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November_2021

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24. Jahrgang<br />

<strong>November</strong> <strong>2021</strong><br />

2,10 €, davon 1,- €<br />

für den Verkäufer<br />

UNABHÄNGIGE STRASSENZEITUNG FÜR FREIBURG UND DAS UMLAND<br />

ZUR UNTERSTÜTZUNG VON MENSCHEN IN SOZIALEN NOTLAGEN<br />

KÄLTETOD,<br />

WEIL<br />

WOHNUNGSNOT!<br />

STREETPEOPLE – ERIC<br />

Die Straße hat mir Angst gemacht<br />

900 JAHRE ARMUT IN FREIBURG<br />

Armenwesen und Pflege in Freiburg (Teil 10)<br />

WOHNEN IST MENSCHENRECHT<br />

Jede bezahlbare Mietwohnung wird gebraucht


INHALT<br />

3<br />

VORWORT<br />

22<br />

FÜNF JAHRE SOZIALTICKET<br />

4<br />

RECHT AUF STADT<br />

23<br />

VERKÄUFERVORSTELLUNG<br />

6<br />

STREETPEOPLE<br />

24<br />

BUCHBESPRECHUNG<br />

10<br />

IM GESPRÄCH MIT...<br />

25<br />

KOCHEN<br />

12<br />

900 JAHRE ARMUT IN FREIBURG<br />

26<br />

SPORT<br />

18<br />

WOHNEN IST MENSCHENRECHT<br />

28<br />

KRIMI 19. FOLGE<br />

19<br />

FREIeBÜRGER MITMACHSEITE<br />

30<br />

RÄTSEL<br />

20<br />

FACEBOOK-FIASKO<br />

31<br />

ÜBER UNS<br />

OHNE IHRE UNTERSTÜTZUNG<br />

GEHT ES NICHT<br />

Liebe LeserInnen,<br />

um weiterhin eine<br />

interessante Straßenzeitung<br />

produzieren und Menschen<br />

durch ihren Verkauf einen<br />

Zuverdienst ermöglichen<br />

zu können, benötigen<br />

wir Ihre Hilfe.<br />

Vielen Dank!<br />

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DER FREIeBÜRGER e. V.<br />

IBAN: DE80 6809 0000 0002 4773 27<br />

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Denken Sie bitte daran, bei einer Überweisung Ihren Namen<br />

und Ihre Anschrift für eine Spendenbescheinigung anzugeben.<br />

2<br />

FREIeBÜRGER 11 | <strong>2021</strong>


Liebe LeserInnen,<br />

die Wahlen sind jetzt schon einen Monat her, aber eine<br />

neue Regierung haben wir noch nicht. Natürlich, gut Ding<br />

will Weile haben und man soll den Tag nicht vor dem<br />

Abend loben, aber so langsam wäre es an der Zeit, eine<br />

solche aufzustellen...<br />

Will man wie versprochen schon in diesem Jahr erste<br />

Änderungen und vor allem Verbesserungen auf den Weg<br />

bringen, dann ist Zeit der Faktor, von dem die neue Regierung<br />

am wenigsten besitzt. Denn schließlich will man<br />

viel und das in den verschiedensten Gebieten verändern.<br />

Da wäre das Klima, das Gesundheitswesen, der Wohnungsbau,<br />

Hartz IV und die Renten, um nur einen Teil zu<br />

nennen. Natürlich kann man bis zum Jahresende noch<br />

kein Wunderland Deutschland bestaunen, ein bisschen<br />

Zeit muss man den „Neuen“ schon geben. Aber beginnen<br />

sollten sie mit ihren Plänen so bald wie möglich, um<br />

glaubhaft zu bleiben. Denn nach der Wahl ist vor der<br />

Wahl und so werden die Rivalen von den anderen Parteien<br />

auf jeden Fehler lauern, um dann genüsslich über<br />

Olaf Scholz und sein Team herzufallen. Die CDU wird ihre<br />

Niederlage noch lange nicht verdaut haben. Das können<br />

spannende Sitzungen im Bundestag werden, wenn die<br />

Union dort in der Opposition sitzen wird. Zumal Wahlverlierer<br />

Laschet angedroht hat, in Berlin zu bleiben, um<br />

als Abgeordneter im Bundestag zu sitzen. Ich kann seine<br />

Stänkereien jetzt schon hören! Das muss nicht zwingend<br />

etwas Gutes sein...<br />

Ich werde das auf jeden Fall mit großem Interesse weiterverfolgen<br />

und bin gespannt, ob die Regierung auch das<br />

ein oder andere Problem der ärmeren Menschen lösen<br />

kann. Vielleicht gibt es ja z. B. doch eine echte Erhöhung<br />

beim ALG 2 und der Grundsicherung? Denn die 3 Euro, die<br />

es ab Januar mehr geben soll, sind entweder eine Frechheit<br />

oder aber eine Provokation!<br />

Dass PolitikerInnen aber auch noch vernünftige Entscheidungen<br />

treffen können, das hat der Freiburger Gemeinderat<br />

vor kurzem bewiesen. Die Stadt öffnet sich beim<br />

Thema Wagenburgen! Diese Nachricht ist in Freiburg<br />

eingeschlagen wie eine Bombe und auch ich musste den<br />

Artikel in der Badischen Zeitung zweimal lesen, um ihn<br />

glauben zu können. Vor allem, weil es so aus heiterem<br />

Himmel kam. Es wurde ja immer wieder mal über Wagenplätze<br />

geredet, aber es war schon lange ziemlich still<br />

geworden zu dem Thema. Denn zu den Zeiten des OB Salomon<br />

kam ein kategorisches Nein zu den Bauwägen und<br />

er diskutierte darüber auch gar nicht erst. Doch das soll<br />

sich nun ändern und das sagen nicht nur die WagenbewohnerInnen.<br />

Bereits vor einem Jahr haben verschieden<br />

Ratsfraktionen das Thema Wagenburg im Gemeinderat<br />

auf den Tisch gebracht und der Rat hat das in seinen<br />

großen Plan „Bezahlbares Wohnen“ aufgenommen.<br />

In St. Georgen wurde auch schnell ein passendes Grundstück<br />

gefunden. Der Bürgerverein und die WäglerInnen<br />

haben sich schon miteinander bekannt gemacht und sie<br />

scheinen gut miteinander klarzukommen. „Radlager“,<br />

so nennt sich die Gruppe, ist nun das Pilotprojekt und<br />

weitere sollen folgen!<br />

Die Stadt wird weiter nach geeigneten Flächen suchen<br />

und damit dem alternativen Wohnen in Freiburg wieder<br />

eine Chance geben. Die Forderungen bzw. Bedingungen<br />

an die WagenburglerInnen sind leicht zu erfüllen. Die<br />

Personen sollten seit mindestens einem Jahr in Freiburg<br />

leben, sie müssen als Verein organisiert und höchstens<br />

30 Leute sein. Ich war und bin zwar immer noch erstaunt,<br />

aber ich finde es gut, dass die Stadt über ihren Schatten<br />

gesprungen ist und so etwas auf die Beine stellt!<br />

Jetzt bin ich schon wieder am Ende angelangt. Ich wünsche<br />

Ihnen wie immer viel Spaß mit dem FREIeBÜRGER<br />

und bleiben Sie uns treu!<br />

Online-<br />

Anmeldung<br />

erforderlich!<br />

ANGELL<br />

Infotermine<br />

Mi. 10.11. Infoabend Grundschule<br />

19:30 Uhr<br />

Carsten<br />

Di. 16.11. Infoabend Gymnasium & Realschule<br />

19:30 Uhr<br />

Sa. 27.11. Hausführung & Speed-Dating<br />

10 Uhr in Casa dei Bambini, Grundschule,<br />

Realschule und Gymnasium<br />

www.angell-montessori.de<br />

Anzeige<br />

FREIeBÜRGER 11 | <strong>2021</strong> 3


FREIBURG – STADT FÜR ALLE?!<br />

VERGESELLSCHAFTUNG IST MEHRHEITSFÄHIG!<br />

Der Tag der Bundestagswahl war ein wichtiger Tag für die<br />

Mieterinnen und Mieter. Nein: Die auf Bundesebene wohl<br />

kommende Ampelkoalition wird keinen echten Fortschritt<br />

für MieterInnen bringen und das wäre auch bei einer<br />

leicht anderen Farbzusammensetzung nach der Wahl<br />

nicht anders. Zeitgleich mit der Bundestagswahl fand in<br />

Berlin allerdings auch die Abstimmung über den Volksentscheid<br />

„Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ statt und dieses<br />

Ereignis war ein Sieg für die MieterInnenbewegung,<br />

der bundes-, wenn nicht europaweite Wirkung erzielen<br />

sollte.<br />

1.798.308 BerlinerInnen haben an der Abstimmung teilgenommen.<br />

Das sind 73,5 % der Wahlberechtigten. Eine<br />

große Mehrheit von 57,6 % stimmte für die Enteignung<br />

von Wohnungskonzernen mit „Gewinnerzielungsabsicht“<br />

und mit mehr als 3.000 Wohnungen. 39,8 % stimmten<br />

dagegen. Diese Zahlen sind auch im Hinblick auf die ebenfalls<br />

am 26. September stattgefundene Wahl zum Berliner<br />

Abgeordnetenhaus interessant. Die einzige Partei, die die<br />

Enteignungsforderung unterstützte, die Partei Die Linke,<br />

erhielt nur 14,1 %. Gerade die Kombination von klar gewonnenem<br />

Bürgerentscheid für die Enteignung von großen<br />

Wohnungsunternehmen und schlechtem Wahlergebnis<br />

für die Partei Die Linke ist, das mag jetzt für einige hart<br />

klingen, sehr erfreulich.<br />

Sie zeigt nämlich, dass sich gesellschaftliche Mehrheiten<br />

für linke Themen finden lassen, selbst wenn Menschen<br />

Parteien wählen, die diese Themen nicht vertreten. Im besten<br />

Fall könnte der Volksentscheid Menschen vor Augen<br />

führen, dass Kämpfe nicht innerhalb des Parteienapparats,<br />

sondern durch außerparlamentarische Organisierung<br />

gewonnen werden.<br />

VIELE ENTEIGNUNGEN IM SINNE DES KAPITALS<br />

Die GegnerInnen des Volksentscheids haben versucht mit<br />

dem vermeintlichen Schreckgespenst Sozialismus bzw.<br />

Kommunismus Politik zu machen. Angesichts dessen, dass<br />

Enteignungen in unserer Marktwirtschaft an der Tagesordnung<br />

sind, ein lächerliches Argument. So finden regelmäßig<br />

Enteignungen für den Straßenbau statt, als letztes<br />

prominentes Beispiel etwa für den Bau der Autobahn A49<br />

durch den Dannenröder Forst. Auch für den Kohleabbau<br />

wird munter enteignet, in Garzweiler, dem Hambacher<br />

RECHT-AUF-STADT-NEWSLETTER<br />

Mit unserem RaS-Newsletter<br />

informieren wir einmal im Monat<br />

über„Recht auf Stadt“-Themen.<br />

info@rechtaufstadt-freiburg.de<br />

Homepage: www.rechtaufstadt-freiburg.de<br />

Weitere Infos: tacker.fr<br />

Forst oder in der Lausitz. Teils werden dafür ganze Dörfer<br />

abgerissen. Das Grundgesetz erklärt: „Eine Enteignung<br />

ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig.“ Nun, in<br />

einer Zeit, in der der menschengemachte Klimawandel<br />

eigentlich nur noch von ein paar Spinnern geleugnet wird,<br />

sollte klar sein, dass der Autobahnbau und die Kohleverstromung<br />

nicht dem Wohl der Allgemeinheit dienen. Ganz<br />

anders sieht das bei der Enteignung von Wohnungskonzernen<br />

aus, die sich kaum um ihre Immobilien kümmern<br />

und den Mietenwahnsinn immer weitertreiben. Dass ihre<br />

Vergesellschaftung in einer Stadt wie Berlin, wo sich die<br />

Mieten in den letzten 10 Jahren verdoppelt haben, nicht<br />

dem Allgemeinwohl diene, können nur marktradikale<br />

Wirtschaft-vor-Menschen-IdeologInnen behaupten.<br />

DER KAMPF IST NOCH NICHT GEWONNEN<br />

Die Kampagne „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ hat<br />

lange Aufklärungsarbeit geleistet, hat den Kontakt zu den<br />

MieterInnen in den verschiedenen Vierteln gesucht und<br />

letztlich die Mehrheit davon überzeugt, dass eine Vergesellschaftung<br />

notwendig ist. Der Kampf ist allerdings<br />

keinesfalls gewonnen. Rot-Grün-Rot will erst einmal ein<br />

ExpertInnengremium einsetzen, das ein Jahr beraten soll.<br />

Für den BürgerInnenwillen muss also weitergekämpft<br />

werden, auch eine wirksame Kontrolle der Anstalt öffentlichen<br />

Rechts, die die Wohnungen übernehmen soll, durch<br />

die MieterInnen muss erkämpft werden. Durch die Verankerung<br />

in den Stadtteilen ist aber eine sehr gute Basis<br />

hierfür gelegt worden. Ein mutmachendes Beispiel, weit<br />

über Berlin hinaus, das auch vorbildhaft für Kämpfe z. B.<br />

für ein solidarisches, von der Profitlogik befreites Gesundheitswesen<br />

sein könnte. Eine Zeit, die geprägt ist von den<br />

fatalen Auswirkungen der Coronapandemie, ist genau die<br />

richtige Zeit, um für solche Ideale zu kämpfen und sich zu<br />

organisieren.<br />

4<br />

FREIeBÜRGER 11 | <strong>2021</strong>


STADT-FÜR-ALLE-NACHRICHTEN ( RÜCKBLICK VOM 15. SEPT. BIS 15. OKT. )<br />

[FR] WIDERSTAND GEGEN PIVATISIERUNG DURCH FSB<br />

Immer deutlicher wird, dass die große Mehrheit in Freiburg<br />

Weingarten gegen die geplante Privatisierung der<br />

Stadtbauhäuser in der Sulzburger Str. 15-19 ist. Nun hat<br />

sich auch der Sanierungsbeirat mit neun zu vier Stimmen<br />

gegen die Vernichtung von 120 bezahlbaren Mietwohnungen<br />

ausgesprochen. Der Bürgerverein appelliert an<br />

die Gemeinderäte: „Bürgerbeteiligung ernst nehmen!“<br />

Ob's die Grünen und die Stadtverwaltung, die bisher<br />

klare Befürworter des Verdrängungsprojektes waren,<br />

interessiert?<br />

[FR] SCHLIESSUNG DES WOHNHEIMS AN DER<br />

WONNHALDE?<br />

Die Stadtverwaltung will offenbar das Wohnheim für<br />

Wohnungslose in der Wonnhalde schließen und verkaufen<br />

und das, obwohl der Bedarf groß ist und die sicher<br />

bessere Lösung – normale Wohnungen für die Betroffenen<br />

– nicht im ausreichenden Maß zu Verfügung steht.<br />

Die Stadt ist noch nicht einmal bereit, den dort untergebrachten<br />

Menschen bis zu Schließung einen WLAN-Anschluss<br />

zu Verfügung zu stellen und zeigt so, wie wenig<br />

wert ihr die Teilhabe dieser Menschen am gesellschaftlichen<br />

Leben ist. Wieder mal entscheidet man sich offenbar<br />

für's schnelle Geld, statt für die Sanierung und/oder den<br />

Neubau der Immobilie durch Stadt oder Stadtbau.<br />

[FR] STEIGENDE OBDACHLOSIGKEIT VON FRAUEN<br />

Die Obdachlosigkeit von Frauen in Freiburg ist während<br />

der Coronapandemie offenbar stark gestiegen. Dafür<br />

spricht die stark gestiegene Zahl an Postersatzadressen.<br />

Von 2020 bis <strong>2021</strong> ist diese bei FreiRaum, der Hilfseinrichtung<br />

für Frauen in Wohnungsnot von der Diakonie, von<br />

109 auf 187, also um 71 % gestiegen. FreiRaum vermutet,<br />

dass Frauen in prekären Beschäftigungsverhältnissen<br />

durch die Coronakrise den Job und anschließend auch die<br />

Wohnung verloren haben.<br />

ZWANGSRÄUMUNGEN<br />

Beim Thema Zwangsräumungen haben die Behörden<br />

keine Rücksicht auf die Coronapandemie genommen.<br />

2020 gab es bundesweit laut einer Antwort auf eine<br />

Linksparteianfrage mindestens 30.000 Zwangsräumungen,<br />

also 82 pro Tag.<br />

[FR] MIETEN IM BETREUTEN WOHNEN STEIGEN<br />

Die Preise für das betreute Wohnen in Freiburg werden<br />

in den nächsten Jahren in vielen Einrichtungen massiv in<br />

die Höhe gehen. Grund dafür sind z. B. 303 auslaufende<br />

Belegungsbindungen in den nächsten acht Jahren. Läuft<br />

die soziale Mietpreisbindung aus, nutzen die Träger des<br />

betreuten Wohnens dies meist für massive Mietsteigerungen,<br />

wie zuletzt in Freiburg Waldsee, wo die Miete in<br />

einer Anlage der Heiliggeistspitalstiftung um 15 % steigen<br />

soll. Allein zum Jahr 2025, so hieß es im Sozialausschuss,<br />

fallen 175 Wohnungen aus der Bindung. Die Träger könnten<br />

die soziale Bindung problemlos verlängern und würden<br />

dafür auch Fördergelder bekommen, die Erhöhung<br />

der Mieten verspricht für Heiliggeistspitalstiftung, Caritas,<br />

Diakonie und Co. aber größere Profite.<br />

[FR] PROTEST GEGEN FÄLLUNG DES DIETENBACHWALDS<br />

NABU, BUND, Parents for Future, BürgerInnenVerein Rieselfeld<br />

und KlimagerechtigkeitsaktivistInnen protestieren<br />

weiter gegen die Fällung eines Waldstücks zwischen Rieselfeld<br />

und dem neu geplanten Stadtteil Dietenbach. Auf<br />

dem Waldstück sind u. a. auch Sportanlagen und Reihenhäuser<br />

geplant, für die nun wirklich kein Baum gefällt<br />

werden sollte. Weiter besteht eine Baumbesetzung.<br />

[FR] WERDEN MIETSHÄUSER SYNDIKATSPROJEKTE IN<br />

KLEINESCHOLZ AUSGESCHLOSSEN?<br />

Im Baugebiet Kleinescholz im Stühlinger sollen etwa 550<br />

Wohneinheiten entstehen. Oberbürgermeister Martin<br />

Horn hatte verkündet, dass hier keine profitorientierten<br />

Investoren zum Zuge kommen sollen, stattdessen Akteure<br />

wie die Stadtbau und das Mietshäuser Syndikat. Doch<br />

die bisherigen Pläne für die Vergabe von Grundstücken<br />

könnten gerade für solche Syndikatsinitiativen aufgrund<br />

der finanziellen Belastung eine unüberwindbare Hürde<br />

darstellen. Gesprochen wird derzeit von einem 2-stufigen<br />

Vergabeverfahren. In Stufe 2 sollen genaue Planungen<br />

zur Architektur und konkrete Finanzierungsnachweise<br />

für ein Grundstück verlangt werden. Bevor überhaupt<br />

sicher ist, dass man das Grundstück erhält, würden also<br />

hohe Kosten anfallen.<br />

[FR] NEUER WAGENPLATZ<br />

Nach langer Zeit wird Freiburg mal wieder einen neuen<br />

Wagenplatz bekommen. Die Gemeinderatsmehrheit<br />

hatte, gegen den Willen der Stadtverwaltung, diese<br />

mit der Suche nach temporären Lösungen für Wagenplätze<br />

beauftragt. Nun wurde tatsächlich ein geeigneter<br />

Platz gefunden. Die Gruppe Radlager darf wohl ab 2022<br />

mindestens fünf Jahre einen Platz an den St. Georgener<br />

Sportplätzen, den ein Reitverein nicht mehr benötigt,<br />

mieten.<br />

GRUNDRECHTE FÜR GEFLÜCHTETE<br />

Wenn die Polizei in Zimmer eindringt, braucht sie einen<br />

richterlichen Durchsuchungsbeschluss, auch im Fall einer<br />

Abschiebung. Das stellte das Berliner Verwaltungsgericht<br />

anlässlich einer Klage eines Geflüchteten aus Guinea<br />

klar. Auch für Zimmer in Flüchtlingsunterkünften<br />

gilt das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung.<br />

Insbesondere in Erstaufnahmelagern sieht man das in<br />

Baden-Württemberg und auch in Freiburg leider anders<br />

und ignoriert die Grundrechte für Schutzsuchende.<br />

FREIeBÜRGER 11 | <strong>2021</strong> 5


StreetPeople<br />

„Die Straße hat mir Angst<br />

gemacht, gleichzeitig jedoch<br />

auch viel Positives gegeben“<br />

Eric<br />

Eine Reportage<br />

über die Menschen<br />

auf der Straße


ERIC<br />

„Ich wünsche mir, zu sterben – aus diesem Grund lebe ich weiter“<br />

Heute möchte ich Ihnen gerne Eric vorstellen, dem Ich<br />

durch einen glücklichen Zufall begegnet bin, als ich<br />

gerade in der Wonnhalde zugegen war. Seine markanten<br />

Gesichtstätowierungen fallen einem sofort ins Auge. Ein<br />

paar Tage später trafen wir uns sodann zu einem ausführlichen<br />

Gespräch.<br />

Der junge Mann, der mir gegenübersitzt, besitzt eine<br />

außerordentliche innere Stärke. Eine Kraft, die man so<br />

nicht in vielen Menschen wiederfindet und die einem<br />

bildlich gesprochen die Macht verleiht, Berge zu versetzen<br />

oder einen bei lebendigem Leibe verzehrt. Warum ich das<br />

so ausdrücke? Ich kenne jemanden, der mir persönlich<br />

sehr nahesteht, dem eben eine solche Kraft innewohnt.<br />

Und ich kenne auch die destruktiven Seiten davon.<br />

Ich lerne Eric als einen sehr umgänglichen Menschen<br />

kennen. Seiner eigenen Beschreibung nach hat er jedoch<br />

auch eine ganz andere Seite, die er seinen Mitmenschen<br />

hin und wieder offenbart. Es gebe manchmal kleine<br />

Trigger, die ihn dazu veranlassen würden, einfach dazustehen,<br />

zu schreien und andere Menschen zu beleidigen.<br />

Dass diese dadurch verunsichert oder gar verängstigt<br />

sind, erscheint mir logisch. Ihm selbst sei das klar und<br />

im Grunde würde er das auch nicht in böser Absicht<br />

machen, denn in jenen Momenten wisse er einfach nicht<br />

mehr wohin mit seiner Verletztheit, mit seinen Ängsten<br />

und seiner Verzweiflung. Jeden Tag auf's Neue kämpfe er<br />

dagegen an; für seine Freiheit.<br />

Aber zurück zu Eric, denn der versucht gerade sein Leben<br />

zu ordnen, um zum einen mit dieser inneren Stärke und<br />

zum anderen mit der Bewältigung seiner Vergangenheit<br />

klarzukommen. Es mag keine Überraschung sein, wenn<br />

ich Ihnen verrate, dass unsere Unterhaltung emotional<br />

sehr tiefgründig verlief. In der Regel frage ich meine<br />

GesprächspartnerInnen immer danach, ob es etwas<br />

gibt, was sie sich wünschen würden; für ihr Leben und<br />

ihre Zukunft. Meist berichte ich dann am Ende des Artikels<br />

davon. Heute werde ich das zum ersten Mal anders<br />

machen und Ihnen bereits jetzt sagen, was mir Eric auf<br />

diese Frage geantwortet hat: „Ich würde mir sehr gerne<br />

wünschen, dass die Menschen verstehen, warum ich<br />

manchmal nicht anders kann und ich würde mir auch<br />

gerne wünschen, positive Ereignisse mehr anzunehmen<br />

als die negativen. Im Grunde genommen wünsche ich mir<br />

nichts mehr, als zu sterben, denn ich leide jeden Tag. Und<br />

um dieses Leid zu beenden, lebe ich weiter.“<br />

FREIeBÜRGER 11 | <strong>2021</strong> 7


Was es mit dieser Freiheit auf sich hat wird während<br />

unseres Gesprächs deutlich, als mir Eric von seiner Jugend<br />

erzählt. Er habe sehr viel körperliche Gewalt erleben<br />

müssen. Viel schlimmer sei jedoch der psychische Druck<br />

gewesen, den er bereits in sehr jungen Jahren erfahren<br />

musste. Was genau mir Eric alles schildert möchte ich aus<br />

Gründen der Pietät hier nicht niederschreiben. Dass dies<br />

jedoch nicht grundlegend erfundene Geschichten sind,<br />

kann ich dem jungen Mann deutlich ansehen.<br />

Mit 16 habe er dann das Elternhaus verlassen und sei auf<br />

die Straße geflüchtet. Seine damals sechs Jahre junge<br />

Schwester musste er zurücklassen. Ich gewinne den<br />

Eindruck, dass ihm das sehr nahegeht und ihn auch heute<br />

noch deutlich beschäftigt. Als ich ihn nämlich danach<br />

frage, ob er noch Kontakt zu ihr hat, bejaht er dieses<br />

und ich sehe, wie sich der Ausdruck in seinem Gesicht<br />

positiv verändert. Offensichtlich besteht zu ihr eine ganz<br />

andere emotionale Bindung als zu seiner Mutter oder zu<br />

seinen beiden Stiefvätern. Ein Kontakt bestünde jedoch<br />

nur gelegentlich. Gespräche mit ihr seien mit sehr viel<br />

negativen Erinnerungen verbunden und das würde sie<br />

wohl sehr in Mitleidenschaft ziehen. Zumindest wäre das<br />

seine Empfindung und daher wolle er ihr dies auch nicht<br />

zumuten.<br />

Von einem Bruder, der in einer Pflegefamilie aufgewachsen<br />

sei, erzählt mir Eric ebenfalls. Diesen habe er kürzlich<br />

zum ersten Mal getroffen; durch einen Zufall. Gerne würde<br />

er mit ihm mehr Kontakt halten, doch auch hier wäre<br />

er sich unsicher, wie dieser mit seinen Schilderungen<br />

der eigenen Vergangenheit umgehen könnte. Schließlich<br />

habe er selbst eine gute, oder wie Eric es ausdrückt, ganz<br />

normale Kindheit erleben dürfen.<br />

Ich selbst bin kein Psychologe und weit davon entfernt,<br />

auch nur im Ansatz eine psychologisch anmutende Meinung<br />

kundzugeben, jedoch habe ich ein gewisses Maß an<br />

Einfühlungsvermögen. Und wenn ich Eric während unserer<br />

Unterhaltung beobachte, dann meine ich das Gefühl<br />

der Zerrissenheit deutlich wahrnehmen zu können. Bei<br />

seiner Schwester der Wunsch nach einem intensiveren<br />

Kontakt und gleichzeitig die Angst davor, ihr damit<br />

Schaden zuzufügen. Bei seinem Bruder die Freude über<br />

eine wohlbehütete Kindheit und zugleich die Traurigkeit<br />

bezüglich seiner eigenen Erlebnisse. Dass Eric nicht weiß,<br />

wie er damit umgehen soll, erscheint mir logisch. Was<br />

mich jedoch wiederum erstaunt ist die Tatsache, dass<br />

er sich dessen in einem gewissen Maße bewusst ist und<br />

dagegen anzukämpfen versucht. Unter anderem auch,<br />

indem er sich um professionelle Hilfe bemüht.<br />

8<br />

FREIeBÜRGER 11 | <strong>2021</strong>


Im Grunde wünscht sich Eric nichts mehr als frei zu sein,<br />

und zwar nicht nur in der Hinsicht, tun und lassen zu können,<br />

was immer man will, es scheint dabei eher um eine<br />

mentale Freiheit, vor allem um eine seelische Gesundheit<br />

zu gehen und die Kraft dazu, dort hinzukommen.<br />

Ich frage ihn, was ihm dabei im Leben helfen könnte und<br />

erhalte eine klare Antwort: „Meine Hunde und meine<br />

Freundin, die nötige Zeit und vielleicht ein Ort, der einem<br />

suggeriert, dass man angekommen ist und sich wohlfühlen<br />

kann. Das muss keine Wohnung sein. Ein Platz der<br />

Zurückziehung, ein Grundstück mit einem Wohnanhänger<br />

darauf könnte ein solcher Ort sein.“<br />

Dass ihm all das nicht einfach so in den Schoß fallen<br />

würde, sei ihm durchaus bewusst. Früher sei ihm vieles<br />

egal gewesen. Als er von Zuhause auf die Straße flüchtete,<br />

habe diese ihm Angst gemacht. Er habe Alkohol und<br />

Drogen konsumiert. Eine Perspektive habe es nicht gegeben.<br />

Als er selbst dann so weit gewesen sei, seinen Körper<br />

für Drogen zu verkaufen, habe er einen Schlussstrich<br />

gezogen. Er verließ seine damalige Szene und reiste nach<br />

Freiburg. Hier angekommen habe er Anschluss gefunden<br />

und neuen Mut geschöpft, für sich und seine Freiheit zu<br />

kämpfen.<br />

Vielleicht ist Ihnen als LeserIn nun klar geworden, was ich<br />

zu Beginn dieses Artikels mit der inneren Stärke verdeutlichen<br />

wollte. Wenn ein Mensch wie Eric so tief fällt, um<br />

dann die Kraft zu finden, aufzustehen und dagegen anzugehen,<br />

dann ist das nur möglich, wenn man auch über<br />

eine solche Kraft verfügt.<br />

Diese Kraft nun zu bändigen, um sie konstruktiv nutzen<br />

zu können, dies sei jetzt seine Aufgabe. In der Tat gewinne<br />

ich den Eindruck, dass sich Eric hierbei zwar auf einen<br />

langen jedoch sehr guten Weg begeben hat. Zum einen<br />

scheint seine Freundin Annalena einen sehr positiven<br />

Einfluss auf ihn zu haben und zum anderen hat er den<br />

Willen und die Tatkraft, seine Suchtproblematiken in den<br />

Griff zu bekommen. Darüber hinaus hat er sich mit einer<br />

Therapeutin und einer Schuldnerberatung externe Unterstützung<br />

gesucht. Gerade hat er auch einen Schweißkurs<br />

begonnen, nicht zuletzt um später ganz schuldenfrei sein<br />

zu können.<br />

Zwar habe er ein wenig Angst, den Schein zum Schweißer<br />

nicht zu schaffen, nicht etwa aus mangelndem Durchhaltevermögen<br />

heraus, sondern aufgrund einer bestehenden<br />

physischen Problematik. Denn durch einen Unfall<br />

mit Schädelbasisbruch habe er heute Schwierigkeiten<br />

mit seinem Kurzzeitgedächtnis. Dieses würde nicht mehr<br />

so funktionieren, wie es einmal funktioniert habe. Doch<br />

auch dafür gebe es eine Lösung; Papier und Stift.<br />

Was Sie hier über Eric gelesen haben ist nur ein kleiner<br />

Teil dessen, was ich über diesen jungen Mann erfahren<br />

durfte. Als er zu mir sagte, dass es sein Wunsch sei, zu<br />

sterben und dass er aus genau diesem Wunsch heraus<br />

weiterleben würde, habe ich diese Aussage zuerst nicht<br />

verstehen können. Jetzt bin ich jedoch in der Lage dazu<br />

und sehr gerne würde ich auch Ihnen diese Einsicht<br />

vermitteln.<br />

Eric ist ein Mensch, der von Leid geprägt ist, und zwar<br />

durch die Erlebnisse aus seiner Kindheit und Jugend,<br />

seinen daraus resultierenden Taten und Absichten und<br />

seiner Unsicherheit gegenüber anderen Menschen, sich<br />

ihnen zu offenbaren. Mit dem Wunsch zu sterben ersehnt<br />

er sich ein Ende dieses Leidens herbei. Daher hat die<br />

Absicht zu sterben rein gar nichts mit einem körperlichen<br />

Tod zu tun. Aus diesem Grund lebt Eric weiter und kämpft<br />

Tag um Tag für seine seelische Gesundheit.<br />

Wenn Sie nun den Wunsch haben, ihn dabei zu unterstützen,<br />

dann wäre es toll, wenn Sie eventuell eine Idee dazu<br />

hätten, ob man nicht irgendwo die Möglichkeit eines kleinen<br />

Stellplatzes schaffen könnte. Gerne können Sie uns<br />

diesbezüglich in der Redaktion anrufen.<br />

Text: Harry Bejol<br />

Fotos: Felix Groteloh<br />

FREIeBÜRGER 11 | <strong>2021</strong> 9


Seit drei Jahren bist Du ehrenamtliche Richterin am Sozialgericht<br />

in Freiburg. Was genau ist Deine Aufgabe in<br />

diesem Amt? Wie bist Du dazu gekommen?<br />

Dazu gekommen bin ich über meine Gewerkschaft ver.di.<br />

Die haben ehrenamtliche RichterInnen gesucht und es<br />

dann an den Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) weitergereicht,<br />

der eine Vorschlagsmöglichkeit hat. Ich wollte<br />

es unbedingt machen, weil ich mich einfach fürs Sozialgesetz<br />

interessiere. Meine Aufgabe ist es, an Verhandlungen<br />

teilzunehmen und dann gemeinsam mit einem weiteren<br />

ehrenamtlichen Richter und der Berufsrichterin das Urteil<br />

zu fällen. So soll Gerechtigkeitsempfinden von normalen<br />

einfachen Bürgern in ein Urteil einfließen.<br />

Ein weiteres Feld ist Deine Mitarbeit im Arbeitskreis Erwerbslose<br />

ver.di Südbaden Schwarzwald. Was sind dort<br />

Deine Aufgaben?<br />

In diesem Arbeitskreis bin ich jetzt schon seit ein paar Jahren.<br />

Wir machen da politische Arbeit. Wir bereiten zum<br />

Beispiel so was vor wie den Aktionstag „AufRecht bestehen“<br />

(Anm. d. Red.: Wir berichteten darüber in unserer letzten<br />

Ausgabe), der ein Mal im Jahr stattfindet. Oder wir führen<br />

Gespräche mit dem Geschäftsführer vom Jobcenter. Wir<br />

versuchen also, so ein bissel politisch tätig zu sein und die<br />

Belange von Erwerbslosen zu bearbeiten.<br />

Foto: E. Peters<br />

IM GESPRÄCH MIT...<br />

Ute Aschendorf<br />

Liebe LeserInnen, bestimmt haben Sie sich auch schon<br />

einmal gefragt, wer sich hinter dem Pseudonym „utasch“<br />

verbirgt – sie schreibt regelmäßig die beliebten Buchbesprechungen<br />

und Sie durften auch schon den einen oder<br />

anderen Artikel von ihr bei uns lesen: Ute Aschendorf.<br />

Herzlich willkommen Ute, wir freuen uns, dass Du hier<br />

bist. Du unterstützt nun schon seit fast sechs Jahren<br />

ehrenamtlich den FREIeBÜRGER. Danke dafür! Was war<br />

Deine Motivation, bei uns mitzumachen?<br />

Ich wollte das was ich kann sinnvoll einsetzen. Und es ist so,<br />

dass ich mich beim FREIeBÜRGER beim Schreiben ziemlich<br />

frei entfalten und eigene Themen einbringen kann, was<br />

vorher als Journalistin kaum möglich war.<br />

Was bedeutet für Dich guter Journalismus?<br />

Ganz schwierige Frage. Ich versuche es mal: Guter Journalismus<br />

stellt für mich nicht nur die richtigen Fragen,<br />

sondern versucht sie auch so umfassend zu beantworten,<br />

dass die LeserInnen tatsächlich ein Angebot zur Orientierung<br />

haben.<br />

Wie beurteilst Du allgemein die Lage für Erwerbslose in<br />

Deutschland, was wären Deiner Meinung nach wirksame<br />

Instrumente?<br />

Die Lage der Erwerbslosen ist nicht besonders gut. Wenn<br />

sie denn in Arbeit kommen, dann meistens leider hauptsächlich<br />

im Niedriglohnsektor und von daher müsste der<br />

Niedriglohnsektor erstmal abgeschafft werden. Das heißt,<br />

gute Arbeit für alle wäre ein ganz wichtiges Instrument für<br />

Erwerbslose und Erwerbstätige. Des Weiteren ist meiner<br />

Meinung nach essenziell, dass das Existenzminimum nicht<br />

weiterhin gekürzt werden darf durch Sanktionen. Ich lehne<br />

die Sanktionspraxis ab und bin der Meinung, dass der Regelsatz<br />

erheblich erhöht werden müsste von zurzeit 446<br />

Euro auf mindestens 600 Euro. Und das ohne die Möglichkeit,<br />

dass gekürzt werden kann. Ansonsten halte ich es einfach<br />

für wichtig, die Teilhabe von Erwerbslosen zu fördern:<br />

durch Mobilität, auch Teilhabe an Kultur, an Politik, digitale<br />

Teilhabe – das alles ist nur möglich mit einem höheren<br />

Regelsatz.<br />

Was hältst Du vom bedingungslosen Grundeinkommen?<br />

Davon halte ich nicht sehr viel. Das bedingungslose Grundeinkommen<br />

erscheint mir ein sehr bürgerliches Projekt,<br />

das viel mit Selbstverwirklichung zu tun hat, aber wenig<br />

mit aktiver Armutsbekämpfung. Ich bin dagegen, dass<br />

reiche Leute noch zusätzliche Geschenke erhalten, auch<br />

wenn immer behauptet wird, dass ihnen das ja über die<br />

Steuer wieder abgenommen wird. Aber wir wissen ja, wie<br />

10<br />

FREIeBÜRGER 11 | <strong>2021</strong>


Wohlhabende ihre Steuerzahlungen auch umgehen können...<br />

Ich bin für eine aktive Armutsbekämpfung. Und das<br />

bedeutet eben Erhöhung vom Regelsatz und auch wieder<br />

bürgerliche Rechte für alle, auch für Erwerbslose und für<br />

Arme. Sprich, das Recht, sich in Deutschland frei bewegen<br />

zu können und so weiter und so fort. Das ist alles erheblich<br />

wichtiger als ein Grundeinkommen für alle. Besonders ein<br />

Grundeinkommen für Wohlhabende halte ich für vollkommen<br />

überflüssig.<br />

Woher kommt Deine Motivation, Dich ehrenamtlich zu<br />

engagieren?<br />

Gute Frage. Ich bin einfach keine, die gerne zu Hause rumsitzt<br />

und die Wand anschaut. Also muss ich mich engagieren.<br />

Außerdem habe ich, so glaube ich, einen relativ ausgeprägten<br />

Gerechtigkeitssinn und mit dem gehe ich dann<br />

halt hausieren und guck, wo ich das einsetzen kann.<br />

Du warst bereits tätig im Veranstaltungsmanagement, in<br />

der Projektleitung, als Kulturmanagerin und freie Journalistin.<br />

Was hat Dir bisher am meisten Spaß gebracht?<br />

Das hat mir eigentlich alles Spaß gemacht, ich mochte immer<br />

die Kommunikation mit unterschiedlichen Menschen.<br />

Ich glaube, ich war dabei immer auf der Suche nach dem<br />

Guten im Menschen.<br />

Woher nimmst Du Deine Energie? Wie lädst du Deinen<br />

Akku auf?<br />

Ich brauche immer Ruhephasen, in denen alles abgearbeitet<br />

ist, damit ich danach weitermachen kann. Ich fühle<br />

mich aber ziemlich oft ziemlich urlaubsreif.<br />

Welche Hobbys hast Du?<br />

Lesen, Lesen und noch mal Lesen... Als ich in Berlin gelebt<br />

habe, hatte ich noch jede Menge anderer Hobbys, hauptsächlich<br />

im Kulturbereich, also Kino, Theater, Konzerte. Das<br />

ist jetzt alles so ziemlich weggefallen. Eigentlich lese ich nur<br />

noch und ich gucke gerne Serien, ich gebe es zu.<br />

Was bewegt Dich momentan am meisten?<br />

Mich bewegt die weiter wachsende soziale Spaltung in der<br />

Gesellschaft und wie sich das zukünftig auf das gesamte<br />

gesellschaftliche Gefüge auswirken wird. Besser wird es<br />

anscheinend zurzeit nicht. Da sehe ich große Gefahren und<br />

Risiken, gerade auch angesichts der notwendigen Veränderungen,<br />

die vorgenommen werden müssen wegen des Klimawandels.<br />

Das ist alles nicht machbar mit dieser sozialen<br />

Spaltung, die muss erst mal aufgehoben werden, weil sie<br />

auch zu einer politischen Polarisierung führt. Und dadurch<br />

sinkt wiederum die Bereitschaft, gemeinsam etwas gegen<br />

den Klimawandel zu unternehmen. Da gibt es eine Menge<br />

Baustellen, aber das eine geht ohne das andere eben nicht.<br />

Wir werden das mit dem Klimawandel nicht ohne den Weg<br />

zur sozialen Gerechtigkeit auf die Reihe kriegen.<br />

Kannst Du uns in einem Satz dein Lebensmotto verraten?<br />

Tu was du willst, solange du deinen Mitmenschen, allen<br />

anderen Wesen und dem Rest der Welt so wenig wie möglich<br />

Schaden zufügst und das Ganze dann unter Berücksichtigung<br />

der herrschenden Ausbeutungsverhältnisse.<br />

Gibt es etwas, das Du schon immer mal machen wolltest,<br />

aber bisher nie die Zeit dafür gefunden hast?<br />

Zeit hätte ich eigentlich immer relativ gut irgendwie finden<br />

können, das war nicht unbedingt das Problem. Mir fehlt es<br />

eher an finanziellen Ressourcen. Ich würde gerne ein Mal<br />

im Leben mit 200 oder 300 Euro in der Tasche eine Buchmesse<br />

besuchen. Und ich würde wahnsinnig gerne reisen,<br />

ganz viele tolle Menschen treffen und darüber schreiben.<br />

Gibt es etwas in Freiburg, worüber Du dich besonders<br />

aufregst?<br />

Ja, zur Zeit ist natürlich ziemlich ärgerlich diese Umwandlung<br />

von 120 sanierten Wohnungen der Freiburger Stadtbau<br />

GmbH, die zu Eigentumswohnungen werden sollen<br />

und von denen dann behauptet wird, dass sie auch für den<br />

kleinen Geldbeutel zu haben sind. Nur... die Leute, die wenig<br />

Geld haben, die haben halt nicht einfach mal so 40.000<br />

Euro in der Hand. Das ärgert mich schon. So was finde ich<br />

wirklich nicht in Ordnung!<br />

Was ist für Dich der schönste Ort in Freiburg? Und welcher<br />

der hässlichste?<br />

Da muss ich nicht lange darüber nachdenken. Der alte<br />

Friedhof, der ist wirklich wunderschön. Und ziemlich hässlich<br />

ist der Platz der Alten Synagoge.<br />

Was wünschst du Freiburg?<br />

Ich würde mir für Freiburg wünschen, dass die Stadt<br />

wieder ein bisschen mehr versucht, dem Titel Green City<br />

gerecht zu werden. Zum Beispiel bräuchten wir viel mehr<br />

ökologisch sinnvolle interessante Projekte. Wir brauchen<br />

alternative Wohnformen wie Wagenburgen oder Plätze<br />

für Tiny Houses, Mehrgenerationenhäuser, Dachgärten auf<br />

Hochhäusern, auf Neubauten und das alles – möglichst<br />

öffentlich gefördert. Wir brauchen so Sachen wie Urban<br />

Gardening oder Housing First für Obdachlose. Wir brauchen<br />

also wirklich ökologisch sinnvolle und sozial gerechte<br />

Projekte.<br />

Wir bedanken uns für das Gespräch und freuen uns,<br />

wie unsere LeserInnen bestimmt auch, auf viele weitere<br />

spannende Buchbesprechungen und Artikel von Dir!<br />

Bleib gesund und auf dass Du immer ein Buch finden<br />

wirst, das Dich fesselt und Dir den Atem raubt...<br />

Oliver, Ekki & Conny<br />

FREIeBÜRGER 11 | <strong>2021</strong> 11


Abb.: Der Völler, Gemälde von Georg Emanuel Opiz, 1804<br />

900 JAHRE ARMUT IN FREIBURG<br />

Armenwesen und Pflege in Freiburg (Teil 10)<br />

Foto: Wikimedia Commons<br />

In der letzten Ausgabe habe ich von den beiden bekannten<br />

Siechenordnungen in Freiburg erzählt, wie und warum<br />

sie entstanden sind und ich habe begonnen, über die<br />

einzelnen Regeln, deren Bedeutung und Umsetzung zu<br />

schreiben. Vom Aussegnen aus der Stadt, dem Einzug ins<br />

Gutleuthaus und dem Bekanntmachen mit der Siechenordnung<br />

habe ich beim letzten Mal berichtet. Heute geht<br />

es darum, wie die Menschen im Leprahaus mit diesen<br />

Bestimmungen lebten.<br />

Trotz scharfer Seuchenbestimmungen konnten nicht<br />

alle umherziehenden Leprosen, die vorstellig wurden,<br />

im Gutleuthaus aufgenommen werden. Dafür gab es<br />

verschiedene Gründe: Zum Ersten kamen die wandernden<br />

Aussätzigen sehr weit herum und kamen dadurch<br />

zwangsläufig mit anderen Menschen zusammen. Diese<br />

Menschen wurden unterwegs nur selten kontrolliert und<br />

so versuchten natürlich einige der Leprosen, ihr Leiden zu<br />

verstecken. Somit waren sie wandelnde Infektionsherde<br />

und da sich das herumgesprochen hatte, fanden sie nur<br />

widerwillig oder gar nicht Einlass in die Leprosenhäuser.<br />

Zum Zweiten musste man davon ausgehen, dass diese<br />

reisenden Kranken sich nur sehr schwer oder gar nicht<br />

in ein bestehendes soziales Gefüge einpassen ließen.<br />

Denn die meisten dieser Vagabunden lebten vorher schon<br />

einmal in einem ähnlichen Haus und mussten dieses<br />

verlassen. Meistens lag das daran, dass sie mehrfach<br />

gegen die bestehenden Regeln verstoßen hatten. Mehrfach<br />

deswegen, weil es für fast alle Vergehen erst einmal<br />

hausinterne Strafen gab wie z. B. den Entzug der Pfründe<br />

für einzelne Tage, Wochen oder länger. Erst wenn das<br />

nicht fruchtete, erfolgte die Ausweisung. Somit konnten<br />

der Gutleuthaus-Meister und die Pfleger mit ziemlicher<br />

Sicherheit wissen, wer da an die Tür klopfte und ob man<br />

ihn einlassen kann. Ein weiterer Punkt waren die „wirklich<br />

armen“ Aussätzigen, die über nichts verfügten als über<br />

das, was sie auf dem Leib trugen. Diese konnten nichts in<br />

die Gemeinschaft einbringen und auch nach dem Tode<br />

nichts hinterlassen und waren somit nicht lukrativ für<br />

die Gemeinschaft. Diese Kranken mussten oft lange und<br />

weit umherreisen, bis sie irgendwo in ein Leprosorium<br />

aufgenommen wurden. Deshalb versuchten es einige<br />

12<br />

FREIeBÜRGER 11 | <strong>2021</strong>


unter ihnen mit Schummeleien, um Aufnahme und somit<br />

eine gesicherte Existenz zu finden. So absurd es klingt,<br />

verkleideten sie sich ärmlich und gebrechlich und täuschten<br />

den Aussatz vor, um ins Gutleuthaus zu kommen. Wie<br />

vielen von ihnen das tatsächlich gelang, ist nicht bekannt.<br />

Aus diesen Gründen mussten die Verantwortlichen der<br />

Leprosenhäuser wie dem Freiburger Gutleuthaus schon<br />

im eigenen Interesse sehr vorsichtig sein, wen sie einlassen<br />

und wen nicht. Natürlich hatte dieses Handeln auch<br />

negative Auswirkungen. Denn diejenigen Kranken, die<br />

sich auf einer Wallfahrt oder auf der Reise in ein Heilbad<br />

befanden und unterwegs an ein Leprosorium klopften,<br />

um für ein Nachtlager zu bitten, wurden natürlich auch<br />

wie „gewöhnliche“ Aussätzige behandelt. Meist blieben<br />

auch sie vor der Tür!<br />

DAS SOZIALVERHALTEN DER BEWOHNERINNEN IM<br />

FREIBURGER GUTLEUTHAUS<br />

Egal wo man etwas liest oder hört über die Aussätzigen<br />

im Mittelalter, wird und wurde den Leprakranken der<br />

Vorwurf gemacht, sie wären mit negativen Charaktereigenschaften<br />

behaftet und selbst an ihrem Schicksal<br />

schuld. Selbst die große gelehrte Frau des Mittelalters,<br />

Hildegard von Bingen, sah die Ursachen der Lepra bei den<br />

Aussätzigen selbst. Sie erkannte drei Gründe, durch die<br />

Menschen die Lepra bekommen konnten: da wären die<br />

Völlerei (Fress- und Trunksucht), die Wollust und der Jähzorn.<br />

Für alle dieser drei Erscheinungsbilder hatte sie die<br />

geeignete Therapie entwickelt, die für uns allerdings sehr<br />

abenteuerlich klingen. Wenn also solch gebildete Personen<br />

an die Eigenschuld der Aussätzigen glaubten, warum<br />

sollte dann das normale Volk eine andere Ansicht haben?<br />

Wenn man die Freiburger Siechenordnung von 1480<br />

aufmerksam liest, wird man Formulierungen finden, die<br />

diese Theorien bestätigen. 1507 wurde das zum Teil sogar<br />

verschärft. Wahrscheinlich ist es durch diesen Glauben<br />

an die Selbstverschuldung der Krankheit auch zu diesen<br />

gerichtsähnlichen Lepraschauprozessen gekommen, die<br />

ich schon erwähnt hatte.<br />

Die Regeln für das Zusammenleben im Haus waren sehr<br />

konkret und für damals leicht verständlich gefasst. Wenn<br />

z. B. ein Insasse den anderen „fravenlich schilt, fluchet oder<br />

spricht, liegt oder derglich Scheltung oder zornesworten<br />

anvüchtelt“, dann sollte er acht Tage auf seine Pfründe<br />

verzichten. Sollte es nicht bei verbalem Frevel bleiben<br />

und der Missetäter wurde handgreiflich, so wurde der<br />

Betreffende vom Meister festgesetzt und dem Urteil der<br />

Pfleger übergeben. In den Ergänzungen von 1507 wurden<br />

verschiedene Beispiele aufgeführt, um die Straftaten anschaulich<br />

zu beschreiben: Wenn ein Insasse den anderen<br />

mit Schimpfworten wie Dieb, Hure oder anderem beleidigte,<br />

musste er „zwen schilling pfening on gnad“ bezahlen<br />

und Besserung geloben! Auch durfte man niemanden<br />

Abb.: Hildegard von Bingen (1098 bis 1179)<br />

Foto: Wikimedia Commons<br />

provozieren bis dieser zornig wird und daraufhin selbst<br />

Schimpfworte gebraucht. Auch das wurde mit Geldstrafen<br />

belegt. Weiter sollten alle Insassen „vermaiden<br />

gottslesterung mit sweren, fluchen,schelten“, denn dieses<br />

galt als schwerer Frevel. Gotteslästerungen wurden „nach<br />

gestalt oder sach“ bestraft. Laut der Siechenordnung<br />

war jeder Insasse verpflichtet, andere bei Fehlverhalten<br />

zur Ordnung zu rufen und Regelverletzungen anderer<br />

BewohnerInnen den Pflegern zu melden. All diese Regeln<br />

und der angehängte Strafenkatalog erwecken den<br />

Eindruck, dass das Zusammenleben im Gutleuthaus<br />

nicht immer einfach war. Wenn man sich aber vor Augen<br />

führt, dass die wenigsten Insassen freiwillig hier waren,<br />

auf engem Raum und unter Umständen lebten, die sie<br />

nie wollten, aber nicht ändern konnten, ist das auch kein<br />

Wunder! Reiche Pfründner, die sich ihren Lebensabend<br />

hier erkauft hatten, lebten besser. Nicht nur, dass die<br />

Verpflegung besser war, sie hatten auch eigene Räumlichkeiten,<br />

in die sie sich jederzeit zurückziehen konnten und<br />

somit auch Streitereien weitgehend aus dem Weg gehen<br />

konnten. Dass Streitereien und körperliche Auseinandersetzungen<br />

im Freiburger Gutleuthaus zunahmen ist auch<br />

daran zu sehen, wie schnell die Änderungen nach dem<br />

FREIeBÜRGER 11 | <strong>2021</strong> 13


Foto: Jan Marczuk / Pixabay<br />

Abb.: Die Gefängnisse im Mittelalter waren oft sehr dürftig eingerichtet...<br />

Inkrafttreten der Freiburger Siechenordnung erfolgten.<br />

Denn während in der Siechenordnung von 1480 noch keine<br />

Rede von kriminellen Verfehlungen war, wurden diese<br />

27 Jahre später ausführlich beschrieben und unterteilt,<br />

mitsamt der Strafandrohung. Vor allem die Delikte von<br />

Körperverletzungen, die ständig zunahmen, wurden in<br />

verschiedene Kategorien unterteilt. Hierbei unterschied<br />

man hauptsächlich nach der Art des Angriffs und nach<br />

dem Verletzungsgrad des Opfers. Laut der Bestimmungen<br />

von 1507 war das „Schlahen un Stoßen“ mit „funsten,<br />

messern, bengeln, steinen oder derglichen“ strengstens<br />

verboten. Gab es dagegen Verstöße, dann urteilte die<br />

Gemeinschaft der Aussätzigen, ob der Täter bestraft wird<br />

und wie. Hatte ein Bewohner des Gutleuthauses „das ander<br />

blutrunsig“ gemacht (jemand eine blutende Wunde<br />

zugefügt), so wurde auch er bestraft „nach der bruder<br />

erkantnus und irer verstentnus“. Hatte der Täter sein Opfer<br />

schwer verletzt, so wurde auch hier zuerst ein Urteil der<br />

Gemeinschaft gesprochen, welches härter ausfiel als bei<br />

den vorigen Delikten. Doch zusätzlich zum „Hausgericht“<br />

wurden diese Missetäter durch die Pfleger dem Bürgermeister<br />

und dem Stadtrat übergeben, die dann ein noch<br />

strengeres Urteil fällen konnten. Die härtesten Strafen in<br />

diesem Zusammenhang wurde bei „Totslag“ ausgesprochen.<br />

„Schluge ouch ir eins das ander zu tot, das soll ein<br />

huwsmeister furderlich on verzug anbringen dem meister<br />

im hof und dann der meister den pflegern!“ Also wenn ein<br />

Bewohner einen anderen tötete, musste das unverzüglich<br />

gemeldet und vor Gericht gebracht werden. In solchen<br />

Fällen gab es kein Gericht der Aussätzigen, sondern meist<br />

eine ordnungsgemäße Verhandlung vor dem städtischen<br />

Blutgericht. Meistens endeten solche Verfahren mit dem<br />

Todesurteil. Konnte ein Täter vor dem Entdecken seiner<br />

Tat fliehen, wurden er und eventuelle Komplizen aus der<br />

Bruderschaft ausgeschlossen und die ihnen zustehenden<br />

Pfründe oder Erbschaft wurden entzogen. Es gab auch<br />

Fälle von Diebstahl oder Betrug unter den Insassen, die je<br />

nach der Schwere oder des materiellen Wertes mit Geldbußen,<br />

tageweisem Entzug irgendwelcher Sachen oder<br />

Gefängnis bestraft wurden.<br />

Da das Leben im Leprosenhaus einer Zweckgemeinschaft<br />

ähnlich war, wird es wohl im Großen und Ganzen funktioniert<br />

haben, da alle Insassen durch ihre Erkrankung<br />

im selben Boot saßen. Dass es zu Vorkommnissen kam,<br />

bei denen ein oder mehrere BewohnerInnen durchdrehten<br />

oder randalierten, lag ganz einfach an der Enge des<br />

Zusammenseins, der dadurch entstehenden Ballung von<br />

Problemen und natürlich der aussichtslosen Lebensprognose.<br />

Aus diesem Grund war die Stadt gezwungen, Regeln<br />

aufzustellen.<br />

14<br />

FREIeBÜRGER 11 | <strong>2021</strong>


Wie ich bereits beschrieben habe, unterlag das Gutleuthaus<br />

strengen christlichen Regeln. Im Zusammenhang<br />

mit Leprosenhäusern tauchen oft die Begriffe „Bruder“<br />

oder „Bruderschaft“ auf. Auch in den beiden Siechenordnungen<br />

ist davon die Rede. Das bedeutet allerdings nicht,<br />

dass das Gutleuthaus ein Kloster war und dessen Bewohner<br />

Mönche. Allerdings war ihr Tagesablauf dem eines<br />

Ordens sehr ähnlich. Zu diesem Tagesablauf gehörte auch<br />

ein strenger Gebetsplan, der strikt eingehalten werden<br />

musste. Da auch hierbei erst in den Ergänzungsbestimmungen<br />

zur Siechenordnung konkrete Vorschriften<br />

erwähnt werden, muss man annehmen, dass man auch<br />

die Gebete eine Weile nicht regelmäßig abhielt. Auch für<br />

Verstöße gegen die Gebetsordnung war ein Strafkatalog<br />

erstellt worden. Und es gab eine Menge zu beachten:<br />

Vor und nach dem Essen sollte „ein jede person in dem<br />

hus, es sige man, wib, knab oder tochter, beten ein paternoster,<br />

ein ave Maria und ein glouben“. Tat man es nicht,<br />

drohten „sechs pfening“ Bußgeld. Verpflichtend war auch,<br />

täglich „in der capellen“ der Messe beizuwohnen. Fand<br />

keine Messe statt, sollten die Aussätzigen so lange in der<br />

Kapelle beten, wie eine Messe dauern würde. Die meisten<br />

Gebete waren Fürbitten für Stifter und Spender. Konnte<br />

ein Insasse nicht an Messe oder Gebet teilnehmen,<br />

musste er sich beim Meister abmelden. Zudem wurden in<br />

Paragraph 21 der Ergänzungsbestimmungen die Gebete<br />

für verstorbene Mitglieder der Gemeinschaft vorgeschrieben.<br />

„zu trost den armen selen, die da gestorben sind von<br />

dieser bruderschaft“ sollten an allen Fronfastentagen zwei<br />

Messen gelesen werden und die Namen der Verstorbenen<br />

sollten vor dem Altar verlesen werden. Sonntags sollten<br />

vier Mal Messen für die Verstorbenen gelesen werden.<br />

Zusätzlich zur Siechenordnung gab es im Freiburger<br />

Gutleuthaus auch noch eine eigene Hausordnung für<br />

die BewohnerInnen. In dieser waren spezielle Punkte wie<br />

Freizeit, Schlafenszeit, Sauberkeit und ähnliches geregelt.<br />

Bei der Freizeitgestaltung kann man feststellen, dass den<br />

Kranken hier etwas mehr Spielraum bzw. Freiheit gelassen<br />

wurde. So wurde entgegen früheren Verordnungen<br />

das Glücksspiel mit Karten oder Würfeln erlaubt. Es war<br />

„zu etlichen zydten“ erlaubt, „umb ein helbling“ zu spielen,<br />

nicht aber um mehr. „An heiligen abenden und heiligen tagen“<br />

durfte nicht gespielt werden. Wurde man außerhalb<br />

der erlaubten Zeiten beim Spiel erwischt, dann gab es<br />

für acht Tage keinen Wein. Unbedingt gern gesehen war<br />

das Glücksspiel dennoch nicht, denn es endete oftmals in<br />

Streitereien. Auch fürs Musizieren gab es Vorschriften im<br />

Haus. „cheinerlei pfiffen, luten, trumen noch ander gewirtschaft“<br />

wurde genehmigt. Für andere Arten zu musizieren<br />

bedurfte es die Genehmigung des Meisters. 9 Uhr abends<br />

musste wieder Ruhe einkehren. Auch für die hauseigene<br />

Badestube gab es Regeln. So war es strikt verboten, nackt<br />

das Bad zu betreten. Männer sollten „ein nidergewand<br />

Abb.: Der Tod klopft an die Tür von Arm und Reich<br />

gleichermaßen<br />

haben“ und Frauen „ein badhembder“ tragen. Die Kleidervorschrift<br />

bestand, um die Ordnung zu wahren und der<br />

Unzucht vorzubeugen. Auch hier war der Meister für die<br />

Einhaltung der Bestimmungen verantwortlich. Strafen<br />

konnten von Geldbußen bis zum Ausschluss aus der Gemeinschaft<br />

reichen. Außerdem gab es im Freiburger Haus<br />

ein sogenanntes Loch, in dem der Meister Straftäter für<br />

bestimmte Zeit einsperren konnte.<br />

Die meisten Regeln, die in dieser Hausordnung stehen,<br />

sind auch heute noch gemeinhin verständlich und<br />

normal. Dass aber in einer Regel steht, dass man in den<br />

Schlafkammern nicht urinieren darf, wirft Fragen auf...<br />

Soweit zu Ordnungen und Bestimmungen. In der nächsten<br />

Folge geht es um den Beginn der Neuzeit in Freiburg.<br />

Ich bedanke mich beim Stadtarchiv Freiburg, der Waisenhausstiftung,<br />

Gerlinde Kurzbach, Bernadette Kuner und<br />

Professor Pompey.<br />

Foto: https://wellcomeimages.org/indexplus/image/V0042153.html<br />

Carsten<br />

FREIeBÜRGER 11 | <strong>2021</strong> 15


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FREIeBÜRGER 11 | <strong>2021</strong> 17


WOHNEN IST MENSCHENRECHT<br />

Jede bezahlbare Mietwohnung wird gebraucht<br />

Foto: pixabay / Prawny<br />

Jeder Mensch braucht ein Dach über dem Kopf, ein Zuhause,<br />

in dem er sich wohl und geborgen fühlen kann.<br />

Und doch leben auch in Freiburg viele hundert Menschen<br />

ohne eine eigene Wohnung, viele viele Kids und Jugendliche<br />

leben mehr oder weniger auf der Straße und rund<br />

2.000 Wohnungsnotfälle sind amtlich bekannt. Selbst<br />

unter denen, die in einer guten Wohnung leben, gibt es<br />

viele mit Sorgen und Ängsten, weil sie z. B. ihre Miete<br />

nicht mehr bezahlen können. In Freiburg herrscht Wohnungsnot<br />

und die Mietpreise explodieren, weil es zu<br />

wenige bezahlbare Mietwohnungen gibt. Nach Berechnungen<br />

der Hans-Böckler-Stiftung fehlen in Freiburg<br />

rund 20.000 Mietwohnungen im unteren Preissegment.<br />

Es ist eine elementare Grundaufgabe der Daseinssorge<br />

der Kommunen, gerade für Menschen mit geringen und<br />

durchschnittlichen Einkommen bezahlbare Mietwohnungen<br />

zu schaffen und zu sichern. Vor diesem Hintergrund<br />

erübrigt sich eigentlich die Fragestellung nach der Zweckentfremdung<br />

der 120 ehemaligen städtischen Sozialwohnungen<br />

in der Sulzburger Straße. Diese wurden einst<br />

mit Steuergeldern finanziert und mit den Mieten der<br />

BewohnerInnen abbezahlt. Sie jetzt für einen vermeintlichen<br />

Schnäppchenpreis an Besserverdienende verkaufen<br />

zu wollen, widerspricht dem Sozialstaatsgebot unserer<br />

Verfassung. Der Schutz und die Unterstützung derjenigen,<br />

die eine öffentliche Förderung und Unterstützung<br />

benötigen, muss im Vordergrund stehen.<br />

Es ist nicht Auftrag der Stadtverwaltung dafür Sorge zu<br />

tragen, dass möglichst viele Menschen Eigentum erwerben<br />

können, wenn gleichzeitig tausende Menschen in<br />

Freiburg an der Wohnungsnot leiden. Dass das die Menschen<br />

z. B. in Weingarten auch so sehen, wurde kürzlich<br />

deutlich, als in einer spektakulären Aktion von Bürgerverein<br />

und Forum Weingarten sowie dem Mietenbündnis im<br />

Stadtteil ein Meinungsbild hergestellt wurde. Innerhalb<br />

von vier Stunden haben auf dem Marktplatz in Weingarten<br />

372 Menschen mit dem Stimmzettel ihre Auffassung<br />

bekundet. Rund 87 % stimmten gegen den Verkauf dieser<br />

Mietwohnungen. Ein klares Votum aus dem Stadtteil.<br />

Auch im Sanierungsbeirat, der vom Gemeinderat zur<br />

Begleitung dieses städtebaulichen Entwicklungsprojektes<br />

eingesetzt worden ist, gab es kürzlich eine klare Mehrheit<br />

gegen den Verkauf dieser Mietwohnungen: 9 Stimmberechtigte<br />

votierten gegen den Verkauf, 4 dafür und 1<br />

Person enthielt sich der Stimme. Im Grunde spricht alles<br />

dafür, diese noch bezahlbaren Mietwohnungen langfristig<br />

im städtischen Besitz zu erhalten. Wenn nun trotzdem<br />

verkauft werden würde, wäre dies nicht Wasser auf die<br />

Mühlen der Rechtspopulisten, die gerade von der Politikverdrossenheit<br />

und den Ängsten der Menschen profitieren,<br />

die eher im Schatten der Gesellschaft leben und sich<br />

niemals Wohnungseigentum leisten können?<br />

Freiburger Mietenbündnis<br />

18<br />

FREIeBÜRGER 11 | <strong>2021</strong>


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FREIeBÜRGER 11 | <strong>2021</strong> 19


FACEBOOK-FIASKO<br />

Die unverhältnismäßigen Auswirkungen<br />

einer Facebook-Störung auf Entwicklungsländer<br />

Illustration: REUTERS / Dado Ruvic<br />

Egal ob in Afghanistan oder in Brasilien, Facebook-Plattformen<br />

sind das beliebteste Kontaktmittel der Menschen.<br />

Die Störung am Montag hat in den Entwicklungsländern<br />

das tägliche Leben auf den Kopf gestellt.<br />

Ein fast sechsstündiger Ausfall von Facebook und seinen<br />

WhatsApp- und Instagram-Apps am Montag, den 4. April,<br />

hat den Alltag von Menschen auf der ganzen Welt durcheinander<br />

gebracht – vor allem dort, wo die Plattformen<br />

die beliebtesten Mittel zum Surfen im Internet, zum<br />

Telefonieren und sogar für Zahlungen sind.<br />

In vielen Teilen der Welt ist Facebook das Hauptportal ins<br />

Internet. Seit 2013 hat Facebook Programme eingeführt,<br />

um Menschen in Entwicklungsländern zu vernetzen. Laut<br />

einer Studie von 2019 ist das Programm „Free Basics“ in 65<br />

Ländern verfügbar.<br />

Laut Facebook bietet das Programm Internet für über eine<br />

Milliarde Menschen in Asien, Afrika und Lateinamerika.<br />

„Die Menschen wussten nicht, dass Facebook und sein<br />

Produkt offline waren – sie dachten, das gesamte Internet<br />

sei verschwunden“, sagte Kofi Yeboah, ein Mitarbeiter der<br />

Gruppe für digitale Rechte Paradigm Initiative, in einem<br />

Telefoninterview aus Ghana.<br />

Von der Kommunikation mit geliebten Menschen bis<br />

hin zu geschäftlichen Aktivitäten – hier sind einige der<br />

wichtigsten Aspekte, wie der Ausfall das tägliche Leben<br />

gestört hat.<br />

IMMER IN KONTAKT BLEIBEN<br />

Von Afghanistan bis Brasilien ist die Facebook-Plattform<br />

WhatsApp zur wichtigsten Methode für SMS und Telefonate<br />

geworden – vor allem in den Entwicklungsländern.<br />

Nach Angaben der Marktforschungsgruppe Mobilesquared<br />

hat Indien mit fast 400 Millionen Nutzern die meisten<br />

WhatsApp-Nutzer, während in Brasilien und Indonesien<br />

jeweils über 100 Millionen Nutzer zu Hause sind. In<br />

Brasilien ist WhatsApp eine allgegenwärtige Form der<br />

Kommunikation – Forscher schätzen, dass über 90 % der<br />

brasilianischen Handybesitzer die Plattform nutzen.<br />

20<br />

FREIeBÜRGER 11 | <strong>2021</strong>


GESCHÄFTE MACHEN<br />

WhatsApp und Instagram sind zu Werkzeugen für<br />

Kleinunternehmer geworden, um ihre Waren online zu<br />

verkaufen. In Brasilien führte der Ausfall zu Umsatzeinbußen,<br />

wie lokale Medien berichteten, da die Käufer nicht<br />

bestellen konnten und die Online-Shops nicht direkt<br />

bei den Verbrauchern werben konnten, indem sie ihnen<br />

Nachrichten auf WhatsApp schickten.<br />

„Kleinunternehmer sind von Instagram und WhatsApp<br />

abhängig geworden“, sagte Christian Perrone, Koordinator<br />

für Recht und Technologie am Institut für Technologie<br />

und Gesellschaft (ITS), einer von Akademikern geführten<br />

gemeinnützigen Organisation in Brasilien.<br />

„Ein erheblicher Teil der kleinen Unternehmen, die<br />

während der Pandemie gegründet wurden oder sich an<br />

die Pandemie anpassen mussten, sind über eine dieser<br />

Plattformen digital geworden“, so Perrone. „Es ist schwierig,<br />

die potenziellen Verluste, die sie hatten, zu messen.“<br />

Viele Brasilianer nutzen ihre Facebook-Anmeldung auch,<br />

um sich bei anderen Websites und Diensten anzumelden,<br />

und da Facebook ausgefallen ist, konnten sie auch diese<br />

nicht nutzen, fügte er hinzu.<br />

„Der Ausfall war ein Weckruf dafür, dass die brasilianische<br />

Gesellschaft möglicherweise zu abhängig von Facebook-Apps<br />

geworden ist“, so Perrone. „Es wäre interessant,<br />

sich vorzustellen, was passieren würde, wenn die Abschaltung<br />

etwa 10 Tage andauern würde.“<br />

Jessica Soares, eine in Rio ansässige Anwältin, die mit<br />

ihren Klienten fast ausschließlich über WhatsApp<br />

kommuniziert, sagte: „Es ist sehr beunruhigend, es hat<br />

meinen Tag zum Kriechen gebracht.“<br />

stattfinden, aber gestern konnten wir es nicht wissen,<br />

weil WhatsApp gesperrt wurde“, sagte er.<br />

„Sind sie noch am Himmel, werden sie wieder bombardieren...<br />

wir hatten Angst.“<br />

In Afghanistan verlassen sich viele Leute, die ins Ausland<br />

gezogen sind, auf WhatsApp, um mit Familie und Freunden<br />

zu kommunizieren, weil es billiger und verschlüsselt<br />

ist.<br />

Darüber hinaus sind Afghanen im Ausland auf WhatsApp<br />

angewiesen, um Geldüberweisungen zu tätigen –<br />

der Ausfall hatte auch Auswirkungen auf die Bemühungen,<br />

Geld ins Land zu bringen, sagten afghanische<br />

Auswanderer.<br />

Avi Asher-Schapiro und Fabio Teixeira<br />

Übersetzt aus dem Englischen ins Deutsche von Lisa<br />

Luginbuhl<br />

Mit freundlicher Genehmigung von Reuters / Thomson<br />

Reuters Foundation / INSP.ngo<br />

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Yeboah von Paradigm Initiative sagte, dass „aufgrund von<br />

COVID viele Leute ihre eigenen Geschäfte betreiben und<br />

sich stark auf soziale Medien, Facebook, Instagram und<br />

WhatsApp verlassen, um ihre Geschäfte zu betreiben. Es<br />

war für viele junge Leute sehr beunruhigend."<br />

HUMANITÄRE ARBEIT IN KONFLIKTGEBIETEN<br />

Für Konfliktgebiete wie Afghanistan und Syrien erwies<br />

sich der Ausfall als noch störender. Maher Younes, ein<br />

Humanitärer Helfer der in der Türkei ansässigen Organisation<br />

Orange, sagte, die Gruppe nutze WhatsApp, um<br />

mitzuteilen, wo in Syrien Bombenanschläge stattfinden,<br />

damit sich ihre MitarbeiterInnen sicher durch das Land<br />

bewegen können.<br />

„Gestern haben wir viele Bombenanschläge gehört,<br />

normalerweise wissen wir über WhatsApp, wo sie<br />

FREIeBÜRGER 11 | <strong>2021</strong> 21


Im Mai 2016 stimmte eine große Mehrheit der Freiburger<br />

GemeinderätInnen gegen den anhaltenden Widerstand<br />

des damaligen Oberbürgermeisters Dieter Salomon für<br />

die Einführung eines Sozialtickets. Dem Beschluss ging<br />

ein zehnjähriger zäher Kampf voraus, der vom Runden<br />

Tisch Freiburg und dem breit aufgestellten Bündnis<br />

Sozialticket für diese sozialpolitische Maßnahme geführt<br />

werden musste.<br />

Im Oktober 2016 wurde das Sozialticket in Freiburg eingeführt.<br />

Anspruchsberechtigt sind BürgerInnen, die Leistungen<br />

nach SGB II, also Hartz IV, der Grundsicherung nach<br />

SGB IX und XII, Leistungen nach Asylbewerberleistungsgesetz<br />

oder Wohngeld erhalten und bei der zuständigen<br />

Behörde einen Antrag auf diese Vergünstigung stellen.<br />

Die Behörden verschicken Berechtigungsgutscheine, die<br />

bei der VAG eingelöst werden können. Dabei haben die<br />

NutzerInnen die Wahl zwischen der RegioKarte Basis, für<br />

die ein Eigenanteil von 34 Euro fällig wird, oder 2x4 Einzelfahrscheinen<br />

zum Preis von 8,55 Euro.<br />

Fünf Jahre Sozialticket<br />

Foto: Freiburger Verkehrs AG / Ralf Killian<br />

obwohl Mobilität im ländlichen Raum gewiss nicht weniger<br />

wichtig ist als in der Stadt. Sozialtickets wurden in<br />

Baden-Württemberg in zahlreichen Großstädten eingeführt.<br />

Wer außerhalb dieser Städte lebt und sich keinen<br />

PKW leisten kann, hat das Nachsehen durch ein schlecht<br />

ausgebautes ÖPNV-Angebot, das gleichzeitig das schmale<br />

Budget übermäßig belastet.<br />

Deshalb setzt sich das Freiburger Bündnis Sozialticket für<br />

die Einführung eines landesweit gültigen Sozialtickets<br />

ein, das zur Nutzung sämtlicher regionaler Verkehrsverbünde<br />

und den Regionalverkehr der Deutschen Bahn<br />

berechtigt. Die Idee für ein „Landessozialticket“ wurde<br />

bereits von der Landesarmutskonferenz in die Landesministerien<br />

für Soziales und für Verkehr getragen. Auch der<br />

Verkehrsclub Deutschland e. V. setzt sich angesichts der<br />

notwendigen Verkehrswende für sozial- und umweltverträgliche<br />

Mobilität ein, die auf Chancengleichheit und<br />

Teilhabe ausgerichtet ist und fordert bundesweit flächendeckende<br />

Sozialtickets.<br />

Durch das Sozialticket wird finanzschwachen MitbürgerInnen<br />

Mobilität als Voraussetzung zur gesellschaftlichen<br />

Teilhabe ermöglicht. Die Einführung hat sich als<br />

notwendig und sinnvoll erwiesen, wie die Statistik zeigt.<br />

Von Oktober 2016 bis Juli <strong>2021</strong> wurden insgesamt 247.067<br />

Gutscheine eingelöst, wobei die RegioKarte erheblich<br />

größeren Zuspruch als die Einzelfahrscheine findet. Rund<br />

59 % der NutzerInnen erhalten die Gutscheine über das<br />

Jobcenter, gefolgt von den Berechtigten des Amts für Soziales<br />

und Senioren mit circa 24 % und den BezieherInnen<br />

von Wohngeld mit fast 12 %.<br />

In den benachbarten Landkreisen Emmendingen und<br />

Breisgau-Hochschwarzwald warten einkommensschwache<br />

Menschen leider weiterhin auf ein Sozialticket,<br />

Im Rahmen der Recherche für diesen Artikel wurde bei<br />

den Fraktionsvorsitzenden der fünf im Landtag vertretenen<br />

Parteien um eine Stellungnahme zu einem landesweit<br />

gültigen Sozialticket gebeten. Bis zum Redaktionsschluss<br />

ging nur eine Antwort des Fraktionsvorsitzenden<br />

der SPD, Andreas Stoch, ein. Seine Fraktion habe bereits<br />

2019 in einem Haushaltsantrag ein 365 Euro-Ticket für<br />

SchülerInnen, Azubis, StudentInnen, SeniorInnen und als<br />

Sozialticket beantragt, was jedoch von den Regierungsparteien<br />

Baden-Württembergs abgelehnt worden sei. Die<br />

Forderung nach einem 365 Euro-Ticket halte die SPD-Fraktion<br />

weiterhin für richtig. Es bleibt also spannend und wir<br />

werden das Thema im Auge behalten.<br />

utasch<br />

22<br />

FREIeBÜRGER 11 | <strong>2021</strong>


Engagiert für<br />

wohnungslose Menschen<br />

Sonntagstreffs im <strong>November</strong> <strong>2021</strong><br />

07.11.<strong>2021</strong><br />

12:00 Uhr<br />

oder<br />

13:30 Uhr<br />

15:00 Uhr<br />

14.11.<strong>2021</strong><br />

13:00 Uhr<br />

28.11.<strong>2021</strong><br />

13:00 Uhr<br />

Kath. Kirchengemeinde St. Albert<br />

Sundgauallee 9 Straßenbahn 1 / Richtung Landwasser<br />

Halt Bischofskreuz<br />

Mittagessen in zwei Schichten im Gemeindesaal.<br />

Der Einlass und Aufenthalt im Saal ist für nur ca. 45<br />

Personen gleichzeitig gestattet. Eventuell kann das<br />

Essen auch für einige mit hinaus genommen werden.<br />

Offenes Zelt mit Getränkeangebot für die Wartezeit<br />

im Freien. In diesem Jahr gibt es keine zusätzliche<br />

Kleiderausgabe.<br />

Gedenkgottesdienst für unsere im letzten und in<br />

diesem Jahr Verstorbenen.<br />

Kath. Gemeinde St. Peter und Paul in St. Georgen<br />

Bozener Straße 6 / Bus 11 Richtung St. Georgen<br />

Halt Gabelsbergerstraße oder Straßenbahn 3 Richtung<br />

Vauban / Endhaltestelle / Ausgabe von Vespertüten<br />

Italienische Evangelisch-Freikirchliche Gemeinde<br />

Stefan-Meier-Straße 145 Straßenbahnlinie 2 bis<br />

Rennweg oder Zug bis Bhf. Herdern<br />

Mittagessen im Kirchensaal<br />

Foto: E. Peters<br />

VERKÄUFERIN BIGGI<br />

Hallo, liebe Leute, ich bin's, Ihre Biggi – genau die, die man<br />

hört, bevor man sie sieht. Seit mittlerweile vier Jahren<br />

verkaufe ich den FREIeBÜRGER und habe meine Schüchternheit,<br />

was das Verkaufen angeht, längst überwunden.<br />

Mein Verkaufsplatz ist auf dem Münsterplatz vor der<br />

„Alten Wache“ immer freitags und samstags ab 10 Uhr bis<br />

der letzte Verkaufsstand vom Münstermarkt eingepackt<br />

hat. Immer mit dabei ist meine geliebte Hündin Sarah<br />

– wir beide sind einfach ein unschlagbares Team! Wenn<br />

es regnet, verkaufe ich gegenüber von H&M, Richtung<br />

Rathausplatz, da können wir uns gut unterstellen.<br />

Ich engagiere mich nach wie vor ehrenamtlich in der<br />

Pflasterstub', mittlerweile zweimal die Woche, immer<br />

dienstags und donnerstags. Es macht mir viel Spaß, ich<br />

brauche einfach Menschen um mich herum, dann geht es<br />

mir gut. In meiner Freizeit gehe ich mit Sarah spazieren<br />

und genieße die Natur.<br />

Sonst ist alles beim Alten, bis auf meine Gesundheit... Ich<br />

war drei Monate außer Gefecht gesetzt und möchte mich<br />

in diesem Zusammenhang mit einem Dankeschön bei<br />

allen bedanken, die mich in dieser Zeit nicht vergessen<br />

haben und sage: Bis ganz bald!<br />

Ihre Biggi<br />

Es wird gebeten, sich an die Regeln der aktuellen Corona-Situation zu<br />

halten und den Bitten der GemeindehelferInnen zu entsprechen.<br />

NOVEMBER 21<br />

OVO + VONTRAPP<br />

MI, 3. I 20 H I NOISE ROCK<br />

JONNY KÖNIG<br />

FR, 5. I 20 H I GETROMMEL<br />

poınts<br />

SA, 6. I 18 H I ELEKTRONISCH<br />

PUBLIC DISPLAY OF AFFECTION + TIMBEAU<br />

MI, 10. I 20 H I PUNK WONK, KINKY JAZZ, JAPAN CITY POP<br />

KILL YOUR BOYFRIEND + M!R!M<br />

DO, 11. I 20 H I EIGHTIESPOP, DARKWAVE, SYNTH, SHOEGAZE<br />

ELEKTRONISCHER NACHTFLUG W/ AVEM<br />

SA, 13. I 20 H I SOUNDS FOR THE SOUL<br />

CRISIX + INSANITY ALLERT<br />

DO, 18. I 20 H I THRASH METAL<br />

HUMAN ABFALL<br />

FR, 19. I 20 H I PUNK, POST PUNK<br />

DAS BLANKE EXTREM + SHITNEY BEERS<br />

SA, 20. I 20 H I PUNK, POST PUNK, GARAGE<br />

VEREIN FÜR NOTWENDIGE KULTURELLE MASSNAHMEN e.V.<br />

HASLACHER STRASSE 25 | 79115 FREIBURG<br />

WWW.SLOWCLUB-FREIBURG.DE<br />

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FREIeBÜRGER 11 | <strong>2021</strong> 23


is dreißig Seiten umfassen, werden die Berufsbilder<br />

derer beleuchtet, deren Arbeit so unentbehrlich ist. Hier<br />

kommen die LeistungsträgerInnen in Interviews selbst zu<br />

Wort. Die Interviews werden durch analytische Passagen<br />

ergänzt, sodass den LeserInnen die schwierigen Lebensund<br />

Arbeitsbedingungen umfassend veranschaulicht<br />

werden.<br />

Die Beschäftigungsverhältnisse in den geschilderten<br />

Arbeitsbereichen sind meist prekär. Da wird von Scheinselbstständigkeit,<br />

Leiharbeit, befristeten Arbeitsverträgen<br />

und Schattenwirtschaft berichtet, von stetig steigender<br />

Arbeitsverdichtung und Rationalisierungen, von Unterwanderung<br />

des Mindestlohns durch unbezahlte Mehrarbeit,<br />

wachsender Ungerechtigkeit, Respektlosigkeit<br />

und der Hoffnungslosigkeit angesichts der sich stetig<br />

zuspitzenden Ausbeutung. Aber es wird auch von den<br />

Auseinandersetzungen gegen diese Bedingungen erzählt.<br />

Gewerkschaftlich organisierte Arbeitskämpfe sowie<br />

unorganisierter Widerstand führen nicht nur zu Lohnerhöhungen<br />

und Verbesserungen der Arbeitsbedingungen,<br />

sondern geben den Beschäftigten auch das verlorene<br />

Gefühl von Selbstbestimmung und Würde zurück.<br />

„Verkannte Leistungsträger:innen“<br />

edition suhrkamp<br />

ISBN 978-3-518-03601-3<br />

567 Seiten | 22 €<br />

VERKANNTE<br />

LEISTUNGSTRÄGER:INNEN<br />

Buchbesprechung von utasch<br />

Als LeistungsträgerInnen gelten aus neoliberaler Sicht<br />

UnternehmerInnen, BankerInnen und ManagerInnen.<br />

Doch die wahren und verkannten LeistungsträgerInnen<br />

sind diejenigen, die für die Reproduktion unverzichtbar<br />

sind und für einen reibungslosen Ablauf des gesellschaftlichen<br />

Alltags sorgen.<br />

Sie ernten, produzieren und transportieren unsere<br />

Lebensmittel, putzen Büros, Krankenhäuser und Restaurants,<br />

schneiden Haare, waschen Wäsche, wechseln<br />

Kleinkindern und SeniorInnen die Windeln, sortieren, verpacken<br />

und verkaufen Waren in Lagern und Läden, liefern<br />

Pakete, begrüßen und bedienen im Flugzeug oder sorgen<br />

für Sicherheit im öffentlichen Raum. Für diese „systemrelevanten“<br />

Aufgaben erhalten sie meist nicht nur zu wenig<br />

Lohn, sondern auch kaum gesellschaftliche Anerkennung.<br />

Diesen verkannten LeistungsträgerInnen haben die HerausgeberInnen<br />

Nicole Mayer-Ahuja und Oliver Nachtwey<br />

nun ein umfassendes Buch mit Berichten aus der Klassengesellschaft<br />

gewidmet. In 22 Kapiteln, die jeweils zwanzig<br />

Lesen Sie, was die Erzieherin Sandra, die SozialarbeiterInnen<br />

Simona und Giorgio, die polnische 24-Stunden-Pflegekraft<br />

Edyta und die Kinderkrankenpflegerin Ulla aus<br />

ihrem Arbeitsalltag berichten. Fiora aus Bulgarien schildert<br />

eindrücklich die bedrückende Atmosphäre in der<br />

Wäscherei eines Krankenhauses. Die Spülkräfte Jeremy<br />

und Andrew leiden unter der permanenten Angst vor<br />

Abschiebung und nehmen deshalb jede Erniedrigung<br />

am Arbeitsplatz widerspruchslos hin. Fürchterliche<br />

Zustände herrschen auch in der Landwirtschaft und der<br />

Fleischindustrie, was Alexandru und Hasim aus Rumänien<br />

anschaulich formulieren. Auch die Kurierdienstfahrer<br />

Rajesh aus Indien und José aus Chile berichten von<br />

Arbeitsverdichtung und permanenter Überwachung. Und<br />

in den Lagern von Amazon wird eine Spaltung der Belegschaft<br />

nach Herkunft und Aufenthaltsrecht betrieben, wie<br />

Frank und Josef es erleben mussten.<br />

In jedem dieser prekären Jobs werden Notlagen der<br />

Beschäftigten zur weiteren Verschlechterung der Arbeitsbedingungen<br />

ausgenutzt. Im gesamten Niedriglohnsektor,<br />

in dem inzwischen 20 % aller Lohnabhängigen tätig<br />

sind, wird für immer weniger Geld immer mehr Leistung<br />

verlangt. Permanente Überwachung, Erniedrigung<br />

und Disziplinierung durch Angst gehören zum Alltag<br />

der Beschäftigten, die kaum eine Chance haben, diesen<br />

Lebensbedingungen zu entkommen.<br />

Diese Ausbeutung geht uns alle an! Und das Buch über<br />

die verkannten LeistungsträgerInnen sollte deshalb gelesen<br />

werden.<br />

24<br />

FREIeBÜRGER 11 | <strong>2021</strong>


HAMBURGER LABSKAUS<br />

Foto: E. Peters<br />

Herzlich willkommen auf unserer Kochseite!<br />

Moin Moin und Ahoi! „Wie ekelhaft, kann man das<br />

essen...?" Viele Menschen haben über Labskaus keine gute<br />

Meinung, ohne es jemals gegessen zu haben. Labskaus<br />

erlebt in den letzten Jahren eine Renaissance, ähnlich<br />

wie andere ehemalige „Arme-Leute-Essen“. Labskaus<br />

schmeckt wie ein sehr kräftiges Kartoffelmus. Gut<br />

zubereitet und mit Matjes, Gewürzgurke und Spiegelei<br />

serviert schmeckt Labskaus sogar richtig gut. Es ist ein<br />

Seemannsgericht und wird in Norddeutschland und<br />

Teilen von Skandinavien gegessen.<br />

Früher, als man noch mit Segelschiffen auf große Fahrt<br />

ging, gab es an Bord keine Möglichkeit, Lebensmittel<br />

lange frisch zu halten. Also musste der Smutje auf lange<br />

haltbare Lebensmittel zurückgreifen. So entstand der<br />

Brei aus gepökeltem Rindfleisch, eingelegter Rote Beete,<br />

Zwiebeln und Kartoffeln. Solange es die Kombüse noch<br />

hergab, gab es Matjes und Spiegelei dazu. Labskaus ist<br />

kein original Hamburger Gericht, zumindest nicht in<br />

dem Sinne, dass es in Hamburg erfunden wurde oder<br />

ausschließlich hier zubereitet wird. Wie bei allen traditionellen<br />

Gerichten gibt es nicht das eine richtige Rezept,<br />

sondern viele verschiedene Zubereitungsarten.<br />

Unsere Verkäuferin Suzi und unser St. Pauli-Karsten<br />

kochen diesen Monat das Labskaus „Hamburger Art“.<br />

Zutaten für 4 Personen:<br />

1 Dose Corned Beef<br />

4 Matjesfilets<br />

750 g Kartoffeln<br />

4 Eier<br />

2 eingelegte Rote Beete<br />

Zubereitung:<br />

Zuerst die Kartoffeln als Salzkartoffeln kochen. In der<br />

Zwischenzeit die klein gewürfelten Zwiebeln in etwas Fett<br />

andünsten, bis sie goldfarben sind. Das in kleine Würfel<br />

geschnittene Corned Beef zufügen und mit Deckel etwa 3<br />

Minuten dünsten. Dann die gewürfelten Gewürzgurken<br />

mit etwas Gurkensud zufügen. Mit Salz, Pfeffer und Piment<br />

herzhaft abschmecken. Wenn gewünscht, eventuell<br />

noch etwas gewürfelte Rote Beete zugeben. Alles etwa 10<br />

Minuten leicht köcheln lassen. Die fertig gegarten Kartoffeln<br />

etwas stampfen, jedoch nicht so fein wie für Püree.<br />

Den Corned Beef-Mix unterrühren. Wenn die Mischung<br />

zu fest ist, noch etwas Gurkensud unterrühren. Jetzt den<br />

Labskaus auf den Tellern anrichten und mit Spiegelei,<br />

Rote Beete und nach Geschmack mit Matjes, Bismarckhering<br />

oder Rollmops servieren.<br />

Guten Appetit!<br />

3 Gewürzgurken<br />

2 Zwiebeln<br />

etwas Gurkensud<br />

Margarine zum Braten<br />

Salz & Pfeffer<br />

Suzi & Karsten<br />

FREIeBÜRGER 11 | <strong>2021</strong> 25


Hallöchen, liebe Sportfreunde,<br />

so, da bin ich wieder, und zwar schon zum vorletzten Mal<br />

in diesem Jahr mit Nachrichten vom Sport. Unglaublich<br />

aber wahr, der Winter steht schon wieder vor Tür. Und<br />

das weiß ich nicht, weil ich jetzt unter die Meteorologen<br />

gegangen bin, sondern weil ich am vergangenen Wochenende<br />

die ersten Wettbewerbe im alpinen Skisport<br />

im Fernsehen verfolgt habe. Mal sehen, wie lange man<br />

das noch im öffentlich-rechtlichen TV kann, ehe auch hier<br />

das Bezahlfernsehen mit dickem Geldbeutel auf der Piste<br />

steht und die Wintersportereignisse nur noch für einen<br />

exklusiven Kreis zugänglich sind?!<br />

Aber bevor ich mich ärgere, komme ich lieber zum Fußball,<br />

denn der hat gerade seine beste Zeit. Durch die vielen<br />

Wettbewerbe gibt es fast nur noch englische Wochen.<br />

Was will das Fußballherz mehr? Die Antwort darauf weiß<br />

Gianni Infantino, seines Zeichens Chef des Fußballweltverbands<br />

FIFA: nämlich noch mehr Spiele!<br />

Ich hatte ja in der letzten Ausgabe schon angedeutet, dass<br />

er vorhat, die Fußball-WM künftig im Zweijahresrhythmus<br />

austragen zu lassen. Eigentlich hatte ich da gedacht,<br />

der Mann ist nicht bei Sinnen und aus ihm spricht vielleicht<br />

der Alkohol, aber nein, der meint das völlig ernst,<br />

das hat er jetzt mehrfach bestätigt. Der Kerl ist hochgradig<br />

bekloppt, das erkennt man vor allem, wenn man seine<br />

Begründung dafür kennt. Er möchte den Fußball voranbringen<br />

und ihn überall auf der Welt noch populärer<br />

machen. Was mag der geraucht haben, um auf so was zu<br />

kommen? Fußball ist bereits jetzt der Volks- und Massensport<br />

Nummer 1, da gibt es nichts, was man populärer<br />

machen könnte. Und was meint er damit, den Fußball voranbringen<br />

zu wollen? Das einzige was ich dabei erkenne<br />

ist: er bringt die jährliche Anzahl der Spiele und die Verletzungsgefahr<br />

der Kicker voran. Und ob das eine Verbesserung<br />

des Fußballs ist, wage ich zu bezweifeln. Qualitativ<br />

auf jeden Fall nicht! Jeder Medizinmann, jeder Trainer<br />

und erst recht jeder Fußballer beklagt heute schon den<br />

vollen Terminkalender mit den unglaublich vielen Spielen.<br />

Das sind heute fast doppelt so viel wie in den 70er Jahren.<br />

Und dann wird jedes Jahr noch ein Wettbewerb dazu erfunden,<br />

wie die völlig überflüssige UEFA Nations League.<br />

Wie und wann soll dann in Zukunft die Qualifikation für<br />

eine WM ausgespielt werden? Doch darüber denkt Herr<br />

Infantino gar nicht erst nach. Er rechnet den zu erwartenden<br />

Profit aus und dann ist die Sache geritzt. Es gibt aber<br />

noch einen kleinen Hoffnungsschimmer und das ist ein<br />

Boykott! Immerhin haben fast alle südamerikanischen<br />

und auch die maßgeblichen europäischen Verbände angekündigt,<br />

an einer solchen WM nicht teilzunehmen. Und<br />

was wäre das für eine Weltmeisterschaft ohne Brasilien,<br />

Argentinien, Deutschland, Frankreich oder Italien? Ich hoffe,<br />

Infantino denkt noch mal nach und zerreißt die Pläne!<br />

Doch es gibt auch Erfreuliches über die WM zu berichten:<br />

Die deutsche Nationalmannschaft hat sich für die WM<br />

im nächsten Jahr qualifiziert! Und das auch noch zwei<br />

Spieltage vor Schluss, in der Hammergruppe mit Armenien,<br />

Nordmazedonien, Island, Rumänien und Liechtenstein.<br />

Bei der Auslosung damals haben Experten gar von<br />

der Todesgruppe gesprochen. Doch all das konnte DIE<br />

MANNSCHAFT nicht aufhalten, ganz souverän mit nur einer<br />

Niederlage (zu Hause gegen Nordmazedonien!) fährt<br />

das deutsche Team zur Weltmeisterschaft nach Katar. So<br />

oder so ähnlich wurde unsere Mannschaft in sämtlichen<br />

Medien abgefeiert nach der vorzeitigen Qualifikation. Ich<br />

hab gedacht ich hör und seh nicht richtig! Was da alles<br />

hineingedeutet wurde war abenteuerlich. Hansi Flick, der<br />

erst seit ein paar Spielen als Nationaltrainer im Amt ist,<br />

würde eine neue Ära kreieren, man erkennt seine Handschrift<br />

schon oder DIE MANNSCHAFT spielt so offensiv wie<br />

seit Jahren nicht. Die Jungs wurden bejubelt, als wären<br />

sie schon Weltmeister. Verdammt, das waren alles nur<br />

Quali-Spiele gegen, sorry, zweit- oder drittklassige Gegner!<br />

Da muss man erwarten, dass die offensiv spielen und<br />

gewinnen! Ich erinnere nur mal an die letzte Quali für die<br />

WM in Russland. Auch da sind wir ganz locker durch die<br />

Qualifikation marschiert, jeder hat gejubelt und der Pokal<br />

stand schon in der Vitrine. Was rauskam, wissen wir ja<br />

alle...<br />

Auch in der Bundesliga rollt der Ball auf Hochtouren, doch<br />

leider auch fast schon wieder nach dem alten Prinzip, die<br />

Bayern gewinnen alles. Die stehen wie immer auf Platz<br />

eins der Tabelle und haben wieder Kurs auf die Schale genommen.<br />

Als die vor kurzem „dahoam“ gegen Frankfurt<br />

verloren haben, dachte ich, das könnte vielleicht doch ein<br />

wenig spannender werden. Doch das war nur ein Strohfeuer,<br />

denn die Rivalen ließen auch Punkte liegen! Das<br />

einzige noch ungeschlagene Team der Liga ist allerdings<br />

26<br />

FREIeBÜRGER 11 | <strong>2021</strong>


Abb.: Die neue Arena des SC Freiburg. Mit Platz für 34.700 ZuschauerInnen gerüstet für die Zukunft...<br />

Foto: Kai Pfaffenbach / REUTERS<br />

nicht der FC Bayern, sondern der SC Freiburg. Die sind<br />

überragend in die Saison gestartet und liegen nach dem<br />

9. Spieltag auf Rang drei, nur drei Punkte hinter dem<br />

Branchenführer. Nach langen Querelen ist nun auch das<br />

neue Stadion des Sportclub fertig geworden und wurde<br />

schon eingeweiht. Ein gutes Omen ist vielleicht, dass<br />

die Breisgauer in der neuen Arena noch kein Spiel verloren<br />

haben. Aber ich bleibe dabei: Freiburg hat das nicht<br />

gebraucht! Und wer weiß, ob die dort auch solch fantastische<br />

Stimmung reinkriegen wie im alten Stadion? Ich<br />

glaube nicht!<br />

Sportlich stehen sie allerdings richtig gut da, deutlich<br />

vor Mannschaften wie Leverkusen, Leipzig oder Wolfsburg<br />

und natürlich ist man auch der beste Club aus dem<br />

Ländle!<br />

Viel spannender geht es in der besten zweiten Liga aller<br />

Zeiten zu. Ganz oben in der Tabelle stehen zwar die drei<br />

Teams, die man unbedingt dort erwartet hatte, nämlich<br />

St. Pauli, Schalke und Regensburg, allerdings geht es dahinter<br />

wahnsinnig knapp zu. Erfreulich für mich ist dabei,<br />

dass sich meine Schalker endlich auf diese Liga eingestellt<br />

haben und ganz erfolgreich mitspielen. Nach den ersten<br />

Spielen hatte ich dass Gefühl, dass die Jungs genau so<br />

weitermachen wie im letzten Jahr, aber dann haben sie<br />

sich gesteigert und haben die letzten vier Spiele gewonnen<br />

und das auch noch zu null. Jetzt glaube ich dem Club<br />

auch, das sie es ernst meinen mit dem sofortigen Wiederaufstieg!<br />

Alles andere wäre wohl eine Blamage. Aber<br />

die gefallen mir echt ganz gut, die neuen Knappen. Fast<br />

eine No-Name Truppe, ohne große Stars und auch alle<br />

noch ziemlich jung, das kann was werden. Dass die Jungs<br />

sich immer besser aufeinander einstellen und spielen<br />

sieht man daran, dass der Trainer jetzt schon seit einigen<br />

Spielen dieselbe Mannschaft auf's Feld schickt. Gut, so arg<br />

viel kommt da hinten dran ja auch nicht mehr, aber andere<br />

Trainer probieren immer wieder Neues und merken<br />

irgendwann ganz erschrocken, dass die Saison schon rum<br />

ist. Nee, das gefällt mir schon, was Trainer und Mannschaft<br />

da auf den Platz bringen! Vor allem natürlich unser<br />

neuer Torjäger Simon Terodde, der die Schalker scheinbar<br />

allein zurück in die Bundesliga schießen will. Einen<br />

großen Erfolg hat er schon geschafft, er hat den ewigen<br />

Torrekord von Dieter Schatzschneider geknackt, nämlich<br />

153 Tore in der 2. Bundesliga! Und ich bin sicher, der packt<br />

noch ein paar drauf.<br />

So, das war es schon wieder, gehabt Euch wohl, bis<br />

demnächst!<br />

Carsten<br />

FREIeBÜRGER 11 | <strong>2021</strong> 27


Kontakt: www.schemske.com<br />

FOLGE 19<br />

Wolf erwachte wie aus einem schlimmen Traum. Er hatte<br />

an einer Radwanderung teilgenommen und alles tat ihm<br />

weh. Dann bemerkte er seinen Irrtum. Nicht vom Fahrradfahren<br />

kamen die Schmerzen, sondern weil er auf einer<br />

Baumwurzel saß und Handschellen trug. Es war ein ruhiger<br />

Morgen im Markgräflerland, Müllheim lag noch in<br />

tiefem Frieden.<br />

Wolf blickte sich um. Es war niemand zu sehen. Er stand<br />

auf und ging in die ehemalige Kirche. Die Leiche des toten<br />

Musikers war abtransportiert worden und die Kirche war<br />

anscheinend leer. Nicht ganz, denn er hörte ein regelmäßiges<br />

Atmen, so, als ob jemand schliefe.<br />

Wolf setzte sich neben Kommissar Steiner, der auf einem<br />

Stuhl saß und schlief. Die starken Scheinwerfer, die in<br />

der Nacht den Tatort ausgeleuchtet hatten, waren fort.<br />

Jetzt sah man die Decke des Raumes, die vorher in tiefem<br />

Schwarz geblieben war.<br />

Wolf schnüffelte. Jemand müffelte. War er es oder war<br />

es der übernächtigte Kommissar? Er schloss die Augen<br />

und vergegenwärtigte sich den Ablauf der Ereignisse.<br />

Ja, er hatte Weihrauch gerochen. Ein Geräusch wie ein<br />

schweres Seufzen ertönte, dann kam ein dumpfer Aufprall<br />

– der Kommissar war vom Stuhl gerutscht. Wolf half<br />

ihm auf. Wegen der Handschellen fiel ihm das nicht leicht.<br />

Kommissar Steiner rieb sich die Augen. „Was machen Sie<br />

noch hier, ich hatte Sie doch verhaftet!“, brummte er. „Bin<br />

eingeschlafen, genau wie Sie“, sagte Wolf. „Gestern, als<br />

ich auf die Polizei wartete, bemerkte ich einen würzigen<br />

Geruch: Weihrauch“, sagte er. Steiner schüttelte den Kopf<br />

und sagte: „Was wollen Sie damit sagen?“<br />

„Dieser Raum ist 1980 umgewidmet worden, also, was<br />

macht Weihrauch in einem Konzertsaal?“, konterte Wolf.<br />

Sie hatten leise gesprochen, so stark war immer noch die<br />

weihevolle Atmosphäre des hohen und weiten Raumes.<br />

Sie schwiegen. War der Kommissar wieder eingeschlafen?<br />

Auch Wolf schloss die Augen. Er meditierte. Vor seinem<br />

geistigen Auge sah er, was er vorher nicht bemerkt hatte.<br />

An der Decke waren feine Linien. Wie dünne Drähte oder<br />

Stromleitungen, oder wie feine Ketten, die einen Schatten<br />

warfen. Er fühlte Unheil.<br />

Wolf erwachte aus seiner Trance und schaute zur Decke.<br />

Es gab eine Empore, aber sonst war nichts Bemerkenswertes<br />

zu sehen. Doch über das hölzerne Geländer der<br />

Empore ragte das Ende einer Leiter empor. Eine Leiter?<br />

Was hatte das zu bedeuten? „Kommen Sie mit“, sagte er,<br />

nachdem er den Kommissar wachgestupst hatte. Steiner<br />

brummte erst noch ein wenig, dann fummelte er mit<br />

dem kleinen Schlüssel herum und schloss Wolfs Handschellen<br />

auf. Sie stiegen die enge Wendeltreppe neben<br />

der Eingangstür hinauf zur Empore und betrachteten die<br />

Leiter.<br />

„So, und was soll das jetzt?“, fragte der Kommissar. Wolf<br />

zeigte ihm die dünne Kette, die sich von der Mitte der<br />

hohen Decke bis über die Empore schwang. Sie endete<br />

in einer Nische, die von ihrem Standort aus nicht einsehbar<br />

war. Der Kommissar zuckte mit den Schultern.<br />

„Und jetzt?“ Er drehte sich um und wollte zu der Leiter<br />

gehen. „Dann sehen wir mal nach“, sagte er. Wolf hielt<br />

ihn zurück. „Das ist ein Tatort, wir wollen doch nicht auf<br />

den Spuren herumtrampeln“, sagte Wolf. „Da oben ist<br />

ein großes, schweres Rauchfass, für Weihrauch, versteckt<br />

worden. Holen Sie Ihre Techniker zurück“, sagte Wolf.<br />

28<br />

FREIeBÜRGER 11 | <strong>2021</strong>


„Oder wurde die Tatwaffe schon gefunden?“, fragte er.<br />

Steiner griff zu seinem Diensthandy.<br />

Wolf wandte sich zum Geländer der Empore und schaute<br />

hinunter in das, was einmal ein Kirchenraum gewesen<br />

war. Er stützte seine Unterarme auf das Geländer und<br />

bemerkte, dass der Kommissar neben ihn getreten war.<br />

Dann verschwamm alles vor seinen Augen. „He, geht’s<br />

dir gut?“, fragte Steiner, und schüttelte den Zusammengesunkenen.<br />

„Mir geht’s gut, hatte nur einen Blackout.“<br />

Steiner schaute noch einmal auf sein Handy. „Wir haben<br />

Zeit. Bis die Techniker aus Freiburg da sind, dauert es<br />

noch eine Weile. Los, wir nehmen deinen Wagen, er steht<br />

ja noch vor der Tür, ich habe einen Polizisten als Wache<br />

davorgestellt.“<br />

***<br />

Sie saßen in einer Backstube an der Hauptstraße von<br />

Müllheim und frühstückten. Wolf zerdrückte die Brösel<br />

des letzten Croissants, aber bevor er das nächste in Angriff<br />

nahm, begann er zu erzählen. „Also, es war ja keine<br />

ganz schlechte Idee, mich zu verhaften.“ Steiner verschluckte<br />

sich fast an seinem Kaffee. Ungerührt fuhr Wolf<br />

fort: „Ich bin verdächtigt, irgendwie beteiligt zu sein an<br />

dem Mord eines Musikers, beim Konzert am Freiburger<br />

Seepark.“<br />

„Davon wusste ich nichts“, sagte der Kommissar. Wolf<br />

lachte und sagte: „Ist ja auch über Landesgrenzen<br />

hinweg, Baden und Markgräflerland.“ Nicht ohne Grund<br />

waren die beiden beim Du angelangt. Es herrschte eine<br />

innere Übereinstimmung, ein Gleichlaut der Empfindungen<br />

zwischen ihnen, etwas, das weit über die Möglichkeiten<br />

der Sprache hinausging.<br />

„Etwas hat dich gestört?“, fragte Steiner. „Vor meinem<br />

geistigen Auge tauchte das Bild der Dorfkirche auf, in die<br />

ich als Kind ging. Die Frauen mit ihren Sonntagskopftüchern<br />

saßen links, die Männer, die ihre Hüte und Mützen<br />

an Haken vor ihnen gehängt hatten, saßen rechts. All das<br />

sah ich von oben, weil ich extra in den Kirchenchor gegangen<br />

bin, um auf der Empore sitzen zu können.“<br />

„Ich bin ja nur ein Musikmanager, aber ich habe Augen im<br />

Kopf. Bei jedem Konzert sind sie dabei, die jungen Kerle<br />

in ihren schwarzen, uniform-ähnlichen T-Shirts und Jacken,<br />

auf dem Rücken steht STAFF oder SECURITY, sie sind<br />

allgegenwärtig bei einem Konzert, auch vorher, wenn die<br />

Bühne aufgebaut wird, aber keiner beachtet sie,“ sagte<br />

Wolf.<br />

„Jetzt willst du mir weismachen, du kennst den Mörder“,<br />

sagte der Kommissar. „Nicht direkt. Ich denke mir, dass es<br />

ein Serienmörder ist.“ Steiner unterbrach: „Zuviel ‚Mental<br />

Detektives‘ geschaut im Fernsehen, gell?“ Aber Wolf blieb<br />

ruhig. „Die beiden Tatorte wirken inszeniert; am Seepark,<br />

beim Bürgerhaus, hatte er ein Mikrofonkabel verwendet,<br />

um Serge Butz, den Saxofonisten der Band, zu erdrosseln.<br />

Hier verwendet er, kirchengerecht, ein Weihrauchfass ...“<br />

Steiner unterbrach: „... das wir erst finden müssen.“<br />

Kommissar Steiner schaute durch das Fenster der Bäckerei<br />

auf die Straße. Es war noch früh am Morgen, und<br />

erst ein paar wenige Werktätige bewegten sich in Richtung<br />

auf ihren Broterwerb. „Mitch, ich habe dich vor der<br />

Verhaftung ja noch nie gesehen, aber ich fühle eine tiefe<br />

innere Verbundenheit mit dir“, sagte der Kommissar und<br />

fügte hinzu: „... es ist fast so, als ob ich dich schon seit<br />

Jahren kenne.“<br />

„Es ist die Übereinstimmung der Seelen“, sagte Wolf. „Und<br />

das sagen nicht nur die Weisen des Fernen Ostens, das<br />

sagt auch der Physiker Erwin Schrödinger in seinem Buch<br />

‚Geist und Materie‘, nämlich dass wir zwar Individuen<br />

sind, aber dass es scheint, als ob wir alle ein und dieselbe<br />

Seele hätten.“<br />

- Fortsetzung folgt -<br />

„Von da aus konntest du auch auf die Mädchen schauen<br />

und gewannst tiefe Einblicke.“ Wolf wurde rot, aber er<br />

fing sich wieder. „Seit gestern hat mich etwas gestört.<br />

Eure Scheinwerfer befanden sich auf Stativen und der<br />

Lichtschein war nach unten gerichtet, ihr konntet gar<br />

nichts sehen, ich meine weiter oben. Und das war es, was<br />

mich gestört hat: Im Konzertaal sah man keine Soundleute,<br />

die den Ton mischten. Die befanden sich nämlich<br />

auf der Empore!“, sagte Wolf triumphierend. „Aha“, sagte<br />

Steiner.<br />

NEU!<br />

www.schemske.de<br />

Wolf-Hammer-Krimi<br />

als audiobook<br />

FREIeBÜRGER 11 | <strong>2021</strong> 29


WIR WERDEN DIE NUSS SCHON KNACKEN!<br />

WORTSPIEL-RÄTSEL<br />

von Carina<br />

Fett-umrandete Kästchen stellen den jeweiligen Lösungsbuchstaben des endgültigen<br />

Lösungswortes dar und zwar von oben nach unten gelesen. Sind pro Einzel-Lösung mehrere<br />

Kästchen fett umrandet, sind diese Buchstaben identisch! Alles klar? Na dann viel Spaß!<br />

Zur Beachtung: Ä/Ö/Ü = AE/OE/UE und ß = SS<br />

Törööö, Ihr schlauen Ratefüchse!<br />

Jetzt beginnt die usselige Jahreszeit ‒ nass, kalt, neblig ‒ und der nahende Winter zeigt<br />

schon seine eiskalte Fratze. Da verkriecht man sich doch am liebsten Zuhause im warmen<br />

Nest. Viele Lebewesen haben es da nicht so leicht, denn nicht nur die Wärme, sondern auch<br />

das Futter macht sich rar. Einige Insekten verfallen in Winterstarre, viele Säugetiere halten<br />

Winterruhe oder machen sogar einen monatelangen Winterschlaf, was so mancher von uns<br />

auch gerne tun würde. Insofern geht's hier diesmal rund um das Thema Tiere!<br />

1. Tiermund-Kreatur<br />

2. Wassersäugetier mit Krummrücken<br />

3. Gelege-Ort<br />

4. Raubfisch mit Werkzeug<br />

5. Unangezogenes Weichtier<br />

6. Raubtier mit Sehhilfe<br />

7. Wasservogel mit Stecken<br />

8. Ungeziefer mit Hinweistafel<br />

9. Untätiges Lebewesen<br />

10. Webtier mit christlichem Symbol<br />

Lösungswort:<br />

Zu gewinnen für das korrekte Lösungswort:<br />

1.- 3. Preis je ein Gutschein unserer Wahl<br />

UND:<br />

Im Dezember <strong>2021</strong> wird von ALLEN korrekten<br />

Einsendungen ein zusätzlicher Gewinner gezogen,<br />

der eine besondere Überraschung erhält!<br />

Einsendeschluss<br />

ist der 27. <strong>November</strong> <strong>2021</strong><br />

(es gilt das Datum des Poststempels bzw. der E-Mail)<br />

E-Mails NUR mit Adressen-Angabe. Unsere Postanschrift findet Ihr<br />

im Impressum auf Seite 31. Teilnahmeberechtigt sind alle, außer die<br />

Mitglieder des Redaktionsteams. Wenn es mehr richtige Einsendungen als<br />

Gewinne gibt, entscheidet das Los. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.<br />

Lösungswort der letzten Ausgabe: KLIMAKRISE<br />

bestehend aus den folgenden Einzellösungen:<br />

1. MACHTKAMPF 2. WAHLLOKAL 3. LINKSRUCK<br />

4. MITTELSTAND 5. ALTERNATIVLOS 6.KINDERARMUT<br />

7. URNENGANG 8. FRAUENBILD<br />

9. LUEGENPRESSE 10.STEUERLAST<br />

Gewonnen haben (aus 65 korrekten Einsendungen):<br />

M. Hellgardt, Freiburg<br />

M. Warnholz, Freiburg<br />

D. Weber, Freiburg<br />

HERZLICHEN GLÜCKWUNSCH !<br />

Die Gewinner werden schriftlich benachrichtigt.<br />

30<br />

FREIeBÜRGER 11 | <strong>2021</strong>


ÜBER UNS<br />

Seit Jahren geht in unserer Gesellschaft die Schere zwischen<br />

Arm und Reich weiter auseinander. Besonders durch die<br />

Agenda 2010 und die damit verbundenen Hartz IV-Gesetze<br />

wurden Sozialleistungen abgesenkt. Die Lebenshaltungskosten<br />

steigen jedoch von Jahr zu Jahr. Viele Menschen kommen<br />

mit den Sozialleistungen nicht mehr aus oder fallen schon<br />

längst durch das ziemlich löchrig gewordene soziale Netz.<br />

Und heute kann jeder von Arbeitslosigkeit bedroht sein.<br />

Vereine und private Initiativen versuchen die Not, in welche<br />

immer mehr Menschen kommen, zu lindern und die Lücken<br />

im System zu schließen. Es gibt unterschiedliche nichtstaatliche<br />

Einrichtungen wie z. B. die Tafeln, welche sich um diese<br />

ständig wachsende Bevölkerungsgruppe kümmern. Oder<br />

eben die Straßenzeitungen wie der FREIeBÜRGER.<br />

In unserer Straßenzeitung möchten wir Themen aufgreifen,<br />

welche in den meisten Presseerzeugnissen oft zu kurz oder<br />

gar nicht auftauchen. Wir wollen mit dem Finger auf Missstände<br />

zeigen, interessante Initiativen vorstellen und kritisch<br />

die Entwicklung unserer Stadt begleiten. Wir schauen aus<br />

einer Perspektive von unten auf Sachverhalte und Probleme<br />

und kommen so zu ungewöhnlichen Einblicken und<br />

Ansichten. Damit tragen wir auch zur Vielfalt in der lokalen<br />

Presselandschaft bei.<br />

Gegründet wurde der Verein im Jahr 1998 von ehemaligen<br />

Wohnungslosen und deren Umfeld, deshalb kennen die<br />

MitarbeiterInnen die Probleme und Schwierigkeiten der<br />

VerkäuferInnen aus erster Hand. Ziel des Vereins ist es, dass<br />

Menschen durch den Verkauf der Straßenzeitung sich etwas<br />

hinzuverdienen können, sie durch den Verkauf ihren Tag<br />

strukturieren und beim Verkaufen neue Kontakte finden<br />

können. Wir sind eine klassische Straßenzeitung und geben<br />

unseren VerkäuferInnen die Möglichkeit, ihre knappen finanziellen<br />

Mittel durch den Verkauf unserer Straßenzeitung<br />

aufzubessern. 1 Euro (Verkaufspreis 2,10 Euro) pro Ausgabe<br />

und das Trinkgeld dürfen unsere VerkäuferInnen behalten.<br />

Es freut uns zum Beispiel sehr, dass sich einige wohnungslose<br />

Menschen über den Verkauf der Straßenzeitung eine neue<br />

Existenz aufbauen konnten. Heute haben diese Menschen<br />

einen sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplatz und eine<br />

Wohnung. Der FREIeBÜRGER unterstützt also Menschen<br />

in sozialen Notlagen. Zu unseren VerkäuferInnen gehören<br />

(ehemalige) Obdachlose, Arbeitslose, GeringverdienerInnen,<br />

RentnerInnen mit kleiner Rente, Menschen mit gesundheitlichen<br />

Problemen, BürgerInnen mit Handicap u. a. Unser Team<br />

besteht derzeit aus fünf MitarbeiterInnen. Die Entlohnung<br />

unserer MitarbeiterInnen ist äußerst knapp bemessen und<br />

unterscheidet sich aufgrund der geleisteten Arbeitszeit und<br />

Tätigkeit. Dazu kommt die Unterstützung durch ehrenamtliche<br />

HelferInnen. Leider können wir durch unsere Einnahmen<br />

die Kosten für unseren Verein, die Straßenzeitung und Löhne<br />

unserer MitarbeiterInnen nicht stemmen. Daher sind wir<br />

auch in Zukunft auf Unterstützung angewiesen.<br />

SIE KÖNNEN UNS UNTERSTÜTZEN:<br />

• durch den Kauf einer Straßenzeitung oder<br />

die Schaltung einer Werbeanzeige<br />

• durch eine Spende oder eine Fördermitgliedschaft<br />

• durch (langfristige) Förderung eines Arbeitsplatzes<br />

• durch Schreiben eines Artikels<br />

• indem Sie die Werbetrommel für unser<br />

Sozialprojekt rühren<br />

Helfen Sie mit, unser Sozialprojekt zu erhalten und weiter<br />

auszubauen. Helfen Sie uns, damit wir auch in Zukunft<br />

anderen Menschen helfen können.<br />

Impressum<br />

Herausgeber: DER FREIeBÜRGER e. V.<br />

V.i.S.d.P: Oliver Matthes<br />

Chefredakteur: Uli Herrmann († 08.03.2013)<br />

Titelbild: Ekkehard Peters<br />

Layout: Ekkehard Peters<br />

An dieser Ausgabe haben mitgearbeitet:<br />

Carsten, Carina, Conny, Ekki, Felix, Harry, H. M.<br />

Schemske, Karsten, Oliver, Recht auf Stadt, Rose<br />

Blue, Suzi, utasch und Gastschreiber<br />

Druck: Freiburger Druck GmbH & Co. KG<br />

Auflage: 5.000 | Erscheinung: monatlich<br />

Vereinsregister: Amtsgericht Freiburg | VR 3146<br />

Kontakt:<br />

DER FREIeBÜRGER e. V.<br />

Engelbergerstraße 3<br />

79106 Freiburg<br />

Tel.: 0761 / 319 65 25<br />

E-Mail: info@frei-e-buerger.de<br />

Website: www.frei-e-buerger.de<br />

Öffnungszeiten: Mo - Fr: 12 - 16 Uhr<br />

Mitglied im Internationalen Netzwerk<br />

der Straßenzeitungen<br />

Der Nachdruck von Text und Bild (auch nur in Auszügen) sowie<br />

die Veröffentlichung im Internet sind nur nach Rücksprache<br />

und mit der Genehmigung der Redaktion erlaubt. Namentlich<br />

gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung<br />

der Redaktion wieder.<br />

Die nächste Ausgabe des FREIeBÜRGER erscheint am:<br />

1. Dezember <strong>2021</strong><br />

Aus gegebenem Anlass finden zurzeit keine<br />

öffentlichen Redaktionssitzungen statt!<br />

FREIeBÜRGER 11 | <strong>2021</strong> 31


Gericht stellt Persönlichkeitsrecht von „Ausländer raus“ schreiendem<br />

Polizisten über die Pressefreiheit<br />

Ein migrantischer Antifaschist wurde am 12.<br />

Juni ca. eine halbe Stunde lang durch den<br />

Stühlinger gehetzt, angegriffen und mit dem<br />

Tod bedroht. In der Gruppe befanden sich<br />

mindestens zwei Freiburger Polizeihauptkommissare.<br />

Radio Dreyeckland stellte anschließend<br />

verschiedene Anfragen an die Polizei.<br />

Wir wollten z. B. etwas über den<br />

genauen Aufgabenbereich des Hauptkommissars<br />

erfahren, der mutmaßlicher Hauptakteur<br />

der Hetzjagd war und nachweislich<br />

"Ausländer raus" geschrien hatte. Viel mehr<br />

als dass er im administrativen Bereich tätig<br />

war, gab die Polizei nicht bekannt. Das<br />

reichte uns nicht. Für uns stell(t)en sich die<br />

Fragen: Wie kann es sein, dass eine offenbar<br />

vorhandene rassistische Einstellung bei einem<br />

hohen Polizeibeamten offenbar über<br />

Jahre niemandem aufgefallen ist? Welche<br />

Aufgaben hatte er innerhalb der Polizei?<br />

Hat sich seine Einstellung auf die Polizeiarbeit<br />

ausgewirkt? Um Anworten zu kriegen,<br />

haben wir auch den juristischen Weg gewählt.<br />

Leider verkannten aber das Freiburger<br />

Verwaltungsgericht und auch der<br />

baden-württembergische Verwaltungsgerichtshof<br />

die Bedeutung der Pressefreiheit im Vergleich<br />

zum Persönlichkeitsrecht des mutmaßlich<br />

rassistischen Polizisten. Ihr haarsträubendes<br />

Verständnis von Pressefreiheit<br />

zeigte die Polizei, indem sie erklärte, die<br />

Wertung des Geschehens als rassistische<br />

Hetzjagd durch uns sei ein Beleg dafür, dass<br />

die bisherige "zurückhaltende Auskunftsstrategie"<br />

gerechtfertigt gewesen sei. Wir<br />

werden uns weiter um die Aufklärung von<br />

möglichen rassistischen Strukturen in der<br />

Polizei bemühen und die Pressefreiheit<br />

offensiv verteidigen! rdl.de/vgh-gegen-rdl<br />

Interessieren sich Stadtverwaltung und Gemeinderat für den<br />

BürgerInnenwillen in Weingarten?<br />

Die ganz große Mehrheit in Freiburg Weingarten<br />

ist gegen die geplante Privatisierung der Stadtbauhäuser<br />

in der Sulzburger Str. 15-19. Nun hat<br />

sich auch der Sanierungsbeirat mit neun zu vier<br />

Stimmen (Grüne, CDU, ein Eigentümer und<br />

"Sozialbürgermeister Kirchbach) gegen die Vernichtung<br />

von 120 bezahlbaren Mietwohnungen ausgesprochen.<br />

Im <strong>November</strong> entscheiden Aufsichtsrat<br />

und Gemeinderat. Wir berichten, ob das<br />

Verdrängungsprojekt noch gestoppt werden kann.<br />

rdl.de/tag/weingarten<br />

Jeden 1. Mittwoch des Monats:<br />

12-13 Uhr<br />

FREIeBÜRGER im<br />

Mittagsmagazin 'Punkt 12'<br />

Hört, Macht, Unterstützt Radio Dreyeckland: 102,3 Mhz - Stream: rdl.de/live

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