flip-Joker_2021-10
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Theater theater KULTUR JOKER 7
Fesselnde Odyssee mit mächtigen Bildern
Theater R.A.B. feiert Premiere mit seinem neuen Kinderstück „Ich steige aus dem Fenster“
Jo freut sich – seine Oma hat
Geburtstag und er hat ihr schon
einen leckeren Schokoladen-
Kuchen gebacken. Dann aber
versteht er die Welt nicht mehr:
Wie? – Seine Eltern wollen Oma
nicht besuchen? Was? – Oma
wohnt jetzt am Meer? Kurzentschlossen
packt er heimlich
seinen Koffer, hüpft aus dem
Fenster und zieht los: Auf, ans
Meer, zu Oma! Was er auf seiner
abenteuerlichen Reise erlebt,
das erzählt das Freiburger Theater
R.A.B. jetzt in seinem neuen
Kinderstück „Ich steige aus dem
Fenster“ mit Figuren, Masken,
Musik und vielen fantasievollen
Ideen (Regie: Brian Lausund).
Das Stationen-Märchen feierte
jetzt Open Air-Premiere im
Amphitheater beim Freiburger
Seepark (Stück-Kooperation mit
Ökostation und FAIRburg E.V.).
Der Einstieg ist etwas lahm:
Die nur kniehohe Jo-Gliederpuppe
entwickelt auf der kleinen
Bühne trotz dem lebendigen
Spiel von Rita Bückert erst wenig
Präsenz, der auf einem
„Ich steige aus dem Fenster“
Foto: Theater R.A.B.
Brett gespielte Familienalltag
wird trotz kleinen Slapstick-
Einlagen allzu brav und lang
in Szene gesetzt. – Dann aber
beginnt eine Odyssee à la Alice
im Wunderland, die fesselt und
mächtige Bilder schafft (Bühne:
Werner Klaus): Als winzige
Stabfigur trabt Jo nun durch ein
Häuserschluchten-Labyrinth,
dessen Glasfaser-Wände von
Lens Shirt und Franziska Braegger
bewegt werden. Auch
die lebenden Verkehrsschilder
helfen Jo nicht weiter, genauso
wenig wie die beiden verrückten
Wissenschaftler, die mit weißen
Kitteln, Halbmasken und orangeroten
Wischmopp-Perücken
krudes Zeug reden, mit einem
Ventilator experimentieren und
das freilaufende Kind bestaunen.
Sehr seltsam!
Mit einfachen, aber raffinierten
Mitteln, vielen Rollenwechseln,
tollen Kostümen (Susanne
Kloiber), Reise-Lied und
Hintergrundmusik (Ro Kuijpers)
entwickeln sich bizarre
Traumszenen: So trifft Jo einen
sprechenden Baum, der ihm
über einen tiefen Fluss hilft. Er
tanzt mit einem singenden Party-Panda,
der alles mit dem Handy
knipst. Er füttert einen hungrigen
Riesen und seinen frechen
Klappmaul-Puppen-Magen mit
Schokolade und er trifft drei lustige
Zirkusclowns, die an einer
Turnstange schmerzhafte Kunststücke
üben. Bei jeder dieser
Begegnungen braucht der junge
Held Mut und Beharrlichkeit,
Vertrauen und Glück.
Dann rauschen die Wellen
und eine Faltpapier-Möwe steigt
in den Himmel – nur Oma, die
ist gar nicht am Meer. Nicht
an diesem jedenfalls, sagt sie.
Denn auch wenn Jo sie nicht sehen
kann, kann er mit ihr sprechen…
Eine Geschichte vom
Suchen und Finden, von Sehnsucht
und Abschied, von Mut
und der Macht der Fantasie. Zu
sehen war sie im Rahmen der
Interkulturellen Wochen auch in
Weingarten und in drei Freiburger
Wohnheimen.
Marion Klötzer
Viel Futter für die Fantasie
Die Alemannische Bühne zeigt die Gaunerkomödie „Zwei wie Bonnie & Clyde“ als rasantes Erzähltheater
„Ok, mach ich!“- das ist der
Lieblingssatz von Chantal, die
ihren Manni eifrig unterstützt.
Prompt folgt wenig später ihre
verknittert-trotzige Rechtfertigung
„Das hast du so nicht gesagt!“
und alles ist zur Freude
des Publikums mächtig schiefgegangen.
– Spannung, Wortwitz
und Clownerie – mit der
1999 uraufgeführten Gaunerkomödie
„Zwei wie Bonnie &
Clyde“ hat das Autorenduo Tom
Müller und Sabine Misiorny einen
echten Coup gelandet. Jetzt
feierte die rund achtzig minütige
Theaterwerkstatt-Inszenierung
in der Alemannischen
Bühne Premiere und damit die
vorzeitige Saison-Eröffnung
nach eineinhalbjähriger Corona-bedingter
Zwangspause.
Gespielt wird dabei ausnahmsweise
zwar nicht in Mundart,
sondern „uf Hochdütsch“, aber
mit Julia Jettkandt und Neuzugang
Felix Zapf als hinreißende
Antihelden, die dümmer sind
als die Polizei erlaubt…
2016 inszenierte Hausregisseur
Martin Mayer „Zwei wie
Bonnie & Clyde“ schon in Weil
am Rhein, im Jahr darauf war
das Stück zu Gast im Freiburger
Theater „Harrys Depot“.
Weil die geplanten Produktionen
der Alemannischen
Bühne allesamt geplatzt waren
und eine Spielplan-Lücke bis
zur Wiederaufnahme von „De
dressierte Ma“ (Anfang Oktober)
klaffte, griff Mayer in
seine Archivkiste. Erst Ende
Juni begannen dann die Proben.
Umso beeindruckender,
wie lebendig und dynamisch
Julia Jettkandt und Felix Zapf
ihre Rollen füllen, ohne sie zu
Karikaturen zu machen: Kess
und zuckersüß gibt Jettkandt
ihre Chantal als taffes Dummerchen
mit Inselbegabung
und ist damit eindeutig der Star
dieser Groteske des Scheiterns.
Und auch ihr Sparringpartner
Felix Zapf läuft als weichherziger
MöchTegern-Ganove mit
der Zeit so richtig warm. Dann
kommt die Spiellust – und es
wird richtig lustig.
Die Story ist irrwitzigschräg:
Gerade haben die beiden
Tollpatsche die Sparkasse
in Lemmingen ausgeraubt,
jetzt erfahren sie aus dem Radio,
dass Chantal die Geldtüte
mit dem Einkauf einer Kundin
verwechselt hat. Ihre Beute:
Ein Pfund Kaffee, zwei Suppen
und Klopapier. Da muss Manni
erst mal zum Brüllen vor die
Tür. Trotzdem – gleich nochmal!
Vier gescheiterte Überfälle
erlebt das Publikum, jeden
nur in der Fantasie, die dafür
aber jede Menge Futter kriegt.
Denn Handlungsort bleibt das
verlassene Schuhlager, in dem
sie beiden sich versteckt halten.
Hier starten und landen sie wieder,
streiten und vertragen sich,
lecken sie ihre Wunden, baldowern
neue Pläne aus, proben
ausgiebig den nächsten Coup.
Trotzdem klappt es nie: Mal
ist kein Sprit im Auto, mal die
Strumpfhose blickdicht, mal
rumpeln sie mit anderen Bankräubern
zusammen. Und nur,
weil Chantal alles wortwörtlich
nimmt und nur genau das tut,
was man ihr sagt. Ihr Abenteuer
kommt als rasantes Erzähltheater
mit Knaller-Pointe auf die
Bühne, die Außenwelt dringt
nur per Radionachrichten in
den mit schwarzen Tuch ausgekleideten
Unterschlupf. Da
bleibt zwischen Campingtisch,
Schuhregalen und Krimskrams
viel Platz zum Toben und Tanzen.
Dazu gibt es am laufenden
Band gut getimten Slapstick im
Spagat zwischen Erwartbarkeit
und Überraschung. Kurz: Zwei
wie Dick und Doof!
De dressierte Ma“, wieder ab
8. Oktober. Weitere Infos: www.
alemannische-buehne.de
Marion Klötzer
Mit
frischen
Farben
in den
Herbst!
Weil
Farbe
Freude
macht!