POPSCENE Dezember 12/21
Das total umsonste Popkulturmagazin
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GENUSS<br />
KLEINE TONHALLE<br />
DAS GUT GEHÜTETE GEHEIMNIS DER<br />
LEGENDÄREN BOLOGNESE-SOSSE<br />
Wenn man in Saarbrücken von Kult-Kneipen<br />
spricht, dann steht sie ganz oben auf der<br />
Liste: die Kleine Tonhalle in der Alt-Saarbrücker<br />
Wilhelm-Heinrich-Straße unweit der Ludwigskirche.<br />
Betrieben wird sie von Billy und<br />
Georgi. Man kann auch sagen, dass die beiden<br />
Bulgaren die Kleine Tonhalle gerettet haben.<br />
Als die Brüder die legendäre Spaghetti-Kneipe<br />
im Februar 2008 neu eröffneten, hatten<br />
viele schon mit dieser Location abgeschlossen.<br />
Ingo Zickler, der Mann, der die Kneipe 1979<br />
als Ingos Kleine Tonhalle eröffnet hatte, war<br />
da bereits seit drei Jahren tot. Ein Versuch,<br />
seine Kleine Tonhalle weiterzuführen war da<br />
bereits gescheitert. Ein Grund dafür war, dass<br />
es dem Wirt, der Ingos Kneipe nach dessen Tod<br />
übernommen hatte, nicht gelungen war, die<br />
Spaghetti so zuzubereiten, wie sie die Stammgäste<br />
liebten.<br />
Das Rezept für seine Bolognese-Soße mit Pilzen<br />
hatte Ingo mit ins Grab genommen. Klar<br />
war immer nur: Lorbeerblätter sind auch drin.<br />
Georgi, der damals schon in der Gastronomie<br />
gearbeitet hat, war Stammgast in der Kleinen<br />
Tonhalle. Das lag auch daran, dass bei Ingo<br />
Bulgarinnen und Bulgaren arbeiteten. Das<br />
wiederum hatte damit zu tun, dass Bulgarien<br />
und die Menschen dort Ingo faszinierten. Aus<br />
dieser Zeit kannte Georgi zwei Studentinnen,<br />
die bei Ingo in der Küche gearbeitet haben. Mit<br />
ihnen haben er und sein Bruder Billy, der selbst<br />
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Koch ist, das Soßenrezept rekonstruiert – und<br />
es originalgetreu hinbekommen.<br />
Nach drei Jahren Unterbrechung wurden also<br />
wieder Ingo-Spaghetti mit viel Käse in drei Größen<br />
serviert: Anfänger, Normal und Kämpfer.<br />
Die Kneipe selbst haben die neuen Inhaber<br />
behutsam renoviert. Das alte schwarze Telefon<br />
hängt noch neben dem Tresen und funktioniert<br />
noch. Die Speisekarte hat Billy allerdings<br />
verändert und deutlich ausgeweitet. Da hat<br />
er als kreativer Koch auch seine eigene Handschrift<br />
hinterlassen. So hat er zum Beispiel<br />
auch Nudeln mit eigener Soße („à la Billy“) auf<br />
der Karte, aber auch Schnecken und Schweinemedaillons<br />
mit Pilzrahmsoße und Pommes.<br />
Seit einiger Zeit gibt es mittags auch ein<br />
Stammessen. Wobei die legendären Spaghetti<br />
auch dann das meist bestellte Gericht ist.<br />
Vor drei Jahren haben die beiden Brüder, die<br />
zwischenzeitlich auch das Balkan-Restaurant-<br />
Dubrovnik in der Kupfergasse auf der anderen<br />
Saarseite übernommen haben, den Mietvertrag<br />
um 20 Jahre verlängert. Bis 2038 ist die<br />
Versorgung mit Tonhallen-Spaghetti also gesichert.<br />
Sicher sei auch, sagte Georgi: „Die geheimen<br />
Zutaten von Ingos Rezept werden wir<br />
nicht verraten.“<br />
Text: Katharina Rolshausen | Bild: Kleine Tonhalle<br />
KLEINETONHALLE.DE<br />
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