Klaus Waschk: Vor&NachBilderZeichnungen zur Literatur 1971-2021
Zeichnungen zur Literatur 1971 - 2021 Verlag Angeli & Engel, Hamburg Juli 2021 Format 24x30cm, 94 Seiten ill. ISBN: 978-3-9815836-4-9 Standardausstattung: 28 € Bestellungen an: Rudolf Angeli, Tel.: 040-60566773, rudolf_angeli@web.de www.angeliundengel.art oder: Klaus Waschk, klaus@waschk.de
Zeichnungen zur Literatur 1971 - 2021
Verlag Angeli & Engel, Hamburg Juli 2021
Format 24x30cm, 94 Seiten ill.
ISBN: 978-3-9815836-4-9
Standardausstattung: 28 €
Bestellungen an: Rudolf Angeli, Tel.: 040-60566773, rudolf_angeli@web.de
www.angeliundengel.art
oder: Klaus Waschk, klaus@waschk.de
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KLAUS WASCHK
Vor&NachBilder
Zeichnungen
zur Literatur
1971 - 2021
Verlag Angeli & Engel
KLAUS WASCHK
KLAUS WASCHK
Vor&NachBilder
Zeichnungen
zur Literatur
1971 - 2021
Verlag Angeli & Engel
Hamburg 2021
Erstmals erschienen 2021 unter dem Titel „Vor&NachBilder“
bei Angeli & Engel, das ist ein Imprint von
Rudolf Angeli, Saselbekstraße113, 22393 Hamburg
Rudolf_Angeli@web.de
Herausgeber: Peter Engel
Peter_Engel@gmx.de
Copyright © Klaus Waschk, (Autor und Illustrator)
Övelgönne 23, 22605 Hamburg
Layout: Heiko Müller
Alle Rechte vorbehalten. Dieses Buch darf nur nach vorheriger
schriftlicher Zustimmung des Copyright-Inhabers vollständig
bzw. teilweise vervielfältigt, in einem Datenerfassungssystem
gespeichert oder mit elektronischen bzw. mechanischen Hilfsmitteln,
Fotokopierern oder Aufzeichnungsgeräten bzw.
anderweitig weiterverbreitet werden.
Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation
in der Deutschen Nationalbibliothek; detaillierte
bibliografische Daten sind im Internet über
http://dnb.ddb.de abrufbar.
ISBN 978-3-9815836-4-9 (gebunden)
KLAUS WASCHK
Vor&NachBilder
Zeichnungen
zur Literatur
1971 - 2021
Verlag Angeli & Engel
Hamburg 2021
Biografische Vorbemerkungen
1941 geb., Ostpreußen. 1942 wird der Vater im Krieg erschossen. Das Flüchtlingskind
wächst in der Nähe von Bremen am Rande des Teufelsmoores auf, ländlich – klein, blond
und verhätschelt von Mutter, Großmutter, Tante. Vom Großvater lernt er zu sägen,
hacken und zimmern – und immer sofort das Werkzeug zurückzubringen. Unter den
Bauerkindern bleibt er jedoch etwas fremd. Er ist mit Kosmos-Lernbaukästen (Optikus
und Fotomann) im Kartoffellkeller als Dunkelkammer selbstbeschäftigt genug. Lesestoff
liefern Illustrierte (Quick, Hummel-Hummel) und Bücherhaufen aus der Leihbücherei der
Kleinstadt.
1946 – 1961
Er ist abwesend und schlecht in der Schule, er schwimmt (relativ schnell), jazzt (am Banjo
einfach und laut) und zeichnet und malt eher ‚französisch’– nicht zuletzt wg. der Frauenbilder:
Pascin bis Renoir, später Hubbuch und Grosz. Er liest mit Tendenzen zu distanzfreier
Selbstidentifizierung – Karl May ...und später Kafka, Kafka, Benn. Entsprechend
merkwürdig schreibt er selbst und gewinnt mit einer grotesken (überaus authentischen)
Skizze seiner Tanzstunden den Bremer Jugendliteraturpreis: einen Füllfederhalter. Die
Schulzeit wird entsprechend der durch Nebentätigkeiten so sehr beeinträchtigten Teilnahme
verlängert, dann aber doch glücklich irgendwie abgeschlossen.
1961 – 1962
Er studiert etwas verwirrt Germanistik, Archäologie und Kunstgeschichte in Marburg.
Er zeichnet und druckt beim nachsichtigen Meister Höhl, der ihn in schwieriger Zeit
mit freundlicher Nachsicht und Sorgfalt begleitet und mit positiven Verstärkungen in
der Zeichenkunst beruhigt (s. K.Waschk ‚ziemlich normal’, eine Biografie in Bilderbögen,
Hamburg 2019).
1962 - 1966
Gut vorbereitet übernimmt ihn die Akademie in Stuttgart sofort. Der freundlich schmalschiefe
R.Daudert (Ostpreuße) läßt ihn in der Grundklasse frei tun+machen+probieren+etwas
allein. Was dann sachlich zu begreifen, strukturiert zu verstehen und analytisch als Form
und Gestalt für die Betrachtung und den Diskurs brauchbar ist, lehrt ihn Ch.Schellenberger
in der Werkklasse. Ein weiterer Theorieschub kommt von Max Bense. Der macht mit seiner‚
kybernetischen Ästhetik’ – M = O:C – Werturteile in der Kunstbetrachtung mit‚ Maß,
Zahl und Ordnung’(O.Schlemmer) möglich. So wird – bei einem eigentlich dramatisch
chaotischen Studieren mit wirren Bohème-Anteilen (s.’ziemlich normal’ –) doch noch
ein solider Bodensatz als brauchbare Ausrüstung für den später ziemlich übersichtlich
strukturierenden Kunsterzieher möglich.
o. Holzschnitt, 38 x 15 cm, 1962
u. Acryl, 73 x 31 cm, 1964
7
1964 -1966
Schließlich wird Prof. Gunter Böhmer mit ihm in der (sehr angesagten) Klasse für ‚freie
Grafik’ nicht wirklich glücklich. Während der Student ellenbogentief (und zumeist furchtbar
verkatert) im Charbonell-Schwarz walzt, piekt der Herr mit dem Spazierstock auf
delikate Grauwerte: ‚halten Sie den...’– dieser, ein bockig verklebter Saufkopp vor jenem,
dem feinen Ästhetiker, der just noch mit Hermann Hesse in Montagnola das Aquarellgrün
im Salat diskutiert hatte. Aber der eigentlich lernwillige Jungmann hat bei ihm dann doch
gelernt, dass Zeichnen + Literatur kompakt als künstlerischer Zugriff eine ernste und
überaus rettende Maßnahme sein kann. Im Examen mit - ausgeprägten Schwächen beim
kunstgeschichtlichen Post-kartenraten werden dann fulminante Radierungen zur ‚Basler
Fasnacht’ präsentiert.
o.l. Acryl, 51 x 27 cm1965
u.l. Kaltnadelradierung 25 x 17 cm 1966
o.r. Federzeichnung, 28 x 26 cm, 1965
u.r. Gutachten Prof. Böhmer 1965
8
1966 - 1971
Germanistikstudium in Hamburg, fast ein frühes Scheitern im Alt- und Mittelhochdeutschen,
Unlust beim Zerreden von Literatur in Ober-seminaren mit lebensfernen Profilierungsschwätzerinnen.
Examen trotzig trocken mit Sprachstatistik in der Linguistik,
abzählbar verläßlich in den Analysen und Wertungen zum Verhältnis von ‚Sprache und
Bild in der Anzeigenwerbung’. Unschlagbar mittenmang eng wortgläubiger Konnotationsforscher
mit den eignen Erfahrungen als Optikus und der Kompetenz in visueller
Kommunikation. Zeichnen ist dann umso mehr das empathisch Andere, Notwendige -
und manchmal auch das etwas therapeutisch Unpräzise und eher Wüste. Nach soliden
Abschlüssen Schuldienst, gern und ziemlich engagiert.
1971 - 1987
Der gymnasiale Dienst nimmt ihn, tendenziell ein Überaspirant, mit den Fächern Deutsch,
Bild.Kunst, Pädagogik ziemlich ein. Er turnt zwischen Komplementärkontrasten im Goldfischteich
(Kl.5), Sprache in der Politik (O-St.11) und Erziehungsnormen bei den Maori
(Päd. O-St.12) recht verwegen und oft zu oberflächlich herum. Das Vielseitige, doch
allzu Disparate erschöpft.
Es ist ein Doppelleben: tags ordentlich in der Vermittlung, bei der er ‚sich gleichzeitig
nach allen Seiten wirft’ (Kafka), nächtlings Texte + Bilder + Zeichnungen ... aber selten
unverschränkt: Schüler, Kollegen, Klassen- und Konferenzsituationen werden immer
wieder spitz in allen Beziehungsvarianten unverhohlen Teil der Zeichnerei, eigentlich
freundlich, aber oft auch verzogen und im Nachtreten als klammheimliche Rache und zur
Selbstbehauptung hilfreich einbezogen.
Rettung bringt die Berufung an die Hochschule, die Konzentration des Arbeitsfeldes,
Tiefenbohrung möglich macht – und wo motivierte, frisch motivierende Studierende ihn
dann fast ein Vierteljahrhundert sehr beschäftigen.
o. Kaltnadelradierung,
12 x 6 cm, 1971
u. Reize, Kreide, Aquarell,
50 x 70 cm, 1987
9
Silvester, Kaltnadel,
49 x 48 cm, 1978
u. Basler Fasnacht,
19 x 7 cm, Kreide,
Aquarell, 2018
Zeichnend illustrieren oder literarisch zeichnen oder ... sei’s drum, die Diskussion um Illustration als Kunst, als unfreie Anwendung
ist müßig. Gunter Böhmer hat es immer als Kränkung erfahren, so beschränkt wahrgenommen zu werden. Inzwischen
ist das Arbeitsfeld offener, das Handgemachte wird eher als etwas Authentisches geachtet – auch wenn dort nun oft viel
Schlichtes zu dekorativ illustrativ angehäuft ist. Die Breite, die mögliche Tiefe in diesem Metier reicht ja von der ‚mystischen
Ärmlichkeit des Strichs’ (Lyotard), dem ‚Setzen des Seins vor dem Nichts’ (Hegel), gestischen Anfällen und zärtlichen Kratzereien
bis hin zu einem opulenten Panoptikum, frei erfunden oder im Dialog mit Texten, deren Autoren ich erst einmal wirklich
‚verdaut’ haben muß, um ihnen nicht nacherzählend nachzulaufen (d.h. ‚Arbeit, Arbeit, Arbeit,’(Kerkeling). Das Spannende ist
das Prozesshafte im Freiraum zwischen Text/Autor und eigenen Zugriffen, ansatzweise lit.wiss. fundiert im Nachvollzug und
dann kühn dialogisch – manchmal auch selbstgefällig überzogen – zeichnend erörtert. Gesucht wird jene ‚Genauigkeit und Seele’
(Musil)- gegen jede flach dekorative Zerstreuung. Das ungefähr habe ich im letzen Vierteljahrhundert selbst versucht und auch
meinen Studierenden so zeigen wollen. kw
10
keine Pfeife, Ausschnitt 14 x 14 cm, 1984
Harald Kunde
Ironie und schwerer Mut
Da sitzt einer in Altona vor prächtiger Elbkulisse und sieht die Welt an sich vorüberziehen. Scharenweise Promenadengänger,
hausgroße Schiffsleiber, ruhelose Kräne bevölkern in wechselnden Szenarien eine Schaubühne, von der der Beobachter Klaus
Waschk regen Gebrauch macht. Doch nicht vom müßigen Voyeur ist hier die Rede, sondern von einem zeichnenden Leser und
Denker, der den Strom des Sichtbaren auf bildstiftende Momente hin befragt und die Forderungen seiner Imagination an ihm
befestigt. (...)
Es entpuppt sich dieser Ort, naturgemäß der Kontemplation zugeneigt, nun mehr als dünnwandiges Gehäuse, das seine Insassen
vor keinem Ticken der Zeit mehr schützt. Vielleicht ist dieser grundsätzliche Refugienverlust auch noch immer innere Voraussetzung
einer künstlerischen Artikulation, die sich aus moralischem Impetus nährt, die Plage mit den Inhalten nicht scheut und
hartnäckig der erzählenden Kraft figurativer Bildstrukturen vertraut.
... So bildet auch die Fülle des Anschaulichen selbst kaum Anlaß zur Zeichnung, sondern ist eher verfügbarer Fundus, der nach
den Maßgaben literarischer Inspiration und erzählender Mitteilung geöffnet wird. Beim Blick auf Ausbildung und Werdegang
überrascht diese Verschränkung von geistiger und bildender, von theoretischer und sinnlicher Ebene nicht; sie ist im Laufe der
Jahre vielmehr zum Wesenskern der künstlerischen Arbeit von Klaus Waschk geworden. So zeitigen intensive Lektüreerfahrungen
immer häufiger umfangreiche Blattfolgen, die alle Nuancen von auftragsgebundener Illustration bis hin zur autonomen
Zeichnung ausloten und bis heute aus diesem Spannungsfeld leben.
Einmal sind es die Fragmente der Vorsokratiker, dieser bildreichen, noch systemfernen Ergründer einer frühen Schöpfung, die
ihn drängen, seine Erkundungen der menschlichen Substanz, Äonen später und doch im Zweifel wie jene, voranzutreiben und
darzustellen. Ein anderes Mal klingt der Ton von Bobrowskis Prosa in ihm wider, diese Unmittelbarkeit mündlichen Erzählens,
die im früheren Grenzland der Memel eine entschwundene Heimstatt zu haben scheint und von Klaus Waschk, geboren in Masuren,
als innere Seeelenverwandschaft empfunden wird. Immer setzen diese Begegnungen einen Strom eigener Erinnerungen,
Tagträume, Begierden frei, der sich erst im Halt gebenden Format, in der schließlich gebändigten Fülle linienpraller Leiber befriedigen
lläßt. Denn bei aller Vitalität der Strichführung, bei allem Furor der Sinne bleiben die Handelden doch Geschöpfe der
Fläche, eingepfercht in flache Kerker, angeschnitten, oft verdeckt. So wird Dynamik erzeugt, der Bildraum scheint zu eng für
die Nöte der Figuren, und es bleibt ihnen nur, nach vorn auszubrechen, auf den Betrachter zu, der unvermittelt in die Intensität
ihrer Existenz hineingezogen wird. (...)
11
12
Selbst, Lithografie, 42 x 58 cm, 1966
Bibliographie
Zeichnungen zur Literatur
Bücher und Buchprojekte
13
Vorbemerkung
Die hier aufgeführten Arbeiten zeigen sowohl Buchveröffentlichungen wie auch Entwürfe aus den Jahren 1978 bis 2021. Es sind
Projekte, die ordentliche Auftragsarbeiten waren – gern angegangen und durchaus intrinsisch aufgeladen. Aber aufgeführt werden
auch solche, die mit besonders eigensinnigem Vergnügen entworfen wurden. Es sind dies jene handschriftlichen Versuche, Text
und Bild im ‚authentischeren’ Duktus zu verbinden, und jene, die mit unangemessenem Hochmut auch typografische Vorgaben
zitieren und nutzen.
Dabei gibt es Zeichnungen und Bilder, die relativ brav den Textvorgaben folgen und sie ordentlich bis charaktervoll nachzuvollziehen
versuchen. Andere nutzen die wörtlichen Vorgaben und Narrative kühner, sie erweitern die Vorstellungsräume, um Themen,
Typen, Charaktere und Situationen eigenständig neben das Nachzuerzählende zu setzen. Sie konterkarieren, verweisen quer,
nutzen konnotative Felder und überzeichnen – um deutlich und produktiv im Dialog ‚Feldforschung’ und Verstehen und Erleben
zu forcieren.
Die Abfolge der Bücher und Autoren ist weitgehend chronologisch. Die Angaben zu Techniken und Bildgrößen sind bezogen auf
die div. Zustände der Entwürfe für die Druckvorlagen. Die ‚Titel’ hier sind keine, sie sollen nur manchmal als Stichwörter auf Textstellen
oder Inhalte, auch Konnotationen, verweisen – und neugierig machen, das Buch, die Zeichnung, das Projekt wahr- und ernst
zu nehmen.
14
Michael Schneider,
Das Gespenst der Apokalypse und die Lebemänner des Untergangs
1984 Michael Schneider,
Das Gespenst der Apokalypse und
die Lebemänner des Untergangs,
Büchergilde Gutenberg, 1984
1984 schreibt M.Schneider im Vorwort selbst:
’Endzeitbeschwörer, Flagellanten, Prediger der
Apokalypse fanden sich zuhauf, als es um die
Jahrtausendwende (..) zu rumoren begann. Hungerkatastrophen,
Pestepidemien, die Kritik an
kirchlichen Institutionen (...) gebaren damals die
ars moriendi, die Kunst, das drohende Weltende
mit Würde zu überstehen. Am Ende des zwanzigsten
Jahrhunderts feiert die ars moriendi erneut
ihre düsteren Triumphe.’ ... Schneider fragt,
wie es kommt, dass ‚aus engagierten Sozialisten
und Materialisten melancholische Agnostiker und
depressive Endzeitpropheten geworden sind (...)
Philister der Hoffnungslosigkeit’. Ich habe versucht,
mir diese Empörer, Verschwörten, selbstgerechten
Querdenker, aber auch den furchtsamen
Zuschauer (hic) vorzustellen.
15
Arthur Koestler,
Die Gladiatoren
1980 Arthur Koestler,
Die Gladiatoren,
Büchergilde Gutenberg,
Frankfurt a.M. 1980
Bleistift, 26 x 18 cm
A. Koestlers Roman beschreibt den Aufstieg und
Niedergang des Spartacus, des Führers einer Sklavenarmee.
Für mich war beim Zeichnen der politische
Kontext, ein eventueller Gegenwartsbezug
kaum darstellbar. Im Nachwort zu seinem Roman
schreibt Koestler aber selbst: ’Ich (...) fühlte
das Bedürfnis, den historischen Hintergrund mit
strenger, ja pedantischer Genauigkeit darzustellen.
Das führte zum Studium solch entlegener
Dinge wie Form und Material der Unterwäsche, die
die Römer trugen ...’. Auch wenn im Roman davon
kaum noch die Rede ist, die Recherche bildet
den Untergrund für eine überzeugende Darstellung.
So interessierten mich nicht die Auf- und
Abstiege, die Ränkespiele ...sondern die Typen
vor allem auf den Marmorklos, die Kampfwütigen
und die erwärmenden Momente im Heerlager, die
Menschen.
16
Vladimir Nabokov
Die Benachrichtigung
1979 zu: Vladimir Nabokov, Die Benachrichtigung,
ZeitMagazin Nr.12, Hamburg 1979
Bleistift, Kreide, Entwurf 30 x 40 cm
In den ersten Ausgaben des ZeitMagazins diente dies weniger
einem Werbeetat, für den es verächtlich Menschen durch hochgerüsteten
Jetset-Schick definierte, sondern versuchte, mit
Kurzgeschichten auch ein literarisches Angebot zu machen. Es
war – nach etlichen Belanglosigkeiten von mir in div. Publikationen
- die erste anspruchsvollere Aufgabe, eine spannungsreiche
Situation darzustellen: “Eugenia Isakowna Minz war eine ältere
Emigrantenwitwe, die immer Schwarz trug. Ihr einziger Sohn
war vor einem Tag ums Leben gekommen. Sie hatte es noch
nicht erfahren.“
Da sie schwerhörig ist, wagt es niemand, ihr die traurige Nachricht
ins Gesicht zu brüllen. Auf diesen Moment wollte ich hinzeichnen,
sachlich einfach. Eine Nachbarin wurde zur Eugenia,
die blackbox zum Hörgerät. Die Entwürfe wurden aufwändig und
bemüht --- der Abdruck grau (s.l.)
17
Fritz Zorn, Mars
1985 Fritz Zorn, Mars,
Büchergilde Gutenberg, 1985
Kreide, Kaffee, ca 19 x 13 cm
Es ist ein Buch, das ich nicht gern gelesen habe. Es ist
die authentische Dokumentation der Jugendjahre eines
jungen Mannes, der, an Krebs erkrankt, ‚abrechnet’. Es
beginnt: ‚Ich bin jung und reich und gebildet; und ich
bin unglücklich, neurotisch und allein’. Es beschreibt
ein Leben ‚in einem feinen Haus’, das im Formelhaften,
einer ‚Fiktion von Harmonie’ (A. Muschg) erstarrt ist,
jeden Umgang mit Körperlichkeit, Gefühlen, einfriert.
Die Zeichnung der antikisierenden Tarnkappe ist vielleicht
ein Bild für diesen verschlossenen Zustand, dem
ich dann einen angekratzten, verwundeten gegenüber
stellte – und die Krähe am Hals, die bei Z. für ‚verschluckte
Tränen’ steht.
18
Luise Rinser
Jan Lobel aus Warschau
1986 Luise Rinser, Jan Lobel aus Warschau,
Erzählungen, Büchergilde Gutenberg,
Frankfurt a.M. 1986
Bleistift, div. gr.
o. Jan Lobel aus Warschau
l.u. Eine dunkle Geschichte
r.u. David
Diese Erzählungen Luise Rinsers zeichnend zu begleiten
war für mich eigentlich unmöglich. Sie schildern zwar ein
absehbares Geschehen, die eigentliche Geschichte entwickelt
sich aber in den Verhältnissen, Haltungen, psychologischen
Anspannungen der Menschen zwischen Schuld
und nochmals Schuld. So bleibt der einem KZ-Transport
entflohene Jan Lobel trotz schützender Auf- und Anteilnahme
isoliert, der kleine jüdische David wird zu naiv falsch
getauft und stirbt an Masern, die fette rote Katze wird,
weil sie die letzte Kartoffel frißt, erschlagen. Für so viele
unglücklich emphatische Aufladungen blieb mir nur der
Versuch, wesentliche Verdichtungen im Spannungsbogen
zu markieren, Konstellationen für Figuren als Annäherung
zu erfinden.
19
Johannes Bobrowski
Litauische Claviere
1990 Johannes Bobrowski, Litauische Claviere,
Büchergilde Gutenberg 1991
Kreide, Bleistift, Packpapier-Collage
Die Arbeit an den Zeichnungen zu den ‚Litauischen
Clavieren’ war für mich stark bepackt mit
‚heimatlicher Nähe’. Selbst geboren in der Elchniederung,
Memelland/Masuren, aufgewachsen in
der Diaspora der Ostflüchtlinge im Westen, war
in allen familiären Treffen immer die eigentliche
Heimat präsent. Es sind schon die Ortsnamen –
Willkischken, Motzischken, Tolmingkehmen, Blindgallen,
Przerosl, Szitkehmen, Gowarten – und die
Familien: Schwillus, Potschka, Kurschat, Laupichler,
Lenuweit, Krauledat, Dadrat, Librucks, Wischnewski,
Bronski ..., die wie Beschwörungsformeln
wirken. Stimmen, Menschen, Bilder – alte Fotos,
Heimattreffen, das Ostpreußenblatt, alles ist
dicht besetzt. Aber vieles wurde ausgeklammert,
verschwiegen.
Bobrowski erzählt und entwirft ein weniger verklärtes,
revanchistisches Bild. Er selbst sagt.’Zu
schreiben habe ich begonnen am Ilmensee 1941,
über russische Landschaft, aber als Fremder, als
deutscher. Daraus ist ein Thema geworden, ungefähr:
die Deutschen und der europäische Osten.
Eine lange Geschichte aus Unglück und Verschuldung,
seit den Tagen des deutschen Ordens, die
meinem Volk zu Buche steht. Wohl nicht zu tilgen
und zu sühnen, aber eine Hoffnung wert ...
.’So sind seine Erzählungen von eigentümlichen
Menschen vielleicht sogar exemplarisch nachbarschaftlich,
ja brüderlich. Diese wollte ich nachzeichnen.
20
1990 Johannes Bobrowski, Litauische Claviere,
Büchergilde Gutenberg 1991
Kreide, Bleistift, Packpapier-Collage 27 x 18 cm
21
1990 Johannes Bobrowski, Litauische Claviere
o. Der Tänzer Malige
o.r. Mäusefest
u.l. Dunkel und wenig Licht
u.r. Der Mahner
Kreide, Bleistift, Packpapier Collage, 27 x 18 cm
22
Johannes Bobrowski,
Litauische Claviere,
Kreide, Bleistift, Packpapier
28 x 18 cm
Wolf R. Anschütz
Der Zeichner Klaus Waschk
(aus: Neue Zeichnung Neue Illustration, Folge 1 Klaus Waschk, BrennGlas Verlag, Assenheim 1993
(...) Eine besondere Lust für den Zeichner Waschk ist es, Arbeiten für konkrete Buchprojekte anzufertigen, den Zwängen auftragsgebundener
Themen sich zu unterziehen, den ‚Weg’ suchen zu müssen – Das sind sie, die immer neuen Erfahrungen, geübt
in der alltäglichen Praxis, die gebrochene Welt bedeutet und doch den Ausflug in die Phantasie gestattet. Ein paar Beispiele
dieser Illustrationsarbeit gibt es: in der Edition ‚Die kleine Reihe’ der Büchergilde Gutenberg. Besonders gelungen ist die Illustrationsfolge
zu Johannes Bobrowski ‚Litauische Claviere und andere Erzählungen’ (Büchergilde Gutenberg). Der vielgestaffelten
Sinnstruktur des Romans nähert sich der Zeichner Waschk mit fast schwelgerischer Erzählhaltung, den textlichen ‚Sinn’-bildern
Bilder des Sinns entgegensetzend, gerade so, als müsse das Märchen mit opulenter Ironie ‚bekleidet’ werden. Mit den vielen in
den Text eingestreuten Vignetten folgt er den Intentionen des Autors, der durch ‚provozierende Dunkelheit’ dem Text keine
Eindeutigkeit in der Aussage gestattet. Waschks Vignetten sind um Anekdoten kreisende Lyrismen, zart, erinnernd, gestische
Zeichen einer Mentalität, die der des Autors zu entsprechen scheint.
23
Buchtitel u.a., in:
Lesen Darstellen Begreifen
A 7–A 10
1992 ff. Buchtitel u.a., in: Lesen
Darstellen Begreifen, A 7–A 10,
Cornelsen, Berlin 1992 ff.
Bleistift ca 26 x 24 cm
zu: A 9 Heinrich Heine, Ich weiß nicht, was
soll es bedeuten
Die Titelzeichnungen für die Schulbücher
(‚Lesen Darstellen Begreifen’) des Cornelsen-Verlages
sind ein Versuch, zwischen
einer recht textnahen Darstellung und der
Bildwelt in der Zielgrupe, die Klassen 7 bis
10, zeitnah zu vermitteln. Die Vorgabe des
Verlages war einfach:
‚Auf dem Band A9 sollten wir – ausgehend
vom Gedicht Heines – die Lorelei abbilden:
im Phantasiegewand, ihr langes Haar kämmend
auf dem Loreleifelsen hoch über dem
Rhein, unten ein Fischer im Kahn.’
Wen wundert es, wenn der Zeichner, zumal
Lehrer und den 14jährigen Schülern
der Klasse 9 näher, sich nicht ins Phantasiegewand
der Spätromantik verheddern
will. Aber fraglich ist, ob die Punkerin mit
ihrem Gesang den mittelständisch braven
Fischersmann wirklich vom Kurs abbringen
kann, ob die anbiedernde Illustration die
Zielgruppe hätte neugierig werden lassen.
Der Verlag bevorzugte das Ordentliche –
und reagierte für den Folgeband A 10 mit
einem detailreicheren Anforderungskatalog.
24
Buchtitel u.a., in: Lesen
Darstellen Begreifen,
Cornelsen, Berlin 1992 ff.
A 7 zu: Homer, Das trojanische Pferd (Entwurf)
A 8 zu: Friedrich Schiller, Wilhelm Tell
A 10 zu: E.T.A. Hoffmann, Die Automate
Bleistift ca 26 x 28 cm
25
Neue Zeichnung, Neue Illustration, Klaus Waschk
Neue Zeichnung, Neue Illustration, Klaus Waschk, hrsg. von Jürgen Seuss, BrennGlas-Verlag, Assenheim 1993
o. Lob der schönen Dentalassistentin 1981
u.l. Kafka, die Verwandlung 1991
u.l. Rühmkorf, ‚gleichviel, die Pfote brennt dem Zünderfrieder‘ 1991
26
Selbst 1991
Rühmkorf, ‚Liegestuhl, mein hingestrecktes Leben’...1991
1993 Neue Zeichnung, Neue Illustration, Klaus Waschk, BrennGlas-Verlag, Assenheim 1993
Es hat mich gefreut, dass Jürgen Seuss, der so engagierte und umtriebige Überzeugungstäter in der Buchkunst, mit
mir eine Buchreihe mit Illustratoren beginnen wollte, die ‚jung und bislang unbekannt, aber zeichnerisch begabt und
eigenwillig’ so ein Forum erhalten sollten. Er schreibt in der Vorbemerkung: ’Die Absicht dieser Reihe besteht darin,
Künstler vorzustellen, die sich mit Literatur zeichnerisch auseinandersetzen, die in der Illustration (...) zu einem
literarischen Text einen Werk-Bestand von Kunst sehen ...’. Da war ich gern beteiligt, denn es gab so eine Chance,
recht frei und übermütig mit den eigenen Versuchen mit einer keck fabulierenden Zeichnerei aufzutreten, ‚dynamisch,
leidenschaftlich und extrem in der zeichnerischen Disposition, (...) mit ironisch temporierter Ausdruckskraft
...’ (J.Seuss) Ich nutzte die Einladung, auch verstreute Zugriffe z.B. zu Kafka, Rühmkorf und Burton zu zeigen, gern.
Bobrowki, Litauische Claviere
27
Hamburger Melancholie
Hamburger Melancholie, Zeichnungen von Klaus Waschk, Verlag Faber&Faber, Leipzig, 1995
Harald Kunde, Ironie und schwerer Mut
Versuche zu Klaus Waschk, in: Hamburger Melancholie, Verlag Faber&Faber,
Leipzig, 1995
‚Gegen Ende der achtziger Jahre ändern sich durch die Berufung an die Fachhochschule
Hamburg (...) die Bedingungen der künstlerischen Arbeit: die ersehnte
Ausschließlichkeit des zeichnerischen Hauptgeschäfts ist nun Realität
und befördert eine Konzentration der vielfältig gebundenen Energien. (...)
Waschk trifft in dieser Zeit der überbordende, wetternde und dabei hochvergnügliche
Text einer mönchischen Weltabrechnung mit der Wut eines Zeitgenossen.
Robert Burtons ‚Anatomie der Melancholie’ (1621), Spiegel des eigenen
Temperaments und verbunden mit der ganzen Nomenklatura von Dürer
über Panofsky bis Kiefer, wird zum Generalthema der folgenden Jahre und liefert
die Grundierung bissiger Zeitforschung bis heute. Ein grandioses Panorama
menschlicher Eitelkeiten und Schwächen wird da aufs Korn genommen, all die
Ausfälle und Fehlstellen der geliebten Gattung, die seit jeher Spöttern, bärbeißigen
Moralisten und düsteren Propheten den Stoff ihrer Offenbarungen boten.
Solch religiöser Eifer liegt Klaus Waschk naturgemäß fern; er paraphrasiert mit
der heiteren Betrübnis des Betroffenen, nicht als Richter.’
Selbst mit Melancholia, Kreide, 32 x 48 cm, 1995
Robert Burton „Alle sind sie geisteskrank, aber nicht alle auf die gleiche Weise. Einer ist
raffgierig, ein andrer lüstern (...) . Alle gerade unklug wie du sind“
Kreide, Acryl, 99 x 88 cm 1991
28
Titelblatt zur Hamburger Melancholie, The Anatomy of Melancholy, what it is ...
Kreide, Acryl, 98 x 87 cm, 1992
Harald Kunde, Ironie und schwerer Mut, Versuche zu Klaus Waschk, in: Hamburger Melancholie, ..
... ’Die Arbeiten, nun großformatiger, gewähren Klaus Waschk mehr Raum für körperliche Attacken, den er weidlich
(...) auskostet. Schwarze und weiße Kreiden, Teerpasten, Kaffeeinseln, Temperaschwünge bedecken nun ungezügelter
den Grund und bilden eine körnige Haut, die als materiale Qualität mitspricht. Auch die Fläche entvölkert sich
zusehends, löst sich von der Dominanz des Erzählten und öffnet sich den Wirkungen einer mehr und mehr sich selbst
meinenden Lineatur. Dieser verhaltene Autonomisierungsprozess der Mittel bekommt den Blättern gut, dies Heraustreten
aus illustrativer Dienstbarkeit hin zu einer Gleichrangigkeit von Medium und Mitteilung.’
29
Robert Burton „Ich weiß nicht wie viele Recken wurden im
Altertum vergöttlicht (...), obwohl sie in Wirklichkeit blutige
Schlächter waren, verderbte Zerstörer, Quälgeister der Welt,
scheußliche Ungeheuer, barbarische Plagen ...“.
Kreide, Kaffee, Bitumen 98 x 89 cm 1995
Robert Burton „Sie sind schnell in Sorge, mit hitziger Einbildungskraft
begabt, nicht leutselig (...). Sie gleichen der traurigen
Dame in Albrecht Dürers Melancholie.“
Kreide, Schelack, 99 x 88 cm 1994
Robert Burton „Zu den Anfälligen zählen diejenigen, die (...)
unmäßig, dunkelhäutig oder von sanguinischem Temperament
sind, kleine Köpfe, heiße Herzen, feuchte Hirne, eine
heiße Leber und einen kalten Magen besitzen ...“
Kreide Kaffee, Binderweiß, 220 x 120 cm, 1995
30
o.T. Kreide, Schellack,
220 x 120 cm, 1994
31
Der Sammler
1995
Der Sammler, Texte von Fries, Granin,
Härtling, Szczypiorski, Tomeo und
Originalgrafiken von Eisler, B. Heisig,
Petersdorff, Süss, Waschk,
Faber&Faber Verlag, Neunter Druck der
SISYPHOS-Presse, Leipzig 1995
Ätzradierung, Aquatinta, 29 x 13 cm
32
Peter Rühmkorf, Irdisches Vergnügen in g
Peter Rühmkorf, Irdisches Vergnügen in g, Bd. 12, Die Graphischen Bücher, Verlag Faber & Faber, Leipzig 1997
mit 33 Originallinolschnitten ca 20 x 9 cm
Solange das Denkmal stürzt ...
Buntstift, Moorlauge, 50 x 70 cm 1979
Peter Rühmkorf, ‚Solange das Denkmal stürzt ...’
Zählen wir etwa nicht mehr zu den Reißern ?
Kommt einfach Alter auf ?
sind wir im Nu passé ?
wir würden manches bis auf dies verrschmerzen ..
Die reale nachbarliche Nähe zu Peter Rühmkorf hier in Övelgönne
am Elbufer und die Bewunderung für Werk und Person,
meine freundlich gepflegte Eitelkeit, mit ihm den Weg,
den Grappa, die Benn’schen Töne pflegen zu dürfen, brachten
mich immer wieder dazu, mich etwas verwegen an
Zeichnungen zu seinen Gedichten zu machen. In den 70ern
konnte ich sie in Ausstellungen zeigen, der Dichter, offenbar
einverständig, las dazu - und selbst ich kam mir dann
ein bisschen alt vor. Aber konkreter wurde der Austausch
zum Buch mit meinen kleinen Linolschnitten zum ‚Irdischen
Vergnügen in g’ – die Peter Rühmkorf nicht unkritisch, positiv
bestärkend verfolgte.
33
Peter Rühmkorf,
Irdisches Vergnügen in g
o.l. Titelschnitt
o.r. Kommunes Tanzlied
u.l. Ende der Allergeringsten
u.r. Mit unseren geretteten Hälsen
34
Peter Rühmkorf, Irdisches Vergnügen in g
Was seine Freunde sagen
(...) Doch im Juli, unter dem Sonnensegel,
verweilt einen Augeblick.
Dort les ich den Teenagers aus den Därmen der Vögel
ein dürftiges Geschick (...)
Lied für polnisches Mädchen, zu Qickborn in Stellung
(...) Treck ick miene Maibüx wedder an,
preis ich die Luft dieser Welt -:
dobrze Rapackiplan,
der sie erhält
35
r. Schlußvignette
u. Kriegslied
Ich gestehe es ungern, aber dem Ansinnen gegenüber, den ‚Wandsbecker Boten’ des Matthias Claudius zeichnend zu begleiten,
war ich sehr befangen. Zu sehr stand vor mir ein Klischee des Dichters des Abendliedes, des mondsüchtig Erbaulichen. Unterstützung
für solch eine eher abwehrende Haltung fand ich bei ‚meinen literarischen Instanzen’ Arno Schmidt und Peter Rühmkorf. Der
eine beschreibt Claudius als ‚religiösen Schwärmer, der nicht müde wird, sich an Gottes Schöpfung zu delektieren, ungeachtet
ihrer Fehler und Mängel’. P.Rühmkorf holt kritisch weiter aus: ‚Mondzeiten der Literatur? Latente Krisenzeiten der Gesellschaft.
Unausgetragene Spannungen, Gesinnungsinterferenzen, Verdrängungssituationen (...) Rückzug in eine Unzeit: Historie, Nacht
und Traum.’ (P. Rühmkorf, Abendliche Gedanken über das Schreiben von Mondgedichten, in: Kunststücke, Rowohlt 1962).
Da wollte ich mich nicht einrichten. Aber ich las ... und das anfangs nur brave Nachlesen machte neugierig und auch Mut. Es beeindruckte
die Fülle von Bildern, Betrachtungen, Zugriffen auf Ereignisse vom privaten Kleinen (‚Als der erste Zahn durch war’)
bis hin zu umfassenderen Ansichten von Natur und Welt bis hin zur ‚Reise zum Kaiser von Japan’ und zur ‚Glückseligkeit’. Es wird
mit einem Wahrscheinlichkeitspostulat so fabuliert, dass es Stoff für neue, eigensinnige Bilder geben kann. Und besonders gern
zeichnete ich mich an Situationen heran, die mich in ihrer untertriebenen Berichterstattung – ‚Der Tod und das Mädchen’, das
Holzbein im ‚Brief an Andres’, die Silberdistel zur Silberhochzeit ... – sehr privat oder weltschmerzlich –‚Kriegslied’– anrührten.
Bei einer größeren Nähe und Aktualität erlaubte ich mir dann ernstlich, aber auch schlicht etwas ironisch mit Situationen und
Menschen umzugehen.
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Die erregte Edelfrau
13,5 x 11,5 cm
Die kopflose Braut
14 x 13 cm 18 x 13,5 cm
61
Karl Marx, Das Kapital
Karl Marx, Das Kapital, 150 Illustrationen,
Faber & Faber, Leipzig 2007
Ein Gespenst geht immer noch um: die sehr vereinfachende Annahme,
‚Das Kapital’/ Karl Marx hätten die Entwicklungen in der DDR, die
Freiheit dort, so einengend bestimmt. Umso mutiger war da die Idee
des im Regime erfahrenen und nobel aufrichtigen Verlegers Elmar
Faber, eine neue, eigene Auflage – in der Nachfolge der biederen
blaubändigen Ausgabe des Dietz-Verlages – zu wagen - und sie auch
noch von mir, dem etwas schrägen, zum ironisch Grotesken neigenden
Westler mit Zeichnungen begleiten zu lassen. Es war mutig – und
ich danke ihm sehr für diesen Vertrauensbeweis.
Die intensive jahrelange Beschäftigung mit diesem Megawerk, von
dem Marx selbst den „breimäuligen Faselhänse der deutschen Vulgärökonomie“
sagt: ’Man möge mir nicht mit „Schwerverständlichkeit“
kommen: „Ich unterstelle natürlich Leser, die etwas Neues lernen,
also auch selbst denken wollen.“ brachte mir spannende Einsichten,
die ich mit der Überführung von Theorie in Ansichten von Konstellationen,
Situationen und Verhältnissen zwischen Menschen mit meiner
Zeichnerei zu entsprechen versuchte. Dabei entdeckte ich einen
Marx, der gar nicht so trocken abgehoben, sondern dicht am Menschlichen,
der Arbeit, dem Austausch, Wert, Mehrwert, Profit und der
Gier war - und damit meinen Menschenbildern sowieso entgegenkam.
o. Brief an Elmar Faber 14.1.06
u.l. Plakat zur Ausstellung Leipzig 2008
u.r. Tauschwerte
62
Den Begriff der PATHOSFORMEL habe ich in Anlehnung an die Zusammenstellungen Aby M. Warburgs
im Bilder-Atlas «Mnemosyne» aufgenommen, um mich an besonders auffällig wiederkehrende
Gebärden und Gesten, an situationsabhängiges dolles Getue heranzuzeichnen. Ein besonders
ergiebiges Feld war dafür die Welt des Sports. u.a. mit Barren, Hürden, Reifen und Linienrichter
... Die Sammlung wird fortgesetzt.
73
Augenschmaus, Kunst-Kochbuch
Augenschmaus, Kunst-Kochbuch, Originalgraf. v. Anderson, Gubig, Grass, Ticha, Waschk u.a., Quetsche Verlag, Witzwort 2012
Dank an den so liebenswerten Buchdruckkünstler Reinhard Scheuble, der irgendwo in den Marschwiesen im Norden, in Witzwort,
ideenreich und intensiv die wunderbarsten Bücher schuf. Dank auch dafür, das ich bei diesem Kunst-Kochbuch im Verein
22 illustrer Kollegen*innen mitmachen durfte. Es war ein kulinarisches Vergnügen, Ess- und Fressgeschichten mit Druckkunst
zu begleiten. Dass mir dabei der Umgang mit einer Rindsroulade zugedacht wurde, meinem Lebenswickel, hat die Arbeit noch
schmackhafter gemacht.
Entwurfszeichnungen zu Robert Menasse,
Das Geheimnis der Rindsroulade,
l.o + u. Cafehausszenen, Pittkreide 30 x 19 cm
r.o. Linolschnitt 39 x 50 cm, 2013
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Joseph Roth, Beichte eines Mörders, erzählt in einer Nacht
Joseph Roth, Beichte eines Mörders, erzählt in einer Nacht, 60 Zeichnungen Faber & Faber Verlag, Leipzig 2019
Die Arbeit an Joseph Roths „Beichte ...“ und den
etwa 60 Zeichnungen dazu war aufregend, da
sie wenig Raum ließ für ironische Ausflüchte. Er
schreibt selbst: „… erst das ‚Kunstwerk‘ ist ‚echt
wie das Leben‘.“(in: Die literarische Welt,1930)
– und gibt so einen Anspruch vor wie er auch in
der Realismusdiskussion formuliert ist: ‚Als guter
Realist muss ich alles erfinden (Alex Colville,
nach Uwe M. Schneede 1978). Also habe ich
versucht, den Roman in den Stationen von der
Emigrantenkneipe ‚Tari-Bari’ in Paris bis in die
Straflager in Sibirien nachzuverfolgen – vor allem
aber dem Spitzel, Schuft und (fast) Mörder
Goluptschik und seiner Geliebten Lutetia zeichnend
gerecht zu werden. Aber natürlich konnte
ich nicht umhin, aus den politischen Niederträchtigkeiten
in der Gegenwart die eine oder andere
Figur einzubeziehen.
o. Ukrainische Landschaft, ein Förster mit seiner Geliebten u. Die Kneipe ‚Tari-Bari’ und J.Roth als Zuhörer
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o.l. Die Pariser Unterkunft o.r. Der Tode des Försters u. Die Ankunft des Modedesigners mit Lutetia in Petersburg
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o.l. Verhaftung und Verhör
o.r. Der Agentenführer selbdritt
l. Anwerbung zum Spitzel der Ochrana
durch den tückischen Lakatos
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o.l. + r. Straflager in Sibierien – Austausch-
versuche und Doppelgesichtigkeit
des Spitzels Golubtschik
u.r.
Der ‚MORD’
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Die vierten Zehn, Supplementband 5
Die vierten Zehn, Supplementband 5, Die Graphischen Bücher,
zehn Original-Lithografien, 17 x 26 cm, Faber & Faber, Leipzig 2020
Der Verlag Faber & Faber schließt eine Staffel von
jeweils zehn der graphischen Bücher mit einem
Supplementband ab. Ich nutzte die Möglichkeit, die
Dichterporträts mit Querverweisen auf Werk oder
Biografie zeichnerisch zu umgeben, um so Charakter
und Milieu noch deutlicher zu zeigen und so wieder
neugierig auf das Werk zu machen.
Vorgestellt werden: Ingeborg Bachmann, Ernst Barlach,
Carl Einstein, PeterHacks, Ödön von Horvath,
Daniel Kehlmann, Klabund, Gustav Meyrink, Joachim
Ringelnatz und Georg Trakl.
o. Ingeborg Bachmann mit Männersturz,
Vedutenskizze, Stirnverdunklung und Kippe ...
l.u. Ödön von Horvath als Triebtreiber im
Untergrund der WIenerwald-Idyllen
r.u. Carl Einstein mit Herrn Bebuquin und
prachtvoll leiblicher Dame Euphemia
80
l.o. Peter Hacks dialektisch frei mit einer
‚sozialistischen Klassik’
r.o. Georg Trakl vor ‚Grodek’ und dann mit
dem Geschwister ...
l.u. Joachim Ringelnatz als Zubringer mit
Schlangentänzerin
r.u. Gustav Meyrink als ‚heißer Soldat’ beim
düstern Golem
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Klaus Waschk, ziemlich normal, biografische Bilderbogen
Klaus Waschk, ziemlich normal, biografische Bilderbogen, Verlag Gudberg und Nerger,
Bilderbögen, Pittkreiden, Acryl, Aquarell u.v.a.m., Hamburg 2018
l. 1941 wird K. in Insterburg geboren
u. nach der Flucht wohnt er in Nord-
deutschland – zwischen Butterbergen
und Bauernbengel
Auch wenn sich aktuell die Biografien der Ü70-Generation in epischer Breite häufen, hier ist eine Alternative, die in literarischen
Zeichnungen facettenreich aus dem Leben des ‚Künstlers als junger Mensch’ erzählt. In Bilderbogen mit etwa 180 Szenen
wird authentisch bis grotesk überzogen von meinen ersten 25 Jahren berichtet. Dabei machen – nach der Vorgeschichte
(1-18J.) – die ersten Semester der Studienzeit mit allen Risiken und Abstürzen, aber auch mit schließlich glimpflichem Ausgang,
den Hauptteil aus (19 – 25 J.).
82
o. Der Großvater ist kundiger Berater in Fragen der Viehzucht,
Lohn ist reiner Korn – mit gelindem Absturz zwischen
Gesundheitslenker und Straßengraben.
u. Der Schulweg vom Dorf in die Stadt B. ist beschwerlich: ein
zweistündiger Rad-Bahn-Fußweg incl. 3 Lloyd-Zigaretten /
1 Becher Orangensaft – ab 7.13h mit alten Reichsbahnwagen,
Holzklasse, übervoll gestopft mit Mief und Rauchern und im
Fahrtwind verwehter Übelkeit.
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“Vor&NachBilder“
Bücher- und Projektliste
S. 7 Biografische Vorbemerkungen
S. 11 Harald Kunde, Ironie und schwerer Mut (Auszug)
S. 13 Bibliographie
S. 14 Vorbemerkung
S. 15 Michael Schneider, Das Gespenst der Apokalypse und die Lebemänner des Untergangs, Büchergilde Gutenberg, 1984
S. 16 Arthur Koestler, Die Gladiatoren, Illu. Klaus Waschk, Büchergilde Gutenberg, Frankfurt a.M. 1980
S. 17 Vladimir Nabokov, Die Benachrichtigung, ZeitMagazin Nr.12, Hamburg 1979
S. 18 Fritz Zorn, Mars, Büchergilde Gutenberg, 1985
S. 19 Luise Rinser, Jan Lobel aus Warschau, Erzählungen, Illu. Klaus Waschk, Büchergilde Gutenberg, Frankfurt a.M. 1986
S. 20 Johannes Bobrowski, Litauische Claviere, Illu. Klaus Waschk, Büchergilde Gutenberg 1991
S. 23 Wolf R.Anschütz, Der Zeichner Klaus Waschk (Auszug)
S. 24 Buchtitel u.a., in: Lesen Darstellen Begreifen, A 7–A10, Cornelsen, Berlin 1992 ff.
S. 26 Neue Zeichnung, Neue Illustration, Klaus Waschk, BrennGlas-Verlag, Assenheim 1993
S. 28 Hamburger Melancholie, Zeichnungen von Klaus Waschk, Verlag Faber&Faber, Leipzig, 1995 Harald Kunde (Auszug)
S. 32 Der Sammler, Texte von Fries, Granin, Härtling, Szczypiorski, Tomeo und Originalgrafiken von Eisler, B. Heisig, Petersdorf,
Süss, Waschk, Faber Verlag, Leipzig 1995
S. 33 Peter Rühmkorf, Irdisches Vergnügen in g, Bd. 12 der Graphischen Reihe, Illu. Klaus Waschk,
Verlag Faber&Faber, Leipzig 1997
S. 36 Klaus Waschk, Zeichnungen zur ‚Sommernachts-Sexkomödie’ von Woody Allen, Hamburg 1998 (unveröffentlicht)
S. 38 Die Fragmente der Vorsokratiker, Abschriften/Zeichnungen von Klaus Waschk, Eigenverlag, Hamburg 1999
S. 42 Oskar Panizza, Der heilige Staatsanwalt, Illustrationen Klaus Waschk, Leipziger Liebhaberdruck 4,
Verlag Faber&Faber, Leipzig 2002
S. 46 Nachbilder zu Arno Schmidt, Zettels Traum, Zeichnungen, unveröffentlicht, Hamburg 1999ff 2004ff
S. 50 NachBilder zu Arno Schmidt ‘Seelandschaft mi Pocahontas’,Tuschzeichnungen, Eigenverlag, Hamburg 2004
S. 54 Carmina Burana, nach den Texten zur szenischen Kantate von Carl Orff, 1935/36, großformatige Zeichnungen
ca 50 x 70 cm, 1997 – 2004, (unveröffentlicht)
S. 56 Matthias Claudius, Asmus omnia sua Secum portans, Sämtliche Werke des Wandsbecker Boten, mit 180 Illustrationen,
Faber & Faber, Leipzig 2005
S. 60 Die kopflose Braut, Die erregte Edelfrau, erotische Märchen V, mit Originalradierungen 14 x 12 cm,
Edition der MEG-art Presse, Karow 2006
S. 62 Karl Marx, Das Kapital, mit 150 Illustrationen von Klaus Waschk, Faber & Faber, Leipzig 2007
S. 68 Klaus Waschk, Zeichnungen zu: Oskar Panizza, Das rothe Haus, Buchentwurf, Hamburg 2008 (unveröffentlicht)
S. 70 Illustrationen und Gesamtentwurf zu: Liebe, Leid und Untergang, Balladen 1200 – 2013, Hamburg 2013,
noch unveröffentlicht
S. 72 Klaus Waschk, Zeichnungen zu: ‚Pathosformeln’, Buchentwurf, Büttenkarton 50 x 70 cm, Hamburg 2012
(unveröffentlicht)
S. 74 Augenschmaus, Kunst-Kochbuch, Originalgraf. v. Anderson, Gubig, Grass, Ticha, Waschk u.a.,
Quetsche Verlag, Witzwort 2012
S. 75 Winterreise, ein Liederzyklus, Zeichnungen zu einem Aufführungsprojekt mit dem Liederzyklus von Franz Schubert –
Text von Wilhelm Müller, ein Bilderbogen 90 x 66 cm, Hamburg 2017
S. 76 Joseph Roth, Beichte eines Mörders. erzählt in einer Nacht, 80 Illustrationen, Faber&Faber Verlag, Leipzig 2019
S. 80 Die vierten Zehn, Supplementband 5, Die Graphischen Bücher, 11 Original-Lithografien, 26 x 17 cm, Faber&Faber,
Leipzig 2020
S. 82 Klaus Waschk, ziemlich normal, biografische Bilderbogen, Verlag Gudberg und Nerger, Hamburg 2019
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Zur Entstehung des Verlags Angeli & Engel
Eine besonders schwierige Situation kann auch beflügelnd wirken und die
davon Betroffenen zu einer Lösung bringen, an die im ersten Moment gar
nicht zu denken war und die am Ende in eine ganz andere Richtung führt.
So geschehen, als sich im Jahr 2020 die Hamburger Regionalgruppe der
Pirckheimer-Gesellschaft zum Kennenlernen erstmals treffen wollte und
die Corona-Pandemie einen Strich durch dieses Vorhaben machte. Der
Ausweg bestand in der Gründung eines Rundbriefs für die Mitglieder der
Gruppe, der den Namen „Hamburger Bothe“ erhielt und zur Information
über bibliophile Themen dienen sollte.
Während die beiden Herausgeber Rudolf Angeli und Peter Engel an den
ersten Rundbriefen arbeiteten und dafür auf gute Resonanz stießen, reifte
der Plan, noch einen Schritt voranzugehen und einen richtigen Buchverlag
für bibliophile Publikationen zu gründen. Sie sollen genau an der Schnittstelle
zwischen Text und Bild angesiedelt sein und das buchkünstlerische
Schaffen herausragender Protagonisten im deutschsprachigen Raum würdigen.
Weil die Herausgeber auch „Pirckheimer“ sind, lag es nahe, die Buchproduktion
mit einem weiteren Mitglied dieser Bibliophilen-Vereinigung zu
starten, nämlich mit dem Hamburger Zeichner Klaus Waschk, dessen Buch
„Vor&NachBilder“ – Zeichnungen zur Literatur 1971 bis 2021“ der erste
Titel des neuen Verlags wurde.
Zu den Plänen von Angeli & Engel gehört es, den Maler Johann Heinrich
Wilhelm Tischbein, den Freund Goethes, als einen – noch unerkannten –
Vorläufer der Comics vorzustellen, der sich in seinen bisher unveröffentlichten
„Klebebüchern“ eben um die Korrespondenz von Text und dem
darauf bezogenen Bild verdient gemacht hat. Weiterhin sind Bände von
zeitgenössischen Künstlern geplant, die in „LebensWERKgeschichten“ von
ihrem Schaffen berichten und diese Texte selbst illustrieren sollen.
Angeli & Engel, das ist ein Imprint von Rudolf Angeli,
Saselbekstraße 113, 22393 Hamburg
Rudolf_Angeli@web.de
Peter_Engel@gmx.de
Ein Teil dieser Ausgabe wird als Vorzugsausgabe mit den Nummern 1-50
ediert, signiert vom Autor, und erhält eine Originalgraphik.
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ISBN 978-3-9815836-4-9