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kunst KULTUR JOKER 13
Die Wucht der Waffen
Die Kunsthalle Mannheim beleuchtet in der Ausstellung „Mindbombs“, wie sich Terror in Szene setzt
Gott reicht dem Menschen die
Hand, fast berühren sich die ausgestreckten
Zeigefinger: so kennt
man das weltberühmte Gemälde
„Die Erschaffung Adams“ von
Michelangelo. In der Ausstellung
„Mindbombs – visuelle Kulturen
politischer Gewalt“ variiert der
Künstler Khalid Albaih das Thema
auf bitterböse nur allzu aktuelle
Weise. „Not in my name“
zeigt die weiß verfremdete göttliche
Gestalt, die der schwarzen
Silhouette eines bewaffneten
Terroristen eine Waffe reicht. Die
Kunsthalle Mannheim beleuchtet
bis zum 24. April 2022 in „Mindbombs“,
wie sich Terror in Szene
setzt und welche künstlerischen
Reaktionen Terror und Gewalt
auslösen.
Kurator Sebastian Baden greift
dazu bis auf die französische
Revolution 1789 zurück. Zeichnungen
und Karikaturen zeigen,
wie erst das Staats oberhaupt,
König Louis XVII., den Kopf
verliert. Dann frass diese Revolution
ihre Kinder, zum Beispiel
den berühmt-berüchtigten Robespierre.
Er steuerte die besonders
Auf die Folgen in der muslimischen
Welt weisen Künstler
wie Khalid Albaih hin. In seinen
an Karikaturen erinnernden
Bildern zeigt er, wie die muslimische
Zivilgesellschaft zwischen
Terroristen – Du stehst auf
der Seite der Ungläubigen – und
dem Westen – Du bist Terrorist –
zerrieben wird. Der Irak wird als
gefesselte Frau dargestellt, dem
IS-Terror ebenso ausgeliefert wie
dem US-Militär. Welche Wucht
Waffen entwickeln können, wird
in der Installation „Bullet Action-
Painting/Machine Cannon“ von
Almut Linde deutlich. Die durchlöcherten
Stahlplatten sprechen
eine klare Sprache.
„Mindbombs“ widmet sich
auch den künstlerischen Reaktionen
auf den Terror der RAF. Bader,
Ensslin und Meinhof hatten
viele Fans und verständnisvolle
Unterstützer in der Kunstszene,
die sie als moderne Heilige und
Märtyrer inszenierten. Einen
breiten Raum nehmen die Positionen
gegen den Terror von rechts
ein, inhaltlich wie räumlich. Wie
eine Mischung aus Wagenburg
Édouard Manet: „Die Erschießung Kaiser Maximilians“, 1868 – 1869, Kunsthalle Mannheim
Foto: Kunsthalle Mannheim / Cem Yücetas
Ivana Spinelli: „Global Sisters“, 2010, Privatsammlung © Ivana Spinelli
Installationsansicht: Almut Linde: „Dirty Minimal #33.3“ – Bullet Actionpainting/Machine Cannon,
2006 Courtesy the artist and PSM, Berlin © Kunsthalle Mannheim; Elmar Witt
blutige Phase der Revolution, die
bis heute als „la Terreur“ (der
Schrecken) in die Geschichte
einging und dem, was wir Terror
nennen, seinen Namen gab.„Der
Terror kam mit der Moderne in
die Welt“, sagt Kurator Baden.
Im Mittelpunkt steht der Terroranschlag,
der weitreichende
internationale Folgen hatte und
bis heute hat: Nine Eleven ist jetzt
20 Jahre her, aber unvergessen.
Aus der Privatsammlung von
Thomas Ruff stammt der Fotodruck,
auf dem die Rauchschwaden
des brennenden World Trade
Centers das Empire State Building
einhüllen. Gerhard Richter
zeigt das brennende Gebäude wie
hinter fließendem Wasser. Beide
Bilder wirken seltsam entrückt in
ästhetische Fernen.
und Wohnzimmer wirkt Henrike
Naumanns Installation „Das
Reich“. Schränke, Vitrinen, Sessel
täuschen Gemütlichkeit vor,
falsche Felle und ein Germanenhelm
erinnern an den Germanenkult
der Nazis, ebenso wie das
Kissen mit dem Reichsadler und
dem Deutschland-Schriftzug.
Wo das enden kann? Daran erinnern
die Gesichter der Opfer des
NSU.
Der französisch-algerische
Künstler Kader Attia setzt sich
mit dem kollektiven Gedächtnis
von Gesellschaften auseinander.
Seine Installation besteht aus
vielen historischen Karikaturen
und Titelbildern zum Themenbereich
koloniale Herrschaft
und Kolonialkriege. Der mehrdeutige
Titel seiner 2013 geschaffenen
Arbeit: „Die Kultur
der Angst: eine Erfindung des
Bösen“, und man fragt sich, ob
hier die Kolonialherren vor den
Kolonisierten Angst haben oder
umgekehrt die Kolonialtruppen
Angst und Schrecken unter den
Einheimischen verbreiten sollten.
Jedenfalls sieht man, wie gut das
Angstmachen in beide Richtungen
funktioniert. Insgesamt
ist die Ausstellung ein kompakter
Block innerhalb der weitläufigen
Mannheimer Kunsthalle. Aber
„Mindbombs“ enthält reichlich
Material, um Gedankenbomben
platzen zu lassen. „Mindbombs
– visuelle Kulturen politischer
Gewalt“, Kunsthalle Mannheim.
Bis 24. April 2022.
Nike Luber