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literatur KULTUR JOKER 21
Zwischen real und surreal
Das 35. Freiburger Literaturgespräch findet vom 11. bis 14. November statt
Sprachlosigkeit, insbesondere
familiäre, kann eine ganz schöne
Zumutung sein. Oder eine Steilvorlage,
ihr Erinnerungen und
Geschichten entgegenzusetzen.
Auf ganz unterschiedliche Weise
stand sie am Anfang von Jo Lendles
Roman „Eine Art Familie“
und Monika Helfers „Vati“. Die
Tagebücher seines Großonkels
sind die Grundlage für Lendles
neuen Roman und dies obgleich
dieser sie ungelesen dem Feuer
überantworten wollte, Helfer
hingegen würdigt nach „Bagage“
2020 nun den Vater, der nach
dem Krieg weitgehend über das
Erlebte schweigt und sich lieber
den Büchern zuwendet.
Relativ sprachlos war auch das
Freiburger Literaturgespräch
2020, das Lutz Seiler hätte eröffnen
sollen. Doch Autorinnen und
Autoren sind ja nicht sprachlos.
Wenn Seiler nun am 11. November
das 35. Freiburger Literaturgespräch
eröffnet, wird es
zusammen mit Anja Kampmann
geschehen, die wie Seiler auch
sowohl Prosa als auch Lyrik
schreibt. In der pandemischen
Zwischenzeit haben beide Gedichtbände
veröffentlicht. Der
Titel des diesjährigen Literaturgesprächs
„Schrift für blinde
Riesen“ ist auch der von Seilers
jüngster Publikation. Traditionell
findet diese Eröffnungslesung
im Neuen Rathaus statt, die
Veranstaltungen von Freitag bis
Sonntag werden im Literaturhaus
abgehalten. Dadurch können Lesungen,
sollten sie ausverkauft
sein, gestreamt werden.
Am Freitag geht das Familienprogramm
mit Paul Maar,
Wolfgang Stute und Konrad
Haas in das reguläre Programm
über, denn der Sams-Autor Maar
wird im Anschluss aus dem Roman
seiner Kindheit „Wie alles
kam“ lesen. Überhaupt gibt es
viel Biografisches. So teilt Sasha
Marianna Salzmann mit den Protagonistinnen
ihres Romans „Im
Menschen muss alles herrlich
sein“ die Erfahrung eines Lebensbruches.
Stammen sie doch
aus der Ukraine, beziehungsweise
Russland; der Titel, er ist
ein Zitat aus Tschechows „Onkel
Wanja“ spielt auf diese kulturelle
Herkunft an. Nicht minder vielsagend
ist der Titel von Yevgeniy
Breygers Gedichtband „gestohlene
Luft“. Er wurde vom Lyriker
Ossip Mandelstam für Untergrundliteratur
während der
stalinistischen Terrors geprägt,
die trotz aller Repressalien unter
Gleichgesinnten kursierte.
Während László Krasznahorkais
Protagonist aus „Herrscht 07769“
aus einem thüringischen Dorf in
das Bundeskanzleramt schreibt.
Der Roman besteht aus einem
Bandwurmsatz. Das könnte surreal
werden, so wie es auch Angelika
Klüssendorf in „Vierunddreißigster
September“ gelingt,
realistische Szenarien surreal
werden zu lassen.
Am Sonntag lädt das Literaturhaus
zu einer Matinee mit Felicitas
Hoppe ein, die ihre spielerisch-heitere
Reflexion über
die Nibelungen mitbringt, bevor
dann am Abend die 35. Freiburger
Literaturgespräche mit einem
Konzert des Schweizer Autors
und Lyrikers Michael Fehr und
Rico Baumann endet. „Super
light oder genauer „super liecht“
darf es dann schon werden.
Alle Termine unter www.literaturhaus-freiburg.de
Annette Hoffmann
Anja Kampmann
© Juliane Henrich
Lyrik Ecke
In aller Kürze
Lügen haben kurze Beine
lang sind sie
rechts von der Mitte
Jürgen Riedel
Ich lebe
flirrende Sommerluft
geatmet im Frühherbst
Janina Niemann-Rich
Viele Politiker
Man kann sein Gesicht
nicht verlieren
wenn man keins hat
Janina Niemann-Rich
Evolution zurück
Wiege der Menschheit:
Schwarzafrika
Totenbett der Menschlichkeit
Wo weiße Rassisten hausen
Jürgen Riedel
Kampf gegen
Hirnseuche
Herdenimmunität:
Fortschritt
Keine Immunität bei
Herdentrieb nach rechts
außen getarnt oder offen:
Rückschritt
Jürgen Riedel
Sasha M. Salzmann
©Heike Steinweg
Monika Helfer
© Salvatore Vinci
Maar Paul
© Jörg Schwalfenberg
Weltgewandt literarisch
Die BuchBasel sucht auch 2021 zeitgemäße Begegnungsräume
für Literatur
Flexibel aufgestellt wappnet
sich auch die BuchBasel gegenüber
einem unvorhersehbaren
Pandemieverlauf. Das Medium
Buch wird auf analogen,
digitalen und hybriden Veranstaltungen
auf sein grenzüberschreitendes
Potential geprüft.
Drei Tage lang, vom 4.–7.
November bringt das Festival
Menschen und Geschichten aus
aller Welt zusammen. Oder wie
das Motto Judith Schalanskys
besagt: „Auf der endlosen, kugelförmigen
Erde kann jeder
Punkt zum Zentrum werden.“
Judith Schalansky wird das
Festival am 4. November, 18
Uhr auch eröffnen und das
Thema „Nature Writing“ als
wichtigen Gegenstand des Festivals
etablieren. „Über Natur
schreiben“ ist angesichts der
globalen Veränderungen im
Anthropozän zum Paradigma
vieler Autor*innen geworden.
Neben Schalansky äußern sich
etwa Helen Macdonald, Esther
Kinsky oder Ludwig Fischer
zu diesem Erfordernis wie
Bedürfnis der gegenwärtigen
Literatur. Die Frage nach diesem
Verhältnis führt weit über
Deutschland hinaus und zur
internationalen Literatur.
Aber auch abseits davon passiert
vieles, was die BuchBasel
auch überregional zur wichtigen
Anlaufstelle macht. Etwa
wird der renommierte Schweizer
Buchpreis verliehen. Hier
versteht sich die BuchBasel
als Bühne, um relevante Literatur
wieder in den Fokus zu
rücken. Die Jury des Schweizer
Buchpreises präsentiert am
Festivalsonntag (7. November)
diejenigen Bücher, die sie für
herausragend hält. Darunter
sind die Autor*innen Martina
Clavadetscher, Thomas
Duarte, Michael Hugentobler,
Christian Kracht und Veronika
Sutter.
Neben den ganz Großen ist
aber auch für die Kleinen einiges
dabei. Im Kinderprogramm
sorgen Autor*innen
wie Petra Rappo, Johanna
Schaible oder Raphaël Kolly
für große Augen. Zwillinge,
Kaninchen oder ein Ausflug
mit Opa geben ein besonderes
Sammelsurium von Abenteuern,
die uns so nur die Literatur
schenken kann.
Weitere Infos und Termine:
www.buchbasel.ch
Lutz Seiler
© Heike Steinweg
VERANSTALTUNGEN
NOVEMBER 2021
MI | 17. NOV | 19:30 UHR
Tischgespräche
DAVID HÖNER
„KÖCHE, HÖRT DIE SIGNALE!“
EIN KULINARISCHES MANIFEST
SO | 21. NOV | 11 UHR
„SCHNEE“
EINE ERZÄHLUNG VON
DANIEL KEHLMANN
DORIS WOLTER – TEXT
LAMBERT BUMILLER - KLAVIER
FR | 26. NOV | 19:30 UHR
MARC HOFMANN
„ HORVATH UND
DIE VERSCHWUNDEN SCHÜLER“
LESUNG UND LIVEMUSIK
UNSERE ÖFFNUNGSZEITEN:
DI-SA 9:30-18:30 UHR | SO 11:30-18:30
IN DER RAINHOF SCHEUNE
79199 KIRCHZARTEN-BURG | HÖLLENTALSTRASSE 96
TEL. 07661-9880921 | WWW.BUCHLADEN-RAINHOF.DE