flip-Joker_2021-10
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
nachhaltig KULTUR JOKER 29
Koalitionsverhandlungen sind im Gange
Erinnerungen für die Zukunft
Vor genau vier Jahren begannen
in Deutschland die
längsten Koalitionsverhandlungen
seit Menschengedenken.
Alarmstimmung bei der
Kohlelobby: “Mögliche Jamaika-Koalition
lässt RWE-
Aktie abstürzen“, so schlug
sich am Montag nach der
Wahl 2017 die Angst vor Klimaschutz
in den Schlagzeilen
nieder. Die Angst vor einem
Regierungsprogramm, das
den – schon damals paralysierenden
– GroKo-Stillstand
ablösen sollte.
Die Forderung der Grünen,
8-10 Gigawatt (GW) Kohlekraftwerks-Kapazität
(von 45
GW) vom Netz zu nehmen,
machte die Kohlekonzerne
und ihre Alliierten in Politik
und Gewerkschaften sichtlich
nervös. Nach wochenlangem
Ringen sickerte dann auch
ein gemeinsames Papier von
Bundesnetzagentur und Wirtschaftsministerium
durch,
nach deren Berechnungen die
Stilllegung von 7 GW Kohlekraftwerken
nicht nur „mit der
Versorgungssicherheit vereinbar“
sei, sondern dass diese sogar
noch verbessert würde, da
„ein Großteil der Kohlekraftwerke
eine belastende Wirkung
auf das Netz“ habe. Die Kohle-freundliche
Gewerkschaft
IGBCE schickte umgehend einen
Hilferuf an Armin Laschet
und Christian Lindner, der sich
wie eine Handlungsaufforderung
an Erfüllungsgehilfen
liest: “Hoppla, wer glaubt denn
sowas? Merkel verschickt 7
GW Kohlekraft nach Jamaika?
Mitten in den Verhandlungen
die energiepolitische Vernunft
aufkündigen. Da passt nichts
mehr zusammen.“
„Du akzeptierst das?“
Armin soll seinem Duz-
Freund Christian dann eine
SMS geschrieben haben, dass
er Minus 7 GW Kohle akzeptiere:
“Zahl im Text reicht, Weg
müssen wir nicht vorschreiben.“
Drei Tage später ließ die
FDP die Jamaika-Koalition
platzen. Legendär der nächtliche
Auftritt Lindners mit
Zettel vor der Presse. Legendär
sein Satz: „Lieber nicht regieren
als falsch“. Legendär die
dazugehörige, drei Tage vorher
erstellte Social-Media-Kachel.
Ein Glücksfall für Armin Laschet.
Ohne sein Zutun verschwanden
die 7 GW Kohle-Stilllegung
aus den Verhandlungen.
Der Kurs seiner RWE-Freunde
schoss mit dem Jamaika-Aus in
die Höhe. Statt der Stilllegung
von „7 GW sofort“ wurde die
Leistung in 4 Jahren um nicht
mal 1 GW reduziert. Inzwischen
ist extrem viel Wasser
die Erft heruntergeflossen, hat
Braunkohlegruben geflutet und
Häuser weggerissen. Armin
Laschet bläht sich inzwischen
zum einzig wahren Kohleaussteiger
auf, lügt skrupellos und
nach Belieben, etwa dass seine
Regierung den Hambacher
Forst gerettet habe, oder dass
in NRW seit Regierungsübernahme
von CDU und FDP der
Zubau an Windanlagen steige,
obwohl das glatte Gegenteil
nachweislich stimmt.
Mit dem teuersten Polizeieinsatz
der Geschichte von NRW
hat die schwarzgelbe Landesregierung
im Hambacher Wald
die Grenzen der Legalität überschritten.
Menschen wurden
verprügelt, verletzt. Ein junger
Mann starb, als die NRW-Regierung
die Situation eskalieren
ließ. Als Erfüllungsgehilfe
von RWE suchte und fand Armin
Laschet einen Vorwand,
wie er selbst zugab: „Ich wollte
den Wald räumen, ich wollte
den Wald räumen.“ Die Liste
der Lügen, Machenschaften,
Verfehlungen und Unzulänglichkeiten
des Noch-NRW-Ministerpräsidenten
ist schier endlos.
Doch noch während diese
Zeilen getippt werden klammert
sich Laschet an das, was
er – trotz historischer Verluste
seiner Partei und katastrophaler
persönlicher Umfragewerte als
„Regierungsauftrag“ interpretierte.
Dabei ist er längst angezählt.
Auch wenn er versucht hat,
noch in der Wahlnacht seinen
Freund Christian dazu zu
bewegen, die Grünen auf die
Jamaika-Seite zu ziehen – um
den längst verlorenen eigenen
Die Seiten NACHHALTIG werden unterstützt von:
Jamaika? Neinmaika. Der Exit-Slogan der FDP mit Datei-Datum vom Donnerstag, 17.11.2017 – drei
Tage bevor Christian Lindner der Hauptstadt-Presse seinen vorbereiteten Ext-Zettel vorlas
Hintern zu retten, es wird ihm
nichts nützen.
Und was wird mit einem Olaf
Scholz an der Spitze fürs Klima
zu holen sein? Was mit grüner
und gelber Regierungsbeteiligung,
wenn es dazu kommt?
Wird im nächsten Sommer
wieder alles wie früher? Keine
Dürren mehr? Keine Staatshilfen
für Ernteausfälle? Endlich
wieder ans Mittelmeer fliegen
ohne vor Feuersbrunsten zu
fliehen? Nie wieder Starkregen,
der den netten Bach nebenan
zum reißenden Fluss
anschwellen lässt? Klopft nie
mehr ein rutschender Hang an
unsere Fenster? Wohl kaum.
Die Klimakrise geht nicht weg,
bloß, weil man nicht mehr hinschauen
will.
Die kommende Regierung
wird für die Klimaschutzbewegung
keine Signalwirkung
senden, dass man sich jetzt
zurücklehnen kann, weil nun
alles auf dem richtigen Weg ist.
Und das ist gut so. Natürlich
wird die Zivilgesellschaft die
Regierungen vor sich hertreiben
müssen. Sie wird hellwach
und kreativ den Klimaschutz-
Lobbyisten das Handwerk legen
müssen – denn die werden
sich auch nicht zurücklehnen.
Zum Glück ist Engagement
nicht irgendeine lästige Pflicht.
Auf den großen Klimastreiks
erleben immer neue Menschen
zum ersten Mal, welchen Kick
so ein Erlebnis geben kann,
welche unfassbar starken Biographien
aus diesen Geschichten
erwachsen, die mit Sätzen
anfangen, wie: „eine Freundin
hat mich zu meiner ersten
Demo mitgenommen“.
Eva Stegen
Noch nicht einmal 1 GW Kohlkraftwerksleistung wurde seit der letzten Bundestagswahl stillgelegt.
Die Stilllegung von 7 GW wären sofort (2017) realisierbar gewesen, sogar als Netzentlastungs-Maßnahmen.
8-10 GW standen als grüne Forderung auf dem Verhandlungstisch
Das WIR
schafft
Energie