Ein Jahrhundert Freilichtbühne
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Ein Jahrhundert
FREILICHTBÜHNE
an der Zitadelle
1921——2021
Das Heft
zur Ausstellung
Ein Überblick
über die
Vergangenheit
und Gegenwart
der Bühne in
Wort und Bildern
Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Spandauerinnen und Spandauer,
im Juni 1921, kurz nach Eröffnung der Freilichtbühne
an der Zitadelle, schrieb die Spandauer Zeitung von
einem Ort der „reizvollen Waldeinsamkeit“, der einen
doppelten Genuss der Theaterkunst ermögliche. 2021, nach einer bewegten
Geschichte, zahlreichen Umbauten und unzähligen Produktionen und Aufführungen
feiert die Freilichtbühne ein ganz besonderes – das hundertjährige – Jubiläum.
Hierzu möchte ich herzlich gratulieren und den vielen engagierten und kreativen
Menschen, die die Bühne seit nunmehr 100 Jahren zu einem lebendigen Ort machen,
meinen Dank aussprechen. Sowohl die Instandhaltung und bauliche Weiterentwicklung
als auch die konzeptionelle Entwicklung des Spielbetriebes mit Blick
auf den gesellschaftlichen Wandel waren und sind für alle Beteiligten große Herausforderungen.
Und nach dem Jubiläum geht es ohne Verschnaufpause weiter: Die bauliche Umgestaltung
der Freilichtbühne wird noch in diesem Jahr beginnen und bildet den
Auftakt zu umfangreichen Umbau- und Sanierungsmaßnahmen. Ich bin mir deshalb
sicher, dass die Freilichtbühne auch weiterhin und in den nächsten hundert Jahren
kreatives, bewegtes und erfolgreiches Theater bieten kann.
Die ursprüngliche Erlaubnis, das ehemalige Reitplatzgelände zur Freilichtbühne
umzuwandeln, wurde mit den Worten „Nun gut, dieses kleine Vergnügen wollen
wir den Spandauern ruhig gönnen“ erteilt. Sie als „kleines Vergnügen“ zu bezeichnen,
ist zum hundertjährigem Bestehen sicher eine Untertreibung: Konzertabende,
Lesungen und Poetry Slams sind hier ebenso zuhause wie Jugendtheater und Kindermusik.
Umso mehr wünsche ich in diesem Sinne den Spandauer*innen, ebenso
wie allen übrigen Berliner*innen, dass ihnen dieses „kleine Vergnügen“ noch lange
vergönnt bleibe.
Dr. Klaus Lederer
Senator für Kultur und Europa
1
Sehr geehrte Damen und Herren,
100 Jahre Kultur in der Freilichtbühne an der Zitadelle!
Wer diese Kultur jedoch nur auf Unterhaltung und
Zerstreuung reduziert, vergisst die gesellschaftliche
Dimension, die ihr zusteht. Unsere Kultur ist das, was uns zum Menschen macht.
Deshalb ist es umso erfreulicher, dass durch das 100jährige Jubiläum der Freilichtbühne
an der Zitadelle eine nachhaltige Wertschätzung der Kultur in Spandau nicht
von der Hand zu weisen ist.
100 Jahre Sommerkultur unter freiem Himmel!
Ein Jahrhundert ist zugleich eine Zeitspanne, die eine wechselvolle Geschichte
nahe legt – Veränderungen in der Politik, Veränderungen in den gesellschaftlichen
Normen, Veränderungen in der Kultur selbst. Dennoch ist es immer gelungen, die
Freilichtbühne mit Leben zu füllen. Viele Künstlerinnen und Künstler und viele Gäste
haben dafür gesorgt, dass die Freilichtbühne zu jeder Zeit ihren Platz im Leben
hatte.
Natürlich können wir deshalb nicht davon ausgehen, dass Kultur eine Selbstverständlichkeit
ist. Wir müssen uns dafür stark machen, die gemeinschaftliche
Bedeutung von Kultur zu erhalten und in Richtung Teilhabe ausbauen, facettenreich
und umfassend – Kultur für alle, denn Kultur öffnet Horizonte.
Die Freilichtbühne an der Zitadelle, als bezirkliche Einrichtung seit Jahrzehnten erfolgreich
durch das Kulturhaus Spandau vertreten, hat sich über die Jahre dieser
Gemeinwohlorientierung angenommen. Ihre Programmgestaltung, ihre Eintrittspreispolitk,
sogar die bauliche Instandsetzung zielen letztendlich auf einen Abbau
von Zugangsbarrieren.
Es gibt immer etwas zu tun! Mit dieser Maxime stellen wir uns der Aufgabe, die Freilichtbühne
auf den Weg durch ein nächstes Jahrhundert zu bringen und freuen uns
aber jetzt, dass das erste gelungen ist. Um frei mit Schillers Worten zu sprechen:
„Größeres mag sich anderswo begeben“, in der Freilichtbühne als die Bretter der
Welt „sehn wir doch das Große aller Zeiten“.
Seien Sie willkommen!
Ihr Kulturstadtrat Gerhard Hanke
2
Liebe Leserinnen und Leser
unserer Jubiläumsbroschüre,
„Oh, ist das hübsch hier!“, diesen Ausruf habe ich
in der Freilichtbühne schon unzählige Male gehört,
wenn Besucherinnen und Besucher zum ersten Mal
auf unser Gelände kommen. Und ganz sicher kennen ihn auch alle meine Vorgänger.
Wir feiern 100 Jahre Freilichtbühne an der Zitadelle! 100 Jahre Kulturarbeit in
Spandau mit ungezählten Veranstaltungen inmitten der Natur.
All diese Vorstellungen haben Künstlerinnen und Künstler mit ihrem Publikum zusammengebracht,
damit die Kultur ihre Funktion im menschlichen Miteinander
übernehmen konnte.
Seit über 10 Jahren darf ich nun die kulturelle Entwicklung der Bühne mitbestimmen,
seit 2013 in meiner jetzigen Funktion als stellvertretende Kulturamtsleiterin mit
der Verantwortung für das Kulturhaus und die „angedockte“ Freilichtbühne an der
Zitadelle. Ein Team aus festen und freiberuflichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern
sowie viele Helferinnen und Helfer unterstützen mich bei Programmgestaltung und
Veranstaltungsorganisation und mit der Förderung des Bezirkes und der Senatsverwaltung
geht auch die bauliche Modernisierung zum Erhalt der Bühne voran. Dabei
ist die Freilichtbühne für alle Beteiligten und viele Stammgäste immer ein bisschen
wie der ganz persönliche Kleingarten: Wir alle freuen uns jedes Jahr ganz besonders
auf unsere Sommersaison und die vielen fröhlichen Gesichter.
Der Rückblick in unserer Ausstellung und dieser Broschüre zeigen, welche Bedeutung
die Bühne im Bezirk Spandau hatte, wie sie mit ihrer Gründung den Ton der
Zeit in den kulturträchtigen 20er-Jahren traf und wie es gelang, sie mit wechselnden
Programmschwerpunkten über das vergangene Jahrhundert in der kulturellen Teilhabe
im Bezirk und in der Stadt zu verankern.
Dennoch ist es Aufgabe jeder Zeit, über die Erfahrungen aus der Vergangenheit
die Gegenwart zu formen und neue Ideen für die Zukunft zu finden. Den aktuellen
Zustand wahrzunehmen ist wichtig, um zu sehen, wohin es gehen kann und unter
Einbezug aller Beteiligten – Publikum, Künstler*innen und Politik – Veränderungen
zuzulassen und gleichzeitig Gutes zu bewahren.
Es ist schön, als Programmgestalterin gemeinsam mit meinem Team die identitätsstiftende
Funktion der Bühne weiterzuführen und Neues einzubringen.
Auch nach 100 Jahren sehe ich viel Potential für diese wandlungsfähige Bühne mitten
im Grünen!
Ich freue mich auf Ihren Besuch
Britta Richter
Leiterin Kulturhaus Spandau/Freilichtbühne an der Zitadelle
3
Ein Jahrhundert
FREILICHTBÜHNE
an der Zitadelle
1921——2021
Im Rahmen des 100-jährigen Jubiläums der Freilichtbühne haben
wir in unseren Archiven gesucht, Wegbegleiter*innen der Bühne befragt
und Erinnerungen und Gedanken zusammengetragen. Daraus
entstanden ist diese Broschüre: Sie gibt einen Überblick über die
Vergangenheit und Gegenwart der Bühne und ebenso einen kleinen
Ausblick auf zukünftige Entwicklungen. Mit einem Fokus auf bisherige
Programmschwerpunkte, die im Lauf der Geschichte immer
wieder wechselten, wollen wir Ihnen das Geschehen blitzlichtartig
näherbringen. Die Freilichtbühne hat viel erlebt: Von Anfang an gab
es Theater, dazu gesellten sich Konzerte, Sport und Filmvorführungen,
Folkloreveranstaltungen, Oper und Musical sowie Kinderprogramm.
Ein Einblick in die Baugeschichte, geschichtliche Blitzlichter
und kurze Statements oder Anekdoten von Besucher*innen, einer
Mitarbeiterin sowie langjährigen Begleiter*innen und verschiedenen
Akteur*innen runden unsere Erzählung ab.
Wegweiser zur Freilichtbühne mit der Bronzefigur des
Ares im Hintergrund, © Kulturhaus Spandau
4
Historische Blitzlichter und Anekdoten
Zu jedem Programmschwerpunkt können Sie ein kurzes historisches
Blitzlicht lesen, das das Geschehen in der Freilichtbühne in seinen
geschichtlichen Spandauer Kontext einbettet. Da bei uns die Freude
großgeschrieben wird, haben wir außerdem die ein oder andere
Anekdote zusammengetragen. Hier gleich einmal die erste: „Mutti,
haste mal ne Mark?“ Das Geld für die erste sporadische Einrichtung
der Freilichtbühne – 800 Mark – lieh sich der 1877 als Otto de Lemos
geborene Gründer der Bühne Otto de Nolte bei seiner Schwiegermutter.
Lage
Am westlichen Stadtrand Berlins liegt der Bezirk Spandau, dessen
bekanntestes Bauwerk die Zitadelle ist. In deren unmittelbarer
Nachbarschaft, auf dem angrenzenden Glacis, befindet sich die
Freilichtbühne, zu der man gelangt, wenn man von der Straße „Am
Juliusturm“ auf die Zitadelle zugeht und sich nach dem Überqueren
der ersten Brücke nach rechts dem Zitadellenpark zuwendet.
Vom Kriegsgott Ares bewacht, spaziert man hier durch idyllisches
Grün. Nach dem Passieren des Wehres, mit wunderbarem Blick über
den Spandauer See, erreicht man den Zugang zur Bühne. Möchte
man den Teil des Zitadellenparks in Gänze erkunden, kann man von
hier nach links gewandt noch einen Rundgang über das beschauli-
2018, Konzert von Petticoat, © Kulturhaus Spandau
5
che Areal machen.
Und gleich an dieser Stelle ein erster historischer Exkurs: Die parkartige
Umwandlung des ehemaligen Festungsumfelds begann 1925,
nachdem die Freigabe des Geländes durch das Militär erfolgt war.
Die gestaltenden Arbeiten für die Promenadenwege wurden begonnen
und bis 1928 erfolgte die Bereinigung des prächtigen Baumbestands
sowie die Ergänzung durch Unterpflanzungen. Mit Mitteln
des Förderprogramms „Städtebaulicher Denkmalschutz“ wird
seit 2018 ein Konzept zur Umgestaltung des gesamten Zitadellenumfelds
erarbeitet, unter Einbeziehung der Anregungen Spandauer
Bürger*innen und unter Berücksichtigung des Natur- und Denkmalschutzes
sowie des Erholungsnutzens für die Bevölkerung.
Luftbild der Zitadelle mit Park und Freilcihtbühne links, https://1928.tagesspiegel.de
6
2003, Daniela Majorek u. Larry
Schuba, © Daniela Majorek
Daniela Majorek, Besucherin
„Die familiäre Atmosphäre bei den Konzerten, der
Blick hinter die Bühne ins Grüne, der Vogelgesang,
der sich in die Show mischt, wenn sich die Dunkelheit
senkt ... Es sind die vielen Kleinigkeiten, die
einem als Zuschauer in Erinnerung bleiben, selbst
wenn es ein völlig durchnässtes Konzert ist. Sogar
das hat eine besondere Dimension.“
Daniela Majorek besucht seit 1997 regelmäßig Konzerte
in der Freilichtbühne und ist eine unserer treuesten
Stammgäste. Zu ihren Lieblingbands gehören
u. a. Larry Schuba und Western Union ebenso wie
Petticoat.
Autogrammkarte von Larry
Schuba u. Western Union,
© Daniela Majorek
7
CHRONOLOGIE 100 JAHRE
IN EINE REIHENFOLGE GEBRACHT
1921 Gründung der Freilichtbühne durch Otto de Nolte
3. 7. 1921 Premiere, nachmittags um 4 Uhr Grillparzers „Sappho“
Ab 1923 Pachtung des Geländes und Förderung des
Bühnenaufbaus durch den Bezirk Spandau
Bis 1942 Aufrechterhaltung des Spielbetriebs
1946 Übernahme und Instandsetzung durch das Kunstamt
Spandau unter der Leitung von Ewald Blume
1961 Feierlichkeiten zum 40. Jubiläum der Freilichtbühne
1986 Das Altstadt Theater Spandau übernimmt unter der
Leitung von Achim Grubel, Gabriel Reinking und
Matthias Diem die Programmgestaltung
Ab 1988 Das Programm läuft fortan unter dem Titel „Spandauer
Sommerfestspiele“
1928, Konzert der Musikvereinigung II der Schutzpolizei Berlin,
© Archiv des Stadtgeschichtlichen Museums Spandau
8
2000 Das Bezirksamt Spandau überträgt Kulturhausleiter
Ulrich Funk auch die Leitung der Freilichtbühne. Die
Veranstaltungen werden zunächst in Kooperation mit
dem Kammerchor Cantiamo e. V. und dann mit dem
Magma Theater Spandau e. V. durchgeführt
2011 Start der beliebten Reihe „Umsonst und Draußen“:
Sonntagvormittagskonzerte lokaler Orchester,
Chöre und Ensembles bei freiem Eintritt
2013 Übernahme der Leitung von Kulturhaus und
Freilichtbühne durch Britta Richter
2020 Gründung des FKS Freunde Kulturhaus Spandau e. V.
als neuer Kooperationspartner des Bezirksamts für die
Veranstaltungsdurchführung
2021 Jubiläumssaison 100 Jahre Freilichtbühne
2018, Umsonst & Draußen am Sonntag, Blick ins Publikum, © Kulturhaus Spandau
9
2019, Jörg Kremzow beim
Sonntagskonzert der Reihe
Umsonst & Draußen, ©
Kulturhaus Spandau
Jörg Kremzow, Besucher
„2006 wurde ich durch ein Konzert von Sherman Noir auf die Freilichtbühne
aufmerksam, aber so richtig zum Dauergast machte
mich erst eine Ankündigung der Umsonst-&-Draußen-Konzerte
2018. Seitdem kann mir nicht mal schlechtes Wetter den Spaß
an den Konzerten nehmen. Zudem habe ich hier auch gleichgesinnte
Menschen kennengelernt, woraus sich Bekanntschaften
entwickelt haben, die auch außerhalb der Umsonst-&-Draussen-
Veranstaltungen Bestand haben – Kultur verbindet!“
Jörg Kremzow kommt regelmäßig zur Sonntagsreihe Umsonst &
Draußen und ist einer der lieben Gäste der immer mit großer Begeisterung
anwesenden „letzten Reihe“.
2020, Foto der letzten Reihe,
unsere treuen Stammgäste
bei Umsonst & Draußen,
© Kulturhaus Spandau
10
THEATER
1. AKT
„Nun gut, dieses kleine Vergnügen wollen wir den Spandauern
ruhig gönnen“. Mit diesen Worten soll der damalige Festungskommandant
die Erlaubnis zum Spielbetrieb gegeben haben. Otto de
Nolte, selbst Schauspieler, gründete 1919, da er kein Engagement
fand, zunächst die Spandauer Volksbühne e. V. Mit dieser Theatergruppe
spielte er Aufführungen in Spandauer Etablissements wie
„Kochs Bismarksälen“ oder „Roter Adler“, bevor er 1921 die „Freilichtbühne
am Juliusturm“ aufbaute, um eine eigene Spielstätte zu
haben. „Alles war damals Zufall. Ich machte einen Spaziergang und
stand plötzlich zwischen hohen Ahornbäumen auf einer verwahrlosten
Lichtung.“ So beschrieb Otto de Nolte seine erste Begegnung
mit dem Terrain, auf dem er mit einfachsten Mitteln sein „Theater“
26.06.1921, Premiere in der Spandauer Volksbühne, Sappho V. Aufzug,
© Archiv des Stadtgeschichtlichen Museums Spandau
11
Die 1920er
Zuvor eigenständige Stadt, fortan
industriestarkes Mitglied eines Mammutprojekts:
Am 1. Oktober 1920 trat
das Groß-Berlin-Gesetz in Kraft und aufbaute. „Sappho“ – Mit Grillparzers
Trauerspiel in fünf
vereinte alle heutigen Berliner Bezirke
zu einer Metropole. Wer in Spandau
lebte, war damit Teil einer der größten
Städte der Welt – mehr Menschen te Liebe der antiken Dichterin
Aufzügen über die unerwider-
lebten damals nur in New York und Sappho zu dem Jüngling Phaon
London.
begann am 3. Juli 1921 die Veranstaltungsgeschichte
in der
Freilichtbühne. Shakespeare,
Schiller, Ibsen, Hauptmann, aber auch namenlosere Autor*innen mit
Schwerpunkt Dramentheater wurden im Folgenden gespielt. Ab
Mitte der 20er-Jahre wurden vermehrt Possen, Schwänke und Lustspiele
ins Programm aufgenommen, um dem Wunsch des Publikums
auch nach leichter Unterhaltung nachzukommen. Zur Intensivierung
der Bühnennutzung wurde ab 1928, auf Wunsch des Bezirksamts,
das Veranstaltungsspektrum erweitert: Erste Konzerte und offene
Singstunden öffneten das Repertoire ins Musikalische. Zum Ende
des Jahrzehnts gab es circa 60 Veranstaltungen in einer Spielsaison.
Da das Theatergeschäft in den 30er-Jahren durch das Aufkommen
der Lichtspielhäuser ohnehin schwieriger wurde, überstiegen diese
anderen Veranstaltungen bald die Theateraufführungen.
Otto de Nolte mit seiner Familie auf dem Gelände der Freilichtbühne,
o.D, © Archiv des Stadtgeschichtlichen Museums Spandau
12
Plakat Sappho 1921, © Archiv des Stadtgeschichtlichen Museums Spandau
Fisch spielte zu jener Zeit immer wieder eine entscheidende Rolle in der Freilichtbühne.
Zuweilen stand er frisch aus dem Spandauer See gezogen als Akteur in
stummer Rolle mit auf der Bühne oder diente den Schauspieler*innen als Lohn
für ihre Dienste.
De Nolte, der mit Familie während der Sommermonate auch in einer Holzhütte
auf dem Gelände der Freilichtbühne lebte, fing ihn höchstpersönlich. Dieses kleine
Freude ließ er sich nicht nehmen.
13
1988, Chin Chilla beim Festival
mit Bands des Rockhaus
Spandau, © Klaus Sedl
Klaus Sedl, Künstler
„Meine erste Begegnung mit der Freilichtbühne fand 1989
als Sänger der Band Chin Chilla im Rahmen eines Rockhaus-Spandau-Festivals
statt und gleich mit einem prägenden
Erlebnis: die allererste Nutzung eines Funkmikrofons!
Heute ist das kabellose Mikro gang und gäbe, aber damals war es
gerade für junge Bands noch etwas sehr Besonderes. Dank der
Kabellosigkeit war es sogar möglich, während des Auftritts das in
der Garderobe vergessene Getränk zu holen und dennoch weiterzusingen:
Da steht man da, fernab der Bühne und sieht die Bandkollegen
nicht, aber singt ganz einfach trotzdem mit, vielleicht
nicht ganz im Takt ... Das umgebende Grün, das freundliche Personal,
der Mensch am Mixer, der sich für die Band interessiert und
für guten Sound sorgt, das so wohlwollende, tolle Publikum – so
viele Einzelheiten finden hier zusammen, die immer ein gelungenes
Konzert entstehen lassen. Nur die Mücken sind nicht so nett!“
Klaus Sedl ist Musiker und als Mitglied in Bands wie Prowler, Petticoat,
Rock Twice schon seit langem auf den Brettern der Freilichtbühne aktiv.
Petticoat, © Alexandra Bohn
14
THEATER
2. AKT
Ab 1933 mussten die Spielpläne der Theater beim Reichsministerium
für Volksaufklärung und Propaganda genehmigt werden, was
vermehrt Wanderinszenierungen des Reichsverbands „Deutsche
Bühne“ auf den Plan rief. Der Spielbetrieb wurde bis 1942 aufrechterhalten,
wenn auch nur noch mit wenigen Aufführungen. Danach
wurde es aufgrund der politischen Situation und der zunehmenden
Bombardements der Stadt unmöglich, weiterhin unter freiem Himmel
zu spielen. Nach der kriegsbedingten Spielpause begann 1947
dann die erste Saison unter der Leitung des Kunstamts Spandau.
Bis in die 70er-Jahre stand das Theatergeschehen unter der wechselnden
Regie verschiedener Spandauer Theaterensembles, etwa
der bis heute aktiven „Privat-Theater-Gesellschaft Elektra 1911 e. V.“
oder des Theater Varianta, die schon damals die Alltagsthemen des
Publikums auf die Bühne brachten. Ab 1986 übernahm das Altstadt
Theater Spandau, das zudem einen kleinen Theaterladen in der
Stresowstraße betrieb, die Gestaltung des Theaterprogramms und
begründete die „Spandauer Sommerfestspiele“. Unter der Regie
1957, Meister Andreas, © Archiv des Stadtgeschichtlichen Museums Spandau
15
Im Backstagebereich der Freilichtbühne gab es ein kleines
Gartenhaus. Hier wurde manchmal gleich im Anschluss
an die Hauptvorstellung noch ein „Nachtschauspiel“ im
kleinen Kreis geboten. In der Regel begann dies um 22
Uhr und endete kurz bevor die letzte U-Bahn fuhr. Es
wurden Stücke in Minimalbesetzung gegeben, die natürlich
ebenfalls die großen Fragen behandelten, aber in
kleinerer Umsetzung den besseren Rahmen fanden.
von Achim Grubel, Gabriel Reinking und Matthias Diem wurden bis
1999 anspruchsvolle Klassiker präsentiert: „Lysistrata“, „Die Liebesvögel“,
„Die Räuber“, „Wilhelm Tell“, „Sommernachtstraum“, „Viel
Lärm um nichts“, „Figaros Hochzeit“ oder „Romeo und Julia“. Seit
2000 wechseln sich nun in einem vielfältigen Programmmix Konzerte,
Shows und eben Theateraufführungen regelmäßig ab. Gastauftritte
verschiedener Schauspielschulen, aber auch ambitionierte
lokale Theatergruppen beleben neben Comedy, Kabarett, Poetry
Slam und Kleinkunst die Wortkultur.
Ergänzend gab es immer wieder exotische Inszenierungen, etwa
Live-Hörspiele mit dem Theater zerbrochenes Fenster 2011 oder mit
Schmitz und Siener. Mit Stimmen, Geräuschen, jeder Menge Equipment
und ganzem Einsatz schafften sie eine wunderbare Hörspielatmosphäre,
aber auch großem Erlebniswert fürs Auge. Kleine Perlen,
die die Vielfalt der kulturellen Möglichkeiten zum Ausdruck bringen.
Hierzu gehören auch die stillen Aufführungen von Adelheit Kleinei-
1957, Jan der Wunderbare, © Archiv des Stadtgeschichtlichen
Museums Spandau, Fotograf Franz Freytag
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Eintrittskarte von 1962
© Archiv des Stadtgeschichtlichen
Museums Spandau
dam, die mit „Ich suche deine Sterne und will nicht schlafen“ Lyrik
und Lovesongs im fließenden Wechsel verband, um der Liebe ihren
dichterischen Ausdruck quer durch Epochen und Stile zu geben.
Die 1930/40er
Die politischen Unruhen der 1920er-Jahre trieben
einen Keil durch die Weimarer Republik, der 1933
in der Machtergreifung der Nationalsozialisten
mündete. In Spandau erhielt die NSDAP 44,5 % der Stimmen. Nach Ende des Zweiten
Weltkriegs teilten die britischen und sowjetischen Mächte einen Teil Spandaus
unter sich auf: Während die Sowjets das westliche Staaken besetzten, wurde Ost-
Staaken Teil des britischen Sektors. Grund für die ungewöhnliche Trennung war
der Gatower Flugplatz, der über den fortan britischen Bereich besser nutzbar war.
17
2021, Sonja Grosch mit Mandy
Powrie, © Kulturhaus Spandau
Sonja Grosch, Mitarbeiterin
„Mein schönstes Erlebis auf der Freilichtbühne war das Konzert
von der Wolfgang Petry Coverband. Dabei ging es gar nicht um
die Musik an sich, sondern diese besondere Stimung. Es goss in
Strömen. Alle Gäste, die Band und wir als Personal waren komplett
nass – sozusagen ‚in der Hölle, Hölle, Hölle, Hölle‘. Wir tanzten
auf den Bänken und sangen – nein – wir grölten die Lieder mit.
Wir hatten Riesenspaß!“
Sonja Grosch ist Geschätsführerin von Kulturhaus und Freilichtbühne.
Sie ist schon seit 21 Jahren im Haus beschäftigt und hat
immer noch viel Freude bei ihrer Arbeit.
Putztag in der Freilichtbühne
© Kulturhaus Spandau
18
FOLKLORE VON WANDERVOGEL-
ZIRKUS UND ORIENENTALISCHEN NÄCHTEN
Folklore, im Sinn der volkstümlichen Überlieferungen von Liedern,
Trachten und Brauchtum, fand ebenfalls schon früh Eingang in das
Veranstaltungsspektrum. In den 1930er-Jahren stellte sich der sogenannte
„Wandervogel-Zirkus“ erstmals vor: Mit Gesang, Musik,
Volkstänzen und humoristischen Vorführungen sollten „… Die Lacherfolge,
die er in kleinem Kreise erzielte … auch in größerem Kreise
das Zwerchfell lockern.“ (Volksblatt 12. 7. 1930)
Entfernt vom Lacherfolg der 30er boten volkstümliche Abende
auch in den 60er-Jahren Einblicke in das kulturelle Leben anderer
Regionen. So lud – obwohl Spandau im Britischen Sektor der Stadt
lag – der französische Stadtkommandant im Juli 1964 in die Freilichtbühne
zu Feierlichkeiten anlässlich des französischen Nationalfeiertags.
1957, Meister Andreas, © Archiv des Stadtgeschichtlichen Museums Spandau
19
2013, Orientalische Nacht, © Mirabilia
Die 1950er
Die 1950er-Jahre wurden insbesondere
durch die Suche nach Spandauer
Wohnungsraum geprägt: Vertriebene
aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten
stellten dessen Kapazität auf
die Probe, zunächst mussten diese in
notdürftigen Lagern innerhalb Berlins
untergebracht werden. Entspannung
schaffte die US-amerikanisch geförderte
Entstehung von mehr als 500
neuen Wohnungen an der Cautiusstraße
im Jahr 1955, damals Reichstraße
genannt.
Natürlich stellte sich auch die Regionalkultur vor: Der Harzklub Harlingerode
etwa beging 1972 mit Jodeln, Peitschenknallen, Volkstänzen,
Liedern und kurzen Holzhacker- und Bergmannszenen einen
Volkskunstabend, um dem Publikum frühere Lebenswelten dieser
Region vorzustellen.
Mit den „Orientalischen Nächten“ zwischen 2006 und 2018 zeigte
sich ein Wandel in der Darstellung der Folklore. Hier wurde die märchenhaft
erzählerische Anziehungskraft des Morgenlands eingefangen
und mit Kostümen und Bauchtänzen alle Register gezogen, um
exotisches Flair zu transportieren.
Etwas unbemerkter, aber dennoch
vorhanden, befinden sich
folkloristische Elemente auch
heute noch im Programmgeschehen:
bevorzugt als Livemusik,
etwa mit irischem oder
lateinamerikanischem Akzent.
20
2000 fand das 2. Roma Kultur Festival Berlin „The magic sound of gypsies” statt.
Zu den engagierten Künstler*innen des Festivals gehörten das Martin Weiss Ensemble,
die „Queen of the Gypsies“ Esma Redžepova und das Ziroli Winterstein
Ensemble. Einige Mitglieder der bekannten Sinti-Familie des Gypsy-Jazz hatten
sich über Jahre nicht mehr gesehen. „War das eine große Wiedersehensfreude.
Wie sie sich in den Armen lagen und weinten. Das war so emotional. Und dann
wurde richtig gefeiert“.
(Frau Petronski, Organisatorin des Festivals „The magic sound of gypsies“)
12.08.1972, Veranstaltung Harzer Rollen
des Harzclubs Harlingerode, © Archiv des
Stadtgeschichtlichen Museums Spandau,
Fotograf Claus Rehfeld, Pressestelle Spandau
Folklore-Veranstaltung Juni 1967, © Archiv
des Stadtgeschichtlichen Museums Spandau,
Fotograf Claus Rehfeld, Pressestelle Spandau
Folklore-Veranstaltung Juni 1967, © Archiv
des Stadtgeschichtlichen Museums Spandau,
Fotograf Claus Rehfeld, Pressestelle Spandau
Um 1961, Serenaden-Veranstaltung,
© Archiv des Stadtgeschichtlichen Museums
Spandau, Fotograf Claus Rehfeld
21
Detlef Seidel, Schauspieler
Die Theatergruppe Elektra war schon in den 1950ern mit Theateraufführungen
in der Zitadelle vertreten. 2000 hat das Ensemble
dann auch musikalische Unterhaltung mit in die Aufführungen
einfließen lassen. „Unser Publikum liebt Altberliner Melodien und
Schlager von den 50ern bis in die 80er.
Bei der Premiere von ‚Schwof auf den Hinterhof‘ 2003 in der Freilichtbühne
habe ich meiner Frau zudem die Fragen aller Fragen
gestellt. Vor unserem Publikum fragte ich sie, mit dem Ergebnis,
dass wir immer noch glücklich verheiratet sind!“
Detlef Seidel ist 1. Vorsitzender der Privat-Theater-Gesellschaft
Elektra 1911 e. V.
2020, Detlef und Gabi Seidel und
Uwe Henze, ©Theater Elektra
22
SPORT UND FILM
AUF ZUSCHAUERTRIBÜNE UND KINOSESSEL
In den 1920er-Jahren wurde nur mittwochs bei „Fackelschein“ und
Sonntag nachmittags Theater gespielt. So kam es, dass die Bezirksverwaltung
die Bühne ab Mitte der 20er-Jahre an aufführungsfreien
Tagen auch Vereinen und anderen bezirklichen Einrichtungen zur
Verfügung stellte.
Da die Preußische Hochschule für Leibesübungen zwischen 1925
und 1930 Aus- und Fortbildung zu Turnlehrer*innen in der Zitadelle
anbot, wurden in dieser Zeit auch Turnfest-Vorführungen im Dienst
der Charakterbildung vorgeführt, um der Gemeinschaft den nachhaltigen
Nutzen der Körperertüchtigung zu demonstrieren.
Eine weitere Episode des kulturellen Lebens waren Filmvorführungen
in der Freilichtbühne. Kurzfristig wurde 1992 im Rahmen der
Spandauer Sommerfestspiele die Zusammenarbeit mit der „Sputnik“
Kino KG aufgenommen. „Delikatessen“, „Blues Brothers“, „Das
Schweigen der Lämmer“, „Das Leben des Brian“ und „Henry V.“
standen im ersten Jahr auf dem Spielplan. Gezeigt wurden die Filme
1967, Damen mit Reifen, Turnveranstaltung, © Archiv des Stadtgeschichtlichen
Museums Spandau, Fotograf Claus Rehfeld, Pressestelle Spandau
23
Tanzabend Juli 1930, © Archiv des Stadtgeschichtlichen Museums Spandau – Bild 3
im Anschluss an die Theatervorstellungen, was jedes Mal eine kleine
logistische Herausforderung darstellte, denn bevor das Kinopublikum
ins „Kino“ konnte, musste das Theaterpublikum das „Theater“
verlassen haben. Nach drei Spielzeiten übernahm der Spandauer
Verein Filmriss, der bis 1997 auch das Kino im Kulturhaus betrieb,
die Filmvorführungen. Danach
Die 1960er
„Ich wünsche mir von ganzem Herzen,
dass dies eine glückliche Schule mit
glücklichen Kindern wird.“ So freute
sich Astrid Lindgren bei der Einweihung
der nach ihr benannten Schule
in der Staakener Louise-Schroeder-
Siedlung. Die Grundschule ist die
weltweit erste Schule, die nach der
berühmten Kinderbuchautorin benannt
worden ist.
endete das Kino-Kapitel in
der Freilichtbühne. Ab 2004
gab es wieder Open-Air-Kino,
diesmal aber in der Zitadelle,
bevor es 2006 in den Innenhof
der Stadtbibliothek in der
Spandauer Altstadt zog. Aktuell
findet Film wieder selten
und dann im Stummfilmformat
mit musikalischer Begleitung
24
21. 7. 1930, Turnerische Vorführungen der Preußischen Hochschule für
Leibesübungen, © Archiv des Stadtgeschichtlichen Museums Spandau – Bild 2
Eingang ins Freilichtbühnenprogramm, wie etwa durch Graf v. Bothmer
2014 oder zum Jubiläum 2021 als „Silent Film Live Jazz“ durch
Küspert & Kollegen.
1996, American Football, Berlin Stars, Foto Martina Döring
Der American-Football-Boom, den die 1990er-Jahre erlebten, schlug
sich auch 1996 in einer Präsentation der Berlin Stars in der Freilichtbühne
nieder. Danach beendete der Sport seine Karriere in der Freilichtbühne.
25
1996, Jesse Garon als Gessler
in Wilhelm Tell, Freilichtspiele
Zitadelle, © Jesse Garon,
Fotograf unbekannt
Matthias Diem, Regisseur
und Theaterleiter, 1987–1999
in der Freilichtbühne
„Achim Grubel, der die Freilichtbühne 1986 wieder fürs Theaterleben
aktiviert hatte, fragte mich 1987, ob wir gemeinsam etwas in
der Freilichtbühne machen könnten. Wir haben dann mit ‚Lysistrata‘
begonnen. Eine kleine Spezialität seinerzeit war die Elektrik.
Denn immer wenn es kurz vor 22 Uhr zum Schlussapplaus kam,
mussten alle Kühlschränke für die Zeit ausgestellt werden. Weil,
wenn man drei Kühlschränke und alle zwölf Scheinwerfer anhatten,
dann flog die Sicherung raus und der Sicherungskasten war
ganz vorne an der Schranke. Also: Kühlschrank aus, Applaus genießen,
Kühlschrank wieder an. Aber sonst war es eine gute Zeit,
die Bühne hatte so viel Potential, es war toll in der Freilichtbühne.“
26
KONZERTE CHORGESANG
TRIFFT BRETTHARTEN GITARRENSOUND
Ab Mitte der 1920er-Jahre hielten Konzerte Einzug in den Programmverlauf,
beispielsweise durch Platzkonzerte der Schupo oder
der Reichswehr, durch Mandolinen- und Gesangskonzerte, aber
auch durch „Offene Singstunden“ der Jugendmusikbewegung.
1933 waren die Zeichen der Zeit auch im Programm der Freilichtbühne
zu spüren, wenn auch nur in den Veranstaltungen, die außerhalb
der Direktion de Noltes standen. SA-Kapellen hielten Einzug in das
Konzertleben sowie „Fröhliche Sommerabende“ der Hitlerjugend.
Als „Partei-Feierraum“ bewährte sich die Bühne jedoch nicht, da die
Freilichtbühne zu sehr in eine idyllische Natur eingebettet war und
als „Thing“- und Versammlungsplatz nicht den Vorgaben entsprach:
Weder war sie nach Norden ausgerichtet, noch eingebettet in die
Landschaft und auch die im Halbkreis ansteigenden, von breiten
Treppen durchzogenen Zuschauerränge fehlten.
In der Nachkriegszeit kamen die Musikdarbietungen erst langsam
wieder in Gang und bewegten sich in den 50ern noch vielfach
7. 7. 1979, Rockfestival, © Archiv des Stadtgeschichtlichen Museums
Spandau, Fotograf Claus Rehfeld, Pressestelle Spandau
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2018, Big Band Black Bottom, Umsonst & Draußen Sonntagskonzert, © Kulturhaus Spandau
Bei einem Rockfestival 1979 bevölkerten plötzlich
2000 Gäste die Freilichtbühne. Die Rockgruppen
„Wacholder“, „Montana“ und „Androméda“ waren
so beliebt, dass diejenigen, die keine der offiziellen
Karten abbekommen hatten, durch den Burggraben
wateten, um teilzunehmen. Für den besten Blick
haben sich besonders Eifrige bis auf das Dach geschwungen.
28
im Kontext von Blas- und Orchestermusik. Unter der Leitung des
Kunst amts waren in den 60er-Jahren besonders sogenannte „Bunte
Abende“ oder „Serenaden-Abende“ beliebt. Es handelte sich dabei
um Konzert-Veranstaltungen mit einem leichten, unterhaltsamen
Charakter. Anfang der 80er-Jahre unternahm das Kulturamt Versuche,
mit Veranstaltungen wie „Mit Rock in die Ferien“ bei freiem Eintritt
die Jugend anzusprechen. Langfristig setzte sich dies jedoch
nicht durch. Auch Jazz-Konzerte waren ein Versuch, Publikum zu
erreichen, wie etwa die „Jazz-Tage“ 1995, bei denen 28 Gruppen in
4 Tagen auftraten.
In den 2000er-Jahren war es der aus der Jugendarbeit kommende
Ulrich Funk, der wieder aktuelle musikalische Tendenzen in die
Freilichtbühne brachte – 2000 bis 2010 beispielsweise das Summerbattle
mit Breakdance,
Funkstyle
und HipHop. Aber
auch Punk, Hardcore
und Metal
waren in dieser
Zeit musikalische
Die 1970/80er
Es sollte die Wiedergutmachung eines
historischen Unrechts sein: 1985
geht von der Spandauer FDP der
Aufhänger für verschiedene Vorschlag aus, die im Jahr 1938 von
den Nationalsozialisten in Kinkelstraße
umbenannte Jüdenstraße zurück-
Festivals. Langfristig setzten
sich seit 2000 Konzerte mit zubenennen. Zunächst scheiterte die
einem popmusikalischen Charakter
der 50er- bis 80er-Jahre rung. Nachdem 1994 die Abstimmung
Idee am Widerstand aus der Bevölke-
in der Bezirksverordnetenversammlung
gelang, nahmen CDU und SPD
durch. Bands wie Larry Schuba
& Western Union, Berlin Beat
den Beschluss ein Jahr später zurück.
Erst 2002, 17 Jahre nach dem
Club oder Petticoat – vor allem
Coverbands – fanden von Anfang
an ein begeistertes Pub-
ursprünglichem Vorstoß, gelingt die
Rückbenennung.
likum.
Dennoch beinhaltet das Konzertspektrum
seitdem fast alle Facetten: vom Chorgesang über
Jazziges und Country, klassische Ensembles, A-Cappella bis hin zu
bretthartem Gitarrensound. Großer Beliebtheit erfreuen sich darüber
hinaus die Konzerte der Reihe „Umsonst & Draußen“, die seit
2011 jeweils sonntagsvormittags zu Matinéen mit lokalen Orchestern,
Ensembles oder Chören auf Spendenbasis einladen. Oftmals
reichen die 600 Plätze nicht aus, sodass selbst die Stühle im Biergarten
noch willkommene Sitzgelegenheiten sind.
2019, Backstage bei den Blackshotsillypipers, © Kulturhaus Spandau
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20. 10. 1995, Artikel zur
Amtseinführung aus dem
Spandauer Volksblatt
Ulrich Funk, Leiter der
Freilichtbühne 2000–2013
„Wie ich zur Freilichtbühne gekommen bin, ist so eine Geschichte –
an anderer Stelle würde man sagen: wie die Jungfrau zum Kinde.
Ich war bereits Leiter des Kulturhauses, als Stadtrat Hanke so um
2000 meinte, wie es so seine Art ist: ‚Komm mal her, was meinst
du zur Freilichtbühne?‘ Ich habe ihm meine Sicht der Dinge gesagt
und er übertrug mir die Leitung. Den Spielplan haben wir dann auf
ein vielfältiges Programm umgestellt, damit ein breites Publikum
erreicht werden konnte. Ganz der Philosophie folgend: hauptsächlich
Mainstream, damit wir uns auch mal unpopuläre Dinge leisten
können. Die Freilichtbühne war immer so etwas wie ein Experimentierfeld,
sowohl programm- als auch publikumstechnisch: Mit
welcher Veranstaltung erreichst du das Publikum? Wir haben aber
für unsere Zeit glaube ich unser Bestes getan.“
o.D., der ehemalige Leiter der
Freilichtbühne Ulrich Funk
mit Gitte Hænning, © Archiv
des Stadtgeschichtlichen
Museums Spandau
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OPER & MUSICAL VOM THEATER
DES WESTENS BIS ZUM „FREIHERR-VOM-STEIN“
Unter der Regie des Altstadt Theater Spandau e. V. wurde in der
80er-Jahren auch das Opernfach in die Programmgestaltung integriert.
Gab es zwischendurch schon innerhalb der Serenadenabende
einzelne Arien oder Auszüge aus Operetten und Opern, so wurden
nun ganze Inszenierungen gespielt. Analog zum Theaterprogramm
kamen sporadisch Klassiker wie 1995 „Die Zauberflöte“ zur Aufführung.
Auf Dauer waren solch aufwändige Produktionen allerdings
nicht finanzierbar.
Mit der Übernahme der Bühne durch das Kulturhaus Spandau ab
2000 setzte man mehr auf die Anziehungskraft des populären
Musiktheaters. So ergab sich mit der Auflösung des Theaters des
Westens 2003 die Chance, das dort noch aktive Orchester mit einer
Adap tion des Falco-Musicals erfolgreich in der Freilichtbühne gas-
1998, Figaros Hochzeit, © Archiv des Stadtgeschichtlichen Museums Spandau, Fotograf Peter Giese
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Die 1990er
Als die Wiedervereinigung Westen und
Osten wieder zusammenführte, fand
auch Spandau wieder zu seiner einheitlichen
Form: Die Grenze zwischen DDR
und BRD, die sich von Norden nach Süden
entlang Finkenkruger Weg, Nennhauser
Damm und Bergstraße durch
Staaken gezogen hatte, wurde am 3.
Oktober 1990 aufgelöst.
tieren zu lassen. Das Magma Theater Spandau e. V., das zwischen
2007 und 2020 auch Trägerverein von Kulturhaus und Freilichtbühne
war, stand 2008 ebenfalls mit einer Mischung aus Musical und
Komödie in der Produktion „Jetzt geht’s rund!“ vor unserem Publikum
– leider mit total verregneten Aufführungen. Da das Stück
aber ohnehin als schnelles Spektakel inszeniert war, wurde die nasse
Bühne von den Darsteller*innen als Ruschbahn genutzt, was trotz
der widrigen Bedingungen den Spaß für alle Beteiligten erhöhte.
Die ambitionierten Aufführungen der Musical-AG des Freiherr-vom-
2016, Musikala mit Musical Ahoi, © Kulturhaus Spandau
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2019, Musikala, Der kleine Horrorladen, © Kulturhaus Spandau
Stein-Gymnasiums zwischen 2011 und 2018 setzten ebenfalls erfolgreich
auf die Darstellung von Musicals: „Linie 1“, „Tanz der Vampire“
oder „Anatevka“ wurden beispielsweise gegeben. Die Vielfalt des
Musicals zeigte auch das Ensemble Musikala mit Galavorstellungen
sowie mit Inszenierungen bekannter Klassiker, zuletzt 2019 mit „Der
kleine Horrorladen“.
Kulturhausleiterin Britta Richter war selbst einst
Schülerin und Teilnehmerin des Musikleistungskurses
des Freiherr-vom-Stein-Gymnasiums. Ihre Rolle in einer
Aufführung des „Kleinen Horrorladens“ war die
der Audrey. Eine Bedingung für die erste Aufführung
des Schulensembles in der Freilichtbühne war deshalb,
dass sie selbst 2011 in einer Best-Of-Inszenierung
erneut einen Ausschnitt aus dieser Rolle singen
sollte. Nach eigenem Bekunden war der Auftritt zu
Hause vor dem Spiegel die wesentlich bessere Performance
als die öffentliche Aufführung. Das Lob des
ehemaligen Lehrers beschränkte sich dann auf ein –
wenn auch sehr wohlwollendes – „Ach, süß“.
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Gitti Grubel, Ehefrau von
Achim Grubel, Leiter der
Freilichtbühne ab 1986
„Achim war Schauspieler am Schillertheater und wir hatten noch
den Theaterladen an der Stresowstraße. Bei einem Spaziergang
entdeckten wir zufällig die Freilichtbühne und Achim meinte: ‚Die
muss ich zum Leben erwecken!‘ und so hat dann alles seinen Gang
genommen und wir haben 1986 begonnen. Mit viel Eigeninitiative
und etwas Hilfe vom Bezirk haben wir die Bühne gangbar gemacht
und Theater und Opernvorstellungen gegeben und eine Zeitlang
sonntags Jazz Frühschoppen von 11 bis 13 Uhr. Prägend waren die
Flugzeuge. Wir mussten manchmal wirklich aufhören zu sprechen
und warten, bis die durch waren. Andererseits war es dann auch
wieder wild-romantisch mit dem Vogelkonzert ringsum. … Die
schönen alten Bäume, es war ja so bewaldet, aber Mücken gab es
eben auch viele.“
Gitti Grubel mit Achim Grubel
Fotograf unbekannt © Archiv
des Stadtgeschichtlichen
Museums Spandau
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THEATER
3. AKT
Um auch die Jüngsten kulturell zu erreichen, wurden bereits 1928
Kasperletheateraufführungen durch das Jugendamt in der Freilichtbühne
initiiert. Die Spandauer Zeitung schrieb in ihrer Ankündigung
am 22. 8. 1928: „Als Vorführer ist einer der besten Kasperle-Spieler,
Herr Alfred Gutheit gewonnen, der es ausgezeichnet versteht, durch
seine Spiele und Erzählungen die Kinder zu unterhalten.“
Vereinzelt gab es über die Jahre immer wieder Aufführungen für
Kinder. Vom Puppentheater über Clownsspektakel bis hin zum Kinderzirkus
1975 wurde viel geboten. Institutionalisiert und in konkrete
Bahnen gelenkt wurde das Familienprogramm ab 2000 durch die
Zusammenarbeit mit dem KinderMusikTheater e. V., die bis heute
andauert. Der Verein bespielt die Bühne seither regelmäßig unter
dem Titel „Sommerfestival Open Air“ mit bekannten Bands aus dem
2008, Ulf und Zwulf, Dackel Düsenfuß, © Dieter Engelmann
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2006, Adesa, KinderMusikTheater Berlin e. V., © Kulturhaus Spandau
Kindermusikbereich und präsentierte als erste Veranstaltung Robert
Metcalf mit seiner Hut-Hitparade.
2005 fiel der Startschuss für eine weitere langjährige Kooperation
mit dem Berliner KinderTheater e. V. und seiner Sommer-Familientheater-Reihe.
Seitdem wird in fast jedem Sommer jeweils ein für
die Freilichtbühne inszeniertes Stück mit je ca. 25 Vorstellungen zur
Aufführung gebracht: Den Anfang machte „Pippi Langstrumpf“ –
natürlich mit einem echten Pferd. Im Lauf der Jahre waren mit „Pettersson
& Findus“, „Das Dschungelbuch“, „Mein Freund Wicki“ und
„Michel aus Lönneberga“ weitere Klassiker der guten Kinderunterhaltung
zu sehen.
Die 2000er
36
Das neue Jahrtausend begann in Spandau mit der
Vollendung eines Großprojekts. Am 31. Oktober
2001 eröffneten die Spandau Arcaden nach einer
400 Millionen Mark teuren Entstehungsphase. Rekordverdächtig
war nicht nur der Preis: Gerade mal
22 Monate dauerte der Bau.
„Hinten auf dem Gelände der Freilichtbühne gibt es
Bienenstöcke und wir hatten mal einen Schauspieler,
der hatte Gel im Haar, was die Bienen dazu bewog,
ihn zu stechen. Er wurde immer wieder gestochen,
hat aber nicht verstanden, dass das an seinem Haargel
lag, bis wir ihm sagten: Nimm doch mal das Gel
aus dem Haar ... Und es hat prompt geholfen.“
(Andreas Schmidt, Berliner KinderTheater e. V.)
Den für ihn bemerkenswertesten Eindruck auf der Bühne fasste Andreas
Schmidt, Leiter des Berliner KinderTheaters e. V., so die Worte:
„Man steht auf der Bühne und guckt runter und man hat nie im
Leben das Gefühl, dass da 500 oder mehr Leute vor einem Platz
finden. Das Gefühl, das man hat, ist – intim.“
Brief an Pippi Langstrumpf,
© Berliner KinderTheater e. V.
37
Die lustige Verkehrslieder-
Hitparade 1998 mit Tanja
Arenberg und Günter Rüdiger,
Foto Matthias Diem
„1995 war ich das erste Mal in der Freilichtbühne unter
Matthias Diem tätig: ‚Zauberflöte‘, ‚Wilhelm Tell‘
und die ‚Bettleroper‘. 1998 habe ich das Kindertheaterstück
‚Trau Schau Wem, Augen auf im Straßenverkehr‘
inszeniert und gespielt. Aber der Tell hat
die meisten Geschichten. Da spielten nämlich auch
Kinder mit und ein Pferd, Gipsy. Irgendwann haben
die Kinder Gipsy Kartoffelchips gegeben. Das Pferd
kriegte davon Durchfall, was nicht so gut war und
die Kinder ordentlich Schimpfe. Und dann war da
noch der Apfelschuss: ‚Den Apfelschuss gab es so
bisher noch nie‘, schrieb sogar die Presse. Weil der
Bürgermeister Gessler so abgelenkt wurde, dass
seine Frau schnell einen Pfeil nahm und den Apfel
einfach aufspießte. Der Apfelschuss ohne Apfelschuss
und ohne aufwändige Technik. Theater ist
Improvisation.“
Günter Rüdiger, Schauspieler
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BAUGESCHICHTE
DIE BÜHNE MACHT SICH SCHICK
Eine in die Waldlichtung hereinimprovisierte Bühne – so war seinerzeit
der allgemeine Tenor, der bei einem Besuch der Freilichtbühne
entstand.
„Eine erste primitive Bühneneinrichtung waren Bänke aus verschiedenen
aufgelösten Speisesälen. Die Garderobe war eine von
der Stadt überlassene Baubude, geteilt in Herren und Damen, sowie
Bedürfnisanstalten in die Waldecken gestellt, die man sonst
bei den Straßenreinigern herumstehen sieht“, so de Nolte in einem
Rundfunk interview. 1924 wurde dann mit der finanziellen Unterstützung
des Bezirks der Bühnenaufbau etwas professionalisiert. Nachdem
das Zitadellenumfeld 1925 vom Militär freigegeben worden
war, wurde die Bühne 1927 dank des Einflusses durch den Berliner
Oberbürgermeister Böß mit städtischen Mitteln zur dauerhaften
Einrichtung ausgebaut. Sie erhielt einen Orchesterraum und der Zuschauerbereich
wurde von Laubengängen eingerahmt. Es wurden
Sitzbänke mit Lehnen installiert. Außerdem wurden zwei Gebäude
als Garderobe und ein Schuppen für Requisiten aufgebaut.
2021, Entwurf zur Umgestaltung, © Nauerschnig Architekten
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Nach dem Krieg wurde das gesamte bewegliche Mobiliar erneuert,
da es in den Kriegswirren abhanden gekommen war. Die Anlage
selbst hatte keine Kriegsschäden davongetragen. Für die Renovierung
und Instandsetzung wurden Spendengelder genutzt, die eigentlich
zur Finanzierung eines Theaterhauses in der Altstadt gedacht
waren.
1961 wurden zum 40jährigen Jubiläum die Bänke erneuert und ein
wenig Kosmetik betrieben. In diesem Jahr entstand anstelle der „primitiven
Toilettenbude ein hübscher überdachter Massivbau, in dem
nicht nur eine größere Anzahl wasserbesprühter WCs untergebracht
sind, sondern in dem sich noch Raum für einen hübschen Getränkeund
Erfrischungskiosk befindet.“ (Spandauer Volksblatt 7. 6. 1961).
1967 kamen dann vier Eisenmasten für die Beleuchtung hinzu, die
bisher an den Bäumen angebracht war. Ein erstes Bühnensegel wurde
1983 istalliert, was unter anderem auch die Akustik verbesserte.
Weitere umfangreiche Instandsetzungen und Umbauarbeiten an
den elektrischen Anlagen wurden bis 1985 beendet. 2000 war es
erneut soweit, dass die Bühne einer ausführlichen Sanierung unterzogen
werden musste: Dabei wurde die Bühnenfläche vergrößert,
das Bühnendach sowie die Licht- und Beschallungsanlage erneuert.
Einen erheblichen Schaden für den Baumbestand in der Freilichtbühne
brachte das Sturmtief Xavier 2017 mit sich. 19 Bäume fielen
den Sturmböen direkt zum Opfer oder mussten anschließend wegen
massiver Beschädigung abgeholzt werden. Viele weitere verloren
ihre Krone, diverse Schäden an den Bauten mussten behoben wer-
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Eine stetige Herausforderung des Theaterlebens in der Freilichtbühne war die Geräuschkulisse,
die durch die regelmäßigen Starts und Landungen der Flugzeuge
des ab 1960 zivil genutzten Flughafens Tegel entstanden.
Aufführungen erfuhren hierdurch zuweilen Pausen an ungeahnter Stelle; die
Schauspieler*innen mussten ihre Stimmgewalt darstellen oder umso deutlicher
mit der Körpersprache arbeiten.
Auch lautstarke Soundchecks und Konzerte des Citadel Music Festivals in der Zitadelle
stellen, je nach Windrichtung, immer wieder eine mehr oder weniger große Herausforderung
für Künstler*innen und Publikum in der Freilichtbühne dar. So hatte zum
Beispiel Wladimir Kaminer, bei einem seiner ersten Auftritte, das „Vergnügen“, gegen
ein sehr lautes Konzert anlesen zu müssen. Allerdings wusste er die zuweilen lautstarken
Störungen so wunderbar in seine Lesung einzubinden, dass der Lesegenuss eine
unerwartete Portion Situationskomik erfuhr und nicht gänzlich geschmälert wurde.
Die 2010er bis heute
Siegesallee, Brandenburger Tor, Luftbrückendenkmal:
Die Baugeschichte Berlins wäre undenkbar
ohne die zahlreichen monumentalen Selbstdarstellungen
vergangener Herrscher und Systeme. Um
die Geschichte der Denkmäler und Statuen zu wahren,
eröffnete 2016 die Dauerausstellung „Enthüllt“
auf dem Gelände von – passend dazu – Spandaus
Wahrzeichen, der Zitadelle, wo ein großer Teil dieser
ehemaligen Architekturwerke zu sehen ist.
den. Im Biergarten
sorgen anstelle
dessen seitdem
große rote Sonnenschirme
für Schatten.
Aktuell laufen
großangelegte Bestrebungen
des
Bezirks mit Unterstützung
des städtebaulichen
Denkmalschutzprogramms
des Senats das historische Grundgerüst des
Ensembles zu erhalten und ihm dennoch einen zeitgemäßen Anstrich
zu geben. So ist es geplant, Bühnenaufbau und -überdachung
sowie den Eingangsbereich, das WC-Haus und die Cateringsituation
zu erneuern. Daneben soll auch der Baumbestand wieder aufgeforstet
werden und ein Nutzgebäude im Backstagebereich entstehen.
Nach Abschluss dieser weitreichenden Arbeiten wird die Bühne
auch optisch bereit für ein weiteres Jahrhundert sein.
© Nauerschnig
Architekten
41
Andreas Schmidt, Theatermacher,
Vorstandsvorsitzender
Berliner KinderTheater
„Als ich 2004 auf der Suche nach Freiluftauftrittsmöglichkeiten
in Berlin war, fiel mir die Freilichtbühne
in Spandau ein. Also traf ich mich dort im
November mit Uli Funk. ‚Ist das schön hier,‘ habe
ich da so gedacht, eigentlich ist es wie ein Theater
ohne Dach. Also wenn man ein Dach drüber machen
würde, würde man sagen: Kammerspiele. Aber
es ist größer und so idyllisch … in dieser typischen
Westberliner Gebrauchtwagenallee. Dass dahinter
die Zitadelle kommt, ist vielen bewusst, aber dass
gleich daneben ein Naturschutzgebiet anschließt,
mit dieser wunderbaren Freilichtbühne, das muss
man erlebt haben.“
Andreas Schmidt mit dem
schwedischen Consul
Gösta Ekman, 2006
42
2019, Pippi Langstrumpf mit einem
echten Pferd, Inszenierung des
Berliner Kindertheater e. V.,
© Kulturhaus Spandau
Tierische Nebendarsteller spielen in der Geschichte der Bühne immer wieder
eine Rolle – ob geplant oder nicht:
Der „Stammgast“ der Tiere auf der Freilichtbühne ist „Kleiner Onkel“, denn die
„Pippi Langstrumpf“ Inszenierungen des Berliner KinderTheater e. V. bringen regelmäßig
ein echtes Pferd mit auf die Bühne, was die allerkleinsten Gäste besonders
freut. Auch bei „Wilhelm Tell“ stand 1996 ein Pferd vor unserem Publikum,
das eigentlich vom Polizeiabschnitt in Spandau gestellt werden sollte. Weil als
Reiter des Pferdes jedoch nicht der „gute“ Tell sondern der „böse“ Gessler vorgesehen
war, das Pferd aber aus „Werbezwecken“ eine Polizeidecke zu tragen
hatte, war der Widerspruch für die Polizei zu groß, sodass am Ende ein anderes
Pferd zum Einsatz kam. Die weißen Tauben, die beim „Tell“ losflatterten, wenn
der Käfig aufging, kamen beim Publikum ebenfalls ziemlich gut an.
So manche ungewollte Auflockerung erfuhren die Aufführungen in der Freilichtbühne
durch Wildtiere, die ebenfalls das Gelände nutzten. So querte im „Sommernachtstraum“
1997 hin und wieder ein Fuchs die Bühne, wenn kurzzeitig alle
Schauspieler*innen regiebedingt die Szene verließen. Oder es ereignete sich,
dass eines Tages wie von Geisterhand vor Vorstellungsbeginn eine Mülltonne
umfiel, weil sich darin ein Waschbär befand. Er war damit beschäftigt, die weggeworfenen
Eispapiere abzulecken. Als er nach dem Sturz das Weite gesucht
hatte, blieb Müll zurück, der so sauber war, dass man ihn hätte wiederverwenden
können.
Unsere stetigen Begleittiere sind bis Ende Juni die nachtaktiven Froschlurche,
Kröten und Unken, die nach jeder Vorstellung ob der Paarungszeit in lautstarken
Konzerten wild durcheinanderquaken. Außerdem überwintern viele Fledermäuse
die kalte Jahreszeit in den Gewölben der Zitadelle, bevor sie zum Sommer
in die Wälder und Gemäuer Brandenburgs aufbrechen. Manche der Flattertiere
verbringen aber ihre Sommer ebenfalls in der Stadt und zeigen sich dann ab
Einbruch der Dunkelheit auch bei uns in der Bühne.
Tierische Nebendarsteller
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Die vorliegende Broschüre erhebt keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit,
sie soll vielmehr einen Einblick in das Geschehen der
letzten 100 Jahre in der Freilichtbühne geben. Es gibt viele weitere
Geschichten, die unerwähnt bleiben müssen, aber trotzdem stattgefunden
haben.
Wir danken allen, die uns bei der Aufarbeitung der einhundert Jahre
Geschichte unterstützend zur Seite gestanden haben.
Besonderer Dank gilt den Kolleg*innen vom Stadtgeschichtlichen
Museum Spandau, sowie all unseren Interviewpartner*innen, die ihre
persönlichen Erinnerungen in diese Ausstellung eingebracht haben:
Ulrich Funk, Martina Döring, Matthias Diem, Gitty Grubel, Günter Rüdiger,
Andreas Schmidt, Anke Stern, Klaus Sedl, Detlef Seidel, Sonja
Grosch, Daniela Majorek und Jörg Kremzow. Außerdem danken wir
allen Künstler*innen, Gästen und Mitarbeiter*innen, die die Bühne
in den vergangenen 100 Jahren zu solch einem wunderbaren Ort
haben werden lassen.
Konzeption:
Katrin Stahmleder & Michael Pfeil
Recherche, Ideen, Inhalte und Texte:
Carmen Mann, Sebastian Schuth, Maximlilian Jung, Dr. Urte Evert,
Katrina Schmitz-Roeckerath, Katrin Stahmleder, Michael Pfeil
Grafik: Bernhard Rose
Gesamtleitung: Britta Richter
Die Freilichtbühne an der Zitadelle ist eine Einrichtung des
Bezirksamtes Spandau von Berlin, Fachbereich Kultur
Am Juliusturm 62
13599 Berlin
www.kulturhaus-spandau.de