeiteten Grabsteinen und vor allem den
Lebensgeschichten der Beerdigten.
DER HIESIGE STADTFRIEDHOF hat dennoch eine ganz
eigene Gestalt. Weniger ausladende Mausoleen oder
prachtvolle Grabanlagen von Unternehmern prägen das
Bild dieser parkähnlichen Anlage, die ganze 360.000
Quadratmeter umfasst, sondern Ruhestätten von Wissenschaftlern,
darunter neun Nobelpreisträger, Göttinger
Händler- und Handwerkerfamilien und Ehrenbürger.
Wer sich vertieft, für den können Gräber ein lebendiges
Geschichtsbuch sein. Soldaten- und Ehrenmäler mahnen
zudem an die Schrecken des Krieges, wie etwa eine vom
Moos grünlich schimmernde Stele, auf der ein Stahlhelm
ruht – das Gesicht des Soldaten ist nicht mehr erkennbar.
Wer wiederkommt, sieht immer anderes. Weil er ein
anderer ist. Und auch der Stadtfriedhof hat sich verändert,
mal mehr, mal weniger. Mir war vor vier Jahren die
Liebesbotschaft eines Jungen aufgefallen, der gleich
sechs Mädchennamen mittig auf die weiße Holzwand
des Pavillons geschrieben und alle mit einem Herzen versehen
hatte. Längst sind seine Zeilen überschrieben und
übertüncht. Vergänglichkeit schwebt über allem auf dem
Stadtfriedhof. Vielleicht macht es die Zeit auf seinen Wegen
deshalb zu etwas Kostbarem? Weil wir wissen, dass
all das Schöne, an dem unser Blick hängen bleibt, vergeht?
Ähnlich wie die Regentropfen, die versiegen, mich
aufbrechen lassen aus dem Friedhof. Bis ich hoffentlich
eines Tages wiederkomme. ƒ
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,Bis wir uns wiedersehen‘
Jubiläums-Ausstellung in der Torhaus-Galerie
Friedhöfe haben schon immer Künstler inspiriert –
da macht der Stadtfriedhof keine Ausnahme. Er verfügt
sogar über einen eigenen Ausstellungsraum: die Torhaus-
Galerie. Einst war das denkmalgeschützte Gebäude
Friedhofskapelle, Leichenhaus und Verwaltungssitz.
Zum 140-jährigen Jubiläum wurde dort im September die
Foto-Ausstellung ,Bis wir uns wiedersehen‘ gezeigt.
Neben den Fotografien von Beate Ohm, seit mehr als 35
Jahren Friedhofsgärtnerin, und Christoph Mischke, freier
Journalist und Fotograf, hat sich auch unser langjähriger
faktor- Fotograf Alciro Theodoro da Silva daran beteiligt.
Er hält den Stadtfriedhof seit Jahren mit seinen Aufnahmen
fest – bei Wind, Wetter sowie zu jeder Jahreszeit. Eine
Auswahl davon sehen Sie in dieser Bilderstrecke.
Die gesamte Ausstellung können Sie virtuell besuchen unter:
www.goettinger-verschoenerungsverein.de/torhaus-galerie
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www.mehralseinmagazin.de
Ausgabe 4 // 2021
› MEHR ALS EIN MAGAZIN
Stil
❉ LEBENSART UND WOHNKULTUR IN SÜDNIEDERSACHSEN
Kunst als treibende Kraft
Was uns im Kunsthaus
Göttingen erwartet
Ein rares Tröpfchen
Zu Besuch bei Göttingens
erstem Weinbauer
As Porsche as possible
Der Taycan Turbo
im E-Auto-Test
faktorStil PARTNER
IMPRESSUM
Herausgeber: faktor Stil Entscheider Medien GmbH, Berliner Str. 10, 37073 Göttingen, Tel. 0551 3098390, Fax 0551 30983911, info@faktor-magazin.de, www.faktor-magazin.de Herausgeber: Marco Böhme (V.i.S.d.P.) // Chefredaktion: Elena Schrader (schrader@faktor-magazin.de) //
Autoren: Lea van der Pütten (faktor), Jan Fragel, Claudia Klaft, Jonas Knostman, Christian Vogelbein, Stefanie Waske // Lektorat: CoLibris-Lektoratsbüro Dr. Barbara Welzel // Grafisches Konzept: Julia Braun // Art-Direktion und Layout: Julia Braun // Vertrieb: Nicole Benseler // Auflage:
7.500 // Druck: Silber Druck oHG // Wir übernehmen für unverlangt eingesendete Texte, Fotos, Zeichnungen etc. keine Haftung. Namentlich gekennzeichnete Artikel geben nicht die Meinung des Herausgebers wieder. // Von faktor Stil gestaltete Anzeigen sind urheberrechtlich geschützt.
Eine anderweitige Verwendung ist nur mit schriftlicher Genehmigung des Heraus gebers und einer Nutzungsentschädigung möglich. // Ein Nachdruck der im faktor Stil veröffentlichten Beiträge (auch auszugsweise) ist nur mit schriftlicher Genehmigung des Herausgebers möglich.
104 Stil
Ein rares
Tröpfchen
Leichte Zitrusnoten und das Aroma reifer Beeren unterm Gaumen –
Apotheker Michael Winkler betreibt Weinanbau vor den Toren Göttingens.
TEXT JAN FRAGEL
FOTOGRAFIE ALCIRO THEODORO DA SILVA & JAN FRAGEL
105 Stil
STIL
Ein Weinberg ist
nicht nur das Werk
eines Einzelnen – vor allem
bei der Lese im Herbst braucht
es viele starke Menschen, Freunde
und Familie, um die Arbeit
auf Winklers 2,8 Hektar großen
Feld vor Göttingen zu
meistern.
106 Stil
STIL
Zeitsprung. September 2020. Prall
und saftig hängen die Trauben
von Neu-Winzer Michael Winkler
an den Reben. Richtung Südosten
fällt der Blick auf Göttingen. In
Reih und Glied stehen Hunderte Weinstöcke
auf der ,Finkenbreite‘, einem Hang nördlich
der Stadt in der Gemeinde Bovenden. Das
Weinlaub raschelt während der Lese im Wind,
Erntehelfer bringen die Trauben in Eimern
zum schmalen Traktor. Der auf 200 Metern
Höhe gelegene Weinberg wirkt zwischen den
teilweise abgeernteten Weizen-, Raps- und Zuckerrübenfelder
des angrenzenden Leinetals
etwas fremd. Noch ... Michael Winkler gehört
zu den 38 Neu-Winzern in Niedersachsen, die
seit 2016 kommerziell Wein anbauen dürfen.
Und das Potenzial für mehr im Norden ist da.
Auf seinem 2,8 Hektar großen Weinberg ist
an diesem Herbstwochenende einiges los.
Freunde, interessierte Agrarstudierende aus
Göttingen, ein befreundetes Winzerpaar und
natürlich seine Familie helfen bei der ersten
größeren Lese mit. Wein ist eine Kultur mit
Familienanschluss.
Winkler nimmt ein kleines Rohr zur Hand.
Darin befindet sich eine vergrößernde Optik.
Er gibt ein paar Tropfen Traubenmost auf
eine Scheibe im Rohr und schaut hindurch:
„85 Grad Oechsle, das ist ein guter Wert,“
sagt der Jungwinzer. Das Rohr ist ein Refraktometer
und Grad Oechsle ein wichtiger
Wert, um zu bestimmen, ob aus den Weintrauben
– in diesem Fall der Rebsorte Solaris
– auch in Niedersachsen ein gescheiter Wein
werden kann. Oechsle gibt, kurz gesagt, den
Zuckergehalt im Traubenmost, dem unvergorenen
Saft, an. Und der ist eine Voraussetzung
dafür, ob der Wein auch lecker wird.
Eine weitere Voraussetzung für guten Wein
ist die sorgfältige Ernte. Seine Ehefrau
Dunja schneidet mit einer feinen Zweigschere
die reifen Trauben von den Reben.
Dann kontrolliert sie, ob die Beeren gesund
sind: „In diesem Jahr haben die Wespen einen
Teil der Trauben angefressen. Sie wissen
auch, was gut schmeckt.“ Die verdorbenen
Beeren schneidet sie einzeln aus den Trauben
heraus – nur die gesunden landen im
Sammeleimer.
EIN WEINBERG ist nicht nur das Werk eines
Einzelnen, es braucht viele starke Menschen.
„Man wächst hinein, lernt bei jedem Wachstumsschub
der Reben dazu,“ erzählt Michael
Winkler. Noch gleicht die Arbeit auf dem
Weinberg, der etwa so groß ist wie vier Fußballfelder,
der Arbeit von Sisyphos. „Man
fängt vorne an, und wenn man hinten ist,
geht es wieder von vorne los“, erzählt der
56-Jährige und lächelt dennoch zufrieden.
Nur ertraglos wie in der griechischen Mythologie
soll die Arbeit auf dem Weinberg Finkenbreite
nicht sein. Das Ziel sind erstklassige
Weine. Und die Voraussetzungen dafür sind
gut. Durch die Hanglange können Spätfröste
weniger Schaden anrichten, weil die kalte Luft
gut ,abfließen‘ kann, und die Sonne sorgt in
der Südost-Ausrichtung schnell für Wärme.
DIE PRÄZISE HANDARBEIT, wenig Pflanzenschutzmittel
und mechanische Unkrautbekämpfung
gehören von Anfang an zu Winklers
Philosophie und Anspruch. „Wir wollen
von vornherein gute Qualität in den Tank
bekommen und nicht hinterher korrigie-
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107 Stil
STIL
Das ganze Jahr im Einsatz Vom Winter bis zum Frühlingsbeginn werden die Reben von Neu-Winzer
Michael Winkler geschnitten. Im Frühling bindet er die jungen Triebe hoch – einige Rebsorten brauchen
mehr Hilfe zum Ranken, andere halten sich selbst an den quergespannten Drähten fest.
ren, zum Beispiel mit Schwefel.“ Ob sich der
Aufwand wirklich gelohnt hat, wird sich erst
im nächsten Frühjahr zeigen. Erst nach einem
halben Jahr Gärung, Verarbeitung und
viel Ruhe ist der Wein reif für den Genuss.
DEN JAHRGANG 2020 verarbeitet Familie
Winkler nicht selbst, sondern lässt ihn bei
einem Winzer in Sachsen-Anhalt ausbauen.
Rund 2,5 Tonnen sind in diesem Jahr zusammengekommen
– „das ist immer noch eine
Versuchsmenge.“ Solaris, Souvignier gris und
Riesling werden zunächst einzeln vergoren
und ausgebaut. „Hinterher gucken wir mal,
wie wir die Weine verschneiden“, so der Winzer.
Eine Göttinger Cuvée wird entstehen. Allein
der Genuss der reifen Solaris-Trauben
bringt die Fantasie in Schwung: In der Nase
verbreiten sich leichte Zitrusnoten, unterm
Gaumen entfalten die Aromen reifer Beerenfrüchte
ihre betörende Wirkung. Das macht
Lust auf Wein aus Niedersachsen.
Schon ein Jahr zuvor haben die Winklers in
kleinem Rahmen zu Hause eine Cuvée aus
Muscaris und Solaris hergestellt. „Das war
schon ein sehr gutes Tröpfchen,“ sagt Michael
Winkler und lacht. „Fruchtiges Bouquet im
Glas und trocken – so, wie wir das mögen,“
ergänzt seine Frau. Perspektivisch will Familie
Winkler alles selbst machen: von der Rebe bis
zur Flasche
ES WAR UM SEINEN 50. GEBURTSTAG herum,
als sich Michael Winkler vorgenommen
hat, neben seinem Hauptberuf als Apotheker
in Göttingen noch etwas anderes anzufangen.
Ein Faible für Wein, für den Genuss und das
Lebensgefühl hatte er schon immer. Er ist ,am
Tor zum Rheingau‘ geboren, einer Region in
Hessen, wo der Weinanbau Tradi tion hat. So
kam es dazu, dass er sich umgehört hat, ob
und wie in Südniedersachsen Wein professionell
angebaut werden kann. Und damit ist er
nicht allein. Die Lust, etwas Besonderes zu
machen, und die Leidenschaft für Wein sind
es, die viele der Winzerpioniere antreiben. Es
sind Lehrer dabei, ein Architekt, Restaurantbesitzer
und auch Landwirte.
2016 hat das Land Niedersachsen 7,5
Hektar Weinanbaufläche genehmigt – eine
EU- Verordnung hat das möglich gemacht.
Winkler bekam rund 2,8 davon zugesprochen
– bis heute eine der größten zusammenhängenden
professionellen Anbauflächen in
diesem Gebiet. Mittlerweile sind es bundesweit
fast 25 Hektar, Tendenz steigend.
WIRD NIEDERSACHSEN also einmal Weinland?
Vielleicht, aber das wird dauern. „Die
Perspektiven dafür sind zumindest nicht
schlecht – der Klimawandel macht es möglich“,
sagt Jan Brinkmann, Vorsitzender des
,Niedersächsischen Weinanbauverbandes‘ , in
dem mehr als die Hälfte der 38 Weinanbauer
des Bundeslandes organisiert sind. „Wenn
auch noch die regionalen Voraussetzungen
stimmen“, so Brinkmann, „kann der Weinanbau
hier also durchaus gelingen.“ Der Landwirt
selbst glaubt an den Erfolg und möchte
für seinen Betrieb in Bad Iburg neben Ackerbau
und Sauenzucht eine weitere wirtschaftliche
Säule aufbauen. Wie schnell die Anbaufläche
aber wächst, ist gesetzlich streng geregelt
– im Weingesetz. Um fünf Hektar darf die
Anbaufläche pro Jahr landesweit wachsen,
das sind etwa sieben Fußballfelder, in bestimmten
Fällen auch mehr. Aktuell gibt es bei
uns noch immer ein paar unbestellte Flächen
– und so ist niedersächsischer Wein, und
bleibt es noch sehr lange, ein ganz rares
Tröpfchen.
DENN: EINEN NEUEN WEINBERG aufzubauen,
ist eine Lebens- und Generationenaufgabe
zugleich. Die Investitionen sind nicht unerheblich.
25.000 bis 30.000 Euro pro Hektar
kostet es allein, den Berg anzulegen. Die ungezählten
Arbeitsstunden kommen noch oben
drauf. Arbeit gibt es immer wieder, das ganze
Jahr über. Vom Winter bis zum Frühlingsbeginn
werden die Reben geschnitten. Im Frühling
werden die jungen Triebe hochgebunden,
einige Rebsorten brauchen mehr Hilfe zum
Ranken, andere halten sich selbst an den
quer gespannten Drähten fest. Später wird das
Unkraut unter den Reben mechanisch mit einem
sogenannten Schlegel entfernt, damit es
den Rebstöcken nicht Nährstoffe und Wasser
wegnimmt. Je nach Bedarf setzt Michael
Winkler auch Fungizide gegen Pilzbefall ein.
Die meisten seiner Rebsorten gelten als pilzresistent.
Darauf würden die meisten Weinanbauer
in Niedersachsen setzen, so der Vorsitzendende
Brinkmann. Grund sei das feuchtere
Klima im Norden. Mit pilzresistenteren Sorten
könne der Einsatz von Spritzmitteln massiv
reduziert oder sogar ganz darauf verzichtet
werden. Jeder dritte Verbandsanbauer produziert
in Niedersachsen nach Bio-Kriterien.
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108 Stil
Unser Leistungsspektrum:
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STIL
Winklers ganzer Stolz Im vergangenen Jahr sind vier feine Tröpfchen entstanden: ein spritziger
Weißwein- Cuvée aus Solaris und Muscaris (o.) mit dem Duft von Honigmelone, ein Riesling
mit angenehmer Säure und Pfirsicharomen, ein Souvignier gris mit dem Aroma von Aprikosen
und Quitten sowie ein beeriger Rosé-Cuvée (r.) aus Pinotin und Cabernet cortis.
UND WIE SCHMECKT ER NUN, der erste
Göttinger Wein? Hat sich die harte Arbeit gelohnt?
Herbst 2021 – genau ein Jahr ist seit
der Lese vergangen. Stolz präsentiert Michael
Winkler seine vier raren Tröpfchen, Jahrgang
2020: zunächst eine Weißwein- Cuvée aus Solaris
und Muscaris. Bei einem ersten Atemzug
durch die Nase entfaltet sich ein leichter Duft
von Honig melone – unterm Gaumen dann
eine blumige Note. Es ist ein leichter, spritziger
und trockener Sommerwein.
Der Riesling von der Finkenbreite hat im
Glas ein typische blassgelbe bis grünlich-gelbe
Farbe. Er prickelt in der Nase. Unterm Gaumen
wird die Vorfreude auf den Genuss durch eine
angenehme Säure und Pfirsicharomen erfüllt.
Daraus hätte der Apotheker auch gern einen
Sekt gemacht, sagt er. Vielleicht ja später.
Im Glas mit Souvignier gris spiegeln sich
die reifen Reben wider. Obwohl es ein Weißwein
ist, sind die Beeren leicht rötlich. Das
verleiht dem Wein eine interessante Apricotfarbe,
die gut zum runden Aroma nach Aprikosen
und Quitten passt.
Der vierte Wein des Jahrgangs ist ein
Rosé-Cuvée aus Pinotin und Cabernet cortis.
Die Farbe verspricht ein beeriges Aroma –
und so schmeckt er auch: intensiv fruchtig.
Kurzum: Das Warten hat sich gelohnt – sie
schmecken Erfolg versprechend.
UM DEN WEIN VON DER SONNENSEITE Südniedersachsens
irgendwann einmal komplett
selbst herzustellen, braucht Familie Winkler
noch eine passende Immobilie. Die Finger
danach sind schon aus gestreckt. Dort soll der
Wein dann dauerhaft zu kaufen sein – aber
bis dahin wird noch ein bisschen Zeit ins
Land ziehen. Die ersten Flaschen von Winkler
gibt es dennoch bereits im Handel – wenn
auch bisher nur in seiner Apotheke. ƒ
Wo gibt es den Wein zu kaufen?
LINDA - Süd-Apotheke
Reinhäuser Landstraße 25
37083 Göttingen
oder über Facebook:
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STIL
111 Stil
„Kaffee ist fertig!“
Lust auf das beliebteste Heißgetränk der Deutschen
macht Alexander Pohl. Der Inhaber der Einbecker Kaffeerösterei
entführt in die Welt der Bohnen und Aromen.
TEXT CLAUDIA KLAFT FOTOGRAFIE ALCIRO THEODORO DA SILVA
112 Stil
STIL
J
„Jute! Die Bohnen riechen eindeutig nach
Jute“, sage ich und ziehe enttäuscht meine
Nase zurück, meine Augen nehmen fragend
Kontakt mit Alexander Pohl auf, in dessen
Hand die kleinen Kugeln liegen. „Ich muss Ihnen
leider alle Illusionen nehmen. Rohkaffee
hat noch keinen leckeren Geruch“, sagt er
lächelnd und lässt die Bohnen zurück in eine
Schale gleiten.
Wir sitzen zusammen in seiner Einbecker
Kaffeerösterei am Markt in der idyllischen
Altstadt. Innen ist es klein und gemütlich,
Foto grafien von Kaffeebohnen und -plantagen
aus Kolumbien und Indien zieren die Wände,
am Tresen im Eingangsbereich thront die
glänzende Barista-Maschine. Mit geübten
Handgriffen bereitet eine Mitarbeiterin darauf
Kaffee, lautmalerisch begleitet vom knarzenden
Mahlwerk, zischendem Dampf und klapperndem
Geschirr. Vor dem Geschäft – in der
Fußgängerzone – sind alle Tische besetzt, die
Gäste plaudern, beobachten das Treiben, die
Sonne lacht: italienisches Dolce-Vita- Gefühl
mitten in Einbeck.
„So habe ich es mir immer vorgestellt“, sagt
Pohl, lässt den Blick durch seinen Laden
schweifen und nippt zufrieden an seiner Tasse
– einer von fünfen jeden Tag. „Auch wenn bei
der Gründung keiner an den Erfolg geglaubt
hat.“ Und doch hat der passionierte Kaffeetrinker
vor vier Jahren voller Tatendrang seinen
Traum in die Realität umgesetzt – mit der
festen Überzeugung, dass die Kombination
aus Bohnenverkauf und Bewirtung bestens
läuft. „Mein Plan B ist, dass Plan A funktioniert“,
sagt der gebürtige Einbecker entschieden
und gibt damit sein Lebensmotto preis.
PLAN A GING AUF – auch wenn er trotz
To-go-Bechern und Außer- Haus-Verkauf im
letzten Corona-Jahr ein wenig ins Stocken
kam. Inzwischen kommen die Kunden aber
gern wieder zum längeren Verweilen, was
Pohl durchaus optimistisch stimmt. Einer von
ihnen winkt ihm gerade zu, mit einem gekauften
Päckchen Kaffee in der Hand, und fragt
den Inhaber nach seinem Befinden. Pohl
nimmt sich die Zeit für ein paar freundschaftliche
Sätze, bevor er sich wieder dem Tischgespräch
zuwendet.
„Das Café ist praktischerweise auch meine
Marke tingabteilung“, erklärt er lächelnd.
„Denn wer hier seinen Kaffee genießt, nimmt,
wie Sie sehen, auch gern ein Päckchen für
Zuhause mit.“ Ihm sei klar gewesen, dass es
utopisch ist, allein mit einem Café die schnelle
Mark zu generieren. „Schließlich bringen
Gäste, die nur eine Tasse pro Stunde konsumieren,
keinen großen Umsatz. Genuss kennt
keine Eile.“ Er schüttelt den Kopf und zählt
an den Fingern seine drei Erfolgsfaktoren für
eine gut laufende Gastronomie auf: ein solides
Konzept, ein langer Atem und vor allem ein
Alleinstellungsmerkmal. Letzteres sei für ihn
eben die ergänzende Kaffeerösterei, die 70 Prozent
seines Umsatzes ausmache.
DOCH WIE KAM POHL – der zuvor international
als Hotelbetriebswirt in der Gastronomie
und später im Außendienst bei der Einbecker
Brauerei arbeitete – eigentlich darauf, plötzlich
sein Geld mit Kaffee zu verdienen? Der
44-Jährige lehnt sich entspannt zurück und
erzählt von seinem ,Blick von außen‘ auf verschiedenste
Club- Hotels und Fünf-Sterne-
Häuser, bei denen er erkannte, welche Fehler
vermeidbar gewesen wären, und davon, dass
er die Selbstständigkeit ja schon von seinen
Eltern her kenne, die bis heute mit dem Einbecker
Hof ihr eigenes Hotel führen. „Vor 70
Jahren von meinen Großeltern gegründet und
noch immer im Familien besitz“, sagt Pohl
nicht ohne Stolz. Aber ausschlaggebend für
die eigene Kaffeerösterei, so erinnert er sich,
sei vor sechs Jahren ein Kaffee seminar in Hamburg
Altona gewesen: „Es war ein Geschenk
meiner Schwester, die wusste, dass ich diese
Rösterei schon immer toll fand und näher
kennenlernen wollte.“
So kam er schlückchenweise auf den Geschmack
und auf die Idee eines eigenen Kaffeegeschäfts.
Er vertiefte das Thema in weiteren
Seminaren und knüpfte Kontakt zur Hannoverschen
Kaffeemanufaktur, wo er bei einem
seiner früheren Arbeitskollegen Gelegenheit
bekam, praktische Erfahrung zu sammeln und
Prozesse kennenzulernen.
„Mir hat das großen Spaß gemacht, mich
aber zum Glück auch schnell gelehrt, wie
komplex doch das ganze Drumherum ist: Bezugswege,
Zollvorgaben, Steuern, Einfuhr, Lagerung,
Zertifizierung – das geht nicht
➼
113 Stil
STIL
nebenbei“, erklärt Pohl und erzählt, dass allein
die Steuer auf ein Kilo Rohkaffee 2,19
Euro beträgt, dieser jedoch bei der Röstung
zehn Prozent an Gewicht verliert. Und dass
eine Bio zertifizierung – wie sie vier seiner Sorten
haben – voraussetzt, dass schon der Farmer
den Kaffee zertifiziert. „Das kann nicht
jeder Kleinbauer leisten.“
ALLE AUFGABEN ALLEINE ZU STEMMEN, so
sein Fazit, ist zu aufwendig und kostenintensiv.
Also holte er sich zur Gründung des eigenen
Geschäfts kurzerhand den Geschäftsführer der
Hannoverschen Kaffeemanufaktur als Partner
mit ins Boot. Pohl nutzt bis heute mit ihm gemeinsam
Lieferwege, wobei er die Rohware
zu 75 Prozent direkt von kleinen Farmen und
zu 25 Prozent aus Kooperativen bezieht. Für
die Produktion größerer Mengen haben sie in
eine technisch moderne Röstanlage investiert,
die in Hannover steht. Dorthin führt Pohl der
Weg jeden Dienstag, dann ist sein Einbecker
Laden im denkmalgeschützten Altbau geschlossen.
WAS PASSIERT BEI DER RÖSTUNG?
Für seine spezielle Mischung der ,Einbecker
Premium Melange‘ heizt Alexander Pohl seine
Röstmaschine zunächst auf 190 Grad Celsius
vor, um sie gleich darauf wieder auf 90 Grad
abzukühlen. Dann erst werden die Bohnen eingefüllt,
die Hitze wird langsam wieder auf 190
Grad Celsius hochgefahren und für 18 bis 20
Minuten geröstet, bis es zum ,first crack‘ kommt
– dabei platzt das Silberhäutchen der Bohne
auf, die ,Gelbphase‘ beginnt. Erst jetzt entwickelt
sich langsam die Farbe – über Gold hin
zum bekannten klassischen Braun. Die Temperatur
unter 200 Grad Celsius habe den Vorteil,
dass die Säure rausgezogen und Acrylamide
vermieden werden. „Der Kaffee wird damit bekömmlicher“,
erklärt Pohl. Bei der italienischen
und portugiesischen Röstung hingegen werden
die Bohnen für vier Minuten auf 400 Grad Celsius
erhitzt, um den ‚second crack‘ zu erreichen:
Die Bohne platzt ein zweites Mal auf, wird fast
schwarz und bekommt dadurch einen noch
intensiveren Geschmack. Dieser ist vor allem
für Espresso ausschlaggebend, der in südlichen
Gefilden die Grundlage jeglicher Kaffeespezialitäten
ist. In Deutschland wird noch immer
Filterkaffee bevorzugt.
WIE EINGANGS BEREITS FESTGESTELLT:
Roh duftet die Bohne nur nach Jute. Erst die
gezielte Röstung durch einen Fachmann kitzelt
die feinen Noten heraus und das je nach Temperatur
und Röstdauer (siehe Kasten). Doch
hier geht es nicht nur um den Duft. Das Rösten
ist ,der‘ aromagebende Faktor – und genauso
entscheidend für den Geschmack wie
Anbaugebiet, Boden und Witterung. „Im sogenannten
Kaffeegürtel in Südamerika beispielsweise
fällt viel Regen, die Bohnen von dort
zeichnen sich durch einen mehr schokoladigen,
nussigen Geschmack aus“, erklärt der Experte.
Afrikanischer Kaffee, der auf sandigen Böden
gedeiht, habe eher florale Noten. Aus indischen
Bohnen lasse sich ein leichtes Süßholzaroma
rausschmecken – sie werden oft auf
ehemaligen Opiumfeldern angebaut und müssen
dem Monsunregen standhalten. „Wie
beim Wein bestimmen also auch Boden, Lage
und Klima den Geschmack“, sagt Pohl.
850 verschiedene Aromen gibt es insgesamt,
die sich von der Grundnote ausgehend bei der
Röstung entfalten können. Ein Aromarad gibt
über die detaillierte Kategorisierung Aufschluss.
Und weil Einflussfaktoren und
Aromen ebenso komplex sind, gibt es auch
speziell ausgebildete Kaffeesommeliers. Ein
solcher steht auch Pohl zur Seite: „Denn mir
fehlt da doch noch etwas letzte Expertise.“
NEBEN DEM AROMA ist für Pohl auch die
Bekömmlichkeit ein wichtiges Auswahlkriterium,
entsprechend hat er sein Sortiment ausgerichtet:
Zum Verkauf bietet er sortenreine
Kaffees aus Südamerika (Brasilien, Kolumbien,
Peru), aus Afrika (Ruanda) und Asien
(Indien, Thailand). Und im Ausschank kredenzt
er seine ,Einbecker Premium-Melange‘
mit Bohnen aus Guatemala und Äthiopien,
seine ,Espresso Selection‘ hat er aus 60 Prozent
brasilianischen und je 20 Prozent vietnamesischen
und indischen Bohnen fein abgestimmt.
Doch abgesehen von der Herkunft spielt
auch die Pflanzenart für den Geschmack eine
große Rolle: Zum einen gibt es Robusta, die
selbst unter widrigen Bedingungen wächst,
tropische Wärme und Feuchte verträgt, aber
viel Säure und Koffein enthält. Ihr Marktanteil
beträgt ca. 30 Prozent. Zum anderen
gibt es Arabica mit 70 Prozent Marktanteil,
die zwar empfindlicher und dadurch teurer ist,
aber eben auch bekömmlicher. Diese Pflanzenart
wächst in Höhenlagen zwischen 900
und 3.000 Metern über dem Meeres-
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114 Stil
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115 Stil
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TIPPS RUND UM DIE BOHNE
Wissenswertes
• Kaffee nie mit kochendem Wasser aufgießen!
Die Oberfläche wird dadurch nach geröstet
und der Kaffee entwickelt einen Fehlgeschmack.
Ideal ist eine Temperatur
von 92 bis 94 Grad Celsius.
• Beim Espresso den Zucker nicht sofort
umrühren, sondern auf der Crema schmelzen
lassen, damit sich eine feinere Note
entwickelt.
• Kaffee wird durch zu hohe Dosierung, zu
heißes Aufgießen und zu lange Standzeiten
bitter. Trick: Milch nimmt die Säure aus dem
Kaffee.
Auf die Röstung kommt es an. Je nach Temperatur und Röstdauer kitzelt Alexander Pohl gekonnt
die feinen Noten aus den Bohnen heraus.
spiegel, wo Nachtfrost eine ernsthafte Gefahr
ist – im Juli dieses Jahres hat er in Brasilien
ganze Ernten vernichtet.
„INSGESAMT IST DER KLIMAWANDEL mit seinen
unbeständigen Temperaturen, den Regenfluten
in Südamerika und Dürren in Afrika
schon jetzt ein großes Problem“, erklärt Pohl
mit Nachdruck. Doch zusätzlich wirken sich
noch ganz andere Faktoren negativ auf den
Ertrag aus. „Faktoren, die uns hier in Deutschland
nicht wirklich bewusst sind.“ Die Anbauländer
haben mit Abwanderung zu kämpfen,
sind durch Bürgerkriege und Staatskrisen
gebeutelt, können dadurch weniger importieren
– mit der Folge, dass Container fehlen,
um den Kaffee zu exportieren. „Schon jetzt
schießen die Verschiffungs- und Zollgebühren
durch die Decke“, erklärt der Geschäftsführer
und ergänzt: „Noch dieses Jahr wird der Kaffee
einen Preissprung machen.“
Trübe Aussichten also für das beliebteste
Heißgetränk Deutschlands. Das ökologische
Bewusstsein hat den dreifachen Familienvater
auch veranlasst, das Thema Umwelt mit wiederverwendbaren
Bechern in die eigene Hand
zu nehmen. Viel lieber noch hätte er eine gemeinsame
Lösung mit den anderen Gastronomiebetrieben
vor Ort: „Das wäre kundenfreundlicher.“
UND WIE STELLT ER SICH DIE ZUKUNFT vor?
Pohl möchte noch mehr Menschen für die
Welt des Kaffees sensibilisieren. „Auch weil
sich beim gemeinsamen Genuss immer gute
Gespräche entwickeln.“ Dafür lässt er seine
Seminare, die durch Corona zum Erliegen kamen,
wieder aufleben. Auch habe er mit einer
zwischenzeitlichen Online-Variante gute Erfahrungen
gemacht. „Ich hatte den Menschen
aus vielerlei Ländern vorab ein Paket geschickt,
so konnten wir gemeinsam den Kaffee
aufbrühen und kosten. Selbst am Monitor
kam eine gute und entspannte Stimmung auf“,
erzählt Pohl, der als leidenschaftlicher Jäger in
seiner Freizeit vor allem auf dem Hochsitz
Entspannung findet.
Ansonsten stehen Überlegungen zum Einbecker
Hof an, denn seine Eltern stehen kurz
vor der Rente. Deshalb gehöre auch eine Expansion
für die Kaffeerösterei nicht in seine
aktuellen Überlegungen – sie soll bleiben, wie
sie ist. Ob seine Einbecker Kaffeerösterei dann
auch noch in 70 Jahren existiert? Alexander
Pohl lehnt sich entspannt zurück und lässt es
ruhig angehen – bei einer guten Tasse Kaffee. ƒ
Einbecker Kaffeerösterei
Marktplatz 25, 37574 Einbeck
Tel. 05561 92730-70
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Cupping – die richtige Art Kaffee zu kosten
Frisch geröstet wird der Kaffee vermahlen
und das Mehl in eine Tasse gegeben. Dann
gießt man es mit heißem Wasser (92 bis 94
Grad Celsius) auf und schöpft die Crema ab –
in der sich kleine gelöste Partikel der Bohne
befinden. Erst darf die Nase schnuppern,
dann schlürft der Mund. Der Kaffee soll sich
im gesamten Mundraum ausbreiten, bevor
er runtergeschluckt wird. Dann wird durch
die Nase ausgeatmet, um die Aromen zu
erfassen. Wie beim Wein kommt es auf den
Nachgeschmack (den bleibenden Eindruck im
Mund und die Sensorik in der Nase) an.
Dosierung bei Handaufguss
• 10–12 g pro Becher
• 16 g auf 250 ml Wasser
• 55–60 g auf eine große Kanne (1,2 Liter)
Wichtig: Da sich das Pulver im Trichter
verdichtet, sollte bei doppelter Wassermenge
die zusätzliche Kaffeemenge geringer als
doppelt sein.
French-Press in der Stempelkanne
20 g Kaffee aufgießen, eine Minute quellen
lassen – in dieser Blooming-Phase entfalten
sich die Aromen. Dann vollständig aufgießen,
drei bis vier Minuten ziehen lassen und
runterdrücken.
Für Cold-Brew: Die Kanne ganz auffüllen,
jede Stunde umrühren und erst nach einem
Tag runterdrücken. Noch intensiveren Kaffee
bekommt man durch nochmaliges Ziehenlassen
und Filtern durch einen Papierfilter.
Mit Eiswürfeln auffüllen und Sodawasser
dazu servieren.
116 Stil
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118 Stil
As
PORSCHE
as possible
Wer Porsche hört, erwartet sechs Zylinder
im Heck. Doch mit dem neuen und ersten
E-Porsche Taycan Turbo wollen die Autobauer
aus Zuffenhausen beweisen, dass sie auch
elektrisch richtig Power und Geschwindigkeit
auf die Straße bringen können. Ob ihnen das
gelungen ist, finden wir gemeinsam mit
Catering-Unternehmerin und Porsche-Fan
Anke Schwanebeck-Reddersen heraus.
TEXT CHRISTIAN VOGELBEIN
FOTOGRAFIE LUKA GORJUP
119 Stil
STIL
120 Stil
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D
Die letzte Sommersonne des Jahres wirft Licht
und Schatten auf den Asphalt, die Straßen sind
an diesem Abend leer. Gespannt wartet Anke
Schwanebeck- Reddersen bereits am Porsche
Zentrum in Göttingen, um die Schlüssel für
eine Testfahrt mit dem E-Porsche Taycan Turbo
in Empfang zu nehmen. Gemeinsam mit ihrem
Ehemann Marco Reddersen führt sie die Streetfood
Company in Bovenden. Beide sind seit
mehr als 20 Jahren in der Catering-Branche
unterwegs, seit fünf Jahren machen sie wahlweise
100 oder 10.000 Menschen satt. Die
Unternehmerin strotzt vor Energie. Gerade
kommt sie von einem laufenden Event, klärt
am Telefon noch schnell, ob auch ohne sie „der
Laden läuft“. Sie hat sich heute extra für den
Test ein Plätzchen in ihrem gut gefüllten
Termin kalender freigeschaufelt. Denn auf den
Taycan Turbo freut sie sich ganz besonders –
die Marke Porsche und die Autos aus Stuttgart-
Zuffenhausen haben einen ganz speziellen
Platz in ihrem Herzen.
GANZ UNBEKANNT IST IHR das neue Porsche-
Modell zwar nicht, doch mit dem Taycan
Turbo sitzt auch sie erstmals in einem Elektroauto.
625 PS Motorleistung, 484 Kilometer
Reichweite, von 0 auf 100 in 3,2 Sekunden –
diese Zahlen kennt Schwanebeck- Reddersen
bereits auswendig, Euphorie liegt in der Luft.
Auch der Preis ist ihr bekannt, ab 150.000
Euro geht es los. „Wenn ich mal im Lotto gewinne
...“, sagt sie schwärmend, während sie
die Schlüssel entgegennimmt und einsteigt –
der Sitz schmiegt sich eng, aber bequem um
die Fahrerin.
DABEI HAT SIE SICH VOR GUT ZWEI Jahren
bereits selbst ihren persönlichen Traum erfüllt
und den Kaufvertrag für einen Porsche unterschrieben.
„Ich habe mir das immer gewünscht
und diese Entscheidung ganz bewusst und für
mich getroffen – und genieße es bis heute“, erzählt
Schwanebeck-Reddersen. Als Selbstständige
arbeite sie teilweise 19 Stunden am Tag.
Viel Zeit für Freizeit und Urlaub bleibt da
nicht. Umso mehr genieße sie die privaten
Momente mit der Familie … – und die Minuten
im eigenen Traumauto. Geworden ist es
ein Macan – der kleinste SUV der Marke.
„Aber ein Porsche!“, sagt sie stolz. Sie liebt den
Sound, das Auto, die Leidenschaft, für die die
Marke steht. „Damit kann ich mich als
Macherin sehr gut identifizieren.“
Und genau aus diesem Grund wird der
Test heute spannend: Denn mit dem Taycan
Turbo macht Porsche erstmals vieles – wenn
auch nicht alles – anders. Und ein Elektromotor
und Ladekabel im Kofferraum
machen noch lange kein gutes E-Auto.
DIE GRÖSSTE ÜBERRASCHUNG gibt es
gleich zum Start. „Ist der jetzt schon an?“,
fragt Schwanebeck-Reddersen. Tatsächlich ist
nichts zu hören, nur die Lichter des Autos
blinken. Doch ein sanfter Druck aufs Gaspedal
verrät: Ja, er ist definitiv schon an.
Der Fahrer bekommt zwar keine Drehzahl
mehr angezeigt, dafür aber in einem Untermenü
am Touchdisplay einen futuristischen –
und per Schalter wählbaren – Motorsound.
Der ist auf Wunsch angenehm säuselnd oder
brachial sportlich. Schwanebeck-Reddersen
entscheidet sich ohne Zögern für die Sportwagen-Variante.
Das kleine Lenkrad liegt gut in der Hand
und lässt – wenn gewünscht und notwendig –
schnelle Bewegungen zu. „Eindeutig ein Porsche“,
sagt Schwanebeck-Reddersen und fällt
damit bereits nach kurzer Zeit auf der Straße
ihr erstes Zwischenfazit. Der erste kräftige
Druck aufs Gaspedal ruft Respekt und Begeisterung
zugleich hervor. „Schon ganz ordentlich!“,
sagt die Testerin. Geschaltet wird nicht
mehr. Die Elektromotoren bewegen den Viertürer
mit mehr als 625 PS von der Stelle, per
Sport-Start sind es für einen Moment sogar
deutlich mehr – auf der Geraden drückt es einen
ordentlich in die Sitze. „Porschefahren ist
wie auf Schienen fahren“, sagt Schwanebeck-
Reddersen nun wieder entspannt, während sie
mit ihrem Fuß den Porsche Electric Sport
Sound erneut freudig aufheulen lässt. „Ich kenne
kein Auto, das so gut auf der Straße klebt.“
WIE DEN INGENIEUREN DAS bei einem mehr
als zwei Tonnen schweren Sportwagen gelungen
ist, bleibt wohl ihr (gut bezahltes) Geheimnis.
Denn auch in den engen Kurven der
Landstraßen rund um Göttingen gibt sich der
Taycan keine Blöße. Im Gegenteil: Kraftvoll
und unaufgeregt, aber immer mit etwas
Gänse haut, lenkt die Unternehmerin die Sport-
Limousine über den Asphalt. Die Reichweite
hat sie dabei stets im Auge – für Aufregung
sorgt diese allerdings nicht. Trotz des Gewichts
und trotz der Power an allen vier Rädern
bleibt der ,Verbrauch‘ vernünftig. Beim Bremsen
fließen ein paar Watt wieder zurück in die
Batterien. Geladen wird entweder an der
Schnellladesäule oder an der Haussteckdose –
zu Hause dauert es allerdings etwas länger.
Wer sportlich fährt, braucht erst nach 300 Kilometern
eine Steckdose. Bevor der ,Tank‘ wirklich
leer ist, bekommt der Fahrer entweder
Hunger oder Durst.
Beides sind Kernkompetenzen von Anke
Schwanebeck-Reddersen. Mit der Streetfood
Company verkauft sie nicht bloß gedrehte
Bratwurst aus dem Anhänger. Wenn Kunden
es wünschen, realisieren sie mit dem Team
ganze Feste und Märkte für Tausende Festivalbesucher
oder lässt Firmenfeiern unvergesslich
werden. Große Unternehmen wie Mayer
Feintechnik, das Weender Krankenhaus oder
Goldbeck wissen ganz genau, was sie an
den Reddersens haben: „Wir wollen auch
➼
121 Stil
STIL
schon mal etwas Besonderes bieten und die Besucher
mit neuen Dingen begeistern – etwas
ausprobieren, mutig sein.“
MUTIG IST AUCH PORSCHE mit der Entscheidung,
die eigenen Werte und Traditionen
zu elektrifizieren. Noch nie hat sich ein Auto
für Kenner so neu und gleichzeitig so gewohnt
angefühlt wie der Taycan Turbo. Das bezieht
sich auch auf die Verarbeitungsqualität, die
die heutige Testerin überzeugt. Porsche steht
neben Sportlichkeit für eleganten Luxus, klare
und weiche Linien, die so nur zu einem Sportwagen
aus Zuffenhausen passen – und genau
das liefert auch der Taycan Turbo kompromisslos.
„Optisch spricht das Auto eine ganz
klare Sprache: Ich bin ein Porsche“, sagt
Schwanebeck-Reddersen, die inzwischen mit
kritischen Augen das Innere des Testwagens
unter die Lupe nimmt, „aber aus der Zukunft.“
Porsche setzt auf einen modernen Innenraum
mit viel Licht, Displays und wenig
Schaltern. Feine Details und Linien wie breitere
Lufteinlässe und LED-Technik im Licht
verraten aber die Blitze im Tank. Anders als
die Wettbewerber verwandelt sich das Kraftfahrzeug
aber nicht in ein Raumschiff. Der
Taycan reduziert sein Gros an Funktionen auf
das sportlich nötigste Bedien element. Der
Porsche bleibt ein Porsche: Fast alles lässt sich
vom Lenkrad aus bedienen, darunter auch die
fünf Fahrstufen, die dem Taycan auf Knopfdruck
fünf verschiedene Gesichter und Stimmen
verleihen. Fast jede Eigenschaft lässt sich
anpassen: Motorensound, Luftfahrwerk, Lichtstimmung.
So wird der Elektroflitzer wahlweise
ein eleganter Maßanzug oder ein brüllender
Supersportler. „Porsche ist einfach ein Lebensgefühl,
das zu jedem passt, der es erleben möchte“,
sagt Schwanebeck-Reddersen.
MITTLERWEILE STEHT DIE SONNE tief und
rot am Horizont, wir drehen die letzte Runde.
Das Fazit ist eindeutig: Mit dem Taycan Turbo
ist es den Autobauern von Porsche gelungen,
ihre Identität auch auf die neue Generation
E-Auto zu übertragen – vor allem, weil sie ihren
Werten treu geblieben sind und gleichzeitig mutig
genug waren, Neues zu wagen. Festgehalten
haben sie dabei an Qualität und Sportlichkeit.
Den Rest regeln 625 PS und leidenschaftliche
Fans wie Anke Schwanebeck-Reddersen. ƒ
Zum Auto
Modell:
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Beschleunigung:
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„Optisch spricht das Auto
eine ganz klare Sprache:
Ich bin ein Porsche, aber
aus der Zukunft.“
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Wie arbeiten wir in Zukunft?
Die Bürowelt wandelt sich. Struckmeier in Göttingen hat dafür die Lösungen.
Die Corona-Pandemie hat sich als
Kata lysator für Veränderungen in der
Arbeitswelt herausgestellt. Jetzt, wo
es in vielen Unternehmen wieder zurück an
den ursprünglichen Arbeitsplatz geht, kommen
viele Fragen auf. Durch die Erfahrungen
des hybriden Arbeitens müssen die Strukturen
neu überdacht werden, bis es zu einer
,neuen Normalität‘ kommen kann.
ZAHLREICHE ARBEITSPLÄTZE sind für viele
Unternehmen gar nicht mehr nutzbar. Aufgrund
von Abstandsregeln muss entzerrt werden,
Schutzelemente müssen geplant werden,
Luftreinigung rückt immer mehr in den Fokus,
und die Flächennutzung muss überdacht werden.
Hygienekonzepte sollen Ansteckungen
verhindern und dies dauerhaft.
Für die Mitarbeiter stellen sich zusätzliche
Fragen: Wo arbeite ich heute, um meine Aufgaben
erfüllen zu können? Wie sieht mein
Team aus und wo erreiche ich eigentlich wen?
Ist der Kollege bzw. die Kollegin präsent oder
erreiche ich ihn bzw. sie nur digital? Welche
Technik steht mir zur Verfügung? Und wenn ich
mich konzentriert zurückziehen möchte oder
ein vertrautes Gespräch mit Kunden führen
will? Kann ich Räume in der Firma nutzen oder
muss ich mich woanders treffen?
Das Homeoffice wird zu einem etablierten
Arbeitsort. So viel steht fest. Mit Interimslösungen
ist jetzt allerdings Schluss.
Die Struckmeier-Geschäftsleitung: Jens Barwinske und
Thomas Kleinert
„Ab September haben wir zu allen
Themen Lösungen in unserer
Ausstellung. Wir laden Sie herzlich
ein, bei uns vorbeizuschauen.“
JENS BARWINSKE
PROFIL
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BILDNACHWEISE: SEDUS, ADOBE-STOCK, LIZ-SOLUTIONS, STRUCKMEIER
GESUNDE HOMEOFFICE-LÖSUNGEN, die
in das Zuhause der Mitarbeiter integrierbar
sind, müssen her. Und dies mit der richtigen
Technik – und das Ganze am besten noch gut
finanzierbar. Viele Unternehmen unterstützen
hier ihre Mitarbeiter, es gibt aber noch viele
Unsicherheiten.
Wo früher der Arbeitsplatz fest definiert war,
stellen sich auch für die Unternehmen jetzt
neue Herausforderungen. Warum sollen die
Mitarbeiter überhaupt noch in die Firma kommen,
wenn sie auch von zu Hause aus arbeiten
können? Hier müssen Anreize geschaffen
werden: in der Zusammenarbeit im Team, bei
der Technik, der Atmosphäre und der Eigendarstellung.
Studien zeigen, dass das Bewusstsein
für den ,Stallgeruch‘ verloren geht, wenn die
Mitarbeiter zu viel dezentral arbeiten. Also wird
das Arbeitsumfeld zum entscheidenden Anreiz.
STRUCKMEIER hat es sich zur Aufgabe gemacht,
für diese aktuelle Themen Antworten
zu finden. Es gibt Buchungssysteme, die Kollegen
und Arbeitsorte auffindbar machen und
vernetzen. Dazu messen Sensoren sogar die
Arbeitsatmosphäre und werten aus, welche
Arbeitsorte von den Mitarbeitern am meisten
gebucht werden. Homeoffice as a service kann
eine Lösung sein, die Unternehmer wie Mitarbeiter
gleichermaßen begeistert und zudem
finanzierbar ist. Wohnlicher wird die zukünftige
Arbeitswelt auf jeden Fall.
In den Ausstellungsräumen von Struckmeier
in der Karl-Arnold-Straße in Göttingen werden
Homeoffice-Lösungen gezeigt, aktuelle Videokonferenztechnik
und Hygienekonzepte mit
Ionisierung und UV-C-Klimaverbesserung. Es
gibt viele Produktneuheiten zum Ausprobieren,
Erleben und Diskutieren.
DAS INNENARCHITEKTENTEAM plant gemeinsam
mit den Kunden die vorhandenen
Flächen nach Wunsch um und berücksichtigt
dabei alle Hygieneauflagen.
Vorher kann man sich mit dem Struckmeier-
Team in einem Workshop den Kopf zerbrechen,
wie in Zukunft im Unternehmen gearbeitet
wird. Der Vorteil: Das gemeinsam entwickelte
Konzept kann virtuell erlebt und hinterher
durch Struckmeier 1:1 umgesetzt werden.
ZUM SORTIMENT des Unternehmens gehört
traditionell auch der Bürobedarf. Hier kann der
Kunde ebenfalls zwischen digitaler und materieller
Betrachtung wählen. Struckmeier bietet
die Möglichkeit, online oder per telefonischem
Service zu bestellen. Zusätzlich können Kunden
im Fachmarkt Produkte testen und gleich
mitnehmen.
„Ab September haben wir in unserer
Ausstel lung zu allen Themen Lösungen“, sagt
Ge schäftsführer Jens Barwinske. „Wir laden
Sie herzlich ein, bei uns vorbeizuschauen.“
Für weitere Informationen:
www.struckmeier-aktuell.de/events/Einladung.pdf
KONTAKT
Aktuelle Raumbuchungssysteme
helfen beim Auffinden von Arbeitsplätzen
und Teammitgliedern.
System-Büro Struckmeier GmbH
Karl-Arnold-Straße 4
37079 Göttingen
Tel. 0551 506690
info@struckmeier.de
www.struckmeier.de
Schöne neue
Arbeitswelt
Unsere Büros befinden sich im
steten Wandel. Dabei werden
mit der steigenden Popularität
von New-Work-Konzepten wie
Home office, Co-Working und
Shared Spaces auch die Ansprüche
an eine flexible Einrichtung immer
größer. Bosse-Geschäftsführer
André Heuer erklärt, wie sich der
Möbelhersteller aus Höxter dieser
Herausforderung stellt – und das
seit fast 60 Jahren.
TEXT JONAS KNOSTMANN
FOTOGRAFIE ALCIRO THEODORO DA SILVA
126 Stil
127 Stil
STIL
Ein bisschen wie Lego ®
In der Werkhalle in Höxter werden Rohre, Knoten
und Paneele zu individuellen Möbeln montiert, wie
zu dem Sideboard modul space Black Edition (u.)
in Farben aus dem Le- Corbusier-Farbsystem.
New Work ist zweifelsohne
einer der Mega trends der
letzten Jahre: Das Verständnis
von Arbeit verändert
sich grund legend,
die Sinnfrage rückt in
den Mittel punkt, Grenzen
zwischen Leben und Beruf verschwimmen
immer mehr. Eine zentrale Rolle spielt dabei
auch der Arbeitsplatz selbst. Vorbei sind die
Zeiten frostiger Callcenter- Atmosphäre – das
Büro von morgen soll ein produktiver Wohlfühlort
sein, an dem gemeinsam Neues entsteht
und Werte gelebt werden.
Die Corona-Pandemie hat diesen Trend
noch einmal befeuert. Das oft nicht ganz
freiwillige Homeoffice-Experiment ist vielerorts
geglückt und damit zu einer echten
Alter native mit Zukunft geworden. Ebenso
verlangen neue Arbeitskonzepte wie Co-
Working nach individuellen Lösungen hinsichtlich
Raumplanung und Mobiliar. Und
die sollen bitte schön möglichst beides bieten:
Funktionalität und Design.
Eben diesen zwei Anforderungen will Bosse
gerecht werden – und das nicht erst seit
gestern. Seit fast 60 Jahren entwickelt das
Unternehmen aus Höxter innovative Tragrohrsystemmöbel
sowie individuelle Tischund
Raum-in-Raum-Systeme. „Zeitloses Design
liegt in unserer DNA“, sagt Geschäftsführer
André Heuer und deutet auf die
hellgraue Schrankwand im Konferenzraum
der Firma. „Das hier war mal das Büro von
Herrn Bosse persönlich – die Wand haben wir
bis heute stehen gelassen.“ Und tatsächlich
wirkt die raumeinnehmende In stallation
nicht wie etwas, das aus den 1970er-Jahren
stammt.
1962 VON GÜNTER BOSSE GEGRÜNDET,
machte sich das Unternehmen aus dem Weserbergland
zunächst mit eben solchen Schrankund
Trennwandsystemen in der Branche einen
Namen. Inspiriert vom Design des Bauhaus
war schon damals die Verbindung von Form
und Funktion der Maßstab, den sich der
Möbelhersteller setzte. Seit 1992 gehört Bosse
zur Dauphin HumanDesign ® Group. Heute
fokussiert sich das Unternehmen auf zwei Geschäftsbereiche:
Unter dem Sammelbegriff
,human space‘ werden Raum-in-Raum-Lösungen
entwickelt, die beispielsweise als Mini -
büro, Rückzugsort oder für Besprechungen
genutzt werden können. Beim Baukastensystem
,modul space‘ können Kunden ihr individuelles
Möbel in einem Web-Konfigurator
entwerfen.
Geschäftsführer Heuer leitet das Unternehmen
seit 14 Jahren. Wenn der 58-Jährige über
seine Belegschaft spricht, hört man Stolz in
seiner Stimme: „Wir haben hier eine sehr
hohe Identifikation mit dem Unternehmen.“
86 Mitarbeiter umfasst das Team von Bosse
am Standort, darunter regelmäßig auch
Azubis. „Ausbilden, das werden wir immer
machen“, sagt der studierte Maschinenbauingenieur.
„Denn wenn sie bei uns gelernt
haben, sind sie sehr flexibel. Und das brauchen
wir hier. Dann macht es richtig Spaß,
zusammen zu arbeiten.“
IN DER TAT HERRSCHT in der Produktionshalle
eine fast familiäre Atmosphäre. Heuer
grüßt fröhlich seine Mitarbeiter, die an computergesteuerten
Werkzeugmaschinen arbeiten,
Rohre, Knoten und Paneele zu einem individuellen
Möbel montieren oder fertige Produkte
verpacken. Mit den meisten tauscht er
sich kurz aus, es wird gescherzt. Eine Truppe
steht konzentriert versammelt um einen großen
Tisch herum, misst, tüftelt und diskutiert.
„Wir sind klein und kämpfen gegen hundertfach
größere Unternehmen“, erklärt der Chef.
„Wenn wir hier nicht alle gemeinsam an einem
Strang ziehen, können wir einpacken.“
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128 Stil
STIL
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STIL
Die Luft ist rein – Bosses cube 4.0
ION-Cloud bietet einen ruhigen Rückzugsort und
gleichzeitig Platz für kleinere Arbeitsgruppen –
dank des Luftreinigungssystems
in sauberer Atmosphäre.
In einer Ecke der Halle stehen auf mehreren
Paletten fertiggestellte ,modul space‘-Möbel,
gut verpackt für den Versand. Der Adressaufkleber
verrät das Ziel: Südostasien. „Wir arbeiten
dort mit einem großen Partner zusammen,
der einen viergeschossigen Bosse-Flag ship-
Store betreibt und sich fantastisch ent wickelt“,
erzählt Heuer stolz und glücklich über die Vorliebe
der Südostasiaten für zeit loses Design.
Um dieses als Standard zu halten, hat sich
Bosse – sowohl für modul space als auch
human space – die Rechte an Le Corbusiers
Poly chromie Architecturale gesichert. Das
Farb system des schweizerisch- französischen
Archi tekten, der zu den einflussreichsten des
20. Jahrhunderts zählt, umfasst 63 Farb töne,
die harmonisch miteinander kombinierbar
sind.
„INDIVIDUALITÄT, INNOVATION, Nachhaltigkeit
– diese Trends muss man als Unternehmen
heute einfach bedienen“, sagt Heuer.
„Besonders im Geschäftsbereich ,human space‘
sind neue Ideen wichtig, da sich hier die
Wettbewerbssituation gerade in den letzten
Monaten verschärft hat.“ Eine dieser Innovationen
im Hause Bosse ist die sogenannte
ION-Cloud – sie lässt vor allem mit Blick auf
die Corona krise aufhorchen. Das Luftreinigungssystem
erzeugt Negativ-Ionen, die sich
positiv auf das physische und psychische
Wohlbefinden auswirken und so Konzentration
und Leistungsfähigkeit hochhalten sollen.
Diese Minus-Ionen haften sich an positiv geladene,
schädliche Partikel in der Luft und
inaktivieren so Viren, neutralisieren Bakterien
und machen Pollen, Pilzsporen, Rauchpartikel
und Feinstaub unschädlich – so das Versprechen
des Unternehmens. Wirksamkeit
und Unschädlichkeit des Systems hat sich
Bosse mit Studien der Universität Leipzig sowie
des Augsburger Umweltinstituts Bifa bestätigen
lassen. Jede der erhältlichen Raumin-Raum-Lösungen
kann mit dem System
ausgestattet werden. Mit ION-Cloud hat
Bosse zudem ein mobiles Tischgerät entwickelt,
welches an jedem Arbeitsplatz individuell
eingesetzt werden kann. Klingt tatsächlich
nach einer Idee mit Zukunft.
DOCH BEI ALLER NOTWENIGKEIT von Innovationsgeist
– in Höxter widme man sich,
so Heuer, auch in gleichem Maße der Nachhaltigkeit,
und dazu gehöre auch die Regionalität.
„Darum setzen wir bei den Materialien
wie Spanplatten, Metallkomponenten, Glas,
Steuerboxen und Elektronik- Bauteilen auch
ausschließlich auf Zulieferer im Umkreis.“
Das verwendete Aluminium wird mithilfe von
Wasserkraft umweltschonend produziert, wodurch
nur ein Viertel der sonst üblichen
CO 2
-Belastung entsteht. Nachhaltigkeit bedeute
aber immer auch Langlebigkeit. „Unsere
Produkte sind so konzipiert, dass sie Generationen
überdauern, und das in jeder Hinsicht“,
erklärt der Geschäftsführer zufrieden,
denn das Bosse-Konzept ging bislang auf. Die
Auftragsbücher sind voll.
UND IN DER ZUKUNFT? „Wir waren in der
Vergangenheit ein ziemlich deutsches Unternehmen“,
so der Geschäftsführer. „Export
hieß für uns Österreich und die Schweiz.“
Das hat sich in den letzten Jahren schon stark
geändert: Mittlerweile realisiert Bosse nicht
nur Projekte in ganz Europa, sondern auch in
den USA, Südafrika oder Südostasien. In diese
Richtung soll es weitergehen.
Dabei sei für André Heuer jedoch eines von
zentraler Bedeutung: Wachstum nicht um jeden
Preis. „Unternehmen unserer Größenordnung
müssen sich bei der Internationalisierung
fokussieren. Darum werden wir auch in
Zukunft darauf achten, dass wir bei all unseren
Vorhaben unsere hohen Ansprüche an
Qualität und Service sicherstellen können.“ƒ
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Gedanken in Bilder
verwandeln
Ute Eskildsen, Gründungskuratorin des Kunsthauses Göttingen, über ihren Fokus auf Papier,
das angestrebte Renommee auf dem internationalen Parkett und die Kunst als treibende Kraft
in unserer Gesellschaft
INTERVIEW STEFANIE WASKE FOTOGRAFIE ALCIRO THEODORO DA SILVA
133 Stil
STIL
E
Es ist ein warmer schwüler Sommertag. Nach den Monaten der Pandemie leuchtet
Göttingen in allen Farben. Alle paar Meter könnte ein Fotograf Schnappschüsse machen:
von Studentinnen in bunten Sommerkleidern oder von Familien, die geduldig für
ein Eis anstehen. Klick, und schon wartet das nächste Bild. In der Düsteren Straße ist die
Musik vom Marktplatz nicht mehr zu hören. Wenige wandern die Gasse entlang. Ein
ungewöhnliches, taupefarbenes Haus lässt fast alle abrupt innehalten: Feine vertikale
Linien durchziehen die Fassade, die einzig von zwei kleinen schmalen Fenstern und dem
Eingang unterbrochen wird. Eine junge Frau streicht sanft mit ihrer Hand die Rillen an
der Außenwand entlang. Es ist das neue Kunsthaus, initiiert von Verleger Gerhard
Steidl. Drinnen wartet Gründungskuratorin Ute Eskildsen zum Gespräch, ein idealer
Tag, um über Kunst und Fotografie zu reden – ihre Steckenpferde. Als renommierte
Fotografin und Fotohistorikerin war Eskildsen bis zu ihrer Pensionierung vor neun Jahren
stellvertretende Direktorin des Museum Folkwang in Essen. Von dort ist die zierliche
74-Jährige heute auch bereits angereist. Gerade hat sie eine Gruppe durch die aktuelle
Ausstellung geführt, schon klettert sie rasch die Treppe aus Beton hinauf bis ins
Dachgeschoss. Zeit zu verlieren, ist ihre Sache nicht.
Frau Eskildsen, als Kuratorin begegnen Ihnen
sicherlich über den Tag immer wieder Bilder,
an denen der Blick hängen bleibt. Gab es heute
schon einen solchen Moment?
Den gab es tatsächlich. Ich habe im Zug
gesessen und auf dem Weg hierher zugeschaut,
wie zwei kleine Mädchen einen Karton
Donuts verspeisten – und das in Windeseile.
Sie leben in Essen, einer von der Industriekultur
geprägten Region. Wie nehmen Sie
Göttingen wahr?
Ich bin schon früher häufiger in Göttingen
gewesen – für eine Katalogproduktion vom
Steidl Verlag für das renommierte Museum
Folk wang in Essen, wo ich auch die Fotografische
Sammlung geleitet habe.
Aber um ehrlich zu sein, habe ich Göttingen
noch nicht wirklich kennengelernt. Ich bin,
wenn ich durch die Straßen gehe, immer ganz
erfreut: Es ist eine Studentenstadt mit sehr
vielen jungen Leuten. Ich lebe in Essen in dem
Viertel, in dem auch die Folkwang Universität
der Künste liegt, also in einem Quartier mit
134 Stil
STIL
FOTO: © EMILIA HESSE, STEIDL PUBLISHERS
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» Ich finde es sehr schön, so ein kleines Haus zu gestalten.
Hier lässt sich eine Anschaulichkeit entwickeln, die in gewisser
Weise auch ein bisschen bescheidener daherkommen kann,
und man kann sich flexibel einrichten. «
vielen jungen Menschen, insofern hat es eine
gewisse Ähnlichkeit.
Sie sind bekannt dafür, dass Sie das historische
Erbe der Fotografie und die Gegenwartsfotografie
gleichermaßen schätzen. Inwiefern hat
dies Ihre Aufgabe im Kunsthauses Göttingen
geprägt? Was erwartet die Besucher?
Als Gründungskuratorin habe ich ein inhaltliches
Konzept für das Kunsthaus entwickelt
– es ist ja ein Ausstellungsort und kein
Museum –, und wir haben uns dann gemeinsam
für die Konzentration ,Works on paper‘
entschieden, also auf die Konzentration Arbeiten
auf Papier. Dazu gehören Skizzen,
Zeichnungen, Plakate, Grafiken und Collagen.
Aber auch Fotografien und Bücher. Das Buch
ist ein ganz wichtiges Medium in der zeitgenössischen
Kunst, und wir orientieren uns an
der Gegenwartskunst. Nun kommt hinzu,
dass wir für dieses Gebiet die Expertise von
Gerhard Steidl haben, dem Gründungsdirektor
des Kunsthauses.
Geplant sind drei bis vier Ausstellungen im
Jahr. Und für die Abbauzeit, also den Zeitraum
zwischen zwei großen Ausstellungen,
haben wir uns für die Galerie im Erdgeschoss
für das Programm ,Inbetween‘ entschieden.
Damit kann man auch ad hoc reagieren, wenn
kurzfristig etwas angeboten wird. Und weil
Sie mein historisches Interesse erwähnten: Für
die Inbetween kann ich mir sehr gut vorstellen,
dort auch selbst einmal eine historische
Referenz geben zu können.
Sie haben als Kuratorin die Fotografische
Sammlung im Museum Folkwang als eine der
europaweit führenden aufgebaut. Welche
Möglichkeiten gibt ihnen die Kunst auf Papier
in Göttingen?
Dass man Werke zusammenbringen kann, die
man vorher noch nicht zusammen gesehen
hat. Und ich finde es sehr schön, so ein kleines
Haus zu gestalten. Hier lässt sich eine Anschaulichkeit
entwickeln, die in gewisser Weise
auch ein bisschen bescheidener daherkommen
kann, und man kann sich flexibel einrichten.
Sie können zum Beispiel einmal sagen,
die Ausstellung, die ich für jetzt geplant habe,
mache ich ein Jahr später. Das können Sie in
einem großen Haus nicht. Dort sind ein längerer
Vorlauf und höherer Aufwand im Spiel.
Wie kam es zur Auswahl der ersten
Ausstellungen der amerikanischen Künstlerin
Roni Horn?
Roni Horn ist eine großartige internationale
Künstlerin, und ich denke, man muss gleich mit
dem, was man anstrebt, beginnen. Denn dies ist
nicht nur ein regionales oder nationales Ausstellungshaus.
Hinzu kommt, dass Roni Horn in
allen Medien unserer Ausrichtung arbeitet. Sie
macht wunderbare Bücher, arbeitet mit Fotografien
und auch im Bereich Grafik. Insofern
fand ich ihr Werk für die Eröffnung des Hauses
prädestiniert. Obendrein ist sie eine Künstlerin,
deren Arbeitsgrundlage immer wieder die Diversität
ist, die auffordert, Unterschiede zu denken.
Diese Qualität passt gut in unsere Zeit.
Gibt es neben dem ,Arbeiten auf Papier‘ noch
weitere, inhaltliche Schwerpunkte im Konzept?
Die Medien sind ja schon eine Eingrenzung.
Ich glaube, die Inhalte muss man offenlassen,
das wäre sonst zu eingegrenzt. Es gibt ja interessante
Möglichkeiten, ein bestimmtes Thema
in zwei Medien zu zeigen. In der nächsten
Ausstellung, die ich im Kunsthaus kuratiere –
,Modell Tier‘ – werden beispielsweise neun
internationale Künstler gezeigt, die sich mit
dem Tier auseinandersetzen. Unter anderem
ist ein Illustrator dabei, der für wunderbare
Kindertierbücher berühmt ist: Wolf Erlbruch.
Dann aber auch eine Israelin mit Videopro-
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jektionen ihrer nächtlichen Beobachtungen
von Schakalen. Sie sehen, auf diese Weise wird
die Konzentration auf das Papier hier und da
auch mal durch Videos erweitert.
Kann man bereits von einer speziellen
Handschrift sprechen – auch mit Blick auf
andere Häuser. Wo ist das Kunsthaus
Göttingen verortet?
Erst einmal haben wir mit der Reduktion der
Medien ein Alleinstellungsmerkmal. Und wir
schauen auf nationale, regionale und internationale
Künstlerinnen und Künstler. Wir müssen
natürlich zuerst einmal versuchen, das regionale
Publikum mitzunehmen. Die bis herige
Presse zeigt aber, dass wir eine nationale Ausstrahlung
haben.
Vielleicht muss sich der Schwerpunkt erst
organisch entwickeln.
Unbedingt. Das ist ganz wichtig, um die Kunstszene
überhaupt zu erreichen. Man muss sich
erst einmal ein Renommee – ein Niveau – erarbeiten.
Bei Ihrer folgenden Ausstellung ,Modell Tier‘
sind auch Naturschutzbiologen der Universität
Göttingen eingebunden.
Das habe ich von Anbeginn vorgehabt. Ich
habe, als ich die erste Zeit in der Planung war,
verschiedene Abteilungen der Universität besucht.
Beispielsweise gibt es in der Uni-Bibliothek
das Buch-Gesamtœuvre von Edward
Curtis, einem Fotografen, der die Ureinwohner
Nordamerikas systematisch dokumentiert
hat. Es ist angedacht, dieses Werk mit
heutigen Dokumentarfotos zu verbinden. Ich
würde sehr gern weitere Kontakte zur Universität
suchen, um mögliche Kooperationen
zu entwickeln.
Um noch einmal auf den Bau einzugehen –
Sie sagten, Sie hätten sich sehr viel mit der
Architektur beschäftigt. Was war Ihnen
dabei wichtig?
Besonders wichtig ist mir, dass die klimatischen
Bedingungen eingehalten werden. Und
die Lichtsituation, die ist auch auf dem neuesten
Stand. Das Architektenteam aus Leipzig
hat sich erfolgreich bemüht, die Funktion in
den Vordergrund zu stellen. Sprich, die Architektur
stellt sich auf die Kunst ein und nicht
andersherum. Es ist eine sehr funktionale Architektur.
Es gibt Blicke nach außen. Einige
Leute wundern sich sicher über die wenigen
Fenster, aber Arbeiten auf Papier vertragen
Die perfekte Eröffnung
Die erste Ausstellung im Kunsthaus gab
einen umfassenden Einblick in das vielfältige
Schaffen der Amerikanerin Roni Horn.
Auf drei Ebenen wurden exemplarisch für
den Fokus des Hauses – Arbeiten auf Papier –
Fotografien, Zeichnungen und Buchkunst aus
Horns Œuvre gezeigt. Sie kreisen um die
Wandlungsfähigkeit von Identitäten, die
Instabilität von Ort und Zeit, von Formen
und Sprache.
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nicht viel Licht. Wenn Sie durch das Haus gehen,
finden Sie immer wieder Ausblicke, diese
können aber geschlossen werden, wenn sehr
empfindliche Werke ausgestellt sind. Das ist
gut gemacht, und alle Fensterscheiben sind
vor UV-Licht geschützt.
Das Haus musste sich aber auch in die
historischen Bauten der Straße integrieren.
Es gab eine Bauphase, in der ich mich fragte:
Wird es zu hoch, zu massiv? Ich finde, das
Kunsthaus fügt sich sehr schön in die Häuserzeile
ein. Es springt nicht hervor, was die wunderbar
abgestufte Fassade unterstützt.
Die letzte Bauphase und die Eröffnung waren
schon zu Zeiten der Corona-Pandemie. Hat
die Krise denn auch die Ausstellungs projekte
verändert? Den Blick?
Nein, die Konzepte der ersten Ausstellungen
stehen ja, dabei ist es auch geblieben. Und das
mit dem Blick wird sich erst zeigen.
Sie sehen ja sehr viel Kunst. Haben sich Ihrer
Meinung nach die Themen verändert?
Ich glaube schon, dass es eine ganze Reihe
von zeitgenössischen Künstlern gibt, die die
Auswirkungen beziehungsweise die Situationen
der Pandemie zum Thema machen. Das
wird jetzt sukzessive sichtbar und auch ausgestellt
werden. Ich glaube, dass wir neue
Ideen brauchen. Wohin soll unsere Gesellschaft
gehen?
Das bezieht sich nicht nur auf die Kunst.
Aber sie ist ja immer auch eine tragende Kraft,
die Veränderungen frühzeitig aufnimmt und
sich mit gesellschaftlichen Problemen auseinandersetzt.
Ich denke, man sollte an die Kunst
jedoch nicht direkte politische Anforderungen
stellen. Es gibt ja subtile Formen, in denen
zum Ausdruck kommt, was die Krisen zeit
bewirkt hat, ohne dass gleich eine neue
soziale Perspektive entworfen wird.
Viele Ausstellungshäuser ermöglichen
mittlerweile ja auch, dass man digital durch
die Räume geht.
Das wird es immer mehr geben. Ich kann mir
bestimmte Ausstellungen auch gut in digitaler
Form vorstellen, weil die Kamera heranfahren
kann, was dem Betrachter bei vorgegebenem
Abstand im Museum nicht möglich ist. Ich
glaube jedoch, die Wahrnehmung eines Kunstwerks
vor Ort, wie auch immer das Original
beschaffen ist, ist grundsätzlich nicht ersetzbar.
Es sei denn, Künstler konzentrieren sich
gleich auf das Netz. Das ist dann aber ein anderer
Bereich der Kunst.
Daher wird es vermutlich zukünftig zunehmend
eine Mixtur zwischen Ausstellungsbesuch
und digitaler Dokumentation geben.
Wie würden Sie das Besondere beschreiben,
wenn man vor einem Kunstwerk steht? Was ist
der Unterschied, wenn man es im Internet sieht?
Sie haben dann ja immer den zweidimensionalen
Bildschirm und bekommen kein Gefühl
für Materialität. Das ist doch ein immenser
Unterschied: So wie ich Sie jetzt live vor mir
anschaue oder Sie auf einem Monitor. Das ist
etwas völlig anderes.
Was ist es, das Sie bis heute und auch weiterhin
antreibt, Ausstellungen zu kuratieren und
Bücher herauszugeben?
Es ist das Interesse an der Transformation von
Gedanken in Bilder, an visuellen Formulierungen
– und es ist meine Freude, mit Künstlerinnen
und Künstlern zu arbeiten und dies alles
unseren Besuchern mitzuteilen.
Vielen Dank für das Gespräch.
ZUM KUNSTHAUS
Das Kunsthaus Göttingen mit dem Schwerpunkt
zeitgenössische Kunst wurde im Juni
2021 eröffnet. Die Idee hatte Verleger Gerhard
Steidl bereits fünf Jahrzehnte zuvor. Ab
2008 unterstützte ihn der damalige Göttinger
Oberbürgermeister Wolfgang Meyer. Gemeinsam
definierten sie das Haus als Mittelpunkt eines
zu entwickelnden Kunstquartiers. Die Stadt
erhielt dafür Fördermittel des Bundes in Höhe
von 4,5 Millio nen Euro. Der Duderstädter
Unternehmer Hans Georg Näder unterstützte
den Bau mit einer Million Euro, dazu kamen
weitere Spender. Sartorius wurde Hauptsponsor
und ermöglicht den freien Eintritt. Neben dem
Kunsthaus entstand außerdem ein Atelier des
amerikanischen Künstlers Jim Dine.
ZUR KURATORIN
Ute Eskildsen studierte Fotografie und
Fotografiegeschichte an der Folkwang-Schule
für Gestaltung, Essen. Danach arbeitete sie
als freie Fotografin und Assistentin von Otto
Steinert, einem der bedeutendsten Fotografen
der Nachkriegszeit. Nach einem Arbeitsaufenthalt
am International Museum of Photography
(USA) war sie von 1979 bis 2012 Kuratorin für
Fotografie am Museum Folkwang, Essen.
Dort baute sie die Fotografische Abteilung
auf und initiierte mehrere Nachwuchs-
Förderprogramme. Ab 1991 war Eskildsen
stellvertretende Direktorin des Museums.
2012 bis 2015 lehrte sie als Gastprofessorin an
der University of Wales, Großbritannien. Sie
veröffentlichte zahlreiche einschlägige Publikationen
zur Fotografie. Ihre Forschungsschwerpunkte
liegen in der Zwischenkriegszeit, den
195oer-Jahren und der zeitgenössischen Praxis.
ZUR AKTUELLE AUSSTELLUNG
Modell Tier: Fotografie – Projektion –
Illustration
24. September 2021 bis 2. Januar 2022
Das Tier und seine ambivalente Beziehung
zum Menschen rückt diese Ausstellung in den
Mittelpunkt – mit Videos, Fotografien, Büchern,
Zeichnungen und Installationen. Wolf Erlbruch
(Deutschland), Roni Horn (USA), Sanna Kannisto
(Finnland), Jo Longhurst (Großbritannien),
Olivier Richon (Schweiz), Michal Rovner (Israel),
Thomas Struth (Deutschland) und Tomasz
Gudzowaty (Polen) werden ganz unterschiedliche
Blickwinkel präsentieren. Zu sehen sind
außerdem Bilder eines ,Luchsprojekts‘ der
Naturschutzbiologen der Georg-August-
Universität Göttingen.
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