November_2021
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24. Jahrgang<br />
<strong>November</strong> <strong>2021</strong><br />
2,10 €, davon 1,- €<br />
für den Verkäufer<br />
UNABHÄNGIGE STRASSENZEITUNG FÜR FREIBURG UND DAS UMLAND<br />
ZUR UNTERSTÜTZUNG VON MENSCHEN IN SOZIALEN NOTLAGEN<br />
KÄLTETOD,<br />
WEIL<br />
WOHNUNGSNOT!<br />
STREETPEOPLE – ERIC<br />
Die Straße hat mir Angst gemacht<br />
900 JAHRE ARMUT IN FREIBURG<br />
Armenwesen und Pflege in Freiburg (Teil 10)<br />
WOHNEN IST MENSCHENRECHT<br />
Jede bezahlbare Mietwohnung wird gebraucht
INHALT<br />
3<br />
VORWORT<br />
22<br />
FÜNF JAHRE SOZIALTICKET<br />
4<br />
RECHT AUF STADT<br />
23<br />
VERKÄUFERVORSTELLUNG<br />
6<br />
STREETPEOPLE<br />
24<br />
BUCHBESPRECHUNG<br />
10<br />
IM GESPRÄCH MIT...<br />
25<br />
KOCHEN<br />
12<br />
900 JAHRE ARMUT IN FREIBURG<br />
26<br />
SPORT<br />
18<br />
WOHNEN IST MENSCHENRECHT<br />
28<br />
KRIMI 19. FOLGE<br />
19<br />
FREIeBÜRGER MITMACHSEITE<br />
30<br />
RÄTSEL<br />
20<br />
FACEBOOK-FIASKO<br />
31<br />
ÜBER UNS<br />
OHNE IHRE UNTERSTÜTZUNG<br />
GEHT ES NICHT<br />
Liebe LeserInnen,<br />
um weiterhin eine<br />
interessante Straßenzeitung<br />
produzieren und Menschen<br />
durch ihren Verkauf einen<br />
Zuverdienst ermöglichen<br />
zu können, benötigen<br />
wir Ihre Hilfe.<br />
Vielen Dank!<br />
Spendenkonto:<br />
DER FREIeBÜRGER e. V.<br />
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und Ihre Anschrift für eine Spendenbescheinigung anzugeben.<br />
2<br />
FREIeBÜRGER 11 | <strong>2021</strong>
Liebe LeserInnen,<br />
die Wahlen sind jetzt schon einen Monat her, aber eine<br />
neue Regierung haben wir noch nicht. Natürlich, gut Ding<br />
will Weile haben und man soll den Tag nicht vor dem<br />
Abend loben, aber so langsam wäre es an der Zeit, eine<br />
solche aufzustellen...<br />
Will man wie versprochen schon in diesem Jahr erste<br />
Änderungen und vor allem Verbesserungen auf den Weg<br />
bringen, dann ist Zeit der Faktor, von dem die neue Regierung<br />
am wenigsten besitzt. Denn schließlich will man<br />
viel und das in den verschiedensten Gebieten verändern.<br />
Da wäre das Klima, das Gesundheitswesen, der Wohnungsbau,<br />
Hartz IV und die Renten, um nur einen Teil zu<br />
nennen. Natürlich kann man bis zum Jahresende noch<br />
kein Wunderland Deutschland bestaunen, ein bisschen<br />
Zeit muss man den „Neuen“ schon geben. Aber beginnen<br />
sollten sie mit ihren Plänen so bald wie möglich, um<br />
glaubhaft zu bleiben. Denn nach der Wahl ist vor der<br />
Wahl und so werden die Rivalen von den anderen Parteien<br />
auf jeden Fehler lauern, um dann genüsslich über<br />
Olaf Scholz und sein Team herzufallen. Die CDU wird ihre<br />
Niederlage noch lange nicht verdaut haben. Das können<br />
spannende Sitzungen im Bundestag werden, wenn die<br />
Union dort in der Opposition sitzen wird. Zumal Wahlverlierer<br />
Laschet angedroht hat, in Berlin zu bleiben, um<br />
als Abgeordneter im Bundestag zu sitzen. Ich kann seine<br />
Stänkereien jetzt schon hören! Das muss nicht zwingend<br />
etwas Gutes sein...<br />
Ich werde das auf jeden Fall mit großem Interesse weiterverfolgen<br />
und bin gespannt, ob die Regierung auch das<br />
ein oder andere Problem der ärmeren Menschen lösen<br />
kann. Vielleicht gibt es ja z. B. doch eine echte Erhöhung<br />
beim ALG 2 und der Grundsicherung? Denn die 3 Euro, die<br />
es ab Januar mehr geben soll, sind entweder eine Frechheit<br />
oder aber eine Provokation!<br />
Dass PolitikerInnen aber auch noch vernünftige Entscheidungen<br />
treffen können, das hat der Freiburger Gemeinderat<br />
vor kurzem bewiesen. Die Stadt öffnet sich beim<br />
Thema Wagenburgen! Diese Nachricht ist in Freiburg<br />
eingeschlagen wie eine Bombe und auch ich musste den<br />
Artikel in der Badischen Zeitung zweimal lesen, um ihn<br />
glauben zu können. Vor allem, weil es so aus heiterem<br />
Himmel kam. Es wurde ja immer wieder mal über Wagenplätze<br />
geredet, aber es war schon lange ziemlich still<br />
geworden zu dem Thema. Denn zu den Zeiten des OB Salomon<br />
kam ein kategorisches Nein zu den Bauwägen und<br />
er diskutierte darüber auch gar nicht erst. Doch das soll<br />
sich nun ändern und das sagen nicht nur die WagenbewohnerInnen.<br />
Bereits vor einem Jahr haben verschieden<br />
Ratsfraktionen das Thema Wagenburg im Gemeinderat<br />
auf den Tisch gebracht und der Rat hat das in seinen<br />
großen Plan „Bezahlbares Wohnen“ aufgenommen.<br />
In St. Georgen wurde auch schnell ein passendes Grundstück<br />
gefunden. Der Bürgerverein und die WäglerInnen<br />
haben sich schon miteinander bekannt gemacht und sie<br />
scheinen gut miteinander klarzukommen. „Radlager“,<br />
so nennt sich die Gruppe, ist nun das Pilotprojekt und<br />
weitere sollen folgen!<br />
Die Stadt wird weiter nach geeigneten Flächen suchen<br />
und damit dem alternativen Wohnen in Freiburg wieder<br />
eine Chance geben. Die Forderungen bzw. Bedingungen<br />
an die WagenburglerInnen sind leicht zu erfüllen. Die<br />
Personen sollten seit mindestens einem Jahr in Freiburg<br />
leben, sie müssen als Verein organisiert und höchstens<br />
30 Leute sein. Ich war und bin zwar immer noch erstaunt,<br />
aber ich finde es gut, dass die Stadt über ihren Schatten<br />
gesprungen ist und so etwas auf die Beine stellt!<br />
Jetzt bin ich schon wieder am Ende angelangt. Ich wünsche<br />
Ihnen wie immer viel Spaß mit dem FREIeBÜRGER<br />
und bleiben Sie uns treu!<br />
Online-<br />
Anmeldung<br />
erforderlich!<br />
ANGELL<br />
Infotermine<br />
Mi. 10.11. Infoabend Grundschule<br />
19:30 Uhr<br />
Carsten<br />
Di. 16.11. Infoabend Gymnasium & Realschule<br />
19:30 Uhr<br />
Sa. 27.11. Hausführung & Speed-Dating<br />
10 Uhr in Casa dei Bambini, Grundschule,<br />
Realschule und Gymnasium<br />
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FREIeBÜRGER 11 | <strong>2021</strong> 3
FREIBURG – STADT FÜR ALLE?!<br />
VERGESELLSCHAFTUNG IST MEHRHEITSFÄHIG!<br />
Der Tag der Bundestagswahl war ein wichtiger Tag für die<br />
Mieterinnen und Mieter. Nein: Die auf Bundesebene wohl<br />
kommende Ampelkoalition wird keinen echten Fortschritt<br />
für MieterInnen bringen und das wäre auch bei einer<br />
leicht anderen Farbzusammensetzung nach der Wahl<br />
nicht anders. Zeitgleich mit der Bundestagswahl fand in<br />
Berlin allerdings auch die Abstimmung über den Volksentscheid<br />
„Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ statt und dieses<br />
Ereignis war ein Sieg für die MieterInnenbewegung,<br />
der bundes-, wenn nicht europaweite Wirkung erzielen<br />
sollte.<br />
1.798.308 BerlinerInnen haben an der Abstimmung teilgenommen.<br />
Das sind 73,5 % der Wahlberechtigten. Eine<br />
große Mehrheit von 57,6 % stimmte für die Enteignung<br />
von Wohnungskonzernen mit „Gewinnerzielungsabsicht“<br />
und mit mehr als 3.000 Wohnungen. 39,8 % stimmten<br />
dagegen. Diese Zahlen sind auch im Hinblick auf die ebenfalls<br />
am 26. September stattgefundene Wahl zum Berliner<br />
Abgeordnetenhaus interessant. Die einzige Partei, die die<br />
Enteignungsforderung unterstützte, die Partei Die Linke,<br />
erhielt nur 14,1 %. Gerade die Kombination von klar gewonnenem<br />
Bürgerentscheid für die Enteignung von großen<br />
Wohnungsunternehmen und schlechtem Wahlergebnis<br />
für die Partei Die Linke ist, das mag jetzt für einige hart<br />
klingen, sehr erfreulich.<br />
Sie zeigt nämlich, dass sich gesellschaftliche Mehrheiten<br />
für linke Themen finden lassen, selbst wenn Menschen<br />
Parteien wählen, die diese Themen nicht vertreten. Im besten<br />
Fall könnte der Volksentscheid Menschen vor Augen<br />
führen, dass Kämpfe nicht innerhalb des Parteienapparats,<br />
sondern durch außerparlamentarische Organisierung<br />
gewonnen werden.<br />
VIELE ENTEIGNUNGEN IM SINNE DES KAPITALS<br />
Die GegnerInnen des Volksentscheids haben versucht mit<br />
dem vermeintlichen Schreckgespenst Sozialismus bzw.<br />
Kommunismus Politik zu machen. Angesichts dessen, dass<br />
Enteignungen in unserer Marktwirtschaft an der Tagesordnung<br />
sind, ein lächerliches Argument. So finden regelmäßig<br />
Enteignungen für den Straßenbau statt, als letztes<br />
prominentes Beispiel etwa für den Bau der Autobahn A49<br />
durch den Dannenröder Forst. Auch für den Kohleabbau<br />
wird munter enteignet, in Garzweiler, dem Hambacher<br />
RECHT-AUF-STADT-NEWSLETTER<br />
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informieren wir einmal im Monat<br />
über„Recht auf Stadt“-Themen.<br />
info@rechtaufstadt-freiburg.de<br />
Homepage: www.rechtaufstadt-freiburg.de<br />
Weitere Infos: tacker.fr<br />
Forst oder in der Lausitz. Teils werden dafür ganze Dörfer<br />
abgerissen. Das Grundgesetz erklärt: „Eine Enteignung<br />
ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig.“ Nun, in<br />
einer Zeit, in der der menschengemachte Klimawandel<br />
eigentlich nur noch von ein paar Spinnern geleugnet wird,<br />
sollte klar sein, dass der Autobahnbau und die Kohleverstromung<br />
nicht dem Wohl der Allgemeinheit dienen. Ganz<br />
anders sieht das bei der Enteignung von Wohnungskonzernen<br />
aus, die sich kaum um ihre Immobilien kümmern<br />
und den Mietenwahnsinn immer weitertreiben. Dass ihre<br />
Vergesellschaftung in einer Stadt wie Berlin, wo sich die<br />
Mieten in den letzten 10 Jahren verdoppelt haben, nicht<br />
dem Allgemeinwohl diene, können nur marktradikale<br />
Wirtschaft-vor-Menschen-IdeologInnen behaupten.<br />
DER KAMPF IST NOCH NICHT GEWONNEN<br />
Die Kampagne „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ hat<br />
lange Aufklärungsarbeit geleistet, hat den Kontakt zu den<br />
MieterInnen in den verschiedenen Vierteln gesucht und<br />
letztlich die Mehrheit davon überzeugt, dass eine Vergesellschaftung<br />
notwendig ist. Der Kampf ist allerdings<br />
keinesfalls gewonnen. Rot-Grün-Rot will erst einmal ein<br />
ExpertInnengremium einsetzen, das ein Jahr beraten soll.<br />
Für den BürgerInnenwillen muss also weitergekämpft<br />
werden, auch eine wirksame Kontrolle der Anstalt öffentlichen<br />
Rechts, die die Wohnungen übernehmen soll, durch<br />
die MieterInnen muss erkämpft werden. Durch die Verankerung<br />
in den Stadtteilen ist aber eine sehr gute Basis<br />
hierfür gelegt worden. Ein mutmachendes Beispiel, weit<br />
über Berlin hinaus, das auch vorbildhaft für Kämpfe z. B.<br />
für ein solidarisches, von der Profitlogik befreites Gesundheitswesen<br />
sein könnte. Eine Zeit, die geprägt ist von den<br />
fatalen Auswirkungen der Coronapandemie, ist genau die<br />
richtige Zeit, um für solche Ideale zu kämpfen und sich zu<br />
organisieren.<br />
4<br />
FREIeBÜRGER 11 | <strong>2021</strong>
STADT-FÜR-ALLE-NACHRICHTEN ( RÜCKBLICK VOM 15. SEPT. BIS 15. OKT. )<br />
[FR] WIDERSTAND GEGEN PIVATISIERUNG DURCH FSB<br />
Immer deutlicher wird, dass die große Mehrheit in Freiburg<br />
Weingarten gegen die geplante Privatisierung der<br />
Stadtbauhäuser in der Sulzburger Str. 15-19 ist. Nun hat<br />
sich auch der Sanierungsbeirat mit neun zu vier Stimmen<br />
gegen die Vernichtung von 120 bezahlbaren Mietwohnungen<br />
ausgesprochen. Der Bürgerverein appelliert an<br />
die Gemeinderäte: „Bürgerbeteiligung ernst nehmen!“<br />
Ob's die Grünen und die Stadtverwaltung, die bisher<br />
klare Befürworter des Verdrängungsprojektes waren,<br />
interessiert?<br />
[FR] SCHLIESSUNG DES WOHNHEIMS AN DER<br />
WONNHALDE?<br />
Die Stadtverwaltung will offenbar das Wohnheim für<br />
Wohnungslose in der Wonnhalde schließen und verkaufen<br />
und das, obwohl der Bedarf groß ist und die sicher<br />
bessere Lösung – normale Wohnungen für die Betroffenen<br />
– nicht im ausreichenden Maß zu Verfügung steht.<br />
Die Stadt ist noch nicht einmal bereit, den dort untergebrachten<br />
Menschen bis zu Schließung einen WLAN-Anschluss<br />
zu Verfügung zu stellen und zeigt so, wie wenig<br />
wert ihr die Teilhabe dieser Menschen am gesellschaftlichen<br />
Leben ist. Wieder mal entscheidet man sich offenbar<br />
für's schnelle Geld, statt für die Sanierung und/oder den<br />
Neubau der Immobilie durch Stadt oder Stadtbau.<br />
[FR] STEIGENDE OBDACHLOSIGKEIT VON FRAUEN<br />
Die Obdachlosigkeit von Frauen in Freiburg ist während<br />
der Coronapandemie offenbar stark gestiegen. Dafür<br />
spricht die stark gestiegene Zahl an Postersatzadressen.<br />
Von 2020 bis <strong>2021</strong> ist diese bei FreiRaum, der Hilfseinrichtung<br />
für Frauen in Wohnungsnot von der Diakonie, von<br />
109 auf 187, also um 71 % gestiegen. FreiRaum vermutet,<br />
dass Frauen in prekären Beschäftigungsverhältnissen<br />
durch die Coronakrise den Job und anschließend auch die<br />
Wohnung verloren haben.<br />
ZWANGSRÄUMUNGEN<br />
Beim Thema Zwangsräumungen haben die Behörden<br />
keine Rücksicht auf die Coronapandemie genommen.<br />
2020 gab es bundesweit laut einer Antwort auf eine<br />
Linksparteianfrage mindestens 30.000 Zwangsräumungen,<br />
also 82 pro Tag.<br />
[FR] MIETEN IM BETREUTEN WOHNEN STEIGEN<br />
Die Preise für das betreute Wohnen in Freiburg werden<br />
in den nächsten Jahren in vielen Einrichtungen massiv in<br />
die Höhe gehen. Grund dafür sind z. B. 303 auslaufende<br />
Belegungsbindungen in den nächsten acht Jahren. Läuft<br />
die soziale Mietpreisbindung aus, nutzen die Träger des<br />
betreuten Wohnens dies meist für massive Mietsteigerungen,<br />
wie zuletzt in Freiburg Waldsee, wo die Miete in<br />
einer Anlage der Heiliggeistspitalstiftung um 15 % steigen<br />
soll. Allein zum Jahr 2025, so hieß es im Sozialausschuss,<br />
fallen 175 Wohnungen aus der Bindung. Die Träger könnten<br />
die soziale Bindung problemlos verlängern und würden<br />
dafür auch Fördergelder bekommen, die Erhöhung<br />
der Mieten verspricht für Heiliggeistspitalstiftung, Caritas,<br />
Diakonie und Co. aber größere Profite.<br />
[FR] PROTEST GEGEN FÄLLUNG DES DIETENBACHWALDS<br />
NABU, BUND, Parents for Future, BürgerInnenVerein Rieselfeld<br />
und KlimagerechtigkeitsaktivistInnen protestieren<br />
weiter gegen die Fällung eines Waldstücks zwischen Rieselfeld<br />
und dem neu geplanten Stadtteil Dietenbach. Auf<br />
dem Waldstück sind u. a. auch Sportanlagen und Reihenhäuser<br />
geplant, für die nun wirklich kein Baum gefällt<br />
werden sollte. Weiter besteht eine Baumbesetzung.<br />
[FR] WERDEN MIETSHÄUSER SYNDIKATSPROJEKTE IN<br />
KLEINESCHOLZ AUSGESCHLOSSEN?<br />
Im Baugebiet Kleinescholz im Stühlinger sollen etwa 550<br />
Wohneinheiten entstehen. Oberbürgermeister Martin<br />
Horn hatte verkündet, dass hier keine profitorientierten<br />
Investoren zum Zuge kommen sollen, stattdessen Akteure<br />
wie die Stadtbau und das Mietshäuser Syndikat. Doch<br />
die bisherigen Pläne für die Vergabe von Grundstücken<br />
könnten gerade für solche Syndikatsinitiativen aufgrund<br />
der finanziellen Belastung eine unüberwindbare Hürde<br />
darstellen. Gesprochen wird derzeit von einem 2-stufigen<br />
Vergabeverfahren. In Stufe 2 sollen genaue Planungen<br />
zur Architektur und konkrete Finanzierungsnachweise<br />
für ein Grundstück verlangt werden. Bevor überhaupt<br />
sicher ist, dass man das Grundstück erhält, würden also<br />
hohe Kosten anfallen.<br />
[FR] NEUER WAGENPLATZ<br />
Nach langer Zeit wird Freiburg mal wieder einen neuen<br />
Wagenplatz bekommen. Die Gemeinderatsmehrheit<br />
hatte, gegen den Willen der Stadtverwaltung, diese<br />
mit der Suche nach temporären Lösungen für Wagenplätze<br />
beauftragt. Nun wurde tatsächlich ein geeigneter<br />
Platz gefunden. Die Gruppe Radlager darf wohl ab 2022<br />
mindestens fünf Jahre einen Platz an den St. Georgener<br />
Sportplätzen, den ein Reitverein nicht mehr benötigt,<br />
mieten.<br />
GRUNDRECHTE FÜR GEFLÜCHTETE<br />
Wenn die Polizei in Zimmer eindringt, braucht sie einen<br />
richterlichen Durchsuchungsbeschluss, auch im Fall einer<br />
Abschiebung. Das stellte das Berliner Verwaltungsgericht<br />
anlässlich einer Klage eines Geflüchteten aus Guinea<br />
klar. Auch für Zimmer in Flüchtlingsunterkünften<br />
gilt das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung.<br />
Insbesondere in Erstaufnahmelagern sieht man das in<br />
Baden-Württemberg und auch in Freiburg leider anders<br />
und ignoriert die Grundrechte für Schutzsuchende.<br />
FREIeBÜRGER 11 | <strong>2021</strong> 5
StreetPeople<br />
„Die Straße hat mir Angst<br />
gemacht, gleichzeitig jedoch<br />
auch viel Positives gegeben“<br />
Eric<br />
Eine Reportage<br />
über die Menschen<br />
auf der Straße
ERIC<br />
„Ich wünsche mir, zu sterben – aus diesem Grund lebe ich weiter“<br />
Heute möchte ich Ihnen gerne Eric vorstellen, dem Ich<br />
durch einen glücklichen Zufall begegnet bin, als ich<br />
gerade in der Wonnhalde zugegen war. Seine markanten<br />
Gesichtstätowierungen fallen einem sofort ins Auge. Ein<br />
paar Tage später trafen wir uns sodann zu einem ausführlichen<br />
Gespräch.<br />
Der junge Mann, der mir gegenübersitzt, besitzt eine<br />
außerordentliche innere Stärke. Eine Kraft, die man so<br />
nicht in vielen Menschen wiederfindet und die einem<br />
bildlich gesprochen die Macht verleiht, Berge zu versetzen<br />
oder einen bei lebendigem Leibe verzehrt. Warum ich das<br />
so ausdrücke? Ich kenne jemanden, der mir persönlich<br />
sehr nahesteht, dem eben eine solche Kraft innewohnt.<br />
Und ich kenne auch die destruktiven Seiten davon.<br />
Ich lerne Eric als einen sehr umgänglichen Menschen<br />
kennen. Seiner eigenen Beschreibung nach hat er jedoch<br />
auch eine ganz andere Seite, die er seinen Mitmenschen<br />
hin und wieder offenbart. Es gebe manchmal kleine<br />
Trigger, die ihn dazu veranlassen würden, einfach dazustehen,<br />
zu schreien und andere Menschen zu beleidigen.<br />
Dass diese dadurch verunsichert oder gar verängstigt<br />
sind, erscheint mir logisch. Ihm selbst sei das klar und<br />
im Grunde würde er das auch nicht in böser Absicht<br />
machen, denn in jenen Momenten wisse er einfach nicht<br />
mehr wohin mit seiner Verletztheit, mit seinen Ängsten<br />
und seiner Verzweiflung. Jeden Tag auf's Neue kämpfe er<br />
dagegen an; für seine Freiheit.<br />
Aber zurück zu Eric, denn der versucht gerade sein Leben<br />
zu ordnen, um zum einen mit dieser inneren Stärke und<br />
zum anderen mit der Bewältigung seiner Vergangenheit<br />
klarzukommen. Es mag keine Überraschung sein, wenn<br />
ich Ihnen verrate, dass unsere Unterhaltung emotional<br />
sehr tiefgründig verlief. In der Regel frage ich meine<br />
GesprächspartnerInnen immer danach, ob es etwas<br />
gibt, was sie sich wünschen würden; für ihr Leben und<br />
ihre Zukunft. Meist berichte ich dann am Ende des Artikels<br />
davon. Heute werde ich das zum ersten Mal anders<br />
machen und Ihnen bereits jetzt sagen, was mir Eric auf<br />
diese Frage geantwortet hat: „Ich würde mir sehr gerne<br />
wünschen, dass die Menschen verstehen, warum ich<br />
manchmal nicht anders kann und ich würde mir auch<br />
gerne wünschen, positive Ereignisse mehr anzunehmen<br />
als die negativen. Im Grunde genommen wünsche ich mir<br />
nichts mehr, als zu sterben, denn ich leide jeden Tag. Und<br />
um dieses Leid zu beenden, lebe ich weiter.“<br />
FREIeBÜRGER 11 | <strong>2021</strong> 7
Was es mit dieser Freiheit auf sich hat wird während<br />
unseres Gesprächs deutlich, als mir Eric von seiner Jugend<br />
erzählt. Er habe sehr viel körperliche Gewalt erleben<br />
müssen. Viel schlimmer sei jedoch der psychische Druck<br />
gewesen, den er bereits in sehr jungen Jahren erfahren<br />
musste. Was genau mir Eric alles schildert möchte ich aus<br />
Gründen der Pietät hier nicht niederschreiben. Dass dies<br />
jedoch nicht grundlegend erfundene Geschichten sind,<br />
kann ich dem jungen Mann deutlich ansehen.<br />
Mit 16 habe er dann das Elternhaus verlassen und sei auf<br />
die Straße geflüchtet. Seine damals sechs Jahre junge<br />
Schwester musste er zurücklassen. Ich gewinne den<br />
Eindruck, dass ihm das sehr nahegeht und ihn auch heute<br />
noch deutlich beschäftigt. Als ich ihn nämlich danach<br />
frage, ob er noch Kontakt zu ihr hat, bejaht er dieses<br />
und ich sehe, wie sich der Ausdruck in seinem Gesicht<br />
positiv verändert. Offensichtlich besteht zu ihr eine ganz<br />
andere emotionale Bindung als zu seiner Mutter oder zu<br />
seinen beiden Stiefvätern. Ein Kontakt bestünde jedoch<br />
nur gelegentlich. Gespräche mit ihr seien mit sehr viel<br />
negativen Erinnerungen verbunden und das würde sie<br />
wohl sehr in Mitleidenschaft ziehen. Zumindest wäre das<br />
seine Empfindung und daher wolle er ihr dies auch nicht<br />
zumuten.<br />
Von einem Bruder, der in einer Pflegefamilie aufgewachsen<br />
sei, erzählt mir Eric ebenfalls. Diesen habe er kürzlich<br />
zum ersten Mal getroffen; durch einen Zufall. Gerne würde<br />
er mit ihm mehr Kontakt halten, doch auch hier wäre<br />
er sich unsicher, wie dieser mit seinen Schilderungen<br />
der eigenen Vergangenheit umgehen könnte. Schließlich<br />
habe er selbst eine gute, oder wie Eric es ausdrückt, ganz<br />
normale Kindheit erleben dürfen.<br />
Ich selbst bin kein Psychologe und weit davon entfernt,<br />
auch nur im Ansatz eine psychologisch anmutende Meinung<br />
kundzugeben, jedoch habe ich ein gewisses Maß an<br />
Einfühlungsvermögen. Und wenn ich Eric während unserer<br />
Unterhaltung beobachte, dann meine ich das Gefühl<br />
der Zerrissenheit deutlich wahrnehmen zu können. Bei<br />
seiner Schwester der Wunsch nach einem intensiveren<br />
Kontakt und gleichzeitig die Angst davor, ihr damit<br />
Schaden zuzufügen. Bei seinem Bruder die Freude über<br />
eine wohlbehütete Kindheit und zugleich die Traurigkeit<br />
bezüglich seiner eigenen Erlebnisse. Dass Eric nicht weiß,<br />
wie er damit umgehen soll, erscheint mir logisch. Was<br />
mich jedoch wiederum erstaunt ist die Tatsache, dass<br />
er sich dessen in einem gewissen Maße bewusst ist und<br />
dagegen anzukämpfen versucht. Unter anderem auch,<br />
indem er sich um professionelle Hilfe bemüht.<br />
8<br />
FREIeBÜRGER 11 | <strong>2021</strong>
Im Grunde wünscht sich Eric nichts mehr als frei zu sein,<br />
und zwar nicht nur in der Hinsicht, tun und lassen zu können,<br />
was immer man will, es scheint dabei eher um eine<br />
mentale Freiheit, vor allem um eine seelische Gesundheit<br />
zu gehen und die Kraft dazu, dort hinzukommen.<br />
Ich frage ihn, was ihm dabei im Leben helfen könnte und<br />
erhalte eine klare Antwort: „Meine Hunde und meine<br />
Freundin, die nötige Zeit und vielleicht ein Ort, der einem<br />
suggeriert, dass man angekommen ist und sich wohlfühlen<br />
kann. Das muss keine Wohnung sein. Ein Platz der<br />
Zurückziehung, ein Grundstück mit einem Wohnanhänger<br />
darauf könnte ein solcher Ort sein.“<br />
Dass ihm all das nicht einfach so in den Schoß fallen<br />
würde, sei ihm durchaus bewusst. Früher sei ihm vieles<br />
egal gewesen. Als er von Zuhause auf die Straße flüchtete,<br />
habe diese ihm Angst gemacht. Er habe Alkohol und<br />
Drogen konsumiert. Eine Perspektive habe es nicht gegeben.<br />
Als er selbst dann so weit gewesen sei, seinen Körper<br />
für Drogen zu verkaufen, habe er einen Schlussstrich<br />
gezogen. Er verließ seine damalige Szene und reiste nach<br />
Freiburg. Hier angekommen habe er Anschluss gefunden<br />
und neuen Mut geschöpft, für sich und seine Freiheit zu<br />
kämpfen.<br />
Vielleicht ist Ihnen als LeserIn nun klar geworden, was ich<br />
zu Beginn dieses Artikels mit der inneren Stärke verdeutlichen<br />
wollte. Wenn ein Mensch wie Eric so tief fällt, um<br />
dann die Kraft zu finden, aufzustehen und dagegen anzugehen,<br />
dann ist das nur möglich, wenn man auch über<br />
eine solche Kraft verfügt.<br />
Diese Kraft nun zu bändigen, um sie konstruktiv nutzen<br />
zu können, dies sei jetzt seine Aufgabe. In der Tat gewinne<br />
ich den Eindruck, dass sich Eric hierbei zwar auf einen<br />
langen jedoch sehr guten Weg begeben hat. Zum einen<br />
scheint seine Freundin Annalena einen sehr positiven<br />
Einfluss auf ihn zu haben und zum anderen hat er den<br />
Willen und die Tatkraft, seine Suchtproblematiken in den<br />
Griff zu bekommen. Darüber hinaus hat er sich mit einer<br />
Therapeutin und einer Schuldnerberatung externe Unterstützung<br />
gesucht. Gerade hat er auch einen Schweißkurs<br />
begonnen, nicht zuletzt um später ganz schuldenfrei sein<br />
zu können.<br />
Zwar habe er ein wenig Angst, den Schein zum Schweißer<br />
nicht zu schaffen, nicht etwa aus mangelndem Durchhaltevermögen<br />
heraus, sondern aufgrund einer bestehenden<br />
physischen Problematik. Denn durch einen Unfall<br />
mit Schädelbasisbruch habe er heute Schwierigkeiten<br />
mit seinem Kurzzeitgedächtnis. Dieses würde nicht mehr<br />
so funktionieren, wie es einmal funktioniert habe. Doch<br />
auch dafür gebe es eine Lösung; Papier und Stift.<br />
Was Sie hier über Eric gelesen haben ist nur ein kleiner<br />
Teil dessen, was ich über diesen jungen Mann erfahren<br />
durfte. Als er zu mir sagte, dass es sein Wunsch sei, zu<br />
sterben und dass er aus genau diesem Wunsch heraus<br />
weiterleben würde, habe ich diese Aussage zuerst nicht<br />
verstehen können. Jetzt bin ich jedoch in der Lage dazu<br />
und sehr gerne würde ich auch Ihnen diese Einsicht<br />
vermitteln.<br />
Eric ist ein Mensch, der von Leid geprägt ist, und zwar<br />
durch die Erlebnisse aus seiner Kindheit und Jugend,<br />
seinen daraus resultierenden Taten und Absichten und<br />
seiner Unsicherheit gegenüber anderen Menschen, sich<br />
ihnen zu offenbaren. Mit dem Wunsch zu sterben ersehnt<br />
er sich ein Ende dieses Leidens herbei. Daher hat die<br />
Absicht zu sterben rein gar nichts mit einem körperlichen<br />
Tod zu tun. Aus diesem Grund lebt Eric weiter und kämpft<br />
Tag um Tag für seine seelische Gesundheit.<br />
Wenn Sie nun den Wunsch haben, ihn dabei zu unterstützen,<br />
dann wäre es toll, wenn Sie eventuell eine Idee dazu<br />
hätten, ob man nicht irgendwo die Möglichkeit eines kleinen<br />
Stellplatzes schaffen könnte. Gerne können Sie uns<br />
diesbezüglich in der Redaktion anrufen.<br />
Text: Harry Bejol<br />
Fotos: Felix Groteloh<br />
FREIeBÜRGER 11 | <strong>2021</strong> 9
Seit drei Jahren bist Du ehrenamtliche Richterin am Sozialgericht<br />
in Freiburg. Was genau ist Deine Aufgabe in<br />
diesem Amt? Wie bist Du dazu gekommen?<br />
Dazu gekommen bin ich über meine Gewerkschaft ver.di.<br />
Die haben ehrenamtliche RichterInnen gesucht und es<br />
dann an den Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) weitergereicht,<br />
der eine Vorschlagsmöglichkeit hat. Ich wollte<br />
es unbedingt machen, weil ich mich einfach fürs Sozialgesetz<br />
interessiere. Meine Aufgabe ist es, an Verhandlungen<br />
teilzunehmen und dann gemeinsam mit einem weiteren<br />
ehrenamtlichen Richter und der Berufsrichterin das Urteil<br />
zu fällen. So soll Gerechtigkeitsempfinden von normalen<br />
einfachen Bürgern in ein Urteil einfließen.<br />
Ein weiteres Feld ist Deine Mitarbeit im Arbeitskreis Erwerbslose<br />
ver.di Südbaden Schwarzwald. Was sind dort<br />
Deine Aufgaben?<br />
In diesem Arbeitskreis bin ich jetzt schon seit ein paar Jahren.<br />
Wir machen da politische Arbeit. Wir bereiten zum<br />
Beispiel so was vor wie den Aktionstag „AufRecht bestehen“<br />
(Anm. d. Red.: Wir berichteten darüber in unserer letzten<br />
Ausgabe), der ein Mal im Jahr stattfindet. Oder wir führen<br />
Gespräche mit dem Geschäftsführer vom Jobcenter. Wir<br />
versuchen also, so ein bissel politisch tätig zu sein und die<br />
Belange von Erwerbslosen zu bearbeiten.<br />
Foto: E. Peters<br />
IM GESPRÄCH MIT...<br />
Ute Aschendorf<br />
Liebe LeserInnen, bestimmt haben Sie sich auch schon<br />
einmal gefragt, wer sich hinter dem Pseudonym „utasch“<br />
verbirgt – sie schreibt regelmäßig die beliebten Buchbesprechungen<br />
und Sie durften auch schon den einen oder<br />
anderen Artikel von ihr bei uns lesen: Ute Aschendorf.<br />
Herzlich willkommen Ute, wir freuen uns, dass Du hier<br />
bist. Du unterstützt nun schon seit fast sechs Jahren<br />
ehrenamtlich den FREIeBÜRGER. Danke dafür! Was war<br />
Deine Motivation, bei uns mitzumachen?<br />
Ich wollte das was ich kann sinnvoll einsetzen. Und es ist so,<br />
dass ich mich beim FREIeBÜRGER beim Schreiben ziemlich<br />
frei entfalten und eigene Themen einbringen kann, was<br />
vorher als Journalistin kaum möglich war.<br />
Was bedeutet für Dich guter Journalismus?<br />
Ganz schwierige Frage. Ich versuche es mal: Guter Journalismus<br />
stellt für mich nicht nur die richtigen Fragen,<br />
sondern versucht sie auch so umfassend zu beantworten,<br />
dass die LeserInnen tatsächlich ein Angebot zur Orientierung<br />
haben.<br />
Wie beurteilst Du allgemein die Lage für Erwerbslose in<br />
Deutschland, was wären Deiner Meinung nach wirksame<br />
Instrumente?<br />
Die Lage der Erwerbslosen ist nicht besonders gut. Wenn<br />
sie denn in Arbeit kommen, dann meistens leider hauptsächlich<br />
im Niedriglohnsektor und von daher müsste der<br />
Niedriglohnsektor erstmal abgeschafft werden. Das heißt,<br />
gute Arbeit für alle wäre ein ganz wichtiges Instrument für<br />
Erwerbslose und Erwerbstätige. Des Weiteren ist meiner<br />
Meinung nach essenziell, dass das Existenzminimum nicht<br />
weiterhin gekürzt werden darf durch Sanktionen. Ich lehne<br />
die Sanktionspraxis ab und bin der Meinung, dass der Regelsatz<br />
erheblich erhöht werden müsste von zurzeit 446<br />
Euro auf mindestens 600 Euro. Und das ohne die Möglichkeit,<br />
dass gekürzt werden kann. Ansonsten halte ich es einfach<br />
für wichtig, die Teilhabe von Erwerbslosen zu fördern:<br />
durch Mobilität, auch Teilhabe an Kultur, an Politik, digitale<br />
Teilhabe – das alles ist nur möglich mit einem höheren<br />
Regelsatz.<br />
Was hältst Du vom bedingungslosen Grundeinkommen?<br />
Davon halte ich nicht sehr viel. Das bedingungslose Grundeinkommen<br />
erscheint mir ein sehr bürgerliches Projekt,<br />
das viel mit Selbstverwirklichung zu tun hat, aber wenig<br />
mit aktiver Armutsbekämpfung. Ich bin dagegen, dass<br />
reiche Leute noch zusätzliche Geschenke erhalten, auch<br />
wenn immer behauptet wird, dass ihnen das ja über die<br />
Steuer wieder abgenommen wird. Aber wir wissen ja, wie<br />
10<br />
FREIeBÜRGER 11 | <strong>2021</strong>
Wohlhabende ihre Steuerzahlungen auch umgehen können...<br />
Ich bin für eine aktive Armutsbekämpfung. Und das<br />
bedeutet eben Erhöhung vom Regelsatz und auch wieder<br />
bürgerliche Rechte für alle, auch für Erwerbslose und für<br />
Arme. Sprich, das Recht, sich in Deutschland frei bewegen<br />
zu können und so weiter und so fort. Das ist alles erheblich<br />
wichtiger als ein Grundeinkommen für alle. Besonders ein<br />
Grundeinkommen für Wohlhabende halte ich für vollkommen<br />
überflüssig.<br />
Woher kommt Deine Motivation, Dich ehrenamtlich zu<br />
engagieren?<br />
Gute Frage. Ich bin einfach keine, die gerne zu Hause rumsitzt<br />
und die Wand anschaut. Also muss ich mich engagieren.<br />
Außerdem habe ich, so glaube ich, einen relativ ausgeprägten<br />
Gerechtigkeitssinn und mit dem gehe ich dann<br />
halt hausieren und guck, wo ich das einsetzen kann.<br />
Du warst bereits tätig im Veranstaltungsmanagement, in<br />
der Projektleitung, als Kulturmanagerin und freie Journalistin.<br />
Was hat Dir bisher am meisten Spaß gebracht?<br />
Das hat mir eigentlich alles Spaß gemacht, ich mochte immer<br />
die Kommunikation mit unterschiedlichen Menschen.<br />
Ich glaube, ich war dabei immer auf der Suche nach dem<br />
Guten im Menschen.<br />
Woher nimmst Du Deine Energie? Wie lädst du Deinen<br />
Akku auf?<br />
Ich brauche immer Ruhephasen, in denen alles abgearbeitet<br />
ist, damit ich danach weitermachen kann. Ich fühle<br />
mich aber ziemlich oft ziemlich urlaubsreif.<br />
Welche Hobbys hast Du?<br />
Lesen, Lesen und noch mal Lesen... Als ich in Berlin gelebt<br />
habe, hatte ich noch jede Menge anderer Hobbys, hauptsächlich<br />
im Kulturbereich, also Kino, Theater, Konzerte. Das<br />
ist jetzt alles so ziemlich weggefallen. Eigentlich lese ich nur<br />
noch und ich gucke gerne Serien, ich gebe es zu.<br />
Was bewegt Dich momentan am meisten?<br />
Mich bewegt die weiter wachsende soziale Spaltung in der<br />
Gesellschaft und wie sich das zukünftig auf das gesamte<br />
gesellschaftliche Gefüge auswirken wird. Besser wird es<br />
anscheinend zurzeit nicht. Da sehe ich große Gefahren und<br />
Risiken, gerade auch angesichts der notwendigen Veränderungen,<br />
die vorgenommen werden müssen wegen des Klimawandels.<br />
Das ist alles nicht machbar mit dieser sozialen<br />
Spaltung, die muss erst mal aufgehoben werden, weil sie<br />
auch zu einer politischen Polarisierung führt. Und dadurch<br />
sinkt wiederum die Bereitschaft, gemeinsam etwas gegen<br />
den Klimawandel zu unternehmen. Da gibt es eine Menge<br />
Baustellen, aber das eine geht ohne das andere eben nicht.<br />
Wir werden das mit dem Klimawandel nicht ohne den Weg<br />
zur sozialen Gerechtigkeit auf die Reihe kriegen.<br />
Kannst Du uns in einem Satz dein Lebensmotto verraten?<br />
Tu was du willst, solange du deinen Mitmenschen, allen<br />
anderen Wesen und dem Rest der Welt so wenig wie möglich<br />
Schaden zufügst und das Ganze dann unter Berücksichtigung<br />
der herrschenden Ausbeutungsverhältnisse.<br />
Gibt es etwas, das Du schon immer mal machen wolltest,<br />
aber bisher nie die Zeit dafür gefunden hast?<br />
Zeit hätte ich eigentlich immer relativ gut irgendwie finden<br />
können, das war nicht unbedingt das Problem. Mir fehlt es<br />
eher an finanziellen Ressourcen. Ich würde gerne ein Mal<br />
im Leben mit 200 oder 300 Euro in der Tasche eine Buchmesse<br />
besuchen. Und ich würde wahnsinnig gerne reisen,<br />
ganz viele tolle Menschen treffen und darüber schreiben.<br />
Gibt es etwas in Freiburg, worüber Du dich besonders<br />
aufregst?<br />
Ja, zur Zeit ist natürlich ziemlich ärgerlich diese Umwandlung<br />
von 120 sanierten Wohnungen der Freiburger Stadtbau<br />
GmbH, die zu Eigentumswohnungen werden sollen<br />
und von denen dann behauptet wird, dass sie auch für den<br />
kleinen Geldbeutel zu haben sind. Nur... die Leute, die wenig<br />
Geld haben, die haben halt nicht einfach mal so 40.000<br />
Euro in der Hand. Das ärgert mich schon. So was finde ich<br />
wirklich nicht in Ordnung!<br />
Was ist für Dich der schönste Ort in Freiburg? Und welcher<br />
der hässlichste?<br />
Da muss ich nicht lange darüber nachdenken. Der alte<br />
Friedhof, der ist wirklich wunderschön. Und ziemlich hässlich<br />
ist der Platz der Alten Synagoge.<br />
Was wünschst du Freiburg?<br />
Ich würde mir für Freiburg wünschen, dass die Stadt<br />
wieder ein bisschen mehr versucht, dem Titel Green City<br />
gerecht zu werden. Zum Beispiel bräuchten wir viel mehr<br />
ökologisch sinnvolle interessante Projekte. Wir brauchen<br />
alternative Wohnformen wie Wagenburgen oder Plätze<br />
für Tiny Houses, Mehrgenerationenhäuser, Dachgärten auf<br />
Hochhäusern, auf Neubauten und das alles – möglichst<br />
öffentlich gefördert. Wir brauchen so Sachen wie Urban<br />
Gardening oder Housing First für Obdachlose. Wir brauchen<br />
also wirklich ökologisch sinnvolle und sozial gerechte<br />
Projekte.<br />
Wir bedanken uns für das Gespräch und freuen uns,<br />
wie unsere LeserInnen bestimmt auch, auf viele weitere<br />
spannende Buchbesprechungen und Artikel von Dir!<br />
Bleib gesund und auf dass Du immer ein Buch finden<br />
wirst, das Dich fesselt und Dir den Atem raubt...<br />
Oliver, Ekki & Conny<br />
FREIeBÜRGER 11 | <strong>2021</strong> 11
Abb.: Der Völler, Gemälde von Georg Emanuel Opiz, 1804<br />
900 JAHRE ARMUT IN FREIBURG<br />
Armenwesen und Pflege in Freiburg (Teil 10)<br />
Foto: Wikimedia Commons<br />
In der letzten Ausgabe habe ich von den beiden bekannten<br />
Siechenordnungen in Freiburg erzählt, wie und warum<br />
sie entstanden sind und ich habe begonnen, über die<br />
einzelnen Regeln, deren Bedeutung und Umsetzung zu<br />
schreiben. Vom Aussegnen aus der Stadt, dem Einzug ins<br />
Gutleuthaus und dem Bekanntmachen mit der Siechenordnung<br />
habe ich beim letzten Mal berichtet. Heute geht<br />
es darum, wie die Menschen im Leprahaus mit diesen<br />
Bestimmungen lebten.<br />
Trotz scharfer Seuchenbestimmungen konnten nicht<br />
alle umherziehenden Leprosen, die vorstellig wurden,<br />
im Gutleuthaus aufgenommen werden. Dafür gab es<br />
verschiedene Gründe: Zum Ersten kamen die wandernden<br />
Aussätzigen sehr weit herum und kamen dadurch<br />
zwangsläufig mit anderen Menschen zusammen. Diese<br />
Menschen wurden unterwegs nur selten kontrolliert und<br />
so versuchten natürlich einige der Leprosen, ihr Leiden zu<br />
verstecken. Somit waren sie wandelnde Infektionsherde<br />
und da sich das herumgesprochen hatte, fanden sie nur<br />
widerwillig oder gar nicht Einlass in die Leprosenhäuser.<br />
Zum Zweiten musste man davon ausgehen, dass diese<br />
reisenden Kranken sich nur sehr schwer oder gar nicht<br />
in ein bestehendes soziales Gefüge einpassen ließen.<br />
Denn die meisten dieser Vagabunden lebten vorher schon<br />
einmal in einem ähnlichen Haus und mussten dieses<br />
verlassen. Meistens lag das daran, dass sie mehrfach<br />
gegen die bestehenden Regeln verstoßen hatten. Mehrfach<br />
deswegen, weil es für fast alle Vergehen erst einmal<br />
hausinterne Strafen gab wie z. B. den Entzug der Pfründe<br />
für einzelne Tage, Wochen oder länger. Erst wenn das<br />
nicht fruchtete, erfolgte die Ausweisung. Somit konnten<br />
der Gutleuthaus-Meister und die Pfleger mit ziemlicher<br />
Sicherheit wissen, wer da an die Tür klopfte und ob man<br />
ihn einlassen kann. Ein weiterer Punkt waren die „wirklich<br />
armen“ Aussätzigen, die über nichts verfügten als über<br />
das, was sie auf dem Leib trugen. Diese konnten nichts in<br />
die Gemeinschaft einbringen und auch nach dem Tode<br />
nichts hinterlassen und waren somit nicht lukrativ für<br />
die Gemeinschaft. Diese Kranken mussten oft lange und<br />
weit umherreisen, bis sie irgendwo in ein Leprosorium<br />
aufgenommen wurden. Deshalb versuchten es einige<br />
12<br />
FREIeBÜRGER 11 | <strong>2021</strong>
unter ihnen mit Schummeleien, um Aufnahme und somit<br />
eine gesicherte Existenz zu finden. So absurd es klingt,<br />
verkleideten sie sich ärmlich und gebrechlich und täuschten<br />
den Aussatz vor, um ins Gutleuthaus zu kommen. Wie<br />
vielen von ihnen das tatsächlich gelang, ist nicht bekannt.<br />
Aus diesen Gründen mussten die Verantwortlichen der<br />
Leprosenhäuser wie dem Freiburger Gutleuthaus schon<br />
im eigenen Interesse sehr vorsichtig sein, wen sie einlassen<br />
und wen nicht. Natürlich hatte dieses Handeln auch<br />
negative Auswirkungen. Denn diejenigen Kranken, die<br />
sich auf einer Wallfahrt oder auf der Reise in ein Heilbad<br />
befanden und unterwegs an ein Leprosorium klopften,<br />
um für ein Nachtlager zu bitten, wurden natürlich auch<br />
wie „gewöhnliche“ Aussätzige behandelt. Meist blieben<br />
auch sie vor der Tür!<br />
DAS SOZIALVERHALTEN DER BEWOHNERINNEN IM<br />
FREIBURGER GUTLEUTHAUS<br />
Egal wo man etwas liest oder hört über die Aussätzigen<br />
im Mittelalter, wird und wurde den Leprakranken der<br />
Vorwurf gemacht, sie wären mit negativen Charaktereigenschaften<br />
behaftet und selbst an ihrem Schicksal<br />
schuld. Selbst die große gelehrte Frau des Mittelalters,<br />
Hildegard von Bingen, sah die Ursachen der Lepra bei den<br />
Aussätzigen selbst. Sie erkannte drei Gründe, durch die<br />
Menschen die Lepra bekommen konnten: da wären die<br />
Völlerei (Fress- und Trunksucht), die Wollust und der Jähzorn.<br />
Für alle dieser drei Erscheinungsbilder hatte sie die<br />
geeignete Therapie entwickelt, die für uns allerdings sehr<br />
abenteuerlich klingen. Wenn also solch gebildete Personen<br />
an die Eigenschuld der Aussätzigen glaubten, warum<br />
sollte dann das normale Volk eine andere Ansicht haben?<br />
Wenn man die Freiburger Siechenordnung von 1480<br />
aufmerksam liest, wird man Formulierungen finden, die<br />
diese Theorien bestätigen. 1507 wurde das zum Teil sogar<br />
verschärft. Wahrscheinlich ist es durch diesen Glauben<br />
an die Selbstverschuldung der Krankheit auch zu diesen<br />
gerichtsähnlichen Lepraschauprozessen gekommen, die<br />
ich schon erwähnt hatte.<br />
Die Regeln für das Zusammenleben im Haus waren sehr<br />
konkret und für damals leicht verständlich gefasst. Wenn<br />
z. B. ein Insasse den anderen „fravenlich schilt, fluchet oder<br />
spricht, liegt oder derglich Scheltung oder zornesworten<br />
anvüchtelt“, dann sollte er acht Tage auf seine Pfründe<br />
verzichten. Sollte es nicht bei verbalem Frevel bleiben<br />
und der Missetäter wurde handgreiflich, so wurde der<br />
Betreffende vom Meister festgesetzt und dem Urteil der<br />
Pfleger übergeben. In den Ergänzungen von 1507 wurden<br />
verschiedene Beispiele aufgeführt, um die Straftaten anschaulich<br />
zu beschreiben: Wenn ein Insasse den anderen<br />
mit Schimpfworten wie Dieb, Hure oder anderem beleidigte,<br />
musste er „zwen schilling pfening on gnad“ bezahlen<br />
und Besserung geloben! Auch durfte man niemanden<br />
Abb.: Hildegard von Bingen (1098 bis 1179)<br />
Foto: Wikimedia Commons<br />
provozieren bis dieser zornig wird und daraufhin selbst<br />
Schimpfworte gebraucht. Auch das wurde mit Geldstrafen<br />
belegt. Weiter sollten alle Insassen „vermaiden<br />
gottslesterung mit sweren, fluchen,schelten“, denn dieses<br />
galt als schwerer Frevel. Gotteslästerungen wurden „nach<br />
gestalt oder sach“ bestraft. Laut der Siechenordnung<br />
war jeder Insasse verpflichtet, andere bei Fehlverhalten<br />
zur Ordnung zu rufen und Regelverletzungen anderer<br />
BewohnerInnen den Pflegern zu melden. All diese Regeln<br />
und der angehängte Strafenkatalog erwecken den<br />
Eindruck, dass das Zusammenleben im Gutleuthaus<br />
nicht immer einfach war. Wenn man sich aber vor Augen<br />
führt, dass die wenigsten Insassen freiwillig hier waren,<br />
auf engem Raum und unter Umständen lebten, die sie<br />
nie wollten, aber nicht ändern konnten, ist das auch kein<br />
Wunder! Reiche Pfründner, die sich ihren Lebensabend<br />
hier erkauft hatten, lebten besser. Nicht nur, dass die<br />
Verpflegung besser war, sie hatten auch eigene Räumlichkeiten,<br />
in die sie sich jederzeit zurückziehen konnten und<br />
somit auch Streitereien weitgehend aus dem Weg gehen<br />
konnten. Dass Streitereien und körperliche Auseinandersetzungen<br />
im Freiburger Gutleuthaus zunahmen ist auch<br />
daran zu sehen, wie schnell die Änderungen nach dem<br />
FREIeBÜRGER 11 | <strong>2021</strong> 13
Foto: Jan Marczuk / Pixabay<br />
Abb.: Die Gefängnisse im Mittelalter waren oft sehr dürftig eingerichtet...<br />
Inkrafttreten der Freiburger Siechenordnung erfolgten.<br />
Denn während in der Siechenordnung von 1480 noch keine<br />
Rede von kriminellen Verfehlungen war, wurden diese<br />
27 Jahre später ausführlich beschrieben und unterteilt,<br />
mitsamt der Strafandrohung. Vor allem die Delikte von<br />
Körperverletzungen, die ständig zunahmen, wurden in<br />
verschiedene Kategorien unterteilt. Hierbei unterschied<br />
man hauptsächlich nach der Art des Angriffs und nach<br />
dem Verletzungsgrad des Opfers. Laut der Bestimmungen<br />
von 1507 war das „Schlahen un Stoßen“ mit „funsten,<br />
messern, bengeln, steinen oder derglichen“ strengstens<br />
verboten. Gab es dagegen Verstöße, dann urteilte die<br />
Gemeinschaft der Aussätzigen, ob der Täter bestraft wird<br />
und wie. Hatte ein Bewohner des Gutleuthauses „das ander<br />
blutrunsig“ gemacht (jemand eine blutende Wunde<br />
zugefügt), so wurde auch er bestraft „nach der bruder<br />
erkantnus und irer verstentnus“. Hatte der Täter sein Opfer<br />
schwer verletzt, so wurde auch hier zuerst ein Urteil der<br />
Gemeinschaft gesprochen, welches härter ausfiel als bei<br />
den vorigen Delikten. Doch zusätzlich zum „Hausgericht“<br />
wurden diese Missetäter durch die Pfleger dem Bürgermeister<br />
und dem Stadtrat übergeben, die dann ein noch<br />
strengeres Urteil fällen konnten. Die härtesten Strafen in<br />
diesem Zusammenhang wurde bei „Totslag“ ausgesprochen.<br />
„Schluge ouch ir eins das ander zu tot, das soll ein<br />
huwsmeister furderlich on verzug anbringen dem meister<br />
im hof und dann der meister den pflegern!“ Also wenn ein<br />
Bewohner einen anderen tötete, musste das unverzüglich<br />
gemeldet und vor Gericht gebracht werden. In solchen<br />
Fällen gab es kein Gericht der Aussätzigen, sondern meist<br />
eine ordnungsgemäße Verhandlung vor dem städtischen<br />
Blutgericht. Meistens endeten solche Verfahren mit dem<br />
Todesurteil. Konnte ein Täter vor dem Entdecken seiner<br />
Tat fliehen, wurden er und eventuelle Komplizen aus der<br />
Bruderschaft ausgeschlossen und die ihnen zustehenden<br />
Pfründe oder Erbschaft wurden entzogen. Es gab auch<br />
Fälle von Diebstahl oder Betrug unter den Insassen, die je<br />
nach der Schwere oder des materiellen Wertes mit Geldbußen,<br />
tageweisem Entzug irgendwelcher Sachen oder<br />
Gefängnis bestraft wurden.<br />
Da das Leben im Leprosenhaus einer Zweckgemeinschaft<br />
ähnlich war, wird es wohl im Großen und Ganzen funktioniert<br />
haben, da alle Insassen durch ihre Erkrankung<br />
im selben Boot saßen. Dass es zu Vorkommnissen kam,<br />
bei denen ein oder mehrere BewohnerInnen durchdrehten<br />
oder randalierten, lag ganz einfach an der Enge des<br />
Zusammenseins, der dadurch entstehenden Ballung von<br />
Problemen und natürlich der aussichtslosen Lebensprognose.<br />
Aus diesem Grund war die Stadt gezwungen, Regeln<br />
aufzustellen.<br />
14<br />
FREIeBÜRGER 11 | <strong>2021</strong>
Wie ich bereits beschrieben habe, unterlag das Gutleuthaus<br />
strengen christlichen Regeln. Im Zusammenhang<br />
mit Leprosenhäusern tauchen oft die Begriffe „Bruder“<br />
oder „Bruderschaft“ auf. Auch in den beiden Siechenordnungen<br />
ist davon die Rede. Das bedeutet allerdings nicht,<br />
dass das Gutleuthaus ein Kloster war und dessen Bewohner<br />
Mönche. Allerdings war ihr Tagesablauf dem eines<br />
Ordens sehr ähnlich. Zu diesem Tagesablauf gehörte auch<br />
ein strenger Gebetsplan, der strikt eingehalten werden<br />
musste. Da auch hierbei erst in den Ergänzungsbestimmungen<br />
zur Siechenordnung konkrete Vorschriften<br />
erwähnt werden, muss man annehmen, dass man auch<br />
die Gebete eine Weile nicht regelmäßig abhielt. Auch für<br />
Verstöße gegen die Gebetsordnung war ein Strafkatalog<br />
erstellt worden. Und es gab eine Menge zu beachten:<br />
Vor und nach dem Essen sollte „ein jede person in dem<br />
hus, es sige man, wib, knab oder tochter, beten ein paternoster,<br />
ein ave Maria und ein glouben“. Tat man es nicht,<br />
drohten „sechs pfening“ Bußgeld. Verpflichtend war auch,<br />
täglich „in der capellen“ der Messe beizuwohnen. Fand<br />
keine Messe statt, sollten die Aussätzigen so lange in der<br />
Kapelle beten, wie eine Messe dauern würde. Die meisten<br />
Gebete waren Fürbitten für Stifter und Spender. Konnte<br />
ein Insasse nicht an Messe oder Gebet teilnehmen,<br />
musste er sich beim Meister abmelden. Zudem wurden in<br />
Paragraph 21 der Ergänzungsbestimmungen die Gebete<br />
für verstorbene Mitglieder der Gemeinschaft vorgeschrieben.<br />
„zu trost den armen selen, die da gestorben sind von<br />
dieser bruderschaft“ sollten an allen Fronfastentagen zwei<br />
Messen gelesen werden und die Namen der Verstorbenen<br />
sollten vor dem Altar verlesen werden. Sonntags sollten<br />
vier Mal Messen für die Verstorbenen gelesen werden.<br />
Zusätzlich zur Siechenordnung gab es im Freiburger<br />
Gutleuthaus auch noch eine eigene Hausordnung für<br />
die BewohnerInnen. In dieser waren spezielle Punkte wie<br />
Freizeit, Schlafenszeit, Sauberkeit und ähnliches geregelt.<br />
Bei der Freizeitgestaltung kann man feststellen, dass den<br />
Kranken hier etwas mehr Spielraum bzw. Freiheit gelassen<br />
wurde. So wurde entgegen früheren Verordnungen<br />
das Glücksspiel mit Karten oder Würfeln erlaubt. Es war<br />
„zu etlichen zydten“ erlaubt, „umb ein helbling“ zu spielen,<br />
nicht aber um mehr. „An heiligen abenden und heiligen tagen“<br />
durfte nicht gespielt werden. Wurde man außerhalb<br />
der erlaubten Zeiten beim Spiel erwischt, dann gab es<br />
für acht Tage keinen Wein. Unbedingt gern gesehen war<br />
das Glücksspiel dennoch nicht, denn es endete oftmals in<br />
Streitereien. Auch fürs Musizieren gab es Vorschriften im<br />
Haus. „cheinerlei pfiffen, luten, trumen noch ander gewirtschaft“<br />
wurde genehmigt. Für andere Arten zu musizieren<br />
bedurfte es die Genehmigung des Meisters. 9 Uhr abends<br />
musste wieder Ruhe einkehren. Auch für die hauseigene<br />
Badestube gab es Regeln. So war es strikt verboten, nackt<br />
das Bad zu betreten. Männer sollten „ein nidergewand<br />
Abb.: Der Tod klopft an die Tür von Arm und Reich<br />
gleichermaßen<br />
haben“ und Frauen „ein badhembder“ tragen. Die Kleidervorschrift<br />
bestand, um die Ordnung zu wahren und der<br />
Unzucht vorzubeugen. Auch hier war der Meister für die<br />
Einhaltung der Bestimmungen verantwortlich. Strafen<br />
konnten von Geldbußen bis zum Ausschluss aus der Gemeinschaft<br />
reichen. Außerdem gab es im Freiburger Haus<br />
ein sogenanntes Loch, in dem der Meister Straftäter für<br />
bestimmte Zeit einsperren konnte.<br />
Die meisten Regeln, die in dieser Hausordnung stehen,<br />
sind auch heute noch gemeinhin verständlich und<br />
normal. Dass aber in einer Regel steht, dass man in den<br />
Schlafkammern nicht urinieren darf, wirft Fragen auf...<br />
Soweit zu Ordnungen und Bestimmungen. In der nächsten<br />
Folge geht es um den Beginn der Neuzeit in Freiburg.<br />
Ich bedanke mich beim Stadtarchiv Freiburg, der Waisenhausstiftung,<br />
Gerlinde Kurzbach, Bernadette Kuner und<br />
Professor Pompey.<br />
Foto: https://wellcomeimages.org/indexplus/image/V0042153.html<br />
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Jede bezahlbare Mietwohnung wird gebraucht<br />
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Jeder Mensch braucht ein Dach über dem Kopf, ein Zuhause,<br />
in dem er sich wohl und geborgen fühlen kann.<br />
Und doch leben auch in Freiburg viele hundert Menschen<br />
ohne eine eigene Wohnung, viele viele Kids und Jugendliche<br />
leben mehr oder weniger auf der Straße und rund<br />
2.000 Wohnungsnotfälle sind amtlich bekannt. Selbst<br />
unter denen, die in einer guten Wohnung leben, gibt es<br />
viele mit Sorgen und Ängsten, weil sie z. B. ihre Miete<br />
nicht mehr bezahlen können. In Freiburg herrscht Wohnungsnot<br />
und die Mietpreise explodieren, weil es zu<br />
wenige bezahlbare Mietwohnungen gibt. Nach Berechnungen<br />
der Hans-Böckler-Stiftung fehlen in Freiburg<br />
rund 20.000 Mietwohnungen im unteren Preissegment.<br />
Es ist eine elementare Grundaufgabe der Daseinssorge<br />
der Kommunen, gerade für Menschen mit geringen und<br />
durchschnittlichen Einkommen bezahlbare Mietwohnungen<br />
zu schaffen und zu sichern. Vor diesem Hintergrund<br />
erübrigt sich eigentlich die Fragestellung nach der Zweckentfremdung<br />
der 120 ehemaligen städtischen Sozialwohnungen<br />
in der Sulzburger Straße. Diese wurden einst<br />
mit Steuergeldern finanziert und mit den Mieten der<br />
BewohnerInnen abbezahlt. Sie jetzt für einen vermeintlichen<br />
Schnäppchenpreis an Besserverdienende verkaufen<br />
zu wollen, widerspricht dem Sozialstaatsgebot unserer<br />
Verfassung. Der Schutz und die Unterstützung derjenigen,<br />
die eine öffentliche Förderung und Unterstützung<br />
benötigen, muss im Vordergrund stehen.<br />
Es ist nicht Auftrag der Stadtverwaltung dafür Sorge zu<br />
tragen, dass möglichst viele Menschen Eigentum erwerben<br />
können, wenn gleichzeitig tausende Menschen in<br />
Freiburg an der Wohnungsnot leiden. Dass das die Menschen<br />
z. B. in Weingarten auch so sehen, wurde kürzlich<br />
deutlich, als in einer spektakulären Aktion von Bürgerverein<br />
und Forum Weingarten sowie dem Mietenbündnis im<br />
Stadtteil ein Meinungsbild hergestellt wurde. Innerhalb<br />
von vier Stunden haben auf dem Marktplatz in Weingarten<br />
372 Menschen mit dem Stimmzettel ihre Auffassung<br />
bekundet. Rund 87 % stimmten gegen den Verkauf dieser<br />
Mietwohnungen. Ein klares Votum aus dem Stadtteil.<br />
Auch im Sanierungsbeirat, der vom Gemeinderat zur<br />
Begleitung dieses städtebaulichen Entwicklungsprojektes<br />
eingesetzt worden ist, gab es kürzlich eine klare Mehrheit<br />
gegen den Verkauf dieser Mietwohnungen: 9 Stimmberechtigte<br />
votierten gegen den Verkauf, 4 dafür und 1<br />
Person enthielt sich der Stimme. Im Grunde spricht alles<br />
dafür, diese noch bezahlbaren Mietwohnungen langfristig<br />
im städtischen Besitz zu erhalten. Wenn nun trotzdem<br />
verkauft werden würde, wäre dies nicht Wasser auf die<br />
Mühlen der Rechtspopulisten, die gerade von der Politikverdrossenheit<br />
und den Ängsten der Menschen profitieren,<br />
die eher im Schatten der Gesellschaft leben und sich<br />
niemals Wohnungseigentum leisten können?<br />
Freiburger Mietenbündnis<br />
18<br />
FREIeBÜRGER 11 | <strong>2021</strong>
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Engelbergerstraße 3 – 0761/3196525 – info@frei-e-buerger.de<br />
FREIeBÜRGER 11 | <strong>2021</strong> 19
FACEBOOK-FIASKO<br />
Die unverhältnismäßigen Auswirkungen<br />
einer Facebook-Störung auf Entwicklungsländer<br />
Illustration: REUTERS / Dado Ruvic<br />
Egal ob in Afghanistan oder in Brasilien, Facebook-Plattformen<br />
sind das beliebteste Kontaktmittel der Menschen.<br />
Die Störung am Montag hat in den Entwicklungsländern<br />
das tägliche Leben auf den Kopf gestellt.<br />
Ein fast sechsstündiger Ausfall von Facebook und seinen<br />
WhatsApp- und Instagram-Apps am Montag, den 4. April,<br />
hat den Alltag von Menschen auf der ganzen Welt durcheinander<br />
gebracht – vor allem dort, wo die Plattformen<br />
die beliebtesten Mittel zum Surfen im Internet, zum<br />
Telefonieren und sogar für Zahlungen sind.<br />
In vielen Teilen der Welt ist Facebook das Hauptportal ins<br />
Internet. Seit 2013 hat Facebook Programme eingeführt,<br />
um Menschen in Entwicklungsländern zu vernetzen. Laut<br />
einer Studie von 2019 ist das Programm „Free Basics“ in 65<br />
Ländern verfügbar.<br />
Laut Facebook bietet das Programm Internet für über eine<br />
Milliarde Menschen in Asien, Afrika und Lateinamerika.<br />
„Die Menschen wussten nicht, dass Facebook und sein<br />
Produkt offline waren – sie dachten, das gesamte Internet<br />
sei verschwunden“, sagte Kofi Yeboah, ein Mitarbeiter der<br />
Gruppe für digitale Rechte Paradigm Initiative, in einem<br />
Telefoninterview aus Ghana.<br />
Von der Kommunikation mit geliebten Menschen bis<br />
hin zu geschäftlichen Aktivitäten – hier sind einige der<br />
wichtigsten Aspekte, wie der Ausfall das tägliche Leben<br />
gestört hat.<br />
IMMER IN KONTAKT BLEIBEN<br />
Von Afghanistan bis Brasilien ist die Facebook-Plattform<br />
WhatsApp zur wichtigsten Methode für SMS und Telefonate<br />
geworden – vor allem in den Entwicklungsländern.<br />
Nach Angaben der Marktforschungsgruppe Mobilesquared<br />
hat Indien mit fast 400 Millionen Nutzern die meisten<br />
WhatsApp-Nutzer, während in Brasilien und Indonesien<br />
jeweils über 100 Millionen Nutzer zu Hause sind. In<br />
Brasilien ist WhatsApp eine allgegenwärtige Form der<br />
Kommunikation – Forscher schätzen, dass über 90 % der<br />
brasilianischen Handybesitzer die Plattform nutzen.<br />
20<br />
FREIeBÜRGER 11 | <strong>2021</strong>
GESCHÄFTE MACHEN<br />
WhatsApp und Instagram sind zu Werkzeugen für<br />
Kleinunternehmer geworden, um ihre Waren online zu<br />
verkaufen. In Brasilien führte der Ausfall zu Umsatzeinbußen,<br />
wie lokale Medien berichteten, da die Käufer nicht<br />
bestellen konnten und die Online-Shops nicht direkt<br />
bei den Verbrauchern werben konnten, indem sie ihnen<br />
Nachrichten auf WhatsApp schickten.<br />
„Kleinunternehmer sind von Instagram und WhatsApp<br />
abhängig geworden“, sagte Christian Perrone, Koordinator<br />
für Recht und Technologie am Institut für Technologie<br />
und Gesellschaft (ITS), einer von Akademikern geführten<br />
gemeinnützigen Organisation in Brasilien.<br />
„Ein erheblicher Teil der kleinen Unternehmen, die<br />
während der Pandemie gegründet wurden oder sich an<br />
die Pandemie anpassen mussten, sind über eine dieser<br />
Plattformen digital geworden“, so Perrone. „Es ist schwierig,<br />
die potenziellen Verluste, die sie hatten, zu messen.“<br />
Viele Brasilianer nutzen ihre Facebook-Anmeldung auch,<br />
um sich bei anderen Websites und Diensten anzumelden,<br />
und da Facebook ausgefallen ist, konnten sie auch diese<br />
nicht nutzen, fügte er hinzu.<br />
„Der Ausfall war ein Weckruf dafür, dass die brasilianische<br />
Gesellschaft möglicherweise zu abhängig von Facebook-Apps<br />
geworden ist“, so Perrone. „Es wäre interessant,<br />
sich vorzustellen, was passieren würde, wenn die Abschaltung<br />
etwa 10 Tage andauern würde.“<br />
Jessica Soares, eine in Rio ansässige Anwältin, die mit<br />
ihren Klienten fast ausschließlich über WhatsApp<br />
kommuniziert, sagte: „Es ist sehr beunruhigend, es hat<br />
meinen Tag zum Kriechen gebracht.“<br />
stattfinden, aber gestern konnten wir es nicht wissen,<br />
weil WhatsApp gesperrt wurde“, sagte er.<br />
„Sind sie noch am Himmel, werden sie wieder bombardieren...<br />
wir hatten Angst.“<br />
In Afghanistan verlassen sich viele Leute, die ins Ausland<br />
gezogen sind, auf WhatsApp, um mit Familie und Freunden<br />
zu kommunizieren, weil es billiger und verschlüsselt<br />
ist.<br />
Darüber hinaus sind Afghanen im Ausland auf WhatsApp<br />
angewiesen, um Geldüberweisungen zu tätigen –<br />
der Ausfall hatte auch Auswirkungen auf die Bemühungen,<br />
Geld ins Land zu bringen, sagten afghanische<br />
Auswanderer.<br />
Avi Asher-Schapiro und Fabio Teixeira<br />
Übersetzt aus dem Englischen ins Deutsche von Lisa<br />
Luginbuhl<br />
Mit freundlicher Genehmigung von Reuters / Thomson<br />
Reuters Foundation / INSP.ngo<br />
Anzeige<br />
Yeboah von Paradigm Initiative sagte, dass „aufgrund von<br />
COVID viele Leute ihre eigenen Geschäfte betreiben und<br />
sich stark auf soziale Medien, Facebook, Instagram und<br />
WhatsApp verlassen, um ihre Geschäfte zu betreiben. Es<br />
war für viele junge Leute sehr beunruhigend."<br />
HUMANITÄRE ARBEIT IN KONFLIKTGEBIETEN<br />
Für Konfliktgebiete wie Afghanistan und Syrien erwies<br />
sich der Ausfall als noch störender. Maher Younes, ein<br />
Humanitärer Helfer der in der Türkei ansässigen Organisation<br />
Orange, sagte, die Gruppe nutze WhatsApp, um<br />
mitzuteilen, wo in Syrien Bombenanschläge stattfinden,<br />
damit sich ihre MitarbeiterInnen sicher durch das Land<br />
bewegen können.<br />
„Gestern haben wir viele Bombenanschläge gehört,<br />
normalerweise wissen wir über WhatsApp, wo sie<br />
FREIeBÜRGER 11 | <strong>2021</strong> 21
Im Mai 2016 stimmte eine große Mehrheit der Freiburger<br />
GemeinderätInnen gegen den anhaltenden Widerstand<br />
des damaligen Oberbürgermeisters Dieter Salomon für<br />
die Einführung eines Sozialtickets. Dem Beschluss ging<br />
ein zehnjähriger zäher Kampf voraus, der vom Runden<br />
Tisch Freiburg und dem breit aufgestellten Bündnis<br />
Sozialticket für diese sozialpolitische Maßnahme geführt<br />
werden musste.<br />
Im Oktober 2016 wurde das Sozialticket in Freiburg eingeführt.<br />
Anspruchsberechtigt sind BürgerInnen, die Leistungen<br />
nach SGB II, also Hartz IV, der Grundsicherung nach<br />
SGB IX und XII, Leistungen nach Asylbewerberleistungsgesetz<br />
oder Wohngeld erhalten und bei der zuständigen<br />
Behörde einen Antrag auf diese Vergünstigung stellen.<br />
Die Behörden verschicken Berechtigungsgutscheine, die<br />
bei der VAG eingelöst werden können. Dabei haben die<br />
NutzerInnen die Wahl zwischen der RegioKarte Basis, für<br />
die ein Eigenanteil von 34 Euro fällig wird, oder 2x4 Einzelfahrscheinen<br />
zum Preis von 8,55 Euro.<br />
Fünf Jahre Sozialticket<br />
Foto: Freiburger Verkehrs AG / Ralf Killian<br />
obwohl Mobilität im ländlichen Raum gewiss nicht weniger<br />
wichtig ist als in der Stadt. Sozialtickets wurden in<br />
Baden-Württemberg in zahlreichen Großstädten eingeführt.<br />
Wer außerhalb dieser Städte lebt und sich keinen<br />
PKW leisten kann, hat das Nachsehen durch ein schlecht<br />
ausgebautes ÖPNV-Angebot, das gleichzeitig das schmale<br />
Budget übermäßig belastet.<br />
Deshalb setzt sich das Freiburger Bündnis Sozialticket für<br />
die Einführung eines landesweit gültigen Sozialtickets<br />
ein, das zur Nutzung sämtlicher regionaler Verkehrsverbünde<br />
und den Regionalverkehr der Deutschen Bahn<br />
berechtigt. Die Idee für ein „Landessozialticket“ wurde<br />
bereits von der Landesarmutskonferenz in die Landesministerien<br />
für Soziales und für Verkehr getragen. Auch der<br />
Verkehrsclub Deutschland e. V. setzt sich angesichts der<br />
notwendigen Verkehrswende für sozial- und umweltverträgliche<br />
Mobilität ein, die auf Chancengleichheit und<br />
Teilhabe ausgerichtet ist und fordert bundesweit flächendeckende<br />
Sozialtickets.<br />
Durch das Sozialticket wird finanzschwachen MitbürgerInnen<br />
Mobilität als Voraussetzung zur gesellschaftlichen<br />
Teilhabe ermöglicht. Die Einführung hat sich als<br />
notwendig und sinnvoll erwiesen, wie die Statistik zeigt.<br />
Von Oktober 2016 bis Juli <strong>2021</strong> wurden insgesamt 247.067<br />
Gutscheine eingelöst, wobei die RegioKarte erheblich<br />
größeren Zuspruch als die Einzelfahrscheine findet. Rund<br />
59 % der NutzerInnen erhalten die Gutscheine über das<br />
Jobcenter, gefolgt von den Berechtigten des Amts für Soziales<br />
und Senioren mit circa 24 % und den BezieherInnen<br />
von Wohngeld mit fast 12 %.<br />
In den benachbarten Landkreisen Emmendingen und<br />
Breisgau-Hochschwarzwald warten einkommensschwache<br />
Menschen leider weiterhin auf ein Sozialticket,<br />
Im Rahmen der Recherche für diesen Artikel wurde bei<br />
den Fraktionsvorsitzenden der fünf im Landtag vertretenen<br />
Parteien um eine Stellungnahme zu einem landesweit<br />
gültigen Sozialticket gebeten. Bis zum Redaktionsschluss<br />
ging nur eine Antwort des Fraktionsvorsitzenden<br />
der SPD, Andreas Stoch, ein. Seine Fraktion habe bereits<br />
2019 in einem Haushaltsantrag ein 365 Euro-Ticket für<br />
SchülerInnen, Azubis, StudentInnen, SeniorInnen und als<br />
Sozialticket beantragt, was jedoch von den Regierungsparteien<br />
Baden-Württembergs abgelehnt worden sei. Die<br />
Forderung nach einem 365 Euro-Ticket halte die SPD-Fraktion<br />
weiterhin für richtig. Es bleibt also spannend und wir<br />
werden das Thema im Auge behalten.<br />
utasch<br />
22<br />
FREIeBÜRGER 11 | <strong>2021</strong>
Engagiert für<br />
wohnungslose Menschen<br />
Sonntagstreffs im <strong>November</strong> <strong>2021</strong><br />
07.11.<strong>2021</strong><br />
12:00 Uhr<br />
oder<br />
13:30 Uhr<br />
15:00 Uhr<br />
14.11.<strong>2021</strong><br />
13:00 Uhr<br />
28.11.<strong>2021</strong><br />
13:00 Uhr<br />
Kath. Kirchengemeinde St. Albert<br />
Sundgauallee 9 Straßenbahn 1 / Richtung Landwasser<br />
Halt Bischofskreuz<br />
Mittagessen in zwei Schichten im Gemeindesaal.<br />
Der Einlass und Aufenthalt im Saal ist für nur ca. 45<br />
Personen gleichzeitig gestattet. Eventuell kann das<br />
Essen auch für einige mit hinaus genommen werden.<br />
Offenes Zelt mit Getränkeangebot für die Wartezeit<br />
im Freien. In diesem Jahr gibt es keine zusätzliche<br />
Kleiderausgabe.<br />
Gedenkgottesdienst für unsere im letzten und in<br />
diesem Jahr Verstorbenen.<br />
Kath. Gemeinde St. Peter und Paul in St. Georgen<br />
Bozener Straße 6 / Bus 11 Richtung St. Georgen<br />
Halt Gabelsbergerstraße oder Straßenbahn 3 Richtung<br />
Vauban / Endhaltestelle / Ausgabe von Vespertüten<br />
Italienische Evangelisch-Freikirchliche Gemeinde<br />
Stefan-Meier-Straße 145 Straßenbahnlinie 2 bis<br />
Rennweg oder Zug bis Bhf. Herdern<br />
Mittagessen im Kirchensaal<br />
Foto: E. Peters<br />
VERKÄUFERIN BIGGI<br />
Hallo, liebe Leute, ich bin's, Ihre Biggi – genau die, die man<br />
hört, bevor man sie sieht. Seit mittlerweile vier Jahren<br />
verkaufe ich den FREIeBÜRGER und habe meine Schüchternheit,<br />
was das Verkaufen angeht, längst überwunden.<br />
Mein Verkaufsplatz ist auf dem Münsterplatz vor der<br />
„Alten Wache“ immer freitags und samstags ab 10 Uhr bis<br />
der letzte Verkaufsstand vom Münstermarkt eingepackt<br />
hat. Immer mit dabei ist meine geliebte Hündin Sarah<br />
– wir beide sind einfach ein unschlagbares Team! Wenn<br />
es regnet, verkaufe ich gegenüber von H&M, Richtung<br />
Rathausplatz, da können wir uns gut unterstellen.<br />
Ich engagiere mich nach wie vor ehrenamtlich in der<br />
Pflasterstub', mittlerweile zweimal die Woche, immer<br />
dienstags und donnerstags. Es macht mir viel Spaß, ich<br />
brauche einfach Menschen um mich herum, dann geht es<br />
mir gut. In meiner Freizeit gehe ich mit Sarah spazieren<br />
und genieße die Natur.<br />
Sonst ist alles beim Alten, bis auf meine Gesundheit... Ich<br />
war drei Monate außer Gefecht gesetzt und möchte mich<br />
in diesem Zusammenhang mit einem Dankeschön bei<br />
allen bedanken, die mich in dieser Zeit nicht vergessen<br />
haben und sage: Bis ganz bald!<br />
Ihre Biggi<br />
Es wird gebeten, sich an die Regeln der aktuellen Corona-Situation zu<br />
halten und den Bitten der GemeindehelferInnen zu entsprechen.<br />
NOVEMBER 21<br />
OVO + VONTRAPP<br />
MI, 3. I 20 H I NOISE ROCK<br />
JONNY KÖNIG<br />
FR, 5. I 20 H I GETROMMEL<br />
poınts<br />
SA, 6. I 18 H I ELEKTRONISCH<br />
PUBLIC DISPLAY OF AFFECTION + TIMBEAU<br />
MI, 10. I 20 H I PUNK WONK, KINKY JAZZ, JAPAN CITY POP<br />
KILL YOUR BOYFRIEND + M!R!M<br />
DO, 11. I 20 H I EIGHTIESPOP, DARKWAVE, SYNTH, SHOEGAZE<br />
ELEKTRONISCHER NACHTFLUG W/ AVEM<br />
SA, 13. I 20 H I SOUNDS FOR THE SOUL<br />
CRISIX + INSANITY ALLERT<br />
DO, 18. I 20 H I THRASH METAL<br />
HUMAN ABFALL<br />
FR, 19. I 20 H I PUNK, POST PUNK<br />
DAS BLANKE EXTREM + SHITNEY BEERS<br />
SA, 20. I 20 H I PUNK, POST PUNK, GARAGE<br />
VEREIN FÜR NOTWENDIGE KULTURELLE MASSNAHMEN e.V.<br />
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FREIeBÜRGER 11 | <strong>2021</strong> 23
is dreißig Seiten umfassen, werden die Berufsbilder<br />
derer beleuchtet, deren Arbeit so unentbehrlich ist. Hier<br />
kommen die LeistungsträgerInnen in Interviews selbst zu<br />
Wort. Die Interviews werden durch analytische Passagen<br />
ergänzt, sodass den LeserInnen die schwierigen Lebensund<br />
Arbeitsbedingungen umfassend veranschaulicht<br />
werden.<br />
Die Beschäftigungsverhältnisse in den geschilderten<br />
Arbeitsbereichen sind meist prekär. Da wird von Scheinselbstständigkeit,<br />
Leiharbeit, befristeten Arbeitsverträgen<br />
und Schattenwirtschaft berichtet, von stetig steigender<br />
Arbeitsverdichtung und Rationalisierungen, von Unterwanderung<br />
des Mindestlohns durch unbezahlte Mehrarbeit,<br />
wachsender Ungerechtigkeit, Respektlosigkeit<br />
und der Hoffnungslosigkeit angesichts der sich stetig<br />
zuspitzenden Ausbeutung. Aber es wird auch von den<br />
Auseinandersetzungen gegen diese Bedingungen erzählt.<br />
Gewerkschaftlich organisierte Arbeitskämpfe sowie<br />
unorganisierter Widerstand führen nicht nur zu Lohnerhöhungen<br />
und Verbesserungen der Arbeitsbedingungen,<br />
sondern geben den Beschäftigten auch das verlorene<br />
Gefühl von Selbstbestimmung und Würde zurück.<br />
„Verkannte Leistungsträger:innen“<br />
edition suhrkamp<br />
ISBN 978-3-518-03601-3<br />
567 Seiten | 22 €<br />
VERKANNTE<br />
LEISTUNGSTRÄGER:INNEN<br />
Buchbesprechung von utasch<br />
Als LeistungsträgerInnen gelten aus neoliberaler Sicht<br />
UnternehmerInnen, BankerInnen und ManagerInnen.<br />
Doch die wahren und verkannten LeistungsträgerInnen<br />
sind diejenigen, die für die Reproduktion unverzichtbar<br />
sind und für einen reibungslosen Ablauf des gesellschaftlichen<br />
Alltags sorgen.<br />
Sie ernten, produzieren und transportieren unsere<br />
Lebensmittel, putzen Büros, Krankenhäuser und Restaurants,<br />
schneiden Haare, waschen Wäsche, wechseln<br />
Kleinkindern und SeniorInnen die Windeln, sortieren, verpacken<br />
und verkaufen Waren in Lagern und Läden, liefern<br />
Pakete, begrüßen und bedienen im Flugzeug oder sorgen<br />
für Sicherheit im öffentlichen Raum. Für diese „systemrelevanten“<br />
Aufgaben erhalten sie meist nicht nur zu wenig<br />
Lohn, sondern auch kaum gesellschaftliche Anerkennung.<br />
Diesen verkannten LeistungsträgerInnen haben die HerausgeberInnen<br />
Nicole Mayer-Ahuja und Oliver Nachtwey<br />
nun ein umfassendes Buch mit Berichten aus der Klassengesellschaft<br />
gewidmet. In 22 Kapiteln, die jeweils zwanzig<br />
Lesen Sie, was die Erzieherin Sandra, die SozialarbeiterInnen<br />
Simona und Giorgio, die polnische 24-Stunden-Pflegekraft<br />
Edyta und die Kinderkrankenpflegerin Ulla aus<br />
ihrem Arbeitsalltag berichten. Fiora aus Bulgarien schildert<br />
eindrücklich die bedrückende Atmosphäre in der<br />
Wäscherei eines Krankenhauses. Die Spülkräfte Jeremy<br />
und Andrew leiden unter der permanenten Angst vor<br />
Abschiebung und nehmen deshalb jede Erniedrigung<br />
am Arbeitsplatz widerspruchslos hin. Fürchterliche<br />
Zustände herrschen auch in der Landwirtschaft und der<br />
Fleischindustrie, was Alexandru und Hasim aus Rumänien<br />
anschaulich formulieren. Auch die Kurierdienstfahrer<br />
Rajesh aus Indien und José aus Chile berichten von<br />
Arbeitsverdichtung und permanenter Überwachung. Und<br />
in den Lagern von Amazon wird eine Spaltung der Belegschaft<br />
nach Herkunft und Aufenthaltsrecht betrieben, wie<br />
Frank und Josef es erleben mussten.<br />
In jedem dieser prekären Jobs werden Notlagen der<br />
Beschäftigten zur weiteren Verschlechterung der Arbeitsbedingungen<br />
ausgenutzt. Im gesamten Niedriglohnsektor,<br />
in dem inzwischen 20 % aller Lohnabhängigen tätig<br />
sind, wird für immer weniger Geld immer mehr Leistung<br />
verlangt. Permanente Überwachung, Erniedrigung<br />
und Disziplinierung durch Angst gehören zum Alltag<br />
der Beschäftigten, die kaum eine Chance haben, diesen<br />
Lebensbedingungen zu entkommen.<br />
Diese Ausbeutung geht uns alle an! Und das Buch über<br />
die verkannten LeistungsträgerInnen sollte deshalb gelesen<br />
werden.<br />
24<br />
FREIeBÜRGER 11 | <strong>2021</strong>
HAMBURGER LABSKAUS<br />
Foto: E. Peters<br />
Herzlich willkommen auf unserer Kochseite!<br />
Moin Moin und Ahoi! „Wie ekelhaft, kann man das<br />
essen...?" Viele Menschen haben über Labskaus keine gute<br />
Meinung, ohne es jemals gegessen zu haben. Labskaus<br />
erlebt in den letzten Jahren eine Renaissance, ähnlich<br />
wie andere ehemalige „Arme-Leute-Essen“. Labskaus<br />
schmeckt wie ein sehr kräftiges Kartoffelmus. Gut<br />
zubereitet und mit Matjes, Gewürzgurke und Spiegelei<br />
serviert schmeckt Labskaus sogar richtig gut. Es ist ein<br />
Seemannsgericht und wird in Norddeutschland und<br />
Teilen von Skandinavien gegessen.<br />
Früher, als man noch mit Segelschiffen auf große Fahrt<br />
ging, gab es an Bord keine Möglichkeit, Lebensmittel<br />
lange frisch zu halten. Also musste der Smutje auf lange<br />
haltbare Lebensmittel zurückgreifen. So entstand der<br />
Brei aus gepökeltem Rindfleisch, eingelegter Rote Beete,<br />
Zwiebeln und Kartoffeln. Solange es die Kombüse noch<br />
hergab, gab es Matjes und Spiegelei dazu. Labskaus ist<br />
kein original Hamburger Gericht, zumindest nicht in<br />
dem Sinne, dass es in Hamburg erfunden wurde oder<br />
ausschließlich hier zubereitet wird. Wie bei allen traditionellen<br />
Gerichten gibt es nicht das eine richtige Rezept,<br />
sondern viele verschiedene Zubereitungsarten.<br />
Unsere Verkäuferin Suzi und unser St. Pauli-Karsten<br />
kochen diesen Monat das Labskaus „Hamburger Art“.<br />
Zutaten für 4 Personen:<br />
1 Dose Corned Beef<br />
4 Matjesfilets<br />
750 g Kartoffeln<br />
4 Eier<br />
2 eingelegte Rote Beete<br />
Zubereitung:<br />
Zuerst die Kartoffeln als Salzkartoffeln kochen. In der<br />
Zwischenzeit die klein gewürfelten Zwiebeln in etwas Fett<br />
andünsten, bis sie goldfarben sind. Das in kleine Würfel<br />
geschnittene Corned Beef zufügen und mit Deckel etwa 3<br />
Minuten dünsten. Dann die gewürfelten Gewürzgurken<br />
mit etwas Gurkensud zufügen. Mit Salz, Pfeffer und Piment<br />
herzhaft abschmecken. Wenn gewünscht, eventuell<br />
noch etwas gewürfelte Rote Beete zugeben. Alles etwa 10<br />
Minuten leicht köcheln lassen. Die fertig gegarten Kartoffeln<br />
etwas stampfen, jedoch nicht so fein wie für Püree.<br />
Den Corned Beef-Mix unterrühren. Wenn die Mischung<br />
zu fest ist, noch etwas Gurkensud unterrühren. Jetzt den<br />
Labskaus auf den Tellern anrichten und mit Spiegelei,<br />
Rote Beete und nach Geschmack mit Matjes, Bismarckhering<br />
oder Rollmops servieren.<br />
Guten Appetit!<br />
3 Gewürzgurken<br />
2 Zwiebeln<br />
etwas Gurkensud<br />
Margarine zum Braten<br />
Salz & Pfeffer<br />
Suzi & Karsten<br />
FREIeBÜRGER 11 | <strong>2021</strong> 25
Hallöchen, liebe Sportfreunde,<br />
so, da bin ich wieder, und zwar schon zum vorletzten Mal<br />
in diesem Jahr mit Nachrichten vom Sport. Unglaublich<br />
aber wahr, der Winter steht schon wieder vor Tür. Und<br />
das weiß ich nicht, weil ich jetzt unter die Meteorologen<br />
gegangen bin, sondern weil ich am vergangenen Wochenende<br />
die ersten Wettbewerbe im alpinen Skisport<br />
im Fernsehen verfolgt habe. Mal sehen, wie lange man<br />
das noch im öffentlich-rechtlichen TV kann, ehe auch hier<br />
das Bezahlfernsehen mit dickem Geldbeutel auf der Piste<br />
steht und die Wintersportereignisse nur noch für einen<br />
exklusiven Kreis zugänglich sind?!<br />
Aber bevor ich mich ärgere, komme ich lieber zum Fußball,<br />
denn der hat gerade seine beste Zeit. Durch die vielen<br />
Wettbewerbe gibt es fast nur noch englische Wochen.<br />
Was will das Fußballherz mehr? Die Antwort darauf weiß<br />
Gianni Infantino, seines Zeichens Chef des Fußballweltverbands<br />
FIFA: nämlich noch mehr Spiele!<br />
Ich hatte ja in der letzten Ausgabe schon angedeutet, dass<br />
er vorhat, die Fußball-WM künftig im Zweijahresrhythmus<br />
austragen zu lassen. Eigentlich hatte ich da gedacht,<br />
der Mann ist nicht bei Sinnen und aus ihm spricht vielleicht<br />
der Alkohol, aber nein, der meint das völlig ernst,<br />
das hat er jetzt mehrfach bestätigt. Der Kerl ist hochgradig<br />
bekloppt, das erkennt man vor allem, wenn man seine<br />
Begründung dafür kennt. Er möchte den Fußball voranbringen<br />
und ihn überall auf der Welt noch populärer<br />
machen. Was mag der geraucht haben, um auf so was zu<br />
kommen? Fußball ist bereits jetzt der Volks- und Massensport<br />
Nummer 1, da gibt es nichts, was man populärer<br />
machen könnte. Und was meint er damit, den Fußball voranbringen<br />
zu wollen? Das einzige was ich dabei erkenne<br />
ist: er bringt die jährliche Anzahl der Spiele und die Verletzungsgefahr<br />
der Kicker voran. Und ob das eine Verbesserung<br />
des Fußballs ist, wage ich zu bezweifeln. Qualitativ<br />
auf jeden Fall nicht! Jeder Medizinmann, jeder Trainer<br />
und erst recht jeder Fußballer beklagt heute schon den<br />
vollen Terminkalender mit den unglaublich vielen Spielen.<br />
Das sind heute fast doppelt so viel wie in den 70er Jahren.<br />
Und dann wird jedes Jahr noch ein Wettbewerb dazu erfunden,<br />
wie die völlig überflüssige UEFA Nations League.<br />
Wie und wann soll dann in Zukunft die Qualifikation für<br />
eine WM ausgespielt werden? Doch darüber denkt Herr<br />
Infantino gar nicht erst nach. Er rechnet den zu erwartenden<br />
Profit aus und dann ist die Sache geritzt. Es gibt aber<br />
noch einen kleinen Hoffnungsschimmer und das ist ein<br />
Boykott! Immerhin haben fast alle südamerikanischen<br />
und auch die maßgeblichen europäischen Verbände angekündigt,<br />
an einer solchen WM nicht teilzunehmen. Und<br />
was wäre das für eine Weltmeisterschaft ohne Brasilien,<br />
Argentinien, Deutschland, Frankreich oder Italien? Ich hoffe,<br />
Infantino denkt noch mal nach und zerreißt die Pläne!<br />
Doch es gibt auch Erfreuliches über die WM zu berichten:<br />
Die deutsche Nationalmannschaft hat sich für die WM<br />
im nächsten Jahr qualifiziert! Und das auch noch zwei<br />
Spieltage vor Schluss, in der Hammergruppe mit Armenien,<br />
Nordmazedonien, Island, Rumänien und Liechtenstein.<br />
Bei der Auslosung damals haben Experten gar von<br />
der Todesgruppe gesprochen. Doch all das konnte DIE<br />
MANNSCHAFT nicht aufhalten, ganz souverän mit nur einer<br />
Niederlage (zu Hause gegen Nordmazedonien!) fährt<br />
das deutsche Team zur Weltmeisterschaft nach Katar. So<br />
oder so ähnlich wurde unsere Mannschaft in sämtlichen<br />
Medien abgefeiert nach der vorzeitigen Qualifikation. Ich<br />
hab gedacht ich hör und seh nicht richtig! Was da alles<br />
hineingedeutet wurde war abenteuerlich. Hansi Flick, der<br />
erst seit ein paar Spielen als Nationaltrainer im Amt ist,<br />
würde eine neue Ära kreieren, man erkennt seine Handschrift<br />
schon oder DIE MANNSCHAFT spielt so offensiv wie<br />
seit Jahren nicht. Die Jungs wurden bejubelt, als wären<br />
sie schon Weltmeister. Verdammt, das waren alles nur<br />
Quali-Spiele gegen, sorry, zweit- oder drittklassige Gegner!<br />
Da muss man erwarten, dass die offensiv spielen und<br />
gewinnen! Ich erinnere nur mal an die letzte Quali für die<br />
WM in Russland. Auch da sind wir ganz locker durch die<br />
Qualifikation marschiert, jeder hat gejubelt und der Pokal<br />
stand schon in der Vitrine. Was rauskam, wissen wir ja<br />
alle...<br />
Auch in der Bundesliga rollt der Ball auf Hochtouren, doch<br />
leider auch fast schon wieder nach dem alten Prinzip, die<br />
Bayern gewinnen alles. Die stehen wie immer auf Platz<br />
eins der Tabelle und haben wieder Kurs auf die Schale genommen.<br />
Als die vor kurzem „dahoam“ gegen Frankfurt<br />
verloren haben, dachte ich, das könnte vielleicht doch ein<br />
wenig spannender werden. Doch das war nur ein Strohfeuer,<br />
denn die Rivalen ließen auch Punkte liegen! Das<br />
einzige noch ungeschlagene Team der Liga ist allerdings<br />
26<br />
FREIeBÜRGER 11 | <strong>2021</strong>
Abb.: Die neue Arena des SC Freiburg. Mit Platz für 34.700 ZuschauerInnen gerüstet für die Zukunft...<br />
Foto: Kai Pfaffenbach / REUTERS<br />
nicht der FC Bayern, sondern der SC Freiburg. Die sind<br />
überragend in die Saison gestartet und liegen nach dem<br />
9. Spieltag auf Rang drei, nur drei Punkte hinter dem<br />
Branchenführer. Nach langen Querelen ist nun auch das<br />
neue Stadion des Sportclub fertig geworden und wurde<br />
schon eingeweiht. Ein gutes Omen ist vielleicht, dass<br />
die Breisgauer in der neuen Arena noch kein Spiel verloren<br />
haben. Aber ich bleibe dabei: Freiburg hat das nicht<br />
gebraucht! Und wer weiß, ob die dort auch solch fantastische<br />
Stimmung reinkriegen wie im alten Stadion? Ich<br />
glaube nicht!<br />
Sportlich stehen sie allerdings richtig gut da, deutlich<br />
vor Mannschaften wie Leverkusen, Leipzig oder Wolfsburg<br />
und natürlich ist man auch der beste Club aus dem<br />
Ländle!<br />
Viel spannender geht es in der besten zweiten Liga aller<br />
Zeiten zu. Ganz oben in der Tabelle stehen zwar die drei<br />
Teams, die man unbedingt dort erwartet hatte, nämlich<br />
St. Pauli, Schalke und Regensburg, allerdings geht es dahinter<br />
wahnsinnig knapp zu. Erfreulich für mich ist dabei,<br />
dass sich meine Schalker endlich auf diese Liga eingestellt<br />
haben und ganz erfolgreich mitspielen. Nach den ersten<br />
Spielen hatte ich dass Gefühl, dass die Jungs genau so<br />
weitermachen wie im letzten Jahr, aber dann haben sie<br />
sich gesteigert und haben die letzten vier Spiele gewonnen<br />
und das auch noch zu null. Jetzt glaube ich dem Club<br />
auch, das sie es ernst meinen mit dem sofortigen Wiederaufstieg!<br />
Alles andere wäre wohl eine Blamage. Aber<br />
die gefallen mir echt ganz gut, die neuen Knappen. Fast<br />
eine No-Name Truppe, ohne große Stars und auch alle<br />
noch ziemlich jung, das kann was werden. Dass die Jungs<br />
sich immer besser aufeinander einstellen und spielen<br />
sieht man daran, dass der Trainer jetzt schon seit einigen<br />
Spielen dieselbe Mannschaft auf's Feld schickt. Gut, so arg<br />
viel kommt da hinten dran ja auch nicht mehr, aber andere<br />
Trainer probieren immer wieder Neues und merken<br />
irgendwann ganz erschrocken, dass die Saison schon rum<br />
ist. Nee, das gefällt mir schon, was Trainer und Mannschaft<br />
da auf den Platz bringen! Vor allem natürlich unser<br />
neuer Torjäger Simon Terodde, der die Schalker scheinbar<br />
allein zurück in die Bundesliga schießen will. Einen<br />
großen Erfolg hat er schon geschafft, er hat den ewigen<br />
Torrekord von Dieter Schatzschneider geknackt, nämlich<br />
153 Tore in der 2. Bundesliga! Und ich bin sicher, der packt<br />
noch ein paar drauf.<br />
So, das war es schon wieder, gehabt Euch wohl, bis<br />
demnächst!<br />
Carsten<br />
FREIeBÜRGER 11 | <strong>2021</strong> 27
Kontakt: www.schemske.com<br />
FOLGE 19<br />
Wolf erwachte wie aus einem schlimmen Traum. Er hatte<br />
an einer Radwanderung teilgenommen und alles tat ihm<br />
weh. Dann bemerkte er seinen Irrtum. Nicht vom Fahrradfahren<br />
kamen die Schmerzen, sondern weil er auf einer<br />
Baumwurzel saß und Handschellen trug. Es war ein ruhiger<br />
Morgen im Markgräflerland, Müllheim lag noch in<br />
tiefem Frieden.<br />
Wolf blickte sich um. Es war niemand zu sehen. Er stand<br />
auf und ging in die ehemalige Kirche. Die Leiche des toten<br />
Musikers war abtransportiert worden und die Kirche war<br />
anscheinend leer. Nicht ganz, denn er hörte ein regelmäßiges<br />
Atmen, so, als ob jemand schliefe.<br />
Wolf setzte sich neben Kommissar Steiner, der auf einem<br />
Stuhl saß und schlief. Die starken Scheinwerfer, die in<br />
der Nacht den Tatort ausgeleuchtet hatten, waren fort.<br />
Jetzt sah man die Decke des Raumes, die vorher in tiefem<br />
Schwarz geblieben war.<br />
Wolf schnüffelte. Jemand müffelte. War er es oder war<br />
es der übernächtigte Kommissar? Er schloss die Augen<br />
und vergegenwärtigte sich den Ablauf der Ereignisse.<br />
Ja, er hatte Weihrauch gerochen. Ein Geräusch wie ein<br />
schweres Seufzen ertönte, dann kam ein dumpfer Aufprall<br />
– der Kommissar war vom Stuhl gerutscht. Wolf half<br />
ihm auf. Wegen der Handschellen fiel ihm das nicht leicht.<br />
Kommissar Steiner rieb sich die Augen. „Was machen Sie<br />
noch hier, ich hatte Sie doch verhaftet!“, brummte er. „Bin<br />
eingeschlafen, genau wie Sie“, sagte Wolf. „Gestern, als<br />
ich auf die Polizei wartete, bemerkte ich einen würzigen<br />
Geruch: Weihrauch“, sagte er. Steiner schüttelte den Kopf<br />
und sagte: „Was wollen Sie damit sagen?“<br />
„Dieser Raum ist 1980 umgewidmet worden, also, was<br />
macht Weihrauch in einem Konzertsaal?“, konterte Wolf.<br />
Sie hatten leise gesprochen, so stark war immer noch die<br />
weihevolle Atmosphäre des hohen und weiten Raumes.<br />
Sie schwiegen. War der Kommissar wieder eingeschlafen?<br />
Auch Wolf schloss die Augen. Er meditierte. Vor seinem<br />
geistigen Auge sah er, was er vorher nicht bemerkt hatte.<br />
An der Decke waren feine Linien. Wie dünne Drähte oder<br />
Stromleitungen, oder wie feine Ketten, die einen Schatten<br />
warfen. Er fühlte Unheil.<br />
Wolf erwachte aus seiner Trance und schaute zur Decke.<br />
Es gab eine Empore, aber sonst war nichts Bemerkenswertes<br />
zu sehen. Doch über das hölzerne Geländer der<br />
Empore ragte das Ende einer Leiter empor. Eine Leiter?<br />
Was hatte das zu bedeuten? „Kommen Sie mit“, sagte er,<br />
nachdem er den Kommissar wachgestupst hatte. Steiner<br />
brummte erst noch ein wenig, dann fummelte er mit<br />
dem kleinen Schlüssel herum und schloss Wolfs Handschellen<br />
auf. Sie stiegen die enge Wendeltreppe neben<br />
der Eingangstür hinauf zur Empore und betrachteten die<br />
Leiter.<br />
„So, und was soll das jetzt?“, fragte der Kommissar. Wolf<br />
zeigte ihm die dünne Kette, die sich von der Mitte der<br />
hohen Decke bis über die Empore schwang. Sie endete<br />
in einer Nische, die von ihrem Standort aus nicht einsehbar<br />
war. Der Kommissar zuckte mit den Schultern.<br />
„Und jetzt?“ Er drehte sich um und wollte zu der Leiter<br />
gehen. „Dann sehen wir mal nach“, sagte er. Wolf hielt<br />
ihn zurück. „Das ist ein Tatort, wir wollen doch nicht auf<br />
den Spuren herumtrampeln“, sagte Wolf. „Da oben ist<br />
ein großes, schweres Rauchfass, für Weihrauch, versteckt<br />
worden. Holen Sie Ihre Techniker zurück“, sagte Wolf.<br />
28<br />
FREIeBÜRGER 11 | <strong>2021</strong>
„Oder wurde die Tatwaffe schon gefunden?“, fragte er.<br />
Steiner griff zu seinem Diensthandy.<br />
Wolf wandte sich zum Geländer der Empore und schaute<br />
hinunter in das, was einmal ein Kirchenraum gewesen<br />
war. Er stützte seine Unterarme auf das Geländer und<br />
bemerkte, dass der Kommissar neben ihn getreten war.<br />
Dann verschwamm alles vor seinen Augen. „He, geht’s<br />
dir gut?“, fragte Steiner, und schüttelte den Zusammengesunkenen.<br />
„Mir geht’s gut, hatte nur einen Blackout.“<br />
Steiner schaute noch einmal auf sein Handy. „Wir haben<br />
Zeit. Bis die Techniker aus Freiburg da sind, dauert es<br />
noch eine Weile. Los, wir nehmen deinen Wagen, er steht<br />
ja noch vor der Tür, ich habe einen Polizisten als Wache<br />
davorgestellt.“<br />
***<br />
Sie saßen in einer Backstube an der Hauptstraße von<br />
Müllheim und frühstückten. Wolf zerdrückte die Brösel<br />
des letzten Croissants, aber bevor er das nächste in Angriff<br />
nahm, begann er zu erzählen. „Also, es war ja keine<br />
ganz schlechte Idee, mich zu verhaften.“ Steiner verschluckte<br />
sich fast an seinem Kaffee. Ungerührt fuhr Wolf<br />
fort: „Ich bin verdächtigt, irgendwie beteiligt zu sein an<br />
dem Mord eines Musikers, beim Konzert am Freiburger<br />
Seepark.“<br />
„Davon wusste ich nichts“, sagte der Kommissar. Wolf<br />
lachte und sagte: „Ist ja auch über Landesgrenzen<br />
hinweg, Baden und Markgräflerland.“ Nicht ohne Grund<br />
waren die beiden beim Du angelangt. Es herrschte eine<br />
innere Übereinstimmung, ein Gleichlaut der Empfindungen<br />
zwischen ihnen, etwas, das weit über die Möglichkeiten<br />
der Sprache hinausging.<br />
„Etwas hat dich gestört?“, fragte Steiner. „Vor meinem<br />
geistigen Auge tauchte das Bild der Dorfkirche auf, in die<br />
ich als Kind ging. Die Frauen mit ihren Sonntagskopftüchern<br />
saßen links, die Männer, die ihre Hüte und Mützen<br />
an Haken vor ihnen gehängt hatten, saßen rechts. All das<br />
sah ich von oben, weil ich extra in den Kirchenchor gegangen<br />
bin, um auf der Empore sitzen zu können.“<br />
„Ich bin ja nur ein Musikmanager, aber ich habe Augen im<br />
Kopf. Bei jedem Konzert sind sie dabei, die jungen Kerle<br />
in ihren schwarzen, uniform-ähnlichen T-Shirts und Jacken,<br />
auf dem Rücken steht STAFF oder SECURITY, sie sind<br />
allgegenwärtig bei einem Konzert, auch vorher, wenn die<br />
Bühne aufgebaut wird, aber keiner beachtet sie,“ sagte<br />
Wolf.<br />
„Jetzt willst du mir weismachen, du kennst den Mörder“,<br />
sagte der Kommissar. „Nicht direkt. Ich denke mir, dass es<br />
ein Serienmörder ist.“ Steiner unterbrach: „Zuviel ‚Mental<br />
Detektives‘ geschaut im Fernsehen, gell?“ Aber Wolf blieb<br />
ruhig. „Die beiden Tatorte wirken inszeniert; am Seepark,<br />
beim Bürgerhaus, hatte er ein Mikrofonkabel verwendet,<br />
um Serge Butz, den Saxofonisten der Band, zu erdrosseln.<br />
Hier verwendet er, kirchengerecht, ein Weihrauchfass ...“<br />
Steiner unterbrach: „... das wir erst finden müssen.“<br />
Kommissar Steiner schaute durch das Fenster der Bäckerei<br />
auf die Straße. Es war noch früh am Morgen, und<br />
erst ein paar wenige Werktätige bewegten sich in Richtung<br />
auf ihren Broterwerb. „Mitch, ich habe dich vor der<br />
Verhaftung ja noch nie gesehen, aber ich fühle eine tiefe<br />
innere Verbundenheit mit dir“, sagte der Kommissar und<br />
fügte hinzu: „... es ist fast so, als ob ich dich schon seit<br />
Jahren kenne.“<br />
„Es ist die Übereinstimmung der Seelen“, sagte Wolf. „Und<br />
das sagen nicht nur die Weisen des Fernen Ostens, das<br />
sagt auch der Physiker Erwin Schrödinger in seinem Buch<br />
‚Geist und Materie‘, nämlich dass wir zwar Individuen<br />
sind, aber dass es scheint, als ob wir alle ein und dieselbe<br />
Seele hätten.“<br />
- Fortsetzung folgt -<br />
„Von da aus konntest du auch auf die Mädchen schauen<br />
und gewannst tiefe Einblicke.“ Wolf wurde rot, aber er<br />
fing sich wieder. „Seit gestern hat mich etwas gestört.<br />
Eure Scheinwerfer befanden sich auf Stativen und der<br />
Lichtschein war nach unten gerichtet, ihr konntet gar<br />
nichts sehen, ich meine weiter oben. Und das war es, was<br />
mich gestört hat: Im Konzertaal sah man keine Soundleute,<br />
die den Ton mischten. Die befanden sich nämlich<br />
auf der Empore!“, sagte Wolf triumphierend. „Aha“, sagte<br />
Steiner.<br />
NEU!<br />
www.schemske.de<br />
Wolf-Hammer-Krimi<br />
als audiobook<br />
FREIeBÜRGER 11 | <strong>2021</strong> 29
WIR WERDEN DIE NUSS SCHON KNACKEN!<br />
WORTSPIEL-RÄTSEL<br />
von Carina<br />
Fett-umrandete Kästchen stellen den jeweiligen Lösungsbuchstaben des endgültigen<br />
Lösungswortes dar und zwar von oben nach unten gelesen. Sind pro Einzel-Lösung mehrere<br />
Kästchen fett umrandet, sind diese Buchstaben identisch! Alles klar? Na dann viel Spaß!<br />
Zur Beachtung: Ä/Ö/Ü = AE/OE/UE und ß = SS<br />
Törööö, Ihr schlauen Ratefüchse!<br />
Jetzt beginnt die usselige Jahreszeit ‒ nass, kalt, neblig ‒ und der nahende Winter zeigt<br />
schon seine eiskalte Fratze. Da verkriecht man sich doch am liebsten Zuhause im warmen<br />
Nest. Viele Lebewesen haben es da nicht so leicht, denn nicht nur die Wärme, sondern auch<br />
das Futter macht sich rar. Einige Insekten verfallen in Winterstarre, viele Säugetiere halten<br />
Winterruhe oder machen sogar einen monatelangen Winterschlaf, was so mancher von uns<br />
auch gerne tun würde. Insofern geht's hier diesmal rund um das Thema Tiere!<br />
1. Tiermund-Kreatur<br />
2. Wassersäugetier mit Krummrücken<br />
3. Gelege-Ort<br />
4. Raubfisch mit Werkzeug<br />
5. Unangezogenes Weichtier<br />
6. Raubtier mit Sehhilfe<br />
7. Wasservogel mit Stecken<br />
8. Ungeziefer mit Hinweistafel<br />
9. Untätiges Lebewesen<br />
10. Webtier mit christlichem Symbol<br />
Lösungswort:<br />
Zu gewinnen für das korrekte Lösungswort:<br />
1.- 3. Preis je ein Gutschein unserer Wahl<br />
UND:<br />
Im Dezember <strong>2021</strong> wird von ALLEN korrekten<br />
Einsendungen ein zusätzlicher Gewinner gezogen,<br />
der eine besondere Überraschung erhält!<br />
Einsendeschluss<br />
ist der 27. <strong>November</strong> <strong>2021</strong><br />
(es gilt das Datum des Poststempels bzw. der E-Mail)<br />
E-Mails NUR mit Adressen-Angabe. Unsere Postanschrift findet Ihr<br />
im Impressum auf Seite 31. Teilnahmeberechtigt sind alle, außer die<br />
Mitglieder des Redaktionsteams. Wenn es mehr richtige Einsendungen als<br />
Gewinne gibt, entscheidet das Los. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.<br />
Lösungswort der letzten Ausgabe: KLIMAKRISE<br />
bestehend aus den folgenden Einzellösungen:<br />
1. MACHTKAMPF 2. WAHLLOKAL 3. LINKSRUCK<br />
4. MITTELSTAND 5. ALTERNATIVLOS 6.KINDERARMUT<br />
7. URNENGANG 8. FRAUENBILD<br />
9. LUEGENPRESSE 10.STEUERLAST<br />
Gewonnen haben (aus 65 korrekten Einsendungen):<br />
M. Hellgardt, Freiburg<br />
M. Warnholz, Freiburg<br />
D. Weber, Freiburg<br />
HERZLICHEN GLÜCKWUNSCH !<br />
Die Gewinner werden schriftlich benachrichtigt.<br />
30<br />
FREIeBÜRGER 11 | <strong>2021</strong>
ÜBER UNS<br />
Seit Jahren geht in unserer Gesellschaft die Schere zwischen<br />
Arm und Reich weiter auseinander. Besonders durch die<br />
Agenda 2010 und die damit verbundenen Hartz IV-Gesetze<br />
wurden Sozialleistungen abgesenkt. Die Lebenshaltungskosten<br />
steigen jedoch von Jahr zu Jahr. Viele Menschen kommen<br />
mit den Sozialleistungen nicht mehr aus oder fallen schon<br />
längst durch das ziemlich löchrig gewordene soziale Netz.<br />
Und heute kann jeder von Arbeitslosigkeit bedroht sein.<br />
Vereine und private Initiativen versuchen die Not, in welche<br />
immer mehr Menschen kommen, zu lindern und die Lücken<br />
im System zu schließen. Es gibt unterschiedliche nichtstaatliche<br />
Einrichtungen wie z. B. die Tafeln, welche sich um diese<br />
ständig wachsende Bevölkerungsgruppe kümmern. Oder<br />
eben die Straßenzeitungen wie der FREIeBÜRGER.<br />
In unserer Straßenzeitung möchten wir Themen aufgreifen,<br />
welche in den meisten Presseerzeugnissen oft zu kurz oder<br />
gar nicht auftauchen. Wir wollen mit dem Finger auf Missstände<br />
zeigen, interessante Initiativen vorstellen und kritisch<br />
die Entwicklung unserer Stadt begleiten. Wir schauen aus<br />
einer Perspektive von unten auf Sachverhalte und Probleme<br />
und kommen so zu ungewöhnlichen Einblicken und<br />
Ansichten. Damit tragen wir auch zur Vielfalt in der lokalen<br />
Presselandschaft bei.<br />
Gegründet wurde der Verein im Jahr 1998 von ehemaligen<br />
Wohnungslosen und deren Umfeld, deshalb kennen die<br />
MitarbeiterInnen die Probleme und Schwierigkeiten der<br />
VerkäuferInnen aus erster Hand. Ziel des Vereins ist es, dass<br />
Menschen durch den Verkauf der Straßenzeitung sich etwas<br />
hinzuverdienen können, sie durch den Verkauf ihren Tag<br />
strukturieren und beim Verkaufen neue Kontakte finden<br />
können. Wir sind eine klassische Straßenzeitung und geben<br />
unseren VerkäuferInnen die Möglichkeit, ihre knappen finanziellen<br />
Mittel durch den Verkauf unserer Straßenzeitung<br />
aufzubessern. 1 Euro (Verkaufspreis 2,10 Euro) pro Ausgabe<br />
und das Trinkgeld dürfen unsere VerkäuferInnen behalten.<br />
Es freut uns zum Beispiel sehr, dass sich einige wohnungslose<br />
Menschen über den Verkauf der Straßenzeitung eine neue<br />
Existenz aufbauen konnten. Heute haben diese Menschen<br />
einen sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplatz und eine<br />
Wohnung. Der FREIeBÜRGER unterstützt also Menschen<br />
in sozialen Notlagen. Zu unseren VerkäuferInnen gehören<br />
(ehemalige) Obdachlose, Arbeitslose, GeringverdienerInnen,<br />
RentnerInnen mit kleiner Rente, Menschen mit gesundheitlichen<br />
Problemen, BürgerInnen mit Handicap u. a. Unser Team<br />
besteht derzeit aus fünf MitarbeiterInnen. Die Entlohnung<br />
unserer MitarbeiterInnen ist äußerst knapp bemessen und<br />
unterscheidet sich aufgrund der geleisteten Arbeitszeit und<br />
Tätigkeit. Dazu kommt die Unterstützung durch ehrenamtliche<br />
HelferInnen. Leider können wir durch unsere Einnahmen<br />
die Kosten für unseren Verein, die Straßenzeitung und Löhne<br />
unserer MitarbeiterInnen nicht stemmen. Daher sind wir<br />
auch in Zukunft auf Unterstützung angewiesen.<br />
SIE KÖNNEN UNS UNTERSTÜTZEN:<br />
• durch den Kauf einer Straßenzeitung oder<br />
die Schaltung einer Werbeanzeige<br />
• durch eine Spende oder eine Fördermitgliedschaft<br />
• durch (langfristige) Förderung eines Arbeitsplatzes<br />
• durch Schreiben eines Artikels<br />
• indem Sie die Werbetrommel für unser<br />
Sozialprojekt rühren<br />
Helfen Sie mit, unser Sozialprojekt zu erhalten und weiter<br />
auszubauen. Helfen Sie uns, damit wir auch in Zukunft<br />
anderen Menschen helfen können.<br />
Impressum<br />
Herausgeber: DER FREIeBÜRGER e. V.<br />
V.i.S.d.P: Oliver Matthes<br />
Chefredakteur: Uli Herrmann († 08.03.2013)<br />
Titelbild: Ekkehard Peters<br />
Layout: Ekkehard Peters<br />
An dieser Ausgabe haben mitgearbeitet:<br />
Carsten, Carina, Conny, Ekki, Felix, Harry, H. M.<br />
Schemske, Karsten, Oliver, Recht auf Stadt, Rose<br />
Blue, Suzi, utasch und Gastschreiber<br />
Druck: Freiburger Druck GmbH & Co. KG<br />
Auflage: 5.000 | Erscheinung: monatlich<br />
Vereinsregister: Amtsgericht Freiburg | VR 3146<br />
Kontakt:<br />
DER FREIeBÜRGER e. V.<br />
Engelbergerstraße 3<br />
79106 Freiburg<br />
Tel.: 0761 / 319 65 25<br />
E-Mail: info@frei-e-buerger.de<br />
Website: www.frei-e-buerger.de<br />
Öffnungszeiten: Mo - Fr: 12 - 16 Uhr<br />
Mitglied im Internationalen Netzwerk<br />
der Straßenzeitungen<br />
Der Nachdruck von Text und Bild (auch nur in Auszügen) sowie<br />
die Veröffentlichung im Internet sind nur nach Rücksprache<br />
und mit der Genehmigung der Redaktion erlaubt. Namentlich<br />
gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung<br />
der Redaktion wieder.<br />
Die nächste Ausgabe des FREIeBÜRGER erscheint am:<br />
1. Dezember <strong>2021</strong><br />
Aus gegebenem Anlass finden zurzeit keine<br />
öffentlichen Redaktionssitzungen statt!<br />
FREIeBÜRGER 11 | <strong>2021</strong> 31
Gericht stellt Persönlichkeitsrecht von „Ausländer raus“ schreiendem<br />
Polizisten über die Pressefreiheit<br />
Ein migrantischer Antifaschist wurde am 12.<br />
Juni ca. eine halbe Stunde lang durch den<br />
Stühlinger gehetzt, angegriffen und mit dem<br />
Tod bedroht. In der Gruppe befanden sich<br />
mindestens zwei Freiburger Polizeihauptkommissare.<br />
Radio Dreyeckland stellte anschließend<br />
verschiedene Anfragen an die Polizei.<br />
Wir wollten z. B. etwas über den<br />
genauen Aufgabenbereich des Hauptkommissars<br />
erfahren, der mutmaßlicher Hauptakteur<br />
der Hetzjagd war und nachweislich<br />
"Ausländer raus" geschrien hatte. Viel mehr<br />
als dass er im administrativen Bereich tätig<br />
war, gab die Polizei nicht bekannt. Das<br />
reichte uns nicht. Für uns stell(t)en sich die<br />
Fragen: Wie kann es sein, dass eine offenbar<br />
vorhandene rassistische Einstellung bei einem<br />
hohen Polizeibeamten offenbar über<br />
Jahre niemandem aufgefallen ist? Welche<br />
Aufgaben hatte er innerhalb der Polizei?<br />
Hat sich seine Einstellung auf die Polizeiarbeit<br />
ausgewirkt? Um Anworten zu kriegen,<br />
haben wir auch den juristischen Weg gewählt.<br />
Leider verkannten aber das Freiburger<br />
Verwaltungsgericht und auch der<br />
baden-württembergische Verwaltungsgerichtshof<br />
die Bedeutung der Pressefreiheit im Vergleich<br />
zum Persönlichkeitsrecht des mutmaßlich<br />
rassistischen Polizisten. Ihr haarsträubendes<br />
Verständnis von Pressefreiheit<br />
zeigte die Polizei, indem sie erklärte, die<br />
Wertung des Geschehens als rassistische<br />
Hetzjagd durch uns sei ein Beleg dafür, dass<br />
die bisherige "zurückhaltende Auskunftsstrategie"<br />
gerechtfertigt gewesen sei. Wir<br />
werden uns weiter um die Aufklärung von<br />
möglichen rassistischen Strukturen in der<br />
Polizei bemühen und die Pressefreiheit<br />
offensiv verteidigen! rdl.de/vgh-gegen-rdl<br />
Interessieren sich Stadtverwaltung und Gemeinderat für den<br />
BürgerInnenwillen in Weingarten?<br />
Die ganz große Mehrheit in Freiburg Weingarten<br />
ist gegen die geplante Privatisierung der Stadtbauhäuser<br />
in der Sulzburger Str. 15-19. Nun hat<br />
sich auch der Sanierungsbeirat mit neun zu vier<br />
Stimmen (Grüne, CDU, ein Eigentümer und<br />
"Sozialbürgermeister Kirchbach) gegen die Vernichtung<br />
von 120 bezahlbaren Mietwohnungen ausgesprochen.<br />
Im <strong>November</strong> entscheiden Aufsichtsrat<br />
und Gemeinderat. Wir berichten, ob das<br />
Verdrängungsprojekt noch gestoppt werden kann.<br />
rdl.de/tag/weingarten<br />
Jeden 1. Mittwoch des Monats:<br />
12-13 Uhr<br />
FREIeBÜRGER im<br />
Mittagsmagazin 'Punkt 12'<br />
Hört, Macht, Unterstützt Radio Dreyeckland: 102,3 Mhz - Stream: rdl.de/live