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26 KULTUR JOKER trauerkultur

Raum und Zeit zum Erinnern

Verschiedene Wege des Abschiednehmens

Manchmal, wenn ich neben

meiner Tätigkeit als Bestatterin

die Familie auch als Trauerrednerin

begleite, sage ich am

Grab folgende Worte: Möge

dieser Ort ein Ort des inneren

Friedens sein. Möge es ein Ort

der Erinnerung sein in seiner

ursprünglichen Bedeutung von:

nach Innen gehen, zu den eigenen

(göttlichen) Quellen. Möge

es ein Ort sein, der Anstoß gibt,

das Leben und das Sterben von

…. zu ehren und zu würdigen.

Erinnerung als ein nach innen

gehen. Sich den Raum und die

Zeit nehmen, in mir nachzuspüren:

der Zeit und dem Erlebten

mit dem verstorbenen,

den angenehmen und auch den

unangenehmen Zeiten, in mir

nachzuspüren, was es braucht

für den Weg des Abschiednehmens,

in mir nachzuspüren,

was im Sinne des Verstorbenen

wäre und was ich selbst

brauche, in mir nachzuspüren,

wo meine Kraftquellen liegen,

was ich auf meinem Trauerweg

brauche an Unterstützung, an

Hilfe, an Atmosphäre.

Für so ein Erinnern im Sinne

von nach innen gehen braucht

es die entsprechenden Räume

und Orte dazu. Deshalb

ist es Horizonte Bestattungen

so wichtig, schöne, besonders

gestaltete Abschiedsräume anzubieten,

in denen man sich

am offenen Sarg verabschieden

kann, in denen man nach innen

gehen kann, um den Schmerz

und auch die eigene Kraft zu

spüren.

Und es braucht Menschen,

die diese Zeit geben, die dazu

einladen, im Innen den jeweils

nächsten Schritt zu finden und

auch gehen zu können. Und die

mich beraten und begleiten,

beim Weg zum letzten Ruheort.

Für so gut wie alle Menschen

gilt der Satz: „ich habe ihn/sie

in meinem Herzen“. Für manche

Menschen reicht das aus.

Sie brauchen keinen anderen

Ort für ihre Erinnerung.

„In meinem Herzen“, das ist

ein innerlicher Ort, den spüre

nur ich, der ist für niemanden

anderen sichtbar. Um nach

Innen zu gehen, um mich zu

erinnern, kann es aber auch

einen äußeren Ort brauchen,

einen Ort, der eine Verbindung

zum Verstorbenen herstellt, einen

Ort, der mir die Ruhe gibt,

mich in Erinnerung zu versenken,

einen Ort, den ich gestalten

kann.

Das können Friedhöfe sein.

Dort ist der Ort, wo das körperliche

in Form des Körpers oder

der Asche des Verstorbenen die

letzte Ruhe findet und weiter

verwandelt wird.

Das zu Hause erinnert an die

Zeit, wie ich mit diesem Menschen

gelebt habe, der Friedhof

erinnert daran, dass er nun

nicht mehr körperlich da ist, er

erinnert an die Toten. Wenn

ich auf dem Friedhof nach innen

gehe, dann werde ich wohl

auch mit meiner eigenen Endlichkeit

konfrontiert – und auch

das kann eine Kraftquelle sein,

kann mir helfen, neue Orientierung

zu finden.

Dieser Ort des Erinnerns

kann auch im Wald sein: Der

Ruheberg in Oberried, der Bestattungswald

im Kaiserstuhl,

der Ruhewald in Wittnau oder

auch in Freiamt, um die zu

nennen, die in Freiburgs Nähe

liegen, sind Waldstücke, die

von den jeweiligen Gemeinden

zu Friedhöfen erklärt wurden.

Dort werden Urnen rund um

einen Baum, den man sich aussuchen

kann, bestattet und ein

Namensschild am Baum oder

ein Gedenkstein am Boden zeigen,

wessen Asche dort liegt.

Der Wald mit seiner besonderen

Atmosphäre kann mir auf

meinem Weg des Erinnerns

und des Abschiednehmens

auch eine Hilfe sein.

Das Meer kann auch so ein

Ort sein. Bei einer Seebestattung

wird die Urne (eine, die

im Meerwasser auflösbar ist)

im Meer versenkt. Oder der

Verstorbene wollte, dass seine

Asche in der Natur verstreut

wird. Das ist in Deutschland

jedoch nicht möglich, da gilt

der Bestattungszwang. In der

Schweiz und in Frankreich ist

das Verstreuen der Asche in der

Natur möglich.

Wie auch immer der Weg aussehen

mag, sich immer wieder

der Erinnerung hinzugeben,

nach innen zu gehen, innezuhalten,

kann helfen, diesen Weg

des Abschiednehmens und des

Trauerns zu gehen.

Hiltrud Jacob, Bestatterin

und Trauerrednerin

Der Wald, ein Ort des Erinnerns

Foto: Promo

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