Ottakringer Flaneur Ausgabe 3
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Ausgabe 3 – Oktober/November/Dezember 2021
Zur freien Entnahme
Reportage
Die neue Thaliastraße –––→ Seite 6
Portrait
Murathan Muslu im Gespräch –––→ Seite 18
Kaffeehauskultur
Zu Gast im Café Ritter –––→ Seite 12
Interview
Illustration: Zuzanna Różańska
Frauen spielen American Football –––→ Seite 10
#otk
02
Ottakringer Flâneur —— Dritte Ausgabe
In dieser Ausgabe
Grätzl-Dreierlei:
Garage Grande S. 3
Handwerk:
Braukunst in der
Neulerchenfeldergasse S. 4
Reportage:
Die neue Thaliastraße S. 6
Sport:
Footballspielerin
Cilia Nagel im Interview S. 10
Gastronomie:
Café Ritter S. 12
Eventkalender: S. 13
Nachtleben:
35 Jahre Chelsea S. 16
Persönlichkeiten:
Murathan Muslu im S. 18
Exklusivgespräch
Orte:
Die SOHO-Studios
im Sandleitenhof S. 21
Geschichte:
Die Wiener Unterwelt
der 1960er Jahre S. 22
Ottakringer Live-Ticker:
Zu Besuch bei
der Bühne16 S. 24
Glosse S. 26
Rätsel & Gewinnspiel: S. 27
Impressum und Offenlegung:
Der Ottakringer Flâneur ist ein
unabhängiges Magazin für und aus
dem 16. Wiener Gemeindebezirk.
Herausgeberin: Alexandra Folwarski
Chefredakteur: Johannes Lau
Redaktion: Buket Akkaya,
Lars Bulnheim, Alexandra Folwarski
MitarbeiterInnen dieser Ausgabe:
Diana Carolina El Masri, Lukas Ipirotis,
Tino Schlench
Layout: Daniel Pufe
Designkonzept: Tom Koch
Bespoke Communications
Leserbriefe: redaktion@ottakringerflaneur.com
Anzeigen: anzeigen@ottakringerflaneur.com
Veranstaltungen innerhalb und in direkter
Umgebung des 16. Bezirks können online
kostenlos eingetragen werden auf
ottakringerflaneur.com/veranstaltungen
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an:
mystory@ottakringerflaneur.com
Produzierendes Unternehmen:
Flaneur Media e.U.
Neulerchenfelderstraße 52/RO2 · 1160 Wien
E: af@flaneurmedia.at
Offenlegung in vollständiger Länge:
ottakringerflaneur.com/impressum
Liebe Leserin, lieber Leser,
wir konnten in den vergangenen
Wochen die Implosion der österreichischen
Innenpolitik beobachten.
Dabei wurde auch die systematische
Verflechtung von Politik und Presse —
Stichwort: Inseratenvergabe — wieder
zum Thema.
Der „Ottakringer Flâneur“ finanziert
sich ebenfalls über Werbung. Anders
wären die Produktionskosten nicht
zu stemmen. Uns ist es daher ein
Anliegen, an dieser Stelle zu betonen,
dass bei uns redaktionelle Inhalte und
Werbeeinschaltungen strikt getrennt
werden, um unabhängig aus Ottakring
berichten zum können.
Das haben auch die zwei Neuzugänge
in unserem Autorenteam getan, die
wir an dieser Stelle herzlich begrüßen:
Diana Carolina El Masri präsentiert
die unlängst eröffneten Ateliers im
Sandleitenhof und Lukas Ipirotis berichtet
aus dem Café Ritter, das seine
pandemiebedingte Krise abwenden
konnte. Außerdem hat er sich für uns
den faszinierenden Dokumentarfilm
„Aufzeichnungen aus der Unterwelt“
angesehen.
Unser Redakteur Lars Bulnheim traf
wiederum den Schauspieler Murathan
Muslu und lässt die Geschichte
des Gürtel-Lokals „Chelsea“ Revue
passieren. Ferner widmet sich
unser Blatt weiteren interessanten
Themen — wie der
Neugestaltung der Thaliastraße,
der Braukunst in der
Nachbarschaft und toughen
Sportlerinnen.
Auf unserer Webseite
ottakringerflaneur.com
präsentieren wir zudem
das neue Feature „Schaufenster“,
ein lokaler Unternehmensfinder
für unseren
Bezirk. Wir möchten damit den
Firmen in Ottakring eine Plattform
bieten, um noch sichtbarer zu werden.
Wir hoffen, Sie haben Freude mit der
neuen Ausgabe — bleiben Sie uns gewogen
und überlegen Sie doch bitte,
ob Sie uns mit einem Abonnement
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Ein „Flâneur“
ist jemand,
der ziellos
herumschweift,
um sich zu
Geschichten
inspirieren
zu lassen.
Druck: Mediaprint Zeitungs- und
Zeitschriftenverlag Ges.m.b.H & Co KG
Ihr Ottakringer Flâneur
03
OttakringerFlaneur.com
Foto: Irene Grabherr; Instagram: @garagegrande
Grätzl-
Dreierlei
▶ Es finden regelmäßig Veranstaltungen
statt: So feierten die
„Fearleaders“, das männliche Cheerleader-Team
von Vienna Roller
Derby, in der Garage Grande ihren
10. Geburtstag. Roller Derby ist ein
Vollkontaktsport aus den USA auf
Rollschuhen, der fast nur von
Frauen betrieben wird.
p Im Erdgeschoss steht die
Fahrrad-Selbsthilfewerkstatt
@we.are.recycles jeden Montag
von 16 bis 20 Uhr mit Rat, Tat und
Werkzeug allen offen. Ersatzteile
sind auch vorhanden. Zudem können
Räder geliehen und ausgediente
Drahtesel abgegeben werden.
Diesmal im Bild:
Garage
Grande
Foto: Tim Dornaus @epilogy.photography; Instagram: @gbsternwien
Foto: Renate Schwarzmüller: Instagram: @renate_schwarzmueller_foto
p Die Garage Grande ist ein stillgelegtes
Parkhaus in der Deinhardsteingasse
12, das noch bis 2022
zwischengenutzt wird: Auf fünf
Stockwerken und 2500 Quadratmetern
Fläche haben hier viele
Menschen Platz für Kunstprojekte,
Werkstattarbeiten, Gartenbau und
andere Hobbys.
Sie haben auch ein spannendes Bild
auf Instagram gepostet oder gesehen?
Markieren Sie @ottakringerflaneur
oder nutzen Sie #ottakringerflaneur.
04
Handwerk
Von der
Bruchbude zum
Braubetrieb
Text: Johannes Lau
Als Roland Schalken 2014 mit einem
Anfängerset begann, privat Bier zu brauen,
ahnte er wohl noch nicht, wohin ihn diese
Experimente führen sollten: Heute betreibt
er zusammen mit seiner Partnerin Anna
Haider eine eigene Brauerei.
„Es ist die zweitgrößte Brauerei des Bezirks“,
sagt Schalken mit einem Augenzwinkern im
Blick auf den großen Mitbewerber am Ottakringer
Platz. „Nachdem ich zuhause das erste Bier
gebraut habe, ist das sehr schnell recht obsessiv
geworden.“ Alle ein bis zwei Wochen war sein
25-Liter-Brautopf in Betrieb. „Man gibt Freunden,
Verwandten, Bekannten seine Biere und
trinkt sie natürlich auch selbst“, lacht Schalken.
Die Resonanz war offenbar so gut, dass er das
Potential sah, damit auch Geld zu verdienen.
Eigentlich hat der 30-Jährige Jazzklavier studiert
und sogar bis zum letzten Jahr noch einen Tag
in der Woche in einer Musikschule gearbeitet.
„Die Bürokratie und das Beamtentum haben
mich aber so angezipft, dass der endgültige
Wechsel in die Selbstständigkeit für mich das
Beste war. Ich fülle zwar jetzt vermutlich genauso
viele Formulare wie als Lehrer aus. Aber hier
weiß ich eher, wofür ich das mache.“
Nächster Halt: Ölhafen
Dass man es als Selbstständiger aber auch
nicht leicht hat, merkte er von Anfang an, als
Ende 2016 die Räumlichkeiten in der Neulerchenfeldergasse
57 angemietet wurden: „Die
Hütte stand vorher zwölf Jahre leer und war
eine einzige Bruchbude.“ Nach einem Jahr Renovierung
ging noch 2018 eine selbstgebaute
Anlage mit zwei Gärtanks in Betrieb, die im
Winter 2019 von einer 500-Liter-Maschine
05
OttakringerFlaneur.com
Fotos: Alexandra Folwarski
abgelöst wurde. Damit ist der Platz
jetzt vollständig ausgeschöpft: „Mehr
geht hier nicht.“ Deshalb will der junge
Bierkreateur nun mit seiner Produktionsstätte
in den Ölhafen in der Lobau
übersiedeln. Dem 16. Bezirk bleibt
die Braumanufaktur Schalken aber
dennoch erhalten: Der immer samstags
geöffnete Verkaufsstand auf dem
Brunnenmarkt sowie der firmeneigene
Shop am jetzigen Standort werden
weiterhin betrieben.
Geschliffener Raum
Gewerbliche Flächen seien hier
schließlich nicht so leicht zu finden:
„Es gibt zwar welche in Ottakring, die
brauchbar sind. Aber kaum macht
man einen Grundbuchauszug, siehst
du: In den nächsten Jahren wird das
geschliffen und dann entsteht daraus
Wohnraum. Produktion in der Stadt
hört sich zwar gut an und die Politik
redet immer davon. Aber eigentlich
möchte man das nicht im urbanen
Gebiet, sondern möglichst am Stadtrand
haben“, moniert der gebürtige
Niederösterreicher. Eine weitere
Schwierigkeit sei es für eine kleine
Brauerei wie seine, das Produkt an
die Frau und den Mann in der Gastronomie
zu bringen, weil hierzulande
vor allem die größeren Braukonzerne
mit entsprechenden Verträgen das
Geschäft dominieren. Daher ist es
für kleine Braubetriebe wie Schalken
nicht leicht, einen Fuß in die Wirtshaustür
zu bekommen.
Craft Beer? Regionalbier!
Auch wenn es naheliegt Schalkens
Produktion als „Craft Beer“ zu bezeichnen,
möchte er die Vokabel
aber ungern in den Mund nehmen:
„Der Begriff ist schon ziemlich ausgelutscht.
„Craft“ steht eigentlich für
handwerklich gebrautes Bier. Wenn
jetzt auch die großen Brauereien sagen,
dass sie Craft Beer haben, ist die
Frage: Wo hört das Handwerk auf?“
Zudem schrecke der Begriff seiner
Meinung sogar viele Menschen ab,
weil sie denken, dass der Ausdruck
für experimentelle Biere steht, die
merkwürdig schmecken. Darum setze
er bei der Vermarktung eher darauf, zu
betonen, dass seine Braumanufaktur
unabhängige und regionale Produkte
anbietet. Und dabei helfe vor allem der
direkte Kundenkontakt wie etwa auf
dem Yppenplatz: „Wenn die Kunden
den Braumeister hinter dem Bier auch
persönlich kennen, schafft das ein
Wir-Gefühl.“ Na dann: Prost!
Für die Übersiedlung der Produktionsstätte
in den Ölhafen Lobau sucht die Braumanufaktur
Schalken noch finanzielle
Unterstützung via Crowdfunding:
www.startnext.com/bierhafen
06
Reportage
Die Thaliastraße
wirft sich in Schale
Ottakrings zentrale, aber in die Jahre gekommene
Einkaufsstraße soll sich in eine hübsche
Flaniermeile verwandeln. Der erste Abschnitt der
Umgestaltung ist bereits fertig. Aber nicht alle im
Bezirk sind mit dem Projekt einverstanden.
Text: Johannes Lau
Foto: Kerstin Ohler
Sie ist ein heißes Pflaster – gerade
im Sommer. Viel befahren, stark belaufen,
eng bebaut: Auf Ottakrings
beliebter Einkaufsstraße steht vor
allem in der heißen Jahreszeit die
Luft. Das ist schon seit Jahrzehnten
so. Daher beschloss die Bezirksverwaltung
2020 eine umfangreiche Umgestaltung
dieser circa 2,8 Kilometer
langen Hauptverkehrsader. Circa acht
Millionen Euro wird das Projekt „Thaliastraße
NEU“ kosten. Die Finanzierung
teilen sich der Bezirk, die Stadt
Wien und die Europäische Union.
Bezirksobmann Franz Prokop (SPÖ)
skizziert das Vorhaben: „Wir wollen
die Thaliastraße in ihrer Funktionalität
attraktivieren und gleichzeitig für
die Herausforderungen der Zukunft
wappnen. Das Ziel der Umgestaltung
ist eine klimafitte Einkaufsstraße zu
gestalten, die für Bewohner*innen
und Geschäftsleute attraktiv ist, zum
Flanieren einlädt und den klimatischen
Rahmenbedingungen der kommenden
Jahre entspricht.“
Zeitgemäßer Touch
Inzwischen wurde der erste Bauabschnitt
vom Gürtel bis zur Kirchstetterngasse
bereits fertiggestellt. Im
November folgt der Bereich bis zur
Feßtgasse, der zum 150-jährigen Jubiläum
der Thaliastraße im nächsten
Jahr abgeschlossen sein soll. Danach
wird der Umbau abschließend bis hin
zur Paltaufgasse finalisiert. Und was
passiert konkret in diesen Abschnitten?
Prokop: „Es entstehen gerade
über 90 neue Baumstandorte in und
um die Thaliastraße, die künftig für
Abkühlung im dicht besiedelten Gebiet
sorgen.“ Darüber hinaus werde
die Straße bald von einem sechs Meter
breiten Gehsteig auf beiden Seiten
und zahlreichen Sitzgelegenheiten
geprägt sein. Der drei Zentimeter
hohe Gehsteigabsatz biete zudem
Barrierefreiheit, die zahlreichen Nebelsäulen
und Wasserspiele sind vor
allem für die Kinder in Ottakring
gedacht. Der Bezirksvorsteher hofft,
dass der gesamte Umbau Schule in
ganz Wien macht: „Wir würden uns
freuen, wenn die Thaliastraße NEU
künftig als Beispiel für weitere Umgestaltungen
dient, die unsere Stadt
noch lebenswerter zu machen.“
Auch die Wirtschaftskammer ist davon
bislang angetan: „Ich finde es
gut, dass die Thaliastraße nun einen
modernen und einer Einkaufsstraße
entsprechenden zeitgemäßen Touch
bekommen hat“, freut sich Verena
Wiesinger, die WKO-Obfrau des 16.
Bezirks. „Aufgrund dessen, dass auf
der Thaliastraße sehr lange nichts
gemacht wurde, war es durchaus
Ohne Plan geht nichts: Roland Barthofer vom
Architekturbüro DnD Landschaftsplanung
zeichnet den Entwurf für die neue Thaliastraße.
07
OttakringerFlaneur.com
notwendig, dass sie das Aussehen
und die Funktionalität einer modernen
Einkaufsstraße erhält. Die
Thaliastraße war zwar auch vorher
eine Einkaufsstraße mit guter Frequenz,
aber sie war eben nicht mehr
ausreichend attraktiv.“
Robuste Gestaltung
Deshalb seien die Unternehmen in
der Straße angesichts des Umbaus
positiv gestimmt: „Sie gehen davon
aus, dass der Umbau für eine Belebung
sorgt, weil die Kunden sich hier
nun wohler fühlen, länger verweilen
und somit noch mehr einkaufen.“
Und das gelte nicht nur für den gerade
fertiggestellten Abschnitt: Auch
weiter stadtauswärts siedeln sich
bereits in der Straße neue Unternehmen
an. Wie genau sich die Geschäfte
durch diese Renovierung bereits verbessert
haben, kann Wiesinger noch
nicht mit konkreten Zahlen belegen,
dafür sei es noch zu früh: „Die erste
Messung, dass eine Umgestaltung
notwendig war und dass sie auch erfolgreich
umgesetzt wurde, wird das
Weihnachtsgeschäft zeigen.“
„Es ist ein klares
Bekenntnis zu einer
Einkaufsstraße, die vor
allem von Fußgängern
benutzt wird.“
Für die Planung dieses Großumbaus
ist das Architekturbüro DnD
Landschaftsplanung verantwortlich.
Roland Barthofer hat das Konzept
entworfen: „Wir haben versucht, eine
robuste, langlebige und auch zeitlose
Gestaltung zu machen, die sich
nicht aufdrängt, aber schon speziell
ist. Es ist ein klares Bekenntnis zu
einer Einkaufsstraße, die vor allem
von Fußgängern benutzt wird. Demzufolge
ist für diese auch der Raum
größer geworden. Man kann sich jetzt
schon gar nicht mehr vorstellen, wie
es mit weniger Platz funktioniert hat.“
Dennoch haben die Planer darauf
geachtet, dass es für die Geschäfte
noch genug Möglichkeiten für den
Anlieferungsbetrieb gibt. Aber: „Es
ist definitiv keine Parkstraße mehr,
in der ich mein Auto abstellen kann
und es da übers Wochenende stehen
lasse. Ich glaube ohnehin, dass man
das einer Einkaufsstraße wie der
Thaliastraße auch nicht abverlangen
kann.“
Ausschließlich online
Das gefällt jedoch nicht allen im Bezirk.
Gerade über das Verschwinden
vieler Parkplätze beschwert sich etwa
die ÖVP: „Von 250 Parkplätzen im ersten
Abschnitt sind rund 150 weggefallen“,
kritisiert Bezirksobmann Stefan
Trittner. „Das ist in der jetzigen Form
vor allem für die Anrainer ein Problem,
die abends nachhause kommen
und dann auf der Suche sehr lange
um den Block fahren müssen. Und
das kann ja nicht im Interesse des
Klimaschutzes sein, wenn so noch
mehr Emissionen entstehen.“ Auf
die Kritik entgegnet Bezirksvorsteher
Prokop: „Eine klimafitte Straße
und deren positive Effekte auf Lebensqualität,
Umwelt und Wirtschaft
kann nur durch Bäume, Wasser und
Steigerung der Aufenthaltsqualität
erzielt werden, das steht auch unter
ExpertInnen außer Streit. Die Thaliastraße
NEU ist ein Kompromiss der
verschiedenen Interessen für eine
klimafitte und zukunftsorientierte
Einkaufsstraße.“
Darüber hinaus stört sich die ÖVP an
dem Ablauf des Bürgerbeteiligungsverfahrens,
das vor der Projektausschreibung
durchgeführt wurde. Die
Ottakringer Bevölkerung war dazu
aufgerufen, vorab ihre Wünsche und
Vorstellungen für die angedachte Umgestaltung
mitzuteilen. Bedingt durch
die Pandemie wurden die Umfrage
aber ausschließlich online durchgeführt:
„Dadurch hatten viele, vor allem
ältere Menschen, nicht die Möglichkeit
teilzunehmen“, bemängelt Trittner.
„Wir haben eine Bürgerbefragung
beantragt, die unverständlicher Weise
abgelehnt wurde.“ Seiner Meinung
nach hätte man daher mit dem Projekt
warten sollen, bis wieder die alte
Normalität eingekehrt ist. ▶▶
08
Reportage
Foto: M.Nachtschatt
Große Beteiligung
Die Gebietsbetreuung der Stadt Wien,
die das Beteiligungsverfahren durchgeführt
hat, spricht dagegen von einem
großen Erfolg. So berichtet der
zuständige Leiter Florian Brand: „Es
wurden um die 2000 Online-Fragebögen
ausgefüllt und es haben sich
auch viele Leute per E-Mail und Telefon
gemeldet, sodass sich fast 3000
Personen beteiligt haben. Das ist ein
Spitzenwert: Wenn wir solche Befragungen
sonst analog machen, sind
dagegen 150 Menschen schon häufig
viel.“ Daher bildet laut Brand diese
Befragung die Forderungen der betreffenden
Anwohnerinnen und Anwohner
gut ab, sodass die auch von
der ÖVP geforderte bezirksweite Bürgerbefragung
über das Projekt nicht
notwendig sei: „Die meisten, die die
Umgestaltung in erster Linie betrifft,
sind nun einmal die, die im direkten
Umfeld der Thaliastraße leben und das
sind circa mehrere Tausend.“
Eine weitere Kritik hört man im Bezirk:
Der Umbau der Straße sei ein
Indiz für eine voranschreitende Gentrifizierung
des Stadtteils. Diesen Einwand
kann wiederum Planer Barthofer
nicht verstehen: „Gentrifizierung ist
es für mich, wenn dahinter ein Plan
steckt, der kommerzielle Interessen
verfolgt. Hier hat eine gewählte Bezirksvertretung
entschieden, etwas
besser zu machen. Und wenn ich
die Qualität von einem öffentlichen
Straßenraum hebe, kann es natürlich
sein, dass Leute finden, dass es sich
lohnt, hierher zu ziehen.“ Ob das gut
oder schlecht ist, darüber lässt sich
wohl immer diskutieren.
Der erste Abschnitt zwischen Gürtel und
Kirchstetterngasse ist bereits fertig. Hier
wurden japanische Schnurbäume gepflanzt:
Sie sind aufgrund ihrer Robustheit gut für das
Stadtklima geeignet.
Foto: DnD Landschaftsplanung
09
@ottakringerflaneur
Sitzgelegenheiten, Bepflanzungen und
Wasserspiele sind die zentralen Elemente
der Umgestaltung.
Foto: Christian Fürthner / PID; M.Nachtschatt
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10 Sport
Foto : Alexandra Folwarski
Nach einiger Zeit vergisst du,
dass es zu einem Kontakt kommt
Cilia, wie bist du zum American
Football gekommen?
Da war ich 15 Jahre alt. Nachdem ich
einige Jahre geturnt hatte, war ich auf
der Suche nach einem Sport mit mehr
Action und – was mir auch wichtig war
– nach einem Teamsport. American
Football habe ich im Fernsehen gesehen
und fand es irgendwie cool. Meine
Mutter hat mir damals geholfen, einen
Verein zu finden.
Wenn ich jetzt mit dem
Footballspielen anfangen möchte:
Gibt es eine Altersgrenze für
Einsteigerinnen?
Nach oben hin eigentlich nicht. Wir
freuen uns immer, wenn neue Frauen
dazukommen. Einfach anschreiben,
vorbeikommen und ausprobieren. Bei
Kindern sind die Nachwuchstrainings
immer gemischt. Erst später werden
die Teams aufgeteilt.
Auf welcher Position spielst du?
In der Offensive spiele ich im Tight
End, also direkt vorne an der Line.
Meine Aufgabe ist es hier, Spielerinnen
zu blocken oder Pässe zu empfangen.
In der Defensive spiele ich seit
diesem Jahr als Linebacker. Da ist die
Aufgabe, das gegnerische Team, das
Text: Alexandra Folwarski
in Ballbesitz ist, zu tackeln und im
besten Fall zu Boden zu bringen.
Was geht dir durch den Kopf,
wenn du vor der Spielerinnenwand
des gegnerischen Teams stehst?
Oh, da blende ich alles aus. Die Aufgaben
sind im Spiel sehr genau verteilt.
Du konzentrierst dich auf deinen Part.
Bei jedem Play hast du eine andere
Aufgabe. Da liegt der Fokus auf dem
Job, den du zu erledigen hast. Nach
einiger Zeit vergisst du, dass es zu
einem Kontakt kommt.
Wie sind die Reaktionen, wenn
du erzählst, dass du Footballspielerin
bist? So gewöhnlich ist das
ja nicht.
Die meisten sind immer sehr überrascht.
Da gibt es noch das Riesenklischee,
dass American Football ein
reiner Männersport sei. Dabei wird
Football auch von Frauen gespielt.
Dennoch ist American Football im Allgemeinen
noch nicht so populär, was
sich zum Glück immer mehr ändert.
Die Regeln scheinen anfangs sehr
kompliziert. Wenn ich von den unterschiedlichen
Spielpositionen und
deren taktischen Aufgaben erzähle,
werden viele doch neugierig.
v.l.n.r.: Cornelia Ettinger, Tanja Kornberger,
Cilia Nagel, Anika Fürnsinn, Carina Vögele,
Cornelia Pripfl; Coach: Cameron Frickey
Frauenfußball genießt immer
größere Popularität. Wie ist es
beim von Frauen gespielten
American Football?
Auch im American Football gab es
einen Zuwachs an Spielerinnen. Das
Nationalteam der Frauen hat bei den
Welt- und Europameisterschaften in
den vergangenen Jahren großartige
Erfolge feiern können. Durch Covid19
und die eingeschränkten Trainingsmöglichkeiten
ist der Trend wieder
zurückgegangen. Die Einschränkungen
sind jetzt zum Glück aufgehoben.
Wir spielen endlich wieder auf dem
Feld und freuen uns auf die kommenden
Saisonspiele.
Wenn ich jetzt zum ersten Mal zu
einem Spiel komme. Worauf sollte
ich achten, um das Spiel verstehen
zu lernen?
Auf jeden Fall solltest du schauen, wo
der Ball ist. Da passiert das meiste.
Such dir eine Position oder eine Person
aus und schau ihr ein paar Plays
lang zu, um die Aufgabe der Position
zu verstehen. Am Anfang sieht alles
etwas chaotisch aus, aber man kommt
da ganz schnell rein.
Cilia Nagel (Bildmitte), 183 cm, lebt seit ihrem
zweiten Lebensjahr in Ottakring und spielt seit
sie 15 Jahre alt ist American Football — seit
2020 bei den Dacia Vikings.
Nächstes Heimspiel:
Dacia Vikings : Salzburg Ducks
So, 07. November, 14:00 Uhr - 17:00 Uhr
Ravelinstraße, 1110 Wien
Bezahlte Anzeige
Sicher gegen
Corona!
Was gilt seit 1. Oktober in Wien?
Regel PCR-Test Antigen-Test
FFP2-
Maskenpflicht
In öffentlichen Verkehrsmitteln
In Amtsgebäuden der Stadt Wien
Im gesamten Handel
Bei körpernahen Dienstleistungen
2,5G
48 Stunden
Für den Schulbesuch
3G
72 Stunden
48 Stunden
Kinder 6-12 Jahre
(keine Testpflicht für unter 6-Jährige)
72 Stunden
48 Stunden
abhängig von
der Örtlichkeit
In der Gastronomie:
• In Lokalen und Restaurants
• In Clubs, Discos und Bars
Bei Veranstaltungen:
• Über 25 Personen
• Über 500 Personen
In Spitälern und Pflegeeinrichtungen:
• Ambulante Patient*innen, Besucher*innen
und Begleitpersonen
• In Spitälern pro Tag nur ein*e Besucher*in
2,5G
2G
2,5G
2G
2,5G
48 Stunden
48 Stunden
48 Stunden
Weitere Infos unter:
gesundheitsverbund.at/besuchsregeln
Impfen:
Lass dich impfen! Die Corona-Impfung
ist hochwirksam und schützt dich!
Testen:
Teste dich regelmäßig kostenlos
und schütze die Menschen in deiner Umgebung!
Hilfe:
Corona-Sorgenhotline:
01 4000 53 000 (täglich von 8 bis 20 Uhr)
24-Stunden Frauennotruf:
01 71 719 (täglich von 0 bis 24 Uhr)
Kinder- und Jugendhilfe:
01 4000 8011 (täglich von 8 bis 18 Uhr)
Legende:
2G: geimpft oder
genesen
2,5G: geimpft,
genesen oder
PCR-getestet
3G: geimpft,
genesen oder
getestet (PCR
oder Antigen)
Alle Informationen unter:
wien.gv.at/coronavirus
INS_48_CASuE_185x270ssp.indd 1 06.10.21 10:22
12
Gastronomie
Foto: Alexandra Folwarski
Alter Charme
und neue Mayonnaise
Text: Lukas Ipirotis
Beinahe wäre im Lockdown mit
dem Café Ritter auch ein Ottakringer
Traditionskaffeehaus Corona
zum Opfer gefallen. Doch der Betrieb
schaffte noch die Kurve.
Tiefgrüne Ledergarnituren, steinerne
Tische und dazu die berühmten Sessel
aus gebogenem Holz. Wer ins Café
Ritter auf der Ottakringer Straße 117
kommt, kann zwischen herumschwirrenden
Kellnern und kartenspielenden
Ruheständlern in eine vergangene
Zeit eintauchen. Direkt an der
wichtigsten Hauptverkehrsstraße des
Bezirks wirkt das alteingesessene Café
Ritter in der Mitte als Ruhepunkt. Ob
im simplen, aber effektiven Schanigarten
oder in dem mit Wandfresken und
glitzernden Kronleuchtern ausgestatteten
prachtvollen Inneren, lädt es seit
mittlerweile über hundert Jahren zum
Einkehren und Verweilen ein.
Kaffeehauskultur hat in Wien bekanntlich
eine lange Tradition. Und es sind
gerade die Vorstadtkaffeehäuser, die
in den äußeren Bezirken immer noch
einen traditionellen Kaffeegenuss wie
vor hundert Jahren ermöglichen, ohne
dabei auf Horden von Touristen zu treffen.
Altmodischer Charme gepaart mit
einer bewusst nachhaltigen Führung,
macht das Café Ritter, das 1907 als Billiard-Café
gegründet wurde, zu einem
dieser Juwelen. Das Café verbindet Tradition
mit neumodischem Bewusstsein
— in Rückbesinnung auf die Wiener
Kaffeehauskultur, mit dem nötigen
Blick in die Bio-Zukunft. Denn dass der
Trend in Richtung nachhaltiger und
lokaler Verköstigung geht, weiß auch
Martina Postl, die Geschäftsführerin
des Café Ritters.
Unter ihrer Leitung machte das Kaffeehaus
nach einer längeren Renovierungsphase
einen Wandel durch, der
das Café in einem neuen Glanz erstrahlen,
es aber dennoch nicht die Bedeutung
eines zweiten Wohnzimmers
verlieren ließ. Der Mokka kann immer
noch zeitungslesend für mehrere Stunden
in einer pittoresken Umgebung
genossen werde. Doch mittlerweile ist
auch garantiert, dass das Fleisch von
altbewährten in Ottakring ansässigen
Fleischereien stammt, der Hauswein
von Wiener Weingütern kommt und
der Fisch in heimischen Gewässern
gefangen wurde. Sogar die Mayonnaise
wird aus Bio-Eiern hausgemacht.
Doch die Altwiener Idylle hat zuletzt
gelitten: Wie so viele andere Betriebe
auch, musste das Café Ritter in den
vergangenen Monaten aufgrund der
anhaltenden Covid-19-Pandemie um
die eigene Existenz bangen. „Für
uns war es nicht leicht“, sagt die
Chefin über jene Zeit. Anfang
2021 ging das Kaffeehaus sogar
beinahe pleite. Rettung nahte in
Form der ,,Stolz auf Wien“-Initiative
der Stadt, die von der Pandemie getroffene
Unternehmen unterstützt.
Doch das Vorhaben scheiterte und das
alteingesessene Kaffeehaus meldete
die Insolvenz an.
Die schlechte Nachricht machte medial
schnell die Runde — viele Menschen
bekundeten ihr Bedauern über
das Aus der Institution. Wohl auch
durch den medialen Zuspruch schaffte
es Postl, ihre Gläubiger mit einem
Sanierungsplan zu überzeugen. Zudem
greift inzwischen nun doch noch
die Stadt dem Café finanziell unter die
Arme. So konnte der Betrieb nach dem
Ende des Wiener Lockdowns wieder
regulär öffnen. „Wir haben es geschafft
und es sind alle Mitarbeiter*innen
wieder zurückgekommen“, freut sich
Postl. Das Café Ritter kann also auch
nach über hundert Jahren immer noch
weiterbestehen — mit altem Charme
und moderner Denkweise.
Inhaberin Martina Postl
13
Oktober
@ottakringerflaneur
Comedyloft: TUBAFFINITY,
DAVID STOCKENREITNER
27. 10. ab 19 Uhr The Loft;
Lerchenfelder Gürtel 37; Eintritt frei
Lesung: Wolfgang Eicher &
Christian Tschinkel
28. 10. 19:00 - 23:00 Uhr
Weberknecht, Lerchenfelder Gürtel 49
Nuestro Jazz & Our Lating Thing
Latin Jazz Jam Session +
DJ Session.
4. 11. und 2.12.
Fania Live – Ubahnbogen 22-23
Abendkassa: 7€/10€ (Ab 18:00)
Musiker: freier Eintritt
Anmeldung und Reservierungen an JJ:
office@ogritoproductions.at oder an
+436642796868 (WhatsUp)
Fesch’markt Wien #23
KLANGPHONICS
30. 10. ab 21 Uhr
Kramladen – U-bahnbogen 39-40, 12€
November
Erstes Wiener Lesetheater -
BLAUSTUNDE
Sprichwörter, Redewendungen,
Phrasen. Jeder kann Texte mitbringen,
vorlesen, vorlesen lassen,
zuhören.
2. 11. + 7. 12. ab 19 Uhr
Heinrich - Thaliastraße 12
12. - 14.11. Ottakringer Brauerei
Fr, 12.11. ↣ 14-22 Uhr
Sa, 13.11. ↣ 11-20 Uhr
So, 14.11. ↣ 11-20 Uhr
Eintritt € 5 / Kids free (bis 12J.)
Franz Bauer - DIENSTSCHLUSS,
Anna Freudenthaler - SMALL TALK
18. 11. 19:00- 21:00 Uhr
SPÖ Ottakring Bezirksorganisation,
Schuhmeierplatz 17-18, Eintritt frei
Elderbrook
20. 11. 18:00 - 23:00 Uhr
Ottakringer Brauerei
Dezember
Ausstellungspräsentation
Walter Kanov – Rakelbilder
3. 11. 18:00- 20:00 Uhr
Heinrich - Thaliastraße 12
Café Drechsler Live
Das Wiener Trio Café Drechsler
spielt im Rahmen seines 20-jährigen
Jubiläums dort wo alles angefangen
hat – Eine Kaffeehaustour
durch ausgewählte Lokale
in Wien.
8. 11. 18:00 - 21:00 Uhr
Cafe Ritter, Ottakringerstrasse 117,
1160 Wien, 20€, Reservierungen unter:
+43 676 5255463 oliver.steger@gmx.at
XING EP Release &
Digital Medicine
Griechischer Tanzabend
© Murathan Muslu (siehe Seite 20)
30. 11. ab 21 Uhr
Kramladen – U-Bahnbogen 39-40, 12€
3. 11. 18:00- 20:00 Uhr
Heinrich - Thaliastraße 12
14
Gürtel Connection #9 25.10.2021
Die Gürtel Connection ist ein Verein,
der aus ortsansässigen Bars und
Clubs am Lerchenfelder Gürtel, zwischen
Thaliastraße und Alser Straße,
besteht. Das Gemeinschaftsprojekt
soll die Vielfältigkeit und Attraktivität
des Gürtelabschnitts unterstreichen
und wieder ins Gedächtnis des Publikums
rufen. Hierfür findet zweimal
im Jahr das gleichnamige Fest statt,
bei dem alle Gäste die Möglichkeit
haben, gegen einen einmaligen Eintritt
(freiwillige Spende), das umfangreiche
Programm aller teilnehmenden
Lokale in Anspruch zu nehmen. Die
gesamten Spendeneinnahmen der
Gürtel Connection werden an wohltätige
Einrichtungen für einen guten
Zweck gespendet. Bei den bisherigen
acht Ausgaben konnten in Summe
€ 159.745.- gesammelt werden. Bei
der nächsten Ausgabe, am 25.10.2020,
gehen die Einnahmen zum einen an
den Verein Wiener Frauenhäuser, der
schon seit fast 40 Jahren Frauen, die
vor der Gewalt ihrer (Ehe-)Männer
fliehen müssen, unterstützt – und zum
anderen an die Orient Express-Frauenberatungsstelle,
ein gemeinnütziger,
politisch und konfessionell unabhängiger
Verein, der eine Frauenberatungsstelle
sowie ein Lernzentrum betreibt.
The Loft
WOHNZIMMER
(Live Akustik/Hip Hop)
20:00 Einlass
20:30 Silvertree Records Takeover:
Maddy Rose, Flickentanz, Momo’s
Marrow
Ab 22:00 Spinelli + Friends,
Monika Orlowska
UNTEN (Live/Beats & Soul)
21:30 Einlass
22:00 Live: Vulvarine
23:30 Live: Rahel
Ab 00:30 Bad&Boujee feat.
The Good Wibe Collective -
DJS: T-Total, Mtasa, Eenyonam, cn
OBEN
(Party/Indie/Rock/Alternative)
Ab 22:30 DJs: Gal Bourdin, Conny
Wanjek, SimOne & Rockchick77
Fanialive
21:00 Live: Kaya Roots Band
Ab 23:00 DJ ANDYLOOP, Wanjek,
SimOne & Rockchick77
Gürtelbräu Wien
Das Gürtelbräu ist ein gemütliches
Bierlokal mit Wiener Küche.
„Wir wollen, dass unsere Gäste gut
und schnell bedient werden und
sich in unserem Lokal rundherum
wohl fühlen, mit gutem Essen,
gepflegten Getränken und der
richtigen Atmosphäre.“
Café Carina
20:30 Live: Da Jo & el Tobo
22:00 Live: MATHO & Vienna
Dancehall Orchestra
23:00 Live: Kostron & sein Manager
00:00 DJs TeamC: DJ sCHEITERN,
DJ Toy, DJ dbooy, DJ Satchmo
wienstation
Die Wienstation versteht sich als
Open Space, der für verschiedene
Kulturveranstaltungen zur Verfügung
steht: Ausstellungen, Theater,
Performance, Video, Lesungen
und Diskussionen. Lineup: tba
Chelsea
20:00 Einlass
20:30 Live: Burnswell
21:30 Live: Glazed Curtains
Ab 22:30 DJ Noize Director
B72
20:00 Einlass
20:30 Live: Stick a Bush
22:00 Live: Mary Janes
Soundgarden
Ab 23:00 Aftershow mit DJ Der Karl
coco Bar
20:00 Einlass
21:00 Freischwimma
Ab 23:00 DJ Willi T.
Rhiz Vienna
21:00 Live: ZINN Ab
22:30 Ashida Park w/ Antonia XM,
Amblio & more
Kramladen
20:00 Einlass
20:45 Live: Werckmeister
21:45 Live: The Chaos Circle
Ab 23:00 DJ-Line „Raveladen #3“
Kramladen
FELSENKELLER
20:30 Doors Warm Up mit
MaSTa HuDa Ab
21:30 Live: Nicki Papa
Live: Timi Live: 7meta
Live: Saiya Tiaw
DJs: Lilah und Purplecloudtex
Ab 00:00 After-Show-Party
mit MaSTa HuDa
WINTERGARTEN
Ab 19:00 DJ-Line mit Stoma,
AEstatic, Groundlevel Vienna
Ab 06:00 After Hour mit
DJ Crux & Friends
Loop Wien
21:30 Live: Rey Lenon
22:30 Live: Skofi & Skyfarmer
23:30 Live: DJ Okkarin feat. Christoh
01:30 TORI
Weberknecht
GEWÖLBEKELLER:
21:00 Live: Onkel Gusta
22:00 Live: My Neighbor Lou
23:00 Live: Bipolar Feminin
Ab 00:00 Party DJ Line
KERNÖFFNUNGSZEITEN:
Mo - Fr: 9.00 bis 18.00 Uhr
Sa: 9.00 bis 17.00 Uhr
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16 Nachtleben
Am Gürtel steht bald ein
großer Geburtstag an: Das Chelsea
wird 35 Jahre alt. Chef Othmar
Bajlicz lässt es daher im November
ordentlich krachen.
Als Othmar Bajlicz 1982 sein Karriereende
als Profifußballer bekannt gab,
begann er einen Bürojob und merkte
schnell, dass hackeln von 9 to 5 nicht
das war, was ihn glücklich machen
würde. Man muss dazu wissen, dass
Fußballprofis damals so viel verdient
haben wie Fabrikarbeiter. Man war
meilenweit von den Gehaltsexzessen
der heutigen Ligen entfernt. Ein wenig
konnte sich der Rockfan dennoch
zusammensparen, um seine Leidenschaft
zum Beruf zu machen. Die
Kinks und die Rolling Stones waren
große Favoriten, aber auch die aus
England nach Wien schwappende New
Wave und die Punkbewegung
begeisterten den Ex-Profi. Und
so eröffnete der Rock-Fan in
der Piaristengasse 1 einen Live-
Club, das legendäre Chelsea. Ein
Club, der das Wiener Nachtleben
nachhaltig und bis heute prägen
sollte.
Als Anwohnerbeschwerden zunahmen
und der heutige Standort in den
U-Bahnbögen am Lerchenfelder Gürtel
frei wurde, übersiedelte der Club. Das
ist inzwischen über 30 Jahre her. Müde
ist Bajlicz aber noch lange nicht: „Solange
ich auf zwei Beinen stehe, wird
es das Chelsea geben.“ Soundgarden
haben hier, bevor sie berühmt wurden,
gespielt. Die Toten Hosen waren
regelmäßig zu Gast und auch heute
noch schauen sie auf ein paar Drinks
nach ihren Wien-Konzerten bei Othmar
vorbei. Mit Campino ist er mal
bis in die frühen Morgenstunden am
Naschmarkt versackt, aber das ist eine
andere Geschichte. Die Ärzte, Cornershop,
Beth Ditto, Sleaford Mods, Die
Aeronauten, Stereo Total, Die Sterne,
Turbonegro — sie alle und noch viele,
viele mehr waren seitdem zu Gast und
die Liste ließe sich beliebig verlängern.
Text: Lars Bulnheim
„Solange
ich auf zwei
Beinen stehe,
wird es das
Chelsea
geben.“
Fußball-Liveübertragungen, bevorzugt
aus der englischen Premier League,
aber auch die Serie A sowie die österreichische-
und die deutsche Bundesliga
werden dort gezeigt. Der Name
„Chelsea“ ist kein Zufall: An einem
festen Platz am Tresen verfolgt Othmar
Bajlicz dort mit einem Guinness
in der Hand seinen Lieblingsverein,
den FC Chelsea. Am Wochenende wird
es abends bummvoll — Indierock und
Artverwandtes wird von wechselnden
DJs aufgelegt. Zum 35-jährigen Jubiläum
des Clubs lässt man es nochmal
ordentlich krachen: Vom 10. bis
zum 25. November finden fast täglich
Livekonzerte statt. Den Anfang macht
UK-Punklegende TV Smith, der einzige
Gast aus dem Ausland diesmal, weil
coronabedingt noch wenige internationale
Acts auf Tour sind.
Aber Lokalmatadore wie Attwenger,
Austrofred und Bulbul stehen ebenfalls
auf dem Programm wie auch
Franz Fuexe aus Niederösterreich.
Mit Geburtstagen kennt man sich im
Chelsea aus: Wayne Kramer, Gitarrist
der legendären Protopunks MC5 aus
Detroit feierte dort seinen fünfzigsten
Geburtstag und bekam eine Torte mit
ordentlich Marmelade auf die Bühne
geliefert mit der Aufschrift: „Kick out
the Jam(s)!“. Auf 50 Jahre kommt das
Chelsea auch noch – jede Wette. Ein
Prosit auf die nächsten 15 Jahre.
17
OttakringerFlaneur.com
1 An der Theke
Der Eröffnungsabend im neuen Chelsea am Lerchenfelder Gürtel
1995. Vieles hat sich seitdem nicht verändert: Die Musik ist weiter
laut und gitarrenlastig und das Bier fließt immer noch in Strömen.
1 2
2 Die Aeronauten
Die Schweizer Band hat Mitte der 90er Jahre mit ihrem Album
„Gegen Alles“ für Aufsehen gesorgt. Ihre lustig-melancholischen Texte
und ihr stürmischer Popappeal waren einzigartig. Leider starb Sänger
Olifr Maurmann alias GUZ (links im Bild), der letzte gelernte Schildermaler
der Schweiz, 2020 an einem Herzinfarkt. Dieses schöne
Foto möge an einen großartigen Musiker und tollen Typen erinnern.
3 Die Sterne
Frank Spilker, der baumlange Frontmann der funky Truppe „Die
Sterne“ aus dem hohen Norden, die neben Tocotronic heute noch die
Fahne der sogenannten „Hamburger Schule“ hochhält, bespielte das
Chelsea-Publikum im Jahre 1996 mit strenger Diskurspop-Lyrik und
rumpeligen Beats.
4
4 Eröffnung
Die Zeit der Dorfmusik war vorbei, eine neue Epoche begann: Der
Flyer zur Chelsea-Eröffnung anno 1986. Die Überraschung aus Berlin:
Die Lolitas — mit Françoise Cactus am Schlagzeug, später die
Sängerin von Stereo Total.
5 Stereo Total
Die Band bei ihrem Chelsea-Gastspiel als DJ-Team im Jahr 1997. Die
Wahlberlinerin Cactus ist Anfang dieses Jahres bedauerlicherweise
auch verstorben. Ruhe in Frieden, Françoise: Du hast den Rüpeln in der
deutschen Hauptstadt beigebracht, was Charme bedeutet und den
Wienern gezeigt, dass man zu Pop mit französischem Zungenschlag
hervorragend den Boogaloo und den Watusi tanzen kann.
3 The Raymen
Der Punk’n’Roll von The Raymen ließ Ende der 80er Jahre im alten
Chelsea die Wände wackeln. Man munkelt, die Nachbarn in der Piaristengasse
fanden das Konzert zu laut, heute donnert die U6 über das Dach
des Chelsea-Quartiers am Lerchenfelder Gürtel und Dezibelprobleme
gehören der Vergangenheit an.
3
Fotos: ZVG
5 6
18
Portrait
Murathan Muslu ist ein
vielgefragter Schauspieler und
deshalb ständig in der Welt
unterwegs. In den 16. Bezirk
kehrt er aber immer wieder
zurück: „Ich bin hier geboren und
ich sterbe hier“. Der Ottakringer
Flâneur traf ihn zu einem
Gespräch in seinem Grätzl.
Foto: Andreas Tischler
Es ist der Tag nach der Premiere von
„Hinterland“, an dem wir Murathan
Muslu treffen. Er kommt gerade von
einem Meeting mit alten Ottakringer
Freunden, mit denen er ein Musiklabel
gegründet hat. Schnell wird klar:
Muslus Terminkalender ist voller als
der Yppenplatz an einem sonnigen
Samstag im Juli. Trotzdem nimmt er
sich viel Zeit, um mit uns zu sprechen.
„Hinterland“ ist der neueste
Film von Oscar-Preisträger Stefan
Ruzowitzky. Muslu spielt darin den
Kriegsheimkehrer und Ex-Kriminalbeamten
Peter Perg, der schwer traumatisiert
aus der Kriegsgefangenschaft
in ein dystopisches Wien heimkehrt.
Wien, das vorher stolze Zentrum des
K.u.K-Imperiums, ist jetzt die verkommene
Hauptstadt einer nun winzigen
M
TH
MU
Ersten Republik voller zwielichtiger
Gestalten und Gewalt. Der Film ist
eine Hommage an den expressionistischen
deutschen Film: „Metropolis“,
„M — Eine Stadt sucht einen Mörder“
und „Das Cabinet des Dr. Caligari“
werden visuell zitiert. Filme, die vor
100 Jahren das Kino revolutioniert
haben — ein großes Erbe also, dem
sich der Darsteller und sein Regisseur
stellen. Muslu verkörpert den vom
Krieg seelisch zerstörten Perg mit
düsterer Präzision und der Vergleich
mit Heinrich George, der in Phil Jutzis
1931 gedrehtem „Berlin Alexanderplatz“
den Franz Biberkopf darstellt,
kommt nicht von ungefähr. „Ick finde
mir einfach nicht mehr zurecht“, berlinert
Biberkopf, entlassen nach langer
Haftstrafe, in der Romanvorlage von
Alfred Döblin. Dieselbe Stimmung,
in die eigene, fremdgewordene Stadt
heimzukehren, fängt Muslu in „Hinterland“
mit Bravour ein.
Aus eigener Kraft
„Es war Glück und Zufall, dass ich in
der Filmbranche gelandet bin“, erzählt
Muslu. „Ich habe damals eigentlich
Musik gemacht“. Gemeint ist die Hip-
Hop-Crew Sua Kaan, die 2010 die österreichischen
Charts mit dem Album
„Aus eigener Kraft“ aufmischte. „Wir
waren Kids, die im Park abhingen,
aber wir wollten Kunst machen. Das
Album haben wir so genannt, weil
wir das alles selbst, aus eigener Kraft,
auf die Beine gestellt haben.“ Umut
Dağ, der die Musikvideos der Band
19
OttakringerFlaneur.com
Durch die
Decke
schießt
du erst,
wenn etwas
wirklich
beißt
URA
AN
SLU
Text: Lars Bulnheim
gedreht hat, studierte damals an der
Filmakademie bei Michael Haneke
und musste einen Kurzfilm als Abschlussarbeit
abliefern. „Da hat er im
Sinn gehabt, dass ich dort mitspielen
soll. Und ich habe mir nur gedacht,
das kann ich nicht“, bekennt Muslu.
„Aber da der Umut uns so viel mit
den Musikvideos geholfen hat, habe
ich ihm gesagt: ‚Wenn du denkst, dass
ich dir helfen kann, mache ich das
gern. Aber ich glaube nicht, dass ich
der Richtige bin.‘“ Der Kurzfilm „Papa“
gewann dann überraschenderweise
viele Preise — etwa den „First Steps
Award“ in Deutschland und auf der
Diagonale in Graz wurde der Film
ebenfalls ausgezeichnet. „Umut hat
mich dann für seinen ersten Spielfilm
„Kuma“ besetzt. Zur gleichen
Zeit habe ich, eher zufällig, an einem
Casting für den Wiener Tatort mit
Adele Neuhauser und Harald Krassnitzer
teilgenommen. Die Regisseurin,
Sabine Derflinger, hat gleich gesagt:
„Den nehma!“ Und mit meiner heutigen
Erfahrung in der Branche kann
ich sagen, das passiert so nicht oft.
Danach wurde die Branche langsam
aufmerksam auf mich.“
Gejagt und gefunden
Die in Berlin ansässige Künstleragentur
von Klaus Kelterborn nahm Murathan
Muslu schließlich unter ihre
Fittiche. „Der Klaus lief irgendwie auf
allen Partys rum, auf denen ich auch
war. Er hat mich gejagt und gefunden.
Ich habe am Anfang nicht kapiert, was
der Typ wollte. Ich dachte wie ein typischer
Ottakringer: ‚Der will mich nur
abzocken‘“, lacht er. „Dann habe ich zu
ihm gesagt: ‚Du Klaus, ich unterschreibe
nichts, aber wir können das per
Handschlag regeln.‘ Heute weiß, ich,
dass das ein wichtiger Schritt für mich
war. Ich bin in den besten Händen und
auch das ist in der Filmbranche weiß
Gott nicht selbstverständlich.“ Seitdem
spielt Murathan Muslu neben den Großen
der Branche — etwa Iris Berben,
Moritz Bleibtreu, Ursula Strauss, Nina
Hoss oder Frederick Lau — in etlichen
TV- und Filmproduktionen mit und
räumt Preise wie den Österreichischen
Filmpreis als bester Darsteller ab. „Ich
persönlich habe ein Faible für Schauspieler,
die sich ständig verändern.
Nur ist es in Mitteleuropa so, dass
sich die meisten Drehbücher ähneln.
Als Beispiel nehmen wir einmal den
klassischen Polizisten im deutschen
Film: Er hat Probleme, die Frau ist weg,
vielleicht trinkt er zu viel, dann kommt
ein Fall, den er lösen muss und beim
nächsten Drehbuch ist es wieder das
Gleiche. Viele Caster und Produzenten
könnten sich ruhig etwas mehr trauen.
Denn man wird als Schauspieler
schnell in eine Schublade gedrängt,
obwohl man von sich vielleicht selbst
überzeugt ist, auch andere Formen von
Figuren spielen zu können. Ich würde
es begrüßen, wenn man in Mitteleuropa
mehr Mut aufbringen würde und
Schauspielern die Chance gibt, auch
andere Rollen zu spielen.“
Glaube an die Kunst
Er führt weiter aus: „Wenn man die
internationale Branche betrachtet, ändert
sich das langsam, Schauspielerinnen
und People of Colour werden dort
viel mehr involviert und bekommen
viel häufiger Hauptrollen und das ist
gut so. In Mitteleuropa hinken wir da
hinterher.“ Aber über diese Zustände
zu jammern, ist nicht Muslus Art:
„Ich glaube fest an die Kunst und an
den Film und das sich das langsam
wandeln wird. Wenn Du im Vorhinein
bestimmst, dass das ein Weißer
spielen muss, ist Chancengleichheit
nicht gegeben. Ich glaube, es ist intelligenter,
schon im Skript eine Figur
zu kreieren, die alles sein könnte und
der Beste beim Casting soll dann die
Rolle bekommen. Alles steht und fällt
mit den Drehbüchern. Ich würde mir
daher wünschen, dass man die Drehbücher
nicht so schwarz-weiß hält.
Wenn man schwarz-weiß denkt, wird
das Endprodukt nicht bunt.“
Das Gerede von der starren Gesellschaft,
in der es keine Aufstiegsmöglichkeiten
gibt, passt ihm ebenfalls
nicht: „Es gibt Leute aus meinem Umfeld,
die sind Anwälte, Ingenieure oder
Fußballnationalspieler geworden. Ich
bin vielleicht der Erste mit Migrationshintergrund
— ich kann nicht fassen,
dass ich dieses Wort sage — der in
Österreich einen Filmpreis erhalten
hat. Das ist es aber auch.“ Man wird
bei Murathan Muslu das Gefühl nicht
los, dass er ein nahezu britisches Understatement
an den Tag legt und all die
kleinen Zufälle, die ihn dahin gebracht,
wo er ist, vielleicht doch mehr mit ihm
und seinem Talent zu tun haben, als
er zugeben mag. „Jetzt ist gerade viel
Wirbel um mich, aber spätestens zu
Weihnachten ist das vorbei. Durch
die Decke schießt du erst, wenn etwas
wirklich „beißt“. Nimm Kida Khodr
Ramadan, den Hauptdarsteller von „4
Blocks“: Wenn ich mit dem unterwegs
bin, will jeder ein Foto von dem. Ich
würde nicht sagen, dass ich bekannt
bin, ich bin noch weit davon entfernt.
Vielleicht bin ich ein Promi in Ottakring,
mehr aber auch nicht.“ ▶▶
Murathan Muslu, geboren 1981 in
Wien, wirkt als Schauspieler
in zahlreichen Kinofilmen
(„Kuma“, „Wilde Maus“,
„Die Hölle“, „Pelikanblut“) und
TV-Produktionen mit („Tatort“,
„Vorstadtweiber“, „CopStories“,
„Schnell ermittelt“, „Skylines“).
Für „Risse im Beton“ (Regie:
Umut Dağ) erhielt er 2015 als
bester männlicher Darsteller den
Österreichischen Filmpreis. Aktuell
ist er im Kino in „Hinterland“,
dem neusten Werk von Oscar-
Preisträger Stefan Ruzowitzky, in
der Hauptrolle zu sehen.
20 Portrait
Wenn Murathan Muslu aufs Kino zu sprechen
kommt, hört er gar nicht mehr auf. Man merkt
sofort: Für ihn ist das Filme machen nicht nur
ein Beruf, sondern eine Leidenschaft.
Foto: Alexandra Folwarski
Die Hookline OTK
Was viele nicht wissen, Murathan
Muslu hat das Kürzel OTK geschaffen.
„Ja, das ist mein Ding, ich habe es
erfunden. Das war 1996 als ich noch
Musik gemacht habe. Ich wollte eine
Hookline schreiben und ‚Ottakring‘
war einfach zu lang für die Hook,
es hat phonetisch nicht reingepasst,
also habe ich es abgekürzt — O T K.
Ich bin nicht stolz darauf, dass das
jetzt als Graffiti an jeder Häuserwand
steht, aber irgendwie freut es mich
schon, dass sich das Kürzel bis heute
gehalten hat.“ Wir sprechen über Ottakring
und den Wandel, den der Bezirk
vollzogen hat. „Ich bekomme da wenig
mit. Ich bin immer auf Reisen, seit ich
in der Filmbranche bin. Für mich ist es
sehr einfach: Ich kenne hier sehr viele
Leute, hier ist mein Umfeld, ich treffe
Leute auf der Straße, die ich seit Ewigkeiten
kenne und das stellt mich zufrieden.
Ich fühle mich hier wohl und
es wird immer der Ort an sein, an den
ich zurückkehre. Ich bin hier geboren
und ich sterbe hier.“ Überhaupt ist er
immer in Bewegung. Auf die Frage, ob
er die mit den Corona-Lockdowns verbundene
Zwangspause als belastend
oder existenzbedrohend empfunden
hat, antwortet er: „Gedreht habe ich
nicht viel — „Vorstadtweiber“ für den
ORF und für das ZDF die Miniserie
„Die Macht der Kränkung“ von Umut
Dağ. Ansonsten habe ich an vielen
Projekten gearbeitet und das war für
mich super, weil ich schon bei der
Entstehung involviert war. Es war für
mich eine sehr konstruktive Zeit, weil
ich mich auf zukünftige Projekte konzentrieren
konnte. Ich habe mir immer
gewünscht, von Anfang an dabei zu
sein und nicht erst mit dem fertigen
Drehbuch ans Set zu kommen. Es gibt
eine Menge Projekte, die während der
Lockdowns entstanden sind und hoffentlich
bald umgesetzt werden und
darauf freue ich mich sehr.“
Wie unter einem Brennglas
Ein Projekt davon führt ihn zurück
zu seinen Anfängen — der Musik: „Es
ist ein Herzensprojekt von mir und
zwei Freunden und wir wollen diesen
Künstler pushen. Jeder von uns hat
Bock gehabt und jetzt sind wir am
Start: Wir bringen das Album „5 vor
12“ von Ben Saber raus. Wir haben gemeinsam
etwas kreiert, was für Furore
in Österreich sorgen wird. Wir haben
für Ben ein Gesamtpaket gemacht, visuell
und soundtechnisch. Er hat eine
Weltklasse-Stimme und wir hoffen im
Dezember rauszukommen. Wir haben
gerade ein Video abgedreht mit dem
Regisseur Markus Gasser, der Second-Unit-Regisseur
bei ‚Hinterland‘
war. Es waren 40 Leute am Set, alle
haben für die eine Sache gearbeitet,
nämlich für die Kunst und ich glaube
wir haben da einige fette Bilder gemacht.“
Unser Gespräch wendet sich
am Ende zum Film im Allgemeinen:
Denn mit Murathan Muslu übers Kino
zu sprechen, macht schlicht und einfach
großen Spaß. Er ist ein Filmnerd,
der in einer Videothek aufgewachsen
zu sein scheint und man spürt seinen
Enthusiasmus, wenn er ruft: „Den
müsst ihr sehen!“ Wie unter einem
Brennglas werden Filme durch seine
Erzählungen lebendig. Er seziert,
beschreibt detailverliebt, redet über
die Besonderheiten einzelner Schauspieler
von Al Pacino bis Bud Spencer.
Am Schluss unseres Gesprächs steht
eins jedenfalls fest: Murathan Muslu
liebt den Film und der Film liebt ihn
zurück. Sollte „Hinterland“ nicht der
Streifen werden, der „beißt“, dann ist
es nur eine Frage der Zeit, bis das richtige
Drehbuch in seinem Briefkasten
in Ottakring landet.
„Wenn man
schwarzweiß
denkt,
wird das
Endprodukt
nicht bunt.“
21
Orte
@ottakringerflaneur
Der Gemeindebau
als Kunstlabor
Text: Diana Carolina El Masri
zum Mitmachen für die gesamte
Nachbarschaft. Diese Räume können
ebenso für Veranstaltungen, Seminare
und Workshops gemietet werden. Die
Kunstschule Wien hat einen zusätzlichen
Unterrichtsraum dazugewonnen.
Dieser kann in den unterrichtsfreien
Sommermonaten gemietet werden.
Auf der restlichen Fläche befinden
sich sechs Atelierwerkstätten.
Das persönliche Paradies
Foto: Mehmet Emir
Im Sandleitenhof herrscht gerade
reger Betrieb: Die neuen Studios
der Kulturinitiative „SOHO in
Ottakring“ wollen der Kreativität
im Grätzl neue Impulse geben.
Kulturschaffende wie auch Kunstliebhaber
können sich auf die elf neuen
renovierten Räume im Ottakringer
Sandleitenhof freuen. Hier entsteht
aktuell ein dauerhafter Ort für Kunst,
Kultur und sozialen Austausch. Vom
12. bis 28. Oktober 2021 feiert der Kulturverein
„SOHO in Ottakring“ die Eröffnung
der SOHO Studios in der Liebknechtgasse
32 unter dem Motto: „Wie
ist das mit dem guten Leben?“ Mit
einem vielseitigen Kunst- und Kulturprogramm
zeigen kreative Köpfe in der
Ausstellung vier Projekte in und mit
der Nachbarschaft. Dazu kommt ein
umfangreiches Begleitprogramm mit
Film-Screenings, Führungen, Gesprächen
und Performances. Mit einem
barrierefreien Zugang und freiem Eintritt
öffnen die SOHO Studios täglich
von 16 bis 20 Uhr für Interessierte.
„Ursprünglich fanden im Sandleitenhof
viele Ideen Einzug, die uns auch
heute beschäftigen: Qualitätsvolles
und leistbares Wohnen, Kultur für
klein und groß im nahen Umfeld und
lebendiger sozialer Austausch. Das
Einbeziehen der Nachbarschaft ist
uns ein zentrales Anliegen“, erklärt
SOHO-Initiatorin Ula Schneider. Auf
insgesamt 1.530 Quadratmetern bieten
die elf renovierten Kulturräume
ausreichend Platz für Kunst, Kultur
und Nachbarschaftsprojekte. Die Idee
ist, den Nachbarschaften Kunst und
Kultur zu vermitteln, neue Ideen zu
sammeln, Projekte zu schaffen, um
einen sozialen Austausch in unmittelbarer
Nähe stattfinden zu lassen.
Offener Raum zum Mitmachen
Durch die baulich-architektonische
Leitung des Ateliers Kaitna Smetana
Ziviltechniker GmbH mit Unterstützung
von Wiener Wohnen, sowie
durch Förderungen von der MA 7 Kultur,
Ottakring Kultur und einer Mitfinanzierung
der Kunstschule Wien
wurde der Umbau der SoHo Studios
ermöglicht. Die Ausstellung in den
neuen Räumen findet in der Säulenhalle
„Kunstlabor“ und im „Freiraum“
statt. Hier entsteht ein offener Raum
Mehrere Monate dauerte die Vorbereitung
der vierteiligen Ausstellung, die
auch vom Bundeskulturministerium
und der Arbeiterkammer Wien unterstützt
wird. „PARA_DEIS* - Komm! Wir
machen uns die Welt zum Paradies“
etwa ist ein beteiligendes sozial-kulturelles
Projekt, bei dem die Menschen
im Sandleitenhof auf unterschiedliche
Weisen ermutigt wurden, das
persönliche Paradies im Wohnumfeld
künstlerisch darzustellen. Unter
dem Titel „Mein Glück interessiert
mich nicht“ zeigt die Künstlerin Franzi
Kreis Fotoporträts — eine Sammlung
emotionaler und nostalgischer Bilder,
entstanden in der Nachbarschaft des
Sandleitenhofs. In einem weiteren
Projekt stehen die historische Bedeutung
und die zeitgenössische Rezeption
des kommunalen Wohnbaus
in Wien im Vordergrund. „Das rote
Wien_REVISITED“ beschäftigt sich
unter anderem mit der Frage: Wie
schauen die heutigen Lebens- und
Arbeitsbedingungen im Gemeindebau
aus? „Happy Tagebuch“, „Glücksbox“
und „Ein Brunnen für Sandleiten“ sind
wiederum kollaborative Projekte, die
in Kooperation mit der Bücherei Sandleiten,
Anrainerinnen und Anrainern
sowie Studierenden des künstlerischen
Lehramts der Akademie der
bildenden Künste entstanden und
sich mit der gesellschaftlichen und
kulturellen Dimension von Glück auseinandersetzen.
Zusätzlich wird das
Hauptprogramm der Ausstellung von
Künstler-Talks, Performances und vielem
mehr begleitet. Somit bekommt
im Sandleitenhof der Bezirk derzeit
einiges zu hören und zu sehen.
22 Geschichte In jedem Wiener Beislwinkel und in
Ein haushoher
Wiener Schlawiner
Text: Lukas Ipirotis
Gewalt, Glücksspiel und
Gefängnis: Kurt Girk, der
„Frank Sinatra von Ottakring“,
hat nichts ausgelassen.
Der neue Dokumentarfilm
„Aufzeichnungen aus der
Unterwelt“ reist nun in seine
bewegte Vergangenheit.
allen Heurigenecken lauert eine Geschichte.
Manche davon sind herzzerreißend
traurig, andere wiederrum
wunderbar fröhlich. Doch die meisten
sind eine melancholische Mischung
aus beidem. Das beweist auch der Dokumentarfilm
„Aufzeichnungen aus der
Unterwelt“ des Regie-Duos Tizza Covi
und Rainer Frimmel. In einer Reihe von
Interviews, die passenderweise in tristem
schwarzweißen Wirtshauskulissen
aufgenommen wurden, beleuchten die
Filmemacher zwei skurrile Artefakte
einer illustren Wiener Nachtwelt, die
für viele heutzutage wohl kaum noch
greifbar erscheint. Im Fokus stehen
hierbei der als „Frank Sinatra von Ottakring“
bekannte Mundartsänger Kurt
Girk und der bullige fremdbezeichnete
„König der Wiener Unterwelt“ höchstselbst:
Alois Schmutzer. Sie erzählen
darin von einem wilden Wien in den
60er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts
— als es im vom Zweiten
Weltkrieg gebeutelten Ottakring und
Meidling zwischen Gefängnisaufenthalten
und Heurigenbesuchen für aufbegehrende
Männer viele Möglichkeiten
gab, in Schwierigkeiten zu geraten.
23
Die Härte des Gesetzes
Und in Bedrängnis gerieten die beiden
Bilderbuchspitzbuben mehr als
nur einmal. „Mit dem ham‘s net raufn
brauchn“, beschreibt der ergraute Kurt
Girk den von seiner Schwester als
,,Gerechtigkeitsfanatiker“ bezeichneten
Alois Schmutzer. „Die Härte des
Gesetzes haben’s uns immer gezeigt“,
kontrastiert der gelernte Fleischhacker
wiederum. Beide verbrachten
Jahre ihres Lebens in österreichischen
Gefängnissen und sahen sich selbst
natürlich als unschuldig. Dass die
zwei Wiener Originale und haushohen
Schlawiner während der Zeit des
Nationalsozialismus aufwuchsen und
in den Wirren nach dem Krieg ihren
Lebensunterhalt verdingen mussten,
begünstigte indes nur ein Ausweichen
auf die schiefe Bahn. Oftmals mussten
sie mitansehen, wie sich jüdische
Freunde und Bekannte vor Angst und
Verzweiflung das Leben nahmen. Für
den rebellischen Kurt Girk hieß es
schon da: „Nazis — schaut’s, dass
weiter kommt’s.“
Bestechung mit Geselchtem
Untergrund mit einem Dasein im Gefangenschaft
tauschen musste. Durch
Erzählungen und Zeitzeugenberichte
schaffen es Covi und Frimmel ein Bild
einer längst vergangenen Epoche zu
malen, die zwar nicht lange anhielt
und schnell in Vergessenheit geriet,
@ottakringerflaneur
aber dennoch durch Glücksspiel und
Gewaltexzesse sehr ereignisreich war.
Eine Zeit, die wohl nur noch in dunklen
Wirtshausecken erzählt und weiterleben
kann.
Alois Schmutzer hingegen, dessen
Vater gegen Ende des Krieges in
ein Konzentrationslager deportiert
wurde, lernte früh, dass sich Gesetze
oftmals umgehen und anpassen
ließen. So schaffte es die Schlachterfamilie
durch genug Überredenskraft
und eine ordentliche Portion Bestechungsgeselchtem,
den Vater aus der
Gefangenschaft zu befreien. In der
Retrospektive scheint es fast so, als
hätten die beiden Schmutzer-Brüder,
allen voran Alois, mit ihrem Hang
zur handgreiflichen Gewalt kaum
eine andere Wahl gehabt, als in den
1960er-Jahren ihre Fähigkeiten der
Wiener Unterwelt zugutekommen
zu lassen. Ein Wiener Nachtleben,
das auch der gebürtige Ottakringer
Kurt Girk für sich entdeckte. Im
illegalen Glückspiel „Stoß“ fanden
sie einen Draht zueinander. Bis es
nach einem gescheiterten Postraub,
den Girk als ,,größte Gemeinheit, die
wos gebn hat“ bezeichnet, zu einer
mehrjährigen Haftstrafe kam. Der
König der Unterwelt musste indes
den gewaltsamen Tod seines Bruders
hinnehmen, bevor auch er für
längere Zeit sein Leben im Wiener
© Stadtkino Filmverleih
24
Ottakringer Live Ticker: Bühne16 – Amateurtheater Wien
Foto: Michael Marlovics
In seiner Kolumne besucht unser Autor
Tino Schlench ganz unterschiedliche Plätze
und Orte im 16. Bezirk. Als teilnehmender
Beobachter hält er dabei protokollartig
fest, welche Szenen und Gespräche sich
um ihn herum ereignen. So oder so ähnlich.
Ein Sonntag im Oktober
Sebastian Kurz ist schon zum
zweiten Mal kein Bundeskanzler
mehr. Politisches Laienschauspiel.
Dann lieber gleich ins richtige
Amateurtheater. Ein Improvisations-Abend
der Bühne16 in
Ottakring.
18:51
Eine große Menschentraube vor dem
Theatereingang. Viel Bier, viel Nikotin
und verhaltene Umarmungen. Die
meisten hier scheinen sich zu kennen.
18:56
Der Vorraum im Hochparterre ist zu
klein, um Foyer genannt zu werden.
Der Mann an der Kasse erklärt mir das
Ticket. Es sei gleichzeitig Eintrittskarte,
Sitzplatzmarkierung und Notizzettel für
ein Spiel in der Pause. Ein Gewinnspiel?
Womöglich für eine Rolle im Stück?
18:59
Die Sorge um einen ungewollten Auftritt
treibt mich zum Büffet. Mir wird
zu einem Bio-Bier geraten. Mild, süffig,
nicht metallisch. Passt.
19:01
Mit meinem Bier tapse ich in den
Theatersaal. Rote Sessel und Vorhänge.
Entspannte Puff-Atmosphäre also.
19:05
Langsam trudeln auch die anderen
Gäste ein. Sehr hohe Pärchen-Dichte
(hetero).
19:07
Zu meiner Rechten hat sich eines der
vielen Pärchen (hetero) eingefunden.
Beide sind ganz schmal und tragen
enge Oberteile.
19:09
Auftritt Günter, der Kassenmann von
eben. Laut Website ist er auch der
Versicherungsvertreter des Hauses.
Das schafft Vertrauen.
19:11
Es folgt eine Einführung in die Welt
des Improvisationstheaters: Hier sei
nichts einstudiert, aber alles möglich.
Zudem sei das Publikum gefragt.
Durch Zurufe und Applaus könne
jederzeit auf das Bühnengeschehen
eingewirkt werden.
19:13
Weil Zurufe und Applaus wichtig sind,
werden sie nun geprobt. Mehrfach.
Und noch einmal. Also wirklich oft.
Lockerungsübungen folgen.
19:17
Die Schauspieler:innen laufen ein.
Sechs Damen und zwei Herren. Und
Günter spielt ja auch irgendwie mit.
Vom Bühnenrand. Er ist das Nummern-Girl,
das dem Publikum den Namen
des kommenden Formats verrät.
Diese Formate verleihen dem Abend
eine lose Struktur.
19:19
Der Abend beginnt mit einem „Marathon“,
da zwei Schauspielerinnen
einen solchen andeuten und dabei ins
Gespräch kommen. Beim Stichwort
„Freeze“ kommt es zu einem Figuren-Wechsel.
19:21
Günter fragt das Publikum nach einem
ausgefallenen Hobby. Jemand
sagt „Kitesurfing“. Erste Andeutung
eines Geschlechtsaktes auf der Bühne.
Erstaunlich spät eigentlich. Ein Kleinkind
zwei Reihen hinter mir fängt an
zu weinen.
19:23
Nach weiteren Beischlaf-Andeutungen
stellen die Schauspieler:innen
eine Szene aus „Dirty Dancing“ nach.
Die Technik reagiert schnell, prompt
ertönt „Time of my Life“.
19:24
Die dirty Hebefigur misslingt gewaltig.
Der Sturz der Behobenen ist war zwar
nur angedeutet, doch beim Aufstehen
ist ihr Gesicht fast so rot wie der Bühnenvorhang.
Dafür hat sie sich einen
Scheidungsantrag verdient. Zustimmender
Applaus des Publikums.
19:33
Weil ich nebenher mitschreibe, bin ich
sehr ruhig. Ich lüge meiner Sitznachbarin
ins schmale Gesicht, ich sei versierter
Journalist mit Ladehemmung.
Für meine investigative Reportage
über den Wiener Theater-Underground
sei volle Konzentration und
eine Fülle an Notizen unerlässlich. Sie
dreht sich wieder zu ihrem schmalen
Freund. Passt.
19:36
Das nächste Format erinnert an eine
schlecht synchronisierte Werbesendung
aus den 90ern. Zwei Schauspieler:innen
bewegen nur die Lippen,
während zwei andere am Bühnenrand
für sie sprechen. Was verkauft wird,
entscheidet erneut das Publikum.
Gesucht wird nach einem nutzlosen
Haushaltsgerät, das im Grunde niemand
verwendet. Die Zuschauer:innen
entscheiden sich für einen Herd.
19:39
„Zeig mir doch mal das gute Stück!“
Endlich ein Penis-Witz.
19:41
„Na dann holen wir mal die Töpfe
raus!“ Endlich ein Witz über Töpfe.
19:46
Günter kritisiert den verhaltenen Applaus
als „Floridsdorf-Edition“. Das will
man sich hier nicht gefallen lassen.
19:50
Es folgt ein Kriminalformat. Gesucht
wird nach einem passenden Mordwerkzeug.
Das Publikum denkt nachhaltig
und abbaubar: Eine Banane soll
es sein. Das ist keinen Moment schaurig.
Aber gut. Bestes Format bisher.
20:07
Pause. Die Zuschauer:innen sollen einen
Aussagesatz auf ihr Ticket schreiben
und dieses in eine dafür vorgesehene
Kiste stecken. Ich habe große
Angst davor, aufgerufen zu werden
25
und notiere sicherheitshalber: „Ich
möchte das nicht.“
20:10
Aber ein Bier, das würde ich schon
noch nehmen.
20:26
Weiter geht’s. Ein Darsteller soll erraten,
dass er Essiggurken-Experte
ist. Er trägt einen weißen Kittel. Eine
Kollegin stellt Entscheidungsfragen,
eine andere greift von hinten durch
den Kittel und bemüht sich, diese mit
ihren Händen zu beantworten.
20:31
Penis-Witze und La-Ola-Wellen. Die
Essiggurken werden tatsächlich erraten.
20:43
Die Kiste mit den eingereichten Sätzen
kommt zum Einsatz. Zwei Darstellerinnen
greifen nach den beschrifteten
Tickets, die dann sofort
in die Situation eingebaut werden
müssen.
20:48
Gleich zweimal in der Kiste vertreten:
„Man bringe den Spritzwein!“ Nur
zweimal? Floridsdorf-Edition.
20:49
Mein Zettel wird nicht gezogen. Nun
bin ich doch etwas enttäuscht.
20:52
Ein Format über betende, doch brunftige
Nonnen in der Hundezone. Dreimal
La-Ola.
20:59
Ein Format, in dessen Verlauf das
Genre wechselt. Welches Filmgenre
interessiert das Publikum am meisten?
Eine ruft: „Krimi!“ Ein anderer
meint: „Actionfilm!“ Alle anderen rufen:
„Porno!“
21:11
Das letzte Format des Abends. Zwei
Boys treffen ein Girl und tragen es am
Ende von der Bühne. In zwei Minuten.
Die Szene wird wiederholt, aber diesmal
in 30 Sekunden. Dann in zehn Sekunden.
Und letztlich in zwei Sekunden.
@ottakringerflaneur
21:16
Und jedes Mal schwebt die Figur von
der Bühne und macht einen Abgang.
21:17
Der Name des Formats lautet übrigens
„Kurz und kürzer“. Passt.
(Gerüchteweise entstand dieser
Text bereits nach dem ersten Abgang
von Sebastian Kurz im Jahr 2019. Der Autor
möchte dazu keine Stellung beziehen.)
Tino Schlench ist Buchblogger und
beschäftigt sich in seiner Arbeit vornehmlich
mit dem europäischen Osten. Seine Beiträge
erscheinen auf www.literaturpalast.at und auf
Instagram: @literaturpalast.
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26 Glosse
Die Gazetten künden weiterhin von
ereignisreichen Zeiten — auch im
Regionalteil. So war unlängst zu lesen:
„Mann betoniert eigenen Kopf mitten
auf Wiener Markt zu“. Das war keineswegs
eine Zeitungsente: Auf dem
Naschmarkt hatte sich tatsächlich jemand
das stolze Haupt einzementiert.
Besorgte Bürger riefen die Feuerwehr,
um den befürchteten Erstickungstod
durch Betonierung zu verhindern. Als
die Einsatzkräfte
eintrafen, hatte der
Mann aber bereits
selbst Hand, Hammer
und Meißel an
sich gelegt — zum
Abriss des um den
eigenen Schädel
herum errichteten
Gemäuers. Nach 15
Minuten konnte der
Mann eigenmächtig
seinen Kopf aus der
Schlinge ziehen,
sodass der Selbstbildhauer
bereits
gleich in der Lage
war, Auskunft zu
geben, warum er
seinem Schopf jene
steinharte Fassung
gegeben hatte: Die
Verwandlung des
eigenen Leibs in
eine Baustelle sei
eine Kunstaktion
gewesen. Handelte
es sich hier also
um einen Schüler
Christos, der die
Kunst der Verhüllung
auf die Spitze
treiben wollte? Man
kann nur mutmaßen.
Weitere Erläuterungen
unterließ
der Skulpteur nämlich,
sodass es — wie bei Kulturerzeugnissen
häufig der Fall — dem
umstehenden, von Furcht und Mitleid
erfüllten Publikum überlassen wurde,
seine Schlüsse aus jener unerhörten
Begebenheit zu ziehen. Lässt das Wirken
des sich Behämmernden auf einen
Dachschaden schließen oder ist hinter
diesem flüchtigen Ganzkörperkunstwerk
ein tiefgründiger Kommentar zu
unserem modernen Dasein verborgen?
Gründe, den Kopf in den Sand zu stecken,
gäbe es natürlich derzeit zuhauf.
Bloß ist das Leben aktuell tatsächlich
so hart, dass man noch zusätzlich
Wasser und Zement beimischen
möchte? Zürnt der Schöpfer dieses
Mauerwerks hiermit trotzig der intellektuellen
Mühsal des herrschenden
Alltags, der mit kollektiver Engstirnigkeit
und mangelnder Phantasie die zarte
Artistenseele martert? So schrieb ja
schon Friedrich Hebbel einst: „Künstler,
begegne dem Feinde! Schleudert
Die
Tat ist
alles,
nichts
der
Ruhm
er Steine nach Dir, mache Du Statuen
d’raus.“ Vielleicht wollte der in Baustoff
gewandete Ästhet ohnehin bloß seinen
Unmut über den Zustand mitteilen,
dass er in der Ära der Schutzmaske
häufig nicht mehr vollständig ins Antlitz
seiner Zeitgenossen blicken kann
und es ihm daher an menschlicher
Wärme und künstlerischer Inspiration
fehlt. Möglicherweise stand sogar wie
häufig in der Kunst die Heilige Schrift
Pate fürs Erzeugnis, die da lehrt: Wer
mutig voranschreitet, überlebt, aber
wer zu lange zurückblickt, der versteinert
wie die Frau des Lot bei der
Flucht aus der Stadt Sodom. Oder ist
es der misslaunige Kommentar eines
Bedenkenträgers im Hinblick auf Lockdown-Lockerungen
und das eventuell
zu früh wiedererwachte Sozialleben?
Wenn alles aufblüht, obwohl steigende
Infektionszahlen und stagnierende
Impfquoten möglicherweise den
nächsten stillen Winter verheißen, hat
mancher vielleicht
das Bedürfnis, sich
jetzt schon wie ein
Einsiedlerkrebs zu
verkriechen und als
Eremit die Synapsen
von möglichst allen
äußeren Eindrücken
abzuschirmen. Vermutlich
wollte der
Mann auch nur mit
gutem Beispiel vorangehen
und im
Hinblick auf seine
Mitmenschen die
eigene Aerosolverbreitung
mithilfe
von Mörtel auf
ein Mindestmaß
reduzieren. Eine
solche Einstellung
ist eigentlich äußerst
löblich. Bloß
könnte derart humanistischer
Eifer
schnell in die Augen
gehen beziehungsweise
diese für immer
schließen: Mit
solch einem veritablen
Steinkloß
um den Hals atmet
man wohl ohnehin
gar nicht lang genug
aus, um eine Tröpfchen
sprühende Gefahr
für die breite
Bevölkerung darzustellen. Anstatt also
zu solch drastischen Maßnahmen zu
greifen, empfiehlt es sich daher lieber,
weiterhin einen kühlen Kopf zu
bewahren — und da ist Beton äußerst
hinderlich, weil sich das Gehirn so nur
schwer belüften lässt.
Text: Johannes Lau
27
Rätseln und einen
der drei Preise
gewinnen!
1. Verbotenes Kartenspiel
2. Bezirksnachbar
3. Was befand sich früher im Gebäude der HTL Wien West?
4. Ursprung des Rosenbachs
5. Schnürt Ottakring im Osten ein
6. Der Heurige mit der ... Nase.
7. Ottakringer Maler; Arik …
8. Bad und Park benannt nach dem Wiener ... (1814-1815)
9. Was haben Meinl und Cäsar gemeinsam?
10. 1832 wurden Ottakring und ... vereint.
11. Holländischer Heimstifter.
Auch Namensgeber des hippen …platzes
12. Punktgewinn beim American Football
13. Zutat der Braukunst
▼4
▼1
Schicken Sie das Lösungswort
per Email an: mystory@ottakringerflaneur.com
▼3
11
1
Geben Sie an, welchen Preis Sie gerne gewinnen
möchten. Mehrfachwünsche sind möglich.
Die Verlosung findet am 30.10.2021 statt.
Der oder die GewinnerIn wird per E-Mail benachrichtigt.
▶9
Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.
Es gelten die Datenschutzbestimmungen:
https://www.flaneurmedia.at/datenschutz
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14
▶6
▶11
Gewinn 1
1 Geschenkpaket mit einer
Auswahl an Bienenprodukten
aus Ottakring.
▶8
▼10
13
Sie möchten StadtimkerIn
werden? Beratung, Imkereibedarf
und regionalen Honig
finden Sie bei:
▶7
10 6
Mio‘s Bienenwelt
Ottakringer Straße 135
1160 Wien
Telefon: +43 660 644 34 61
e-Mail: mail@miosbienenwelt.at
▶5
12 7 8
5
Gewinn 2
2 x 2 Kinokarten für den
Film „Aufzeichnungen aus
der Unterwelt“.
Termin und Spielstätte
nach Absprache
▼13
Freundlicherweise zur
Verfügung gestellt vom
Stadtkino Filmverleih
▶2
14
3 9
Gewinn 3
3 x 2 Tickets für das nächste
Heimspiel der Dacia Vikings
Ladies am 07.11.2021
▶12
2 4
Murathan
Muslu
Café Ritter
Thaliastraße
Chelsea
Ottakringer
Flâneur
American
Football
Live-
Ticker
Wienerlied