11.10.2021 Aufrufe

flip-Joker_2021-10

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

16 KULTUR JOKER vision

Kunst und Kriegsdenkmale

Bochumer Soldaten geben ein Beispiel

Der Umgang mit öffentlichen

Denkmälern zur Verherrlichung

eigener Geschichte erhielt

jüngst neue ‚Impulse‘,

auch nach dem gewaltsamen

Tod von George Floyd durch

einen weißen Polizisten in

Minneapolis. So rissen Demonstranten

daraufhin im

britischen Bristol die Statue

eines Sklavenhändlers des 17.

Jahrhunderts vom Sockel und

versenkten sie 2020 im Hafen

der Stadt. Unterdessen wird

die demolierte Skulptur museal

präsentiert. Geänderter

Blick auf die Geschichte provoziert

Dislokation und Neu-

Kontextualisierung von Kunst.

In deutschen Städten und

Gemeinden existieren weiterhin

zahlreiche ‚wehrhaft‘ anmutende

Kriegerdenkmale zur

beschworenen Erinnerung an

den Krieg 1870/71 gegen den

Französischen Staat oder an

die Gefallenen in den beiden

Weltkriegen des 20. Jahrhunderts.

Der Umgang mit solchen

Skulpturen bleibt naturgemäß

schwierig. Ein am Ende souverän

gelöster Fall ereignete

sich in der Ruhrgebietsstadt

Bochum. Dort wurde das

Kriegerdenkmal „Für die Helden

des Ersten Weltkriegs“

1935 prominent im Stadtpark

aufgestellt und geweiht. Zwei

martialische Kraftprotze, formal

ganz dem nationalsozialistischen

Zeitgeist entsprechende

Bronzekämpfer. Der eine,

als Mitglied des Kaiserlichen

Heeres charakterisiert, reicht

die Standarte dem zweiten

weiter, der als Angehöriger der

Wehrmacht gezeichnet ist. Die

Schmach von Versailles saß

weiterhin tief, und ein kommender

Krieg sollte frühzeitig

bildhaft legitimiert werden.

Den Auftrag zur Ausführung

erhielt der Dortmunder Künstler

Walter Johannes Becker

(geb. 1886, Todesdatum nicht

bekannt).

Doch 1983, kurz nachdem

das Bochumer Stadtarchiv

eine erste kritische Aufarbeitung

der Stadt in der NS-Zeit

Plädoyer für Rosa Luxemburg

Luiza Margan liefert eine überzeugende Kunst-Aktion

Die erste Auflage der „Biennale

für Freiburg“ zeigte

jetzt an acht Ausstellungsorten

Arbeiten von insgesamt fast

dreißig Künstler*innen. Unterschiedliches

Niveau offenbarte

sich dabei – das mag ganz

normal sein angesichts dieses

ersten Versuchs des neuen Formats.

Auch kuratorisch blieb

Einiges im Argen, etwa die Präsentation

im Kunstverein, wo

jegliche Beschriftung fehlte.

Da wurden Besucher ziemlich

allein gelassen.

Neben anderem fiel indes

ein Projekt besonders auf. Die

Künstlerin Luiza Margan (Jahrgang

1983) aus Rijeka in Kroatien

realisierte die Aktion „Monument

in the Making: Rosa

Luxemburg“. Bekanntlich hatte

die sozialistische Politikerin

im März 1914, wenige Wochen

Premiumhändler

Südbaden

präsentiert und dabei auch

das Kriegerdenkmal beleuchtet

hatte, sägten Unbekannte

die Füße der Figuren, die in

Folge nach vorn umstürzten

– ein vermeintlicher Angriff

‚linker Kräfte‘ gegen den

Staat. Zugleich kam im selben

Jahr bereits der Beschluss des

Stadtrats, die Figuren zwar zu

reparieren, aber nicht wieder

am ursprünglichen Ort aufzustellen.

Nach jahrelanger Verborgenheit

ist das Denkmal

wieder öffentlich zu sehen:

im „Stadtarchiv – Bochumer

Zentrum für Stadtgeschichte“,

dort im Foyer gleichsam aufgebahrt,

auf der Vorderseite

liegend. Eine ansprechende

Inszenierung.

Was hat das alles mit Freiburg

und der Regio zu tun? Na

ja: Wir erinnern uns, eine ganz

ähnliche künstlerische Handschrift

trägt das Kriegerdenkmal

in Waldkirch-Kollnau. Bis

heute steht es völlig unberührt

vor Ort, und ein längst durchgeführter

Kunst-Wettbewerb

vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges,

in der alten Festhalle

im Stadtgarten eine flammende

Rede gegen den Krieg gehalten.

Immer wieder, zuletzt 2015 und

im Frühjahr 2021, setzten sich

pazifistische Gruppen für die

Errichtung eines ‚Denkmals‘

ein, zumindest einer Erinnerungstafel.

Vergeblich.

Diese Lücke fiel Margan bei

der Vorbereitung ihres Biennale-Beitrags

auf. Michael Klant,

selbst Künstler und Kunstpädagoge

an der Pädagogischen

Hochschule, führte ein Video-

Interview: „Ich begann den

öffentlichen Raum zu untersuchen,

da dies meine Praxis oft

Bochumer Krieger auf dem Boden

zur ‚Kommentierung‘ des

Monuments (mit dem Freiburger

Künstler Richard Schindler

als Preisträger) wurde bislang

nicht umgesetzt, weil der Ortschaftsrat

keine Einigung erzielt.

Und beim Freiburger „Siegesdenkmal“

(1876) das freilich

eine andere Formensprache

aufweist und jedenfalls

nicht vor- und zurückweisend

verschiedene Kriege explizit

miteinander verbindet, führte

ebenso anlässlich der zweiten

Foto: Martin Flashar

Versetzung des Monuments in

die Nähe des ursprünglichen

Standorts an der Kaiser-

Joseph-Straße 2017/2018 die

Debatte um eine ‚Brechung‘,

eine ‚künstlerische Kommentierung‘

des Denkmals ins

Nichts – weil ein an sich willkommener

Ideenwettbewerb

der städtischen Kunstkommission

zu spät einsetzte und

dann der Gemeinderat keine

kritische Mehrheit mehr zustande

brachte.

Martin Flashar

bestimmt, die Untersuchung

des Gedenkens an die Geschichte

im öffentlichen Raum,

der historischen Werte, die wir

darstellenswert finden – oder

diejenigen, die wir nicht repräsentieren.

Es war für mich interessant,

etwas über die erhitzte

Debatte um das Siegesdenkmal

hier vor einigen Jahren

herauszufinden, (…) und die

mögliche Wiederaufstellung

im alten Kontext dieses historischen

Narrativs und seiner visuellen

Form (…)“, so Margan

zu ihrer Arbeitsweise. „Und ich

fand interessant, dies mit einer

Debatte um eine andere Frau

zu verbinden – (…) eine heiße

Debatte um die Darstellung

von und das Gedenken an Rosa

Luxemburg hier in Freiburg.“

Aus der unpersönlichen Allegorie

sollte also eine konkrete

Frau gerinnen, die ein historisches

Exempel geliefert hat.

Margan flocht mit Helferinnen

einen neuen, überdimensionierten

Lorbeerkranz, im Angesicht

der Victoria, inszeniert

vor einem historischen Foto von

Willi Pragher, das dieser 1962

bei der ersten Versetzung des

Denkmals schoss: die Siegesgöttin

auf der Nase. Das fertige

Produkt wurde hernach in einer

Trauerzug-ähnlichen Prozession

in den Stadtgarten getragen

und am Ort der einstigen Festhalle

niedergelegt, versehen mit

einem Band des Gedenkens an

Rosa Luxemburg. Dadaistisch.

Eine wunderbare, vielschichtige

Arbeit.

Martin Flashar

Unikat von Stephan Rambaud, Meilleur Ouvrier de France

Konviktstr. 21 - 23

79098 Freiburg

Tel. 0761 37536

www.culinara-freiburg.de

Der große Lorbeerkranz wird geflochten …

Foto: M. Klant

… und wird zum Gedenkplatz für Rosa

Luxemburg

Foto: m. Klant

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!