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Frenzels Weinschule, Band 3

WEINWISSEN - NEXT LEVEL Frenzels Weinschule – der dritte Band der Bestseller-Reihe vereint geballtes Expertenwissen mit aktuellen Entwicklungen der Weinszene. Neue Rebsorten und ihre Aromen vertiefen Ihr sensorisches Wissen, die Geschichte des deutschen Weingesetzes führt bis zur aktuellen Version aus dem Jahr 2020. Darüber hinaus geht es um die besten Weinlagen der Welt, die Arbeit im Weinkeller, Weinkritik, das wichtigste Handwerkszeug für eine professionelle Weinprobe im großen Stil und vieles mehr. Frenzels Weinschule Band 3 Hrsg: Ralf Frenzel 304 Seiten zahlr. Farbfotos 28,0 × 29,0 cm Hardcover Preis: € 69,90 (D) ISBN 978-3-96033-124-7

WEINWISSEN - NEXT LEVEL

Frenzels Weinschule – der dritte Band der Bestseller-Reihe vereint geballtes Expertenwissen mit aktuellen Entwicklungen der Weinszene. Neue Rebsorten und ihre Aromen vertiefen Ihr sensorisches Wissen, die Geschichte des deutschen Weingesetzes führt bis zur aktuellen Version aus dem Jahr 2020. Darüber hinaus geht es um die besten Weinlagen der Welt, die Arbeit im Weinkeller, Weinkritik, das wichtigste Handwerkszeug für eine professionelle Weinprobe im großen Stil und vieles mehr.


Frenzels Weinschule
Band 3
Hrsg: Ralf Frenzel
304 Seiten
zahlr. Farbfotos
28,0 × 29,0 cm
Hardcover
Preis: € 69,90 (D)
ISBN 978-3-96033-124-7

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1<br />

2<br />

3<br />

4<br />

56<br />

VORWORT 9<br />

WEIN + KRITIK 12<br />

REBZUCHT 38<br />

REBSORTEN + AROMEN 54<br />

WEINFEHLER 112<br />

IM WEINKELLER 128<br />

7<br />

8<br />

9<br />

10<br />

11<br />

12<br />

13<br />

BEIM KÜFER 148<br />

BIO-WEINBAU 162<br />

STILKRITIK 180<br />

WEINLAGERUNG + REIFE 190<br />

DEUTSCHES WEINRECHT 206<br />

GROSSE LAGEN 224<br />

WEINFÄLSCHUNGEN 256<br />

VERKOSTUNGSPRAXIS 276<br />

HERAUSGEBER + AUTOREN 300<br />

6 | FRENZEL S<br />

WEINSCHULE FRENZEL S<br />

WEINSCHULE | 7


Seit 40 Jahren beschäftigt mich das Thema Wein. Mehr noch. Dieses scheinbar so einfache<br />

Getränk fasziniert und begeistert mich, fordert mich und lässt mich immer wieder Neues<br />

dazulernen. Als Sommelier und Weinhändler, als Verleger von Büchern und Herausgeber<br />

einer der bedeutendsten Weinzeitschriften, nicht nur im deutschsprachigen Raum, habe ich seine<br />

zahlreichen einzigartigen Facetten erfahren, persönlich erlebt, stellenweise aktiv begleitet und mitgestaltet.<br />

Viele Dokumente in meinen persönlichen Unterlagen erinnern an eine aufregende Zeit, an<br />

unzählige Begegnungen mit wunderbaren Menschen und beeindruckenden Weinen.<br />

Nach wie vor bin ich nicht am Ende angekommen, denn stets neue Entwicklungen und Erkenntnisse,<br />

andere Weine und Winzerpersönlichkeiten erweitern auch nach Jahrzehnten das Spektrum<br />

meiner Weinbegeisterung. Die unerschöpfliche Komplexität des Themas Wein bereichert deshalb<br />

den dritten <strong>Band</strong> unserer <strong>Weinschule</strong>. Aktuelle und moderne Entwicklungen im Weinbau bis hin zu<br />

komplexen Betrachtungen historisch bedeutsamer Aspekte fließen in dieses Buch ein. Zugleich soll<br />

sie auch Dokumentation von Weinwissen sein, das in einer Welt der beliebigen Informationsquellen<br />

zunehmend verloren zu gehen droht. So stellen wir neue Rebsorten vor, die in Zeiten der Wetterextreme<br />

immer mehr an Bedeutung gewinnen, ebenso wie den Trend der sogenannten Orange Wines,<br />

die Weinliebhaber mit ihren Geschmacksmustern durchaus herausfordern können.<br />

Wir haben uns des Themas Bio-Weinbau angenommen und dessen Versuch, Antworten auf drängende<br />

Fragen moderner Landwirtschaft zu finden. Darüber hinaus erzählen wir die Geschichten<br />

der spektakulären Weinskandale und -fälschungen und berichten darüber, wie man heute versucht,<br />

diesen Machenschaften den Riegel vorzuschieben. Wir stellen das neue deutsche Weingesetz<br />

vor und ordnen es im Rückblick auf seine jahrhundertealte Entwicklung in seiner Aktualität ein.<br />

Daneben geben wir Ihnen selbstverständlich praktisches Wissen mit an die Hand: unter anderem<br />

über die Weinbereitung im Weinkeller, die Ursachen der gängigen Weinfehler und wie man sie erkennt.<br />

So wagt auch der dritte <strong>Band</strong> von <strong>Frenzels</strong> <strong>Weinschule</strong> einen kurzweiligen und lehrreichen Spagat<br />

zwischen Unterhaltung und Wissensvermittlung mit dem Ziel, dieses Wissen praktisch umsetzen zu<br />

können und gleichzeitig das Verständnis für den „Göttertrunk“ zu vertiefen.<br />

Ich wünsche mir sehr, dass Ihnen dieses Buch viel Freude am sinnlichen Thema Wein bereiten<br />

möge. Dass Sie darin stöbern und immer wieder danach greifen wollen.<br />

GENIESSEN SIE EINFACH MIT ALLEN SINNEN, IHR RALF FRENZEL<br />

8 | FRENZEL S<br />

WEINSCHULE FRENZEL S<br />

WEINSCHULE | 9


FÜNF PFEILE<br />

ZIEREN DIE FLASCHEN DES BERÜHMTEN<br />

CHÂTEAU LAFITE-ROTHSCHILD. DER<br />

BANKIER AMSCHEL MAYER ROTHSCHILD<br />

VEREWIGTE DAMIT SEINE IM BANK-<br />

GESCHÄFT ERFOLGREICHEN SÖHNE<br />

12 | WEIN + KRITIK WEIN + KRITIK | 13


ROOM WITH A VIEW<br />

DER VERKOSTUNGSRAUM DER<br />

BERÜHMTEN OPUS ONE WINERY<br />

IM NAPA VALLEY MIT BLICK IN<br />

DEN BARRIQUE-KELLER<br />

STEFAN PEGATZKY<br />

Weinkritik, also die konkrete Beschreibung eines einzelnen oder einer Reihe vergleichbarer<br />

Weine für ein allgemeines Publikum, ist mittlerweile das populärste<br />

Genre des Schreibens über Wein, historisch aber eines der jüngsten. In der Form<br />

von numerischer Bewertung in Verbindung mit einem schriftlichen Kommentar ist sie heute allgegenwärtig,<br />

in Weinshops und -katalogen, Fachzeitschriften, Kolumnen und Blogs. Was hat es<br />

mit der modernen Weinkritik auf sich, und wie ist sie entstanden?<br />

14 | WEIN + KRITIK WEIN + KRITIK | 15


Kritik stammt vom griechischen „kritein“ ab, meint<br />

also das „Unterscheiden“. Tatsächlich unterschieden<br />

Menschen bereits sehr früh zwischen einzelnen<br />

Weinen. So entwickelte sich ab der 1. und 2. Dynastie, also<br />

seit dem 3. Jahrtausend vor Christus, in Ägypten eine veritable<br />

Weinindustrie: Hieroglyphen auf den Siegeln der Verschlussstopfen<br />

in der Zeit von Echnaton (1335 v. Chr.) nannten<br />

den Jahrgang, die Qualität sowie den verantwortlichen<br />

Winzer. Auch auf babylonischen Keilschrift-Tafeln von etwa<br />

1.700 vor Christus sind Qualität, beispielsweise „gut“, „Wein<br />

zweiter Qualität“ und „schlecht“ sowie Herkunft von Weinen<br />

vermerkt. Während für diese Frühzeit die Kriterien der Weinbeurteilung<br />

bedauerlicherweise unbekannt sind, werden sie in<br />

der griechischen Antike klarer. Im 4. Jahrhundert vor Christus<br />

begründete der Arzt Hippokrates die Medizin und stellte<br />

– vom Römer Galen später noch vertieft – eine Theorie der<br />

vier Körpersäfte im Menschen auf. Gemäß dieser Lehre formulierte<br />

er für alle davon abgeleiteten Menschentypen und<br />

Altersstufen darauf abgestimmte Ernährungsvorschriften.<br />

Lebensmittel, aber eben auch Weine, wurden in dieser Tradition<br />

noch bis ins 19. Jahrhundert im Wesentlichen dahingehend<br />

beurteilt, ob sie der Natur und dem jeweiligen Zustand<br />

unseres Körpers entsprachen. Zugleich entwickelte sich aber<br />

auch ein am reinen Geschmack orientiertes Sprechen über<br />

Wein. Im antiken Griechenland gehörte es zu den Standardelementen<br />

epischer Dichtung, große Weine entsprechend zu<br />

preisen. Man kannte bereits eigene Bezeichnungen für Weinverkoster<br />

und die Kunst der Degustation – „Oinogeustes“ bzw.<br />

„Oinogeustike“. Im 3. Jahrhundert vor Christus verfasste ein<br />

gewisser Florentinus den Text „Wann und wie man Wein verkosten<br />

solle“. Der Philosoph Lukrez entwickelte in seinem<br />

Werk „De rerum natura“ die Grundlagen der Sensorik, indem<br />

er den Dingen Farbe, Geruch und Geschmack zuschrieb –<br />

eine Formel, die mittelalterliche Gesundheitsbücher bewahrten<br />

und auf den Wein übertrugen.<br />

In der frühen Neuzeit schließlich, wie der Altphilologe<br />

Gerd Hagenow gezeigt hat, sollte diese zu einer feststehenden,<br />

mit Wein assoziierten Formel werden, die sogar in zeitgenössische<br />

Wörterbücher einfloss. Und natürlich in frühe deutschsprachige<br />

Weinbücher wie in das Lehrwerk „Der Weinkenner“<br />

eines anonymen Autors von 1800: „Ein guter Wein muss sich<br />

durch eine Dreieinigkeit von guten Eigenschaften auszeichnen,<br />

welche die Alten durch COS anzeigten, nämlich Colore,<br />

Odore, Sapore, d. h. durch Farbe, Geruch und Geschmack.“<br />

Der eigentliche Höhepunkt der antiken Reflexion über Wein<br />

wird in der „Naturkunde“ um 60 nach Christus von Plinius<br />

dem Älteren erreicht. Ihm verdanken wir nicht nur die erste<br />

Lagenklassifizierung überhaupt – nach vier Rängen sowie<br />

den „übrigen Weinen“. Auch die erste Verkostungsnotiz eines<br />

Jahrgangsweins, des sogenannten „Opimianers“ von 121 vor<br />

Christus, findet sich hier: „körniger Honig … außerordentliche<br />

Bitterkeit“. Doch nach dieser klassischen Blütezeit im Rom<br />

der Kaiserzeit sank Wein mit dem beginnenden Mittelalter<br />

bis auf wenige Ausnahmen zu einem bloßen Nahrungs- und<br />

Rauschmittel zurück. Zwar überlebte vor allem im Umkreis<br />

der Klöster immerhin die Weinkultur als solche, aber der Diskurs<br />

über den eigentlichen Weingeschmack verstummte mehr<br />

oder weniger.<br />

IN VINO VERITAS<br />

DEM RÖMISCHEN UNIVERSALGELEHRTEN,<br />

PLINIUS DEM ÄLTEREN VERDANKEN WIR DIE<br />

WEISHEIT VOM WEIN UND DER WAHRHEIT -<br />

UND DIE ERSTEN VERKOSTUNGSNOTIZEN<br />

EINES JAHRGANGSWEINS<br />

16 | WEIN + KRITIK WEIN + KRITIK | 17


38 | REBZUCHT REBZUCHT | 39


UWE KAUSS<br />

NEUE REBSORTEN<br />

DIE ZÜCHTUNG EINER NEUEN<br />

REBSORTE NIMMT VIELE<br />

JAHRE IN ANSPRUCH<br />

Das Ziel der Rebenzüchtung im Weinbau war von Anfang an, neue Sorten mit definiert<br />

positiven Eigenschaften und Merkmalen zu erzeugen. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts<br />

wird versucht, möglichst alle guten Eigenschaften der Elternsorten auszuprägen<br />

und deren schlechte Aspekte zu eliminieren. Über viele Jahrzehnte standen vor allem höhere<br />

Erträge und Mostgewichte, frühe Reife sowie eine bessere Resistenz gegen Schädlinge, Frost<br />

und Hitze als bestehende Kultursorten im Vordergrund. Später kamen auch Merkmale der Weinqualität<br />

hinzu, beispielsweise neue Aromenspektren und reduzierte Säure. Oft lassen sich diese<br />

Ziele allerdings auch trotz jahrzehntelanger Versuche nicht realisieren, weil die neuen Pflanzen<br />

nicht die gewünschten Merkmale ausprägen. Dennoch sind in den vergangenen 150 Jahren<br />

mehrere Hundert neue Rebsorten in Europa entstanden – von denen sich aber nur wenige langfristig<br />

und auf größerer Anbaufläche behaupten konnten.<br />

40 | REBZUCHT REBZUCHT | 41


54 | REBSORTEN + AROMEN REBSORTEN + AROMEN | 55


CABERNET BLANC<br />

LEITAROMEN<br />

MARACUJA, HONIG,<br />

ARONIA-FRUCHT,<br />

CASHEW-CURRY,<br />

MANDARINE<br />

Der Cabernet Blanc ist eine Hybridrebe,<br />

die durch eine Kreuzung der<br />

weltweit meistangepflanzten Sorte<br />

Cabernet Sauvignon mit einer nicht offziell<br />

identifizierten pilzresistenten Rebe komplexer<br />

Abstammung geschaffen wurde. Obwohl der<br />

Schweizer Rebzüchter Valentin Blattner als ihr<br />

ursprünglicher Schöpfer gilt, wurde sie im Versuchsanbau<br />

in der Pfalz durch Klonenselektion<br />

weiterentwickelt. 1994 wurde sie zum Sortenschutz<br />

angemeldet und ist seit 2010 als sogenannte<br />

Piwi-Sorte zur Erzeugung von Qualitätswein<br />

zugelassen. Lockerbeerig und mit fester<br />

Haut sind die Trauben mit hoher Widerstandsfähigkeit<br />

gegen Echten und Falschen<br />

Mehltau, Grauschimmelfäule<br />

und Frost ausgestattet.<br />

Allerdings neigt die Sorte bei unregelmäßiger<br />

Blüteentwicklung zu<br />

Verrieselung, was zu einem Nebeneinander<br />

von normalgroßen und<br />

unterentwickelten Beeren führen<br />

kann. Man sollte sie deshalb nur an<br />

blütesicheren Standorten anpflanzen.<br />

Die Reife der Trauben erfolgt<br />

generell Anfang Oktober. Dass sie<br />

in den vergangenen Jahren von<br />

allen pilzresistenten Sorten den<br />

größten Zuwachs verzeichnet,<br />

verdankt sie aber wahrscheinlich<br />

genauso viel ihrem Namen wie<br />

ihrer Fähigkeit zu hohem Zuckergehalt<br />

und guten Extraktwerten.<br />

Waren es 2007 nur sieben Hektar in ganz<br />

Deutschland, konnte man 2019 schon 188 Hektar<br />

zählen, den Großteil davon in der Pfalz.<br />

Dort deckt sie ein weites Geschmacksspektrum<br />

ab, von trockenen bis zu edelsüßen<br />

Weinen. Von der Aromatik her ist sie dem<br />

Sauvignon Blanc nicht unähnlich, was anlässlich<br />

dessen Verwandtschaft mit Cabernet<br />

Sauvignon nicht verwunderlich ist. Alle drei<br />

können bei guter Reife den gemeinsamen<br />

Nenner schwarzer Johannisbeeren aufweisen.<br />

Auch im Ausbau gibt es Ähnlichkeiten mit<br />

Sauvignon Blanc. Manche Winzer bevorzugen<br />

den reduktiven, rassigen Stil, wie man ihn aus<br />

der Neuen Welt mit dem Einsatz<br />

von Edelstahltanks kennt, andere<br />

legen mehr Wert auf viel Frucht<br />

und die oxidativen Qualitäten<br />

großer Holzfässer, während eine<br />

dritte Richtung auf Barriques<br />

und die klassisch flintig-rauchige<br />

Prägung à la Pouilly Fumé setzt.<br />

Kleine Anbauflächen befinden<br />

sich auch in Luxemburg, Belgien,<br />

Österreich, Tschechien, Frankreich,<br />

Italien, den Niederlanden<br />

und in England. Bei amerikanischen<br />

Weinen mit der Bezeichnung<br />

Cabernet Blanc handelt es sich fast<br />

immer um Cabernet Sauvignons,<br />

die ohne Maische auf ein blasses<br />

Rosa vergärt wurden, sogenannte<br />

„blush wines“.<br />

PROBEWEIN<br />

2019 CABERNET BLANC<br />

NEUSPERGERHOF, PFALZ<br />

Eigenwillige Duftkomposition mit Maracuja, Mandarine, Currypulver, Honig,<br />

Cashewnüssen und Dosenspargel. Am Gaumen etwas einfacher gestrickt mit markanter<br />

Kohlensäure, süßem Curry, nussigem Akzent, mehliger Kichererbse<br />

und merklicher Restsüße.<br />

64 | REBSORTEN + AROMEN REBSORTEN + AROMEN | 65


190 | WEINLAGERUNG + REIFE WEINLAGERUNG + REIFE | 191


Viele Weine verbessern sich durch eine Lagerung<br />

nicht, da sie für den schnellen Gebrauch gedacht<br />

sind und jung getrunken werden sollten. Nur verhältnismäßig<br />

wenige besitzen das Potenzial quasi in Würde zu<br />

altern, sie machen ungefähr fünf Prozent der weltweit produzierten<br />

Weine aus. Aber die sollten nicht zu früh getrunken<br />

werden, bei großen Weinen wird der zu frühe Genuss gerne<br />

etwas dramatisierend mit einem Kindsmord verglichen. Es<br />

lohnt sich also, ausgewählten Kreszenzen Zeit zur Entwicklung<br />

zu geben.<br />

Als Grundregel kann gelten, dass einfache Weiß- und<br />

Schaumweine, Rosés und leichte, tanninarme Rotweine jung<br />

und in ihrer Fruchtphase getrunken werden sollten, also ein bis<br />

zwei Jahre nach ihrer Füllung. Bei den Weinen im Premium-<br />

bereich bestimmen verschiedene Faktoren das Reifevermögen<br />

– schon der Jahrgang spielt eine wichtige Rolle. Weine aus<br />

Spitzen-Jahrgängen in Deutschland wie 1921, 1945, 1959, 1971,<br />

1990 oder 2018 besitzen beste Voraussetzungen, um lange<br />

reifen zu können. Aber auch der Lagen-Charakter, die Art des<br />

Weinbaus und die Arbeit im Keller nehmen Einfluss.<br />

Weiße und rote Spitzenweine enthalten eine komplexe<br />

Struktur aus Säure, Mineralien, Pigmenten, Tanninen, Zucker<br />

und Geschmacksstoffen, die sich im jugendlichen Zustand<br />

noch nicht im Gleichgewicht befindet. Vor allem Rotweine<br />

können jahrzehntelang reifen, gerade auch wegen ihrer Gerbstoffe,<br />

die sich in der Flasche verfeinern können. Rotweine<br />

aus Trauben mit dicken Schalen, wie man es in warmen und<br />

trockenen Jahren beobachten kann, besitzen meist einen längeren<br />

„Atem“ als Weine aus einem verregneten Jahr, in denen<br />

der Anteil des Fruchtfleisches höher ausfällt.<br />

Bei der Flaschenreifung werden die am Gaumen spürbaren<br />

Strukturelemente miteinander verbunden: Besonders<br />

die Tannine werden durch den Zusammenschluss zu längeren<br />

Molekülketten als runder und weicher empfunden, Alkohol<br />

und Säure integrieren und harmonisieren sich. Damit dies<br />

passieren kann, muss ein Wein über eine gute Grundkonstitution<br />

verfügen. Während Rotwein vor allem durch<br />

sein Tannin konserviert wird, ist beim trockenen Weißwein<br />

die Säure dafür zuständig – vorausgesetzt, er verfügt über genügend<br />

Substanz und Extrakt als Gegengewicht zur Säure.<br />

Weißweine aus kühleren Jahren wie 2010 weisen höhere<br />

Säurewerte auf. Sie brauchen deshalb länger, bis diese eingebunden<br />

sind und die Weine sich in Balance befinden. Edelsüße<br />

Weine von Rebsorten wie Riesling, Tokajer oder Chenin<br />

Blanc, die für hohe Säurewerte bekannt sind, besitzen durch<br />

ihre Konzentration an Zucker und Säure ein sicheres Reifepotenzial<br />

und scheinen nahezu unverwüstlich zu sein.<br />

Eine Sonderrolle im Reifeverhalten nehmen Naturweine<br />

und Orange Wine ein, die mit sehr wenig oder gar keinem<br />

Schwefel gefüllt werden. Grundsätzlich gilt, dass Weine mit<br />

sehr wenig Schwefel früher zugänglich sind und sich schneller<br />

entwickeln als solche mit der üblichen Schwefeldosis. Wegen<br />

ihres gezielt oxidativen Ausbaus und häufig sehr langen<br />

Maischestandzeiten extrahieren diese Weine zusätzlich<br />

Tannin aus Traubenhaut, Kernen und Stielen, was wiederum<br />

ihre Haltbarkeit erhöhen kann.<br />

194 | WEINLAGERUNG + REIFE WEINLAGERUNG + REIFE | 195


206 | DEUTSCHES WEINRECHT DEUTSCHES WEINRECHT | 207


DANIEL DECKERS<br />

Seit einigen Jahren macht Orange Wine Furore. Abgezielt wird bei dieser Bezeichnung<br />

offenkundig nicht auf eine Rebsorte oder die Farbe der Keltertrauben. Ausschlaggebend<br />

ist wie bei Roséweinen die Farbe des End- und nicht des Ausgangsprodukts. Wie<br />

aber kommt ein „Orange Wine“ überhaupt dazu, eine nach weiß, rot und rosé quasi vierte Farbe<br />

anzunehmen? Da es sich in der Regel um junge Weine ohne Restzucker handelt, scheidet die klassische<br />

Erklärung aus: Die auffällige Farbe ist nicht das Produkt von chemischen Reaktionen des<br />

vergorenen Mostes, wie bei den bernsteinfarbenen rest- oder edelsüßen Weißweinen, wenn sie<br />

über viele Jahre auf der Flasche gereift sind. Hat man dem frischen Most vielleicht künstliche oder<br />

natürliche Farbstoffe zugegeben? Das Lebensmittelrecht stünde dem womöglich nicht entgegen.<br />

Es kennt viele Möglichkeiten, einem Produkt auf gesundheitlich vollkommen unschädliche Weise<br />

zu einer Farbe nach Wunsch zu verhelfen. Oder wurde der weiße Traubenmost vielleicht mit<br />

hochfarbigem Saft versetzt, der aus Obst oder Ackerfrüchten gewonnen wurde, etwa Holunder<br />

oder Rote Bete?<br />

208 | DEUTSCHES WEINRECHT DEUTSCHES WEINRECHT | 209


276 | VERKOSTUNGSPRAXIS<br />

VERKOSTUNGSPRAXIS | 277


KRISTINE BÄDER<br />

I<br />

m Grunde mag ihn kein Winzer. Sauerstoff sorgt für braune Farbe im Roten und für ein<br />

tiefdunkles Gelb beim Weißen, er verändert den Geschmack und die Haltbarkeit und im<br />

schlimmsten Fall verwandelt er den Flascheninhalt in Essig. Trotzdem ist er wichtig, denn<br />

er hilft dem Wein auch, sein bestes Gesicht zu zeigen. Es kommt nur auf die passende Dosis und<br />

den richtigen Zeitpunkt an.<br />

278 | VERKOSTUNGSPRAXIS VERKOSTUNGSPRAXIS | 279


FRENZEL S<br />

WEINSCHULE 3<br />

HERAUSGEBER<br />

Ralf Frenzel<br />

© 2021<br />

Tre Torri Verlag GmbH, Wiesbaden<br />

tretorri.de<br />

IDEE, KONZEPTION UND UMSETZUNG<br />

Tre Torri Verlag GmbH, CPA! Communications- und Projektagentur, Wiesbaden<br />

AUTOREN<br />

Kristine Bäder, Wiesbaden, Daniel Deckers, Limburg an der Lahn, Ursula Heinzelmann, Berlin, Uwe Kauss, Offenbach,<br />

Dr. Stefan Pegatzky, Berlin, Michael Schmidt, Bad Neuenahr-Ahrweiler, Rainer Schäfer, Hamburg, Christian Volbracht, Berlin<br />

ART DIRECTION UND GESTALTUNG<br />

Tommas Bried, 3c4y Cookbook Design, London/Berlin<br />

FOTOGRAFIE<br />

Für FINE Das Weinmagazin:<br />

Guido Bittner, Wiesbaden, Seiten 112/113, 178/179, 194<br />

Rui Camilo, Wiesbaden, Seiten 110/111, 160/161, 169, 173, 187, 264<br />

Leif Carlsson, Paris, Seiten 12/13, 128/129, 136/137, 204/205<br />

Johannes Grau, Hamburg, Seiten 2/3, 6/7, 14/15, 40, 43, 52/53, 117, 118, 121, 125, 141, 146/147, 148/149, 150/151, 152/153, 154/155,<br />

156, 159, 167, 174, 180/181, 188/189, 203, 212, 216, 271, 272, 296/297<br />

Marco Grundt, Hamburg, Seiten 22/23, 36/37, 84/85, 135, 140, 190/191, 192/193, 197, 254/256, 268, 283 o.<br />

Alex Habermehl, Frankfurt, Seiten 10/11, 27, 164/165, 182/183, 221, 222/223, 224/225, 231, 236, 258, 298/299<br />

Stephan Heimann, Wiesbaden, Seiten 14/15<br />

Christof Herdt, Frankfurt, Seiten 4/5, 56/57, 60/61, 120, 170, 206/207, 221, 228, 252<br />

Arne Landwehr, Wiesbaden, Seiten 114, 142/143, 198, 208/209, 226/227, 248, 251, 162/163, 274/275, 278/279, 283 u., 284/285, 286, 289, 290, 295<br />

Jürgen Nogai, Bremen, Seite 243<br />

Marc Volk, Berlin, Seiten 8, 30/31, 235, 240<br />

Thilo Weimar, Bardolino, Seiten 54/55, 86/87, 244, 256/257, 262/263<br />

Martin Wurzer-Berger, Münster, Seite 247<br />

Guido Bittner, Wiesbaden, Weinflaschen im Kapitel 3 und Seiten 288, 291, 292, 293, 294<br />

3c4y Photography Tommas Bried + Andreas Hantschke, Berlin/London, Seiten 38/39, 58/59, 126/127, 130, 133, 134, 139, 144, 214<br />

Peter Schulte, Hamburg, Aromen-Bilder im Kapitel 3<br />

REPRODUKTION<br />

Lorenz & Zeller, Inning a. A.<br />

Printed in Italy<br />

ISBN 978-3-96033-124-7<br />

© FOTONACHWEIS<br />

S. 17 Wolfgang Sauber, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Como_-_Dome_-_Facade_Plinius_the_Elder.jpg<br />

S. 18 „David Hume – Bild von Allan Ramsay (1713–1784)“ : https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Painting_of_David_Hume.jpg<br />

S. 19 „George Saintsbury“, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:George_Saintsbury_Lafayette.jpg<br />

S. 20 © Château Margaux, http://westgarthwines.com/2015/07/07/bordeaux-1855-classifications<br />

S. 24 Abb. „Das Weinbuch“: © Dorotheum Wien, Auktionskatalog 05.12.2018<br />

S. 24 Hintergrundbild zur Abb. „Das Weinbuch“: Adobe/VV<br />

S. 26 „Weinbewertung“: Walther Buxbaum/Archiv Stefan Pegatzky<br />

S. 28 „Aromenrad für Wein/Ann C. Noble“: © Ann C. Noble/InnoVinum LLC, www.winearomawheel.com<br />

S. 32 © Robert Parker<br />

S. 44 © Gabrielle Wahrheit<br />

S. 47 © Joachim Schmid, Forschungsanstalt Geisenheim, Fachgebiet Rebenzüchtung und Rebenveredlung<br />

S. 48 https://de.m.wikipedia.org/wiki/Noah_(Rebsorte)<br />

S. 51 © Adobe/cabito<br />

S. 123 Rob & Lisa Meehan, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Tub_of_botrytis_inffected_Riesling_Grapes.jpg<br />

S. 211 © Der Weinfreund 10 (1971) / Sammlung Stefan Pegatzky<br />

S. 218 © VDP.Team, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Flaschen2_by_VDP.jpg<br />

S. 232 Fredibouille/Fred.C, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Clos_de_Beze_-_Automne.jpg<br />

S. 239 OHNDO, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:La_Tâche.jpg<br />

S. 261 https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Ordnung_unnd_satzung_ueber_weyne.jpg<br />

S. 267 Arnaud 25, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Domaine_de_la_Romanée-conti_03.jpg<br />

HAFTUNGSAUSSCHLUSS<br />

Die Inhalte dieses Buchs wurden von Herausgeber und Verlag sorgfältig erwogen und geprüft. Dennoch kann eine Garantie nicht übernommen werden.<br />

Die Haftung des Herausgebers bzw. des Verlags für Personen-, Sach- und Vermögensschäden ist ausgeschlossen.<br />

304 | FRENZEL S<br />

WEINSCHULE


WEINWISSEN – NEXT LEVEL<br />

FRENZEL S<br />

WEINSCHULE 3 IST DIE KONSEQUENTE FORTSETZUNG DER<br />

WEINSCHULEN-WELT. JEDER BAND VERMITTELT EINZIGARTIGE INHALTE<br />

DES WEINKOSMOS, BILDGEWALTIG DARGESTELLT – SOWOHL EINZELN ALS<br />

AUCH IN DER TRILOGIE LESENSWERT. DER DRITTE BAND IST FÜR ALLE,<br />

DIE NOCH TIEFER IN DAS THEMA EINSTEIGEN UND SICH EINEN ÜBERBLICK<br />

ÜBER AKTUELLE ENTWICKLUNGEN, BESONDERE QUALITÄTSWEINE UND<br />

DEREN AROMEN VERSCHAFFEN MÖCHTEN. DIESE WEINSCHULE BIETET<br />

AUF 304 SEITEN GEBALLTES WEINWISSEN RENOMMIERTER AUTOREN,<br />

BEFASST SICH UNTER ANDEREM MIT THEMEN WIE BIO-WEINBAU, GIBT<br />

EINBLICK IN DAS GESCHÄFT DER WEINFÄLSCHER UND WAS DAGEGEN<br />

GETAN WIRD. GROSSE LAGEN WERDEN EBENSO VORGESTELLT WIE DIE<br />

BERÜHMTEN BARRIQUE-KÜFER IM NACHBARLAND FRANKREICH, DIE DIE<br />

KUNST DES FASSMACHENS BEHERRSCHEN WIE SONST NIEMAND AUF<br />

DER WELT. DIE GANZE VIELFALT DES SINNLICHEN THEMAS WEIN IN EINEM<br />

BUCH – FÜR AMBITIONIERTE EINSTEIGER UND ECHTE KENNER!

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