2010/1 - Föderation
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2010/1 - Föderation
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Nr.1<br />
Januar<br />
Februar<br />
März<br />
<strong>2010</strong><br />
Zeitschrift der <strong>Föderation</strong><br />
Vinzentinischer<br />
Frauengemeinschaften
Anlässlich dieses Jubiläums<br />
ist ein Logo<br />
geschaffen worden;<br />
es will den Blick auf die gesamte<br />
Vinzentinische Familie<br />
richten:<br />
2<br />
350. TODESJAHR<br />
DES HL.VINZENZ UND<br />
DER HL. LOUISE<br />
• die Töchter der christlichen<br />
Liebe,<br />
• die Lazaristen,<br />
• die Vinzenzkonferenzen,<br />
• weitere Zweige.*<br />
Das Logo deutet dies an<br />
durch die »Flammen« in<br />
verschiedenen Farben. Die<br />
Flammen verbreiten sich in<br />
verschiedene Richtungen.<br />
Man kann die Gestalt einer<br />
»Taube« erkennen – (wie<br />
auch die Flammen), das biblische<br />
Symbol für den Heiligen<br />
Geist. Die Flammen<br />
sind zugleich Symbol für die<br />
Liebe, die ausstrahlt.<br />
Anlässlich des Jubiläums<br />
wird in den vier Ausgaben<br />
der Zeitschrift heute jeweils<br />
eine Meditation über Vinzenz<br />
und Louise erscheinen, in<br />
dieser Nummer als Geistliches<br />
Wort.<br />
* Die Vinzentinische <strong>Föderation</strong> ist der »FAMVIN«, der internationalen vinzentinischen Familie, angegliedert. Die Aufnahme<br />
entstand im Februar 2008 in Rom.
Mit einer Kurzgeschichte<br />
möchte<br />
ich das »Geistliche<br />
Wort« beginnen. Diese Geschichte<br />
ist überschrieben<br />
mit:<br />
Licht sein.<br />
In einem Winkel der Welt<br />
kauerte verbissen, trotzig und<br />
freudlos eine dicke, schauerliche<br />
Finsternis. Plötzlich<br />
erschien in dieser Not ein<br />
kleines Licht, klein, aber ein<br />
Licht. Jemand hatte es hingestellt.<br />
Es war ganz einfach<br />
da und leuchtete. Einer, der<br />
vorüberging, meinte: »Du<br />
Zum diesjährigen<br />
Titelbild<br />
ständest besser woanders<br />
als in diesem abgelegenen<br />
Winkel.« – »Warum?«, fragte<br />
das Licht. »Ich leuchte, weil<br />
ich Licht bin, und weil ich<br />
leuchte, bin ich Licht. Ich<br />
leuchte nicht, um gesehen<br />
zu werden, nein, ich leuchte,<br />
weil es mir Freude macht,<br />
Licht zu sein.« Aber die<br />
düstere Finsternis ging zähneknirschend<br />
und wütend<br />
gegen das Licht an. Und<br />
doch war die ganze große<br />
Finsternis machtlos gegen<br />
dieses winzige Licht.<br />
»Loderndes Feuer«, so heißt<br />
eine sehr anschauliche und<br />
Auf dem Titelbild unserer<br />
Zeitschrift ist Ihnen<br />
sicher sofort der Bettler<br />
in der zerrissenen Kleidung<br />
aufgefallen, dem<br />
sich der heilige Vinzenz<br />
aufmerksam zuwendet.<br />
Solche Bettler sehen wir<br />
heute nur noch selten.<br />
Das Zerrissene von<br />
heute hat andere Ausdrucksformen,<br />
mehr innerliche.<br />
Geistliches Wort<br />
SR. ANGELIKA PAUER,<br />
VISITATORIN<br />
PROVINZ GRAZ<br />
informative Broschüre unserer<br />
vinzentinischen Gemeinschaften.<br />
Dieses lodernde<br />
Feuer haben zwei Menschen<br />
im 17. Jahrhundert entzündet,<br />
Vinzenz von Paul und<br />
Das kann für einen Menschen genauso schlimm sein<br />
wie zerlumpte Kleidung.<br />
Menschen von heute erleben so manchen Riss, der<br />
mitten durch ihr Leben geht:<br />
zwischen Ehepartnern, Verwandten und Kollegen,<br />
Einschnitte durch Alkohol, Drogen, Arbeitslosigkeit,<br />
Krankheiten und Behinderungen. Viele scheinen<br />
äußerlich heil zu sein und sind doch innerlich zerrissen<br />
zwischen Traum und Wirklichkeit, Wollen und<br />
Können. Das trifft auch im geistlichen Leben mit<br />
Gott zu.<br />
Der heilige Vinzenz hatte konkrete Hilfen: Kleidung<br />
und Nahrung. Doch dabei ist es garantiert nicht geblieben,<br />
sonst wäre er nicht der große Heilige der<br />
Nächstenliebe geworden, unser Vorbild als Vinzentinerinnen.<br />
SR. URSULA BITTNER<br />
3<br />
�
Louise von Marillac. In diesem<br />
Jahr feiern wir im<br />
Gedenken an sie Jubiläum.<br />
Vor 350 Jahren haben unsere<br />
Gründer Gott die Talente,<br />
die er ihnen anvertraut hat,<br />
reich vermehrt, zurückgegeben.<br />
Vinzenz von Paul und Louise<br />
von Marillac haben in der<br />
Finsternis ihrer Zeit ein Licht<br />
entzündet, letztendlich waren<br />
sie selber dieses Licht.<br />
Sie haben den Auftrag Jesu<br />
»Ihr seid das Licht der Welt«<br />
gelebt. Sie haben sich der<br />
Finsternis ihrer Zeit gestellt.<br />
Mit Jesus, dem Licht der<br />
Welt, sind sie zu den Findelkindern<br />
und zu den Galeerensträflingen<br />
gegangen.<br />
Schwerkranke und sterbende<br />
Menschen waren ihnen<br />
genauso wenig fremd<br />
wie die Not der Landbevölkerung.<br />
Ihr Licht leuchtete<br />
für die Analphabeten und für<br />
die Priester, für die Bettler<br />
und auch für den Adel.<br />
Viele Menschen haben sich<br />
am Feuer dieser zwei Menschen<br />
entzündet.<br />
Heute ist es eine große Zahl<br />
von Frauen und Männern,<br />
die Kleines und Großes tun,<br />
das jenen zugute kommt,<br />
die, wie zur Zeit des Herrn<br />
Vinzenz und der hl. Louise, in<br />
Strukturen der Armut leben,<br />
die sie nicht ändern können<br />
oder die vielleicht selbst am<br />
Schicksal ihrer Armut schuld<br />
sind. Es sind jene, die aus<br />
der Spirale der Armut nicht<br />
herauskommen, in die sie<br />
hineingeboren wurden und<br />
jene, die sich immer hinten<br />
4<br />
anreihen müssen. Es sind<br />
Kinder, deren Eltern ein zu<br />
geringes Einkommen haben,<br />
um ihnen das geben zu<br />
können, was für andere<br />
selbstverständlich ist und es<br />
sind auch jene, die in den<br />
Straßen unserer Städte<br />
hocken oder knien und ihre<br />
leeren Hände uns Satten<br />
entgegenhalten. Es geht um<br />
Menschen, die ihre Heimat,<br />
mit allem was dazugehört,<br />
verlassen mussten, weil sie,<br />
auf welche Weise immer, verfolgt<br />
wurden, es sind aber<br />
auch jene, die vom reichen<br />
Westen gehört haben und<br />
sich bei uns ein besseres<br />
Leben erhoffen, als sie es bis<br />
jetzt hatten.<br />
Wir nennen alle diese Menschen<br />
Arme und unsere<br />
besondere Sendung ist es,<br />
für diese Menschen, wie<br />
Vinzenz und Louise dazusein.<br />
Wenn wir Jubiläum feiern,<br />
feiern wir zwei Menschen,<br />
zwei Heilige, deren Geist in<br />
uns weiterlebt und weiterwirkt,<br />
zwei Menschen, deren<br />
Feuer bis zum heutigen Tag<br />
brennt. Wir können und müssen<br />
nicht alle Not lindern,<br />
aber dort, wo wir sind, können<br />
wir Licht sein!<br />
Gebet<br />
während der<br />
<strong>Föderation</strong>stagung<br />
Möge unsere Kirche eine Kirche sein:<br />
Eine einladende Kirche.<br />
Eine Kirche mit offenen Türen,<br />
eine wärmende, mütterliche Kirche.<br />
Eine Kirche, der nichts fremd ist<br />
und die nicht fremd tut.<br />
Eine menschliche Kirche,<br />
eine Kirche für uns.<br />
Eine Kirche, die wie eine Mutter<br />
auf ihre Kinder warten kann.<br />
Eine Kirche, die ihre Kinder sucht<br />
und die ihnen nachgeht.<br />
Eine Kirche, die die Menschen<br />
dort aufsucht,<br />
wo sie sind:<br />
bei der Arbeit und beim Vergnügen,<br />
beim Fabriktor und auf dem<br />
Fußballplatz,<br />
in den vier Wänden des Hauses.<br />
Eine Kirche der festlichen Tage<br />
und eine Kirche des täglichen<br />
Kleinkrams.<br />
Eine Kirche, die nicht verhandelt<br />
und feilscht,<br />
die nicht Bedingungen stellt oder<br />
Vorleistungen verlangt.<br />
Eine Kirche, die nicht politisiert.<br />
Eine Kirche, die nicht moralisiert.<br />
Eine Kirche, die nicht Wohlverhaltenszeugnisse<br />
ausstellt.<br />
Eine Kirche der Kleinen,<br />
der Armen und Erfolglosen,<br />
Mühseligen und Beladenen,<br />
der Scheiternden und Gescheiterten<br />
im Leben, im Beruf, in der Ehe.<br />
Eine Kirche derer, die im Schatten stehen,<br />
der Weinenden, der Trauernden.<br />
Eine Kirche der Würdigen,<br />
aber auch der Unwürdigen,<br />
der Heiligen, aber auch der Sünder.<br />
Eine Kirche, – nicht der frommen<br />
Sprüche,<br />
sondern der stillen, helfenden Tat.<br />
Eine Kirche des Volkes.<br />
KARDINAL FRANZ KÖNIG, 1905–2004
Soeben haben wir dieses<br />
Wort Gottes<br />
gehört. Bei den drei<br />
Evangelisten Matthäus, Markus<br />
und Lukas kommt dieser<br />
Vers vor. Er ist mit zwei<br />
Themen verbunden:<br />
• Mit den Zeichen der Zeit<br />
und<br />
• mit dem Glaubensbekenntnis<br />
des Petrus.<br />
Wie die Jünger haben wir<br />
heute Abend das Festland<br />
verlassen ... das Festland<br />
unserer Heimat, der Schwestern<br />
und Konvente, der Einrichtungen<br />
und Mitarbeiter,<br />
unserer täglichen Arbeit ...<br />
Und doch sind wir hier mit all<br />
diesen Leuten, mit allem,<br />
was unser Leben prägt.<br />
Wir sind hier als Kirchengemeinschaft,<br />
wir sind hier<br />
als <strong>Föderation</strong>sgemeinschaft<br />
und als Mitglied der großen<br />
Vinzentinischen Familie. Wir<br />
<strong>Föderation</strong>stagung 2009<br />
sind hier zur 39. Jahreskonferenz<br />
unserer <strong>Föderation</strong>.<br />
Wir sind heute Abend auf<br />
einer Insel ...<br />
Was soll hier geschehen?<br />
Was soll auf dieser Jahreskonferenz<br />
geschehen? Was<br />
Jahreskonferenz der <strong>Föderation</strong><br />
Vinzentinischer Frauengemeinschaften<br />
29. September bis 3. Oktober 2009,<br />
Abtei Frauenwörth auf der Fraueninsel<br />
im Chiemsee<br />
Ansprache in der Vesper am Ankunftstag<br />
»SIE FUHREN AN DAS<br />
ANDERE UFER« (Mt 16,5)<br />
SR. DENISE BAUMANN, STRASSBURG,<br />
GEISTLICHE BEIRÄTIN<br />
erwarten wir heute? Erwarten<br />
wir ein Zeichen?<br />
»Öffnet eure Augen«, sagt<br />
uns Jesus.<br />
Werden wir die Zeichen der<br />
Zeit in unserer <strong>Föderation</strong><br />
erkennen? Oft haben wir sie<br />
in unseren <strong>Föderation</strong>sthemen<br />
erwähnt. Ich deute nur<br />
einige an:<br />
5<br />
�
• Welt und Kirche im Wandel.<br />
• Vinzentinische Spiritualität<br />
im Spannungsfeld unserer Zeit.<br />
• »Diesen Schatz tragen wir<br />
in zerbrechlichen Gefäßen«<br />
(2 Kor 4,7).<br />
• Seit drei Jahren wollen wir<br />
in der <strong>Föderation</strong> »besser zusammenrücken«.<br />
Weitere Zeichen unserer Zusammenarbeit:<br />
• Wertearbeit und Ausbildungen.<br />
• Die Wallfahrt der Generaloberinnen<br />
nach Paris.<br />
• Die Suche nach einer »Zentralstelle<br />
der <strong>Föderation</strong>«.<br />
6<br />
• Die Öffnung hin zur Vinzentinischen<br />
Familie und die<br />
Konkretisierung der Affiliation<br />
von 1994.<br />
In jeder Kongregation, in unseren<br />
Ratsitzungen suchen<br />
wir den Willen Gottes für<br />
heute. Die Zeichen sind<br />
manchmal wie graue Wolken<br />
am Himmel. Hier auf dieser<br />
Insel wollen wir das Wort<br />
Gottes ernst nehmen. »Öffnet<br />
eure Augen«, sagt uns<br />
Jesus heute Abend. Wenn<br />
wir im Matthäusevangelium<br />
weiter lesen, hören wir<br />
das Glaubensbekenntnis des<br />
Teilnehmerinnen und Teilnehmer:<br />
Augsburg<br />
1. Schw. M. Michaela Lechner, Generaloberin<br />
2. Schw. M. Luithildis Loidl, Generalvikarin<br />
3. Schw. M. Ingrid Ilg, Generalrätin<br />
4. Schw. M. Veronika Häusler<br />
5. Herr Jürgen Schiele, Leiter der Sozialeinrichtungen<br />
der Kongregation<br />
6. Herr Ekkehard Bitterolf, Verwaltungsdirektor<br />
Freiburg<br />
7. Schw. Gerlanda Jäger, Generaloberin<br />
8. Schw. Anna Lioba Fackler, Generalvikarin<br />
9. Herr Dieter Holderbach, Superior<br />
10. Herr Bernhard Brüderle, Verwaltungsdirektor<br />
Indien/Mananthavadi<br />
11. Schw. Primosa, Generaloberin<br />
12. Schw. Rose Maria, Generalrätin<br />
Fulda<br />
13. Schw. M. Rosalia Bagus, Generaloberin<br />
14. Schw. Birgit Bohn, Generalvikarin<br />
15. Herr Dr. Winfried Kurzschenkel, Superior<br />
Heppenheim<br />
16. Schw. M. Brigitta Buchler, Generaloberin<br />
17. Schw. M. Cäcilia Egerer, Generalvikarin<br />
18. Herr Geistl. Rat Pfr. Josef Schaab, Spiritual<br />
Hildesheim<br />
19. Schw. M. Teresa Slaby, Generaloberin<br />
20. Schw. M. Michaela Weikert, Generalvikarin<br />
Petrus: »Du bist der Sohn<br />
des lebendigen Gottes.« Und<br />
die Antwort Jesu: »Du bist<br />
Petrus, und auf diesen<br />
Felsen will ich meine Kirche<br />
bauen ... Und die Pforten der<br />
Unterwelt werden sie nicht<br />
überwältigen.«<br />
In dieser Stunde spricht<br />
Jesus zu uns wie zu Petrus<br />
und wie zu den Jüngern auf<br />
dem See: »Habt Vertrauen,<br />
ich bin es; fürchtet euch<br />
nicht« (Mt 14,27).<br />
Mögen wir alle zusammen<br />
verfügbar sein, um Ihm wirklich<br />
zu begegnen!<br />
21. Schw. M. Bernwarde Barth, Generalrätin<br />
22. Schw. Rut-Maria, Referentin zum Thema<br />
»Berufungspastoral«<br />
23. Herr Franz-Josef Elbe, Verwaltungsdirektor<br />
Innsbruck<br />
24. Schw. Pia Regina Auer, Generaloberin<br />
25. Schw. Petra Fink, Generalrätin<br />
26. Schw. M. Purissima Geser, Oberin<br />
Meran<br />
27. Schw. Siglinde Mair, Provinzoberin<br />
28. Herr Dr. Gerhard Gruber, Geschäftsführer<br />
München<br />
29. Schw. M. Theodolinde Mehltretter, Generaloberin<br />
30. Schw. M. Veneranda Sachsenhauser, Generalvikarin<br />
31. Schw. M. Theodora Werner, Generalökonomin<br />
32. Schw. M. Vinzentia Moll, Generalrätin<br />
33. Schw. M. Adelinde Schwaiberger, Generalrätin<br />
34. Schw. M. Evelina Franzl, Generalrätin<br />
35. Schw. M. Epiphania Böhm, Generalrätin<br />
36. Schw. Rosa Maria Dick, Moderatorin<br />
37. Herr Prof. P. Dr. Robert Lachenschmid, Spiritual<br />
38. Herr Mathias Rauwolf, Verwaltungsdirektor<br />
Paderborn<br />
39. Schw. M. Cäcilie Müller, Generaloberin<br />
40. Schw. M. Margit Voeth, Generalassistentin<br />
41. Schw. M. Arnhilde Fischer, Generalrätin<br />
42. Schw. Gabriele Pieper, <strong>Föderation</strong>ssekretärin<br />
43. Herr Johannes Westermann, Geschäftsführer
BEGRÜSSUNG SR. THEODOLINDE MEHLTRETTER,<br />
GENERALOBERIN MÜNCHEN<br />
Liebe Mitglieder<br />
der Vinzentinischen Familie!<br />
»Dein Geist weht, wo er will,<br />
wir können es nicht ahnen,<br />
er greift nach unseren Herzen<br />
und bricht sich neue Bahnen.<br />
Dein Geist weht, wo er will,<br />
er ist Antrieb für die Liebe,<br />
die Hoffnung hat er aufgeweckt,<br />
verkündet Gottes Wille.<br />
Dein Geist weht, wo er will,<br />
er ist wie ein Erfinder,<br />
aus Liebe hat er uns<br />
gemacht,<br />
gesandt als seines Geistes<br />
Kinder.«<br />
Südkorea/Suwon<br />
44. Schw. M. Katharina Cha, Generaloberin<br />
45. Schw. M. Beatrix Han, Coordinator of Motherhouse<br />
46. Schw. M. Sancia Kim, Dolmetscherin, Paderborn<br />
Straßburg<br />
47. Schw. Marguerite Schwein, Generaloberin<br />
48. Schw. Blandine Klein, Assistentin<br />
49. Schw. Anne Catherine Mossbach, Ratschwester<br />
u. Ökonomin<br />
50. Schw. Denise Baumann, Geistl. Beirätin und Präsidentin<br />
der »Stiftung Vincent de Paul«<br />
Untermarchtal<br />
51. Schw. Lintrud Funk, Generaloberin<br />
52. Schw. Anna-Luisa Kotz, Generalvikarin<br />
53. Schw. Karin Maria Stehle, Noviziatsleiterin<br />
54. Herr Edgar Briemle, Superior<br />
55. Herr Thomas Brobeil, Geschäftsführer<br />
Wien<br />
56. Schw. Sigharda Leitner, Generaloberin<br />
57. Schw. Maria Michaela Roth, Generalvikarin<br />
58. Schw. Hyazintha Brandner-R., Generalrätin<br />
59. Herr Dr. Michael Heinisch, Geschäftsführer<br />
Mit diesem Liedtext<br />
rufe ich Ihnen ein<br />
herzliches bayerisches<br />
Grüß Gott zur Jahreskonferenz<br />
der Vinzentinischen<br />
<strong>Föderation</strong> zu und<br />
heiße Sie alle hier auf der<br />
Fraueninsel im Chiemsee<br />
herzlich willkommen. Ich<br />
heiße sie willkommen mit<br />
386 Schwestern, besonders<br />
mit meinem Generalrat. Wohl<br />
ein etwas anderer Ort – eine<br />
Insel – ein anderer Ort als<br />
das Mutterhaus in der Großstadt<br />
München.<br />
Wir freuen uns, dass Sie im<br />
Gäste:<br />
Jubiläumsjahr, das ja am<br />
27. September, am Fest unseres<br />
Vaters Vinzenz, begonnen<br />
hat, bei der diesjährigen<br />
<strong>Föderation</strong>stagung unsere<br />
Gäste sind. Wir wollen unsere<br />
gemeinsame, wechselvolle<br />
Herkunft wieder neu in<br />
den Blick nehmen, die stets<br />
von Gottes gnädiger Führung<br />
getragen und von der<br />
Fürbitte und dem Beispiel<br />
des hl. Vinzenz und der hl.<br />
Louise begleitet wurde und<br />
wird.<br />
Wir wünschen Ihnen von<br />
Herzen, dass Sie sich hier<br />
Graz<br />
60. Schw. Angelika Pauer, Visitatorin der Provinz<br />
Österreich<br />
61. Schw. Magdalena Pomwenger,<br />
Provinzassistentin<br />
Köln<br />
62. Schw. Hildegard Köhler, Provinzoberin<br />
63. Schw. Magda Jödden, Provinzassistentin<br />
64. Herr Werner Grünert, Geschäftsführer<br />
Paris<br />
65. Schw. M. Christa Bauer, Generalrätin<br />
Zagreb<br />
66. Schw. M. Berislava Grabovac<br />
67. Schw. Ivana Kučak<br />
Zams<br />
68. Schw. Anna Elisabeth Drenovac,<br />
Generalvikarin<br />
69. Schw. M. Reineldis Jörg, Generalökonomin<br />
7<br />
�
wohlfühlen und die wunderbare<br />
Landschaft genießen,<br />
denn gutes Leben braucht<br />
einen schönen Ort; Schönheit<br />
ist heilsam für die Seele<br />
und ein Attribut Gottes.<br />
Gutes Leben braucht auch<br />
Stille und Sammlung. Bei unserer<br />
Tagung gibt es Zeiten<br />
der Stille, der Anbetung.<br />
Gutes Leben braucht Gemeinschaft.<br />
Wir alle haben<br />
Platz in unseren Gemeinschaften,<br />
an dem wir mit unseren<br />
Fähigkeiten, Begabungen,<br />
Grenzerfahrungen, die<br />
Beziehung zur Mitschwester,<br />
zum Mitarbeiter, zu den uns<br />
Anvertrauten und zu Gott<br />
entfalten und leben können.<br />
Diese Gemeinschaft erleben<br />
wir ganz intensiv bei der<br />
<strong>Föderation</strong>stagung im gegenseitigen<br />
Austausch und<br />
Mutmachen, denn jede Zeit,<br />
auch 2009, ist Gottes Zeit.<br />
Gutes Leben braucht Liebe<br />
und Barmherzigkeit. Für den<br />
Schreiber des ersten Johannesbriefes<br />
ist Gott Liebe. Der<br />
hl. Vinzenz sagt: »Gottes innerstes<br />
Geheimnis ist Liebe<br />
und Erbarmen«. Jede und jeder<br />
von uns hat diesen guten<br />
und menschenfreundlichen<br />
Gott auf je eigene Weise erfahren.<br />
Das macht uns fähig,<br />
das Leben zu lieben, Barmherzigkeit<br />
und Versöhnung<br />
zuzulassen und zu üben.<br />
Wenn das gelingt, dann sind<br />
unsere Tage »gute Tage«.<br />
Damit uns dies geschenkt<br />
wird, haben wir das Festland<br />
verlassen und sind ans<br />
andere Ufer gefahren. Als<br />
Mitfahrer im Boot haben wir<br />
8<br />
uns aufgemacht um nachzuspüren<br />
und uns zu fragen:<br />
In welcher Welt leben wir unsere<br />
vinzentinische Spiritualität,<br />
wenn Vinzenz die beiden<br />
Gegensätze »Aktion und<br />
Kontemplation« oder »Kontemplation<br />
und Sendung« als<br />
Schlüssel zu unserer Berufung<br />
versteht?<br />
Exemplarisch zeigt die Geschichte<br />
jeder Kongregation<br />
in der <strong>Föderation</strong>, dass immer<br />
wieder einzelne Menschen<br />
Träger eines segensreichen<br />
Neubeginns sein<br />
durften. Dieses Bewegen<br />
und in Gang bringen ist Sache<br />
des Geistes Gottes. Sich<br />
bewegen lassen braucht<br />
konsequente Einwilligung,<br />
bei der man am Anfang noch<br />
nicht weiß, was am Ende<br />
Positives herauskommt.<br />
So dürfen wir heute feststellen,<br />
Menschen haben die<br />
Geschichte der <strong>Föderation</strong><br />
gestaltet, Gott, der Herr über<br />
Zeit und Jahre, lenkt die Geschichte<br />
der <strong>Föderation</strong> und<br />
seiner gnädigen und weisen<br />
Führung vertrauen wir auch<br />
die Zukunft der <strong>Föderation</strong><br />
an. Darin ist viel verborgen:<br />
Neuaufbrüche, Rückkehr zu<br />
den Quellen, neues Achten<br />
auf die Zeichen der Zeit, Ödland<br />
würdig und rechtzeitig<br />
annehmen und mitgestalten.<br />
Wir sind in unserem spirituellen<br />
Leben, in unserer Gottesbeziehung<br />
keine anderen<br />
als im Alltagsgeschäft. Unser<br />
Alltag ist Übungsfeld und zugleich<br />
Richtschnur für unsere<br />
Christusbeziehung.<br />
Lassen wir uns von Christus<br />
im Innersten berühren und<br />
begegnen wir ihm im Gebet.<br />
Liebe Vinzentinische Familie!<br />
Vielleicht haben Sie bei der<br />
Abfahrt in Bad Adelholzen<br />
bis zum Betreten des Ufers<br />
auf der Fraueninsel unser<br />
Jahresthema: »Sie verließen<br />
das Festland und fuhren ans<br />
andere Ufer« (Mt 16,5) im<br />
Innern erleben dürfen.<br />
Diese Erzählung ist zunächst<br />
ein Bild unseres Lebens. Der<br />
Weg durch unser Leben ist<br />
wie das Überqueren eines<br />
Sees. Da kann es manchmal<br />
recht stürmisch und gefährlich<br />
zugehen. Das Lebensschiff<br />
kann ins Wanken geraten,<br />
oft bläst einem ein<br />
scharfer Wind ins Gesicht:<br />
Sorgen, Krankheit, Scheitern,<br />
Alter, Grenzerfahrungen,<br />
Schließen von Niederlassungen<br />
und Sterben.<br />
Wir sehen aber auch ein Bild<br />
der Gemeinschaft, das von<br />
Wind und Wellen gebeutelte
Schiff der einzelnen Gemeinschaften.<br />
Mit dieser Erfahrung<br />
war auch immer der<br />
Glaube über Jahrhunderte<br />
und Jahrzehnte verbunden,<br />
dass das Schiff der Gemeinschaft<br />
nicht untergeht, weil<br />
es schließlich nicht unsere,<br />
sondern seine Gemeinschaft<br />
ist und er im Boot mit uns<br />
war und ist. Wir alle kämpfen<br />
mit den gleichen Problemen.<br />
Die Konsequenz heißt: Was<br />
uns zusetzt, geht uns miteinander<br />
an. Suchen wir<br />
einen gemeinsamen Weg,<br />
der uns weiterbringt. Die Not<br />
der Zeit – und das ist nicht<br />
erst heute – braucht das<br />
gemeinschaftliche Wir. Lassen<br />
wir uns von Jesus die<br />
Richtung bestimmen und<br />
vertrauen wir darauf, dass er<br />
mit uns, mit jeder Gemeinschaft,<br />
das andere Ufer<br />
erreicht. Und: Wir müssen<br />
immer wieder ins Ungewisse<br />
aufbrechen, jeden Tag neu.<br />
Dabei hören wir die Zusage:<br />
Ihr könnt euch auf den Herrn<br />
und seine Hilfe verlassen, er<br />
wird euch helfen wie damals<br />
beim Seesturm.<br />
Haben wir so großes Vertrauen<br />
und Zuversicht? Oder<br />
erschrecken wir vom Umbruch<br />
und dem hohen<br />
Tempo der Veränderungen<br />
in Gesellschaft, Kirche und<br />
Gemeinschaften?<br />
Leben und Glauben ereignen<br />
sich konkret. Sie verlangen<br />
von uns, dass wir Vertrautes<br />
loslassen, ins Ungewisse<br />
aufbrechen und mit der<br />
ganzen Kraft des Herzens<br />
Neues wagen. Dazu braucht<br />
es Mut, zum rettenden Ufer<br />
zu steuern.<br />
Was uns bedrängt und erschüttert<br />
und was uns traurig<br />
macht Angesichts der fehlenden<br />
Berufungen in unseren<br />
Gemeinschaften, bringt<br />
uns mit dem tieferen, tragenden<br />
Grund des Lebens in<br />
Berührung – verlebendigt –<br />
bringt uns mit Gott in<br />
Berührung, lässt Vertrauen<br />
wachsen. Dann kann es uns<br />
ergehen wie den Jüngern im<br />
Seesturm, dass die Erfahrung<br />
Gottes uns überwältigt<br />
und wir bekennen: Gott, du<br />
bist uns näher als wir uns<br />
selbst. Wir können aushalten,<br />
wir können rudern, weil<br />
wir deiner sicher sind. Du<br />
bist unser Retter und Herr.<br />
Dir vertrauen wir uns an und<br />
wagen den Aufbruch auf<br />
dein Wort hin. Gottes Ufer ist<br />
mitten im Strom, so sagte Bischof<br />
Hemmerle. Eine große<br />
Widersprüchlichkeit. Aber<br />
dennoch: Ufer ist festes<br />
Land und sicherer Boden.<br />
Ein Platz zum Ankommen,<br />
Verankern, Anlegen und<br />
Festmachen. Gott bietet mir<br />
einen Ort der Sicherheit inmitten<br />
des Stromes an. Wir<br />
können uns dem Strom der<br />
Zeit, dem Strudel im Lauf<br />
des Lebens überlassen, weil<br />
wir wissen, Gott gibt uns<br />
Halt. Er ist da als rettendes<br />
Ufer mitten in allen Bedrängnissen.<br />
Liebe Mitglieder der Vinzentinischen<br />
Familie!<br />
Unsere Gemeinschaften sind<br />
eine Quelle geistlicher Kraft<br />
für die Kirche und das jeweilige<br />
Land. Sie gleichen<br />
Oasen, in denen die Wasser<br />
des Lebens sprudeln, Wasser,<br />
die sogar eine Wüste in<br />
eine blühende Landschaft zu<br />
verwandeln vermögen. Ist<br />
das nicht zu hoch gegriffen?<br />
Wir sind doch eine Minderheit,<br />
wir werden immer weniger.<br />
Nein! Minderheiten werden<br />
zur Mehrheit, wenn sie<br />
nur genügend Kraft aufbringen.<br />
Wir alle haben eine<br />
unerschöpfliche Kraftquelle.<br />
Das ist Jesus Christus, der<br />
uns stärkt mit der Kraft seines<br />
Geistes. Schöpfen wir<br />
für unseren Dienst, für den<br />
Dienst des Herrn im treuen<br />
Beten und Arbeiten, im Dasein<br />
für die Menschen, die<br />
uns brauchen, aus dieser<br />
Quelle. So werden unsere<br />
Gemeinschaften wirklich zu<br />
einer Oase, in der die Leben<br />
spendenden Wasser sprudeln<br />
und wieder blühende<br />
Landschaften werden.<br />
Papst Johannes Paul II.<br />
sagte anlässlich des 400.<br />
Geburtstagjubiläums von Vinzenz<br />
von Paul: »Wenn Vinzenz<br />
heute wiederkäme,<br />
wäre sein Arbeitsfeld nicht<br />
mehr das Gleiche. Es ist<br />
inzwischen gelungen, viele<br />
Krankheiten zu heilen, die er<br />
nur pflegen konnte. Aber er<br />
würde sofort den Weg zu den<br />
Armen entdecken, zu den<br />
neuen Armen ... Es lässt sich<br />
kaum ausdenken, was dieser<br />
Held des zärtlichen Erbarmens<br />
Gottes heute fertig<br />
bringen würde, wenn er mit<br />
Klugheit die modernen Hilfs- �<br />
9
AUS DEM<br />
JAHRESBERICHT<br />
DER<br />
SR. GERLANDA JÄGER,<br />
FREIBURG<br />
FÖDERATIONS-<br />
VORSITZENDEN<br />
Der Jahresbericht, den<br />
ich Ihnen jetzt an dieser<br />
Stelle vortragen<br />
möchte, hat eine äußere<br />
Seite – Daten, Zahlen, Fakten<br />
– und eine innere Seite. In<br />
dieser inneren Seite erahnen<br />
wir Gottes Wirken in all den<br />
Menschen, den Begegnungen<br />
und Ereignissen des vergangenen<br />
Jahres.<br />
Bewusst möchte ich noch<br />
einmal anknüpfen an die<br />
interessanten und inspirierenden<br />
Worte von Bischof<br />
Dr. Gebhard Fürst in Untermarchtal<br />
2008.<br />
»Die katholische Kirche be-<br />
�<br />
mittel gebrauchen würde, die<br />
heute zur Verfügung stehen.<br />
In einem Wort, sein Leben<br />
würde das sein, was es gewesen<br />
ist: Ein weit offenes<br />
Evangelium, und sein Gefolge<br />
wären die Armen, Kranken,<br />
unglücklichen Kinder,<br />
einsamen Menschen ohne<br />
Ziel und Hoffnung und dazu<br />
Männer und Frauen, die sich<br />
zur Verfügung stellen, diese<br />
10<br />
findet sich in einer Übergangssituation<br />
zu einer<br />
neuen Gestalt von Kirchesein,<br />
die als Weg zu einer<br />
missionarischen Kirche im<br />
Volk gesehen werden sollte.<br />
Davon muss sich die Kirche<br />
herausfordern lassen. Ich<br />
plädiere ganz entschieden<br />
dafür, eine offensiv, hoffnungsstarke,<br />
missionarische<br />
Perspektive einzunehmen.<br />
Entscheidend ist eine solche<br />
Perspektivenumkehr im Vertrauen<br />
auf die schöpferische<br />
Kraft des Gottesgeistes gegen<br />
einen scheinbar übermächtigen<br />
Trend.<br />
neuen Armen zu lieben und<br />
ihnen zu dienen. Alle hungern<br />
nach Wahrheit und<br />
Liebe, mehr als nach irdischer<br />
Speise und körperlicher<br />
Pflege.«<br />
Schließen möchte ich mit der<br />
Antwort von Vater Vinzenz<br />
auf die Frage, was er tun<br />
würde, wenn er sein Leben<br />
noch einmal zu leben hätte:<br />
Die Verheißungen des auferstandenen<br />
Herrn Jesus<br />
Christus und die missionarische<br />
Kraft des Evangeliums<br />
haben wir dabei auf unserer<br />
Seite.«<br />
Ein hoffnungsvolles Wort,<br />
das uns direkt – und in einer<br />
Linie – hinführen kann zur<br />
Thematik unserer diesjährigen<br />
Tagung:<br />
»Sie verließen das Festland<br />
und fuhren an das andere<br />
Ufer« (Mt 16,5).<br />
Die innere Logik ist klar:<br />
Wenn wir einen Perspektivenwandel<br />
im Sinn der Worte<br />
von Bischof Dr. Fürst vorneh-<br />
»Ich würde mehr, viel mehr<br />
tun.«<br />
In seinem Namen haben wir<br />
diese Jahrestagung mit dem<br />
Abendlob in der Abteikirche<br />
begonnen und bitten weiterhin<br />
um den Beistand des<br />
Heiligen Geistes für die Tage.<br />
Wir alle freuen uns auf die<br />
Zeit des Miteinanders. Seien<br />
Sie herzlich willkommen.
men wollen, kommen wir<br />
nicht umhin, das Festland zu<br />
verlassen.<br />
Wir müssen die Leinen losmachen,<br />
die Anker lichten<br />
und uns hinauswagen in das<br />
offene, unbekannte weite<br />
Meer. Das ist nicht leicht,<br />
und es kann Angst machen.<br />
Die Gefahr kann sein, dass<br />
wir uns zu schnell daran festmachen,<br />
wie das andere<br />
Ufer, das wir ansteuern, auszusehen<br />
hat. Wir machen<br />
uns Bilder und Vorstellungen<br />
und vergessen, dass es Gott<br />
selbst ist, der uns das Neue<br />
zeigen und schenken wird.<br />
Wir dürfen hören und staunen,<br />
was Er uns sagt und bereits<br />
gesagt hat in den vielen<br />
Gesprächen und Begegnungen<br />
des vergangenen Jahres,<br />
über das ich nunmehr zu<br />
Ihnen sprechen darf.<br />
Vielleicht ist es dabei wichtig,<br />
nicht nur die äußeren Geschehnisse<br />
in Erinnerung zu<br />
rufen, sondern durchzuhören<br />
und durchzuspüren zum inneren<br />
Kern, zu der Frage:<br />
Was will uns Gott durch dieses<br />
oder jenes – Schöne<br />
oder Schwere – hindurch sagen<br />
und zeigen. In diesem<br />
Sinne bitte ich Sie herzlich<br />
am Abend dieses schönen,<br />
aber auch anstrengenden<br />
Tages um Ihr offenes Ohr,<br />
aber mehr noch um Ihr offenes<br />
Herz.<br />
Ich möchte Ihnen nun einen<br />
chronologischen Überblick<br />
über die Ereignisse geben,<br />
an denen Schwestern der<br />
<strong>Föderation</strong> beteiligt waren.<br />
Zeitlich nahe an unserer letzten<br />
Jahrestagung begann<br />
am 18. Oktober 2008 eine<br />
Sabbatzeit in Adelholzen. Es<br />
war eine heilsame und gesegnete<br />
Zeit für 22 Schwestern<br />
aus allen vier Himmelsrichtungen.<br />
Der Tod von Schwester<br />
Scholastika, Wien, am 26.<br />
Oktober 2008, erfüllte uns<br />
mit Trauer und zugleich der<br />
inneren Zuversicht, dass<br />
Schwester Scholastika nun<br />
erfahren darf, was auf ihrem<br />
Sterbebild aus dem 36.<br />
Psalm geschrieben steht:<br />
»Herr, deine Güte reicht so<br />
weit der Himmel ist, und<br />
deine Treue, so weit die Wolken<br />
ziehen.«<br />
Zur Teilnahme am Internationalen<br />
Treffen der Großen<br />
Vinzentinischen Familie vom<br />
31. Januar bis 1. Februar<br />
2009 in Madrid wurden aufgrund<br />
der Einladung Soeur<br />
Denise Baumann und<br />
Schwester Veronika Häusler<br />
beauftragt.<br />
Das Treffen der Leiterinnen<br />
des Noviziates, Juniorates<br />
sowie der Schwestern der<br />
Berufungspastoral vom 4.<br />
Februar bis 7. Februar 2009<br />
im Mutterhaus in Freiburg<br />
stand unter dem Thema:<br />
»Die Formung der ersten<br />
Schwestern durch Louise<br />
und Vinzenz.« Der Referent,<br />
Pater Jerney – Vinzentinerpater<br />
aus Graz – zeigte auf<br />
faszinierende Weise die<br />
Aktualität dieser ersten Vinzenzkonferenz<br />
auf. Aus<br />
diesem Treffen resultierten<br />
Themen, Bitten und Wünsche<br />
an die Generaloberinnen<br />
für deren Treffen in<br />
Drei Ähren.<br />
Ich nenne die Stichpunkte:<br />
• Einrichtung einer Arbeitsgruppe<br />
»vinzentinische<br />
Texte«.<br />
• Weltjugendtag Madrid<br />
2011.<br />
• Arbeitsgruppe »Berufungspastoral<br />
auf der<br />
<strong>Föderation</strong>sebene«.<br />
Unter der Leitung von<br />
Schwester Veronika Häusler<br />
tagte im Mutterhaus in Augsburg<br />
am 24. März 2009 eine<br />
Arbeitsgruppe zur Errichtung<br />
einer Zentralstelle der <strong>Föderation</strong>.<br />
Eine erste Schulungseinheit<br />
für die Generaloberinnen im<br />
Blick auf die von der <strong>Föderation</strong><br />
beschlossene Wertearbeit<br />
fand vom 2. bis 3. April<br />
2009 in Fulda statt.<br />
Unter der Leitung von Herrn<br />
Magister Rainer Kinast referierte<br />
Herr Prof. Dr. Paul<br />
Zulehner. Die Themen befassten<br />
sich mit dem Grundanliegen<br />
der Pflege und<br />
Weitergabe unserer christlichen<br />
Werte. Die einzelnen<br />
Themenblöcke:<br />
• Auseinandersetzung mit<br />
den Werten der vinzentinischen<br />
<strong>Föderation</strong>.<br />
• Blick in die Zukunft.<br />
• Visionen für die Gemeinschaften<br />
und deren Einrichtungen.<br />
Mehrere Schwestern der<br />
11<br />
�
<strong>Föderation</strong> nahmen an der<br />
MEGViS-Tagung vom 14. bis<br />
16. April 2009 in Untermarchtal<br />
teil. Die Tagung<br />
stand unter dem Thema:<br />
Er sah die Not und half.<br />
Vinzentinische Kreativität im<br />
Armendienst.<br />
Am 8. Juni 2009 trafen sich<br />
die Geschäftsführer im Mutterhaus<br />
in München.<br />
Das Treffen der Generaloberinnen<br />
in Drei Ähren vom<br />
12. bis 15. Juni 2009 hatte<br />
folgende Tagesordnungspunkte:<br />
• Zentralstelle der<br />
<strong>Föderation</strong>.<br />
• Austausch über das Vinzentinische<br />
Jubiläumsjahr<br />
ab September 2009.<br />
• Gemeinsamer Nachmittag<br />
mit den Ökonominnen.<br />
Als Anliegen aller wurde der<br />
Wunsch formuliert, diese<br />
Begegnungen in gewissen<br />
Abständen fortzuführen und<br />
spirituell zu vertiefen. Sehr<br />
herzlich möchte ich an dieser<br />
Stelle Ihnen, liebe Soeur<br />
Marguerite und Ihren Mitschwestern,<br />
danken. Wir fühlen<br />
uns immer sehr wohl und<br />
willkommen in Drei Ähren.<br />
Die Noviziatsschulung vom<br />
17. Juni bis 7. Juli in Dießen<br />
am Ammersee stand unter<br />
dem Thema: Bei Dir ist die<br />
Quelle des Lebens. Neun<br />
Novizinnen und eine Postulantin<br />
nahmen an der Schulung<br />
teil.<br />
Ein Höhepunkt in diesem<br />
Jahr war die Pilgerfahrt der<br />
Generaloberinnen der <strong>Föderation</strong><br />
zum Mutterhaus der<br />
Vinzentinerinnen nach Paris.<br />
12<br />
In großer Dankbarkeit möchte<br />
ich an die Begegnung,<br />
die wir Generaloberinnen<br />
mit Soeur Evelyn hatten,<br />
erinnern. Ihre Einfachheit<br />
und ihr selbstverständlicher<br />
Dienst an den Armen hat uns<br />
tief berührt und beschenkt.<br />
In gewisser Weise war es<br />
für uns eine Heimkehr an<br />
die Wirkungsstätten unserer<br />
Ordensheiligen und somit an<br />
unsere Wurzeln. Einen herzlichen<br />
Dank an dieser Stelle<br />
an Schwester Christa, die<br />
uns durch diese Tage geführt<br />
und begleitet hat. Ebenfalls<br />
sehr herzlichen Dank an<br />
Soeur Claire für den Einblick<br />
in das hochinteressante Archiv.<br />
Vieles wurde uns auf<br />
diese Weise gezeigt und<br />
erschlossen.<br />
Das 175-jährige Jubiläum<br />
der Fuldaer Kongregation<br />
konnte am 4. Juli gefeiert<br />
werden. Es war ein schönes<br />
und gesegnetes Fest mit<br />
vielen Teilnehmerinnen aus<br />
der <strong>Föderation</strong>.<br />
Im Zusammenhang mit der<br />
Wertearbeit stand die Schulung<br />
der Multiplikatorinnen<br />
vom 2. bis 3. September im<br />
Mutterhaus München. Es ist<br />
vorgesehen, dass zusätzlich<br />
zu den Generaloberinnen<br />
eine weitere Schwester jeder<br />
beteiligten Gemeinschaft –<br />
und die Geschäftsführer der<br />
Einrichtungen – im Blick auf<br />
Wertefragen geschult und<br />
begleitet werden.<br />
Mein letzter Punkt in der<br />
Chronologie führt uns nach<br />
Straßburg an den Ursprung<br />
vieler unserer Gemeinschaf-<br />
ten. Dort begingen die<br />
Schwestern am 25. September<br />
2009 feierlich Ihr<br />
275-jähriges Jubiläum. Von<br />
Herzen sagen wir danke<br />
für dieses große Geschenk<br />
Gottes, dem auch wir unsere<br />
Geschichte verdanken und<br />
wünschen Gottes reichen<br />
Segen.<br />
Liebe verehrte Anwesende,<br />
viele einzelne Ereignisse, Erfahrungen<br />
und Begegnungen<br />
haben dieses vergangene<br />
Jahr geprägt und<br />
ihm ein unverwechselbares<br />
Gesicht gegeben. Viele Zusammenhänge<br />
können wir<br />
sehen, erkennen oder zumindest<br />
erahnen. Manches<br />
bleibt verborgen und wir wissen<br />
im Tiefsten nicht, was<br />
uns am anderen Ufer erwartet.<br />
Unser Glaube sagt uns,<br />
dass wir vertrauen dürfen,<br />
dass Gott uns alles geben<br />
und schenken wird, was wir<br />
brauchen, um seinen Auftrag<br />
als Vinzentinerinnen heute zu<br />
tun. Dazu müssen wir hörend<br />
sein und sehr aufmerksam<br />
auf die Zeichen, die oft mitten<br />
im Alltag geschehen.<br />
Ich wünsche uns, dass wir<br />
uns nicht unter Druck setzen<br />
und dass wir die Antworten<br />
nicht irgendwo suchen, sondern<br />
nur dort, wo sie gegeben<br />
werden können: bei ihm,<br />
unserem Herrn Jesus Christus,<br />
der immer mit uns und<br />
bei uns ist.<br />
Ich wünsche uns jetzt einen<br />
guten Verlauf unserer Tagung<br />
und danke Ihnen herzlich für<br />
Ihre Aufmerksamkeit.
275 JAHRE<br />
STRASSBURG<br />
Begrüßung im Gottesdienst<br />
Sehr geehrter Herr Erzbischof, liebe Gäste<br />
Von nah und fern sind<br />
Sie zahlreich in die<br />
St.-Johannes-Kirche<br />
gekommen. Hier stand im<br />
Jahr 1823 das erste Mutterhaus<br />
in Straßburg. Sie<br />
sind gekommen, um unsere<br />
Freude und Danksagung an<br />
diesem Jubiläumstag mit<br />
uns zu teilen. Wir danken<br />
Ihnen ganz herzlich.<br />
Unsere Danksagung geht an<br />
Gott für die 275 Jahre im<br />
Dienst der Armen und Kranken.<br />
Wir danken Gott für<br />
seine Gabe: das Charisma,<br />
dazusein für die Menschen,<br />
die Gottesgabe, die heute<br />
wie gestern aktuell ist.<br />
Wir sind hier mit der ganzen<br />
Schar von Schwestern, die in<br />
diesem Dienst gewirkt haben<br />
und die heute noch in diesem<br />
Dienst arbeiten, so wie<br />
Jesus uns einlädt: »Was ihr<br />
für einen meiner geringsten<br />
Brüder getan habt, das habt<br />
ihr mir getan ...«<br />
Wir gedenken auch der Personen,<br />
die im Lauf unserer<br />
Geschichte immer wieder<br />
neue Dynamik und Impulse<br />
in die Kongregation gebracht<br />
haben. Wir gedenken auch<br />
all der Leidenden, denen die<br />
Schwestern geholfen haben,<br />
und wir danken Gott.<br />
Ich möchte ganz besonders<br />
den Paulus-Schwestern von<br />
Chartres danken. Sie haben<br />
unsere ersten Schwestern<br />
ausgebildet und uns zwei<br />
Schwestern für die neue<br />
Gründung in Zabern gegeben.<br />
Wir danken Ihnen, Frau<br />
Generaloberin Sr. Myriam,<br />
dass Sie von Rom zu diesem<br />
Fest gekommen sind. Ihre<br />
Gegenwart bringt die feste<br />
Verbindung unserer zwei<br />
SR. MARGUERITE SCHWEIN,<br />
GENERALOBERIN<br />
Gemeinschaften zum Ausdruck.<br />
Herzlich willkommen sage<br />
ich den Mitgliedern der Vinzentinischen<br />
Familie:<br />
Ihnen, Sr. Maria Luise, als<br />
Delegierte von Sr. Evelyne<br />
Franc, Generaloberin der<br />
Töchter der christlichen<br />
Liebe,<br />
Ihnen, Pater Lautissier, Mitglied<br />
der Missionspriester,<br />
Ihnen, den Mitgliedern der<br />
Internationalen Vereinigung<br />
der Caritas-Vereine<br />
13<br />
�
und der Gemeinschaft der<br />
Vinzenz-Konferenzen.<br />
Herzlich willkommen sage<br />
ich den Generaloberinnen<br />
und Schwestern der <strong>Föderation</strong><br />
aus Deutschland, Öster-<br />
275 Jahre Dienst und Leben!<br />
Dieser Weg hat in Saverne<br />
angefangen und geht auf<br />
diesem heiligen Boden in der<br />
Rue de la Toussaint weiter!<br />
»Une fête, s’il vous plaît! –<br />
Lasst uns feiern!«<br />
Hören Sie die Musik? Während<br />
des ganzen Sommers<br />
werden, wie die Blumen, die<br />
Feste unsere Wochen färben:<br />
Feste in der Kirche, in<br />
der Gemeinde, in der Familie,<br />
in den Vereinen ...<br />
Feste, wo wir Gott, an den<br />
wir glauben, feiern. Gott, der<br />
uns das Glück des Miteinanderseins<br />
schenkt. Feste, die<br />
14<br />
reich, Indien und Südkorea.<br />
Herzlich willkommen sage<br />
ich den Generaloberinnen<br />
und Oberinnen der Gemeinschaften<br />
unserer Region.<br />
Herzlich willkommen sage<br />
uns bei demselben Projekt<br />
versammeln. Wir tragen<br />
das Charisma und die Sen-<br />
ich Ihnen, den Vertretern des<br />
Staates, der Region und des<br />
Départements sowie Ihnen,<br />
der Vorsitzenden der Stiftung<br />
Vinzenz von Paul, und allen<br />
Gästen.<br />
Wir danken Ihnen, Herr Erzbischof,<br />
dass Sie dieser<br />
Eucharistiefeier vorstehen.<br />
Mein Dank geht auch an alle<br />
Priester, die hier versammelt<br />
sind.<br />
Möge jetzt diese Eucharistiefeier<br />
Danksagung für alle<br />
Gottesgaben sein! Wir beten<br />
auch um ein größeres Offensein<br />
für die Gnade Gottes<br />
heute, und darum, dass<br />
diese Eucharistie uns in<br />
unserer Hoffnung stärke!<br />
Auftakt der Feier im<br />
Mutterhaus SR. MARGUERITE SCHWEIN, GENERALOBERIN<br />
dung miteinander. Da freuen<br />
wir uns und musizieren und<br />
tanzen.
»Une fête, s’il vous plaît! –<br />
Lasst uns feiern!«<br />
Natürlich werden manche ein<br />
Schuldgefühl in uns wecken.<br />
Sie werden uns sagen, dass<br />
es eine Schande ist, so zu<br />
feiern, während sich die Welt<br />
zerstört und so viel leidet.<br />
Hört nicht auf sie! Man muss<br />
feiern, nicht weil man die<br />
Realität oder jene, die nicht<br />
mitfeiern können, nicht sehen<br />
will. Man muss feiern für<br />
Gott und für den Menschen.<br />
Man muss feiern: Wir müssen<br />
uns an das Ideal unserer<br />
Gründung erinnern.<br />
Das Ja zum Ruf für den<br />
Armendienst des Bischofs<br />
sprachen erste »Soeurs de<br />
la Charité« im Jahr 1734.<br />
Und sie sind im Jahr 1854<br />
an diesen Platz hier gekommen<br />
... Und seither wohnen<br />
sie hier, leben hier, beten in<br />
dieser Kapelle und werden<br />
von hier aus zu den Armen<br />
gesendet. Ein Fest zum Gedenken,<br />
zur Danksagung.<br />
»Une fête, s’il vous plaît! –<br />
Lasst uns feiern!«<br />
Miteinander vernehmen wir<br />
wieder diese 275-jährige<br />
Geschichte. Wir feiern heute<br />
mit diesen ersten Schwestern.<br />
Ein Fest ist nämlich eine<br />
prophetische Tat! Das Fest<br />
macht die Vergangenheit und<br />
auch die Zukunft sichtbar.<br />
Das Fest bekennt unseren<br />
Glauben an die Zukunft und<br />
unseren Glauben an die Auferstehung<br />
Jesu Christi!<br />
Nein, wir sind keine Träumer.<br />
Alle Feste bezeugen den<br />
Geist Gottes, der in uns und<br />
durch uns wirkt und eine<br />
festliche Atmosphäre schafft!<br />
»Une fête, s’il vous plaît! –<br />
Lasst uns feiern!«<br />
Die Generaloberin empfängt<br />
Sie. Sie lädt ein in das Mutterhaus.<br />
Wir haben uns alle<br />
festlich gekleidet. Schwestern<br />
aus Elsass und Lothringen,<br />
Mitarbeiterinnen und<br />
Mitarbeiter, Generaloberinnen,<br />
Schwestern aus der<br />
<strong>Föderation</strong>, die Generaloberin<br />
von Saint Paul de Chartres<br />
aus Rom – alle sind<br />
sie herbeigeeilt! Laien und<br />
Priester sind da. Und auch<br />
Monseigneur Grallet ist mit<br />
uns! ...<br />
Jetzt ist der Moment in diese<br />
gesegnete Zeit einzusteigen.<br />
Uns alle lade ich jetzt ein:<br />
»Une fête, s’il vous plaît! –<br />
Lasst uns feiern!«<br />
15
Diese Sonnenuhr an<br />
der Dorfkirche in<br />
Stein im Appenzeller<br />
Land aus dem Jahr 1970<br />
ging im vergangenen Sommer<br />
ganz genau als wir dort<br />
vorbeikamen. Die Sonne<br />
schien und malte den Uhrzeigerstand<br />
auf die Kirchturmwand.<br />
Es war 11.40 Uhr.<br />
An trüben Tagen wird allerdings<br />
nichts zu sehen sein,<br />
und doch wird die Zeit weitergehen.<br />
So ist es auch im Leben. Es<br />
gibt Tage, frohe Sonnentage,<br />
die oft viel zu schnell vergehen<br />
und trübe Tage, deren<br />
Stunden ewig dauern und<br />
nicht enden wollen. Wir<br />
16<br />
SR. URSULA BITTNER<br />
brauchen dann unsere ganze<br />
Kraft, um diese Zeit zu überstehen.<br />
Da hilft auch nicht<br />
das Sprichwort: Mach es<br />
wie die Sonnenuhr, zähl’ die<br />
frohen Stunden nur! Im Vertrauen<br />
auf Gott kann das<br />
Durchstehen allerdings leichter<br />
ausgehalten werden.<br />
Bildmeditation<br />
»MEINE ZEIT<br />
STEHT IN<br />
GOTTES HAND«<br />
Ein Lied lädt zum Mitbeten ein:<br />
Ein junger Mann im Krankenhaus<br />
sagte einmal: »Gott<br />
ist mein Zeit-Zuteiler. Er<br />
schenkt mir leichte und<br />
schwere Zeiten – wie jetzt<br />
in meiner Krankheit. Doch<br />
bei allem bin ich mir sicher:<br />
Er meint es gut mit mir.«<br />
Meine Zeit steht in Gottes Hand,<br />
auf ihn verlasse ich mich.<br />
Gott, du schaust und hörst mir zu,<br />
auf dich verlasse ich mich.<br />
Sprichst mit mir und leitest mich,<br />
auf dich verlasse ich mich.<br />
Freud und Leid trag ich zu dir,<br />
auf dich verlasse ich mich.<br />
Du bist fern und doch so nah,<br />
auf dich verlasse ich mich.<br />
Meine Zeit steht in Gottes Hand,<br />
auf dich verlasse ich mich.<br />
(Quelle unbekannt)
Foto: Heidi Bittner<br />
17
V<br />
om 17. Juni bis 7. Juli<br />
2009 fand die diesjährigeNoviziatsschulung<br />
der <strong>Föderation</strong> in<br />
Dießen am Ammersee statt.<br />
Wir, 15 Teilnehmerinnen (davon<br />
neun Novizinnen und<br />
eine Postulantin) aus sieben<br />
verschiedenen Mutterhäusern<br />
(Augsburg, Fulda,<br />
Hildesheim, Untermarchtal,<br />
Wien, Graz sowie Zams),<br />
waren Gast im Haus der<br />
Berufung der Augsburger<br />
Gemeinschaft. Ein sehr ansprechendes,<br />
vielfältiges Programm<br />
war von Sr. M. Veronika<br />
Häusler zusammengestellt<br />
worden.<br />
Der erste gemeinsame Tag<br />
der Noviziatsschulung ermöglichte<br />
uns ein erstes<br />
Kennenlernen der Umgebung<br />
und des geistlichen<br />
Ortes Dießen. Wir lernten<br />
das Kloster St. Vinzenz, das<br />
Marienmünster, die sogenannte<br />
Winterkirche St. Stephan<br />
(ehemals ein Stall)<br />
sowie die selige Mechtildis<br />
18<br />
von Dießen kennen. Auf ihren<br />
Spuren waren wir mittags<br />
in der Umgebung Dießens<br />
unterwegs, wo wir besondere<br />
Orte wie den Mechtildisbrunnen,<br />
die Mechtildiskapelle<br />
und den Burgberg,<br />
wo die Wiege Mechtildis’ gestanden<br />
haben soll, besucht<br />
haben. Sr. M. Veronika und<br />
Christine Keller führten uns<br />
durch den Tag und gaben<br />
uns ein persönliches Zeug-<br />
Berichte aus der<br />
<strong>Föderation</strong><br />
»BEI DIR IST<br />
DIE QUELLE DES<br />
LEBENS«<br />
Noviziatsschulung 2009<br />
in Dießen am Ammersee<br />
nis, warum die selige Mechtildis<br />
auch heute noch bzw.<br />
wieder verehrt wird.<br />
»Leben in schwesterlicher<br />
Gemeinschaft« lautete der<br />
Titel der ersten thematischen<br />
Einheit am 19. Juni, zu dem<br />
Sr. Amabilis Krieg aus Untermarchtal<br />
referierte. Zunächst<br />
arbeiteten wir in Kleingruppen<br />
mit unterschiedlichen<br />
Textauszügen der Lebensordnung<br />
zum Thema Ge-
meinschaft mit anschließendem<br />
Austausch in der Gesamtgruppe.<br />
Des weiteren<br />
machte sie mit uns ein Bibliodrama<br />
zu Mt 20,20–28<br />
(Vom Herrschen und vom<br />
Dienen). Wir sammelten<br />
Aspekte, die uns aufgrund<br />
der Bibelarbeit in Bezug<br />
auf das Gemeinschaftsleben<br />
wichtig wurden und arbeiteten<br />
die Position der Jünger<br />
(z. B. sie stehen zu ihrem<br />
Ärger, sind ehrlich, hören<br />
auf Jesus, lassen sich was<br />
sagen) und die Haltungen<br />
Jesu (z. B. Klarheit, Geduld,<br />
Empathie, Demut, Einfalt,<br />
Liebe, Wohlwollen) heraus.<br />
Am Samstag, dem 20. Juni,<br />
gestaltete Sr. M. Veronika<br />
Häusler, Augsburg, einen<br />
geistlichen Tag zu Louise von<br />
Marillac. Sie veranschaulichte<br />
uns die politischen und<br />
gesellschaftlichen Hintergründe<br />
zur Zeit Louises,<br />
bevor sie uns ihr Leben<br />
vorstellte. Anschließend beschäftigten<br />
wir uns mit der<br />
Spiritualität Louises und was<br />
uns ihr Leben und Denken<br />
heute sagen kann.<br />
Der Sonntag stand zur freien<br />
Verfügung und wurde unterschiedlich<br />
genutzt z. B. um<br />
Ausflüge zu machen oder<br />
Dießen noch mehr zu erkunden.<br />
Pfr. Bernhard Waltner referierte<br />
die folgenden zwei<br />
Tage zum Thema »Die Liebe<br />
Christi drängt uns« (2 Kor<br />
5,14). In fünf Schritten näherten<br />
wir uns der Bedeutung<br />
dieses Verses an z. B. über<br />
das Markusevangelium (die-<br />
ses Evangelium macht deutlich,<br />
was die Liebe auf<br />
sich nimmt und wie Gott im<br />
Kreuz neu handelt) oder Joh<br />
15,9–17 (Was heißt »Bleiben«<br />
für mich?). Die Erkenntnis<br />
Christi und die Beziehung zu<br />
ihm überstrahlt alles und<br />
rückt unsere Existenz in ein<br />
neues Licht.<br />
Das Gelübde der Keuschheit<br />
stand an weiteren zwei<br />
Tagen auf dem Programm,<br />
dargestellt von Sr. Aurelia<br />
Spendel OP. Auf sehr ungewöhnliche,<br />
aber tiefgehende<br />
Weise führte sie uns an das<br />
Thema heran. Es stellte sich<br />
uns die Schwierigkeit, dieses<br />
Gelübde überhaupt an einem<br />
Wort festzumachen, da es<br />
so allumfassend ist. Denn<br />
genau dieses Gelübde ermöglicht<br />
uns Ordenschristen<br />
eine immense Freiheit, da<br />
wir allein Gott gegenüber<br />
Rechenschaft über unser Tun<br />
ablegen müssen. Sexualität<br />
kann hierbei als Lebenskraft<br />
verstanden werden, die der<br />
Motor allen Schaffens ist.<br />
Um das Mutterhaus und die<br />
Stadt Augsburg kennenzulernen,<br />
unternahmen wir<br />
dorthin einen Tagesausflug.<br />
Die Begegnung mit den<br />
Schwestern im Mutterhaus<br />
und im Vincentinum war für<br />
uns ein schönes Erlebnis,<br />
und die vielfältigen Sehenswürdigkeiten<br />
wie beispielsweise<br />
der Dom oder St. Ulrich<br />
und Afra beeindruckten<br />
uns sehr. Sr. M. Reinholda<br />
Rast, Augsburg, führte uns<br />
mit viel Eifer und Sachkenntnis<br />
durch den Tag.<br />
Auch die Kreativität kam<br />
nicht zu kurz. Sr. M. Hannah<br />
Altmann, Augsburg, fertigte<br />
mit uns Schatzkisten an, deren<br />
Grundgerüst Karton war<br />
und anschließend mit Stoff<br />
überzogen wurde. Alle waren<br />
am Ende sichtlich stolz auf<br />
ihre Kunstwerke.<br />
Nach einem Ausflug nach<br />
Andechs, wo gerade das<br />
Dreihostienfest stattfand,<br />
begannen am Sonntag, dem<br />
28. Juni, die Exerzitien mit<br />
P. Alexander Jernej CM. In<br />
den folgenden fünf Tagen<br />
gab er uns verschiedene<br />
19<br />
�
EXERZITIEN<br />
IN<br />
FAIN LÈS MOUTIERS<br />
�<br />
Impulse aus ausgewählten<br />
Schriftstellen des Neuen<br />
Testaments, welche er immer<br />
in Bezug zu Vinzenz, Louise<br />
und deren Spiritualität<br />
brachte. Diese vinzentinischen<br />
Exerzitien waren für<br />
uns sehr wertvolle und bereichernde<br />
Tage, die uns in<br />
unserer<br />
konnten.<br />
Berufung stärken<br />
Ein letztes Impulsreferat<br />
zum Thema »Ordensgemeinschaften<br />
und Kirche« gab<br />
uns Prälat Dr. Bertram Meier,<br />
Ordensreferent der Diözese<br />
Augsburg. Ordensgemeinschaften<br />
sind kirchliche<br />
Gemeinschaften, in denen<br />
20<br />
Elemente von Kirche (Martyria,<br />
Liturgie und Diakonie)<br />
vertreten sind, jedoch sind<br />
sie keine Kirche im Vollsinn,<br />
sondern ein Teil dieser. Anschließend<br />
bestand die Möglichkeit<br />
zur Diskussion.<br />
Die thematischen Einheiten<br />
waren für uns kostbare Edelsteine,<br />
die uns auf unserem<br />
Berufungsweg geschenkt<br />
wurden und weiter wirken.<br />
Spürbar war, mit wie viel<br />
Kreativität und Liebe zum<br />
Detail sich die Referenten<br />
vorbereitet und auf unsere<br />
Gruppe eingelassen haben.<br />
Ihnen ein herzliches Vergelt’s<br />
Gott.<br />
Unter der Leitung von<br />
Sr. Pauline Thorer<br />
veranstaltete das<br />
Mutterhaus Innsbruck wieder<br />
einen Exerzitienkurs in<br />
Fain lès Moutiers. Es ergab<br />
sich die gute Gelegenheit,<br />
dass noch zwei Schwestern<br />
aus der Freiburger und drei<br />
Schwestern aus der Fuldaer<br />
Kongregation teilnahmen.<br />
Superior Winfried Kurzschenkel,<br />
Fulda, begleitete<br />
den Kurs. Sr. Elisabeth Maria<br />
Grimm, Innsbruck, blickte<br />
dankbar zurück:<br />
Neben den thematischen Teil<br />
kam auch die Geselligkeit<br />
nicht zu kurz, wie z. B. beim<br />
gemeinsamen Grillen mit<br />
Prälat Meier, beim Besuch in<br />
St. Ottilien und der Jugendvesper<br />
dort oder beim Bunten<br />
Abschlussabend. Besonders<br />
schön war für uns alle<br />
die angenehme und vertraute<br />
Atmosphäre innerhalb<br />
der Gruppe.<br />
Zum Schluss bleibt uns nur<br />
noch ein herzliches Vergelt’s<br />
Gott all denen zu sagen, die<br />
uns diese Noviziatsschulung<br />
ermöglichten. Danke.<br />
SR. VERONIKA HINDERHOFER,<br />
UNTERMARCHTAL
Lieber Herr Superior!<br />
Ich möchte mich bedanken<br />
für diese schönen Tage hier<br />
und all Ihre Gedanken.<br />
Sie zeigten durch Ignatius<br />
den Weg zum stillen Schauen<br />
und gaben manches gute Wort,<br />
auf das wir können bauen.<br />
Dazu kam noch – von Gott geschenkt –<br />
das strahlend schöne Wetter;<br />
sodass es zum Spazierengehn<br />
nicht konnte sein noch besser.<br />
Ein Tag Paris – die Rue du Bac –<br />
zum Beten dort wir waren.<br />
Heimwärts sind wir am Eiffelturm<br />
ganz nah vorbeigefahren.<br />
Am nächsten Tag das Pfingstfest war.<br />
Nach Vézelay wir kamen.<br />
Wir feierten die Messe mit<br />
in einem würd’gen Rahmen.<br />
Durch diese Tage war das Schweigen<br />
etwas unterbrochen.<br />
Wir folgten nun in Stille wohl<br />
dem Wort, das Sie gesprochen.<br />
Nun möcht’ ich für Ihr gutes Wort<br />
und für Ihr Singen danken.<br />
Es bleiben in Erinnerung<br />
so manch schöne Gedanken.<br />
Doch nicht zuletzt gilt unser Dank<br />
den Schwestern dieses Hauses.<br />
Durch ihre Umsicht hab’n wir gut<br />
geschlafen und geschmauset.<br />
So woll’n wir beim Nach-Hause-Fahr’n<br />
Gott unsern Dank darbringen,<br />
der uns die gute Zeit geschenkt<br />
und ihm ein Loblied singen.<br />
Oben: Wohnstube der Familie Labouré.<br />
Rechts: Kathedrale in Vézelay.<br />
21
EXERZITIEN<br />
IN<br />
ZABERN<br />
V<br />
om 21. bis 28. Juni<br />
2009 wurden Exerzitien<br />
für Schwestern<br />
aller Vinzentinischen Gemeinschaften<br />
in Zabern angeboten.<br />
14 Untermarchtaler<br />
und zwei Münchner Vinzentinerinnen<br />
meldeten sich zu<br />
den unter dem Thema: »Alle<br />
meine Quellen entspringen in<br />
Dir« ausgeschriebenen Exerzitien<br />
an. Vorbereitet und<br />
geleitet wurden diese Tage<br />
von Sr. Amabilis Krieg und<br />
Superior Edgar Briemle.<br />
Diese Tage sollten dazu dienen,<br />
uns auf den geschichtlichen<br />
Ursprung und das<br />
22<br />
Charisma unserer Gemeinschaften<br />
einzulassen und<br />
das Wesentliche unserer Vinzentinischen<br />
Berufung zu<br />
vertiefen. Dazu konnten die<br />
Teilnehmerinnen aus vielen<br />
wertvollen Quellen schöpfen.<br />
Schon der Anfahrtstag war<br />
ein schönes Erlebnis. In der<br />
Klinik Rottenmünster, wo<br />
noch ein Teil der teilnehmenden<br />
Schwestern zu uns<br />
stieß, wurden wir in der Cafeteria<br />
sehr gut bewirtet, und<br />
dann fuhren wir voller Vorfreude<br />
in Richtung Elsass.<br />
Der Odilienberg, ein geschichtsträchtiger<br />
Ort, an<br />
dem die heilige Odilia lebte<br />
und wirkte und an dem ja<br />
eine berühmte Quelle entspringt,<br />
bot uns an diesem<br />
Sonntag eine herrliche Aussicht<br />
hinein ins Elsass.<br />
Mit nur geringer Verspätung<br />
trafen wir dann am Abend<br />
im Haus St. Paul am Stadtrand<br />
von Zabern ein, einem<br />
Gäste- und Exerzitienhaus<br />
der Straßburger Vinzentinerinnen.<br />
Unsere gemeinsamen Tage<br />
hatten dann immer ähnliche<br />
Strukturelemente. In den<br />
Laudes gab uns Superior<br />
Briemle immer schon wichtige<br />
Impulse zum jeweiligen<br />
Tagesthema und entwickelte<br />
daraus über die Tage ein<br />
ausdrucksstarkes Bodenbild.<br />
Er gab uns jedes Mal<br />
passende Bilder und Texte<br />
mit auf den Weg.<br />
Nach dem Frühstück standen<br />
der Ursprung und das Heranwachsen<br />
der Zaberner-<br />
Straßburger-Schwesterngemeinschaft<br />
und dann auch<br />
unserer Gemeinschaften im<br />
Mittelpunkt. Nach einer Zeit<br />
der Einzelbesinnung feierten<br />
wir dann vor dem Mittagessen<br />
gemeinsam die<br />
Eucharistie, an der dann<br />
immer wieder auch ein oder<br />
zwei der Straßburger Hausschwestern<br />
teilnahmen.<br />
Am Montag gingen wir bei<br />
strömendem Regen, Rosenkranz<br />
betend, zur Melaniequelle,<br />
ca. eine Dreiviertelstunde<br />
vom Haus entfernt.<br />
Am Dienstagnachmittag führte<br />
uns unsere Spurensuche<br />
zur Zaberner Pfarrkirche,<br />
in der schon die ersten<br />
Schwestern beteten. Hier<br />
konnten wir in der kleinen<br />
Kapelle die Vesper beten.
Am Mittwoch fuhren wir nach<br />
Bonne Fontaine, einem weiteren<br />
schönen Quellort mit<br />
einer Heilquelle und danach<br />
nach St. Veit.<br />
Am Donnerstag begann unser<br />
Tag früher, da wir mit<br />
dem Zug nach Straßburg<br />
fuhren.<br />
Sr. Blandine empfing uns am<br />
Bahnhof und führte uns zum<br />
Münster, wo wir ausreichend<br />
Zeit zum Gebet und zur<br />
Besichtigung hatten. Danach<br />
wurden wir im Mutterhaus<br />
fürstlich verköstigt, bekamen<br />
eine kleine Hausführung,<br />
und fuhren dann mit dem<br />
Bus zum Grab von Mutter<br />
Arcadia. Die Vesper beteten<br />
wir dann wieder in der<br />
Mutterhauskirche, und der<br />
krönende Abschluss dieses<br />
sehr eindrucksvollen Tages<br />
war dann noch das Flammkuchenessen<br />
in einer Gaststätte<br />
in Zabern.<br />
Am Freitag beschäftigten<br />
uns morgens die Krisen in<br />
unserer Marchtaler und auch<br />
in der Münchner Gemeinschaft,<br />
und nachmittags<br />
wurden wir dann mit der<br />
Besichtigung des Friedensfensters<br />
von Marc Chagall in<br />
Sarrebourg beschenkt.<br />
Am Samstag ging es inhaltlich<br />
um unsere Sendung in<br />
Kirche und Welt. Sr. Kaja<br />
vermittelte uns einen guten<br />
Einblick in die Missionstätigkeit<br />
in Tansania.<br />
Wer Lust hatte, konnte danach<br />
noch Spuren einer ehemaligen<br />
Postkutschenstation<br />
im Wald oberhalb unseres<br />
Hauses besichtigen.<br />
Und nachmittags kam nach<br />
den vielen Geschenken der<br />
Vortage dann ein weiterer<br />
Höhepunkt. Anlässlich des<br />
275. Jubiläums der Straßburger<br />
Gemeinschaft wurde<br />
das Schwesternjubiläum<br />
nicht im Mutterhaus, sondern<br />
am Ursprungsort Zabern<br />
gefeiert.<br />
Eine der Jubilarinnen war<br />
Soeur Marguerite, die derzeitige<br />
Generaloberin.<br />
Wir waren Gäste beim schön<br />
gestalteten Festgottesdienst<br />
und bei der anschließenden<br />
Feier in einer Sporthalle.<br />
Dass wir an diesem Jubiläum<br />
mit teilnehmen durften, hat<br />
uns alle bewegt und sehr<br />
gefreut.<br />
Und dann kam schnell der<br />
Rückreisetag, der Sonntag.<br />
Nach Laudes und Eucha-<br />
ristiefeier und einem kräftigen<br />
Frühstück fuhren wir zur<br />
Burgruine Haut-Barr, dann<br />
zur ehemaligen Abteikirche<br />
Marmoutier und dann noch<br />
zu einer kleinen alten Kapelle<br />
in der Nähe von Marmoutier,<br />
wo wir Mittagspause machten<br />
und uns dann verabschiedeten,<br />
da die zwei<br />
Busle nach Rottenmünster<br />
fuhren und der Pkw nach<br />
Stuttgart.<br />
Sehr Vieles wäre noch zu<br />
den eindrucksvollen Orten,<br />
Begegnungen und geistlichen<br />
Impulsen zu sagen.<br />
Vergelt’s Gott allen, die uns<br />
diese wertvollen geistlichen<br />
Tage ermöglicht haben, und<br />
Dank an unsere beiden<br />
Begleiter.<br />
SR. MARIA REGINA STÜTZ<br />
23
W<br />
ir gedenken im<br />
Jahr <strong>2010</strong> des<br />
350. Todestages<br />
der hl. Louise und des hl.<br />
Vinzenz. Deshalb werde ich<br />
für die Betrachtungen in<br />
diesem Jahr jeweils Bilder<br />
wählen, auf denen beide Heilige<br />
dargestellt sind. Bei meiner<br />
Suche nach entsprechenden<br />
Bildern bin ich auf<br />
diese Darstellung gestoßen,<br />
die ich Ihnen heute vorstellen<br />
und zur Betrachtung empfehlen<br />
will.<br />
Ein farbenfrohes Bild, das<br />
Louise von Marillac und Vinzenz<br />
von Paul mit nachdenklichem<br />
Blick und ernster<br />
Miene zeigt. Louises Blick ist<br />
nach innen gewandt, während<br />
Vinzenz den Betrachter<br />
anschaut und durch seinen<br />
nachdenklichen Blick zu sich<br />
24<br />
SR. M. KARIN WEBER<br />
herzieht. Beide stehen in<br />
enger Beziehung zueinander.<br />
Louise steht hinter dem hl.<br />
Vinzenz; dadurch wirkt sie<br />
größer und das Bild beherrschend.<br />
Louise steht hinter dem hl.<br />
Vinzenz in doppeltem Sinn:<br />
Sie lässt sich führen von ihm,<br />
sie folgt seinen Weisungen,<br />
und sie steht hinter ihm bei<br />
all seinen Unternehmungen<br />
für die Armen ihrer Zeit. Dadurch<br />
wird sie zu einer<br />
großen Frau, stark im Glauben<br />
und in der Liebe mit<br />
einem weiten Herzen für alle<br />
Menschen in Not.<br />
Beide – der hl. Vinzenz und<br />
die hl. Louise – stehen im<br />
Licht der Ostersonne; von<br />
dort beziehen sie ihre Kraft<br />
zur Liebe und zum Engagement<br />
für die vielen Menschen,<br />
die nach Liebe, Anerkennung,<br />
nach Würde und<br />
Ansehen hungern. Wie ein<br />
Ehrenkranz werden diese<br />
Menschen sichtbar im<br />
Schleier der hl. Louise, in<br />
Bildbetrachtung<br />
DIE ARMEN –<br />
IHR<br />
EHRENKRANZ<br />
der Kopfbedeckung des<br />
hl. Vinzenz, auf Gesicht und<br />
Schultern beider Heiligen.<br />
Den Armen, den Bedürftigen<br />
haben sie die Liebe ihres<br />
Herzens und die Kraft ihrer<br />
Hände geschenkt. In ihnen<br />
sind sie Christus, ihrem<br />
Herrn, begegnet. Die Armen,<br />
die ihre Herren waren, denen<br />
sie gedient haben, haben<br />
ihnen den Himmel geöffnet<br />
und sich als Kranz der Gerechtigkeit<br />
und der Ehre um<br />
sie gelegt. – Ein Heiligenschein<br />
ganz besonderer Art.
Foto: E. Briemle<br />
6. Der Stiftungstag<br />
der »Töchter der Liebe«:<br />
29. November 1633<br />
So kommen wir zum 29. November<br />
1633. Über diesen<br />
denkwürdigen Tag sind uns<br />
kaum Details bekannt. Wir<br />
wissen wenig über die Art<br />
und Weise, wie einige Servantes<br />
(Dienerinnen der Bruderschaften<br />
der Nächstenliebe),<br />
die sich öfter trafen, zu<br />
dem Entschluss kamen, eine<br />
Gemeinschaft zu bilden und<br />
ihr Leben nach einem gemeinschaftlichen<br />
Plan zu<br />
gestalten (Coste IX, 1).<br />
Wahrscheinlich hat Vinzenz<br />
gedacht: Lass es nur geschehen!<br />
Es wird sich schon<br />
zeigen, ob die Gemeinschaft<br />
eine Zukunft hat oder nicht!<br />
26<br />
P. WIEL BELLEMAKERS CM<br />
Wir werden sehen! Jedenfalls<br />
wird im November kein<br />
Reglement aufgestellt; die<br />
Lebensregeln werden nicht<br />
festgelegt. Mit der Zeit wird<br />
sich zeigen, was vonnöten<br />
ist.<br />
In den folgenden Monaten<br />
geht es anscheinend so gut,<br />
dass Louise und die Servantes<br />
Vinzenz dazu bewegen<br />
können, Ende Juli 1634 dreimal<br />
mit ihnen zusammenzutreffen.<br />
Am 31. Juli 1634 notiert<br />
Louise de Marillac als Sekretärin<br />
(cf. Coste XII, 445–450)<br />
die folgenden Worte des<br />
Vinzenz: »Gestern sagte ich<br />
Ihnen, dass schon einige Zeit<br />
verstrichen ist, in der ihr<br />
euch trefft, um nach einem<br />
gemeinschaftlichen Plan zu<br />
leben und dass ihr noch kein<br />
MEGViS-Tagung 2009<br />
DER HEILIGE<br />
VINZENZ VON PAUL<br />
UND DIE HEILIGE<br />
LOUISE DE MARILLAC<br />
Sie sahen die Not der Armen – und gaben<br />
deshalb den Frauen »des niedrigen Standes«<br />
ihren rechtmäßigen Ort im kirchlichen und sozialen Leben.<br />
(Schluss)<br />
Reglement für eure Lebensweise<br />
habt.«<br />
Dafür findet er einen ganz<br />
besonderen Grund: »Also<br />
hat Gottes Vorsehung euch<br />
geleitet, wie er seit dem<br />
Anfang der Welt sein Volk<br />
geführt hat, das tausend<br />
Jahre ohne Gesetz lebte. So<br />
tat es auch unser Herr in<br />
der frühchristlichen Zeit. Solange<br />
er auf der Erde war,<br />
gab es kein geschriebenes<br />
Gesetz, denn erst nach seinem<br />
Tod haben die Apostel<br />
seine Lehren und Ratschläge<br />
aufgeschrieben.«<br />
Nach dieser Vorgeschichte<br />
könnte man denken, Vinzenz<br />
habe jetzt alles schriftlich<br />
festgelegt. Aber nein! Vinzenz<br />
kann sich nicht dazu<br />
entschließen, einen Text vorzulegen.<br />
Louise notiert da-
nach was er den Zwölf, die<br />
sich im Haus Louises versammelt<br />
hatten, vorträgt:<br />
»Am letzten Julitag des Jahres<br />
1634 gab Vinzenz der<br />
kleinen Kongregation der<br />
Töchter der Liebe in einer<br />
dritten und letzten Konferenz<br />
die Regeln und die Anweisung,<br />
diese in der Praxis<br />
auszuüben« (Coste IX, 1).<br />
Jean Morin weist nachdrücklich<br />
darauf hin, dass Louise<br />
über »die kleine Kongregation<br />
der Töchter der<br />
Liebe« spricht. Vinzenz betrachtet<br />
diese jungen Frauen<br />
sicher noch bis 1647 in<br />
erster Linie als »Dienerinnen<br />
der Pariser Confréries«.<br />
Auch hier hat Louise wieder<br />
einen Vorsprung vor Vinzenz,<br />
womit nur darauf hingewiesen<br />
werden soll, dass sie<br />
nicht immer die Mitarbeiterin<br />
war, die Vinzenz ehrerbietig<br />
folgte, sondern manchmal<br />
dem Direktor vorauslief.<br />
7. Die Zwölf<br />
des 31. Juli 1634<br />
»Die göttliche Vorsehung hat<br />
euch Zwölf zusammengerufen«,<br />
sagt Vinzenz. In der<br />
Konferenz vom 31. Juli 1634<br />
werden einige namentlich<br />
genannt. Jean Morin macht<br />
über einige dieser zwölf<br />
ersten Töchter der Liebe<br />
biografische Notizen. Ich<br />
möchte fast sagen, dass<br />
diese Seiten für neu ernannte<br />
Ober/-innen der Vinzentinischen<br />
Kongregationen Pflichtlektüre<br />
ist. Es sind Perlen der<br />
Pädagogik und der Verwaltungswissenschaft!<br />
*<br />
8. Die Relativität einer<br />
Tagesordnung<br />
Die »Servantes de la Charité«<br />
– »Dienerinnen der Nächstenliebe«<br />
– stehen im Dienst<br />
der Pariser Bruderschaften.<br />
Das Arbeitsverhältnis erfordert<br />
eine bestimmte Lebensweise.<br />
Grundsätzlich stehen sie um<br />
5.00 Uhr morgens auf und<br />
gehen um 22.00 Uhr zu Bett.<br />
»Ihr steht um 5.00 Uhr auf<br />
und müsst um 22.00 Uhr zu<br />
Bett gehen können, denn für<br />
die eure Tätigkeit bei den<br />
Armen müsst ihr euren Körper<br />
gesund erhalten« (Coste<br />
IX, 2). Eine einfache Schlussfolgerung<br />
hieraus ist: Wenn<br />
die »Dienerin der Armen«<br />
länger als 22.00 Uhr arbeitet,<br />
steht sie am nächsten Morgen<br />
selbstverständlich später<br />
als 5.00 Uhr auf, »denn<br />
der Körper braucht das«.<br />
Die Armenfürsorge genießt<br />
volle Priorität. Sie hat Vorrang<br />
vor den geistlichen<br />
Übungen und dem Besuch<br />
der hl. Messe. »Wisst, wenn<br />
ihr das Gebet unterbrecht<br />
und die hl. Messe verlasst,<br />
um den Armen zu dienen, so<br />
werdet ihr nichts verlieren,<br />
weil der Dienst an den Armen<br />
ein Weg zu Gott ist; und ihr<br />
* P. A. Jernej CM, Graz, hat diese Konferenz<br />
übersetzt. Sie wird in den beiden folgenden<br />
Heften nachzulesen sein.<br />
müsst in ihrer Person Gott<br />
sehen« (Coste IX, 5).<br />
Mit diesen Worten legt Vinzenz<br />
die Berufung und die<br />
Identität der »Töchter der<br />
Liebe« fest. Das hat tiefgreifende<br />
Konsequenzen bis<br />
auf den heutigen Tag.<br />
9. Gebet und Glauben<br />
bezeugen<br />
»Trachte danach, das Gebet<br />
so bald wie möglich zu pflegen;<br />
das ist außerordentlich<br />
nützlich. Erzählt einander<br />
die Erleuchtungen, die Gott<br />
euch gegeben hat. Bewahre<br />
die Vorsätze, die du während<br />
des Gebetes gemacht hast«<br />
(Coste IX, 4).<br />
Vinzenz spornt sie an, miteinander<br />
über ihr Glaubensund<br />
Gebetsleben zu sprechen,<br />
»sobald sich dazu eine<br />
Möglichkeit ergibt«. Er ist<br />
davon überzeugt, dass diese<br />
jungen Frauen aus dem<br />
niedrigen Stand durch ihr<br />
persönliches Glaubensleben<br />
einander ermutigen, inspirieren<br />
und trösten können. So<br />
hat er es auch zu Hause in<br />
Pouy erfahren. Er ist zu der<br />
Einsicht gekommen, dass<br />
die alten Schriftworte immer<br />
noch erfüllt werden: »Die<br />
Geringen macht er groß«;<br />
»In Kleinen und Geringen<br />
offenbart er sich«.<br />
Und warum auch nicht, denn<br />
dieselben Frauen bittet er,<br />
nicht nur die Armen zu betreuen<br />
und ihnen Nahrung zu<br />
geben, sondern auch mit<br />
ihnen zu beten und sie zum<br />
27<br />
�
Empfang der Sakramente zu<br />
ermutigen. »Ihr seid nicht nur<br />
für ihren Körper da, sondern<br />
sollt ihnen auch dabei helfen,<br />
ihre Seele zu retten, damit<br />
sie ›in Frieden‹ leben und<br />
sterben können. Gott hat<br />
euch dazu angestellt, ihr<br />
Trost zu sein. Ihr, Dienerinnen<br />
der Armen, habt auch die<br />
Aufgabe das Evangelium zu<br />
verbreiten« (Coste IX, 5–6).<br />
Als ich diese Worte las, fiel<br />
mir eine Schwesternkommunität<br />
ein, die ich etwa sechs<br />
Jahre lang monatlich besuchte.<br />
Sie leiteten ein heilpädagogisches<br />
Institut für<br />
Jugendliche, die mit einem<br />
Gehirnschaden geboren waren.<br />
Sechs Schwestern waren<br />
hervorragend ausgebildet,<br />
eine Schwester arbeitete<br />
als einfache Hilfe in der<br />
Küche. Sie sprach kein Wort<br />
niederländisch, sondern nur<br />
ihren Dialekt. Wenn sie aber<br />
während unseres Gesprächs<br />
den Mund aufmachte, dann<br />
lauschten wir wie gebannt.<br />
Sie war wirklich ein Wunder<br />
an Schlichtheit und tief<br />
durchlebtem Glauben. Sie<br />
hat ihre sechs hoch ausgebildeten<br />
Mitschwestern und<br />
mich sehr viel gelehrt.<br />
10. Die Höheren Oberen<br />
Wer sind diejenigen, die die<br />
Leitung haben?<br />
»Ehrt die Damen der Bruderschaft<br />
und behandelt sie mit<br />
Ehrfurcht.« Die zwölf Töchter<br />
der Nächstenliebe waren ja<br />
von der Bestimmung her<br />
28<br />
»Dienerinnen der Bruderschaften«.<br />
Danach folgt, als ob es die<br />
einfachste Sache der Welt<br />
ist: »... ehrt auch die Kranken<br />
und betrachtet sie als eure<br />
Meister.«<br />
Das war Vinzenz’ große Perspektive.<br />
In der Hierarchie<br />
der ersten Gemeinschaft der<br />
Schwestern stehen die<br />
Armen an erster Stelle. Einfacher<br />
kann es nicht gesagt<br />
werden. »Deshalb«,<br />
sagt Vinzenz, »müsst ihr sie<br />
empfangen, wenn sie zu<br />
euch kommen, müsst zu<br />
ihnen gehen, wenn sie euch<br />
rufen und direkt jegliche<br />
Arbeit unterbrechen, sogar<br />
die Eucharistie und das<br />
Gebet.«<br />
11. »Eine, die die Stelle<br />
der Oberin einnimmt«<br />
Es ist selbstverständlich,<br />
dass Louise für alle verantwortlich<br />
ist, denn bei ihr treffen<br />
sie sich jeden Monat<br />
(Coste IX, 12).<br />
»Aber auf örtlicher Ebene,<br />
wo zwei oder drei zusammenwohnen,<br />
muss auch<br />
jemand die Stelle der Oberin<br />
übernehmen. Einmal die<br />
eine, dann wieder die andere,<br />
und das immer in<br />
monatlichem Wechsel. So<br />
handhaben wir (Priester der<br />
Mission) es, wenn wir in der<br />
Mission sind. Durch Gehorsam<br />
lernt man Bescheidenheit;<br />
im Gehorsam die Leitung<br />
zu übernehmen, macht<br />
es leicht, die anderen auf<br />
gute Art und Weise zu unterrichten.«<br />
Die Ausübung der Autorität<br />
ist ein Dienst. Es ist kein<br />
Grund, sich selbst als höhergestellt<br />
als andere zu betrachten.<br />
Nun gab es eine Schwierigkeit:<br />
Die Oberinnen in der<br />
Allerheiligsten Erlöserpfarre,<br />
in der Nikolauspfarre und in<br />
der Pauluspfarre werden für<br />
den ersten Monat sofort<br />
ernannt. In der Pfarre des<br />
hl. Benedictus ist nur eine<br />
Schwester. Wie muss es<br />
da organisiert werden? Vinzenz<br />
findet auch hier eine<br />
praktische Lösung: »Du,<br />
Schwester des hl. Benedictus,<br />
wirst von einem Schutzengel<br />
geführt werden.« Was<br />
im nächsten Monat in Benedictus<br />
geschehen muss,<br />
erwähnt Vinzenz freilich<br />
nicht ...<br />
12. Kommt Zeit,<br />
kommt Rat<br />
1643 notiert Louise de Marillac,<br />
dass Vinzenz noch immer<br />
nicht den Entschluss<br />
gefasst hat, eine Regel zu<br />
schreiben. Aber wir müssen<br />
einsehen, dass die göttliche<br />
Vorsehung dieses Werk leitet<br />
und dass es Fortschritte<br />
oder Rückschritte macht,<br />
wie es ihm beliebt (Coste IX,<br />
113). Zwei Jahre später ist<br />
dann endlich die erste geschriebene<br />
Regel vollendet.<br />
Im Jahr 1645 wird dann ein<br />
Text fertiggestellt, der dem<br />
Erzbischof von Paris Jean-
François de Gondi vorgelegt<br />
wird, um die Zustimmung der<br />
Kongregation für die Ordensleute<br />
in Rom zu erhalten<br />
(Coste XIII, 551–556).<br />
Im August oder September<br />
1645 beschreibt Vinzenz in<br />
einer Bittschrift detailliert das<br />
Wachstum der Kongregation.<br />
Er bittet dann, »diese<br />
Gemeinschaft von Mädchen<br />
und Witwen als Bruderschaft<br />
zu errichten und als Reglement<br />
die Artikel festzulegen,<br />
nach denen sie bis<br />
jetzt gelebt haben und auch<br />
in Zukunft leben wollen, im<br />
Namen der Töchter und Witwen,<br />
Dienerinnen der Armen<br />
der Charité« (Coste II, 552).<br />
Allmählich gelang es Vinzenz,<br />
Wege zu finden, die<br />
über die kirchlichen Regelun-<br />
gen weit hinausgingen. Er<br />
bezeichnete es als Führung<br />
durch die göttliche Vorsehung.<br />
Er weiß, dass wichtige<br />
Entwicklungen besonderes<br />
Fingerspitzengefühl verlangen.<br />
Den »Zeichen der Zeit«<br />
zufolge müssen neue Wege<br />
eingeschlagen werden, alte<br />
Richtlinien müssen aufgehoben<br />
oder angepasst werden,<br />
und neue Regeln müssen<br />
verfasst werden.<br />
13. Die Klausur,<br />
ein kirchenrechtliches<br />
Problem, das bewältigt<br />
werden musste<br />
Die Frage nach der Stellung<br />
der weiblichen Ordensan-<br />
gehörigen in der Kirche des<br />
16. und 17. Jahrhunderts<br />
war ein großes Problem für<br />
Vinzenz.<br />
Achtzig Jahre vorher hatten<br />
sich die Konzilsväter in Trient<br />
schon mit den weiblichen<br />
Ordensleuten befasst. Sie<br />
verschärften die Klosterklausur<br />
für diejenigen Klöster<br />
(monasteria), in denen sich<br />
Missbräuche eingeschlichen<br />
hatten. Aber nun stellt sich<br />
die Frage: Was sind Missbräuche?<br />
Papst Pius V. löste die Frage<br />
in der Konstitution Circa<br />
pastoralis (1566). Er sagt einfach,<br />
dass es ein unlösbares<br />
Band zwischen feierlichen<br />
Gelübden und Klausur gibt.<br />
Durch diese neuen Klausurbestimmungen<br />
konnten die<br />
neuen weiblichen religiösen<br />
Gesellschaften, wie u. a.<br />
Mary Ward, Angela Merici,<br />
die Visitantinnen des hl.<br />
Franz von Sales und Johanna<br />
von Chantal, die wie<br />
die neuen gegenreformatorischen<br />
männlichen Gemeinschaften<br />
wie die Jesuiten,<br />
Theatiner, Barnabiten, Kamillianer<br />
der Kirche neuen Elan<br />
geben wollten, ihre anfänglichen<br />
Pläne nicht weiterverfolgen.<br />
Aufgrund seiner Jugenderlebnisse<br />
in Pouy und der<br />
Erfahrungen, die er während<br />
der vielen Missionspredigten<br />
machte, aufgrund der erfolgreichen<br />
Lebensführung der<br />
Gruppe junger Schwestern,<br />
gegründet durch die großartige<br />
Marguerite Naseau,<br />
weiß er, dass die Frauen<br />
29<br />
�
innerlich stark sind. Er kann<br />
sie aussenden, weil er erfahren<br />
hat, was Frauen leisten<br />
können. Sie sind dazu in der<br />
Lage, unter den Leuten zu<br />
wohnen und die Armen zu<br />
besuchen und sie mit Suppe<br />
und Brot zu versorgen; um<br />
Hilfe zu leisten, wenn es<br />
in der Nachbarschaft notwendig<br />
ist, z. B. bei einer<br />
Entbindung, bei schwerer<br />
Krankheit, bei der Kinderbetreuung,<br />
bei einer Messerstecherei,<br />
bei Nachbarschaftsstreitigkeiten<br />
und bei<br />
häuslicher Gewalt. Diese<br />
Frauen können eingreifen in<br />
allen Situationen, in denen<br />
das Schicksal zuschlägt. Sie<br />
gehen in Gefängnisse, helfen<br />
den Galeerensträflingen, gehen<br />
auf die Kriegsschauplätze,<br />
um verwundeten und<br />
sterbenden Soldaten beizustehen<br />
und Kriegsopfern zu<br />
helfen. Die Erfahrungen, die<br />
Vinzenz mit Frauen gemacht<br />
hat, bringen ihn laut Luigi<br />
Mezzadri dazu, »Arme zu<br />
wählen für die Arbeit unter<br />
Armen«.<br />
Deshalb sucht Vinzenz einen<br />
Weg, um alle päpstlichen<br />
Ängste, formalisiert in den<br />
päpstlichen Richtlinien des<br />
Kirchenrechts, links oder<br />
rechts zu umgehen. Kirchengesetze<br />
dürfen nicht verhindern,<br />
dass seine Töchter<br />
nicht mehr auf die Straße<br />
gehen dürfen!<br />
Also: keine feierlichen Gelübde,<br />
also keine Ordensleute<br />
im kanonischen Sinn.<br />
Daraus folgen wieder andere<br />
Verstöße gegen die gültige<br />
30<br />
kirchliche Praxis. Die Töchter<br />
bringen beim Eintritt ins<br />
Kloster keine Mitgift mit, sie<br />
beten kein Chorgebet, sie<br />
leben nicht von der Welt<br />
abgesondert. Im Gegenteil:<br />
Sie teilen das religiöse Leben<br />
der Männer und Frauen, in<br />
deren Mitte sie leben und<br />
haben eine gemeinsame<br />
Pfarrkirche. Das alles geschieht<br />
aufgrund ihres ersten<br />
und wichtigsten Auftrags:<br />
den Armen zu dienen.<br />
Vinzenz und Louise finden so<br />
einen Weg, um ihre Töchter<br />
in einer Gemeinschaft zu<br />
vereinigen, die – den damals<br />
geltenden kanonischen Bestimmungen<br />
zufolge – keine<br />
»Ordensgemeinschaft« ist.<br />
So können ihre Töchter, die<br />
aus den Dörfern kommen,aus<br />
dem Kreis der Armen ihren<br />
»Herren und Meistern dienen,<br />
und in diesem Geist<br />
werden sie ihnen die Füße<br />
mit warmem Wasser waschen,<br />
sie von Ungeziefer<br />
befreien, die Haare schneiden<br />
und wenn nötig, das<br />
Hemd wechseln, weiße Mützen<br />
oder Schlafmützen geben,<br />
sie anschließend in<br />
ein mit angewärmten Laken<br />
versehenes Bett legen und<br />
ihnen danach eine Tasse<br />
Bouillon und einen Trinkbecher<br />
bringen lassen.«<br />
Mezzadri kommt zu der<br />
Schlussfolgerung: »Für die<br />
Armen wählte Vinzenz Arme.«<br />
Unsere beiden Heiligen lehren<br />
uns auch, »wegen unseres<br />
Auftrags« mit den Regeln<br />
der Kirche zu »spielen« oder<br />
»erfinderisch umzugehen«<br />
mit den Regeln und Gesetzen<br />
unserer Kongregation,<br />
der Kirche, des Staates und<br />
auch mit allen sozialen Vorurteilen,<br />
welche Menschen<br />
festnageln. Sie lehren uns,<br />
im Namen Gottes Lösungen<br />
zu suchen wenn Menschen<br />
in Not sind. Habe den Mut,<br />
nach Wegen zu suchen,<br />
wenn andere nur Gespenster<br />
sehen. Zeige christlichen<br />
Mut, spiele mit Dingen, die<br />
Menschen unnötig einengen,<br />
und hilf den Armen in deiner<br />
Umgebung. Das wird dir<br />
gelingen, »denn Gottes Kraft<br />
genügt«.<br />
14. Die letzten Worte<br />
des 31. Juli 1634<br />
Am Ende der Konferenz vom<br />
31. Juli 1634 erklärten alle<br />
zwölf Töchter, dass sie sich<br />
an das Reglement gebunden<br />
fühlten.<br />
Jede kniete nieder, und Vinzenz<br />
fügte hinzu: »Dass<br />
Gottes Güte alles in ihr Herz<br />
senken möge, was ich armer<br />
Sünder gerade in seinem<br />
Namen gesagt habe. Dass<br />
sie alles in guter Erinnerung<br />
behalten mögen, um es in die<br />
Tat umzusetzen und dass ihr<br />
wirklich Töchter der Nächstenliebe<br />
seid. Im Namen des<br />
Vaters und des Sohnes und<br />
des Heiligen Geistes.<br />
Amen.«
Heft 1/<strong>2010</strong> INHALT 42. Jahrgang<br />
Zum 350. Jubiläum des Todesjahres<br />
von Vinzenz und Louise 2<br />
Geistliches Wort:<br />
Sr. Angelika Pauer, Graz 3<br />
Zum Titelbild 3<br />
<strong>Föderation</strong>stagung 2009<br />
Ansprache in der Vesper 5<br />
Teilnehmerliste 6<br />
Begrüßung 7<br />
Jahresbericht 10<br />
275 Jahre Straßburg 13<br />
Bildmeditation 16<br />
Berichte aus der <strong>Föderation</strong><br />
Noviziatsschulung 2009 18<br />
Exerzitien in Fain lès Moutiers 20<br />
Exerzitien in Zabern 22<br />
Bildbetrachtung 24<br />
Vinzentinische Spiritualität: Wiel Bellemakers CM:<br />
Vinzenz von Paul und Louise von Marillac<br />
und die Frauen »des niedrigen Standes« (Schluss) 26<br />
Einladung zu Exerzitien 31<br />
Bildmeditation 32<br />
Einladung <strong>2010</strong><br />
zu Exerzitien<br />
in der<br />
<strong>Föderation</strong><br />
Mutterhaus Untermarchtal:<br />
Exerzitien mit Gemeinschaftselementen.<br />
Zabern, 18. bis 25. April.<br />
Beginn um 18.00 Uhr mit<br />
dem Abendessen, Ende am<br />
25. April mit dem Frühstück.<br />
Leitung: Superior Edgar<br />
Briemle, Sr. Amabilis Krieg.<br />
Anmeldungen über das<br />
Mutterhaus Untermarchtal,<br />
Telefon 07393 30-0.<br />
heute<br />
herausgegeben im Auftrag der <strong>Föderation</strong><br />
Vinzentinischer Frauengemeinschaften<br />
von Superior Dr. Winfried Kurzschenkel,<br />
Kanalstraße 22, 36037 Fulda,<br />
Tel.: (06 61) 2 85-133, Fax: -200 / � 70668.<br />
E-Mail: winfried.kurzschenkel@gmx.de<br />
Erscheinungsweise vierteljährlich.<br />
Die Zeitschrift kann bezogen werden über<br />
obige Adresse. Das Jahresabonnement<br />
kostet einschließlich Versand 8,– € und wird<br />
im 1. Quartal erbeten: Mutterhaus Fulda,<br />
Sparkasse Fulda 41 026 414 (BLZ 530 501 80).<br />
Abbestellung nur zum 31.Dezember mit<br />
einmonatiger Kündigungsfrist.<br />
Korrespondentinnen in den<br />
Mutterhäusern/Provinzhäusern:<br />
Augsburg: Sr. M. Beatrix Franger<br />
Freiburg: Sr. Anna Lioba Fackler<br />
Fulda: Sr. Felizitas Renkel<br />
Heppenheim: Sr. Christine Lorey<br />
Hildesheim (mit Region in Peru):<br />
Sr. Regina Maria Lührsen<br />
Innsbruck (mit Region in Tansania):<br />
Sr. Pauline Thorer<br />
Mananthavady: Sr. Lucy Antony Manthara<br />
Meran: Sr. Klara Rabensteiner<br />
München: Wolfgang Dausch<br />
Paderborn: Sr. Ursula Bittner<br />
Straßburg: Sr. Marguerite Schwein<br />
Suwon (Korea): Sr. Katharina Cha<br />
Treviso: Sr. Lorenza Sponton<br />
Untermarchtal (mit Region in Tansania):<br />
Sr. M. Karin Weber<br />
Wien: Sr. Sigharda Leitner<br />
Zams (mit Niederlassungen in Peru):<br />
Sr. Dr. M. Gerlinde Kätzler<br />
Provinz Graz TdcL:<br />
Sr. Angela Platzer, Sr. Donata Hampel<br />
Provinz Köln TdcL: Sr. Alfonsa Richartz<br />
Gestaltung: Jürgen Weber, Limburg<br />
E-Mail: ju_weber@arcor.de<br />
Druck: Limburger Vereinsdruckerei GmbH,<br />
Senefelderstraße 2, 65549 Limburg<br />
Mutterhaus Fulda:<br />
Einzelexerzitien.<br />
Kassel, Sonnenhof,<br />
21. bis 29. April.<br />
Poppenhausen (Rhön),<br />
10. bis 18. Mai.<br />
Kassel, Sonnenhof,<br />
21. bis 29. Juni.<br />
Beginn jeweils 15.00 Uhr,<br />
Ende nach dem Mittagessen.<br />
Leitung: Superior Winfried<br />
Kurzschenkel. Anmeldungen<br />
über das Mutterhaus Fulda,<br />
Telefon 0661 285-0.<br />
31
Text: Sr. Ursula Bittner · Foto: Heidi Bittner<br />
Vom Brunnen lernen<br />
Geben, immer nur geben,<br />
wie dieser alte Brunnen<br />
so lange wie es geht,<br />
und dabei verbunden<br />
mit geheimer Quelle.