Vorlage Querfeldein 2021
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QUERFELDEIN 3<br />
Inhaltsverzeichnis<br />
VOM ZAUBER DES RICHTIGEN AUGENBLICKS 4<br />
Tierfotografie: Wenn Axel Grundler in den Ansitz geht, kann es schon mal Stunden dauern,<br />
bis ihm das passende Motiv vor die Linse läuft oder fliegt. Das Warten lohnt sich, die Bilder sprechen für sich.<br />
ICH SEH’ DEN STERNENHIMMEL 10<br />
Freizeit: Milchstraße,Venus,Andromedanebel: Am Nachthimmel gibt es viel zu entdecken.<br />
Der „Sternenpark Schwäbische Alb“ bietet seit zehn Jahren Führungen an und setzt sich für die Dunkelheit ein<br />
FREUDE AM ZERLEGEN 14<br />
Porträt: Olubayo Adebo hat einen Magister in Politikwissenschaft und Psychologie.Doch beruflich<br />
hat sich der gebürtige Nigerianer eine ganz andere Herausforderung gesucht: Er betreibt einen Schrottplatz.<br />
SCHARF, STYLISCH, ALLTAGSTAUGLICH 18<br />
Handwerk: Unter dem Markennamen Albmesser stellen Janosch und Karolj Vecernjes<br />
handgeschmiedete Messer her.Etwa200 Unikate durchlaufen jedes Jahr die kleine Manufaktur in Hohenstein.<br />
SPASS AM TANZEN 22<br />
Tanzsport: Das Reutlinger Turnierpaar Marina und Alexander Engel erlebt <strong>2021</strong> sein bisher erfolgreichstes<br />
Jahr mit Platz drei bei der WM über zehn Tänze in Vagos kurz nach Latein-WM-Rang elf in Rotterdam.<br />
BAUM WEG,GARTENMÖBEL ZURÜCK 26<br />
Vorruheständler: Stationäre Sägen gibt es in der Region um Burladingen nicht mehr viele.Der Hausener<br />
Klaus Flad hat sich eine gekauft. Und ist zum leidenschaftlichen, aber auch gefragten Säger geworden.<br />
Impressum<br />
Herausgeber: SÜDWEST PRESSENeckar-AlbGmbH &Co. KG,Römerstraße 19,72555 Metzingen, Telefon07123 3688-120; Anzeigen und Objektleitung: Timo Möck (verantwortlich),<br />
Anschrift wie Herausgeber; Redaktion: Michael Koch (verantwortlich), Anschrift wie Herausgeber; Titelfoto: Axel Grundler; Druck: Druckzentrum Neckar-Alb<br />
GmbH &Co. KG,Ferdinand-Lassalle-Straße 51, 72770Reutlingen. November <strong>2021</strong>
4<br />
QUERFELDEIN
QUERFELDEIN 5<br />
Tierfotografie Wenn Axel Grundler in den Ansitz geht,kannesschon malStunden dauern, bis ihm das passende<br />
Motiv vordie Linseläuftoder fliegt.Das Warten lohnt sich, die Bilder sprechenfür sich. VonPeter Kiedaisch<br />
Irgendwo im Naturpark<br />
Schönbuch blieb ein prächtiger<br />
Rothirsch auf einer<br />
Lichtungstehen. Ihm war, als<br />
wittere er etwas. Vorsichtig und<br />
bedächtig drehteerden Kopf in<br />
Richtungdes Fotografen,der unbemerkt<br />
vondem Tier 50 Meter<br />
weiter unter einem Tarnüberwurf<br />
im Ansitz saß. Das stattliche<br />
Geweih des Hirsches beschriebeinen<br />
nach oben hin geöffneten<br />
Kreis, wie ihn Balletttänzerinnen<br />
mit ihren Armen<br />
formen, da drückteAxelGrundler<br />
auf den Auslöser seiner Kamera.<br />
Solche Treffer feiern Fotografenmit<br />
innerer Genugtuung, mit<br />
dem erlösenden Gefühl, das sie<br />
überkommt, wenn sie dem<br />
Schicksal haben ein Schnippchen<br />
schlagen können. Denn einen<br />
Hirsch fotografiert man<br />
nicht alle Tage.Ihn nicht,den Bibernicht,<br />
nichtden Eisvogelund<br />
schon garnicht das Waldohreulenpaar.<br />
Sie alle haben, meist<br />
ohne es zu bemerken, ebenfalls<br />
schon in Grundlers Kameralinse<br />
geblickt.<br />
Rauszugehen, in den Ansitz,<br />
wie der 53-Jährigefast schon im<br />
Jargon der Jägerei sagt, hat für<br />
ihn etwasMeditatives. „Da kann<br />
ichrunterkommen“, sagt er,„ich<br />
habe ja keinen Druck.“ Natur<br />
Expertenwie Axel Grundler wissen, wo man einen Eisvogelantreffen kann.<br />
und Tierefotografiert er nur für<br />
sich. Vielleicht um der Kunst<br />
wegen. Ganz bestimmt geht es<br />
ihm aber um die Vollendung eines<br />
Plans.<br />
Rechercheals Voraussetzung<br />
Ehe ermit seiner Ausrüstung<br />
loszieht, ehe er also um vier aufsteht,studiert<br />
er die Gewohnheiten<br />
der Tiere, auf die er an diesem<br />
Tagwartet. Das Internet<br />
und dessen Suchmaschinen helfenihm<br />
dabei. Da steht zwar selten<br />
zulesen, wo exakt sich ein<br />
Eisvogelpaar aufhält. Aberwoes<br />
sich aufhalten kann. „Wo fließendes<br />
Gewässer auf stehendes<br />
trifft“, doziert Grundler, der<br />
hauptberuflich Großhandels-<br />
Fotos: Axel Grundler<br />
kaufmann ist. Eisvögel, sagt er,<br />
sind gar nicht so selten. Wenn<br />
man in ihre Nähe kommt, hört<br />
man ihren „ganz grellen Ruf“.<br />
Dann muss man nur noch den<br />
Klappstuhlaufstellen, dieKamera<br />
mit dem schweren400er Tele<br />
auf ein Stativ schrauben, den<br />
Tarnüberwurfüber sich und das<br />
Equipment breiten und abwarten.<br />
„Drei, vier Stunden kann das<br />
schon dauern.“ Da ist es gut, die<br />
passende Kleidung zu tragen.<br />
Fast reglos auf einem Stuhl zu<br />
sitzen, ist im Herbst nichtimmer<br />
lustig, imWinter kann es vor<br />
Kälte eine Qual sein.<br />
Eigentlich kommt der Hobbyfotograf<br />
aus einer ganz anderen<br />
Richtung. An den Wochenenden<br />
steht er an den Spielfeldrändern<br />
der Region. InsbesondereHandball,<br />
aber auch Fußball und<br />
Leichtathletik fotografiert er<br />
gerne, auch für die Zeitungen<br />
der SÜDWEST PRESSE Neckar<br />
Alb, also Metzinger-Uracher<br />
Volksblatt/Der Ermstalbote,<br />
Reutlinger NachrichtenoderAlb<br />
Bote.<br />
Handball ist schwierig, weil<br />
die Lichtverhältnisse in den<br />
Sporthallen nicht immer ideal<br />
sind.Damit etwa schnelle Bewegungen<br />
nicht im Bildverwackelt<br />
oder verwischt dargestellt werden,<br />
benötigtGrundler eine kurze<br />
Verschlusszeit, die aber lässt<br />
nur wenig Lichtins Gehäuse,sodassdie<br />
Bilder deutlich unterbelichtet<br />
wären, hätte sein Teleobjektiv<br />
nicht die unter Fotografen<br />
geschätzte Lichtstärke von 2,8.<br />
Um so viel Fachtheorie etwas<br />
Praxis entgegenzusetzen, damit<br />
auchLaieneinigermaßen verstehen,<br />
wasdas Besondere an so ei-<br />
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6<br />
QUERFELDEIN<br />
nem Objektivist: Es kostet etwas<br />
mehr als 12 000 Euro.<br />
Nun lassen sich Fotografen<br />
ungern auf die Leistungsdaten<br />
ihrer Ausrüstung reduzieren.<br />
„Ich kann mir den weltbesten“,<br />
und da hat ervermutlich Recht,<br />
„Tennisschläger kaufen, trotzdem<br />
gewinne ich Wimbledon<br />
nie.“ Er braucht das Gespür für<br />
den richtigen Moment. Wenn<br />
der Eisvogel ins Wasser taucht<br />
und mit einem im Schnabel eingeklemmten<br />
zappelnden Fisch<br />
wieder durchstartet, kommt es<br />
auf Präzision an.<br />
Selten wartet das Eichhörnchen auf den Fotografen.<br />
Ein Foto kann den Tagretten<br />
Schafft eine gute Kamera etwa<br />
20 Bilder proSekunde, dannsind<br />
bestimmt viele davon scharf.<br />
Abertechnisch in Ordnungheißt<br />
noch lange nicht gut. Ein einzigesFotounter<br />
hunderten, die an<br />
einem Tag entstehen, genügt<br />
aber, umden Tagzuretten. Eines,<br />
das den Moment festhält,<br />
der den Unterschied ausmacht.<br />
Ein Eichelhäher in vollem Flug,<br />
im Schnabel trägt er einen dürren,<br />
mehrmals verzweigten Ast,<br />
weil er sich dem Nestbau widmet.<br />
Oder die Wasseramsel, die<br />
mit ihrer Beute gerade dabei ist,<br />
dieSturzwand eines Wasserfalls<br />
zu durchfliegen, weil dahinter<br />
ihr Nest ist. Eine Stockente mit<br />
gelbem Schnabel und grünem<br />
Kopf, sogestochen scharf, weil<br />
der Hintergrund, bedingt durch<br />
die kleine Blende, verschwommen<br />
istwie einAquarell in dunklenTönen,<br />
über das sich ein Glas<br />
Wasser entleert hat.<br />
Er geht kurz vor Sonnenaufgang<br />
los. Das hat bedingt auch<br />
mit den Gewohnheiten der Tiere<br />
zu tun, vorallem aber mögen<br />
Fotografen das Licht am Morgen<br />
genauso wie am Abend. Es ist<br />
weich, keine harten Schatten<br />
spreizen Hell- und Dunkeltöne<br />
ins fürs menschliche Auge unangenehme<br />
Extreme, oder um es<br />
mit Karl Lagerfeld, freilich leicht<br />
Eine Stockenteinvollem Flug über den Neckar.<br />
abgewandelt, zu sagen: Werzur<br />
Mittagszeit im Freien fotografiert,<br />
hat sein Leben nicht mehr<br />
unter Kontrolle.<br />
ZumHobbyNatur- und Tierfotografie<br />
ist Axel Grundler<br />
durch die Corona-Lockdowns<br />
gekommen. Sport gabeskeinen,<br />
also hatte er weniger Aufträge<br />
und mehr Zeit. Zeit, um nicht<br />
nur wie zuvoreinfacheSchnappschüsse<br />
vonWildtieren zu schießen.<br />
„Ich fotografiere jetzt mit<br />
Nachdruck“, beschreibt es Axel<br />
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QUERFELDEIN 7<br />
DasWohl von<br />
Tieren und<br />
Pflanzen steht über<br />
dem Foto.<br />
DasGrundler-FotodiesesMümmelmanns wurde zum „Naturfoto desFrühlings“ gewählt.<br />
Grundler.Also mit Vorbereitung<br />
und vorallem dem Ansitz, möglichst<br />
bodennah, um den Tieren,<br />
auch den kleinen, auf Augenhöhe<br />
zu begegnen.<br />
Geld verdient er mit den Fotos<br />
nicht. Hin und wieder aber<br />
Anerkennung. Jedenfalls bekommt<br />
er sie. Aufder Plattform<br />
Instagramhat er für einen Feldhasen,<br />
der herzhaftindie kugelförmig<br />
angeordneten Samen des<br />
Löwenzahns beißt,die Auszeichnung<br />
für das besteNaturfoto des<br />
Frühlings erhalten. In einem<br />
weltweit ausgeschriebenen<br />
Wettbewerb eines Herstellers<br />
für Fotobücherschaffte er es unter<br />
die besten 1000. Erkönnte<br />
freilich seine Bilder an eine<br />
Stockbildagentur verkaufen, da<br />
bekäme er 15 Euro pro Stück:<br />
„Aber das sehe ich nicht ein“,<br />
klagt er, „ich warte nicht drei<br />
Stunden auf den Hirsch und<br />
gebe dann die Rechte am Bildfür<br />
fast nichts her.“<br />
Viel lieber druckt er seine<br />
Schätze aus, rahmt sie ein und<br />
hängt sie an die Wand: „Man<br />
druckt viel zu wenig aus“, kritisiert<br />
Grundler den Zeitgeist des<br />
Digitalen, der sich in der Selfie-Orgie<br />
dieser Gesellschaft manifestiertund<br />
in einer Unart gipfelt,<br />
die im Fachjargon Selfie-Hotspot<br />
heißt und Orte<br />
meint, die übersInternetbeworben<br />
und gerne als Hintergrund<br />
für diese Art der Selbstporträts<br />
verwendet werden. Mit der Folge,<br />
dass ehemals verschlafene<br />
Orte von Abertausenden aufgesucht,<br />
oder besser heimgesucht<br />
werden.<br />
Auch unter Fotografen gibt es<br />
solche,die Grenzen nicht akzeptieren.<br />
Sie versetzen Vogelnester,<br />
damit der Hintergrund stimmiger<br />
wird. Dass die Jungtiere<br />
so eineAktion unterUmständen<br />
nicht überleben, ist ihnen egal.<br />
„Das um jeden Preis gemachte<br />
Foto ist zuverachten“, in der<br />
Hinsicht folgt Grundler klaren<br />
Regeln, die beispielsweise die<br />
Gesellschaftfür Naturfotografie<br />
(GDT, weil früher Gesellschaft<br />
Fotografie: Jürgen Lippert Gestaltung: Jochen Gewecke<br />
WO WIRSIND, SPIELTDIE<br />
MUSIK<br />
FÜR ALLE SINNE:<br />
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KINDERKON-<br />
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KALEIDOSKOPE<br />
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8<br />
QUERFELDEIN<br />
„IrgendwoamNeckar“ istdieserBiber vordie Linsegeschwommen. GenauereOrtsangaben machen seriöseTierfotografen nicht.<br />
Deutscher Tierfotografen) vorgibt.<br />
Grundler ist Mitglied, das<br />
bringt ihm auch Vorteile. Weil<br />
Tierfotografen selten mit den<br />
Orten hausieren gehen, an denen<br />
sie einen Biber gesehen haben.<br />
Handelt es sich hingegen um<br />
Vereins-Mitglieder,gibt es schon<br />
mal dezenteHilfsleistungen und<br />
Tipps.<br />
Grundler arbeitet auch viel<br />
mit Biologen und Mitgliedern<br />
des Naturschutzbundes (Nabu)<br />
zusammen. Sie wissen, dass sie<br />
ihm vertrauenkönnen. Dementsprechend<br />
karg sind seine Ortsangaben<br />
auf Instagram. Dafürerfährt<br />
er, wie er eine Bartmeise<br />
am Federsee findet, oder wo<br />
Waldohreulen auf die Nacht<br />
warten. Wo es Dornhecken gibt,<br />
sind Neuntöter nicht weit, hater<br />
gelernt. Und dass erden Standort<br />
der Eulen nicht preisgibt, ist<br />
Ehrensache.<br />
Seinen Hirsch hat erimNaturpark<br />
Schönbuch erwischt,<br />
daraus macht er keinen Hehl.<br />
Das40Quadratkilometer große<br />
Freigehege bei Bebenhausen<br />
freilich ist weitläufig genug, um<br />
Hirschen genügend Unterschlupf<br />
zubieten. Er, Grundler,<br />
war zur Brunft acht Mal jeweils<br />
drei bis vier Stunden im Schönbuch,<br />
ehe er seinen Hirsch vor<br />
die Linse bekam. Die Bilder bearbeitet<br />
erhinterher, aber nur<br />
sanft. Bildmanipulationen sind<br />
nicht gestattet, auch das<br />
Rausstempeln von Inhalten ist<br />
nichterlaubt. Er kann den Weißabgleich<br />
korrigieren, also dem<br />
Bild mehr oder weniger Wärme<br />
verleihen, er darf auch Sensorfleckeoder<br />
Bildfehler,die durch<br />
Schmutz am Objektiv entstanden<br />
sind, wegretuschieren. Die<br />
Schärfe etwas nachziehen, dem<br />
Bild mehr Kontrast verleihen.<br />
Das war’s.<br />
Einen Preis von der GDT für<br />
eines seiner Fotos, „das wäre<br />
cool.“ Oder ein Bildbei National<br />
Geographic unterzubringen.<br />
DemMagazin haternoch nie einesangeboten:<br />
„Dafürbin ich zu<br />
bodenständig.“ Er hat andere<br />
Ziele: Weiterhin rausgehen in<br />
die Natur. Dort möchte ersich<br />
neue Plätzeerarbeiten und stets<br />
dem Motto treu bleiben: Das<br />
Wohl von Tieren und Pflanzen<br />
steht über dem Foto. Und wenn<br />
das stundenlange Warten auch<br />
mal vergebens ist, das ficht ihn<br />
nicht an. Da draußen fühlt er<br />
sich wohl. Sein Blutdruck passt<br />
sich der Ruhe an, und das Schöne<br />
auf der Schwäbischen Alb:<br />
Beieinem Rascheln im Gestrüpp<br />
muss er keine Tigerpython<br />
fürchten.Wenngleich dieBegegnung<br />
mit einer Wildsau sicher<br />
auch nicht in schallendem Gelächter<br />
endet, zumal diese Tiere<br />
durchaus ihre Interessen<br />
durchzusetzen imstande sind.<br />
Das aber gilt für alle Tiere. Der<br />
Wald ist ja kein Streichelzoo.<br />
Zwei Waldohreulen auf Reutlinger Gemarkung.<br />
DasNest dieserWasseramsel isthinter dem kleinen Wasserfall versteckt.<br />
DerAusflug an den Federseehat sich geholt,der Bartmeise wegen.
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10<br />
QUERFELDEIN
QUERFELDEIN 11<br />
Freizeit Milchstraße, Venus, Andromedanebel: Am Nachthimmel gibt es viel zu entdecken. Der„Sternenpark<br />
Schwäbische Alb“ bietetseit zehn Jahren Führungenanund setztsich für die Dunkelheit ein. VonAnja Weiß<br />
Sterne üben seit jeher<br />
einewahnsinnigeFaszination<br />
auf uns Menschen<br />
aus. Sie sind<br />
wichtige Begleiter, die immer<br />
über uns sind. Und sie waren<br />
stets Quelle für Mythen und Legenden.<br />
Aberauchfür Naturwissenschaft<br />
und Technik spielen<br />
sie einegewichtigeRolle.Sosind<br />
sie die Basis für die Erfindung<br />
des Kalenders, und sie dienen<br />
der Navigation. „Ohne die Sterne<br />
wären beispielsweise nie die<br />
großen Seereisen der Entdecker<br />
möglichgewesenwären“,erklärt<br />
Matthias Engel, einer der Initiatorendes<br />
Projekts „Sternenpark<br />
Schwäbische Alb“. Undeinesder<br />
ganz großen Themen der Wissenschaftist<br />
die Entstehung des<br />
Universums, und um dieses Geheimnis<br />
zu lüften, muss das<br />
Weltall erforscht werden. Die<br />
Astronomie gilt als älteste Naturwissenschaft,<br />
für die man zudem<br />
Kenntnisse in Mathematik<br />
und Technik benötigt.<br />
Ein Stück Unendlichkeit<br />
Doch auch abseits diesergelehrtenTheorie<br />
ist es für Menschen<br />
ein tolles Erlebnis,wenn sie sich<br />
mit den Gestirnen über sich beschäftigen<br />
können. Wenn die<br />
Nacht hereinbricht, der Himmel<br />
dunkler und die Sterne heller<br />
werden, wenn man Sternbilder<br />
Am Himmel über Gruorn wirdsogar die Milchstraße sichtbar.<br />
wie den „Großen Wagen“ entdecken<br />
kann oder sich die Milchstraße<br />
über einem erstreckt.<br />
Dann vermittelt es dem Beobachter<br />
gänzlich andere Dimensionen<br />
von Raum und Zeit, von<br />
Unendlichkeit und Größe.<br />
Allerdings leuchtet der Sternenhimmel<br />
bei weitem nicht<br />
mehr sohell, wie er das zu früheren<br />
Zeiten getan hat. „Lichtverschmutzung“<br />
wird dieses<br />
Phänomen genannt, das in bewohnten<br />
Gegenden zu beobachten<br />
ist. Denn überall gibt es<br />
künstliche Lichtquellen, Gebäude<br />
sind beleuchtet, Leuchtreklame<br />
blinkt und jede Straße wird<br />
die ganzeNacht über vonLaternen<br />
ausgeleuchtet.<br />
Foto:Karin Unzeitig<br />
Eine der Folgen: „Viele Bewohner<br />
von großen Städten haben<br />
noch niedie Milchstraße gesehen“,<br />
bedauert auch der Diplom-Physiker<br />
und Hobbyastronom<br />
Till Credner.<br />
Er ist ebenfalls Mitglied des<br />
Projekts Sternenpark, das vor<br />
zehn Jahren von begeisterten<br />
Sternenbeobachtern ins Leben<br />
gerufenwordenist. Die Ziele der<br />
Initiative sind dabei unter anderem<br />
der Erhalt des dunklen<br />
Nachthimmels auf der Alb und<br />
eine Forderung nach einer umweltgerechten<br />
Außenbeleuchtung.<br />
Dabei handelt es sich bei der<br />
„Lichtverschmutzung“ keinesfalls<br />
um ein überflüssiges Ökothema,<br />
das nur die Arbeit von<br />
Astronomen beeinflusst. Die<br />
künstliche Aufhellung des Himmels<br />
hat auch negative Folgen<br />
für die Tier- und Pflanzenwelt.<br />
„Zugvögel und Insekten<br />
nutzen die Sterne zur Orientierung,<br />
Pflanzen richten ihr<br />
Wachstum nach dem Hell-Dunkel-Wechsel<br />
aus“, betont Credner.Diesernatürliche<br />
Rhythmus<br />
wird gestört, wenn es dauernd<br />
hell ist. Auch auf dieGesundheit<br />
des Menschen hat die Lichtverschmutzung<br />
somit Einfluss.<br />
Aufder Schwäbischen Alb ist<br />
die Situation viel besser als in<br />
den größeren Städten. „Die Alb<br />
bietet noch einen relativ guten<br />
Sternenhimmel“, sagt Credner.<br />
Er selbst lebt seit vielen Jahren<br />
in Tübingen, wo nur vereinzelt<br />
Sterne zu entdecken sind. Darum<br />
ist er zur Sternebeobachtung<br />
regelmäßig auf die Alb gefahren<br />
und hat dabei Gleichgesinnte<br />
kennengelernt und sich<br />
mit ihnen zusammengetan.<br />
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QUERFELDEIN<br />
Es isttoll<br />
zu erleben,<br />
dass die Nacht<br />
keineswegs nur<br />
dunkel ist.<br />
TillCredner<br />
Sternenpark-Mitstreiter<br />
Till Credner, Matthias Engel<br />
und Carsten Przygoda machen<br />
den festen Kern der Initiative<br />
aus, außerdem gibt es weitere<br />
Interessenten, die immer mal<br />
wieder dazu stoßen. Als sie vor<br />
zehn Jahren gestartet sind, gehörten<br />
sie bundesweit zu den<br />
ersten,die dafür sorgenwollten,<br />
dass die künstliche Aufhellung<br />
nicht noch mehr zunimmt oder<br />
sogar zurückgeht. Heute gibt es<br />
vielesolcher Initiativen, und sogar<br />
anerkannte Sternenparks,<br />
etwa im Havelland oder in der<br />
Rhön, die extratouristische Angebotemit<br />
Sternbeobachtungen<br />
und Vorträgen rund um die Astronomie<br />
machen.<br />
Die Burgruine Hohenurach am Abend.<br />
Foto:TillCredner<br />
DerSternguckerplatz<br />
Auch im Römersteiner Teilort<br />
Zainingen wurdevon der Initiative<br />
ein Sternguckerplatz eingerichtet.<br />
Vonhier aus kann man<br />
auf den Truppenübungsplatz<br />
wandern, der sichbesondersgut<br />
für die Betrachtung des Nachthimmels<br />
eignet. „Wenn man hier<br />
unterwegsist, gibt es kein direktesKunstlicht“,<br />
sagt Credner. Jeden<br />
Monatstarten darumNachtwanderungen<br />
auf der Albhochfläche,bei<br />
denen dieTeilnehmer<br />
sogar ohne Lampe wandern können,<br />
weil die Sterne so hell<br />
leuchten, dassman dennoch den<br />
Wegfindet. Es sei immer wieder<br />
toll festzustellen, „dass die<br />
Nacht nicht nur dunkel ist“.<br />
Planetenund Polarstern<br />
Nach der Wanderung besteht<br />
dann die Möglichkeit, sich die<br />
einzelnenHimmelskörper durch<br />
ein Fernrohr oder Teleskop anzuschauen.<br />
Die Experten geben<br />
natürlich zusätzliche Erläuterungen.<br />
„Wir zeigen die markanten<br />
Sternbilder,den Polarstern oder<br />
auch einzelne Planeten wie Jupiter,<br />
Saturn oder Venus“.<br />
Credner selbst ist schon in<br />
jungen Jahren dem Hobby der<br />
Astronomie erlegen, hat dann<br />
später Physik studiert und arbeitet<br />
als Lehrer. Für ihn war es<br />
immer die wissenschaftliche<br />
Neugier, die ihn angetrieben hat,<br />
das zu erforschen, wasesaußerhalb<br />
unserer Erde sonst noch<br />
gibt. Damit die Aufhellung des<br />
Himmels nicht noch mehr zunimmt,<br />
sind Astronomen allerorten<br />
auf der Suche nach Mitstreitern.<br />
„Wir haben schon vor<br />
Jahren einenRatgeber veröffentlicht,<br />
den wir an viele Kommunen<br />
geschickt haben“, berichtet<br />
er.<br />
Bild ©Beate Armbruster<br />
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AUS HEIMISCHER SCHOLLE. Ernährung inder bestmöglichen<br />
Qualität verpflichtet mich nach ökologisch sinnvollen Gesichtspunkten<br />
unsere Kartoffeläcker zubewirtschaften.<br />
Die Lage inmitten der naturblassenen schwäbischen Alb bietet<br />
bestmögliche Voraussetzungen für den Anbau von Kartoffeln<br />
verschiedenster Sorten. Ein Genuß!<br />
Im Dezemberhaben wir<br />
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QUERFELDEIN 13<br />
Ein Blick in ferne Welten: die Andromeda-Galaxie.<br />
Damit wollen sie verhindern,<br />
dass die Lichtverschmutzung<br />
noch mehr zunimmt oder sie im<br />
besten Fall sogar weniger wird.<br />
ErsteErfolgekönnen sie bereits<br />
verbuchen, das Umweltministerium<br />
hatdas Naturschutzgesetz<br />
dahingehend geändert, dassdas<br />
Kunstlichtinsektenfreundlicher<br />
ist. Zudem sollte esnicht grell,<br />
sondern eher warmweiß und<br />
nachobenvoll abgeschirmt sein.<br />
„Das Licht darf nicht in den<br />
Himmelgehen“,betont Credner.<br />
Das ist nicht nur unnütz, sondernkostet<br />
auchEnergie underhelltden<br />
dunklen Nachthimmel.<br />
Bis 2030 sollen weitergehende<br />
Auflagen erfüllt werden müssen.<br />
Gerne beraten die Ehrenamtlichen<br />
vom Sternenpark auch<br />
Kommunen, wenn diese ihre<br />
Straßenbeleuchtung umrüsten<br />
wollen. Gerademit der Gemeinde<br />
Römerstein sei eine solche<br />
Kooperation schon sehr erfolgreich<br />
gewesen,lobtTill Credner.<br />
Allerdingswünscht er sich noch<br />
mehr Beteiligung der Biosphären-Gemeinden,<br />
damit der Sternenparkirgendwann<br />
einmal die<br />
Zertifizierung schaffen kann.<br />
Lichtmessung<br />
Mit zu diesem Prozess gehört<br />
übrigensauchdie Lichtmessung,<br />
die sie seit drei Jahren mit verschiedenen<br />
Kamerastationen<br />
machen. Die Daten zeigen, dass<br />
auch in Zainingen und auf dem<br />
Schachen der abendliche Sternenhimmel<br />
etwa doppelt so hell<br />
Die besten Plätze zur Sternebobachtung<br />
ist, wieein rein natürlicher Sternenhimmel.<br />
Lichtverschmutzung<br />
ist nicht nur ein Problem<br />
der Großstädte, sondern reicht<br />
weit in die ländlichen Regionen<br />
hinein.<br />
Info Viele weitereInformationen<br />
überdas Hobby Astronomie,die<br />
Ausrüstung und auchdie Lichtverschmutzung<br />
gibt es aufder Homepage<br />
des„Sternenpark Schwäbische<br />
Alb“: www.sternenpark-schwaebische-alb.de.<br />
Die<br />
nächsten geführten Nachtwanderungenmit<br />
Sternbeobachtung<br />
sind am 3. Dezemberab19Uhr,4.<br />
Februar um 18 Uhr,1.April um 20<br />
Uhr,29. April um 21 Uhrund 3. Juni<br />
um 22 Uhr.Treffpunkt istam<br />
Sternguckerplatz bei Zainingen.<br />
EineAnmeldungist erforderlich<br />
unter credner@allthesky.de<br />
Die Milchstraße, fotografiertvomTruppenübungsplatz.<br />
Foto:Carsten Przygoda<br />
DerehemaligeTruppenübungsplatz<br />
bei Münsingen<br />
bietet einen für die Gegend<br />
dunklen Nachthimmel, auch<br />
wenn Stuttgart,Reutlingen,<br />
Ehingen undUlm deutlich wahrnehmbarsind.Wer<br />
eintransportables<br />
Teleskop odereinen<br />
Handwagen hat,kann dasInnere<br />
desfür Autosgesperrten<br />
Platzes aufsuchen.<br />
punkt südlichvon Zainingen.<br />
Vondort ausist es nur einKilometer<br />
zuFuß zumPlateauam<br />
Turm Waldgreut, mit freier Sicht<br />
nachSüden. Auch einenächtlicheWanderung<br />
durch den Truppenübungsplatzist<br />
zumErleben<br />
der Nachtlandschaftzuempfehlen.<br />
Schon ein Fernglas bietetinteressanteMöglichkeiten<br />
zurHimmelsbeobachtung.<br />
dünnbesiedelten Gegend schaltenviele<br />
OrteihreBeleuchtung<br />
auch ganz ab,was die Himmelsqualität<br />
deutlich verbessert.<br />
Schachen/Buttenhausen Die<br />
Gegend um denZeltplatzSchachen<br />
bietetebenfalls einen<br />
dunklen Himmel.Der Schachen<br />
istauch direktmit dem Auto erreichbar.<br />
Zainingen Wernur direktam<br />
Auto beobachten möchte, sollte<br />
sich einen Platz nördlichdes<br />
Truppenübungsplatzsuchen,<br />
etwa den Sternenpark-Stütz-<br />
Langenenslingen-Ittenhausen<br />
Einerder dunkelstenNachthimmel<br />
auf derSchwäbischen<br />
Alb gibt es nördlich vonIttenhausen.<br />
In dieser an sichschon<br />
Gomadingen Südlich des<br />
Sternbergs bieten sichauch<br />
guteBeobachtungsmöglichkeiten,<br />
auchwenn hierReutlingen<br />
noch recht naheist.<br />
DerWinterhimmel über Zainingen.<br />
Fotos: Till Credner
14<br />
QUERFELDEIN
QUERFELDEIN 15<br />
Porträt OlubayoAdebo hat einen MagisterinPolitikwissenschaftund Psychologie. Doch beruflich hat sich der<br />
gebürtigeNigerianer eine ganz andereHerausforderung gesucht: Er betreibt einen Schrottplatz. VonMaik Wilke<br />
MehrereTausend Teile<br />
liegen auf dem kleinen<br />
Hof. Alle ordentlich<br />
in kleine Gruppen<br />
sortiert, alles hat seinen<br />
Platz. Wenn man Olubayo Adebo<br />
fragt, wo beispielsweise ein<br />
Getriebe für einen BWM, Baujahr<br />
2004 liegt, geht es schnell.<br />
Adebozeigt auf ein Regal, senkt<br />
den Kopf und schreitetbestimmt<br />
voran. „Eine digitale Übersicht<br />
habe ich nicht –esist alles hier<br />
drin“, sagt Adebo und berührt<br />
mit dem Zeigefingerseine Schläfe.<br />
Seit drei Jahren ist Olubayo<br />
AdeboinReutlingen undzerlegt<br />
Autos. „Die meisten kommen<br />
ohne TÜV oder weil sich eine<br />
Reparatur nicht mehr lohnt“,<br />
sagt der gebürtige Nigerianer.<br />
Mit Blaumann und schwarzer<br />
Mützesteht AdeboimInnenhof<br />
seines Betriebs im Industriegebiet<br />
„In Laisen“. Ein blauer Peugeot<br />
206steht auf der Hebebühne<br />
–umden alten Karren wird<br />
sich Adebo heute kümmern. „Je<br />
nach Modell brauche ich einen<br />
Tag, für manche auch zwei. Beispielsweise<br />
für BMW –die sind<br />
komplizierter geschraubt.“ Motorblock,<br />
Getriebe, Kupplung,<br />
Tank, Bremsbeläge, Scheibenwischer<br />
und vieles mehr: Nach<br />
Adebos Arbeit wird das Auto<br />
DerPolitikwissenschaftler OlubayoAdebo betreibt seit 2018 in Reutlingen einen Schrottplatz.<br />
nicht mehr als solches zu erkennen<br />
sein.<br />
Schrottplatz statt Hörsaal<br />
WerinReutlingen ein Ersatzteil<br />
für ein älteres Modell sucht, ist<br />
bei Adebo richtig. Dabei hat er<br />
sein Geschick fürs Schrauben,<br />
beziehungsweise Abschrauben,<br />
erst während des Studiums entdeckt.<br />
„In Nigeria haben mich<br />
Autos überhaupt nicht interessiert“,<br />
sagt Adebo und lacht.<br />
Im März 1997 kamder damals<br />
25-JährigenachDeutschland, um<br />
in Siegen Politikwissenschaft,<br />
Psychologie und Soziologie zu<br />
studieren. Mit Erfolg: Sein<br />
Magister schloss ermit einem<br />
Schnitt von 2,0 ab. Doch noch<br />
mehr Freude bereitete ihm sein<br />
Ferienjob in einer Autoverwertung<br />
in Siegen. Also als studierter<br />
Politikwissenschaftler auf<br />
Fotos: Thomas Kiehl<br />
den Schrottplatz?Für Adebodie<br />
richtige Entscheidung: „Der<br />
Kontakt zu Leuten, zu den Kunden<br />
macht mir einfach Spaß“,<br />
sagt Adebo.<br />
Mehrere Angebote für eine<br />
Promotionsstelle lehnte er ab.<br />
Stattdessen suchte Adebo bun-<br />
#heimaterforscher<br />
Unser grün ist<br />
Mit weitblick<br />
www.gwg-reutlingen.de
16<br />
QUERFELDEIN<br />
desweit nach einem eigenenDemontagebetrieb<br />
–und fand diesen<br />
in Reutlingen. Als VorbesitzerHansjörgKraus<br />
in Rentegegangen<br />
war, übernahm Adebo<br />
das GeschäftimApril 2018.Von<br />
8bis 19 Uhr werkelt er nun täglichund<br />
schraubt alteAutosauseinander.<br />
Einen Mitarbeiter hat<br />
derSelbstständigefür seine zertifizierteAutoverwertung<br />
nicht,<br />
„aber wenn das Geschäft noch<br />
etwas anzieht, dann würde ich<br />
gerne jemanden einstellen“.<br />
Ordentlichkeit als Tugend<br />
übernommen<br />
Ein junger Mann betrittden Hof,<br />
Adebogeht auf ihn zu. Er suche<br />
nach alten Teilen aus dem Fahrzeug-Innenraum,<br />
sagt der Student<br />
der Reutlinger Hochschule.<br />
Im Studiengang Transportation<br />
Interior Design müssen die<br />
Hochschüler Materialund Technologien<br />
analysieren. „Das<br />
Die Polizei hat<br />
immer gehupt<br />
und mich gegrüßt,<br />
wenn sie an mir<br />
vorbeigefahren ist.<br />
Es gibt quasi kein Ersatzteil, das OlubayoAdebo nicht auf seinem Schrottplatz vorrätig hat.<br />
kommt häufiger vor, auch Schüler<br />
kommen immer wieder vorbei“,<br />
sagt Olubayo Adebo. Und<br />
er hat jaauch alles da, der Student<br />
wird schnell fündig. Das<br />
Sortiment ist riesig, Adebo behält<br />
nahezu alle Teile auf. „Nur<br />
die Karosseriekommtzum Pressen<br />
nach Tübingen. Und alte<br />
Reifen mit zu wenig Profilmuss<br />
ich in Metzingen entsorgen.“<br />
Ordentlichkeit ist Adebo<br />
wichtig. Eine typisch deutsche<br />
Tugend, die dem 50-Jährigen gefällt.<br />
Aber sind die Deutschen<br />
nicht zu spießig, gerade im Vergleich<br />
zu den Menschen in seiner<br />
HeimatNigeria? „Nein, überhaupt<br />
nicht“, widerspricht er.<br />
„Vielleicht habe ich Glück gehabt,<br />
aber in 25 Jahren in<br />
Deutschland habe ich noch keine<br />
einzige schlechte Erfahrung<br />
mit den Menschen hier gemacht.“<br />
Aufgewachsen ist Adebo in<br />
Lagos, der größten Stadt inNigeria.<br />
Im Großraum leben dort<br />
mehr als 20 Millionen Menschen.<br />
Er vermisse die Stadt<br />
nicht,Deutschlandist seine Heimat.<br />
Nur die Kälte, die scheint<br />
ihm nicht zu gefallen: „Im Winterkümmereich<br />
mich lieber um<br />
den Verkauf der Ersatzteile. Das<br />
kann ich drinnen machen, da ist<br />
es warm.“<br />
In Siegen warOlubayo Adebo<br />
irgendwann so bekannt, dassviele<br />
Leute ihn angesprochen haben<br />
–„Die Polizei hatimmer gehupt<br />
und mich gegrüßt, wenn sie an<br />
mir vorbeigefahren ist“, erzählt<br />
Adebo und lacht. Auch in Reutlingen<br />
kenne man ihn bereits,<br />
wenn auch noch nicht so sehr<br />
wie in der Stadt in Nordrhein-Westfalen.<br />
„Aber das kann<br />
ja noch werden“, sagt der sympathische<br />
Mann und widmet<br />
sich dem Peugeot 206 auf der<br />
Hebebühne.<br />
Die deutsche Ordentlichkeit hat der Schrottplatzbetreiber übernommen.<br />
Wenn ein Auto ausgeschlachtet wird, werden alle Einzelteile eingelagert.<br />
Waserwofindet, hat OlubayoAdebo im Kopf.
18<br />
QUERFELDEIN
QUERFELDEIN 19<br />
Handwerk Unter dem Markennamen Albmesser stellen Janoschund Karolj Vecernjes handgeschmiedeteMesser<br />
her.Etwa200 Unikatedurchlaufen jedesJahrdie kleine Manufaktur in Hohenstein. VonTanja Stark<br />
DasSchleifen einesMessers erfordertviel Fingerspitzengefühl: Zu starkes oder zu langes Erhitzen wirktsich negativauf das Stahlgefüge<br />
aus.<br />
Fotos: Tanja Stark<br />
Wenn kleine Rauchwölkchen<br />
um den<br />
Kamin der kleinen<br />
Schmiede neben<br />
dem Bauernhausmuseum in<br />
Ödenwaldstettentanzen, ist klar:<br />
Janosch Vecernjes frönt wieder<br />
seiner Kunst, dem Messermachen.<br />
Gemeinsam mit seinem<br />
VaterKarolj betreibt er eine Mini-Manufaktur<br />
auf der SchwäbischenAlb,die<br />
zugehörigeWerkstatt<br />
befindet sich in Bernloch.<br />
ProJahr entstehen dort rund 150<br />
bis 200 individuelle Messer für<br />
Kunden aus der ganzen Welt –<br />
Gastronomen, Sterneköche und<br />
Privatpersonen, das Spektrum<br />
ist breit. „Wir machen Herzensmesser<br />
für Herzensmenschen“,<br />
fasst der 38-Jährige zusammen.<br />
Inzwischen gingen deutlich<br />
mehr Anfragen ein, als das Duo<br />
annehmen könne. „Da müssen<br />
wir leider selektieren, ich würde<br />
niemals ein Messer rausgeben,<br />
das nicht perfekt ist.“ Und<br />
eines sei klar, man wolle klein<br />
und fein, seinen Wurzeln treu<br />
bleiben. Schließlich haben sich<br />
die beiden all das, was nach einem<br />
gelebten Hobby-Traumausschaut,<br />
hart erarbeitet.<br />
Die Geschichte nahm schon<br />
vor mehr als 50 Jahren ihren<br />
Lauf,als der jungeKarolj in seiner<br />
ungarischenHeimatbei Szegedauf<br />
seinem täglichen Schulweg<br />
das Haus eines Schmiedes<br />
passierte.Freilichschwänzteder<br />
Bub die eine oderandereUnterrichtsstunde,ummit<br />
großen Augendas<br />
Tundes Handwerkers zu<br />
verfolgen und erste Nägel auszuschmieden.<br />
Doch dann folgte<br />
der Umzug nach Deutschland.<br />
Im nahen Umfeld um den neuen<br />
Wohnort bei Tübingen ergab<br />
sich für ihn keine Möglichkeit,<br />
eine entsprechende Ausbildung<br />
zu absolvieren. Daher widmete<br />
er sich vorerst dem Malerhandwerk<br />
mit Meisterprüfung und<br />
hielt sich mit anderen Dienstleistungenwie<br />
dem Restaurieren<br />
alter Schränkeund der Kalligrafie<br />
über Wasser –das Messermachen<br />
blieb eine liebgewonnene<br />
Freizeitbeschäftigung.<br />
Doch dann spielte ihm das<br />
Schicksal in die Karten:Ein wei-<br />
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terer Wohnortwechsel nach<br />
Trailfingeneröffnete neue Chancen.<br />
Im Garten des neuen Hauses,<br />
das einst Teil einer Schuhmacherdynastie<br />
war, befand sich<br />
eine Schuhmacherwerkstatt<br />
samt Poliermaschine. Dort konntenerund<br />
seininzwischen zehnjähriger<br />
Sprössling tüfteln. Denn<br />
auchJanoschwar längst mitdem<br />
Messer-Virus infiziert. „Ich hatte<br />
immer irgendwelche Schleifsteinchen<br />
dabei. Viele meiner<br />
Freunde stammten aus Gastronomenfamilien,<br />
deren Messer<br />
habe ich regelmäßig geschärft“,<br />
erinnert er sich zurück. „Die<br />
Lust am Schleifen und Schneiden<br />
wurdemir schon in die Wiege<br />
gelegt.“<br />
Wenn du die<br />
ersten 400<br />
Messer hergestellt<br />
hast,weißtdu,<br />
dass du vorher ein<br />
Idiot warst.<br />
Nicht mehr zu bremsen war<br />
das Vater-Sohn-Gespann, als Karoljs<br />
Mutter „unglaublich guten<br />
Stahl“ eines Messermachersaus<br />
Ungarn mitbrachte. Um diesen<br />
kennenzulernen und zu erfahren,<br />
wie er mit seinem heiligen<br />
Bis einem Albmesser das Adjektiv „fertig“ zugeordnetwird, durchläuft diesesetwa60Arbeitsschritte,zur Herstellung einesDamastmessers<br />
fallen etwa 200 einzelne Arbeitsschritte an.<br />
Rohmaterial umgeht, war den<br />
beiden kein Aufwand zu groß.<br />
Immer wieder legten siedie 1000<br />
Kilometer zurück, freundeten<br />
sich mit dem Meister an, erhielten<br />
Rohlinge zum Feinmachen.<br />
Und dann kam es, wie es kommen<br />
sollte. „Sein Sohn wollte<br />
nicht in seine Fußstapfen treten,<br />
also sollte ich sein Nachfolger<br />
werden und wurde inseine Geheimnisse<br />
eingeweiht“, strahlt<br />
Janosch Vecernjes. Immer wieder<br />
verbrachte erWochen und<br />
Monate in Ungarn, lerntedurch<br />
Zuschauen und Anpacken.<br />
Zwar hatte der Nachwuchskünstler<br />
längst einige Kunden<br />
mit seinen Unikaten überzeugt,<br />
dennoch ist das Herstellen perfekter<br />
Messer ein langer Prozess.<br />
Sein Lehrmeister gabihm einen<br />
wichtigen Tipp mitauf den Weg:<br />
„Bei den ersten vier Messern, die<br />
Richtung<br />
Metzingen/Stuttgart<br />
Hochhaus<br />
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QUERFELDEIN 21<br />
DiefunktionstüchtigeSchmiedeimÖdenwaldstetter Bauernhausmuseum bietetJanoschVecernjesperfekteArbeitsbedinungen zur<br />
Produktion seiner handgefertigten Messer.<br />
du in deinem Leben komplett<br />
selbst machst, wirst du einen riesigen<br />
Unterschied merken. Bei<br />
den ersten 40 Messern, die du<br />
von Hand machst, spürst du einen<br />
noch größeren Unterschied<br />
und wenn du die ersten 400 Messer<br />
hergestellt hast, weißt du,<br />
dass duvorher ein Idiot warst.“<br />
30 000 Stunden im Handwerk<br />
Janosch Vecernjes blieb dran,<br />
ließ sich zudem von einem Damaszener-Messer-Meister<br />
schulen<br />
und blickt heute inzwischen<br />
auf mehr als 30 000 Stunden intensiven<br />
Umgangs mit diesem<br />
Handwerk zurück. Freilich hatte<br />
sich Janosch Vecernjes auch<br />
auf einen anderen, vernünftigen<br />
Wegvorbereitet. Nach erfolgreichem<br />
Abschluss des Wirtschaftsgymnasiums<br />
gründeteer<br />
eineBörsengruppe, handeltemit<br />
Aktien und durchlief eine Ausbildung<br />
zum Groß- und Außenhandelskaufmann<br />
bei der Firma<br />
Morgenstern. Eine Weiterbildung<br />
an der Abendschule zum<br />
Versicherungsmakler folgte,<br />
doch all die Zahlen und Daten,<br />
der ständige Umgang mit Geld<br />
machten ihn nicht glücklich. Im<br />
Jahr 2008 fasste er einen sein Leben<br />
verändernden Entschluss:<br />
„Ich mache ab sofort nur noch<br />
Messer.“ Dies war die Geburtsstundedes<br />
Unternehmens „Albmesser“.<br />
Ausschließlich Einzelstücke<br />
Besondersstolz sind die Betreiber<br />
auf die Fertigungstiefeeines<br />
jeden Einzelstücks. Der Kunde<br />
entscheidet, für welchen Zweck<br />
er sein handgefertigtes Werkzeug<br />
einsetzen möchte: sollWild<br />
aufgebrochen, Fleisch filetiert<br />
werden oder wirdein neues Allzweckmesser<br />
in der Küche benötigt?<br />
Abhängig vom Wunsch des<br />
Käufers wird der Rohstahl vorbereitet<br />
und geschmiedet, die<br />
Klingen werden in Form gebracht<br />
und im Härteofenbei 800<br />
bis 1200 Grad Celsius erhitzt.<br />
Nach dem Abschrecken in Öl<br />
dürfen diese dann eine Nacht<br />
lang entspannen. Zahlreiche<br />
weitereSchritte wie ein Aufenthalt<br />
im Wärmeofen, ein grober<br />
Schliff oder das Polieren auf der<br />
traditionellen Solinger Filzpoliermaschine<br />
folgen. In Eigenregie<br />
entsteht auch der Griff, der<br />
aus einheimischem regionalem<br />
Wurzelholz, etwa Eschenknolle,<br />
Pappel- oder Nusswurzel oder<br />
Münsinger Wacholderholz, angefertigt<br />
wird.<br />
Um ein normales, patentiertes<br />
Alb-Messer anzufertigen,<br />
sindrund 60 Arbeitsschritte notwendig,<br />
für ein hochwertiges<br />
Damastmesser ausmehrlagig gefaltetem<br />
Damaszenerstahlfallen<br />
etwa 200Arbeitsschritte an. Für<br />
die Herstellung eines rostfreien<br />
Alb-Messers Spezial setzen die<br />
Experten zirka 20 Arbeitsstunden<br />
an, diesentspricht drei Messern<br />
pro Woche. Ein maßgeschneidertes<br />
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22 QUERFELDEIN
.<br />
QUERFELDEIN 23<br />
Tanzsport DasReutlinger Turnierpaar Marina und Alexander Engel erlebt <strong>2021</strong>sein bisher erfolgreichstesJahr mit<br />
Platz drei bei der WM über zehn TänzeinVagos kurz nach Latein-WM-Rang elf in Rotterdam. VonAlexander Mareis<br />
Viele Sportler haben in<br />
der Corona-Pandemiezeit<br />
Rückschläge und<br />
Enttäuschungen hinnehmen<br />
müssen, abgebrochene<br />
Meisterschaften, wertlose Erfolge.<br />
Anders das Reutlinger Ehepaar<br />
Marina und Alexander Engel.<br />
Siefeierten in der portugiesischen<br />
Kleinstadt Vagos, gelegen<br />
in der zentralen Região<br />
Centro, ihren bisher größtenTriumph<br />
auf der Tanzfläche. Ihnen<br />
gelang dort bei der Weltmeisterschaft<br />
der zehn Tänze, offiziell<br />
WDSF World Championship<br />
TenDance Senior II, der dritte<br />
Platz in der höchsten S-Klasse<br />
der Senioren II –indieser Altersklassemussder<br />
jüngerePartner<br />
mindestens 40 Jahre im<br />
Wettkampfjahr, der ältere Partner<br />
mindestens 45 JahreimWettkampfjahr<br />
alt sein.<br />
Die Königsdisziplin<br />
28 PaarehatteninVagos die erste<br />
Runde begonnen, 24 die zweite<br />
Runde erreicht, zwölf diedritte<br />
und sechs schafften esins Finale.<br />
Die Bezeichnung „zehn<br />
Tänze“ (auch Kombination) beschreibt<br />
im Tanzsport das Tanzen<br />
aller zehn klassischen Turniertänzeineinem<br />
Wettbewerb,<br />
welcher von vielen als die Königsdisziplin<br />
aufgefasst wird.<br />
AufRang eins beim Deutschland-Pokal am 31. Oktober in der nordrhein-westfälischen Hansestadt<br />
Kamen: Alexander Engel recktneben seiner Frau Marina den Pott stolz in die Höhe.<br />
Foto:pr<br />
Während bei Standard- oder Lateinturnieren<br />
die Paare jeweils<br />
nur fünf Tänzeabsolvieren,müssen<br />
sie bei Turnieren „über zehn<br />
Tänze“ folgende Tänze präsentieren:<br />
Langsamer Walzer, Tango,Wiener<br />
Walzer,Slowfox und<br />
Quickstepp aus dem Bereich der<br />
Standardtänze sowie Samba,<br />
Rumba, Cha-Cha-Cha, Paso Dobleund<br />
Jive aus dem Bereich der<br />
lateinamerikanischen Tänze.<br />
Ein Mammutprogramm<br />
Das kräfteraubende Pensum der<br />
vier Runden legten die Engels<br />
aufs Parkett, nachdem sie nur<br />
zweiTagezuvor im niederländischen<br />
Rotterdam bereits drei<br />
Runden bei der Weltmeisterschaft<br />
der Lateintänze in der<br />
Klasse Senioren 2absolvierthatten.<br />
Ein Mammutprogramm<br />
nichtnur in den Hallen,sondern<br />
auch ein ordentlicher Reisestress.<br />
Kleine Europareise<br />
Zunächst eilten die beiden<br />
Schullehrer nach ihrem Unterricht<br />
zum Stuttgarter Flughafen,<br />
jetteten von dort nach Amsterdam<br />
Schiphol, vonwoaus es per<br />
Mietwagen in die Hafenstadt<br />
Rotterdam zur Latein-WM ging,<br />
ehe man nach einer Übernachtung<br />
hurtig denselben Weg<br />
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24 QUERFELDEIN<br />
zurück nach Amsterdam und<br />
vondort per Flugzeug nach Porto<br />
bewältigte. Vonder nordportugiesischen<br />
Hafenstadt aus<br />
wurden die Zehn-Tänze-WM-Teilnehmer<br />
nach Vagos<br />
chauffiert. WM-Rang drei in Vagos<br />
folgte auf den elften Platz<br />
unter 45 Paaren in Rotterdam.<br />
„Immerhin warenwir das zweitbeste<br />
deutsche Paar. Allerdings<br />
hätte es ruhig mehr als Platz elf<br />
sein dürfen, schon bei der Teilnahme<br />
zuvor waren wir Elfter<br />
bei der Latein-WM“, lässt Alexander<br />
Engel verlauten.<br />
Vorallem die Leistung des<br />
48-Jährigen ist allerdings gar<br />
nicht hoch genug einzustufen,<br />
schließlich war ernoch im Mai<br />
operiert worden und erhielt ein<br />
neues Hüftgelenk. Rund fünf<br />
Monate später wirkteerals Tänzerinseiner<br />
Körperhaltung und<br />
in seinen Bewegungen teils eleganter<br />
alszuvor.„Das haterauch<br />
seinemtollen Physiotherapeuten<br />
zu verdanken“, lobtEhefrauMarina.<br />
Wieschon wenigeMonate vor<br />
dem Corona-Ausbruch, beim<br />
2019 durchgeführten Deutschland-Pokal,<br />
schoss das Ehepaar<br />
am 31. Oktober in der nordrhein-westfälischen<br />
Hansestadt<br />
Kamenden Vogelabund trugbei<br />
dieser Deutschen Meisterschaft<br />
(der Begriff Pokalmag hier irreführend<br />
klingen) der Senioren II<br />
Süber zehn Tänzeunter 16 Paaren<br />
den Sieg davon.<br />
Alexander Engel hat seine Frau Marina auf der Tanzfläche immer perfekt im Griff.<br />
Foto:pr<br />
Stolz ist man auch beim Tanzsportclub<br />
TC Schwarz-Weiß<br />
Reutlingen über das Ausnahmepaar,das<br />
einen etwasungewöhnlichen<br />
Einstieg in den Sport erlebt<br />
hat. Bei ihrem jeweiligen<br />
Sportstudium inLudwigsburg<br />
lernten sich der ReutlingerAlexander<br />
Engel und seine von der<br />
Ostalb stammende Frau Marina<br />
kennen. „Ich war21Jahrealt und<br />
Meistsind<br />
eher die<br />
Frauen diejenigen,<br />
die im Tanzen<br />
vorangehen und<br />
ihren Partner dazu<br />
überreden. Beiuns<br />
waresumgekehrt.<br />
Marina Engel<br />
Tänzerin<br />
kannte Tanzen nur von der Disco<br />
oder allgemein zum Spaß –<br />
von Turniertanz hatte ich keine<br />
Ahnung. Meist sind eher die<br />
Frauen diejenigen, die im Tanzen<br />
vorangehen und ihren Partnerdazu<br />
überreden. Beiuns war<br />
es umgekehrt. Er fing mit 17 Jahrenan,<br />
tanztebeimTCSchwarz-<br />
Weiß Reutlingen bereits Latein<br />
in derS-Klasse und warmir der-<br />
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QUERFELDEIN 25<br />
maßen überlegen, dass eseine<br />
ganze Zeit brauchte, bis ich<br />
Schritt halten konnte“, erinnert<br />
sich Marina Engel. Die heute<br />
43-Jährigeglaubteanfangsnicht<br />
daran, jemals auf diesem hohen<br />
Niveau agieren zu können. Dann<br />
aber begann das Paar beim TC<br />
Schwarz-Weiß Reutlingen gemeinsam<br />
mit Standardtanzen.<br />
Über Standard- und Latein-Tänze<br />
arbeitete sich das<br />
vom anfänglichen Leistungsniveau<br />
so unterschiedliche Paar in<br />
die Zehn-Tänze-Kombination<br />
vor, bis in den deutschen Seniorenkader.Wirklich<br />
Geld verdienen<br />
die beiden Schullehrer –er<br />
ist an der Realschule Sindelfingen<br />
tätig, sie an der Gemeinschaftsschule<br />
Pliezhausen –mit<br />
ihrem Sport nicht. Die Preisgelder<br />
von oft nicht mehr als 150<br />
Euro decken selbst bei Teilnahmen<br />
inDeutschland nicht einmal<br />
die Kosten. Immerhin<br />
springt aber mal beispielsweise<br />
ein Workshopmit Bundestrainer<br />
Horst Beer heraus.<br />
Gewaltiges Pensum<br />
Wieleidenschaftlich die beiden<br />
Idealisten ihren Tanzsport lieben,<br />
zeigt sich auch darin, dass<br />
sie ihr erstaunliches Wochen-Pensum<br />
von im Jahresdurchschnitt<br />
vier bis fünf Trainingstagenimnur<br />
zehn Minuten<br />
von ihrer Wohnung entfernten<br />
Tanzsaal des TC Schwarz-Weiß<br />
Reutlingen, auch als zweifache<br />
Mit Pokalen kennen sich die Engels aus: Hier istesder Deutschland-Pokal,<br />
den Marina Engel in der Hand hält.<br />
Foto:pr<br />
Eltern schaffen. Beide Söhne<br />
werden oft zum Tanzen mitgenommen.<br />
Der Zwölfjährige<br />
schnuppert bereits beim TC<br />
Schwarz-Weiß in den Sport hinein,<br />
der Fünfjährige hat Spaß<br />
beim Kindertanzen und beim<br />
Turnen.<br />
„Tanzen ist ein fabelhafterFamiliensport.<br />
Man übt die sportliche<br />
Leidenschaft mit demPartner<br />
aus und kann die Kinder<br />
wunderbar integrieren. Beispielsweise<br />
hat unser älterer<br />
Sohnindirekt sogar das Fahrradfahren<br />
in der Tanzhalle gelernt“,<br />
verrät Alexander Engel. Dass er<br />
selbst ein Hansdampf inallen<br />
Gassen ist, zeigt sich auch darin,<br />
dasserzwarbis zum 30.Lebensjahr<br />
intensiv getanzt hat, dann<br />
aber fünf Jahre lang Triathlon<br />
betrieb –eine der trainingsintensivsten<br />
Sportarten überhaupt.<br />
„2010 war unser Turniereinstieg<br />
im Standardbereich–in der<br />
untersten Klasse. Im Standardbereichsind<br />
wir dannam8.September<br />
2013 als Landesmeister<br />
der A-Klasse in die S-Klasse aufgestiegen.<br />
Dann haben wir bis<br />
2018 erst einmal ausschließlich<br />
Standardgetanztund uns im November<br />
2017 entschieden, auch<br />
mit Latein anzufangen“, erinnert<br />
sich Alexander Engel.<br />
Zum besseren Verständnis<br />
über die Wertigkeit: Es gibt die<br />
Klassen D, C, Bund Asowie darüber<br />
die Sonderklasse S.<br />
Bittere WM-Absage<br />
Doch auch beim Reutlinger Erfolgspaar<br />
läuft nicht alles rund:<br />
2020 wurdedie WM in NewOrleans<br />
(USA) abgesagt und auf<br />
den Flugkosten von rund 2000<br />
Eurobliebdas Ehepaar Engelsitzen.<br />
Die niederländische Fluggesellschaft<br />
KLM verweigerte<br />
eine Erstattung.<br />
Einebittere Enttäuschung für<br />
die Engels, die noch nie außerhalb<br />
von Europa getanzt haben.<br />
Ihre bisherigen internationalen<br />
Einsätze führten die Asse des TC<br />
Schwarz-Weiß Reutlingen nach<br />
Portugal, Niederlande, Polen,<br />
Schweiz und Slowakei. Die<br />
Sechstplatzierten der German<br />
Open in Stuttgart 2019 wollten<br />
zudem eigentlich am 13.November<br />
<strong>2021</strong> am Deutschland-Pokal<br />
Latein der Senioren II im Tanz-<br />
Sport-Zentrum Stuttgart-Feuerbach<br />
teilnehmen, mussten aber<br />
wegen der Corona-Erkrankung<br />
ihres fünfjährigen Sohnes schweren<br />
Herzens absagen.<br />
„Wir sind beide geimpft,aber<br />
wir wollten unser Kind nicht zu<br />
Hause allein lassen“, sagt Marina<br />
Engel.<br />
Erhebliche Kosten<br />
Aufgeschoben ist nicht aufgehoben.<br />
Schon bald werden neue<br />
hochkarätige Herausforderungen<br />
auf Marina und Alexander<br />
Engel warten.<br />
„Das Tanzen ist unsere Leidenschaft.<br />
Da schauen wir auch<br />
darüber hinweg, dass wir allein<br />
für unsere Tanzkleidung in den<br />
letzten Jahren rund 10 000 Euro<br />
ausgegeben haben. Wir wollen<br />
zusammen noch viele Erfolge<br />
feiern“, macht Alexander Engel<br />
klar und betont. „Die Erfolgewären<br />
allerdings ohne unsere Vereinstrainer<br />
RolandasTrembo im<br />
Standardbereich und Sergiu<br />
Luca für den Latein-Bereich –er<br />
ist auch bekannt aus der<br />
RTL-Tanzshow Let’s Dance –<br />
und vor allem ohne unserem<br />
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26<br />
QUERFELDEIN
QUERFELDEIN 27<br />
Vorruheständler StationäreSägen gibt es in der Region um Burladingen nicht mehr viele. DerHausener Klaus Flad<br />
hat sich eine gekauft. Und istzum leidenschaftlichen, aber auch gefragtenSäger geworden. VonMatthias Badura<br />
Das einzige Holz, das<br />
Klaus Flad bis vor KurzeminHändengehalten<br />
hatte, waren seine<br />
Trommelstöckeals Schlagzeuger<br />
derTanzband „OutofThree“. Inzwischen<br />
bohrt, nein, pardon:<br />
sägt Flad dicke Bretter. Der<br />
62-Jährigeist vonBeruf ein reinrassiger<br />
Metaller, Maschinenbaumechanikermeister,<br />
kein<br />
Waldbesitzer, wie viele andere<br />
im Killertal, und so hatte er bisher<br />
mit dem Naturwerkstoff<br />
Holz wenig zu tun. Er galt vielmehr<br />
als ein Tüftler im mechanisch-technischen<br />
Bereich.<br />
Und nun steht er seit einem<br />
Jahr mehrmals pro Woche im<br />
Garten seines Hauses in der Austraße<br />
an einerstationären Säge,<br />
die er sich angeschaffthat.„Vorbereitung<br />
auf die Rente“, lacht<br />
der Hausener,der sich bereits im<br />
Vorruhestand befindet und dem<br />
Abschied aus dem Arbeitsleben<br />
entgegensieht. Wäre es für ihn<br />
nicht naheliegender gewesen,<br />
sich eine weitere Drehbank für<br />
seine allerdings schon bestens<br />
ausgestattete Heim-Werkstattzu<br />
kaufen?<br />
Es flutscht, WilfriedDaiker(l.) und Klaus Flad tragen BrettumBrett ausder Säge.<br />
Wastun mit dem Rest der Gartentanne?<br />
Die Idee mit der Säge entstand<br />
bei Gesprächen mit seinem<br />
Sohn: Sebastian Flad ist Forstwirt<br />
und hat sich vor geraumer<br />
Zeit selbstständig gemacht.<br />
Wenn es einKundewünscht, betreuterganzeWälder.Erist<br />
aber<br />
auch zur Stelle, wenn in einem<br />
Garten ein einzelner Baum entfernt<br />
werden muss. Sei es, weil<br />
er die Sichtversperrt, sei es, weil<br />
das Gewächs einerStromleitung<br />
zu nahe kommt, sei es, weil sein<br />
BesitzerPlatz fürirgendeinen einen<br />
Anbau benötigt.<br />
Nicht jeder Gartenbesitzer<br />
verfügt über eine Motorsäge,<br />
und selbst wenn er Inhaber einer<br />
solchen wäre,fehlt es im Falle<br />
hochstämmiger Bäume in der<br />
Regelaneinem Hubwagenoder<br />
an Kletterkünsten. Hier ist Sebastian<br />
Fladgefragt. Er fällt, was<br />
wegsolloder wegmuss. Handelt<br />
es sich dabei etwa um eine etliche<br />
Meterhohe Tanne,kappt er<br />
sie abschnittweise von oben<br />
nach unten, mal mit Hilfe eines<br />
Hubwagens, mal klimmt er im<br />
Klettergeschirr RichtungWipfel<br />
und sägt sich dann abwärts.<br />
Waspassiert mit den Stämmen,die<br />
anschließend traurig im<br />
Garten liegen? Viele Menschen<br />
findenüberhaupt keine Verwendung<br />
dafür, andere können sie<br />
zumindest im Kachelofen verfeuern.<br />
Eigentlich viel zu schade,<br />
fand der junge Forstwirt,<br />
denn es handelt sich nicht nur<br />
um Tannen oder Fichten, die als<br />
Baumaterial zu gebrauchen wären,<br />
sondern vielfach um heimische<br />
Obst- und Edelhölzer mit<br />
wunderbarer Musterung: Kirsche,<br />
Apfel, Birne, Walnuss. So<br />
zündeteirgendwann die Idee mit<br />
dem Sägewerk.<br />
Ob der Vaterdarauf kamoder<br />
der Sohn, weil er sich womöglich<br />
Sorgen machte, der künftige<br />
Rentner könnte an Unterbeschäftigung<br />
leiden und in einem<br />
unerfüllten Tatendrang dann<br />
ihm, Sebastian, immer neue Aufgaben<br />
zuweisen, wie Väter das<br />
ja gerne tun –man weiß es nicht.<br />
Jedenfalls schaffte sich Klaus<br />
Fladdas Kleinsägewerkan. Seither<br />
besteht das Angebot des<br />
Forstwirts an seine Kunden, ihr<br />
Fällholz für sie durchseinen Vatereiner<br />
Nachnutzung zuführen<br />
zu lassen.<br />
Klaus Flad sägt aus der vorigen<br />
Gartenzier Bretter, Dielen,<br />
Balken, er fertigt aber auch Bauteile<br />
für Bänke, Hocker oder Tische.<br />
Das Angebot kommt gut<br />
an. Einen Baum zu fällen,<br />
schmerzt immer ein bisschen,<br />
aber wenn aus den Überbleibseln<br />
etwasBrauchbares entsteht,<br />
hat man ein gutes Gefühl. Das<br />
klingt dann vielleicht so: „Was<br />
für ein schöner Tisch“, sagt der<br />
Besucher bewundernd; der Gastgeber<br />
kann darauf erwidern:<br />
„Den habe ich aus dem Kirschbaum<br />
machenlassen,der da drüben<br />
stand. Der musstejanun leider<br />
weg. Aber der Tisch ist toll<br />
geworden, nicht?“<br />
Fabrikat der MarkeHolzmann<br />
Beider Säge,umdie herum Flad<br />
einen Unterstand gebaut hat,<br />
handelt es sich um ein Fabrikat<br />
der Marke Holzmann, Österreich,<br />
zum Preis von rund 4000<br />
Euro. Ein einfaches, aber robustes<br />
Modell, wie der Hausener<br />
meint. Nach oben gebe es da freilich<br />
keine Grenzen, vollautomatisch,<br />
computergesteuert, alles<br />
sei zu jedem Preis möglich. Ihm<br />
aber genüge seine Maschine<br />
vollauf.<br />
Prompt ruckelt es, das Sägeblattgibt<br />
bedenkliche Geräusche<br />
vonsich.Fladfährt zurück, setzt<br />
nochmal an, es ruckelt wieder.<br />
Von vorn das Ganze. Nun<br />
klappt’s. Irgendwann später<br />
muss der werdende Balken auf<br />
die Seite gedreht werden. Elendig<br />
schwer, dieses frisch geschlagene,<br />
noch nasse Holz. Sebastian,<br />
der zufälligerweise da ist,<br />
Fotos: Matthias Badura<br />
hilft mit, der Kunde, der den<br />
Stamm zusägen lässt, ebenso.<br />
Auch ein Nachbar packt mit an.<br />
Er hat beim Werkeln im Garten<br />
nebenan vernommen, dass bei<br />
Flads die Maschine läuft. Da tut<br />
man gerne wunderfitzen: Werist<br />
der Kunde, was hat ermitgebracht,<br />
wie kommt Klaus zurecht?<br />
Für diese stets willkommene<br />
Abwechslung erweist sich<br />
der Nachbar jetzt zum Dank als<br />
Helfer.<br />
„Wenn ich säge,schautimmer<br />
jemand vorbei“,lacht Klaus Flad.<br />
Es stört ihn nicht, nein, das Interesse<br />
freut ihn. Ein häufiger<br />
Gast, so verrät er,sei auch Hausens<br />
Ortsvorsteher Erwin Stai-<br />
Sebastian Flad wuchtet einen Balken auf die Schnittseite. Nachbar JosefSchmid (links) hilft mit.
28<br />
QUERFELDEIN<br />
ger, der sich, vormals Banker,<br />
jetzt in Rente, aufs Drechseln<br />
verlegt hat. Ständig auf der Jagd<br />
nach besonders ausdrucksvollem<br />
Holz, schaut erdann und<br />
wann,obFladnicht etwasExquisites<br />
für ihn hat.<br />
Es dauertalles<br />
etwaslänger,<br />
aber man hatja<br />
Zeit.<br />
Der Balken ist inzwischen in<br />
die richtigePosition gewuchtet.<br />
Es kann weitergearbeitet werden.Doch<br />
nun stimmtder Sound<br />
überhaupt nicht mehr. Aha, die<br />
Zähne des Sägebandes sind<br />
stumpf, solltenfrisch geschliffen<br />
werden. Also herunter das Band,<br />
ein neues hinauf.<br />
In der verkehrtenRichtung<br />
Wasist das?Die Zähne zeigen in<br />
die verkehrte Richtung. Falsch<br />
eingekauft? Nein, man mussdas<br />
Band nur voninnen nach außen<br />
drehen, dann stimmt’s wieder.<br />
Doch Vorsicht, dabei kann man<br />
sich verletzen. Endlich ist auch<br />
das vollbracht, weiter geht’s.<br />
Klaus Flad grinst spitzbübisch:<br />
„Dauert alles etwaslänger.Aber<br />
man hat jaZeit.“<br />
Der Kunde –eshandelt sich<br />
um einen Arbeitskollegen aus<br />
Ein Sägeband muss gewechselt werden, für einen gelernten ForstwirtkeinProblem.<br />
Sickingen –stimmt zu. Die Pausen<br />
und kleinen Reparaturen stören<br />
ihn nicht, er fühlt sich gut<br />
unterhalten. Hauptsache,eswird<br />
sorgfältiggearbeitet und dieBalken<br />
und Dielen, die er haben<br />
möchte,sind schön gleichmäßig<br />
zugerichtet. Jetzt flutscht’sauch<br />
so richtig, esgeht problemlos<br />
voran, ein Brettnach dem anderen<br />
kann Wilfried Daiker, so<br />
heißtder Mann, auf seinen Hängerladen.<br />
Der Sickinger ist froh,<br />
überhaupt einen Säger ander<br />
Handzuhaben. Manfindet nicht<br />
mehr viele derartigeBetriebe in<br />
der Umgebung. Und ob sie<br />
Kleinmengen, wie er sie bringt,<br />
annehmen würden, ist fraglich.<br />
(In dem Fall muss man dazu sagen,<br />
entstammen die Stämme<br />
nicht einem Garten, sondern einer<br />
kleineren Aufräumaktion im<br />
Wald der Familie Daiker.)<br />
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QUERFELDEIN 29<br />
Berühmtheit KlaraWalz<br />
Die zweifellos berühmteste Sägerei<br />
inder Umgebung war die<br />
zwischen Hörschwag und Stettengelegene<br />
Walzmühle.Die Betreiberin<br />
Klara Walz und ihre<br />
Schwester Marie sind ineiner<br />
Fernsehdokumentation des SWR<br />
verewigt, die man zuweilen in<br />
drittenProgrammen sehen kann.<br />
Nachdem der Bruder nach<br />
Kriegsende nicht heimkehrte,<br />
übernahm Klaradie Säge,inder<br />
Absicht, sie dem Vermissten<br />
übergeben zu können, wenn er<br />
glücklich nach Hause gelangt.<br />
Doch der Bruder bliebverschollen.<br />
Klarasägtebis ins hohe Alter<br />
–und führte ein strenges Regiment.<br />
Werihr Reich betrat,hatte<br />
nach ihrer Pfeife zutanzen.<br />
Spurte man nicht, bekam man etwas<br />
zuhören. Wobei sie beim<br />
Schelten der ihr zu langsam erscheinenden<br />
Gehilfenkeine Ausnahme<br />
machte, egal obessich<br />
um einen Burschen von 14Jahren,<br />
um einengestandenenFörster<br />
oder umden ehrenwerten<br />
Bürgermeister der Stadt Burladingen<br />
handelte.<br />
Die wohl bekannteste Sägeder Umgebung wardie Walzmühle zwischen Stettenund Hörschwag –und KlaraWalzeine Berühmtheit.<br />
Kein unnötiger Spritverbrauch<br />
Auch in der Walzmühle war die<br />
Arbeit meist nicht ruckzuck getan.<br />
Klara, die ihrem Duktus<br />
nach einem vergangenen Jahrhundert<br />
anzugehören schien,<br />
darf man, gelinde gesagt, als<br />
sparsam bezeichnen. Ihr Sägewerk<br />
funktionierte mit Wasserkraft<br />
und wurde aus der Lauchert<br />
gespeist.Sie besaß zwar einen<br />
Generator, aber den setzte<br />
sie nur widerwillig in Gang. Pure<br />
Verschwendung, das hätte ja teuren<br />
Sprit gekostet. Warder vorhandene<br />
Wasservorrat verbraucht,<br />
ruhte das Geschehen,<br />
man musste warten, bis das<br />
Bächlein das Becken wieder gefüllt<br />
hatte.Was im Sommer lange<br />
dauern konnte. Erst anschließend<br />
war man in der Lage, die<br />
Arbeit fortzusetzen.<br />
Die Kunden schworen dennoch<br />
auf Klara und ihre Kunst.<br />
„Sie kann auch aus dem krummsten<br />
Baum noch gerade Bretter<br />
sägen“,meinteeinmal einer.Viele<br />
bemalte Holztafeln mit Lob<br />
und Sinnsprüchen zeugen von<br />
der Zufriedenheit. Siesind heute<br />
nochausgestellt, so wie die an<br />
Pfullingen–auch im Winter einErlebnis!<br />
Im Herzen Baden-Württembergs,eingerahmtvon Albtrauf,Georgenbergund Schönberg, liegtPfullingen<br />
–das Torzum Biosphärengebiet Schwäbische Alb.<br />
Dieunverwechselbare Landschaftin<br />
und um dieNaturwaldgemeindelädt<br />
dazu ein, entdeckt zu werden –im<br />
Sommer wie im Winter. Ein Highlight<br />
ist der Pfullinger Sagenweg, der am<br />
Fuß des Ursulabergs, dem Sitz der<br />
Sagengestalt „Urschel“, beginnt.<br />
Entlang des Rundweges erwarten<br />
die Wanderer kunstvolle Sagenfiguren<br />
aus Holz.<br />
Der Premiumwanderweg „hochgehtürmt“<br />
führt zum bekanntesten<br />
Wahrzeichender Stadt:dem Schönbergturm,<br />
im Volksmund auch als<br />
„Pfullinger Onderhos“ bekannt. Wer<br />
ihn erklimmt, bekommt eine grandiose<br />
Aussicht über die steile Albkante<br />
und das davorliegende Pfullingen<br />
–beeindruckender Fernblick inalle<br />
Himmelsrichtungen inklusive.<br />
Wer Pfullingen ganz persönlich kennenlernen<br />
möchte, erhält ein individuell<br />
zugeschnittenes Besichtigungspaket<br />
für seine größere oder<br />
kleinere Gruppe beim Kulturamt.<br />
Ein vielfältiges Angebot an Gastronomie<br />
und Übernachtungsmöglichkeiten<br />
wie auch Wohnmobilstellplätzen<br />
rundet das Angebot ab.<br />
Fotos: Stadt Pfullingen<br />
StadtPfullingen<br />
Marktplatz 5·72793Pfullingen<br />
Tel. 07121/7030-4101·Fax07121/703-213<br />
tourismus@pfullingen.de·www.pfullingen.de<br />
Facebook&Instagram:<br />
@stadtverwaltung.pfullingen
30<br />
QUERFELDEIN<br />
Nach vielstündiger Arbeit istFlad geschafft, hundemüde, aber hochzufrieden mit sich und der Welt.<br />
die Walzmühle angelehnteSäge<br />
mit dem Sägegatter weiter vorhanden<br />
ist,tadellosfunktioniert,<br />
und dem Publikum an Öffnungstagenvorgeführtwird.<br />
Klaraund<br />
ihre Schwester Maria, zwei unvergleichliche<br />
Originale,weilen<br />
indessen nicht mehr auf dieser<br />
Welt.<br />
Ob Klaus Fladmit seiner Säge<br />
auch einmal als Original gelten<br />
wird? Mit seinem Humor und<br />
seiner Schlagfertigkeit hätte er<br />
das Zeug dazu. Aber mit der<br />
knorrigen KlaraWalz möchteer<br />
sich nun doch nicht vergleichen.<br />
Ein bisschen moderner sei er da<br />
schon und seine von der Lauchertunabhängige,nur<br />
der Energie<br />
des elektrischen Stroms verpflichtete„Holzmann“<br />
allzeit bereit.<br />
Einstweilen zieren auch<br />
noch keine Dankschreiben zufriedener<br />
Kunden die Wände.<br />
Aber vielleicht kommt das ja<br />
noch.<br />
Eine Parallele zur Walzmühle<br />
könnte man trotzdem entdecken.<br />
Wenige Meter neben der<br />
Säge hatFlad–natürlichinHolzkonstruktion<br />
–einen Unterstand<br />
errichtet. Der Tisch darin ist<br />
vorerstprovisorisch, die Eschenbretter<br />
müssen noch trocknen,<br />
ehe man sie zusammenfügen<br />
kann. Auch der Unterbau trägt<br />
vorläufigen Charakter. Aber sitzenlässt<br />
es sich hier in einer Zigarettenpause<br />
bei einem Kaffee<br />
schon ganz gut. Die Gespräche<br />
drehen sich um das zu bearbeitende<br />
Holz, um den nächsten<br />
Balken –und bald um alles Mögliche.<br />
So freutsich der Nachbar,<br />
der beim Balkenwuchten half,<br />
den Besucher von der Zeitung<br />
zu sehen, dem er langenicht begegnet<br />
ist; der Besuchervon der<br />
Zeitung wiederum erfährt<br />
vonWilfried Daiker,dassder ein<br />
Büchlein über Fasnetsgruppen<br />
verfasst hat. Ja, dakönnte man<br />
auch einmal etwas darüber berichten,<br />
man will in Kontakt bleiben<br />
... es ist gemütlich, behaglich,<br />
unterhaltsam, man erfährt<br />
etwas Neues, knüpft Bekanntschaften<br />
–wie früher bei Klara<br />
Walz, wie in der gutenalten Zeit.<br />
Leben in der Bude<br />
Vielleicht ist es auch das, was<br />
Klaus Flad, der nicht nur Drummer,<br />
sondern auch als Torwart<br />
und viele Jahre als Sportclub-Vorsitzender<br />
agierte, gefällt:<br />
dass immer ein bisschen<br />
Leben in der Bude ist!<br />
Bei allem Spaß muss jedoch<br />
das Ergebnis stimmen, ständig<br />
kontrolliert er, misst mit dem<br />
Zollstock,justiert. Da kommt unverkennbar<br />
der Mechaniker in<br />
ihm durch. Oder der Killertäler,<br />
ein Menschenschlag, dem man<br />
von alters her Erfindertum und<br />
Begeisterung für alles Maschinelle<br />
nachsagt. DieBalken, Bretter<br />
und Werkstücke, die er herausgibt,<br />
verlassen das Anwesen<br />
in der Austraße nach Maß. Alles<br />
weitere kommt auf die Besitzer<br />
an, der Bau- und Werkstoff, den<br />
sie heimbringen, musstrocknen<br />
und sorgfältig gelagert sein,<br />
sonst verziehtersich.Dannwerden<br />
ausgeraden Stämmen krumme<br />
Bretter. „Bei Möbelstücken<br />
kommt es natürlich darauf an,<br />
wo man sie aufstellt. Das Holz<br />
für einen Esszimmertisch muss<br />
weitaus trockener sein als der<br />
Stamm für eine Bank im Freien“,<br />
erklärt der Säger. Und fügt beinahe<br />
begeistert hinzu: „Holz<br />
schafft, Holz lebt!“<br />
„Nix tun istgar nichts“<br />
Eindeutig, Klaus Flad hat seine<br />
neue Berufung gefunden. „Im<br />
Geschäfthabe ichinder Produktion<br />
und in der Arbeitsvorbereitung<br />
von 7Uhr morgens bis 3<br />
Uhr nachmittags geschafft, hier<br />
schaffe ich von Sonnenaufgang<br />
bis zur Dunkelheit. Du merkst<br />
nicht, wie die Zeit vergeht, du<br />
spürst nichts, keine Anstrengung<br />
– und wenn du Feierabend<br />
machst, bist du körperlich erledigt,<br />
hundemüde und glücklich.<br />
Das ist so toll!“<br />
Jeder, so empfiehlt der 62-jährige<br />
Noch-Arbeitsständler, sollte<br />
sich als Rentner eine derartige<br />
Beschäftigung suchen. „Nur<br />
nicht nix tun, das ist garnichts.“<br />
Wer’s nicht glaubt, kann ihn<br />
selber fragen: Alle sind willkommenund<br />
eingeladen,ihm bei der<br />
Arbeit zuzuschauenund mitihm<br />
in den Pausen zu fachsimpeln.<br />
Wersich anmelden möchte, erreicht<br />
ihn auch unter der Adresse<br />
seines Sohnes Forstservice<br />
Flad, Telefon(07475) 67 68 oder<br />
(01 52) 23920107.<br />
Bettina Flad bringtihren Männern eine Stärkung (oben links);Sebastian Flad bei<br />
einer Fällaktion in einem Garten(o.r.); bildschönesKirschenholz (Bild unten).<br />
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