14.12.2021 Aufrufe

Diakonisches Werk Oberhausen 1921–2021. Die Chronik.

Verwandeln Sie Ihre PDFs in ePaper und steigern Sie Ihre Umsätze!

Nutzen Sie SEO-optimierte ePaper, starke Backlinks und multimediale Inhalte, um Ihre Produkte professionell zu präsentieren und Ihre Reichweite signifikant zu maximieren.

dwo:<br />

<strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong><br />

<strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />

<strong>Die</strong> <strong>Chronik</strong>.


Mit freundlicher Unterstützung der Stadtsparkasse <strong>Oberhausen</strong>


dwo:<br />

<strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong><br />

<strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />

<strong>Die</strong> <strong>Chronik</strong>.<br />

von Dr. Stefan Kraus


100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

Grußworte ................................................................................................................................................ 7<br />

Einleitung ...............................................................................................................................................11<br />

DIE ANFÄNGE DER DIAKONISCHEN ARBEIT DER KIRCHE ........................................17<br />

Von der Antike bis zum industriellen Zeitalter ...................................................................17<br />

19. Jahrhundert – Armenfürsorge in der Zeit der Industrialisierung ..........................19<br />

AM ANFANG STAND … EIN BAHNHOF ........................................................................ 23<br />

Armenfürsorge in <strong>Oberhausen</strong> .................................................................................................23<br />

<strong>Die</strong> Gründung der Bahnhofsmission in <strong>Oberhausen</strong> ........................................................25<br />

Gertrud Zillich und der Ev. Frauenverein für Jugendschutz e.V. ..................................28<br />

DIAKONIE IM OBERHAUSEN DER WEIMARER ZEIT ................................................... 33<br />

Vom Jugendpfarramt zum Jugend- und Wohlfahrtsamt ................................................34<br />

<strong>Die</strong> Bahnhofsmission während und nach der Besatzung ...............................................35<br />

Eine neue Grundlage: Das Reichsjugendwohlfahrtsgesetz ...........................................37<br />

<strong>Die</strong> Arbeit des Jugend- und Wohlfahrtsamtes ....................................................................42<br />

DIAKONIE IN DER ZEIT DES NATIONALSOZIALISMUS ............................................. 55<br />

<strong>Die</strong> Bahnhofsmission in der NS-Zeit .......................................................................................58<br />

Evangelischer Gemeindedienst für Innere Mission ...........................................................59<br />

FORTSETZUNG UND NEUANFANG NACH 1945 ......................................................... 67<br />

Gründung des Ev. Kirchenkreises <strong>Oberhausen</strong> ...................................................................70<br />

Ev. Gemeindedienst für Innere Mission und Hilfswerk ....................................................75<br />

<strong>Die</strong> Bahnhofsmission ....................................................................................................................77<br />

4


ZEIT DER VERÄNDERUNGEN – SPEZIALISIERUNG SEIT DEN 70ER-JAHREN ....... 83<br />

Mehr als nur eine Namensänderung ......................................................................................83<br />

Tätigkeitsfelder in Vergangenheit und Gegenwart ....................................................... 112<br />

Schuldner- und Verbraucherinsolvenzberatung ............................................................ 115<br />

Evangelische Familienhilfe e.V. .............................................................................................. 120<br />

Flexible Jugend- und Familienhilfen/Jugendgerichtshilfe .......................................... 126<br />

Ambulante Wohnungslosenhilfe .......................................................................................... 127<br />

Hilfen für psychisch erkrankte Menschen .......................................................................... 129<br />

Ferienwerk ..................................................................................................................................... 133<br />

Fachseminar für Altenpflege .................................................................................................. 135<br />

Diakonie-Sozialstationen ......................................................................................................... 137<br />

100 JAHRE DIAKONISCHES WERK – EIN NEUANFANG ........................................... 143<br />

Anmerkungen ................................................................................................................................... 149<br />

Abbildungsverzeichnis ................................................................................................................... 159<br />

Lesehinweise ...................................................................................................................................... 161<br />

Impressum .......................................................................................................................................... 165<br />

5


Grußwort<br />

Verehrte Damen und Herren,<br />

zum 100-jährigen Bestehen des Diakonischen <strong>Werk</strong>es <strong>Oberhausen</strong> darf ich<br />

im Namen der Stadt <strong>Oberhausen</strong>, aber auch persönlich herzlich gratulieren und<br />

dies mit einem großen Dank verbinden für das sehr lange und beeindruckende<br />

Engagement zugunsten der hilfsbedürftigen Menschen in unserer Stadtgesellschaft.<br />

Noch bevor der Erste Weltkrieg zu Ende gegangen war, gründete Gertrud Zillich<br />

im März 1918 gemeinsam mit einigen <strong>Oberhausen</strong>er Pfarrern und einem<br />

Freundeskreis den „Evangelischen Frauenverein für Jugendschutz“. Dank des<br />

Einsatzes von Gertrud Zillich und ihrer Unterstützerinnen und Unterstützer<br />

konnte damals jungen Mädchen Schutz und eine Bleibe gegeben werden. Vertrauen<br />

und Nächstenliebe waren die Grundlage und der Beginn der segensreichen<br />

Arbeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Mit den Auswirkungen des<br />

Ersten Weltkrieges wuchs der Bedarf an Fürsorgeaktivitäten, sodass schließlich<br />

im Jahr 1921 das Diakonische <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong> gegründet wurde.<br />

In den zurückliegenden 100 Jahren hat sich das Diakonische <strong>Werk</strong> zu einer<br />

unverzichtbaren Institution in <strong>Oberhausen</strong> entwickelt. Verlässlichkeit, Professionalität<br />

und der unermüdliche Einsatz für die <strong>Oberhausen</strong>er Bürgerinnen und<br />

Bürger sind dabei zum Selbstverständnis der zahlreichen Haupt- und Ehrenamtlichen<br />

geworden, die damit eine Vorbildfunktion für uns alle einnehmen. Mein<br />

Dank gilt daher jedem, der ein Teil seiner Kraft in den <strong>Die</strong>nst der Gemeinschaft<br />

stellt. Und wie nötig wir genau diese Tugenden haben, hat uns insbesondere die<br />

Corona-Pandemie noch einmal deutlich vor Augen geführt. Ihre Arbeit wird daher<br />

auch in den kommenden Jahren eine bedeutende Rolle im Zusammenhang<br />

mit gesellschaftlicher Teilhabe spielen.<br />

Dafür wünsche ich dem Diakonischen <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong> weiterhin viel Erfolg<br />

und Gottes Segen!<br />

Herzlichst<br />

Ihr Daniel Schranz, Oberbürgermeister<br />

7


Grußwort<br />

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,<br />

100 Jahre <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong> sind ein Grund für eine dankbare<br />

Erinnerung und für einen hoffnungsvollen Blick in die Zukunft.<br />

Gegründet in einer Zeit großer Armut nach dem Ersten Weltkrieg hat das<br />

Diakonische <strong>Werk</strong> und haben vor allem die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in<br />

diesen 100 Jahren gezeigt, wofür unser christlicher Glaube steht: Für das tatkräftige<br />

Anpacken, für eine zielgerichtete Hilfe und für die nachhaltige Verbesserung<br />

der Lebensumstände von Menschen.<br />

Auch in den Jahren des großen Wohlstands, der nach dem Zweiten Weltkrieg<br />

vor allem ja durch harte Arbeit erwirtschaftet wurde, gab es immer Menschen,<br />

die aus sehr vielen verschiedenen Gründen und in der Regel unverschuldet<br />

durch das soziale Raster der Gesellschaft gefallen sind. Und auch hier war das<br />

Diakonische <strong>Werk</strong> stets präsent mit Wort und Tat, denn unser Glaube betrachtet<br />

jeden Menschen als Ebenbild Gottes.<br />

Nun könnte ein Blick in die Zukunft pessimistisch ausfallen; vieles spricht dafür,<br />

dass wir in unserer Gesellschaft mitten in einer Zeit der erneuten sozialen<br />

Frage stehen, weil immer weniger Menschen Anteil haben an dem stetig wachsenden<br />

Reichtum unseres Landes. Unser Blick aber geht voller Hoffnung in die<br />

Zukunft. Das hat mit unserem Glauben an Gottes bewahrendes Handeln zu tun<br />

– und das mit unserem Vertrauen in die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in<br />

der Diakonie zu tun, die dieses bewahrende Handeln Gottes jeden Tag sichtbar,<br />

spürbar und erlebbar machen.<br />

Sicher, wir können nicht jedes Problem lösen. Aber wir geben unser Bestes,<br />

und das ist sehr sehr viel. Unsere neue Struktur ab dem 1.1.2022 wird dabei eine<br />

Hilfe sein, fasst sie doch die gute und bewährte Arbeit zweier diakonischer Träger<br />

zusammen und bündelt sie in einem <strong>Werk</strong>.<br />

Mit den besten Wünschen um Gottes Segen für das Diakonische <strong>Werk</strong> mit<br />

seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und denen, die ihnen anvertraut sind<br />

Ihr Joachim Deterding, Superintendent<br />

9


Einleitung<br />

EINLEITUNG<br />

Das Diakonische <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong><br />

feiert in diesem Jahr sein hundertjähriges<br />

Bestehen. Ein solches Jubiläum<br />

ist immer ein willkommener Anlass<br />

für einen Rückblick auf die eigene<br />

Geschichte und Existenz. Dabei wird<br />

deutlich, dass die Wurzeln viel weiter<br />

zurückreichen und die Entwicklung<br />

von vielen Wendungen und Brüchen<br />

gekennzeichnet ist, ebenso wie von<br />

bemerkenswerten Kontinuitäten.<br />

<strong>Die</strong> Geschichte des Diakonischen<br />

<strong>Werk</strong>s <strong>Oberhausen</strong> wurde schon<br />

mehrfach beschrieben. Besonders erwähnt<br />

sei die Schrift von Herta Zilly<br />

und Gerhard Holtz, die vor inzwischen<br />

25 Jahren ebenfalls zu einem<br />

Jubiläum über 75 Jahre <strong>Diakonisches</strong><br />

<strong>Werk</strong> des Kirchenkreises <strong>Oberhausen</strong>.<br />

1921 – 1996. herausgegeben wurde.<br />

Gerhard Holtz hat mit seiner langen<br />

Erfahrung und profundem Wissen,<br />

das er als ehemaliger Leiter des Diakonischen<br />

<strong>Werk</strong>es besitzt, auch viel zum<br />

Gelingen dieses Buches beigetragen.<br />

Um die Geschichte der <strong>Oberhausen</strong>er<br />

Diakonie richtig verstehen und<br />

einordnen zu können, muss man in<br />

einem ersten Teil etwas weiter zurückblicken<br />

auf die Wurzeln der christlichen<br />

Nächstenliebe. <strong>Die</strong> fürsorgende<br />

Hinwendung zum Nächsten gehört<br />

zum Wesensmerkmal der christlichen<br />

Gemeinde. Auch die <strong>Oberhausen</strong>er<br />

Diakonie baut auf einem Fundament,<br />

das bis zum Beginn der Kirche zurückreicht.<br />

Im 19. Jahrhundert stellte die Industrialisierung<br />

in Deutschland die soziale<br />

Frage ganz neu und forderte ebenso<br />

neue Antworten. <strong>Die</strong> Stadt <strong>Oberhausen</strong><br />

ist ein Kind dieser Industrialisierung<br />

mit allen damit verbundenen<br />

sozialen Problemen, und das Diakonische<br />

<strong>Werk</strong>, das im 19. Jahrhundert<br />

noch Innere Mission hieß, war die<br />

evangelische Antwort auf diese Not.<br />

Ein kurzer Überblick über die Entwicklung<br />

der christlichen Diakonie<br />

soll daher am Anfang stehen.<br />

11


100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />

<strong>Die</strong> Grundlegung des <strong>Diakonisches</strong><br />

<strong>Werk</strong>es <strong>Oberhausen</strong> erfolgte im Jahr<br />

1921 mit der Errichtung des Evangelischen<br />

Jugendpfarramtes. <strong>Die</strong> Entwicklung<br />

dieser Einrichtung, die mehrfach<br />

in ihrer Geschichte ihren Namen änderte<br />

– seinen heutigen Namen trägt<br />

das <strong>Werk</strong> erst seit 1966 –, ist Gegenstand<br />

dieser Arbeit. Dabei soll aber<br />

nicht vergessen werden, dass unter<br />

dem weiten Oberbegriff „Diakonie“<br />

noch weitere Initiativen zu beachten<br />

sind. Eng mit der Diakonie verbunden<br />

– und in <strong>Oberhausen</strong> sogar etwas älter<br />

– ist die Arbeit der Bahnhofsmission,<br />

die bereits vor dem Ersten Weltkrieg<br />

ihre Arbeit aufnahm. <strong>Die</strong> Folgen des<br />

Kriegs waren dann der Auslöser für die<br />

Gründung des Evangelischen Frauenvereins<br />

für Jugendschutz im Jahr 1918<br />

durch Gertrud Zillich, aus dem der<br />

heutige Diakonie-Verband-<strong>Oberhausen</strong><br />

e.V. hervorging.<br />

An dieser Stelle muss eine Bemerkung<br />

zu dem Begriff „Diakonie“ erfolgen.<br />

Er ist umfassend und unscharf<br />

zugleich. Diakonie hat seine Wurzel<br />

im altgriechischen διακονία diakonía,<br />

was ‚<strong>Die</strong>nst‘ bedeutet. Man versteht<br />

darunter, wie das Internet-Lexikon<br />

Wikipedia schreibt, „alle Aspekte<br />

des <strong>Die</strong>nstes am Menschen im kirchlichen<br />

Rahmen.“ 1 Mit Diakonie ist daher<br />

hier zunächst einmal alles evangelisch-kirchliche<br />

Handeln im <strong>Die</strong>nst an<br />

dem Nächsten zu verstehen. 2 <strong>Die</strong> Organisation<br />

„<strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong>“ hat<br />

ihre Wurzeln im 19. Jahrhundert und<br />

wurde bis nach dem Zweiten Weltkrieg<br />

meist als „Innere Mission“ bezeichnet.<br />

Erst danach schlossen sich nach und<br />

nach verschiedene Organisationen<br />

unter der Bezeichnung „<strong>Diakonisches</strong><br />

<strong>Werk</strong>“ zusammen. Das gilt für <strong>Oberhausen</strong><br />

wie für die Evangelische Kirche<br />

im Rheinland und letztlich auch für<br />

die Evangelische Kirche in Deutschland.<br />

Das Diakonische <strong>Werk</strong> Rheinland-<br />

Westfalen-Lippe e.V. - Diakonie RWL<br />

ist einer der größten Spitzenverbände<br />

der Freien Wohlfahrtspflege. <strong>Die</strong> Diakonie<br />

RWL repräsentiert rund 5.000<br />

evangelische Sozialeinrichtungen mit<br />

140.000 Mitarbeitenden und vielen<br />

Ehrenamtlichen. 3<br />

<strong>Die</strong> Arbeitsfelder der Diakonie haben<br />

sich im Laufe der Zeit, vor allem<br />

aber seit den späten 1960er-Jahren,<br />

stetig erweitert. Standen zu Beginn im<br />

19. Jahrhundert elternlose und verwahrloste<br />

Jugendliche, Strafentlassene<br />

sowie allgemein die Armen-, Alten-<br />

und Krankenpflege im Zentrum<br />

der Bemühungen, spezialisierte sich<br />

die Arbeit zunehmend. In einem Lexikonartikel<br />

aus dem Jahre 1983 wurden<br />

12


Einleitung<br />

die verschiedenen Bereiche der diakonischen<br />

Arbeit aufgelistet. <strong>Die</strong>s sind<br />

u. a. die Anstaltsdiakonie, Heimerziehung,<br />

Altenhilfe, Kindertagesstätten,<br />

Gemeindediakonie und Beratungsdienste.<br />

4 <strong>Die</strong>se Vielfalt an Tätigkeiten<br />

hat auch in <strong>Oberhausen</strong> ihren Niederschlag<br />

in einer Reihe evangelischdiakonischer<br />

Institutionen gefunden.<br />

Hierzu zählen das Diakonische <strong>Werk</strong><br />

<strong>Oberhausen</strong> sowie weitere diakonische<br />

Einrichtungen. Im Bereich der<br />

Altenhilfe sind das in <strong>Oberhausen</strong> das<br />

Haus Gottesdank gGmbH 5 und das<br />

Haus Abendfrieden gGmbH 6 , im Bereich<br />

der stationären Jugendhilfe das<br />

Gerhard-Tersteegen-Institut gGmbH, 7<br />

das Gertrud-Zillich-Haus (Diakonie-<br />

Verband <strong>Oberhausen</strong> e.V.) 8 und die<br />

Evangelische Jugendhilfe gGmbH. 9<br />

<strong>Die</strong> widrigen Umstände, verursacht<br />

durch die Corona-Pandemie, haben<br />

auch die Recherchen zur Geschichte<br />

des Diakonischen <strong>Werk</strong>s <strong>Oberhausen</strong><br />

beeinträchtigt. So war es nicht möglich,<br />

das Archiv der Evangelischen Kirche<br />

im Rheinland zu nutzen, in dem<br />

eine große Zahl an möglicherweise<br />

relevanten Dokumenten noch ungesichtet<br />

ihrer Bearbeitung harrt. So<br />

mancher Fund wird daher bis zu einer<br />

anderen Gelegenheit warten müssen.<br />

Glücklicherweise war das Stadtarchiv<br />

<strong>Oberhausen</strong> die meiste Zeit, wenn<br />

auch mit Einschränkungen, geöffnet,<br />

so dass die dort liegenden Archivalien<br />

und nicht zuletzt die <strong>Oberhausen</strong>er<br />

Lokalzeitungen herangezogen werden<br />

konnten. An dieser Stelle sei den<br />

MitarbeiterInnen des Stadtarchivs und<br />

insbesondere Andreas Uecker für die<br />

kompetente Unterstützung ausdrücklich<br />

gedankt.<br />

Es wurde bereits eine Menge kleinerer<br />

und auch größerer Schriften über<br />

die diakonische Arbeit in <strong>Oberhausen</strong><br />

verfasst. Immer gab es ein Bewusstsein<br />

dafür, dass das eigene Tun nicht einfach<br />

aus sich selbst heraus geschieht,<br />

sondern Wurzeln in der Geschichte<br />

hat, die einen selbst tragen. <strong>Die</strong> Vergangenheit<br />

der Diakonie in <strong>Oberhausen</strong><br />

ist die Basis für Gegenwart und<br />

auch die Zukunft.<br />

Auf diese vielen Schriften, die meist<br />

anlässlich diverser Jubiläen verfasst<br />

wurden, kann dankbar zurückgegriffen<br />

werden. <strong>Die</strong>se Arbeit wird das Rad<br />

nicht neu erfinden und reiht sich in<br />

gewisser Weise in eine lange Tradition<br />

ein. Bei einem „runden“, besonderen<br />

Jubiläum wie dem einhundertjährigen<br />

soll die Darstellung aber weiter und<br />

tiefer gehen, als eine bloße Zusammenstellung<br />

des bisher verstreut Publizierten.<br />

13


100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />

<strong>Die</strong> Jubiläumsschriften bilden daher<br />

eine wichtige Grundlage zur Geschichte<br />

der <strong>Oberhausen</strong>er Diakonie. Wichtige<br />

Quellen für die Anfangsjahre sind<br />

darüber hinaus die Tätigkeitsberichte,<br />

die vor allem in den 1920er-Jahren<br />

verfasst und gedruckt wurden. All dies<br />

liegt vorbildlich geordnet im Archiv<br />

des Diakonischen <strong>Werk</strong>es <strong>Oberhausen</strong><br />

vor.<br />

Auch im Archiv der Stadt liegen solche<br />

Berichte, mussten die Einrichtungen<br />

der freien Wohlfahrtspflege doch<br />

ihre Arbeit regelmäßig dokumentieren,<br />

um kommunale Förderung beziehen<br />

zu können. <strong>Die</strong> Quellen des Stadtarchivs<br />

dokumentieren gerade in den<br />

Haushaltsentwürfen die Bezuschussung<br />

der Arbeit (nicht nur) der diakonischen<br />

Einrichtungen, begann in der<br />

Zeit der Weimarer Republik doch jene<br />

Zusammenarbeit von Staat und freien<br />

Wohlfahrtsverbänden, wie sie bis heute<br />

in Deutschland üblich ist. Eine weitere<br />

wichtige Ressource sind die Zeitungsartikel,<br />

in denen über die Arbeit<br />

der Diakonie, Feste und Personalia<br />

berichtet wird. Sie geben zudem einen<br />

Eindruck von der Öffentlichkeitsarbeit<br />

der Diakonie, die zu allen Zeiten notwendig<br />

war, um auf die Einrichtungen<br />

aufmerksam zu machen und Spenden<br />

zu generieren.<br />

Wie schon erwähnt, konnten leider<br />

die Archivalien nicht eingesehen werden,<br />

die in Düsseldorf im Archiv der<br />

Evangelischen Kirche im Rheinland<br />

liegen. Laut Auskunft des Archivs sind<br />

es weit über 1.000 Blatt möglicherweise<br />

relevanter Dokumente. Sie durchzusehen<br />

hätten den Rahmen dieser<br />

Arbeit ohnedies gesprengt. Jedenfalls<br />

wartet hier noch eine Menge Arbeit<br />

auf zukünftige Forschung.<br />

Für die jüngere Geschichte des Diakonischen<br />

<strong>Werk</strong>es seit den 1970er-Jahren<br />

standen vor allem das Zeitungsarchiv<br />

des Diakonischen <strong>Werk</strong>es sowie<br />

die Jahresberichte seit 2000 zur Verfügung.<br />

Ein besonderer Dank gilt Gerhard<br />

Holtz, der mit seinem großen Wissensschatz<br />

einen wichtigen Beitrag zur Erarbeitung<br />

dieser Jubiläumsschrift geleistet<br />

hat. Ebenso hat Frank Domeyer,<br />

Leiter des Diakonischen <strong>Werk</strong>es des<br />

Evangelischen Kirchenkreises <strong>Oberhausen</strong>,<br />

mit seinem kompetenten Wissen<br />

dem Verfasser beiseite gestanden<br />

und alle nur denkbare Hilfe geleistet.<br />

Viele weitere Mitarbeiter des Diakonischen<br />

<strong>Werk</strong>es haben dieses Projekt<br />

unterstützt. Ihnen allen sei an dieser<br />

Stelle gedankt.<br />

14


<strong>Die</strong> Anfänge der diakonischen Arbeit der Kirche<br />

DIE ANFÄNGE DER DIAKONISCHEN ARBEIT<br />

DER KIRCHE<br />

Von der Antike bis zum Zeitalter<br />

der Industrialisierung<br />

Christen wenden sich in fürsorgender<br />

Nächstenliebe ihren Mitmenschen<br />

zu. Diakonie ist ein Wesensbestandteil<br />

von Kirche neben<br />

Gottesdienst und Verkündigung.<br />

<strong>Die</strong>s war von Anfang an so. 10<br />

Dabei ist die Verbindung von Religion<br />

und praktischer Fürsorge für<br />

die Bedürftigen nicht selbstverständlich,<br />

aber auch nicht spezifisch christlich.<br />

Während beispielsweise die heidnischen<br />

Religionen Griechenlands<br />

und Roms der Armenfürsorge keine<br />

Bedeutung beimaßen, wurde schon<br />

im alten Ägypten der Gott Amun als<br />

„Helfer der Armen“ angerufen. <strong>Die</strong><br />

Vorstellung, dass Gott sich den Armen<br />

zuwendet und seine Gläubigen dazu<br />

auffordert, dies ebenfalls zu tun, findet<br />

seine prägnante Ausprägung im Alten<br />

Testament. Im 3. Buch Mose spricht<br />

Gott zu seinem Volk: „Du sollst deinen<br />

Nächsten lieben wie dich selbst; ich<br />

bin der HERR.“ <strong>Die</strong>se Aufforderung<br />

nahm Jesus unmittelbar auf und erweiterte<br />

sie sogar. Feinde wurden von<br />

ihm ausdrücklich in das Liebesgebot<br />

eingeschlossen: „Ihr habt gehört, dass<br />

gesagt ist: »Du sollst deinen Nächsten<br />

lieben« und deinen Feind hassen. Ich<br />

aber sage euch: Liebt eure Feinde und<br />

bittet für die, die euch verfolgen.“ (Mt<br />

5,43 – 44) Wie Jesus sich die Nächstenliebe<br />

seiner Jünger praktisch vorstellte,<br />

beschrieb er im Gleichnis vom Barmherzigen<br />

Samariter. Nicht nur den<br />

Angehörigen des eigenen Volkes und<br />

der eigenen Religion sollte Hilfe zuteil<br />

werden, sondern allen Menschen. Liebe<br />

sprengt alle Grenzen. Unmissverständlich<br />

fordert er seine Jünger auf:<br />

„So geh hin und tu desgleichen!“ (Lk<br />

10,37) Bei seiner Rede vom Weltgericht<br />

macht er sogar deutlich, dass die<br />

Hinwendung zum bedürftigen Nächsten<br />

das entscheidende Kriterium für<br />

ein gelingendes Leben ist: Hungernden<br />

zu essen, Dürstenden zu trinken<br />

geben, Obdachlose aufnehmen, Kranke<br />

und Gefangene besuchen, Nackte<br />

bekleiden sind die Forderungen an die<br />

Menschen (vgl. Mt 25, 41– 46).<br />

17


100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />

<strong>Die</strong>se Haltung prägte von Anfang<br />

an die christliche Gemeinschaft. Schon<br />

sehr früh wurde das Amt des Diakons<br />

eingeführt (Apg 6,1–7). Hilfe füreinander<br />

war eine Selbstverständlichkeit.<br />

Geldsammlungen wurden abgehalten<br />

(vgl. 1. Kor 16). Im Jakobusbrief<br />

werden die Christen daran erinnert:<br />

„Wenn ihr das königliche Gesetz erfüllt<br />

nach der Schrift: »Liebe deinen Nächsten<br />

wie dich selbst«, so tut ihr recht;<br />

wenn ihr aber die Person anseht, tut<br />

ihr Sünde und werdet überführt vom<br />

Gesetz als Übertreter.“ (Jak 2,8–9)<br />

<strong>Die</strong> christlichen Gemeinden haben<br />

diese Aufforderung in die Tat umgesetzt.<br />

Als die Gemeinden wuchsen<br />

und organisatorische Strukturen entwickelten,<br />

wurde auch die karitativdiakonische<br />

Arbeit systematisiert. Das<br />

erste ökumenische Konzil von Nizäa<br />

im Jahr 325 hatte jedem Bischof die<br />

Einrichtung eines Xenodochions in<br />

seiner Diözese zur Pflicht gemacht.<br />

Das Wort bedeutet Fremdenheim, ein<br />

Aufnahmeort für Fremde. In Caesarea,<br />

dem heutigen Kayseri in der Türkei,<br />

errichtete einige Jahrzehnte später<br />

Bischof Basilius einen ganzen Stadtteil<br />

aus Spitälern und Altenheimen als Xenodochion.<br />

Es galt zu seiner Zeit als<br />

Weltwunder. Dort wurden nicht nur<br />

Fremde, die in der Geschichte immer<br />

besonders schutzbedürftig waren, sondern<br />

auch die Armen der eigenen Stadt<br />

aufgenommen. Auch eine medizinische<br />

Versorgung durch ausgebildete<br />

Ärzte erfolgte in diesen Einrichtungen.<br />

Sie wurden zu Vorbildern für die organisierte<br />

Armen- und Krankenpflege<br />

der Klöster des Mittelalters.<br />

<strong>Die</strong> Hinwendung zu den Notleidenden<br />

gehörte also von Beginn an zum<br />

Wesen der Kirche. In dem Maß, wie<br />

das Christentum Gesellschaft und Staat<br />

prägte, wurde die gesamte Armenfürsorge<br />

aus diesem Geist praktiziert und<br />

von kirchlichen Einrichtungen ausgeführt.<br />

Erst mit der Herausbildung moderner<br />

Staaten und der systematischen<br />

Unterscheidung von säkularem Staat<br />

und Kirche fiel auch die Armenfürsorge<br />

in das Aufgabengebiet der weltlichen<br />

Herrschaft.<br />

Treibende Kraft waren bereits im<br />

Spätmittelalter die Städte. <strong>Die</strong> mittelalterliche<br />

Theologie hatte dazu geführt,<br />

dass mit der Armenfürsorge auch die<br />

Armut institutionalisiert wurde. Arme<br />

waren fester Bestandteil der mittelalterlichen<br />

Weltordnung. Jesus selbst<br />

hatte gesagt: „Denn ihr habt allezeit<br />

Arme bei euch.“ Den Armen, Kranken<br />

und Notleidenden musste man sich in<br />

christlicher Gesinnung zuwenden. Armut,<br />

Krankheit und Not grundsätzlich<br />

18


<strong>Die</strong> Anfänge der diakonischen Arbeit der Kirche<br />

zu überwinden, wurde aber nicht angestrebt,<br />

weil es der göttlichen Weltordnung<br />

zu widersprechen schien.<br />

<strong>Die</strong>se Sicht änderte sich im aufkommenden<br />

Bürgertum der spätmittelalterlichen<br />

Städte, als man begann,<br />

nach den Gründen für die Notlagen<br />

zu fragen. Nicht, um die Strukturen<br />

der Armut zu bekämpfen, sondern um<br />

„ehrliche“ Arme von „unehrlichen“ zu<br />

unterscheiden. Wer unverschuldet in<br />

Not geriet, sollte weiterhin Unterstützung<br />

erhalten. Wer aber arbeitsfähig<br />

war, sollte nötigenfalls zur Arbeit gezwungen<br />

werden. Waren die Bettler<br />

zuvor selbstverständlicher Teil der Gesellschaft,<br />

die in eigenen Gilden organisiert<br />

waren, so wurde dies zunehmend<br />

kritisch gesehen. War die Armenfürsorge<br />

bislang mittels privater Almosen<br />

finanziert, wurde jetzt in vielen Städten<br />

eine Armensteuer eingeführt. Armenhäuser<br />

wurden errichtet, in denen<br />

man für seine Unterbringung arbeiten<br />

musste. 11 In der frühen Neuzeit oblag<br />

die Armenfürsorge den Landesfürsten<br />

und damit dem – christlichen – Staat.<br />

Das 19. Jahrhundert –<br />

Armenfürsorge in der Zeit<br />

der Industrialisierung<br />

„In Deutschland lebte um 1800 der<br />

größte Teil der Bevölkerung auf dem<br />

Lande. […] 1910 hatten 66 v. H. der<br />

Bevölkerung ihren Wohnsitz in der<br />

Stadt.“ 12 Mit dieser einfachen Feststellung<br />

ist ein Grundproblem der<br />

gesellschaftlichen Entwicklung des<br />

19. Jahrhunderts beschrieben. Industrialisierung<br />

und Kapitalismus verändern<br />

die Lebensgrundlagen der Menschen<br />

grundsätzlich und damit auch<br />

den Umgang mit den Armen. Was zuvor<br />

in einer agrarisch-vorindustriellen<br />

Gesellschaft funktionierte, stieß nun<br />

an seine Grenzen: das System der Armenfürsorge.<br />

Mit der Landflucht der Bevölkerung<br />

hinein in die neu entstehenden und<br />

wachsenden Städte mit ihren Fabriken<br />

veränderte sich das Verhältnis zur Armut<br />

und die Mittel, mit denen man ihr<br />

begegnen wollte. Männer wie Frauen<br />

verließen ihre alten ländlichen Wohnorte<br />

und versuchten als Arbeiter oder<br />

Hausbedienstete bei der bürgerlichen<br />

städtischen Oberschicht ihren Lebensunterhalt<br />

zu verdienen. Selbst diejenigen,<br />

die einen Arbeitsplatz fanden,<br />

mussten unter Hunger, Krankheit und<br />

19


100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />

Ausbeutung leiden. Wer keine Stelle<br />

fand oder wer seine Arbeit verlor, wer<br />

krank wurde oder verunfallte, bildete<br />

eine neue städtische Unterschicht,<br />

die zu einer großen Herausforderung<br />

für Kirche und Gesellschaft wurde.<br />

Alte soziale Netzwerke, die Menschen<br />

in Not auffingen, funktionierten nicht<br />

mehr. Um 1900 bestanden die deutschen<br />

Großstädte zu 57 Prozent aus<br />

Zugezogenen. 13 Familiäre und nachbarschaftliche<br />

Unterstützung war daher<br />

in Notlagen kaum zu erwarten.<br />

<strong>Die</strong> alte, in Preußen geltende Regelung,<br />

wonach die Herkunftsgemeinde<br />

für die Versorgung in Not geratener<br />

Menschen zuständig sein sollte, war<br />

nicht mehr praktikabel. <strong>Die</strong> tatsächliche<br />

Wohngemeinde musste nun die<br />

Fürsorge übernehmen, was die Großstädte<br />

finanziell arg belastete. Sie suchten<br />

alle möglichen Gründe, sich ihrer<br />

Verantwortung zu entziehen. <strong>Die</strong><br />

Unternehmen begannen gegen Ende<br />

des 19. Jahrhunderts ihrerseits, sich<br />

um ihre Stammarbeiter zu kümmern,<br />

wenn diese in Not gerieten oder aus<br />

Altersgründen nicht mehr arbeiten<br />

konnten. Und auch die lokalen Kirchengemeinden<br />

übernahmen Verantwortung<br />

für ihre Mitglieder.<br />

Abb. 1: Briefmarke zum 200. Geburtstag<br />

von Johann Hinrich Wichern mit<br />

dem Diakonie-Logo.<br />

Einer der ersten, der sich dieser Herausforderung<br />

annahm, war Johann<br />

Heinrich Wichern (1808 –1881), der<br />

Gründer des Rauhen Hauses in Hamburg.<br />

Er hatte sich damit zum Ziel gesetzt,<br />

verhaltensauffälligen oder straffällig<br />

gewordenen armen Hamburger<br />

Kindern zu helfen und ihnen eine Ausbildung<br />

zu ermöglichen. Wichern gilt<br />

als der Begründer der Inneren Mission<br />

der evangelischen Kirche (Abb. 1).<br />

<strong>Die</strong> schlechten Lebensbedingungen<br />

der ArbeiterInnen und die Not<br />

der städtischen Unterschichten forderte<br />

nicht nur das Mitgefühl und die<br />

Nächstenliebe der ChristInnen heraus.<br />

<strong>Die</strong> zunehmend erstarkende Sozialdemokratie,<br />

die in diesen sozialen<br />

Zuständen ihren Nährboden fand,<br />

bedrohte den traditionell konservativen<br />

Staat, dem sich vor allem auch das<br />

20


<strong>Die</strong> Anfänge der diakonischen Arbeit der Kirche<br />

evangelische Bürgertum verpflichtet<br />

fühlte. Wichern erkannte die Aufgabe<br />

der Kirche darin, junge Menschen sozial<br />

zu stabilisieren und zugleich ihnen<br />

eine religiöse Grundlage zu vermitteln.<br />

Diakonie war für ihn praktische Hilfe<br />

und Verkündigung des Evangeliums<br />

zugleich. So sollten gefährdete junge<br />

Leute vor dem sozialen Absturz bewahrt<br />

und vor den Ideen der Sozialdemokratie<br />

geschützt werden. Das Ziel<br />

war eine Rechristianisierung der Bevölkerung<br />

zur Stabilisierung der neuen<br />

Gesellschaftsverfassung. <strong>Die</strong> Revolution<br />

von 1848, die beinahe die alte<br />

Ordnung hinweggefegt und eine demokratische<br />

Ordnung in Deutschland<br />

eingeführt hätte, wurde als Alarmsignal<br />

begriffen. Daher ist es kein Zufall,<br />

dass Wichern auf dem ersten evangelischen<br />

Kirchentag 1848 in Wittenberg,<br />

nur ein paar Monate nach den Revolutionsunruhen,<br />

in einer Grundsatzrede<br />

zur Gründung des „Centralausschusses<br />

für die Innere Mission der deutschen<br />

evangelischen Kirche“ aufrief,<br />

der sich dann am 11. November 1848<br />

konstituierte. Er kann als Vorläuferorganisation<br />

des heutigen Diakonischen<br />

<strong>Werk</strong>es gelten.<br />

Der Centralausschuss entwickelte<br />

sich zu einer Dachorganisation für<br />

viele selbstständige evangelische Initiativen<br />

und Vereine, die sich die Sozialfürsorge<br />

zur Aufgabe gemacht hatten.<br />

Er gilt bis heute als größter und einflussreichster<br />

Wohlfahrtsverband im<br />

Kaiserreich.<br />

<strong>Die</strong> Armenpflege wurde nun systematisch<br />

in einen offenen Zweig und<br />

einen geschlossenen Zweig gegliedert.<br />

<strong>Die</strong> offene Armenpflege verstand sich<br />

als Hilfe von „Mensch zu Mensch“<br />

in den Gemeinden, die geschlossene<br />

Armenpflege fand in Heimen, Arbeits-<br />

und Armenhäusern statt. Auch<br />

die kirchliche Wohlfahrt begann zwischen<br />

diesen zwei Bereichen zu unterscheiden.<br />

<strong>Die</strong> geschlossene Fürsorge<br />

unterhielt Heime, in denen die Notleidenden<br />

unterbracht wurden, die offene<br />

Fürsorge ging hinaus zu den Menschen<br />

und betreute sie in den Familien<br />

oder gegebenenfalls die Obdachlosen<br />

auf den Straßen.<br />

21


Am Anfang stand ... ein Bahnhof<br />

AM ANFANG STAND … EIN BAHNHOF<br />

Armenfürsorge<br />

in <strong>Oberhausen</strong><br />

<strong>Die</strong> geschilderte Entwicklung der<br />

Sozialfürsorge im Deutschland des<br />

19. Jahrhunderts betraf natürlich<br />

auch <strong>Oberhausen</strong>.<br />

<strong>Oberhausen</strong> ist eine junge Stadt.<br />

Nicht nur die heutige, rund 210.000<br />

Einwohner umfassende Großstadt, die<br />

aus dem Zusammenschluss der ehemals<br />

selbstständigen Städte <strong>Oberhausen</strong>,<br />

Sterkrade und Osterfeld im Jahr<br />

1929 entstanden ist, blickt auf eine<br />

junge Geschichte zurück, die Stadt Alt-<br />

<strong>Oberhausen</strong> selbst wurde erst in der<br />

zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gegründet.<br />

Sie ist ein Kind der Industrialisierung.<br />

Weil die Hüttengewerkschaft<br />

Jacoby, Haniel und Huyssen, der Vorläufer<br />

der Gutehoffnungshütte, einen<br />

Anschluss an das entstehende Eisenbahnnetz<br />

benötigte, errichtete die<br />

Köln-Mindener Eisenbahngesellschaft<br />

1847 einen Bahnhof mitten im Niemandsland<br />

und gab ihm den Namen<br />

<strong>Oberhausen</strong> – in Anlehnung an das zu<br />

Beginn des 19. Jahrhunderts errichtete<br />

Schloss <strong>Oberhausen</strong>. <strong>Die</strong>ses hatte wiederum<br />

seinen Namen von einer mittelalterlichen<br />

Wasserburg Overhusen.<br />

<strong>Die</strong>ser Eisenbahnknotenpunkt hob<br />

<strong>Oberhausen</strong> aus der Zahl der umliegenden<br />

Städte hervor und bewahrte<br />

es vor eventuellen Eingemeindungsbestrebungen.<br />

<strong>Die</strong> Stadt war ein „Kind<br />

der Eisenbahn“, wie der Direktor der<br />

Gutehoffnungshütte, Lueg, es einmal<br />

formulierte. 14<br />

Bereits bei der Gründung <strong>Oberhausen</strong>s<br />

1862 wurde eine Armenkommission<br />

gewählt, wie aus der Festschrift<br />

zum 50-jährigen Bestehen Alt-<strong>Oberhausen</strong>s<br />

1912 hervorgeht. 15 Schon in<br />

den ersten drei Jahren wuchsen die<br />

Ausgaben für die Armenunterstützung<br />

und Krankenpflege von knapp 700<br />

Talern (1862) über 1100 Taler (1863)<br />

auf über 1200 Taler (1864). Ende 1867<br />

wurden 35 Familien mit monatlichen<br />

Geldleistungen unterstützt, zehn Waisenkinder<br />

wurden in Erziehungsheimen<br />

und drei erwachsene geistig Behinderte<br />

in Irrenanstalten, wie diese<br />

Einrichtungen damals hießen, auf<br />

Stadtkosten untergebracht. Darüber<br />

23


100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />

hinaus erhielten 70 Kinder Bekleidung<br />

aus Gemeindemitteln, damit ihnen ein<br />

Schulbesuch auch im Winter möglich<br />

war.<br />

<strong>Die</strong> Sozialpolitik der Stadt <strong>Oberhausen</strong><br />

konzentrierte sich vor dem<br />

Ersten Weltkrieg nicht zuletzt aus<br />

Kostengründen auf einige freiwillige<br />

Schwerpunkte: Errichtung und Förderung<br />

von Krankenhäusern, Errichtung<br />

von Grünanlagen und eines Stadtbads<br />

sowie die Einrichtung von Kindergärten<br />

zur „vorschulischen Vermittlung<br />

sozialer Werte der bürgerlichen Gesellschaft“<br />

in den Kleinkinderschulen<br />

von Gutehoffnungshütte und Kirchengemeinden.<br />

16 Hierzu gesellten sich die<br />

staatlich vorgeschriebenen Unterstützungsleistungen<br />

an die Hilfsbedürftigen<br />

der Stadt. Der Leiter des <strong>Oberhausen</strong>er<br />

Stadtarchivs, Magnus Dellwig,<br />

schätzt die Größe dieses Personenkreises<br />

auf vier bis sechs Prozent der städtischen<br />

Bevölkerung. 17 <strong>Die</strong>s war nicht<br />

besonders viel, was vor allem an der<br />

strengen Bedürftigkeitsprüfung lag. All<br />

das sollte „der „Fähigkeit der Arbeiterschaft<br />

zur physischen und psychischen<br />

Reproduktion“ dienen, wie Dellwig betont.<br />

<strong>Die</strong> Folge war die Disziplinierung<br />

der Betroffenen, die im Kaiserreich gesellschaftlich<br />

hochgradig stigmatisiert<br />

waren. Beispielsweise war in Preußen<br />

Empfängern öffentlicher Armenunterstützung<br />

das Wahlrecht entzogen.<br />

Schon vor dem Ersten Weltkrieg stieg<br />

der Bedarf an Hilfen für notleidende<br />

Menschen in <strong>Oberhausen</strong>. In der Folge<br />

errichtete die Stadt zur Jahrhundertwende<br />

ein Armenhaus. 18<br />

Parallel zu den städtischen Leistungen<br />

der Armenfürsorge entwickelte<br />

sich in den Kirchengemeinden<br />

eine Struktur der praktischen Hilfe.<br />

Beispielsweise wurde bereits 1909 in<br />

der Christus-Kirchengemeinde eine<br />

Handarbeitsschule gegründet, „deren<br />

Sinn und Zweck es war, den Töchtern<br />

unserer Gemeinde, die zur damaligen<br />

Zeit meist Haustöchter ohne Beruf<br />

waren, Gelegenheit zu geben, ihre<br />

freie Zeit nutzbringend anzuwenden,<br />

indem sie das Nähen und Handarbeiten<br />

für den eigenen Bedarf erlernten“. 19<br />

Aus ihr sollte später das Evangelische<br />

Familienbildungswerk <strong>Oberhausen</strong><br />

(heute Evangelisches Familien- und<br />

Erwachsenenbildungswerk) hervorgehen.<br />

Darüber hinaus nahmen auch manche<br />

Firmen die Fürsorge für ihre Belegschaft<br />

und deren Familien wahr:<br />

„Den Arbeitern ließ man die besondere<br />

Fürsorge zukommen, ihren Alkoholkonsum,<br />

besonders den Brannt-<br />

24


Am Anfang stand ... ein Bahnhof<br />

weinkonsum, einzudämmen. Wurde<br />

diesem doch zugeschrieben, dass er<br />

die Familien der Arbeiter zerrütten<br />

und die Arbeitskraft der Beschäftigten<br />

gefährden würde.“ 20 Später bot die<br />

Gutehoffnungshütte ihrer Stammbelegschaft<br />

Kleinkinderschulen, Handarbeits-<br />

und Hauswirtschaftsschulen für<br />

die älteren Töchter der Stammarbeiter<br />

an. 21<br />

<strong>Die</strong> Gründung<br />

der Bahnhofsmission<br />

in <strong>Oberhausen</strong><br />

In dieser Zeit entstand die erste<br />

kirchlich-übergemeindliche, diakonisch-caritative<br />

Einrichtung<br />

in <strong>Oberhausen</strong>: die Bahnhofsmission.<br />

Was für die<br />

Stadt galt, traf auch auf die<br />

Diakonie zu. Sie war ein<br />

Kind der Eisenbahn und der<br />

Bahnhof war ihr Geburtsort.<br />

Wie in anderen Industriestädten<br />

auch bestand<br />

das Bedürfnis, sich um alleinreisende<br />

junge Frauen<br />

zu kümmern, die vom Land<br />

ohne Ortskenntnisse nach<br />

<strong>Oberhausen</strong> kamen. Unseriöse<br />

Vermittler versprachen<br />

ihnen bei der Arbeits- und<br />

Quartiersuche zu helfen. Nicht selten<br />

landeten sie aber in der Prostitution.<br />

Davor galt es, die jungen Frauen<br />

zu schützen. Wenn sie bereits eine<br />

Arbeitsstelle vermittelt bekommen<br />

hatten, musste man ihnen den Weg<br />

dorthin zeigen. Wenn sie noch arbeitssuchend<br />

waren, musste man sie an seriöse<br />

Stellenvermittlungen verweisen.<br />

Reisende, die <strong>Oberhausen</strong> als Zwischen-<br />

oder Umsteigestation erreichten,<br />

mussten während der Wartezeit<br />

auf den Anschlusszug betreut und vor<br />

Übergriffen geschützt werden. In vielen<br />

Fällen musste man ihnen auch eine<br />

zeitweilige Unterkunft besorgen. Noch<br />

vor dem Ersten Weltkrieg gründeten<br />

daher zum Jahreswechsel 1912/13 in<br />

Abb. 2: Bahnhofs-Mission.<br />

<strong>Oberhausen</strong>er Volkszeitung, 4.1.1913.<br />

25


100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />

früher ökumenischer Eintracht und<br />

Zusammenarbeit beide Konfessionen<br />

die <strong>Oberhausen</strong>er Bahnhofsmission.<br />

In der örtlichen Zeitung wurde immer<br />

wieder zur Mitarbeit an dieser ehrenamtlichen<br />

Tätigkeit aufgerufen (Abb.<br />

2).<br />

Seit dem Jahreswechsel 1912/13<br />

arbeitete also die Bahnhofsmission<br />

als erste diakonische Einrichtung in<br />

<strong>Oberhausen</strong>.<br />

Bereits am 24. Dezember 1912 hatte<br />

die <strong>Oberhausen</strong>er Volkszeitung auf die<br />

Arbeit der Bahnhofsmission hingewiesen<br />

und diese auch näher beschrieben,<br />

so dass wir einen kleinen Einblick in<br />

diese Tätigkeit erhalten (Abb. 3).<br />

Abb. 3: Von der Bahnhofsmission.<br />

<strong>Oberhausen</strong>er Volkszeitung, 24.12.1912.<br />

Im Laufe des Jahres 1913 wies die<br />

Zeitung immer mal wieder auf die<br />

Bahnhofsmission hin und diente dabei<br />

auch der Aufklärung der Bevölkerung.<br />

Am 30. August stellte sie zwei beispielhafte<br />

Fälle vor. Ein alleinstehendes<br />

junges Mädchen wartete auf dem<br />

<strong>Oberhausen</strong>er Bahnhof auf den Zug<br />

nach Düsseldorf und wurde dort von<br />

einem fremden Mann angesprochen,<br />

der vorgab, denselben Zug nehmen zu<br />

wollen. Einem Polizisten kam das Verhalten<br />

des Mannes, der den Reisekorb<br />

des Mädchens bereits in seinen Besitz<br />

gebracht hatte, verdächtig vor und<br />

schaltete die Dame von der Bahnhofsmission<br />

ein, die dafür sorgte, dass die<br />

junge Frau nicht mehr belästigt wurde<br />

und in einem Frauenabteil des Zuges<br />

nach Düsseldorf reisen konnte. <strong>Die</strong><br />

dortige Bahnhofsmission wurde telefonisch<br />

verständigt, so dass<br />

man sich auch am Zielbahnhof<br />

um sie kümmern konnte.<br />

Das zweite Beispiel handelte<br />

von einer jungen Frau<br />

aus dem Ausland, die im Zug<br />

nach <strong>Oberhausen</strong> von einem<br />

Mann aus Dorsten angesprochen<br />

worden war, der<br />

ihr eine lukrative Stellung<br />

versprochen hatte. Er fuhr<br />

mit ihr nach Bottrop, ging<br />

mit ihr zu Fuß weiter und<br />

26


Am Anfang stand ... ein Bahnhof<br />

vergewaltigte sie in einem<br />

Waldstück. Waldarbeiter<br />

vertrieben ihn und brachten<br />

das Mädchen zurück nach<br />

<strong>Oberhausen</strong>. Da sie von dem<br />

Mann auch bestohlen worden<br />

war, stand sie nun als<br />

Ausländerin mittellos und<br />

Abb. 4: Bahnhofs-Mission.<br />

<strong>Oberhausen</strong>er Volkszeitung, 20.1.1914.<br />

missbraucht am hiesigen Bahnhof. <strong>Die</strong><br />

Bahnhofsmission übernahm die weitere<br />

Betreuung und schaltete das zuständige<br />

Konsulat ein.<br />

<strong>Die</strong> <strong>Oberhausen</strong>er Bevölkerung<br />

wurde mit solchen Beiträgen über die<br />

Existenz und die Tätigkeit der Bahnhofsmission<br />

aufgeklärt und sicher<br />

auch zur Unterstützung motiviert. Folgerichtig<br />

wurde am 20. Januar 1914<br />

auch auf das Jahresfest der Bahnhofsmission<br />

hingewiesen (Abb. 4).<br />

Abb. 5: Todesanzeige Frau Direktor<br />

Professor Franck.<br />

<strong>Oberhausen</strong>er Zeitung, 20.2.1920.<br />

Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs<br />

unterbrach die weitere Berichterstattung<br />

über die Arbeit der Bahnhofsmission,<br />

die zweifelsohne unter den<br />

Kriegsumständen nötiger war denn je.<br />

Auch wenn wir von der <strong>Oberhausen</strong>er<br />

Bahnhofsmission nichts weiter erfahren,<br />

dürfte doch auch hier zutreffen,<br />

27


100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />

was allgemein über die Arbeit während<br />

des Krieges festzuhalten ist. Es<br />

war „nicht mehr die Rede von stellensuchenden<br />

Mädchen. <strong>Die</strong> Bahnhofsmissionen<br />

mühten sich nunmehr um<br />

Soldaten- und Verwundetentransporte,<br />

betreuten Eisenbahnschaffnerinnen<br />

und Rüstungsarbeiterinnen, Flüchtlinge<br />

und alle Hilfesuchende am Bahnhof.<br />

[…] Auf diese Weise wurde während<br />

und nach dem Ersten Weltkrieg die ursprüngliche<br />

Mädchenschutzarbeit auf<br />

eine umfassende Hilfe ausgeweitet für<br />

die über die Bahnhöfe zurückkehrenden<br />

Soldaten und wenige Jahre später<br />

für die Heere von Arbeitssuchenden,<br />

die von Stadt zu Stadt zogen.“ 22<br />

Als am 18. Februar 1920 die Mitbegründerin<br />

der Evangelischen Bahnhofsmission<br />

<strong>Oberhausen</strong>, Franck,<br />

starb, würdigte Pfarrer Neussel ihre<br />

Verdienste in einer Traueranzeige in<br />

der <strong>Oberhausen</strong>er Zeitung (Abb. 5).<br />

Wie werden die Arbeit der <strong>Oberhausen</strong>er<br />

Bahnhofsmission in den folgenden<br />

Kapiteln weiter verfolgen.<br />

Gertrud Zillich und der<br />

Evangelische Frauenverein<br />

für Jugendschutz e.V.<br />

Eng mit der Bahnhofsmission in<br />

<strong>Oberhausen</strong> verbunden war die Arbeit<br />

der Lehrerin Gertrud Zillich. Mit Blick<br />

auf die Not junger Frauen am Ende<br />

des Ersten Weltkriegs, die erst in den<br />

Rüstungs- und Munitionsfabriken ihre<br />

Stellen verloren, dann auch in vielen<br />

anderen Betrieben, um Platz für die<br />

heimkehrenden Soldaten zu machen,<br />

gründete sie zusammen mit Pfarrer<br />

Neussel und einigen weiteren evangelischen<br />

Pfarrern und engagierten Christinnen<br />

und Christen am 23. März 1918<br />

den Evangelischen Frauenverein für<br />

Jugendschutz e.V. 23 Sie gilt als herausragende<br />

Gründerpersönlichkeit der<br />

Diakonie in <strong>Oberhausen</strong>. 24<br />

rechte Seite Abb. 6: Entwicklungsbericht<br />

des Evangelischen Frauenvereins für<br />

Jugendschutz e.V. 1917 – 1925.<br />

28


29<br />

Am Anfang stand ... ein Bahnhof


100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />

Gertrud Zillich war eine Pfarrerstochter<br />

aus Pommern. Nach einer Ausbildung<br />

in Bethel ging sie in die Mission<br />

nach Afrika. Nach ihrer Heirat<br />

mit dem Lehrer Dr. Johannes Zillich<br />

zog das Ehepaar nach <strong>Oberhausen</strong>.<br />

Während des Ersten Weltkriegs kümmerte<br />

sich Gertrud Zillich um Verwundete<br />

in den <strong>Oberhausen</strong>er Krankenhäusern.<br />

Gleichzeitig übernahm<br />

sie den Vorsitz des von ihr mitgegründeten<br />

Vereins. <strong>Die</strong>ser hatte sich zur<br />

Aufgabe genommen „nachgehende<br />

Fürsorge an gefährdeten Kindern beiderlei<br />

Geschlechts und weiblichen Erwachsenen<br />

[anzubieten und] Rat und<br />

Hilfe für Arbeit und Erwerb suchende<br />

Mädchen [zu gewähren].“ 25<br />

Eine Bahnhofsmissionarin unterstützte<br />

Gertrud Zillich in den ersten<br />

Jahren bei ihrer Arbeit, die schnell größeren<br />

Umfang entwickelte. 1919 wurden<br />

427 Personen, darunter 119 Fürsorgefälle,<br />

im Heim- und Außendienst<br />

betreut. „<strong>Die</strong> Gemeinschaft mit der<br />

Bahnhofsmission wurde durch Uebernahme<br />

ihres Heimzimmers gefestigt,<br />

die Verbindung mit den Gemeindeschwestern<br />

gesucht, die Arbeitsgebiete<br />

mit den Behörden und katholischen<br />

Vereinen der Stadt eingeteilt und abgegrenzt.“<br />

26 (Abb. 6)<br />

<strong>Die</strong> Arbeit wurde immer umfangreicher,<br />

so dass im Oktober 1919 Schwester<br />

Margarethe Giese aus Berlin hinzukam.<br />

Ende 1920 konnte der Verein das<br />

Haus Marktstraße 193/195 erwerben,<br />

in dem zunächst ein Mädchenschutzheim<br />

mit acht Plätzen eingerichtet<br />

wurde. Auch die Bahnhofsmission<br />

konnte bei Bedarf junge weibliche Reisende<br />

dort kurzzeitig unterbringen.<br />

In der jungen Weimarer Republik<br />

stieg die Arbeitslosigkeit stark an, die<br />

sozialen und wirtschaftlichen Probleme<br />

der Kriegsfolgen waren enorm. Auf<br />

Dauer war Schwester Margarete Giese<br />

nicht in der Lage, gleichzeitig die Aufgaben<br />

der Hausmutter und den <strong>Die</strong>nst<br />

als Außenfürsorgerin wahrzunehmen.<br />

1921 trennte sich daher der Zweig der<br />

„nachgehenden Fürsorge“ zu einem<br />

eigenen <strong>Die</strong>nst der evangelischen Gemeinden<br />

Alt-<strong>Oberhausen</strong>s ab. In der<br />

verwaltungstechnischen Sprache des<br />

Entwicklungsberichts liest sich das so:<br />

„1920 – 1924 wächst sich die offene<br />

Fürsorge von der berufenen Vereinsarbeit<br />

zur beamteten Gemeindearbeit<br />

und Jugendpfarramt aus.“ 27 Das Evangelische<br />

Jugendpfarramt – das heutige<br />

Diakonische <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong> – wurde<br />

gegründet und Schwester Giese<br />

übernahm dessen Leitung zusammen<br />

mit Pfarrer Dr. Wilhelm Schmidt<br />

30


Am Anfang stand ... ein Bahnhof<br />

von der Christuskirche. Ganz ohne<br />

Schmerzen vollzog sich diese Entwicklung<br />

wohl nicht. In der Festschrift zum<br />

100-jährigen Bestehen der Christusgemeinde<br />

aus dem Jahr 1964 ist zu lesen:<br />

„Ursprünglich war daran gedacht worden,<br />

Jugendpflege und Jugendfürsorge<br />

in dieser Stelle zusammenzufassen.<br />

Das Jugendpfarramt ist jedoch nicht<br />

so umfassend geworden, wie sein Initiator<br />

es sich gedacht hatte. <strong>Die</strong> dafür<br />

erforderliche Einmütigkeit der Beteiligten<br />

war nicht vorhanden.“ 28<br />

31


Diakonie im <strong>Oberhausen</strong> der Weimarer Zeit<br />

DIAKONIE IM OBERHAUSEN<br />

DER WEIMARER ZEIT<br />

Nach der Einführung der Kranken-,<br />

Unfall- und Rentenversicherung<br />

durch Bismarck in den 1880er-Jahren<br />

erfolgte der Aufbau des deutschen Sozialstaats,<br />

wie wir ihn heute kennen,<br />

im Wesentlichen in der Weimarer Republik.<br />

In den ersten Jahren der jungen<br />

Republik wurden die Grundlagen<br />

für die zukünftige Sozialfürsorge gelegt.<br />

Der Staat gab nun immer stärker<br />

den Rechtsrahmen vor und kam<br />

auch verstärkt für die Finanzierung<br />

der Sozialen Arbeit auf. Hier nahm<br />

eine Entwicklung ihren Anfang, die<br />

bis heute das Verhältnis von Staat<br />

bzw. Kommunen einerseits und freier<br />

Wohlfahrtspflege andererseits bestimmt.<br />

Mit dem Ende der Monarchie in<br />

Deutschland war eine Jahrtausende<br />

alte Institution verschwunden, die seit<br />

dem römischen Kaiser Konstantin die<br />

christliche Wohltätigkeit aktiv unterstützt<br />

hatte. Der Wechsel von der Monarchie<br />

zur Republik bedeutete für die<br />

diakonischen Einrichtungen eine völlig<br />

neue Situation. Auf welcher Grundlage<br />

sollten sie zukünftig arbeiten? <strong>Die</strong><br />

evangelischen Kirchen taten sich mit<br />

dieser Entwicklung recht schwer, wie in<br />

dem Diakonischen Kompendium betont<br />

wird: „Hatte der Protestantismus<br />

das Kaiserreich als einen mehr oder<br />

weniger evangelischen Staat verstanden,<br />

so stand er der entstehenden Weimarer<br />

Republik skeptisch gegenüber,<br />

auch weil er nicht so wie der Katholizismus<br />

mit dem Zentrum über eine<br />

politische Partei mitgestalten konnte,<br />

was sich auch sozialpolitisch auswirkte.“<br />

29 In patriotischer Gesinnung hatte<br />

auch die Innere Mission im Krieg ein<br />

Mittel der geistigen Erneuerung zu erkennen<br />

geglaubt. 30 Umso schwerer tat<br />

man sich mit den neuen Verhältnissen<br />

nach der Kriegsniederlage, der Revolution<br />

von 1918 und des Versailler Vertrags.<br />

<strong>Die</strong> erste hatten viele Menschen<br />

als Verrat durch die Sozialdemokraten<br />

empfunden, die zweite bedeutete den<br />

Verlust einer staatlichen Ordnung, die<br />

man aus christlicher Überzeugung für<br />

gottgegeben gehalten hatte, und der<br />

dritte konnte nur als einzige Demütigung<br />

durch die Siegermächte begriffen<br />

33


100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />

werden. Mit dieser distanzierten Haltung<br />

zum neuen Staat ging man daran,<br />

die praktische Fürsorge unvermindert<br />

und in Zusammenarbeit mit der Stadt<br />

und anderen Fürsorgevereinen fortzusetzen.<br />

Vom Jugendpfarramt zum<br />

Jugend- und Wohlfahrtsamt<br />

<strong>Die</strong> staatlichen und kommunalen<br />

Strukturen des Kaiserreichs wurden<br />

nun im neuen demokratischen Geist<br />

überarbeitet. So wurde in <strong>Oberhausen</strong><br />

das Städtische Jugendamt mit dem<br />

Wohlfahrtsamt zusammengeführt.<br />

Um dieser Entwicklung zu entsprechen,<br />

wurde 1923 auch das Jugendpfarramt<br />

in „Evangelisches Jugendund<br />

Wohlfahrtsamt“ umbenannt.<br />

Seit den Anfängen des Jugendpfarramtes<br />

liegen Jahresberichte über seine<br />

Tätigkeit vor. Sie erlauben einen Einblick<br />

in die Notlage vieler <strong>Oberhausen</strong>er<br />

während der Weimarer Republik<br />

(natürlich hauptsächlich mit Blick auf<br />

die Bedürftigen der eigenen Konfession)<br />

und mit welchem Engagement<br />

man versuchte, ihr zu begegnen.<br />

In Folge des Krieges war die soziale<br />

Lage in Deutschland sehr angespannt.<br />

Kriegsheimkehrer und insbesondere<br />

Kriegsversehrte fanden keine Arbeit,<br />

Frauen, die während des Krieges die<br />

Arbeitsplätze in Industrie und Wirtschaft<br />

eingenommen hatten, mussten<br />

wieder ausscheiden, um Männern<br />

Platz zu machen. <strong>Die</strong> Reparationen,<br />

die der Versailler Vertrag dem Deutschen<br />

Reich auferlegte, stellten eine<br />

große wirtschaftliche Belastung dar.<br />

Als das Deutsche Reich sich nicht<br />

mehr in der Lage sah, die Reparationszahlungen<br />

zu leisten, erfolgte die Ruhrbesetzung<br />

durch die Alliierten, was<br />

von deutscher Seite mit Generalstreiks<br />

beantwortet wurde. Auch <strong>Oberhausen</strong><br />

war davon betroffen. Da man am Ende<br />

dem Druck der Alliierten nachgeben<br />

musste, warf die Reichsregierung die<br />

„Gelddruckmaschine“ an und nahm<br />

eine Hyperinflation in Kauf. Schon<br />

während des Ersten Weltkriegs hatte<br />

die Deutsche Mark über die Hälfte<br />

ihres Wertes verloren. Der Höhepunkt<br />

der Inflation war im November 1923<br />

erreicht, ehe eine Währungsreform die<br />

Rentenmark (später Reichsmark) einführte.<br />

<strong>Die</strong>se Zeit der Hyperinflation betraf<br />

natürlich auch die Arbeit des Evangelischen<br />

Jugendpfarramtes. Der Jahresbericht<br />

für den Zeitraum 1. April 1922<br />

bis 31. März 1923 wies eine horren-<br />

34


Diakonie im <strong>Oberhausen</strong> der Weimarer Zeit<br />

de Einnahmen-Ausgaben-Rechnung<br />

auf. Gesamteinnahmen in Höhe von<br />

576.299,32 Mark standen Ausgaben<br />

gleicher Höhe gegenüber. 400.000<br />

Mark gingen dabei auf die Evangelischen<br />

Kirchengemeinden <strong>Oberhausen</strong><br />

I, <strong>Oberhausen</strong> II und Alstaden. <strong>Die</strong><br />

Stadt war mit 90.000 Mark der zweitgrößte<br />

Finanzier. Aus öffentlichen<br />

Fonds stammten gut 77.000 Mark. 31<br />

Zum Vergleich: Das Briefporto, das<br />

am Jahresende 1918 noch bei 15 Pfennig<br />

gelegen hatte, kostete am 31. Dezember<br />

1922 bereits 2 Mark. Am 31.<br />

Januar 1923 lag es 50 Mark und am<br />

26. Juni 1923 bei 100 Mark (Abb. 7).<br />

Pfarrer Dr. Schmidt hatte seinen Jahresbericht<br />

am 15. Mai 1923 abgefasst.<br />

Von dieser Zeit an verlor die Inflation<br />

jedes Maß und am 9. November 1923<br />

lag das Porto bei einer Milliarde Mark.<br />

Abb. 7: 100 Mark Inlandsbriefporto<br />

1. März bis 30. Juni 1923.<br />

Sechs Tage später erfolgte eine Währungsreform<br />

und das Porto belief sich<br />

von da an auf 10 Rentenpfennige. <strong>Die</strong><br />

tatsächliche Kaufkraft des Geldes war<br />

also bedeutend geringer als die hohen<br />

Zahlenwerte suggerieren.<br />

<strong>Die</strong> Bahnhofsmission<br />

während und nach<br />

der Besatzung<br />

Auch in anderer Weise war die<br />

Arbeit der diakonischen Einrichtungen<br />

durch die Zeitumstände beeinträchtigt.<br />

So verbot die alliierte Besatzung<br />

der Bahnhofsmission zunächst<br />

ihr Wirken. Bahnhöfe waren öffentliche<br />

Orte, an denen sich immer wieder<br />

Unruhen entzünden konnten. So auch<br />

in <strong>Oberhausen</strong>, dessen Bahnhof am<br />

23. Januar 1923 von belgischem Militär<br />

besetzt worden war. Das Bahnhofspersonal<br />

wurde zeitweise festgesetzt,<br />

der Zugverkehr unterbunden. Reisende<br />

saßen fest und es kam zu Tumulten<br />

am Bahnhofsvorplatz. Am 7. Februar<br />

stellte das städtische Elektrizitätswerk<br />

als Antwort auf den unterbundenen<br />

Zugverkehr dem Bahnhof den Strom<br />

ab. Am 21. Februar wurde ein Polizist<br />

auf dem Bahnhofsvorplatz von französischen<br />

Soldaten tödlich verletzt. <strong>Die</strong><br />

35


100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />

Situation drohte zu eskalieren. Französische<br />

Einheiten hatten inzwischen<br />

die Belgier abgelöst und nahmen den<br />

<strong>Oberhausen</strong>er Oberbürgermeister Havenstein<br />

im Rathaus fest, was deutschlandweit<br />

Aufsehen erregte. Sowohl<br />

Havenstein als auch sein Stellvertreter<br />

wurden zu Haftstrafen verurteilt. <strong>Die</strong><br />

Unterbrechung der Zugverbindungen<br />

in <strong>Oberhausen</strong> hatte natürlich Auswirkungen<br />

auf den gesamten Eisenbahnverkehr.<br />

Überall wurden Streiks<br />

ausgerufen, im Gegenzug wiesen die<br />

Besatzungsbehörden Eisenbahnmitarbeiter<br />

aus dem besetzten Gebiet aus.<br />

Auch <strong>Oberhausen</strong>er Eisenbahner waren<br />

davon betroffen. Erst ab November<br />

1924 konnten sie wieder nach Hause<br />

zurückkehren. 32 Kein Zugverkehr, dafür<br />

chaotische und gefährliche Zustände<br />

am Bahnhof. Auch unabhängig vom<br />

Betätigungsverbot wäre eine Arbeit<br />

der ehrenamtlichen Helferinnen der<br />

Bahnhofsmission unmöglich gewesen.<br />

Erst am 24. Juni 1924 wurde das Verbot<br />

zurück genommen (Abb. 8). 33<br />

Dennoch dauerte es einige Zeit, bis<br />

in <strong>Oberhausen</strong> die Arbeit wieder aufgenommen<br />

wurde. In einem Artikel<br />

der <strong>Oberhausen</strong>er Zeitung vom 11. Januar<br />

1925 wurde auf eine Sammlung<br />

zugunsten der Bahnhofsmission aufmerksam<br />

gemacht, in dem zugleich<br />

darauf hingewiesen wurde, dass man<br />

sich zukünftig nicht mehr nur um<br />

weibliche Reisende kümmern wolle,<br />

sondern auch um männliche Jugendliche.<br />

34<br />

Wie schon vor dem Ersten Weltkrieg,<br />

als die evangelische und katholische<br />

Bahnhofsmissionen neu gegründet<br />

waren, erschienen auch während<br />

der Weimarer Republik immer wieder<br />

Artikel in den <strong>Oberhausen</strong>er Lokalzeitungen,<br />

die für deren Arbeit warben. 35<br />

<strong>Die</strong> Bahnhofsmission war damit die<br />

in der Presse am häufigsten berichtete<br />

und beworbene Arbeit der evangelischen<br />

Diakonie.<br />

Abb. 8: Wiederzulassung der Bahnhofsmission.<br />

<strong>Oberhausen</strong>er Zeitung, 24.6.1924.<br />

36


Diakonie im <strong>Oberhausen</strong> der Weimarer Zeit<br />

Eine neue Grundlage<br />

für die Wohlfahrtspflege:<br />

Das Reichsjugendwohlfahrtsgesetz<br />

Am 1. April 1924 trat schließlich<br />

das Reichsjugendwohlfahrtsgesetz in<br />

Kraft, das bereits 1922 vom Deutschen<br />

Reichstag beschlossen worden war<br />

(Abb. 9). Es löste den preußischen Jugendpflegeerlass<br />

von 1911 ab und legte<br />

erstmals die Grundlagen für die Soziale<br />

Arbeit in ganz Deutschland. <strong>Die</strong><br />

nichtstaatlichen Organisationen der<br />

freien Wohlfahrtspflege gründeten, so<br />

fern noch nicht geschehen, Spitzenverbände,<br />

die fortan Ansprechpartner für<br />

Staat und Kommune darstellten. Seitdem<br />

ist die Soziale Arbeit in Deutschland<br />

geprägt von einem Miteinander<br />

staatlicher und freier Wohlfahrtspflege.<br />

Das Reichsjugendwohlfahrtsgesetz<br />

wurde 1961 unverändert umbenannt<br />

in „Gesetz für Jugendwohlfahrt“ und<br />

galt in der Bundesrepublik bis 1990.<br />

<strong>Die</strong> deutsche Einheit machte eine neue<br />

Gesetzesgrundlage nötig.<br />

Der Geschäftsführende Direktor des<br />

Rheinischen Provinzialausschusses für<br />

Innere Mission, Pfarrer Otto Ohl, kam<br />

in einer Rede 1923 auf diese Entwicklung<br />

zu sprechen. Er verwies „auf die<br />

innovative Rolle, die die Innere Mission<br />

innerhalb der Verbände der Freien<br />

Wohlfahrtspflege und bei den sozialen<br />

Aufgaben innerhalb des Staatswesens<br />

übernommen habe.“ 36 Man erkannte,<br />

dass das starke staatliche Engagement<br />

positiv für die Wohlfahrtspflege war<br />

und keinen Angriff auf die konfessionelle<br />

Wohlfahrtspflege darstellte.<br />

In <strong>Oberhausen</strong> lud das Städtische<br />

Wohlfahrtsamt erstmals 1925 die Spitzenorganisationen<br />

der Freien Wohlfahrtspflege<br />

zu einer Besprechung ein.<br />

In jährlicher Folge wurde in dieser<br />

Zusammensetzung über die Probleme<br />

der Fürsorgearbeit in <strong>Oberhausen</strong><br />

gesprochen und über die städtischen<br />

Zuschüsse für einzelne Projekte der<br />

Freien Wohlfahrtspflege. Dabei war<br />

zu berücksichtigen, dass nunmehr auf<br />

der neuen gesetzlichen Grundlage einige<br />

Bereiche der kommunalen Wohlfahrtspflege<br />

an die freien Träger delegiert<br />

wurden, so dass diese für ihre<br />

Arbeit von der Stadt finanziert werden<br />

mussten. <strong>Die</strong>s entsprach der Idee<br />

der Subsidiarität, wonach der Staat im<br />

Verhältnis zur Gesellschaft nicht mehr,<br />

aber auch nicht weniger tun soll, als<br />

Hilfe zur Selbsthilfe anzubieten. Konkret<br />

hieß das, in der Wohlfahrtspflege<br />

sollten vor Stadt und Staat zunächst die<br />

37


100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />

Abb. 9: Auszug aus dem Reichsgesetzblatt Nr. 54 vom 29. Juli 1922.<br />

38


Diakonie im <strong>Oberhausen</strong> der Weimarer Zeit<br />

Freien Träger zum Zuge kommen. In<br />

<strong>Oberhausen</strong> gehörten zu diesem Kreis<br />

evangelischerseits die Innere Mission,<br />

vertreten durch Pfarrer Dr. Wilhelm<br />

Schmidt, katholischerseits der Caritasverband,<br />

dazu die Arbeiterwohlfahrt,<br />

der Vaterländische Frauenverein (eine<br />

Unterorganisation des Roten Kreuzes)<br />

und die Israelitische Wohlfahrtspflege.<br />

<strong>Die</strong> katholischen Einrichtungen<br />

erhielten erstmals von der Stadt 3.000<br />

RM für die laufende Arbeit und 9.500<br />

RM für Gebäude, die evangelischen<br />

erhielten 2.750 RM für die laufende<br />

Arbeit und 4.000 RM für Gebäude, die<br />

Arbeiterwohlfahrt 3.000 RM für laufende<br />

Zwecke. <strong>Die</strong> beiden anderen Institutionen<br />

erhielten keine städtischen<br />

Zuwendungen mit der Begründung:<br />

„Beide Organisationen dürften auch<br />

allgemein so gestellt sein, dass eine<br />

Unterstützung der Stadt nicht so dringend<br />

notwendig ist wie bei den übrigen<br />

Organisationen.“ Sowohl der Vaterländische<br />

Frauenverein als auch die<br />

Israelitische Wohlfahrtspflege hatten<br />

schon gar keinen Antrag bei der Stadt<br />

eingereicht. 37<br />

Margarethe Giese hatte 1924 ihrer<br />

Hoffnung Ausdruck gegeben, dass die<br />

geplante Zusammenarbeit der gesamten<br />

Wohlfahrtspflege eine aktivere und<br />

erfolgreichere Kooperation auf diesem<br />

Gebiet ermöglichen werde. 38 In der Tat<br />

erwies sich dieses Miteinander als sehr<br />

eng und gut. Herta Zilly 39 und Gerhard<br />

Holtz betonten in der Festschrift zum<br />

75-jährigen Jubiläum des Diakonischen<br />

<strong>Werk</strong>es 1996: „Auf katholischer<br />

Seite gab es den Katholischen Fürsorgeverein,<br />

der nur wenig später als das<br />

Evangelische Jugendpfarramt gegründet<br />

worden war. Der dortige Leiter,<br />

Pastor Schmitz, arbeitete eng mit dem<br />

Evangelischen Jugendpfarramt zusammen.<br />

Beide hatten bald eine rege<br />

Arbeitsverbindung mit dem ersten<br />

Jugendamtsleiter der Stadt, Herrn Dr.<br />

Langweg – wie in einem Bericht aus<br />

jener Zeit formuliert.“ 40 Da die Stadt<br />

die Arbeit der Freien Wohlfahrtsverbände<br />

bezuschusste, mussten diese<br />

jährlich über die Verwendung der Gelder<br />

Rechenschaft ablegen. Aus diesen<br />

Tätigkeitsberichten erhalten wir heute<br />

noch einen gewissen Einblick in deren<br />

Arbeit.<br />

Gleichwohl wurde jährlich in diesen<br />

Sitzungen um die Höhe der Zuschüsse<br />

kräftig gerungen. Caritas und Innere<br />

Mission standen hierbei meist Seit an<br />

Seit gegen die Arbeiterwohlfahrt. Nach<br />

langem Ringen zahlte die Stadt <strong>Oberhausen</strong><br />

Ende 1925 folgende Zuschüsse,<br />

wie sie in der Tabelle oben dargestellt<br />

sind.<br />

39


100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />

laufende Zwecke<br />

Caritasverband<br />

Fürsorgeverein für Frauen, Mädchen und<br />

Kinder sowie Männerfürsorgeverein<br />

Kath. Mädchenschutzverein<br />

Kath. Bahnhofsmission<br />

Innere Mission<br />

Offene Fürsorge (Jugendfürsorge)<br />

Frauenverein für Jugendschutz<br />

Evang. Bahnhofsmission<br />

Arbeiterwohlfahrt<br />

5.250 Mark<br />

4.500 Mark<br />

500 Mark<br />

250 Mark<br />

3.750 Mark<br />

3.000 Mark<br />

500 Mark<br />

250 Mark<br />

3.000 Mark<br />

Hinzu kamen einmalige Leistungen<br />

für Bauprojekte. Für evangelische<br />

Einrichtungen beliefen sich diese auf<br />

4.000 Mark.<br />

<strong>Die</strong> Neustrukturierung der Wohlfahrtspflege<br />

stellte nicht nur für <strong>Oberhausen</strong><br />

Neuland dar. 1925 fragte die<br />

Stadt Barmen (heute ein Stadtteil<br />

von Wuppertal) an, wie hoch die Zuschüsse<br />

der Stadt <strong>Oberhausen</strong> für das<br />

Evangelische Jugend- und Wohlfahrtsamt<br />

seien. Das dortige Jugend- und<br />

Wohlfahrtsamt hatte seinen Antrag<br />

auf Unterstützung ausdrücklich mit<br />

Verweis auf die <strong>Oberhausen</strong>er Praxis<br />

begründet. <strong>Die</strong> Stadt Barmen wollte<br />

zugleich auch erfahren, welche Verpflichtungen<br />

die konfessionellen Einrichtungen<br />

gegenüber der Stadt eingegangen<br />

seien. In der Antwort der Stadt<br />

<strong>Oberhausen</strong> wurden die Arbeitsbereiche<br />

des Evangelischen Jugend- und<br />

Wohlfahrtsamt beschrieben: Es „versieht<br />

auf dem Gebiete der Jugendwohlfahrtspflege<br />

den Außendienst in der<br />

Fürsorgeerziehung, in der Schutzaufsicht<br />

und in der Jugendgerichtsbarkeit.<br />

Ausserdem leistet es durch den Evgl.<br />

Frauenverein für Jugendschutz der<br />

Stadt wertvolle <strong>Die</strong>nste durch seine<br />

halboffene Fürsorge gefährdeter junger<br />

Mädchen, Frauen und Kinder.“ 41<br />

40


Diakonie im <strong>Oberhausen</strong> der Weimarer Zeit<br />

<strong>Die</strong> Stadt Barmen hatte gleichlautende<br />

Anfragen an viele Städte im<br />

Rheinland und dem Ruhrgebiet verschickt.<br />

Das Ergebnis war von Stadt<br />

zu Stadt sehr unterschiedlich. Duisburg<br />

zahlte 1924 beispielsweise 2.500<br />

RM an die freie Wohlfahrtspflege und<br />

plante für 1925 mit dem gleichen Betrag.<br />

Dortmund übernahm 75 Prozent<br />

der Personalkosten von je vier evangelischen<br />

und katholischen Vereinen.<br />

Düsseldorf veranschlagte für 1925<br />

einen Betrag von 50.000 RM. An dieser<br />

Aufstellung wird deutlich, wie tastend<br />

sich die Kommunen und die Träger<br />

der Freien Wohlfahrtsverbände an<br />

die neue Situation heran bewegten. 42<br />

Nicht nur die Kommunen unterstützten<br />

die Arbeit der Freien Wohlfahrtspflege.<br />

Auch die Rheinprovinz<br />

stellte 1924 2.000 RM für die „Besserung<br />

der gefährdeten und verwahrlosten<br />

Jugend“ zur Verfügung. 43 Davon<br />

gingen 40 RM an den katholischen<br />

Fürsorgeverein und 30 RM an das<br />

Evangelische Jugendamt.<br />

<strong>Die</strong> Umstellung der Wohlfahrt nach<br />

Inkrafttreten des Reichsjugendwohlfahrtsgesetzes<br />

betraf nicht nur die Finanzierung.<br />

Es musste geklärt werden,<br />

welche Organisationen als seriöse<br />

Ansprechpartner für die Kommunen<br />

in Frage kamen. <strong>Die</strong> Freien Wohlfahrtsverbände<br />

schlossen sich teilweise<br />

zu einem engeren Verbund zusammen,<br />

wie der Deutsche Städtetag<br />

am 1. Juni 1925 seinen Mitgliedern<br />

mitteilte. So hatten sich der Zentralausschuss<br />

für die Innere Mission, der<br />

Deutsche Caritasverband, die Zentralwohlfahrtsstelle<br />

der deutschen Juden,<br />

die Vereinigung der freien privaten<br />

gemeinnützigen Wohlfahrtseinrichtungen<br />

Deutschlands und der Zentralwohlfahrtsausschuss<br />

der christlichen<br />

Arbeiterschaft in der „Deutschen Liga<br />

der freien Wohlfahrtspflege“ zusammen<br />

gefunden. Ausgeschlossen waren<br />

dagegen das Deutsche Rote Kreuz und<br />

der Hauptausschuss für Arbeiterwohlfahrt.<br />

44 <strong>Die</strong>s sollte auch die eigene Position<br />

gegenüber den Kommunen stärken.<br />

Da die Arbeiterwohlfahrt damals<br />

die Bedeutung der Freien Wohlfahrtspflege<br />

anders einschätzte, sich selbst<br />

nur als Übergangslösung ansah und<br />

die Stellung von Staat und Kommunen<br />

stärken wollte, nahm sie an dieser Vereinigung<br />

nicht teil. 45<br />

<strong>Die</strong> neue Rechtslage und Verwaltungsstruktur<br />

war kompliziert.<br />

Deshalb wurden Fortbildungsveranstaltungen<br />

durchgeführt. <strong>Die</strong> Verwaltungshochschule<br />

der Universität<br />

Köln und die Wohlfahrtsschule der<br />

41


100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />

Stadt Köln boten beispielsweise zusammen<br />

mit dem Landeshauptmann<br />

der Rheinprovinz und den Regierungspräsidenten<br />

von Köln, Aachen,<br />

Koblenz und Trier im Juni 1924 eine<br />

einwöchige Schulung an. Ziel war es,<br />

„Organisationsschwierigkeiten, die<br />

sich zu Beginn der Durchführung des<br />

Jugendwohlfahrtsgesetzes und der<br />

Fürsorgepflichtverordnung bereits gezeigt<br />

haben“, anzusprechen und Hilfe<br />

zu leisten. Aus den Akten der Stadt<br />

Osterfeld geht allerdings hervor, dass<br />

zumindest dort eine Teilnahme nicht<br />

beabsichtigt war. 46<br />

<strong>Die</strong> Arbeit des Jugend- und<br />

Wohlfahrtsamtes bis zum<br />

Ende der Weimarer Republik<br />

Aus den Besprechungsprotokollen<br />

kann man erkennen, wie die Arbeit<br />

der Inneren Mission erfolgte. Pfarrer<br />

Dr. Schmidt begründete nämlich seinen<br />

Antrag damit, „dass vor allem die<br />

Arbeit in der Jugendfürsorge Berücksichtigung<br />

finden müsse. <strong>Die</strong> ‚Innere<br />

Mission‘ beschäftige in der offenen Jugendfürsorge<br />

drei vorgebildete Kräfte,<br />

die nach Gruppe VI bezahlt würden<br />

und die fast ausschliesslich mit Aufgaben<br />

bedacht seien, die zugleich Pflichtaufgaben<br />

der Gemeinden sind. Jede<br />

Fürsorgerin erhalte durchschnittlich<br />

250.-- Mk., sodass allein für Personal<br />

in der offenen Fürsorge der Inneren<br />

Mission eine Ausgabe von Jährlich<br />

9.000 Mk. entstehe. Es sei nicht unbillig,<br />

wenn die Innere Mission eine Beihilfe<br />

von 3.000 Mk. für die offene Fürsorge<br />

erwarte.“ 47<br />

Um die immer weiter wachsende<br />

Arbeit zu bewältigen, wurde am 1. April<br />

1924 eine weitere Fachkraft, Fürsorgerin<br />

Maria Middendorf, eingestellt. 48<br />

Sie arbeitete 36 Jahre für die Diakonie<br />

<strong>Oberhausen</strong>, ehe sie zum 1. April 1960<br />

feierlich in den Ruhestand verabschiedet<br />

wurde. <strong>Die</strong> gebürtige Ostfriesin<br />

Maria Middendorf war die Schwester<br />

des späteren Kirchenpräsidenten der<br />

Evangelisch-reformierten Kirche in<br />

Nordwestdeutschland, Friedrich Justus<br />

Heinrich Middendorf. Ihre Schwester<br />

war Pfarrfrau in Alstaden und so kam<br />

der Kontakt zu <strong>Oberhausen</strong> zustande.<br />

Zudem wurde eine weitere Stelle im<br />

Jugend- und Wohlfahrtsamt geschaffen,<br />

die für die Rechtsberatung zuständig<br />

sein sollte. <strong>Die</strong>se Stelle übernahm<br />

Frau Dr. König. Über die Arbeit dieser<br />

Rechtsschutzstelle informiert uns<br />

ein kurzer Bericht an die Stadt vom<br />

42


Diakonie im <strong>Oberhausen</strong> der Weimarer Zeit<br />

Themengebiet<br />

Anzahl<br />

Beratungen<br />

Familienrecht 41<br />

sonstiges<br />

bürgerliches Recht<br />

17. März 1926. Man musste zugeben,<br />

dass die Einrichtung noch nicht wirklich<br />

bekannt geworden sei. Im Zeitraum<br />

Juni bis Dezember 1925 wurde<br />

die Einrichtung 117 mal in Anspruch<br />

genommen. Dabei ging die Mehrzahl<br />

der Fälle über eine bloße Rechtsberatung<br />

hinaus (offenbar waren vor allem<br />

männliche Ratsuchende damit zufrieden):<br />

„<strong>Die</strong> Beamtin hat in Sachen der<br />

Rechtsschutzstelle genau 100 persönliche<br />

Ermittlungen und Besprechungen<br />

bei Privaten erledigt, 52 Verhandlungen<br />

mit Behörden und ähnlichen Stellen<br />

geführt, 67 Briefe und Schriftstücke<br />

angefertigt. Weiter waren erforderlich:<br />

4 Begleitungen von Ratsuchenden,<br />

3 Reisen, 7 Sitzungen und die persönliche<br />

Wahrnehmung von Terminen in<br />

nur 1 Falle.“ 49 Aufgeführt wird auch<br />

die Verteilung der Fälle auf die <strong>Oberhausen</strong>er<br />

Gemeinden: 76 kamen aus<br />

der Kirchengemeinde <strong>Oberhausen</strong> I<br />

(Christuskirche), 9 aus der Kirchengemeinde<br />

<strong>Oberhausen</strong> II (Lutherkirche),<br />

11 aus der Kirchengemeinde<br />

Alstaden und 21 aus anderen Kirchengemeinden.<br />

<strong>Die</strong> Aufgliederung nach<br />

Themengebieten der Beratungen ist<br />

aufschlussreich. Familienrechtliche<br />

Fragen stehen unangefochten an der<br />

Spitze. Ehe- und Familienstreitfragen<br />

beschäftigte offenbar die Menschen<br />

besonders, so dass sie Rechtshilfe such-<br />

Privatversicherungsfragen<br />

Sozialversicherung/<br />

Rentenfragen<br />

21<br />

2<br />

18<br />

Arbeitsstreitigkeiten 6<br />

Steuersachen 2<br />

Aufwertung 13<br />

Sonstige 14<br />

Summe 117<br />

ten. Auffallend gering sind dagegen die<br />

arbeitsrechtlichen Fragen.<br />

Auch in den Folgejahren blieb die<br />

Nachfrage nach der Rechtsberatung<br />

hinter den Erwartungen zurück. Als<br />

die Fürsorgerin, eine Nationalökonomin,<br />

im Frühjahr 1929 ausschied,<br />

wurde die Rechtsauskunftsstelle wieder<br />

aufgegeben.<br />

<strong>Die</strong> Arbeit des Jugend- und Wohlfahrtsamts<br />

ist in Jahresberichten dokumentiert,<br />

so dass wir einen guten Einblick<br />

haben. <strong>Die</strong> Statistik der jährlich<br />

behandelten Fälle zeigt die Zunahme<br />

der Arbeit und damit auch der gesell-<br />

43


100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />

Jahr<br />

Fälle<br />

1921 435<br />

1922 370<br />

1923 keine Angabe<br />

1924 420<br />

1925 593<br />

1926 529<br />

1927 1079<br />

1928 1412<br />

1929 1153<br />

1930 1262<br />

1931 1414<br />

1932 1304<br />

schaftlichen Bedeutung der diakonischen<br />

Arbeit:<br />

<strong>Die</strong> fehlenden Angaben zum Jahr<br />

1923 waren durch einen halbjährigen<br />

krankheitsbedingten Ausfall von<br />

Schwester Giese begründet. Mangels<br />

einer Vertretung war die Erstellung<br />

einer Statistik nicht möglich.<br />

<strong>Die</strong> Jahresberichte sind ihrer Natur<br />

gemäß meist sachliche Zahlenwerke,<br />

die die Arbeit des Jugend- und Wohlfahrtsamtes<br />

dokumentieren. Doch<br />

Margarethe Giese fügte durchaus persönliche<br />

Eindrücke hinzu, die einen<br />

Einblick in die Not der Menschen in<br />

<strong>Oberhausen</strong> geben, die auf die Hilfe<br />

der Kirche angewiesen waren. Aus<br />

dem Jahresbericht für das Jahr 1924<br />

soll daher Schwester Giese etwas ausführlicher<br />

zu Wort kommen: 50<br />

„Nur derjenige, welcher sich einmal<br />

die Zeit lässt, über die Ursache der<br />

unglücklichen Lage so vieler Kinder<br />

unserer Stadt nachzudenken, kann ermessen,<br />

was es heisst, dass 39 Kinder<br />

oder Jugendliche in so unglücklichen<br />

Verhältnissen lebten oder so verwahrlost<br />

waren, dass wir nach genauer Prüfung<br />

der Verhältnisse, nach mancherlei<br />

andern Versuchen wie Schutzaufsicht<br />

oder anderweitige Unterbringung,<br />

doch Fürsorgeerziehung beantragen<br />

mussten. Nur schwer entschliessen<br />

wir uns dazu, einen solchen Antrag zu<br />

stellen; nicht etwa weil wir fürchteten,<br />

die Kinder möchten es nicht gut bekommen,<br />

sondern weil es einen tief<br />

einschneidenden Riss in die natürlichen<br />

Bande der Familie bedeutet. […]<br />

In 19 Fällen konnten wir die weitere<br />

Verwahrlosung verhindern durch Beantragung<br />

von Sorgerechtsentziehung<br />

und Gestellung eines Pflegers. Wie viel<br />

Vernachlässigung, Misshandlung und<br />

Vergewaltigung von Seiten der Eltern<br />

ist vorangegangen, bis es soweit gekommen<br />

ist. Man ist immer wieder<br />

tief erschüttert ob all dem Herzeleid,<br />

44


Diakonie im <strong>Oberhausen</strong> der Weimarer Zeit<br />

was so ein Kinderherz schon erdulden<br />

muss! In vielen Fällen wurden wir aber<br />

erst zu spät benachrichtigt, als die Kinder<br />

schon an Leib und Seele schweren<br />

Schaden gelitten hatten.<br />

Ich könnte in einer Reihe von einzelnen<br />

Bildern aus der Arbeit das eben<br />

gesagte krass beleuchten und tue es<br />

doch nicht. Es könnte dies zu allerlei<br />

berechtigten und unberechtigten Vermutungen<br />

und Ausdeutungen Anlass<br />

geben. Abgesehen davon, dass man<br />

mit kurzen Worten nie das Leid eines<br />

Menschenlebens erschöpfen kann,<br />

dienen solche Zurschaustellungen<br />

menschlichen Elends meist nur der<br />

Befriedigung der Sensationslust. Den<br />

Erfolg, dass sich die Leser solcher traurigen<br />

[sic] Berichte nun von ganzem<br />

Herzen für die Linderung der Not einsetzen,<br />

hat man selten. Wer mit dem<br />

brennenden Wunsch, zu helfen, zu uns<br />

kommt, der wird mit Erschütterung<br />

Einblick gewinnen in die Gesamtnot<br />

unserer Jugend und in die der einzelnen<br />

Familie, die seiner besonderen<br />

Fürsorge anvertraut wird.“<br />

Sr. Giese erläuterte in dem Bericht<br />

auch die Inhalte ihrer Arbeit, so dass<br />

man zumindest erahnen kann, welch<br />

schwere Schicksale sich hinter den<br />

nackten statistischen Angaben verbergen.<br />

„Wir haben 22 Schutzaufsichten<br />

geführt. Vielen ist das Wort ‚Schutzaufsicht‘<br />

noch ganz unbekannt und<br />

doch hätten wir noch so viele Menschen<br />

nötig, die bereit sind, uns durch<br />

Uebernahme einer Schutzaufsicht zu<br />

helfen. Eine Schutzaufsicht wird angeordnet,<br />

wenn die elterliche Erziehung<br />

nicht mehr ausreicht. Es handelt sich<br />

also um eine Aufsicht über Jugendliche<br />

unter engster Fühlungnahme mit den<br />

Eltern. Da heisst es vor allem, das Vertrauen<br />

gewinnen und Anteil nehmen<br />

an allem, was den Schützling anlangt.<br />

Bei Mädchen, die wir ausserhalb <strong>Oberhausen</strong>s<br />

untergebracht haben, handelt<br />

es sich um einen regen Briefwechsel<br />

mit ihnen und evt. mit der Herrschaft,<br />

auch um gelegentliche Besuche. Da<br />

heisst es, wie eine Mutter am Ergehen<br />

der Tochter teilnehmen und immer<br />

wieder raten und helfen, mahnen und<br />

trösten.“<br />

<strong>Die</strong> Folgen des Krieges mit dem<br />

Verlust von Vätern, Scheitern von<br />

Ehen, Arbeitslosigkeit, Armut und soziale<br />

Verelendung trafen gerade auch<br />

die Kinder und Jugendlichen. „Es gibt<br />

doch viel zu denken, dass von den 420<br />

Jugendlichen, denen wir zu helfen hatten,<br />

nur 160 beide Eltern hatten. 30<br />

waren Waisen, 97 waren Halbwaisen,<br />

53 hatten Stiefvater oder Stiefmutter,<br />

14 waren unehelich. Bei 50 war die<br />

Ehe der Eltern geschieden oder lebten<br />

45


100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />

dieselben getrennt, oder auch in wilder<br />

Ehe.“ Margarethe Giese warb mit<br />

großer Empathie um Unterstützung:<br />

„Wenn man unsre grossen und kleinen<br />

Kinder bei fürsorgender Tätigkeit kennen<br />

lernt und sich dabei bemüht die<br />

guten Anlagen und die Schwierigkeiten<br />

ihres Charakters herauszufinden,<br />

so muss man sie lieb haben. Sie lassen<br />

uns nicht wieder los; dann werden sie<br />

unsere Kinder, die unser Leben reich<br />

machen, und wir, die wir geben wollten,<br />

werden die Nehmenden.“<br />

<strong>Die</strong>ser Empathie entsprach das große<br />

Engagement: „Darum fordert jeder<br />

einzelne Fall eine genaue Prüfung und<br />

verschiedene Wege, Verhandlungen,<br />

Berichte und Briefe. So sind für zwei<br />

Schwestern, 16 u. 18 Jahre alt, 33 Ermittlungsbesuche,<br />

z. Teil in Dellwig,<br />

z. Teil in Alstaden und Mülheim nötig<br />

gewesen, dazu 2 Tagesreisen und<br />

31 zum Teil lange Berichte und Briefe.<br />

In einem andern Fall, der mehrere<br />

Geschwister betraf, wurden von uns<br />

26 Ermittlungsbesuche und 4 Reisen<br />

gemacht und 30 Berichte und Briefe<br />

geschrieben. Ausserdem wurde noch<br />

vom Frauenverein für Jugendschutz<br />

ein Teil der Kinder weiter betreut<br />

durch Stellenvermittlung, Besuche<br />

usw. […] <strong>Die</strong> Gesamtzahl der Ermittlungs-<br />

und Hausbesuche betrug 1248,<br />

die der Verhandlungen mit behördlichen<br />

Stellen 461.“<br />

Schließlich ist noch anzumerken,<br />

dass die gute Arbeit in enger Kooperation<br />

mit anderen evangelischen Einrichtungen<br />

der Jugendfürsorge erfolgte:<br />

„Grossen Dank schulden wir dem<br />

Ev. Waisenhaus und dem Heim des<br />

Frauenvereins für Jugendschutz, die<br />

immer bereit waren, unsere Schutzbefohlenen,<br />

die wir sofort unterbringen<br />

mussten, aufzunehmen.“<br />

Vor allem die tiefe christliche, dem<br />

notleidenden Nächsten zugewandte<br />

Motivation der Arbeit wird am Ende<br />

des Jahresberichts deutlich:<br />

„Wir werden oft darnach gefragt, ob<br />

unsere Arbeit Erfolg habe. Wir arbeiten<br />

nicht um des Erfolges willen, aber<br />

wir dürfen doch sagen, dass wir vielen<br />

nachhaltig haben helfen dürfen.<br />

Von vielen hoffen wir, dass der Same<br />

manchen guten Wortes später einmal<br />

aufgehen wird. Wenn wir keinen Erfolg<br />

sehen, liegt das nicht allermeist an<br />

unserer Arbeit? Oder vielmehr an der<br />

Arbeit, die wir versäumt haben? Hätten<br />

wir rechtzeitig eine Pflege-, Lehroder<br />

<strong>Die</strong>nststelle vermitteln können,<br />

dann wäre manchem noch zu helfen<br />

gewesen. Hätte dieses Mädchen eine<br />

mütterliche Freundin gehabt, oder je-<br />

46


Diakonie im <strong>Oberhausen</strong> der Weimarer Zeit<br />

ner Bursche einen fröhlichen älteren<br />

Kameraden gefunden, der ihn in den<br />

Verein mitgenommen hätte, dann<br />

wäre der ‚Erfolg‘ auch ein anderer gewesen.<br />

Vielleicht wird ein unglückliches<br />

Menschenkind einmal sagen: Es<br />

hat doch einmal ein Mensch an das<br />

Gute in mir geglaubt und hat mich<br />

lieb gehabt! Wenn wir es nicht vermögen,<br />

jedem, der unsere Hilfe sucht,<br />

zu vertrauen und das Gute in ihm zu<br />

suchen, dann sollen wir unsere Arbeit<br />

aufgeben. Wir könnten sonst einer<br />

Menschenseele durch unser Mistrauen<br />

[sic] und durch unsere Lieblosigkeit<br />

den letzten Weg versperren. Karl Hesselbacher<br />

sagt einmal: Liebe ist nie fertig<br />

mit einem Menschen. Sie hat viel zu<br />

viel Sorge, dass eine ewige Liebe einmal<br />

mit ihr ‚fertig‘ sein könnte, wenn<br />

sie selbst ‚fertig‘ sein wollte mit einem<br />

Menschenkind.“<br />

Für die Zusammenarbeit von Stadt<br />

und Freier Wohlfahrtspflege wurden<br />

am 12. November 1926 Grundsätze<br />

aufgestellt. 51 Wieder waren es die Spitzenverbände<br />

Caritasverband (Katholischer<br />

Fürsorgeverein für Mädchen,<br />

Frauen und Kinder und der Katholische<br />

Männerfürsorgeverein), die Evangelische<br />

Innere Mission (Evangelisches<br />

Jugend- und Wohlfahrtsamt), die Jüdische<br />

Wohlfahrtspflege (Israelitischer<br />

Frauenverein) sowie die Arbeiterwohlfahrt,<br />

die als Gegenüber der Stadtverwaltung<br />

in Erscheinung traten.<br />

Grundsätzlich sollte das Städtische Jugendamt<br />

sich bei seinen Ermittlungen<br />

und Feststellungen in allen Fällen der<br />

Hilfe der zuständigen Organisationen<br />

der freien Wohlfahrtspflege bedienen,<br />

„soweit nicht besondere Abweichungen<br />

festgelegt sind oder das Jugendamt<br />

aus besonderen Gründen im Einzelfalle<br />

die Arbeit selbst zu übernehmen<br />

wünscht.“<br />

<strong>Die</strong> Grafik auf den nächsten Seite<br />

veranschaulicht diese Grundsätze<br />

(Abb. 10).<br />

Aus diesen Grundsätzen wird auch<br />

deutlich, wie vielfältig die Aufgaben<br />

waren, die die Freien Wohlfahrtseinrichtungen<br />

im Auftrag der Stadt<br />

übernahmen. Um Streitigkeiten von<br />

vorneherein zu vermeiden, wurde festgehalten,<br />

dass das Bekenntnis des Minderjährigen<br />

für die Zuteilung entscheidend<br />

sein müsse. Evangelische Kinder<br />

sollten von evangelischen Einrichtungen<br />

betreut werden, katholische von<br />

katholischen usw. Streitpunkte gab es<br />

immer wieder, wenn sich die Eltern<br />

nicht einigen konnten, weil z. B. ein Elternteil<br />

konfessionslos war oder einer<br />

anderen Konfession angehörte als das<br />

Kind. All diese Arbeitsfelder prägten<br />

47


100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />

Grundsätze für das<br />

Zusammenarbeiten des<br />

städt. Wohlfahrtsamtes,<br />

Abt. Jugendamt, mit den<br />

Organisationen der Freien<br />

Wohlfahrtspflege auf dem<br />

Gebiet der Jugendfürsorge.<br />

Beschlossen in der Sitzung<br />

des Jugendamtsausschusses<br />

vom 12. November 1926.<br />

II. Abgrenzung der<br />

Arbeit zwischen<br />

Jugendamt und den<br />

Organisationen der<br />

Freien Wohlfahrtspflege<br />

Abb. 10: Grundsätze für das Zusammenarbeiten<br />

des städt. Wohlfahrtsamtes,<br />

Abt. Jugendamt, mit<br />

den Organisationen der freien<br />

Wohlfahrtspflege auf dem Gebiete<br />

der Jugendfürsorge. Beschlossen<br />

in der Sitzung des Jugendamtsausschusses<br />

vom 12. November 1926.<br />

48


Diakonie im <strong>Oberhausen</strong> der Weimarer Zeit<br />

Gemeindewaisenrat (Vorschlag von<br />

Vormündern, Pflegern etc.)<br />

Organisation der freien Wohlfahrtspflege<br />

Amtsvormundschaft<br />

Jugendamt übernimmt für uneheliche Kinder<br />

Umwandlung in Einzelvormundschaft,<br />

wenn Unterhaltsfrage geklärt ist<br />

Pflegekinderwesen<br />

grundsätzlich Unterbringung von Pflegekindern in<br />

Pflegefamilien der gleichen Weltanschauung<br />

Organisationen sind dem Jugendamt bei der Suche<br />

von Pflegefamilien behilflich<br />

Schutzaufsicht<br />

Anträge werden nur vom Jugendamt beim Vormundschaftsgericht<br />

oder Jugendgericht gestellt<br />

Organisationen stellen Helfer<br />

Helfer müssen vierteljährlich Bericht an Jugendamt erstatten<br />

Fürsorgeerziehung<br />

Anträge auf Anordnung der Fürsorgeerziehung<br />

werden nur vom Jugendamt gestellt<br />

Organisationen nehmen Ermittlungen vor<br />

Überführung der Zöglinge übernehmen die Organisationen<br />

Jugendamt übernimmt Papierkram / Geldeinzug bei Eltern<br />

Jugendgerichtshilfe<br />

Organisationen übernehmen die Ermittlungen<br />

Organisationen erstatten dem Jugendgericht Bericht<br />

Organisationen berichten an das Jugendamt<br />

Jugendschöffen<br />

Jugendamt holt Vorschläge der Organisationen ein<br />

49


100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />

fortan auch das Wirken des Evangelischen<br />

Jugend- und Wohlfahrtsamtes.<br />

Aus dem Jahresbericht des Evangelischen<br />

Jugend- und Wohlfahrtsamtes<br />

für das Jahr 1927 52 und dem Rechenschaftsbericht<br />

an die Stadt <strong>Oberhausen</strong><br />

vom 27. Mai 1927 53 geht hervor,<br />

dass insgesamt fünf Mitarbeiterinnen<br />

hauptamtlich angestellt waren: Geschäftsführerin<br />

Anni Jost, die vom<br />

Evangelischen Jugendamt in Schwerte<br />

nach <strong>Oberhausen</strong> gewechselt war<br />

und Schwester Margarethe Giese abgelöst<br />

hatte. Letztere übernahm die<br />

Leitung des Heims der Mitternachtsmission<br />

in Hamburg. <strong>Die</strong> Fürsorgerinnen<br />

Maria Middendorf, die allerdings<br />

wegen ihrer angeschlagenen Gesundheit<br />

für ein Vierteljahr ausfiel und von<br />

Fürsorgerin L. Killmer aus Barmen<br />

vertreten wurde. Zur Entlastung der<br />

Fürsorgerinnen wurde die Bürogehilfin<br />

Baum eingestellt. Man organisierte<br />

Kleinkinderspeisung an den Schulen<br />

Duisburger Straße, Grenzstraße<br />

und Nohlstraße sowie im Waisenhaus<br />

und im Säuglingsheim. Für das Rechnungsjahr<br />

1927 wurde mit Einnahmen<br />

in Höhe von 15.818,33 RM kalkuliert.<br />

Dem gegenüber standen Ausgaben<br />

von 15.488,35 RM. <strong>Die</strong>se Zahlen belegen,<br />

wie gut sich die Arbeit des Jugend-<br />

und Wohlfahrtsamtes entwickelt<br />

hatte. 1926 standen lediglich drei Mitarbeiterinnen<br />

auf der Lohnliste und<br />

Ausgaben und Einnahmen lagen bei<br />

rund 10.919 RM. <strong>Die</strong> Rechtsauskunftsstelle<br />

wurde lediglich in 43 Fällen in<br />

Anspruch genommen.<br />

Das Jahr 1929 brachte nun eine weitere<br />

wesentliche Veränderung für die<br />

diakonische Arbeit. Aus dem Zusammenschluss<br />

der bis dahin selbstständigen<br />

Städte Sterkrade, Osterfeld und<br />

Alt-<strong>Oberhausen</strong> entstand die neue<br />

Stadt: (Groß-) <strong>Oberhausen</strong>, wie wir sie<br />

heute kennen. <strong>Die</strong>se Entwicklung hatte<br />

auch großen Einfluss auf das städtische<br />

Wohlfahrtswesen. War zuvor die<br />

Zusammenarbeit mit der Stadt Alt-<br />

<strong>Oberhausen</strong> als sehr konstruktiv empfunden<br />

worden, änderte sich das nun.<br />

In dem Jahresbericht 1929 steht zu lesen:<br />

„In der bisherigen Stadt <strong>Oberhausen</strong><br />

lag nahezu die gesamte praktische<br />

Durchführung der Jugendfürsorge in<br />

den Händen der freien Wohlfahrtsorganisationen.<br />

Zwischen dem Städt.<br />

Jugendamt bestand das denkbar beste<br />

Einvernehmen, welches auch darin<br />

zum Ausdr[uck] gekommen ist, dass<br />

ganze Gebiete der Jugend-Wohlfahrt,<br />

die nach dem R.I.W.G. [Reichsjugendwohlfahrtsgesetz]<br />

Pflichtaufgaben der<br />

städtischen Ämter sind, uns delegie[rt]<br />

waren. Der neue Leiter, ein sozialisti-<br />

50


Diakonie im <strong>Oberhausen</strong> der Weimarer Zeit<br />

scher Beigeordneter, kümme[rte] sich<br />

nicht im Geringsten um das, was bisher<br />

gewesen ist und ver[suchte,] den<br />

Einfluss der konfessionellen Wohlfahrtspflege<br />

zu unterbind[en. So] sind<br />

wir in die Opposition gedrängt und<br />

werden einen harten Ka[mpf] kämpfen<br />

müssen, wenn wir unsere bisherige<br />

Position behaupten w[ollen]. […] Wie<br />

die Dinge sich gesta[lten wer]den, lässt<br />

sich zur Zeit noch nicht sagen.“ 54<br />

Im Jahr 1929 waren die „Goldenen<br />

Zwanziger“ zu Ende gegangen und der<br />

New Yorker Börsencrash vom 25. Oktober<br />

1929 – der Schwarze Freitag –<br />

hatte endgültig eine Wirtschaftskrise<br />

ausgelöst, die Millionen Menschen in<br />

Arbeitslosigkeit, Hunger und Elend<br />

stürzte. <strong>Die</strong>s verstärkte auch innenpolitisch<br />

die Spannungen, die sich in<br />

<strong>Oberhausen</strong> z. B. im Bereich der Jugendfürsorge<br />

ausdrückten. Im Jahresbericht<br />

heißt es hierzu: „<strong>Die</strong>se Zahlen<br />

können und sollen nicht von Erfolgen<br />

unserer Arbeit reden. Je länger je<br />

mehr scheuen wir uns, von Erfolgen<br />

zu sprechen. Aber die Notwendigkeit<br />

kirchlicher Jugendfürsorgearbeit wird<br />

jedenfalls durch diese Zahlen deutlich.<br />

Beraten, nachgehen und betreuen<br />

tut bitter not, und die Kirchengemeinden<br />

haben allen Anlass, diese Aufgaben<br />

nicht anderen zu überlassen und<br />

sich somit selbst der Säkularisierung<br />

der Seelsorge schuldig zu machen.<br />

Sollte es uns nicht sehr nachdenklich<br />

stimmen, dass die kirchenfeindlich<br />

eingestellten Gruppen mit allen<br />

Mitteln uns diese Arbeit zu entreissen<br />

suchen? Wir beklagen den Mangel an<br />

Helfern, uns kostet es viel viel Mühe,<br />

Persönlichkeiten willig zu machen,<br />

eine Vormundschaft, Pflegschaft oder<br />

Schutzaufsicht zu übernehmen (wir<br />

mussten im Berichtsjahre 194 Vormünder<br />

suchen) oder sie für die Übernahme<br />

eines Amtes in der öffentlichen<br />

Wohlfahrtspflege zu gewinnen. Unsere<br />

Gegner verfügen über eine arbeitswillige<br />

Hilfstruppe. Ein Wohlfahrtspfleger,<br />

zugleich kommunistischer Stadtverordneter,<br />

besuchte eine Reihe der<br />

von uns vorgeschlagenen Wohlfahrtspfleger<br />

und meinte, ohne natürlich seine<br />

wirkliche Absicht zu verraten, sie<br />

würden ja wohl das Amt nicht annehmen,<br />

es mache Arbeit und Mühe, das<br />

könnten ja besser Sozialrentner und<br />

Invaliden, die über die notwendig Zeit<br />

verfügten. Nicht dass mit solchen Mitteln<br />

von den Kommunisten gearbeitet<br />

wird, sollte uns in Aufregung bringen,<br />

sondern vielmehr, dass sie es wagen<br />

können und gar mit Erfolg, auf die<br />

Bequemlichkeit unserer Leute zu spekulieren.<br />

Uns begegnet so oft die Antwort:<br />

Das geht uns nichts an, darum<br />

51


100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />

können wir uns nicht bekümmern, wir<br />

haben dazu keine Zeit. Ganz besonders<br />

bei unseren Gebildete[n,] deren Mitarbeit<br />

in der Wohlfahrtspflege, auch in<br />

der öffentlichen, wir fast ganz vermissen.<br />

(Bei der katholischen Caritas ist es<br />

anders)! Wo man sich nicht mehr für<br />

den anderen mitverantwortlich weiss,<br />

da macht man sich mitschuldig.“<br />

Leider ist der Bericht nur handschriftlich<br />

mit der Jahreszahl 1929<br />

versehen, ein genaues Abfassungsdatum<br />

fehlt. <strong>Die</strong> Erwähnung eines sozialdemokratischen<br />

(sozialistischen)<br />

Beigeordneten deutet auf einen Zusammenhang<br />

mit der „Schlacht in der<br />

Oberbürgermeisterfrage“ hin. 55 Der<br />

langjährige Oberbürgermeister Havenstein<br />

sollte nach den Kommunalwahlen<br />

1929, in denen das Zentrum<br />

als Sieger hervorgegangen war, abgewählt<br />

werden. Es kam zu heftigen Auseinandersetzungen.<br />

Am Ende wurde<br />

der Kandidat der DNVP, der ehemalige<br />

Sterkrader Oberbürgermeister Heuser,<br />

mit den Stimmen der SPD und<br />

der NSDAP gegen den Zentrumskandidaten<br />

Rosendahl gewählt. Der Historiker<br />

Peter Langer stellt zurecht die<br />

Frage: „Welche Beweggründe mögen<br />

die SPD, unter der Führung von Hermann<br />

Albertz, bewogen haben, nicht<br />

Rosendahl gegen die Rechtsparteien<br />

zu unterstützen, sondern sich stattdessen<br />

als Mehrheitsbeschaffer für Heuser,<br />

der auch das Vertrauen der Nazis<br />

genoss, einspannen zu lassen? <strong>Die</strong><br />

‚Ruhrwacht‘ vermutete, dass die SPD<br />

durch zwei Beigeordneten-Posten geködert<br />

wurde. Wenngleich die ‚Ruhrwacht‘<br />

in dieser Frage nicht als objektive<br />

Informationsquelle gelten kann,<br />

so fällt doch auf, dass die kleine SPD-<br />

Fraktion (sieben Stadtverordnete) mit<br />

zwei Beigeordneten überproportional<br />

gut bedacht wurde.“ Langer stellte fest,<br />

dass das politische Klima in <strong>Oberhausen</strong><br />

auf lange Zeit vergiftet war. 56 <strong>Die</strong><br />

scharfen Formulierungen in dem Jahresbericht<br />

sind jedenfalls ein Zeugnis,<br />

dass diese schwierige lokalpolitische<br />

Situation auch Auswirkungen auf die<br />

Arbeit des Evangelischen Jugend- und<br />

Wohlfahrtsamtes hatte. Zudem wird<br />

hier noch einmal die prinzipielle Gegnerschaft<br />

kirchlicher Kreise zu Sozialdemokraten<br />

und Kommunisten deutlich.<br />

Gleichzeitig beschränkt man sich<br />

aber nicht auf Anschuldigungen, sondern<br />

stellt durchaus selbstkritisch die<br />

Haltung der evangelischen Mitbürger<br />

in Frage. Dabei wird auch ein vergleichender<br />

Blick auf die Arbeit der Caritas<br />

geworfen.<br />

Am 21. Januar 1931 gab Pfarrer Wilhelm<br />

Schmidt die Leitung des Evangelischen<br />

Jugend- und Wohlfahrtsamtes<br />

52


Diakonie im <strong>Oberhausen</strong> der Weimarer Zeit<br />

an seinen Nachfolger, Pfarrer Johannes<br />

Pack, ab. <strong>Die</strong>se Personalie bedeutete<br />

auch einen ideologischen Wechsel.<br />

Pfarrer Dr. Wilhelm Schmidt war ein<br />

entschiedener Gegner der NS-nahen<br />

„Glaubensbewegung Deutscher Christen“<br />

und durfte im Kirchenkampf im<br />

Herbst 1933 für viele Monate seine<br />

Kirche (<strong>Oberhausen</strong> II) nicht einmal<br />

betreten. Sein Nachfolger war dagegen<br />

ein erklärter Vertreter der „Deutschen<br />

Christen“ und der NSDAP nahestehender<br />

Geistlicher Leiter dieser<br />

Einrichtung. Johannes Pack war u. a.<br />

rheinischer Gauobmann der „Glaubensbewegung<br />

Deutscher Christen“. 57<br />

Das Jahr 1933 warf seine Schatten voraus.<br />

Am Ende dieses Überblicks über die<br />

Arbeit des Evangelischen Jugend- und<br />

Wohlfahrtsamtes in den Jahren der<br />

Weimarer Republik soll ein Satz stehen,<br />

mit dem der Rechenschaftsbericht<br />

für das Jahr 1928 schloss: „Wir können<br />

die Welt nicht reformieren, das Dunkel<br />

nicht hell machen; wir sollen nur<br />

in unserer Arbeit danach streben, dass<br />

wir Gottes Willen und das Kommen<br />

seines Reiches nicht hindern.“<br />

53


Diakonie in der Zeit des Nationalsozialismus<br />

DIAKONIE IN DER ZEIT<br />

DES NATIONALSOZIALISMUS<br />

<strong>Die</strong> distanzierte Haltung vieler<br />

evangelischer Christen und Einrichtungen<br />

zum Weimarer Staat ging einher<br />

mit einer durchaus positiven Haltung<br />

dem NS-Staat gegenüber. „Der<br />

‚nationale Umbruch‘ wurde von den<br />

meisten Verbänden und Einrichtungen<br />

der Innere [sic] Mission begeistert<br />

begrüßt.“ 58<br />

Innerhalb der evangelischen Kirchen<br />

wurde heftig um das Verhältnis<br />

der Kirche zum Nationalsozialismus<br />

gestritten. Ein regelrechter Kirchenkampf<br />

zwischen „Bekennender Kirche“<br />

und „Deutschen Christen“ zerriss<br />

auch in <strong>Oberhausen</strong> die Gemeinden. 59<br />

<strong>Die</strong> Herrschaft der Nationalsozialisten<br />

brachten auch für die Fürsorgearbeit<br />

strukturelle Veränderungen mit<br />

sich. Das duale System von staatlicher<br />

bzw. kommunaler Wohlfahrt einerseits<br />

und freier Wohlfahrtspflege andererseits<br />

wurde abgeschafft. <strong>Die</strong> Leistungen<br />

im Bereich der öffentlichen und<br />

freien Fürsorge, vor allem die staatlichen<br />

Zuschüsse im Bereich der freien<br />

Fürsorgearbeit, gingen zurück. „Gefördert<br />

wurden insbesondere Projekte, die<br />

in die bevölkerungs- bzw. rassenpolitische<br />

Linie der neuen politischen Führung<br />

paßten. Stärker noch als in der<br />

Sozialversicherung konnte sich im Fürsorgebereich<br />

die Ausdifferenzierung in<br />

zu fördernde ‚würdige‘ und auszugrenzende<br />

‚unwürdige‘ Betroffene durchsetzen.<br />

Damit drang die ideologische<br />

Leitlinie des Regimes tief in die Fürsorgearbeit<br />

ein. Entsprechender Druck<br />

auf die Träger der öffentlichen wie der<br />

freien Fürsorge zur Orientierung ihrer<br />

Tätigkeit an diesen (rassen-)ideologischen<br />

Prämissen kam vor allem von<br />

seiten [sic!] der NSDAP.“ 60 <strong>Die</strong> neu<br />

errichtete NS-Organisation der „Nationalsozialistischen<br />

Volkswohlfahrt“<br />

(NSV) sollte das alleinige Monopol erhalten.<br />

<strong>Die</strong>se „versuchte mit Appellen<br />

an die Öffentlichkeit, durch eigenes,<br />

55


100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />

konkurrierendes Engagement im Fürsorgebereich<br />

und durch das Gewicht<br />

der hinter ihr stehenden finanziellen<br />

Mittel die bisherigen Träger zu diskreditieren,<br />

an die Seite zu drängen und<br />

sich die politische Führung in diesem<br />

Bereich zu sichern. Während ihr dies<br />

hinsichtlich der Spitzenverbände der<br />

freien Wohlfahrtspflege relativ schnell<br />

gelang, war ihr ein ähnlicher Erfolg in<br />

der öffentlichen Fürsorgearbeit verwehrt;<br />

hier konnten die traditionellen<br />

Behörden ihre Position besser wahren,<br />

wenn sie sich auch durch ideologische<br />

Anpassung dem Druck der NSV zu<br />

entziehen suchten.“ 61 <strong>Die</strong>s gelang zwar<br />

nicht völlig, aber die Arbeiterwohlfahrt<br />

wurde im Mai 1933 verboten.<br />

Vor allem mangelte es der NSV an Erfahrung,<br />

so dass Diakonie und Caritas<br />

sowie das Deutsche Rote Kreuz in ihrer<br />

Arbeit zwar stark eingeschränkt, aber<br />

dennoch benötigt wurden. Sie waren<br />

auch zu groß und in der Bevölkerung<br />

zu stark verwurzelt, um einfach verboten<br />

werden zu können. In vielen Bereichen<br />

trat die NSV in direkte, teilweise<br />

sehr aggressiv vorgetragene Konkurrenz<br />

zu den kirchlichen Wohlfahrtseinrichtungen,<br />

errichtete eigene Kindergärten<br />

und übernahm zunehmend<br />

staatliche Aufgaben im Bereich der<br />

Kinder- und Jugendarbeit. Später war<br />

die Organisation des Winterhilfswerks<br />

und während des Zweiten Weltkriegs<br />

die Kinderlandverschickung Hauptarbeitsgebiete<br />

dieser NS-Organisation.<br />

Dabei bestand nicht nur eine Konkurrenz<br />

der Organisationen zueinander.<br />

Vielmehr stand hinter der NSV ein<br />

völlig anderer geistiger Ansatz. Während<br />

nach christlicher Anschauung<br />

jeder Mensch das gleiche Recht auf<br />

Hilfe hat, vertrat die NSV die nationalsozialistischen<br />

Rassen- und Volksgemeinschaftsideologie,<br />

nach der nur<br />

der „völkisch wertvolle Mensch“ als<br />

hilfswürdig galt. In der Folge wurde es<br />

auch der Diakonie und den anderen<br />

freien Wohlfahrtsverbänden zunehmend<br />

untersagt, beispielsweise Juden<br />

Hilfe zukommen zu lassen. Dabei gerieten<br />

gerade jüdische Jugendliche<br />

zunehmend in den Kreis der Hilfsbedürftigen,<br />

denn sie wurden oftmals der<br />

Schule verwiesen und bekamen ihre<br />

Lehr- und Arbeitsstellen gekündigt.<br />

Konkret trafen nationalsozialistische<br />

und evangelisch-christliche Grundhaltung<br />

in Fragen der Zwangssterilisation<br />

und letztlich der Euthanasie aufeinander.<br />

Auch in <strong>Oberhausen</strong> änderten sich<br />

die Verhältnisse. Allerdings sind nur<br />

wenige Quellen erhalten, weshalb viele<br />

Fragen unbeantwortet bleiben müssen.<br />

So stellt sich z. B. die Frage, ob<br />

56


Diakonie in der Zeit des Nationalsozialismus<br />

auch Menschen, die sich in der Obhut<br />

des Jugend- und Wohlfahrtsamtes befanden,<br />

von den staatlichen Zwangssterilisationsmaßnahmen<br />

betroffen<br />

waren. Dem Verwaltungsbericht der<br />

Stadt <strong>Oberhausen</strong> für das Berichtsjahr<br />

1935/36 ist zu entnehmen, dass „dem<br />

Gesundheitsamt 367 Fälle angezeigt<br />

[wurden]. In 210 Fällen wurden bei<br />

dem Erbgesundheitsgericht Duisburg<br />

Anträge auf Unfruchtbarmachung gestellt.<br />

Unter Einbeziehung der noch<br />

schwebenden Verfahren genehmigen<br />

die Richter in 223 Fällen die Anträge<br />

auf Sterilisation; in 214 Fällen wurde<br />

die Operation auch durchgeführt.“ 62<br />

Ob und wie sich das Jugend- und<br />

Wohlfahrtsamt dazu stellte, ist nicht<br />

bekannt.<br />

<strong>Die</strong> Organisationen der Jugendwohlfahrt<br />

wurden auch zunehmend<br />

in das staatliche Überwachungssystem<br />

integriert. Schon seit der Kaiserzeit<br />

war es üblich, dass die Betreuer<br />

randständiger Familien Berichte an die<br />

städtischen Behörden verfassten, die<br />

auch politische Einschätzungen enthielten<br />

und der Kontrolle und Disziplinierung<br />

dienten. Im Nationalsozialismus<br />

wurde dieses Vorgehen vertieft.<br />

„<strong>Die</strong> NS-Fürsorge hat diese Funktionen<br />

perfektioniert, aber nicht erfunden.“<br />

63 Jedenfalls rückte der Aspekt<br />

der Kontrolle gegenüber der Hilfe und<br />

Unterstützung stärker in den Vordergrund<br />

der Kinder- und Jugendfürsorge<br />

in Deutschland. Inwieweit es der Inneren<br />

Mission im allgemeinen und dem<br />

<strong>Oberhausen</strong>er Jugend- und Wohlfahrtsamt<br />

im besonderen gelang, sich<br />

in diesem Prozess auch schützend vor<br />

die Menschen zu stellen, die ihrer Hilfe<br />

bedurften, lässt sich nicht sagen.<br />

<strong>Die</strong> Bahnhofsmission<br />

in der NS-Zeit<br />

Von der Bahnhofsmission wissen<br />

wir, dass sie Anfang Juli 1934 ihre<br />

Sammlungstätigkeit einstellen musste,<br />

was ihre finanzielle Existenz bedrohte.<br />

Im September 1934 erhielt die evangelische<br />

und katholische Bahnhofsmission<br />

allerdings wieder eine Sammlungszulassung.<br />

64 In einem Artikel der<br />

<strong>Oberhausen</strong>er Zeitung (Abb. 11) wurde<br />

die Arbeit der Bahnhofsmission<br />

ausgesprochen gelobt und wir erhalten<br />

einen kleinen Einblick auf die Arbeit<br />

des Jahres 1933. 1880 Einzelpersonen<br />

wurden beraten, zurechtgewiesen, mit<br />

den nötigsten Lebensmittelbedürfnissen<br />

versorgt oder sonst wie betreut.<br />

57


100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />

Auch 350 allein reisenden Kindern<br />

wurde geholfen.<br />

<strong>Die</strong>ses Entgegenkommen der NS-<br />

Führung war aber zeitlich begrenzt.<br />

1939 wurden die Bahnhofsmissionen<br />

bis zum Ende der nationalsozialistischen<br />

Herrschaft endgültig verboten.<br />

Jugend- und Wohlfahrtsamt<br />

und Evangelischer Gemeindedienst<br />

für Innere Mission<br />

<strong>Oberhausen</strong><br />

Nach und nach wurde die Arbeit<br />

des Evangelischen Jugend- und Wohlfahrtsamtes<br />

nach 1933 eingeschränkt.<br />

Im Frühjahr 1934 konnte die Innere<br />

Mission immerhin noch<br />

öffentlich für ihre Arbeit<br />

werben (Abb. 12).<br />

Abb. 11: Sammlung der Bahnhofsmission<br />

wieder erlaubt. <strong>Oberhausen</strong>er Zeitung, 15.9.1934.<br />

Am 14 und 15. April<br />

diesen Jahres fand der<br />

Volkstag der Inneren<br />

Mission statt, für den in<br />

der Rhein- und Ruhrzeitung<br />

geworben wurde.<br />

Man betonte, dass mit<br />

der Genehmigung dieser<br />

Aktion und der damit<br />

verbundenen Sammlung<br />

eine Anerkennung der<br />

Arbeit durch den (NS-)<br />

Staat verbunden sei. <strong>Die</strong><br />

Sammelaktion wurde<br />

von Festgottesdiensten,<br />

einem Festvortrag und<br />

einem Lichtbilderabend<br />

im Gemeindehaus Nohlstraße<br />

begleitet (Abb.<br />

13).<br />

58


Diakonie in der Zeit des Nationalsozialismus<br />

Am 22. April endete die Berichterstattung<br />

über die Innere<br />

Mission mit einem ausführlichen<br />

Artikel über die<br />

<strong>Oberhausen</strong>er Einrichtungen<br />

(Abb. 13). Zunächst wird die<br />

Arbeit der beiden evangelischen<br />

Krankenhäuser Groß-<br />

<strong>Oberhausen</strong>s (die Gründung<br />

des heutigen <strong>Oberhausen</strong>s lag<br />

gerade Mal fünf Jahre zurück),<br />

das Johanniter-Krankenhaus<br />

in Sterkrade und das Evangelische<br />

Krankenhaus <strong>Oberhausen</strong>,<br />

geschildert. Daneben<br />

wurde die Arbeit des Säuglingsheimes<br />

und Waisenhauses<br />

hervorgehoben. Auf das<br />

bald zu eröffnende evangelische<br />

Altersheim wurde ebenso<br />

verwiesen wie auf die Arbeit<br />

der Kindergärten und Kinderhorte.<br />

Besondere Erwähnung<br />

fand das Jugend- und Wohlfahrtsamt<br />

in Alt-<strong>Oberhausen</strong>,<br />

„das bekanntlich mit Rat und<br />

Tat den Eltern und Jugendlichen<br />

jederzeit zur Seite steht.“<br />

Schließlich wurden auch die<br />

Nähschulen in den Gemeinden<br />

nicht vergessen, „denen<br />

die besondere Arbeit am stellungslosen<br />

jungen Mädchen<br />

obliegt, und die sich um die<br />

Abb. 12: Volkstag der Inneren Mission.<br />

Rhein- und Ruhrzeitung, 15.4.1934.<br />

59


100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />

60


Diakonie in der Zeit des Nationalsozialismus<br />

links Abb. 13: Innere Mission –<br />

ein gigantisches Hilfswerk.<br />

Rhein- und Ruhrzeitung, 22.4.1934.<br />

Fortbildung der jungen Mütter bemüht.“<br />

Der lange Artikel schließt wieder<br />

mit dem Hinweis auf das Wohlwollen<br />

des Staates und Adolf Hitlers<br />

gegenüber der Inneren Mission, ehe<br />

ein eindringlicher Aufruf zur Unterstützung<br />

an die Leserschaft erging.<br />

„Jeder evangelische Christ möge sich<br />

seiner Pflicht am Mitmenschen erinnern<br />

und Beweis seiner Nächstenliebe<br />

erbringen. Ein <strong>Werk</strong> wartet auf Deine<br />

Hilfe! Warum zögerst Du noch? Hier<br />

handelt es sich nicht um ein Vorrecht<br />

einzelner an einem Hilfswerk, hier<br />

muß jeder anpacken!“<br />

<strong>Die</strong>ser eindringliche Aufruf scheint<br />

aber nur bedingt Wirkung gezeigt zu<br />

haben, wie man zwei Jahre später aus<br />

einer Rede anlässlich des 100-jährigen<br />

Bestehens des Diakonissen-Mutterhauses<br />

in Kaiserswerth herauslesen<br />

kann. Immerhin versuchten die<br />

evangelischen Gemeinden die Idee<br />

der christlichen Diakonie offensiv<br />

nach außen zu vertreten. Aus dem<br />

genannten Anlass veranstalteten die<br />

evangelischen Gemeinden eine große<br />

Festversammlung im Gemeindehaus<br />

Nohlstraße. Der ehemalige Lei-<br />

61


100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />

62


Diakonie in der Zeit des Nationalsozialismus<br />

1940 erfolgte ein Namenswechsel.<br />

Aus dem Evangelischen Jugend- und<br />

Wohlfahrtsamt wurde der „Evangelische<br />

Gemeindedienst für Innere Mission<br />

<strong>Oberhausen</strong>“. Über die Hintergründe<br />

dieses Vorgangs ist leider nichts<br />

mehr bekannt. Herta Zilly und Gerhard<br />

Holtz stellen die Frage: „Dokumentierte<br />

sich in der Namensgebung<br />

Evangelischer Gemeindedienst für Innere<br />

Mission mit großer Deutlichkeit<br />

der kirchliche Auftrag der evangelischen<br />

Fürsorgearbeit als Pendant zur<br />

NSV?“ 66 Zumindest drückte diese Änderung<br />

eine Lösung von der Nähe zur<br />

alten städtischen Verwaltungsstruktur<br />

der Weimarer Zeit und die Anbindung<br />

an das größere Gesamtwerk der Innelinke<br />

Seite Abb. 14: Gemeindebrief<br />

für die Glieder der evangelischen<br />

Gemeinden in Alt-<strong>Oberhausen</strong> zum<br />

Opfertag der Inneren Mission 1937.<br />

ter des Evangelischen Jugend- und<br />

Wohlfahrtsamtes, Superintendent Dr.<br />

Schmidt, betonte in seiner Ansprache<br />

das grundsätzliche Wesen der Diakonie<br />

und verband dies zugleich mit<br />

einer Kritik an der realen kirchlichen<br />

Praxis. Er hob, wie es in dem Bericht<br />

der Rhein- und Ruhrzeitung vom<br />

29. September 1936 hieß, „die Verpflichtung<br />

der Kirche hervor, das <strong>Werk</strong><br />

der Barmherzigkeit und der Nächstenliebe<br />

zu stützen. Wenn das bis heute<br />

in den Gemeinden noch nicht immer<br />

und überall ganz begriffen war, so gelte<br />

das auch als bedenkliches Zeichen.“<br />

<strong>Die</strong> Spannungen, unter denen diese<br />

Arbeit in der NS-Zeit stand, deutete<br />

Superintendent Dr. Schmidt nur an.<br />

<strong>Die</strong> ganze Gemeinde habe, „jeder an<br />

seinem Teil, im Geiste wahren Christentums<br />

zu leben und zu handeln. <strong>Die</strong><br />

Welt werde etwas mehr Hochachtung<br />

vor dem Christentum haben, wenn der<br />

Christ mehr glaube und danach handele.“<br />

Mit welchen Problemen ein Christ<br />

damals konfrontiert war, der sich dem<br />

Glauben gemäß verhielt, hatte ein Jahr<br />

zuvor Superintendent Schmidt selbst<br />

erfahren müssen, als er von einem Mitglied<br />

seiner eigenen Kirchengemeinde<br />

beim Reichsbischof Ludwig Müller denunziert<br />

wurde, weil Schmidt in einem<br />

jüdischen Geschäft fünf Rollos für die<br />

Gemeinde <strong>Oberhausen</strong> II gekauft habe.<br />

65 Das Presbyterium weigerte sich<br />

sogar, die Rechnung zu bezahlen.<br />

Im September 1937 erfolgte ein<br />

Sammlungsaufruf „an die Glieder<br />

der evangelischen Gemeinden in Alt-<br />

<strong>Oberhausen</strong>“. (Abb. 14)<br />

63


100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />

ren Mission aus. Ein sicher in dieser<br />

Zeit der Kirchenfeindschaft wichtiges<br />

Zeichen.<br />

<strong>Die</strong> Leitung des <strong>Werk</strong>s wechselte in<br />

dieser Zeit mehrfach. Schon 1931 hatte<br />

Pfarrer Pack den Vorsitz vom „Gründungsvater“<br />

Pfarrer Dr. Schmidt übernommen.<br />

Ihm folgten Pfarrer Majert,<br />

Direktor Friedrich Wolters und<br />

schließlich – zunächst inoffiziell, dann<br />

förmlich – Pfarrer Aring. 67<br />

Der Umfang der Arbeit des Jugend-<br />

und Wohlfahrtsamts und später<br />

des Gemeindedienstes nahm mit<br />

dem Beginn der NS-Herrschaft stark<br />

ab. Gleichzeitig dürfte wohl auch die<br />

Finanzierungsmöglichkeiten zurückgegangen<br />

sein. Beides hatte personelle<br />

Folgen, denn von 1943 bis 1945<br />

war nur noch Maria Middendorf als<br />

Fachkraft tätig. <strong>Die</strong> Entwicklung der<br />

Fallzahlen aus den Jahresberichten<br />

sprechen hier eine deutliche Sprache<br />

(Abb.15). 68<br />

<strong>Die</strong> Interpretation dieser Zahlen ist<br />

schwierig, weil in den Jahresberichten<br />

1600<br />

1400<br />

1200<br />

1262<br />

1414<br />

1304<br />

1150<br />

1256<br />

1096<br />

1000<br />

800<br />

600<br />

617<br />

630<br />

517<br />

442<br />

507<br />

424<br />

400<br />

200<br />

237<br />

143<br />

95<br />

0<br />

1930 1931 1932 1933 1934 1935 1936 1937 1938 1939 1940 1941 1942 1943 1944<br />

Abb. 15: Fallzahlen 1930 bis 1944<br />

64


Diakonie in der Zeit des Nationalsozialismus<br />

nach 1931 keine weiteren Erläuterungen<br />

erfolgten. Gerhard Holtz kommentiert<br />

diese Zahlen so: „So bleibt<br />

offen, ob der Rückgang der Fallzahlen<br />

aus dem Druck der Nationalsozialisten<br />

auf die kirchlichen Wohlfahrtsverbände<br />

resultiert (wobei letztere ihre Arbeit<br />

im Gegensatz zur Arbeiterwohlfahrt<br />

und zum Paritätischen Wohlfahrtsverband<br />

ja nicht einstellen mussten). Als<br />

wahrscheinlich kann auch angenommen<br />

werden, dass die Veränderungen<br />

ab dem Jahre 1940 auf die zunehmenden<br />

Auswirkungen des Krieges zurückzuführen<br />

sind.<br />

Bemerkenswert ist jedoch, dass in<br />

der gesamten Zeit des Nationalsozialismus<br />

weiterhin Fälle für das Jugendamt<br />

und Gericht zu bearbeiten waren.<br />

Bemerkenswert ist auch, dass selbst<br />

zu Beginn des Jahres 1945 noch eine<br />

zahlenmäßige Übersicht über das zurückliegende<br />

Jahr erstellt wurde. <strong>Die</strong>s<br />

deckt sich mit in einschlägigen Untersuchungen<br />

zu findenden Hinweisen,<br />

dass die Verwaltung in den meisten<br />

staatlichen und nichtstaatlichen Bereichen<br />

noch bis in den Februar 1945 hinein<br />

funktionierte.“ 69 In der Tat dürfte<br />

der Rückgang der Fallzahlen auch<br />

mit dem Kriegsverlauf in Verbindung<br />

stehen, denn gerade die „Zielgruppe“<br />

des Gemeindedienstes, hilfsbedürftige<br />

Kinder und Jugendliche, wurden im<br />

Rahmen der Kinderlandverschickung<br />

aus <strong>Oberhausen</strong> in ländliche Gebiete<br />

verbracht. Sascha Concas schreibt darüber:<br />

„Zahlreiche Menschen verließen<br />

die Stadt, entweder aus Furcht vor weiteren<br />

Luftangriffen oder weil sie durch<br />

die anhaltenden Bombardements Obdach<br />

und Einrichtung verloren hatten.<br />

Wer Glück hatte, kam bei Verwandten<br />

oder befreundeten Familien in weniger<br />

luftgefährdeten Regionen unter. Etwa<br />

seit Januar 1941 wurden zudem tausende<br />

Schüler und Kinder aus <strong>Oberhausen</strong><br />

im Rahmen der sogenannten<br />

‚Erweiterten Kinderlandverschickung‘<br />

[...] in unzählige Orte im gesamten<br />

Reichsgebiet entsandt, um sie auf diese<br />

Weise vor den alliierten Luftangriffen<br />

in relative Sicherheit zu bringen.“ 70<br />

Kurz vor Kriegsende, im März 1945,<br />

musste die Stadt auf behördliche Anordnung<br />

geräumt werden. Der Leiter<br />

des Gemeindedienstes, Friedrich Wolters,<br />

und Maria Middendorf fuhren<br />

daraufhin zusammen „mit den Gemeinde-<br />

und den Handarbeitsschul-<br />

Schwestern auf Lastwagen der hiesigen<br />

Milchversorgung zu mitternächtlicher<br />

Stunde nach Westfalen.“ 71 Erst ein<br />

Vierteljahr später konnten sie zurückkehren.<br />

65


Fortsetzung und Neuanfang nach 1945<br />

FORTSETZUNG UND<br />

NEUANFANG NACH 1945<br />

Nach dem Krieg mussten kirchliche<br />

Strukturen neu aufgebaut werden.<br />

Das betraf auch die <strong>Werk</strong>e der<br />

Diakonie. „Der Wiederaufbau der<br />

Inneren Mission nach 1945 stand<br />

ebenso sehr im Rahmen der Gesamtnot<br />

eines zerstörten und gespaltenen<br />

Deutschlands wie im Zeichen eines<br />

zähen Aufbauwillens. Als vordringliche<br />

Aufgaben für sie erwiesen sich<br />

die Bahnhofsmission, sodann die Erstellung<br />

von Jugendwohnheimen und<br />

Altenheimen.“ 72<br />

In der Zeit des Dritten Reiches gab<br />

es auch in der Inneren Mission Spannungen<br />

in der Frage des Verhaltens im<br />

NS-Staat. Man versuchte anders als die<br />

Bekennende Kirche sich um der eigenen<br />

Handlungsfähigkeit willen nicht<br />

zu sehr zu exponieren. „<strong>Die</strong>ses Verhalten<br />

ist nach dem Zusammenbruch<br />

des Nationalsozialismus durch diejenigen,<br />

die mit der Einzelsituation während<br />

der Nazizeit nicht vertraut waren,<br />

manchmal sehr starken Mißdeutungen<br />

ausgesetzt gewesen,“ schrieb Otto<br />

Ohl im Jahr 1963. 73 Er wehrte den Vorwurf<br />

einer mangelnden Aufarbeitung<br />

ab mit der Begründung: „Wir hatten<br />

keine Zeit mehr, uns nachträglich mit<br />

diesen Auseinandersetzungen lange<br />

aufzuhalten. Unsere Aufgabe war ja,<br />

die unendlich großen Schäden, die die<br />

Kriegszerstörung über unsere Arbeit<br />

gebracht hatte, zu beseitigen.“ 74 <strong>Die</strong>se<br />

Haltung, nicht selbstkritisch die eigene<br />

Vergangenheit aufzuarbeiten, sondern<br />

im Blick auf die gegenwärtigen Aufgaben<br />

zu verdrängen, war zwar typisch<br />

für die Nachkriegszeit, aber nicht unumstritten.<br />

Auf Betreiben des Theologen<br />

und späteren Politikers Eugen<br />

Gerstenmaier, der der Widerstandsbewegung<br />

20. Juli angehörte, wurde im<br />

August 1945 zusammen mit der Evangelischen<br />

Kirche in Deutschland das<br />

Hilfswerk der Evangelischen Kirchen<br />

in Deutschland ins Leben gerufen.<br />

<strong>Die</strong>ses <strong>Werk</strong> arbeitete parallel zur Inneren<br />

Mission, teilweise auch in Konkurrenz.<br />

67


100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />

„Mit dem Hilfswerk verbanden sich<br />

insbesondere drei theologische Impulse:<br />

Erstens wurde Diakonie konsequent<br />

als Wesenszug und Grundstruktur<br />

von Kirche zur Geltung gebracht.<br />

Im Kontrast zur ‚Inneren Mission‘<br />

wurde – zweitens – ‚Diakonie‘ zum<br />

Programmbegriff erhoben. Gerstenmaier<br />

strebte drittens eine Ausweitung<br />

der Reichweite diakonischer Verantwortung<br />

an.“ 75<br />

Vor allem aus freikirchlichen Kreisen<br />

und aus dem Ausland erhielt das<br />

Hilfswerk Unterstützung. Ende 1947<br />

waren 1.500 Flüchtlingsfürsorger angestellt,<br />

die sich um die Integration der<br />

Flüchtlinge und Vertriebenen bemühten.<br />

76 Bald nach der Währungsreform,<br />

als die unmittelbare Katastrophenhilfe<br />

nicht mehr nötig war und amerikanische<br />

Hilfslieferungen nachließen, ging<br />

der Einfluss des Hilfswerks zurück.<br />

Man begann, die Doppelstruktur von<br />

Innerer Mission und Hilfswerk zu hinterfragen.<br />

Im März 1957 wurden beide<br />

<strong>Werk</strong>e schließlich vereinigt zur „Inneren<br />

Mission und Hilfswerk der Evangelischen<br />

Kirche in Deutschland“. 1965<br />

erhielt das <strong>Werk</strong> den Namen „<strong>Diakonisches</strong><br />

<strong>Werk</strong> der EKD“. 77 Es ist neben<br />

dem Deutschen Caritas-Verband<br />

(1897), der Zentralwohlfahrtsstelle<br />

der Juden in Deutschland (1917), dem<br />

Bundesverband der Arbeiterwohlfahrt<br />

(1919), dem Deutschen Roten Kreuz<br />

(1921) und dem Deutschen Paritätischen<br />

Wohlfahrtsverband (1924) einer<br />

der sechs bundesdeutschen »Spitzenverbände<br />

der Freien Wohlfahrtspflege.<br />

78<br />

In diesem Rahmen bewegte sich<br />

auch in <strong>Oberhausen</strong> die örtliche Diakonie.<br />

Das Hilfswerk mit seinen guten<br />

Kontakten zu Hilfsorganisationen<br />

in der ganzen Welt konnte u. a. mit<br />

Quäkerspeisung, Kleiderspenden aus<br />

den Vereinigten Staaten helfen. <strong>Die</strong><br />

Organisation lag in den Händen von<br />

Margarete Schaumann, die 1945 ihren<br />

<strong>Die</strong>nst als zweite Fürsorgerin neben<br />

Maria Middendorf begann. 79<br />

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs<br />

begann auch für den Gemeindedienst<br />

ein Neuanfang. Jede Menge<br />

Arbeit wartete auf Maria Middendorf,<br />

die in den letzten Jahren der NS-Herrschaft<br />

nahezu alleine die Aufgaben des<br />

Gemeindedienstes übernommen hatte.<br />

Sie schrieb 1964 rückblickend auf<br />

diese Zeit: „Nach dem Zusammenbruch<br />

setzte eine neue Entwicklung<br />

mit einer fast nicht zu bewältigenden<br />

Arbeitsfülle ein. <strong>Die</strong> Arbeit geschah<br />

zunächst unter kriegsbedingten, überaus<br />

primitiven Verhältnissen, die sich<br />

68


Fortsetzung und Neuanfang nach 1945<br />

im Laufe der folgenden Jahre je länger<br />

desto mehr besserten. Wie auch früher<br />

delegierte uns das Städt. Jugendamt in<br />

großem Ausmaß die außenfürsorgerische<br />

Arbeit. <strong>Die</strong> Zusammenarbeit<br />

mit dieser und mit anderen behördlichen<br />

Stellen geschah im besten Einvernehmen.<br />

Daß die Zusammenarbeit<br />

in derselben guten Weise mit dem<br />

Landesverband Innere Mission Rheinland<br />

vonstatten ging, bedarf kaum der<br />

Erwähnung. Im Jahr 1954, dem letzten<br />

der <strong>Die</strong>nststelle in der geschilderten<br />

Form, waren 5 Fürsorgekräfte und<br />

eine Bürogehilfin in der <strong>Die</strong>nststelle<br />

tätig, hinzu kam eine Sachbearbeiterin<br />

der ihr angegliederten Bahnhofsmission.“<br />

80 Das Büro befand sich im Gemeindehaus<br />

Nohlstraße. 81<br />

Im Wesentlichen schloss sich die Sozialfürsorge<br />

nach dem Zweiten Weltkrieg<br />

an die Strukturen der Weimarer<br />

Republik an, wie Maria Middendorf<br />

ja bereits andeutete. So wurden wiederum<br />

viele staatliche Aufgaben der<br />

Fürsorge an die Träger der Freien<br />

Wohlfahrt delegiert. Mit der Verabschiedung<br />

des Bundessozialhilfegesetzes<br />

und des Jugendwohlfahrtsgesetzes<br />

im Jahr 1961 wurde eine neue gesetzliche<br />

Basis für die Arbeit der freien<br />

Wohlfahrtsträger geschaffen. „Das<br />

Verhältnis von öffentlichen und freien<br />

Hilfeträgern untereinander, das in den<br />

Auseinandersetzungen um die Gesetzesformulierungen<br />

unter dem Stichwort<br />

‚Subsidaritätsprinzip‘ diskutiert<br />

wurde, erhielt […] die Form eines ‚bedingungslosen<br />

Vorrangs‘ der freien vor<br />

den öffentlichen Trägern.“ 82 Über diese<br />

Gestaltung der Wohlfahrtspflege wurde<br />

noch jahrelang gestritten. <strong>Die</strong> alten<br />

Konflikte der Weimarer Zeit zwischen<br />

sozialdemokratisch geführten Städten<br />

und konfessionellen freien Trägern kamen<br />

wieder zum Vorschein.<br />

Gleichwohl hatten sich die Umstände<br />

der Hilfsbedürftigkeit gewandelt.<br />

Zu den bisher schon notwendigen Hilfen<br />

für sozial schwache Familien, kamen<br />

jetzt Kriegsheimkehrer, die neu<br />

Fuß fassen mussten, Vertriebene aus<br />

dem Osten und selbst DDR-Bürger,<br />

die nach einem Westbesuch um Unterstützung<br />

für die Rückfahrt vorstellig<br />

wurden. Allein im August 1954 wurde<br />

der Etat der Stadt <strong>Oberhausen</strong> dadurch<br />

mit 8.000 Mark belastet. 83<br />

69


100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />

Gründung des Ev. Kirchenkreises<br />

<strong>Oberhausen</strong><br />

Das Jahr 1954 stellte für die Evangelische<br />

Kirche in <strong>Oberhausen</strong> und in<br />

der Folge auch für die Diakonischen<br />

Einrichtungen eine Zäsur dar. Am<br />

1. April 1954 wurde der Kirchenkreis<br />

<strong>Oberhausen</strong> gegründet. Bis zu diesem<br />

Zeitpunkt hatte die Struktur der<br />

evangelischen Gemeinden die Gründung<br />

der Stadt <strong>Oberhausen</strong> im Jahr<br />

1929 noch nicht nachvollzogen. <strong>Die</strong><br />

Gemeinden Alt-<strong>Oberhausen</strong>s gehörten<br />

zum Kirchenkreis Mülheim, die<br />

Gemeinden Sterkrades zum Kirchenkreis<br />

Dinslaken und damit beide zur<br />

Evangelischen Kirche im Rheinland<br />

und die Gemeinde Osterfelds zum<br />

Kirchenkreis Recklinghausen, der der<br />

Evangelischen Kirche Westfalen zugehörig<br />

war (und ist). 84 Besonders für<br />

die Diakonie war diese Anpassung der<br />

Strukturen an die kommunale Wirklichkeit<br />

von Vorteil, denn „diakonische<br />

<strong>Werk</strong>e in großen Flächenkirchenkreisen<br />

haben immer wieder mit dem Problem<br />

zu kämpfen, welcher Kommune<br />

sie ihre Arbeit zuordnen und dadurch<br />

an kommunaler Finanzierung partizipieren.“<br />

85<br />

Bereits im Sommer 1945 hatten sich<br />

die neun <strong>Oberhausen</strong>er evangelischen<br />

Gemeinden zu einer Arbeitsgemeinschaft<br />

zusammengeschlossen, „um<br />

ihre Interessen bei den Behörden besser<br />

vertreten zu können.“ 86<br />

Diverse Zeitungsberichte erschienen<br />

aus Anlass der Gründung des Kirchenkreises<br />

<strong>Oberhausen</strong>. 87 Zum ersten<br />

Superintendenten des neuen Kirchenkreises<br />

wurde Pfarrer <strong>Die</strong>ter Munscheid<br />

gewählt, der seit 19 Jahren an<br />

der Kirchengemeinde <strong>Oberhausen</strong> II<br />

(Lutherkirche) tätig war (Abb. 16).<br />

Abb. 16: Superintendent <strong>Die</strong>ter<br />

Munscheid. Ruhrwacht, 3.4.1954.<br />

70


Fortsetzung und Neuanfang nach 1945<br />

Nähe zur Bekennenden Kirche wurde<br />

in dem Artikel erwähnt (Abb. 17).<br />

Abb. 17: Superintendent a. D. Dr.<br />

Schmidt, aus: Pfarrer durfte seine<br />

Kirche nicht betreten. WAZ, 3.4.1954.<br />

Zeitgleich mit der Wahl Munscheids<br />

ging Pfarrer Dr. Wilhelm Schmidt in<br />

Ruhestand. Er hatte 36 Jahre in <strong>Oberhausen</strong><br />

gewirkt. In einer Würdigung<br />

in der WAZ hieß es: „Im kommunalen<br />

Leben trat Dr. Schmidt erstmalig<br />

beim Inkrafttreten des Reichsjugendwohlfahrtsgesetzes<br />

1923 hervor, und<br />

er hatte großen Anteil an der Schaffung<br />

des städtischen Jugendamtes.“ 88<br />

Auch seine oben schon angesprochene<br />

<strong>Die</strong> Erwartungen an den neuen Kirchenkreis<br />

waren durchaus vielfältig:<br />

„Der neue Kirchenkreis Groß-<strong>Oberhausen</strong><br />

steht vor großen Gemeinschaftsaufgaben.<br />

Es wird nötig sein,<br />

zu stark angewachsene Pfarrbezirke<br />

neu aufzugliedern, durch gegenseitige<br />

Unterstützung auch kleineren Bezirken<br />

zu besseren Einrichtungen für die<br />

Gemeindeglieder zu verhelfen. Nicht<br />

zuletzt aber wird man auch bestrebt<br />

sein, die Grundlage dafür zu schaffen,<br />

daß noch jene Zipfel <strong>Oberhausen</strong>er<br />

Stadtgebietes, wo die evangelischen<br />

Bewohner zu auswärtigen Pfarreien<br />

gehören, der <strong>Oberhausen</strong>er Synode<br />

eingegliedert werden. Solche Gebiete<br />

sind die Siedlung Bermensfeld, Teile<br />

von Dümpten, Styrum und Holten, die<br />

zu Essen-Frintrop, Mülheim-Dümpten,<br />

Mülheim-Styrum bzw. Dinslaken<br />

gehören.“ 89<br />

Aber es ging bei der Gründung der<br />

Kreissynode nicht nur um eine organisatorische<br />

Anpassung der Kirche<br />

an die bürgerliche Gemeinde. Gerold<br />

Vorländer betont die schwierige Situation,<br />

in der sich die evangelischen<br />

Gemeinden Mitte der 1950er-Jahre<br />

befanden. „<strong>Die</strong> größte Not der Nach-<br />

71


100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />

kriegszeit ist überwunden aber zugleich<br />

auch der Elan des Wiederaufbaus<br />

verschwunden. Man sieht sich<br />

einer gesellschaftlichen Wirklichkeit<br />

gegenüber, in der die Kirche zunächst<br />

einen schwierigen Stand hat. Das Bemühen,<br />

die Menschen in der Stadt mit<br />

dem Evangelium zu erreichen, kämpft<br />

mit der eigenen Ratlosigkeit über das<br />

Wie, mit der Mutlosigkeit vieler Gemeinden<br />

und der Gleichgültigkeit der<br />

Zeitgenossen.“ 90<br />

Ein Jahr später, am 1. April 1955,<br />

wurde der Kirchenkreis Träger des<br />

Evangelischen Gemeindedienstes. Ein<br />

Synodalbeauftragter für Diakonie war<br />

für die Kontrolle und Zusammenarbeit<br />

zuständig.<br />

Von nun an gehörten die bereits bestehenden<br />

<strong>Die</strong>nststellen des Evangelischen<br />

Gemeindedienstes in Sterkrade<br />

und Osterfeld zum Kirchenkreis. 91<br />

<strong>Die</strong> Archivalien des Sozialausschusses<br />

der Stadt <strong>Oberhausen</strong> bezeugen<br />

immer wieder die Zusammenarbeit<br />

zwischen Diakonie, den anderen freien<br />

Wohlfahrtsträgern und der Stadt. Wie<br />

schon in den 1920er-Jahren ging es im<br />

Wesentlichen um die Verteilung von<br />

Zuschüssen für konkrete Projekte. Im<br />

Juli 1954 scheiterte ein Vorstoß von<br />

Innerer Mission, Caritas und Arbeiterwohlfahrt,<br />

dauerhaft als beratende<br />

Mitglieder in den städtischen Sozialausschuss<br />

berufen zu werden. Der<br />

Ältestenausschuss der Stadtvertretung<br />

blieb bei seiner Haltung, dass die<br />

Wohlfahrtsverbände nur bei Bedarf<br />

und von Fall zu Fall zu den Ausschusssitzungen<br />

eingeladen werden sollten. 92<br />

Aus dem Protokoll der Sitzung des<br />

Sozialausschusses der Stadt <strong>Oberhausen</strong><br />

vom 21. September 1954 geht<br />

deutlich die Kontinuität zu den Bera-<br />

Superintendenten des Kirchenkreises <strong>Oberhausen</strong><br />

Pfarrer <strong>Die</strong>ter Munscheid 1954 – 1976<br />

Pfarrer Walter Deterding 1976 – 1989<br />

Pfarrer Arthur Schorzmann 1989 – 1997<br />

Pfarrer <strong>Die</strong>ter Hofmann 1997 – 2008<br />

Pfarrer Joachim Deterding 2008 –<br />

72


Fortsetzung und Neuanfang nach 1945<br />

tungssitzungen der 1920er-Jahre hervor.<br />

93 <strong>Die</strong> Vertreter der „caritativen<br />

Verbände“, wie dort formuliert wurde,<br />

berieten gemeinsam mit Vertretern<br />

der Stadt und Stadtverordneten über<br />

die Zuteilung der städtischen Gelder.<br />

<strong>Die</strong> Innere Mission war von Maria<br />

Middendorf vertreten. Ebenfalls anwesend<br />

waren Vertreter der Caritas und<br />

des Deutschen Roten Kreuzes, während<br />

die Arbeiterwohlfahrt sich entschuldigen<br />

ließ.<br />

Ein wichtiger Punkt war die Wiederbeschaffung<br />

von Nähmaschinen<br />

für die verschiedenen Nähschulen.<br />

Im Krieg war ein Großteil der Bestände<br />

verloren gegangen und musste nun<br />

ersetzt werden, damit die Nähkurse<br />

wieder durchgeführt werden konnten,<br />

die vor allem von Vertriebenen und<br />

Flüchtlingen in Anspruch genommen<br />

wurden. Hierfür wurde ein Sonderetat<br />

eingerichtet, der auch zur Betreuung<br />

der sogenannten Bunkerkinder<br />

genutzt werden sollte. Bunkerkinder<br />

waren die Kinder von Vertriebenenfamilien,<br />

die provisorisch in den <strong>Oberhausen</strong>er<br />

Bunkern untergebracht worden<br />

waren.<br />

<strong>Die</strong> Zusammenarbeit mit der Stadt<br />

blieb eng und vertrauensvoll – in beide<br />

Richtungen. <strong>Die</strong> Sozialfürsorge hatte<br />

zu allen Zeiten und in allen politischen<br />

Systemen in Deutschland immer auch<br />

neben der betreuenden Fürsorge die<br />

Aufgabe der Überwachung und Aufsicht<br />

der zu Betreuenden. Schon im<br />

ausgehenden 19. Jahrhundert wurde<br />

in <strong>Oberhausen</strong> eine Kontrollstelle<br />

eingerichtet, die die ehrenamtlichen<br />

ArmenpflegerInnen, zu ihnen gehörten<br />

damals schon Vorläufer der freien<br />

Wohlfahrtspflege wie z. B. der Vater-<br />

Synodalbeauftragte des Kirchenkreises <strong>Oberhausen</strong><br />

Pfarrer Hellmut Pfotenhauer 1955 – 1964<br />

Rudolf Majert 1964 – 1985<br />

Pfarrer Hans Hönicke 1985 – 1990<br />

Pfarrer Wolf-<strong>Die</strong>ter Balling 1990 – 2002<br />

Pfarrer Jürgen Drescher 2002 – 2020<br />

Pfarrer Thomas Fidelak 2020 –<br />

73


100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />

ländische Frauenverein, anhalten sollte,<br />

„Aufsicht über die unterstützten<br />

Personen und deren Angehörige, namentlich<br />

in Bezug auf Erwerbsverhältnisse,<br />

Arbeitsfähigkeit, sonstige Unterstützungen<br />

usw.“ zu führen. 94 Wie<br />

schon seit Beginn der Sozialfürsorge in<br />

<strong>Oberhausen</strong> arbeiteten die Sozialarbeiter<br />

aller Einrichtungen auch in den<br />

1960er-Jahren den städtischen Behörden<br />

zu, indem sie ihre Einblicke, die sie<br />

in das Umfeld von betreuten Personen<br />

und Familien erhielten, weitergaben.<br />

Beispiele lassen sich in den Akten des<br />

Städtischen Jugendamtes finden. So<br />

wurden z. B. im Jahr 1967 die Lebensumstände<br />

eines Mannes überprüft, der<br />

eine Schankwirtschaft eröffnen wollte<br />

und hierzu eine Schankerlaubnis<br />

beantragt hatte. Seine Freundin war<br />

minderjährig, wohnte bei ihm und<br />

arbeitete für ihn ohne festen Vertrag<br />

und ohne dass Sozialabgaben geleistet<br />

wurden. <strong>Die</strong> Leitende Sozialarbeiterin<br />

Hannelore Fordan 95 , die den Bericht<br />

verfasste, gab über die familiären Verhältnisse<br />

des Mädchens M. Auskunft<br />

an das Jugendamt: „<strong>Die</strong> Verhältnisse<br />

bei Familie K. sind nicht besonders<br />

gut. Zwischen den Eheleuten bestehen<br />

erhebliche Schwierigkeiten, die allerdings<br />

jetzt besser geworden sein sollen.<br />

Frau K. hat bist vor kurzer Zeit<br />

noch ständig mitgearbeitet, so daß sie<br />

sich wenig um ihre Kinder kümmern<br />

konnte. Zuhause gab es sehr viel Zank<br />

und Streit, so daß wir uns schon vorstellen<br />

können, daß M. ihr Elternhaus<br />

gerne verlassen hat. Frau K. hat sich<br />

offenbar bis heute nicht Gedanken um<br />

das Verbleiben ihrer Tochter gemacht.<br />

Durch unser Gespräch, das etwa eine<br />

Stunde dauerte und in dessen Verlauf<br />

wir Frau K. und M. aufgezeigt haben,<br />

wohin diese Dinge führen, schien Frau<br />

K. endlich war zu werden.“ 96<br />

1957 bezog der Gemeindedienst<br />

neue Räume in der Ebertstraße 103,<br />

wo zunächst eine, später zwei Etagen<br />

als <strong>Die</strong>nsträume zur Verfügung standen.<br />

97<br />

Das Jahr 1960 markierte wiederum<br />

einen besonderen Moment in der<br />

Geschichte des Diakonischen <strong>Werk</strong>s.<br />

Maria Middendorf, die 36 Jahre tragende<br />

Säule der Inneren Mission in<br />

<strong>Oberhausen</strong> gewesen war, ging in den<br />

Ruhestand. <strong>Die</strong> Evangelische Kirchenzeitung<br />

„Der Weg“ würdigte dieses<br />

Ereignis mit einem großen Artikel.<br />

Darin wird am Rande auch deutlich,<br />

wie sich seit Ende des Zweiten Weltkriegs<br />

mit der Beseitigung der größten<br />

Nachkriegsnot die Aufgaben der Inneren<br />

Mission erweitert haben: „Heute<br />

sind nicht mehr Kinderspeisung<br />

74


Fortsetzung und Neuanfang nach 1945<br />

und Dolmetscherfragen unsere ersten<br />

Aufgaben. Es geht um weitere Nöte:<br />

Trunkenheit, Wohlstandskriminalität,<br />

Flüchtlingshilfe, Vormundschaften,<br />

Bewährungshilfe, Mütter- und Altenerholung,<br />

Kinder-Ferienwerk und vieles<br />

mehr.“ 98<br />

Evangelischer Gemeindedienst<br />

für Innere Mission<br />

und Hilfswerk im Kirchenkreis<br />

<strong>Oberhausen</strong><br />

<strong>Die</strong>sen sperrigen Namen trug das<br />

Diakonische <strong>Werk</strong>, nachdem sich der<br />

Gemeindedienst und das Hilfswerk<br />

sich im Einvernehmen mit der Entwicklung<br />

in der EKD und in der Evangelischen<br />

Kirche im Rheinland am<br />

1. Oktober 1963 zusammengeschlossen<br />

hatten.<br />

Mit dem Zusammenschluss wurde<br />

nun auch eine immer größere Vielfalt<br />

an Aufgaben und <strong>Die</strong>nsten unter<br />

einem Dach vereinigt. Das Hilfswerk<br />

brachte „die Durchführung von Erholungsmaßnahmen<br />

für Alte und Kinder,<br />

die Organisation der regelmäßigen<br />

Sammlungen für Innere Mission<br />

und Hilfswerk sowie die ausgedehnte<br />

Pflege der Verbindung mit den Patengemeinden<br />

des Kirchenkreises <strong>Oberhausen</strong><br />

in Mitteldeutschland, einschließlich<br />

der tätigen Fürsorge für<br />

sie“ ein. Dazu kam u. a. auch die Betreuung<br />

der griechischen Gastarbeiter.<br />

Auf die Frage, was die Tätigkeitsfelder<br />

des Gemeindedienstes für Innere<br />

Mission seien, schrieb Maria Middendorf:<br />

„Was tut er? Es liegt die Antwort<br />

nahe: Was tut er nicht? In der Tat, so<br />

mannigfaltig ist das, was an ihn herantritt.<br />

Es handelt sich neben der ausgedehnten<br />

Jugendfürsorge auch um die<br />

Arbeit für zahlreiche Erwachsene, und<br />

zwar weitgehend für solche, die wegen<br />

Geistesschwäche oder Trunksucht<br />

entmündigt wurden. <strong>Die</strong> vielen Vormundschaften,<br />

die die Fürsorgekräfte<br />

zu führen haben, bedeuten ein großes<br />

Maß an Mühe und Arbeit. [...] In sachlicher<br />

Verbindung mit der Bevormundung<br />

Trunksüchtiger steht die Suchtbekämpfung.<br />

Auch die Eheberatung,<br />

die Hauspflege, die Kurheilfürsorge<br />

für Mütter und Kinder gehören zu den<br />

Obliegenheiten des Evgl. Gemeindedienstes.“<br />

99 Aus rechtlichen Gründen<br />

musste für die Führung der Vormundschaften<br />

und Pflegschaften eine eigene<br />

Institution geschaffen werden, da es<br />

den Mitarbeitenden nicht zuzumuten<br />

war, die juristische Verantwortung für<br />

ihre Schützlinge zu übernehmen. Es<br />

75


100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />

76


Fortsetzung und Neuanfang nach 1945<br />

Am 30. Dezember 1946 berichtete<br />

die Rheinische Post in einem ausführlichen<br />

Artikel über das 50-jährige Jubiläum<br />

der Bahnhofsmission, die 1896<br />

in Berlin gegründet worden war. Einen<br />

großen Raum nimmt darin die Arbeit<br />

der <strong>Oberhausen</strong>er Bahnhofsmission<br />

ein. Der Bericht gibt einen guten Einblick<br />

in die Nöte der Reisenden eineinhalb<br />

Jahre nach Kriegsende und<br />

die Hilfen, die ihnen gegeben werden<br />

konnten: „Der Raum der <strong>Oberhausen</strong>er<br />

Bahnhofsmission ist ein bevorzuglinke<br />

Seite Abb. 18: Einladung zur<br />

Verabschiedung von Pfarrer Hellmut<br />

Pfotenhauer als Kreissynodalbeauftragter<br />

für Diakonie 1965.<br />

wurde der Verein „Evangelische Familienhilfe<br />

e. V.“ gegründet, der direkt bei<br />

der <strong>Die</strong>nststelle der Diakonie angesiedelt<br />

war.<br />

Am 1. Mai 1965 löste Rudolf Majert<br />

den Kreissynodalbeauftragen Pfarrer<br />

Pfotenhauer in dieser Funktion ab und<br />

wurde zugleich hauptamtlicher Leiter<br />

des Diakonischen <strong>Werk</strong>es. 100 (Abb.<br />

18) In Folge der Zunahme der Arbeit<br />

wurden größere Räume benötigt. Am<br />

8. Juni 1966 zog das Diakonische <strong>Werk</strong><br />

daher in die Marktstraße. 101 Ein ausführlicher<br />

Bericht hierüber findet sich<br />

in der Zeitschrift „Der Weg“. In dem<br />

„Haus der Kirche“, wie das neue Gebäude<br />

genannt wurde, waren neben<br />

dem Evangelischem Gemeindedienst<br />

für Innere Mission und Hilfswerk im<br />

Kirchenkreis <strong>Oberhausen</strong> auch die<br />

Mütterschule und die Superintendentur<br />

untergebracht. 102<br />

<strong>Die</strong> Bahnhofsmission<br />

<strong>Die</strong> ersten Informationen über den<br />

Einsatz der Bahnhofsmission nach<br />

dem Krieg gibt uns die Neue Rheinische<br />

Zeitung in einem Bericht vom<br />

5. Dezember 1945. <strong>Die</strong> Betreuung<br />

zahlreicher Reisender, Vertriebener,<br />

zurückkehrender ehemalige Wehrmachtssoldaten,<br />

Kinder, die aus den<br />

ländlichen Gebieten, in die sie vor<br />

dem Luftkrieg in Sicherheit gebracht<br />

worden waren, wieder nach <strong>Oberhausen</strong><br />

kamen, alleinreisender Mütter mit<br />

Kindern und Babys war eine große Herausforderung.<br />

Täglich wurden mehr<br />

als 1.000 Liter Kaffee ausgeschenkt, am<br />

28. November 1945 600 Essen ausgegeben,<br />

und täglich rund 50 Verletzungen<br />

behandelt.<br />

77


100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />

ter Zufluchtsort für Durchreisende, die<br />

bei den derzeitigen Bahnverhältnissen<br />

oft stundenlang ihren Anschlußzug<br />

erwarten. Es ist für die Schwestern<br />

und jungen Helferinnen nicht immer<br />

leicht, mit den übermüdeten und zum<br />

Teil sehr verbitterten Menschen Kontakt<br />

zu finden. […] <strong>Die</strong> Zeit der Vertriebenenzüge<br />

bedeutete die stärkste<br />

Nervenprobe für das Personal der<br />

<strong>Oberhausen</strong>er Bahnhofsmission. Tausende<br />

von hoffnungslosen Vertriebe-<br />

Abb. 19: Im <strong>Die</strong>nste der Nächstenliebe.<br />

Neue Rheinische Zeitung, 5.12.1945.<br />

78


Fortsetzung und Neuanfang nach 1945<br />

nen schleuste die Bahnhofsmission im<br />

Verein mit dem Roten Kreuz durch.<br />

Ungezählte Frauen, Männer und Kinder,<br />

oft wochenlang zu Fuß, mit Wagen<br />

und Eisenbahn unterwegs, fanden<br />

hier leibliche und seelische Aufmunterung.<br />

Erfreulicherweise konnte durch<br />

das Entgegenkommen amtlicher Stellen<br />

auch Kinder und Säuglinge entsprechend<br />

verpflegt und gepflegt werden.<br />

Das Übernachtungsheim an der<br />

Nohlstraße diente vielen Durchreisenden<br />

als Schlafstätte. Leider konnte<br />

trotz aller Bemühungen nicht immer<br />

genügend geheizt werden.“ 103 (Abb.<br />

19) Verletzte Reisende wurden medizinisch<br />

versorgt, Frühgeburten ohne<br />

Arzt „gemeistert“, ausgerissene Kinder<br />

aufgegriffen und ihren Eltern zurück<br />

gegeben. Kinder, die aus der NS-Kinderlandverschickung<br />

aus <strong>Oberhausen</strong><br />

verbracht worden waren und nun<br />

zurückkehrten, fanden in der Bahnhofsmission<br />

Aufnahme, wenn sie ihre<br />

Angehörigen nicht mehr vorfanden.<br />

(Abb. 20)<br />

Im Frühjahr 1948 gibt es für die<br />

Bahnhofsmission in <strong>Oberhausen</strong> eine<br />

wesentliche Verbesserung zu vermelden.<br />

War sie bis dahin auf einen<br />

kleinen Raum zwischen Bahnsteig<br />

3 und 4 beschränkt, der gerade mal<br />

zehn Personen fasste, schlecht belüf-<br />

Abb. 20: Erschöpfte Reisende werden<br />

von der Bahnhofsmission bewirtet.<br />

Aus: Bahnhofsmission feiert goldenes<br />

Jubiläum. Rheinische Post, 30.12.1946.<br />

tet war und von keinem Tageslicht erhellt<br />

wurde, ergab sich im April/Mai<br />

die Möglichkeit, den ehemaligen Erfrischungsraum<br />

auf Bahnsteig 3 wieder<br />

herzurichten und zu nutzen. Mit<br />

Unterstützung der Stadt konnten Innere<br />

Mission und Caritas gemeinsam<br />

die Renovierung vornehmen. „Das<br />

neue Heim auf Bahnsteig 3 kann sicher<br />

25 bis 30 Personen aufnehmen,<br />

ist nicht Tag und Nacht auf künstliches<br />

Licht angewiesen (wie es unten in der<br />

alten Unterkunft war) und ist gut zu<br />

lüften.“ 104<br />

79


100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />

Im Mai war es dann soweit und das<br />

neue Domizil der Bahnhofsmission<br />

wurde eingeweiht. In der WAZ erschien<br />

am 29. Mai 1948 die Meldung:<br />

„Bahnhofsmission hat neues Heim“.<br />

Demnach wurde in mehrwöchiger<br />

Arbeit der halbzerstörte Pavillon für<br />

die Bahnhofsmission hergerichtet.<br />

„Weithin leuchtet die Aufschrift ‚Bahnhofsmission‘<br />

und kündet namentlich<br />

alleinreisenden Mädchen und Kindern,<br />

daß sie hier Rat und Hilfe finden.<br />

Neben einem in hellen Farben gehaltenen<br />

Aufenthaltsraum enthält die Station<br />

auch eine kleine Küche zur leiblichen<br />

Betreuung der Wartenden. Als<br />

Durchgangsbahnhof nach allen Richtungen<br />

gewinnt <strong>Oberhausen</strong> immer<br />

mehr an Bedeutung. Daher ist es angebracht,<br />

daß Mädchen und Kinder bei<br />

unvermeidlichen Wartezeiten von der<br />

Bahnhofsmission in Obhut genommen<br />

werden können.“ 105 Noch mehr Details<br />

gibt ein Artikel der Rheinischen<br />

Post preis: „Lange Tische, bequeme<br />

Ruhemöglichkeiten – u. a. steht sogar<br />

ein Liegesofa zur Verfügung –, Bilder<br />

an den frisch gestrichenen Wänden,<br />

Blumen auf den Tischen geben dem<br />

Raum ein anheimelndes Gesicht. […]<br />

Hier wie auf den Bahnsteigen üben die<br />

Schwestern beider Konfessionen ihre<br />

karitative Tätigkeit aus, und die starke<br />

Inanspruchnahme des neuen Heimes<br />

der Bahnhofsmission in den ersten Tagen<br />

nach seiner Eröffnung spricht für<br />

seine Errichtung.“ 106<br />

Über die Arbeit in dem neuen Heim<br />

der Bahnhofsmission berichtete am<br />

8. Januar 1949 die NRZ in eine ausführlichen<br />

Artikel. 107 (Abb. 21)<br />

Aus dem bereits genannten Protokoll<br />

des Sozialausschusses vom<br />

21. September 1954 geht hervor, dass<br />

Abb. 21: „Immer wenn es Not tut,<br />

sind sie da“. NRZ, 8.1.1949.<br />

80


Fortsetzung und Neuanfang nach 1945<br />

die Arbeit der Bahnhofsmission weiterhin<br />

von der Stadt unterstützt wurde.<br />

Nach längerer Diskussion wurde damals<br />

beschlossen, u. a. der „Bahnhofsmission<br />

(Caritas und Innere Mission)<br />

<strong>Oberhausen</strong>“ 1.000 Mark als Beihilfe<br />

zu gewähren. 108 Nach wie vor war die<br />

Bahnhofsmission ein ökumenisches<br />

Projekt beider großer Kirchen.<br />

1957 erhielt die Bahnhofsmission<br />

wiederum neue Räume, die eine verbesserte<br />

Betreuung ermöglichten.<br />

„Jetzt macht die Arbeit Freude“ titelte<br />

am 24. Januar 1954 die Ruhrwacht.<br />

<strong>Die</strong> neuen Räume verfügten nun zusätzlich<br />

zum allgemeinen Aufenthaltsraum<br />

einen Mutter/Kind-Raum, eine<br />

Küche und ein kleines Büro.<br />

<strong>Die</strong> Arbeit der Bahnhofsmission<br />

fand immer auch im Zeichen gesellschaftlichen<br />

Wandels statt. Als die<br />

Vertriebenen und Kriegsheimkehrer<br />

in den 1950er- und 1960er-Jahren<br />

weniger wurden, traten ausländische<br />

Arbeitnehmer und deren Familien und<br />

Rentner aus der DDR, die im Rahmen<br />

des innerdeutschen Reiseverkehrs die<br />

BRD besuchten.<br />

Weimarer Zeit eine „gute Presse“ hatte.<br />

Keine anderen <strong>Werk</strong>e und Initiativen<br />

der Diakonie wurden so oft öffentlich<br />

vorgestellt, was natürlich einem Werben<br />

um Unterstützung gleich kam.<br />

<strong>Die</strong>s blieb auch noch in den kommenden<br />

Jahrzehnten so. <strong>Die</strong> enge Zusammenarbeit<br />

von Diakonischem <strong>Werk</strong>,<br />

Caritas und Bahnhofsmission fand erst<br />

1996 ein Ende. Stellenkürzungen und<br />

der Umbau des Hauptbahnhofes ließen<br />

den Betrieb der Bahnhofsmission<br />

nicht mehr zu. Endgültig aufgegeben<br />

wurde die Bahnhofsmission 2004, als<br />

die Deutsche Bahn die Essensausgabe<br />

auf dem Bahnhofsgelände untersagte.<br />

Das Gleis 51, betrieben von der Caritas,<br />

ist in gewisser Weise ein Nachfolger<br />

der Bahnhofsmission, befindet<br />

sich allerdings nicht, wie der Name es<br />

vermuten ließe, in unmittelbarer Nähe<br />

zum Bahnhof. 109<br />

Es zeigt sich, dass die Arbeit der<br />

Bahnhofsmission wie schon direkt bei<br />

ihrer Gründung und dann während der<br />

81


Spezialisierung der Sozialen Arbeit seit den 70er-Jahren<br />

ZEIT DER VERÄNDERUNGEN –<br />

SPEZIALISIERUNG DER SOZIALEN ARBEIT<br />

SEIT DEN 70ER-JAHREN<br />

Mehr als nur eine Namensänderung:<br />

Das Diakonische<br />

<strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong><br />

Als die EKD das Diakonische <strong>Werk</strong><br />

der Evangelischen Kirche Deutschland<br />

gründete, indem sie die beiden<br />

selbstständigen Institutionen „Innere<br />

Mission“ und „Hilfswerk“ zusammenführte,<br />

schrieb Christian Emde<br />

in der Zeitschrift „Der Weg“: „Der<br />

Name hat sich geändert – die Aufgabe<br />

ist die gleiche geblieben, wie Wichern<br />

sie 1848 formulierte: ‚<strong>Die</strong> Verkündigung<br />

des Evangeliums und die brüderliche<br />

Handreichung der Liebe.‘“ 110 <strong>Die</strong>s<br />

war sicherlich der Wunsch aller Verantwortlichen<br />

nicht nur in der EKD,<br />

sondern auch in <strong>Oberhausen</strong>, wo<br />

ebenfalls diese Namensänderung vollzogen<br />

wurde. Nicht übersehen werden<br />

aber darf, dass zeitgleich und sicher in<br />

einem tieferen ursächlichen Zusammenhang<br />

sich die gesellschaftliche und<br />

kirchliche Situation in den 1960er-Jahren<br />

grundlegend zu ändern begann.<br />

<strong>Die</strong> Namensänderung ist, wenn auch<br />

zunächst unbewusst, ein Ausdruck<br />

dieser Veränderungen.<br />

„<strong>Die</strong> 60er Jahre signalisierten in<br />

mehrerer Hinsicht das Ende der Nachkriegsära<br />

und den Beginn einer neuen<br />

Entwicklungsphase in Wohlfahrtspflege<br />

und Gesellschaft. Der ökonomische<br />

und politische Wiederaufbau, der die<br />

späten 40er sowie die 50er Jahre geprägt<br />

hatte, ging seinem Ende entgegen.“<br />

111 Erstmals musste sich die<br />

Gesellschaft mit steigender Arbeitslosigkeit<br />

auseinandersetzen. Zugleich<br />

wandelte sich das gesellschaftspolitische<br />

Klima in der Bundesrepublik.<br />

Auf die Zeit der Adenauer-Ära, die<br />

83


100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />

unter dem Motto „Keine Experimente”<br />

stand, folgte ein Drang nach Veränderung<br />

und geistiger Weite. Dem Ruf<br />

nach einem neuen Aufbruch, der sich<br />

am auffälligsten seit den 68ern in den<br />

Studentenprotesten bemerkbar machte,<br />

entsprach die politische Wachablösung<br />

durch die sozialliberale Koalition<br />

unter Willy Brandt.<br />

<strong>Die</strong>se Entwicklung ging an der Sozialen<br />

Arbeit nicht vorüber. Der geistige<br />

Aufbruch der 68er erreichte auch<br />

sie. Ein neu geöffneter Blick auf die soziale<br />

Wirklichkeit führte zu einer Ausweitung<br />

der Arbeitsfelder der Diakonie.<br />

Damit einher ging die Schaffung<br />

neuer Einrichtungen und <strong>Werk</strong>e sowie<br />

von mehr und besser ausgebildetem<br />

Personal. Traditionelle Konzepte<br />

wurden kritisch hinterfragt, stärker<br />

als bisher wurde nach den Ursachen<br />

sozialer Ungerechtigkeit gefragt. <strong>Die</strong>-<br />

Abb. 22: Einladungskarte zum 50-jährigen Jubiläum 1971.<br />

84


Spezialisierung der Sozialen Arbeit seit den 70er-Jahren<br />

se Veränderungen manifestierten sich<br />

u. a. in der Neustrukturierung der diakonischen<br />

Arbeit, in der Gründung<br />

Evangelischer Fachhochschulen für<br />

Diakonie und daraus folgend in einer<br />

Akademisierung der Mitarbeiterschaft.<br />

112 Gleichzeitig veränderte sich<br />

auch die Motivlage und Sinnorientierung<br />

der diakonischen Mitarbeiterschaft.<br />

„<strong>Die</strong> jungen Kräfte brachten<br />

zwar ein erhebliches Ausmaß an Fachwissen<br />

und fachbezogener Motivation<br />

mit, allerdings verfügten sie über verhältnismäßig<br />

wenig christliches Wissen.“<br />

113 <strong>Die</strong>s führte zu Verunsicherung<br />

und Grundsatzdebatten bei allen Beteiligten.<br />

„Für die Diakonie als Ganzes<br />

wurde eine grundsätzliche Neuorientierung<br />

angemahnt. Eine aktuelle<br />

Interpretation des diakonischen Auftrags<br />

durch die Theologie, eine Auseinandersetzung<br />

mit Selbstverständnis,<br />

Sachzwängen und Planungsvorhaben<br />

staatlicher Institutionen, eine Reflexion<br />

gesellschaftlicher Veränderungen<br />

und des Wandels von Notlagen und<br />

85


100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />

Hilfsbedürftigkeiten sowie die Überprüfung<br />

von Organisationsstrukturen<br />

und Arbeitsabläufen der Diakonie […]<br />

wurden gefordert.“ 114<br />

<strong>Die</strong>se Neuordnung hat vor der<br />

<strong>Oberhausen</strong>er Diakonie und insbesondere<br />

dem Diakonischen <strong>Werk</strong> des<br />

Kirchenkreises <strong>Oberhausen</strong> nicht halt<br />

gemacht. Vielmehr sind die Jahrzehnte<br />

seit der Gründung geprägt von diesen<br />

Veränderungen und dem mühevollen,<br />

oft gegen Widerstände innerhalb<br />

und außerhalb der Kirche sich durchsetzenden<br />

Weg dorthin. Als 1966 aus<br />

dem Evangelischer Gemeindedienst<br />

für Innere Mission und Hilfswerk<br />

das Diakonische <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong><br />

wurde, zeichnete sich bereits in der<br />

Namensgebung ein tiefer gehender<br />

Perspektivwechsel der kirchlichen Sozialen<br />

Arbeit ab. Zwar erfolgte diese<br />

Namensänderung in Anlehnung an<br />

die Namensentwicklung auf übergeordneter<br />

Ebene, aber die Betonung der<br />

örtlichen Gemeinde als Träger dieser<br />

Arbeit wurde ersetzt durch die umfassende<br />

Bezeichnung Diakonie.<br />

Bei der Fünfzigjahrfeier des Diakonischen<br />

<strong>Werk</strong>es <strong>Oberhausen</strong> 1971<br />

sprach der damalige Festredner Pfarrer<br />

Dr. Siegfried Meurer vom Diakonischen<br />

<strong>Werk</strong> im Rheinland die sich<br />

anbahnenden Veränderungen offen an<br />

(Abb. 22). Er wies auf die zunehmende<br />

Überalterung der bundesdeutschen<br />

Gesellschaft hin – der sogenannte Pillenknick<br />

war bereits statistisch nachweisbar<br />

– und die Zunahme der Zahl<br />

psychisch Erkrankter, die zukünftig<br />

eine angemessene Unterstützung erfahren<br />

müssten. <strong>Die</strong> Zeit der großen<br />

Anstalten, in denen man diese Menschen<br />

betreuen und zugleich dem Blick<br />

der Öffentlichkeit entziehen konnte,<br />

sei vorbei. Vielmehr müssten auch die<br />

Diakonischen Einrichtungen an einer<br />

Veränderung des gesellschaftlichen Bewusstseins<br />

arbeiten, damit diese Gruppen<br />

integriert werden könnten. „Nur<br />

so könne der verhängnisvolle Kreislauf:<br />

Gesellschaftsform, Erkrankung,<br />

Behandlung, Entlassung und Wiedererkrankung<br />

durchbrochen werden.“<br />

Meurer betonte, dass Diakonie sich<br />

nie auf Mildtätigkeit beschränken dürfe.<br />

Vielmehr wurde der gesellschaftspolitische<br />

Anspruch der Diakonie<br />

ausdrücklich hervorgehoben. „<strong>Die</strong><br />

Sozialarbeiter werden daher das soziale<br />

Gewissen der Kirche werden.“<br />

Zu diesem erweiterten Verständnis<br />

diakonischer Arbeit als gesellschaftspolitischen<br />

Handelns betonte Meurer<br />

einen weiteren Aspekt. „Da Fürsorge<br />

in einer demokratischen Gesellschaft<br />

kein hoheitlicher Akt sein könne, sei<br />

86


Spezialisierung der Sozialen Arbeit seit den 70er-Jahren<br />

Abb. 23: Titelblatt Festvortrag Dr. Siegfried Meurer „<strong>Die</strong> Notwendigkeit<br />

kirchlicher Sozialarbeit heute“. 24. November 1971.<br />

87


100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />

es altmodisch, wenn eine Kommune<br />

einen Alleinanspruch erhebe.“ Meurer<br />

lehnte in seiner Ansprache ein Gegeneinander<br />

von staatlicher, kirchlicher,<br />

kommunaler oder sonstiger freier Fürsorge<br />

ab. Der Staat brauche in ganz<br />

neuer Weise die Kirche, die Kirche ihrerseits<br />

habe am Wohl der Gesellschaft<br />

mitzuarbeiten. 115 Meurer sprach sich<br />

also vehement für das Subsidiaritätsprinzip<br />

aus und gegen eine „Verstaatlichung“<br />

von freier Wohlfahrtspflege<br />

und Diakonie, wie man teilweise schon<br />

befürchtete. 116 (Abb. 23)<br />

Seit den Anfängen der organisierten<br />

diakonischen Arbeit der Kirche im<br />

19. Jahrhundert bestand diese immer<br />

in einem Mit-, aber auch Gegeneinander<br />

zur staatlichen Sozialpolitik. Bis<br />

weit über die Mitte des 19. Jahrhunderts<br />

galt allgemein die Überzeugung,<br />

die soziale Frage könne nur durch die<br />

freie Wohlfahrtspflege gelöst werden.<br />

Erst langsam setzte sich die Auffassung<br />

durch, dass hier nur eine staatliche<br />

Intervention unter Mitwirkung<br />

der freien Kräfte helfen konnte. 117 In<br />

diesem Ringen bestanden gerade die<br />

kirchlichen Spitzenverbände immer<br />

schon auf das aus der verfassungsbzw.<br />

grundgesetzlich garantierten Religionsfreiheit<br />

abgeleitete Recht zur<br />

freien Betätigung im Sozialsektor.<br />

Gleichwohl nahm der staatliche Einfluss<br />

auf die Soziale Arbeit immer<br />

mehr zu. Mit den neuen inhaltlichen<br />

Anforderungen musste auch das Verhältnis<br />

des Staates zur freien Wohlfahrtspflege<br />

neu austariert werden.<br />

<strong>Die</strong> Folge des angestrebten Bewusstseinswandels<br />

war die Verbreiterung<br />

der Aufgabenbereiche der Träger der<br />

Sozialen Arbeit im Allgemeinen. „<strong>Die</strong><br />

60er- und frühen 70er-Jahre waren<br />

durch eine beispiellose Ausweitung<br />

sozialer Arbeit in der Bundesrepublik<br />

Deutschland geprägt. An dieser Entwicklung<br />

war auch die Diakonie mit<br />

einem enormen Größenwachstum und<br />

einer inneren Differenzierung diakonischer<br />

Arbeitsfelder, Einrichtungen<br />

und <strong>Die</strong>nste beteiligt.“ 118 Es entwickelte<br />

sich ein arbeitsteiliges System öffentlicher<br />

Wohlfahrt, und die Diakonie<br />

war ein wichtiger Bestandteil. Damit<br />

verbunden war eine zunehmende Abhängigkeit<br />

der freien Wohlfahrtsträger<br />

– und somit auch der Diakonie – von<br />

öffentlichen Finanzmitteln.<br />

<strong>Die</strong> Tätigkeitsfelder des Diakonischen<br />

<strong>Werk</strong>es <strong>Oberhausen</strong> wurden<br />

im Laufe der Jahre immer vielfältiger.<br />

Nach und nach kamen immer mehr<br />

Arbeitsbereiche hinzu.<br />

88


Spezialisierung der Sozialen Arbeit seit den 70er-Jahren<br />

<strong>Die</strong>se wachsende Vielfalt bedurfte<br />

einer verbesserten Organisation, die<br />

sowohl strukturell als auch inhaltlich<br />

in der Lage war, den neuen Anforderungen<br />

Rechnung zu tragen. Zur organisatorischen<br />

Straffung der Arbeit<br />

wurde Mitte der 1970er-Jahre die Diakonie<br />

in <strong>Oberhausen</strong> zentralisiert. <strong>Die</strong><br />

gemeindliche Zuordnung der Mitarbeitenden<br />

wurde weiterentwickelt<br />

zu einer arbeitsfeldorientierten Sozialarbeit.<br />

<strong>Die</strong> <strong>Die</strong>nsträume in Sterkrade<br />

und Osterfeld wurden in Anlaufstellen<br />

umgewandelt, die gesamte Verwaltung<br />

und die Büros der SozialarbeiterInnen<br />

dagegen wurden in die Marktstraße<br />

verlegt, wo sich Teile des <strong>Werk</strong>es noch<br />

heute befinden. Wichtiger aber noch<br />

war die strukturelle Umstellung. In der<br />

Folge waren nicht mehr einzelne SozialarbeiterInnen<br />

in den Bezirken für<br />

alle dortigen KlientInnen und deren<br />

Anliegen zuständig, sondern je nach<br />

Sachverhalt standen unterschiedliche<br />

Fachleute als Ansprechpartner zur<br />

Verfügung. <strong>Die</strong>s bedeutete eine fundamentale<br />

Änderung der Arbeitsweise. 119<br />

Der damalige Pfarrer der Luther-<br />

Kirchengemeinde, Karl Marschall,<br />

brachte in einem Gespräch mit der<br />

Leitenden Sozialarbeiterin Hannelore<br />

Fordan die neue Grundkonzeption auf<br />

den Punkt, als er von einer „Wandlung<br />

vom einstigen ‚Fürsorger‘ zum qualifizierten<br />

Sozialarbeiter, der sein Gegenüber<br />

zur selbstständigen Lebensbewältigung<br />

anleitet und nicht mehr nur<br />

betreut“, sprach. 120 <strong>Die</strong>s korrespondierte<br />

auch mit dem allgemeinen Trend in<br />

der Sozialen Arbeit, durch universitäre<br />

oder fachhochschulische Ausbildung<br />

höhere Fachlichkeit zu erzeugen.<br />

Außer den fachlichen Gründen, die<br />

zu der Umstrukturierung führten, lagen<br />

ihr auch Haushaltsüberlegungen<br />

zugrunde. <strong>Die</strong> zunehmenden fachlichen<br />

Anforderungen an die Arbeit,<br />

die den Einsatz von studierten Sozialarbeitern<br />

und Sozialarbeiterinnen notwendig<br />

machte, erhöhten die Kosten<br />

derart, dass staatliche und vor allem<br />

kommunale Zuschüsse benötigt wurden.<br />

<strong>Die</strong>se waren wiederum an fachliche<br />

und organisatorische Voraussetzungen<br />

gebunden, die in dem alten<br />

System nicht gegeben waren. Um eine<br />

moderne Sozialarbeit evangelischer<br />

Prägung in <strong>Oberhausen</strong> sicherstellen<br />

zu können, war daher die Umstrukturierung<br />

unvermeidbar.<br />

Es musste viel Überzeugungsarbeit<br />

geleistet werden, da die Umstellung<br />

der Arbeit des Diakonischen <strong>Werk</strong>es<br />

nicht nur die MitarbeiterInnen und<br />

die KlientInnen betraf, sondern auch<br />

89


100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />

die örtlichen Kirchengemeinden, die<br />

ihren unmittelbaren Bezug zu den<br />

FürsorgerInnen beschnitten sahen.<br />

Zwar blieben in Osterfeld und Sterkrade<br />

weiterhin Anlaufstellen erhalten, sie<br />

wurden im Laufe der Jahre aber immer<br />

seltener in Anspruch genommen, als<br />

die neue Struktur unter den Betroffenen<br />

bekannter und von diesen zunehmend<br />

mehr angenommen wurde.<br />

1978 erwuchs beispielsweise aus der<br />

<strong>Die</strong>nststelle Sterkrade ein Gruppenbereich<br />

für die Freiwillige Erziehungshilfe.<br />

Und ab 1979 trafen sich neben den<br />

Jugendlichen regelmäßig auch psychisch<br />

Kranke in diesen Räumen. 121<br />

Hier lag die Wurzel der Hilfe für psychisch<br />

erkrankte Menschen in Form<br />

des Psychosozialen Gesundheitszentrums<br />

Sterkrade. Der Raum im Gemeindehaus<br />

Kapellenstraße in Osterfeld<br />

wurde Mitte der 1980er-Jahre von<br />

der wachsenden Gemeindepflegestation<br />

übernommen. 122<br />

Nach rund zehn Jahren war die Umstrukturierung<br />

abgeschlossen, wenn es<br />

auch weiterhin noch wehmutsvolle Erinnerung<br />

an die vergangene Zeit gab,<br />

wie Frau Fordans Nachfolger Gerhard<br />

Holtz rückblickend zu berichten wusste:<br />

„Meine Vorgängerin Frau Fordan<br />

hat Mitte der siebziger Jahre die bezirkliche<br />

Arbeit durch Schwerpunktsetzung<br />

abgelöst. Das hat in den Gemeinden<br />

viele Schmerzen verursacht.<br />

Als ich 1984 anfing, habe ich das auf<br />

meiner Vorstellungstour durch die<br />

<strong>Oberhausen</strong>er Presbyterien immer<br />

noch als Klage gehört. […] <strong>Die</strong> Presbyterien<br />

haben damals der Zeit nachgetrauert:<br />

‚Als wir noch unsere Fürsorgerinnen<br />

hatten …‘ Darin kam zum<br />

Ausdruck, dass die bezirkliche Arbeit<br />

ein stark gemeindebezogenes Handeln<br />

war. <strong>Die</strong> Umstellung der Tätigkeit<br />

der Mitarbeitenden auf Schwerpunkte<br />

wurde als Verlust erlebt.“ 123<br />

Wie die Arbeitsverteilung des Diakonischen<br />

<strong>Werk</strong>es rund zehn Jahre<br />

nach Umstellung des Systems aussah,<br />

verdeutlicht der Organisationsplan aus<br />

dem Jahr 1984 (Abb. 24).<br />

In den 1980er-Jahren setzte eine kritischere<br />

Betrachtung der erwähnten<br />

Veränderungen ein. Gerhard Holtz,<br />

wie erwähnt seit 1984 Nachfolger von<br />

Hannelore Fordan als Leitender Sozialarbeiter,<br />

brachte es in seiner Festansprache<br />

zum 65-jährigen Bestehen<br />

der Diakonie in <strong>Oberhausen</strong> in Bezug<br />

auf seine eigene Ausbildung auf den<br />

Punkt (Abb. 25): „Ich wurde darauf<br />

gedrillt, menschliche Probleme wissenschaftlich<br />

zu definieren, methodisch<br />

anzugehen und merkte nicht,<br />

90


Spezialisierung der Sozialen Arbeit seit den 70er-Jahren<br />

Abb. 24: Organisationsplan des Diakonischen <strong>Werk</strong>es von 1984 (Auszug).<br />

wie ich damit mich und alle anderen<br />

zu versorgungsbedürftigen Individuen<br />

machte. […] Ich war wie alle im sozialen<br />

Netz dieser letzten 15 Jahre reaktiv<br />

tätig – also in <strong>Die</strong>nsten, die hauptsächlich<br />

auf Notsituationen nur nach deren<br />

Auftreten eingehen. Grunddienste,<br />

ganzheitliches Denken waren unfein<br />

– überall entstanden Spezialdienste,<br />

arbeiteten Spezialisten!“ 124 Das Wachstum<br />

der Diakonie führte nicht nur in<br />

<strong>Oberhausen</strong> in eine neue Phase der<br />

Selbstreflexion. 125 <strong>Die</strong> Erfordernisse<br />

eines modernen Managements, die<br />

nun unabweisbar waren, überforderten<br />

teilweise die althergebrachten Leitungs-<br />

und Organisationsstrukturen.<br />

Schon fünf Jahre zuvor, beim 60-jährigen<br />

Jubiläum der Diakonie 1981<br />

musste Rudolf Majert, der zusammen<br />

mit Hannelore Fordan das Diakoni-<br />

91


100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />

Abb 25: Unterwegs zum Menschen – Festschrift 65 Jahre<br />

<strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong> 1986 (Titelbild).<br />

92


Spezialisierung der Sozialen Arbeit seit den 70er-Jahren<br />

sche <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong> seit dessen<br />

Gründung geleitet hatte, feststellen,<br />

dass die Arbeitsweise und -schwerpunkte<br />

des Diakonischen <strong>Werk</strong>es vielen<br />

evangelischen Gemeindemitgliedern<br />

gar nicht hinreichend bekannt<br />

seien. Hier müsse Aufklärungsarbeit<br />

geleistet werden. <strong>Die</strong> Darstellung der<br />

Arbeit des Diakonischen <strong>Werk</strong>es in<br />

der Öffentlichkeit wurde daher immer<br />

wieder in Angriff genommen. So<br />

erschien im <strong>Oberhausen</strong>er Wochenanzeiger<br />

1985 eine mehrteilige Reihe<br />

über soziale Einrichtungen des Kirchenkreises<br />

<strong>Oberhausen</strong> sowie anderer<br />

evangelischer Träger. In einem Beitrag<br />

wurde die Arbeit der Diakonie,<br />

ihre unterschiedlichen Arbeitsfelder<br />

und deren geschichtliche Entstehung<br />

ausführlich dargestellt. Besonders betont<br />

wurden Angebote auf Gemeindeebene,<br />

mit denen man wieder versuchte,<br />

ein Stück Gemeindenähe zurück zu<br />

gewinnen. Jede Kirchengemeinde bekam<br />

einen festen Ansprechpartner innerhalb<br />

des Diakonischen <strong>Werk</strong>es, so<br />

dass eine bessere Anbindung gewährleistet<br />

werden konnte. 126<br />

Ebenso geriet die Bedeutung der ehrenamtlichen<br />

Mitarbeiter im Diakonischen<br />

Bereich verstärkt in den Blick.<br />

Man war sich über die Zahl dieser<br />

Engagierten offenbar gar nicht recht<br />

bewusst, war man doch bei der Planung<br />

der Festveranstaltung verblüfft,<br />

„daß die Plätze in der Stadthalle gerade<br />

reichen, wenn die im diakonischen<br />

Bereich tätigen Ehrenamtlichen aller<br />

<strong>Oberhausen</strong>er evangelischen Kirchengemeinden<br />

kommen.“ 127<br />

Gerhard Holtz machte sich ebenfalls<br />

für einen verstärkten Einsatz ehrenamtlicher<br />

Kräfte stark, nicht als Alternative<br />

zu den fachlichen Spezialisten,<br />

sondern als Ergänzung aufgrund deren<br />

eigenen Lebenserfahrungen. „Es<br />

gibt kein Monopol für den hauptamtlichen<br />

Helfer; dem hilfebedürftigen<br />

Menschen kann Hilfe durch jeden zuteil<br />

werden!“ Er betonte ausdrücklich,<br />

dass dieser Rückgriff auf das Potenzial<br />

der Ehrenamtlichen kein „billiger<br />

Spartrick“ sein könne. In seiner<br />

Festrede aus Anlass des 75-jährigen<br />

Bestehens des Diakonischen <strong>Werk</strong>es<br />

betonte er: „Deshalb ist die Diakonie<br />

dankbar für jeden Menschen, der ehrenamtlich<br />

tätig wird – gleichwie – ob<br />

im Diakonie-Ausschuß, der unsere<br />

Arbeit begleitet, ob als ehrenamtlicher<br />

Betreuer im Gefängnis oder ob in der<br />

Hilfe für demente alte Menschen.“ 128<br />

Gleichwohl aber muss festgehalten<br />

werden, dass Mitte der 1980er-Jahre<br />

ein vermehrter Kostendruck auf das<br />

Diakonische <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong> und<br />

93


100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />

den Evangelischen Kirchenkreis <strong>Oberhausen</strong><br />

zukamen, der in der Folgezeit<br />

sich massiv auf die Arbeit auswirkte.<br />

Gerhard Holtz beschrieb, wie er diese<br />

Situation zu Beginn seiner Amtszeit<br />

erfahren hat: „Wir haben uns ja schon<br />

1984 im Kirchenkreis über Finanzen<br />

unterhalten. Als ich anfing, gab es das<br />

Abb. 26: Für neuen Diakonie-Beauftragten ging<br />

es gleich in die „Vollen“. WAZ, 17.8.1985.<br />

94


Spezialisierung der Sozialen Arbeit seit den 70er-Jahren<br />

sogenannte ‚Streichorchester‘. Das war<br />

damals eine Kommission, die überlegte,<br />

was im Kirchenkreis angesichts der<br />

wirtschaftlichen Entwicklung in <strong>Oberhausen</strong><br />

abzubauen wäre.“ 129 <strong>Die</strong>ser<br />

Spardruck und der Kampf um immer<br />

knapper werdende finanzielle Mittel<br />

haben die diakonische Arbeit bis heute<br />

begleitet.<br />

Seit 1984 musste sich eine neue Leitung<br />

des Diakonischen <strong>Werk</strong>es dieser<br />

Herausforderung stellen. Gerhard<br />

Holtz folgte Hannelore Fordan als<br />

Leitender Sozialarbeiter nach, Jürgen<br />

Schmidt übernahm den Platz von Rudolf<br />

Majert als Geschäftsführer. Majert<br />

blieb noch ein Jahr Kreissynodalbeauftragter<br />

für Diakonie, ehe diese Aufgabe<br />

von Hans Hönicke wahrgenommen<br />

wurde. 130 Seine Einführung und die<br />

mit seinem Amt verbundenen Aufgaben<br />

wurden in der Presse gewürdigt<br />

(Abb. 26). 131<br />

Am 21. November 1986 konnte das<br />

Diakonische <strong>Werk</strong> seinen 65. Jahrestag<br />

feiern. <strong>Die</strong>s geschah im Evangelischen<br />

Gemeindehaus Bethel. 132 (Abb. 27)<br />

Am 1. Januar 1991, fast unmittelbar<br />

nach der deutschen Einheit, trat<br />

das „Gesetz zur Neuordnung des Kinder-<br />

und Jugendhilferechts“ in Kraft.<br />

Es löste das „Gesetz für Jugendwohlfahrt“<br />

ab, das seinerseits seit 1961 in<br />

starker Anlehnung an das Reichsjugendwohlfahrtsgesetz<br />

von 1924 das<br />

bundesdeutsche Wohlfahrtswesen geregelt<br />

hatte – ein einschneidendes Ereignis<br />

für die Soziale Arbeit, auch für<br />

die <strong>Oberhausen</strong>er Diakonie. Mit diesem<br />

Gesetz sollte weniger die Kontrolle<br />

der Hilfeempfänger im Vordergrund<br />

stehen, vielmehr sollten Unterstützung<br />

und Hilfsangebote als Anreize verstanden<br />

werden, wobei vornehmlich<br />

freie Träger die Angebote bereitstellen,<br />

die Kommunen die dafür notwendigen<br />

Leistungen erbringen sollten.<br />

De facto führte dieses Gesetz aber im<br />

Wohlfahrtsbereich zu einer marktwirtschaftlichen<br />

Struktur, die auf die<br />

freien Wohlfahrtsverbände und damit<br />

auch das Diakonische <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong><br />

einen immer stärkeren Wettbewerbs-<br />

und Kostendruck ausübte. Eine<br />

Übergangsfrist von fünf Jahren sollte<br />

es ermöglichen, die notwendigen Reformschritte<br />

in die Wege zu leiten.<br />

Nicht nur die deutsche Einigung,<br />

auch die europäische, die Einführung<br />

des Binnenmarktes, wirkte sich auf<br />

die Arbeit der Diakonie aus. Das Modell<br />

der Freien Wohlfahrtspflege war<br />

in Europa einzigartig und geriet nun<br />

unter den Druck des europäischen<br />

95


100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />

Abb. 27: Diakonie feierte ihr 65-jähriges Bestehen. NRZ, 22.11.1986.<br />

96


Spezialisierung der Sozialen Arbeit seit den 70er-Jahren<br />

Marktes. Ausschreibungen mussten<br />

jetzt vielfach europaweit erfolgen, was<br />

zwar Kosten senken konnte, den Verwaltungsaufwand<br />

aber erhöhte. 133 So<br />

geriet beispielsweise 2017 die Arbeit<br />

der Jugendgerichtshilfe in Gefahr, da<br />

die Stadt sich zunächst gezwungen sah,<br />

die Tätigkeit europaweit auszuschreiben.<br />

Nach rechtlicher Prüfung konnten<br />

die Aufträge dann doch wieder an<br />

die örtlichen Träger Caritas und <strong>Diakonisches</strong><br />

<strong>Werk</strong> vergeben werden. 134<br />

Allgemein kann man festhalten: „<strong>Die</strong><br />

diakonische wie Soziale Arbeit allgemein<br />

ist nicht nur einer wachsenden<br />

Verrechtlichung, sondern vor allem<br />

einem steigenden Ökonomisierungsdruck<br />

ausgesetzt. Zugleich fordert der<br />

europäische Rahmen Prozesse der<br />

Neuorientierung, Angleichung und<br />

Kooperation.“ 135 Das jahrzehntelang<br />

bestehende System der dualen Wohlfahrtspflege<br />

(Staat/Kommune und gemeinnützige<br />

freie Wohlfahrtsverbände)<br />

wurde um eine dritte Kategorie<br />

erweitert: kommerzielle Anbieter, die<br />

im Rahmen des Wettbewerbs sich um<br />

einzelne Aufgaben der Wohlfahrtspflege<br />

bewarben und in Konkurrenz der<br />

freien Wohlfahrtsträger auftraten. 136<br />

Eine weitere Folge der Sparzwänge,<br />

die auf alle Träger der Freien Wohlfahrtspflege<br />

gleichermaßen wirkte,<br />

war eine vermehrte Zusammenarbeit.<br />

<strong>Die</strong> Bündelung der Kräfte sollte helfen,<br />

im Konkurrenzkampf mit den privaten<br />

Anbietern bestehen zu können.<br />

1987 wurde eine Vereinbarung zur Gewährleistung<br />

der sozialpädagogischen<br />

Familienhilfe zwischen Diakonischem<br />

<strong>Werk</strong> und Caritas mit der Stadt als<br />

„große Koalition“ in der Presse gefeiert.<br />

(Abb. 28)<br />

Im Sommer 1994 legten Diakonie<br />

und Caritasverband ihre bislang getrennten<br />

Suchtberatungsstellen zusammen.<br />

Aus zuvor je zwei Personalstellen<br />

wurden nun drei in der gemeinsamen<br />

Einrichtung. Ebenso begannen die beiden<br />

Kirchen sowie Caritas und Diakonie<br />

gemeinsam Konzepte für eine<br />

kirchliche Präsenz in der im Aufbau<br />

befindlichen Neuen Mitte <strong>Oberhausen</strong><br />

zu erarbeiten.<br />

Ebenfalls im Jahr 1994 übernahm<br />

der bisherige Leitende Sozialarbeiter<br />

Gerhard Holtz die Leitung des Diakonischen<br />

<strong>Werk</strong>es; Jürgen Schmidt blieb<br />

bis 1997 Geschäftsführer. Mit dieser<br />

Entscheidung des Kreissynodalvorstandes<br />

wurde die Organisationsstruktur<br />

nochmals gestrafft.<br />

Im Jahr 1996 konnte das 75-jährige<br />

Jubiläum der Einrichtung gefei-<br />

97


100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />

Abb. 28: Eine große Koalition steuert sozialpädagogische<br />

Familienhilfe. WAZ, 16.12.1987.<br />

98


Spezialisierung der Sozialen Arbeit seit den 70er-Jahren<br />

ert werden (Abb. 29). Gerhard Holtz<br />

nutzte die Gelegenheit, um auf die<br />

Diskrepanz zwischen Anspruch und<br />

Wirklichkeit der Sozialen Arbeit hinzuweisen<br />

und die Ausrichtung des<br />

Diakonischen <strong>Werk</strong>es hervorzuheben:<br />

„Soziale Arbeit und marktwirtschaftliches<br />

Denken […] lassen sich nicht<br />

über einen Leisten messen. Sozialarbeit<br />

kommt nicht ohne Werthintergrund<br />

aus, […] ein Werthintergrund,<br />

der auf dem Christentum und auf den<br />

Grundsätzen der Aufklärung und des<br />

Humanismus fußt. Betriebswirtschaft<br />

könne das nicht ersetzen. Doch im<br />

drohenden ‚Sozial-Monopoly‘ heute<br />

[...] stört der Wert Menschenwürde,<br />

weil er nicht abrechenbar ist.“ 137 Holtz<br />

bemängelte, dass die privaten <strong>Die</strong>nste<br />

im Bereich der Wohlfahrtspflege sich<br />

nur auf lukrative Betätigungsfelder<br />

konzentrieren würden. Mit der Arbeit<br />

mit Nichtsesshaften, mit der Schuldner-<br />

oder ambulanten Suchtberatung<br />

sei eben kein Geld zu verdienen. Der<br />

Kern des Problems sei die Frage der<br />

Abb. 29: 75 Jahre<br />

<strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong><br />

<strong>Oberhausen</strong>, 14.<br />

März 1996. NRZ-<br />

Foto Glisson.<br />

v.l. Oberbürgermeister<br />

Friedhelm<br />

van den Mond,<br />

Dr. jur. Moritz Linzbach,<br />

Superintendent<br />

Artur Schorzmann,<br />

DW-Leiter<br />

Gerhard Holtz,<br />

Stadtdirektorin<br />

Ruth Damerius<br />

99


100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />

politischen Akzeptanz der Sozialen<br />

Arbeit. Nur ein auf Kosteneffizienz<br />

ausgerichteter <strong>Die</strong>nst werde dauerhaft<br />

die notwendige Finanzierung erhalten,<br />

da die politische und gesamtgesellschaftliche<br />

Entwicklung dahin ginge,<br />

die Kosten des Sozialstaates zu reduzieren.<br />

Dem hielt Holtz entgegen: „Mit<br />

der Einführung neuer Strukturen, mit<br />

der Einführung des Sozialmarktes<br />

wird die Frage nach der Finanzierbarkeit<br />

des Sozialstaates nicht beantwortet<br />

– schon der Ansatz dieses Weges ist<br />

falsch.“<br />

<strong>Die</strong> Festveranstaltung wurde ergänzt<br />

durch eine Festschrift, die hier oft<br />

schon Erwähnung gefunden hat: Herta<br />

Zilly und Gerhard Holtz: 75 Jahre<br />

<strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> des Kirchenkreises<br />

<strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 1996. <strong>Oberhausen</strong><br />

(1996) sowie durch eine Reihe von Diskussionsveranstaltungen<br />

im Sommer<br />

und Herbst 1996, die das Ziel hatten,<br />

die soziale Wirklichkeit im Jahr 1996<br />

zu spiegeln. Themen waren „Verwahrlosung<br />

zu Hause: Realität oder Utopie“.<br />

Hier standen die Probleme alter Menschen<br />

und psychisch Kranker im Blickpunkt,<br />

aber auch Fragen der Pflegeversicherung<br />

und rechtlichen Betreuung<br />

oder die Altenpflege allgemein. Nichtsesshaftenhilfe,<br />

Suchtberatung und<br />

Gefangenenhilfe waren Thema einer<br />

Veranstaltung im August: „Volle Pulle<br />

auf Platte: Arbeitslos – Wohnungslos –<br />

Chancenlos“. „Wenn ich einmal reich<br />

wär’ – Armut in Familien“ war ebenso<br />

ein Veranstaltungsmotto wie „<strong>Die</strong><br />

Würde des Menschen ist antastbar.<br />

Menschen – ohne Recht(e)“. Hierbei<br />

ging es um die Situation von Flüchtlingen.<br />

Alle Veranstaltungen wurden<br />

von Thomas Finkemeier, Redakteur<br />

der NRZ, moderiert, Redner führten<br />

in die jeweilige Thematik ein und boten<br />

Anlass für ausführliche Gespräche<br />

mit den Besuchern. 138<br />

Den Abschluss der Reihe bildete<br />

eine kulturelle Veranstaltung, die<br />

das Thema der Empathie als eines der<br />

Kernthemen der Sozialen Arbeit aufgriff<br />

(Abb. 31).<br />

Der umfassende Anspruch des Diakonischen<br />

<strong>Werk</strong>es, die diakonische<br />

Arbeit des Kirchenkreises <strong>Oberhausen</strong><br />

nicht nur zu organisieren, sondern<br />

auch in einen breiten Diskurs in<br />

Kirche und Gesellschaft zu befördern,<br />

wurde nicht zuletzt auch anlässlich seines<br />

80-jährigen Bestehens betont. Statt<br />

eines Festaktes wurde eine Fachtagung<br />

abgehalten, die zusammen mit dem<br />

Caritasverband durchgeführt wurde<br />

und das „Netzwerk Psychosoziale<br />

<strong>Die</strong>nste“ zum Thema hatte.<br />

100


Spezialisierung der Sozialen Arbeit seit den 70er-Jahren<br />

Abb. 31: Plakat zur Filmvorführung und Talkrunde „… und hätte die Liebe nicht“.<br />

101


100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />

Im letzten Jahrzehnt erhöhte sich<br />

nochmals der Sparzwang, den die<br />

Stadt auf die Freien Träger ausübte,<br />

weil sie ihrerseits ihre Ausgaben auf<br />

Druck von Landes- und Bezirksregierung<br />

senken musste. So beginnt der<br />

Jahresbericht 2011/12 des Synodalbeauftragten<br />

für Diakonie mit der Feststellung,<br />

dass das Kürzungsziel des<br />

städtischen Etats in Höhe von „43 Millionen<br />

EUR oder mehr?“ sich auch auf<br />

den Jugend-, Sozial- und Gesundheitsetat<br />

und damit auf die Wohlfahrtspflege<br />

auswirken würden. <strong>Die</strong> Stadt<br />

war zu dieser Maßnahme gezwungen,<br />

um Zahlungen aus der Landeshilfe<br />

„Stärkungspakt Stadtfinanzen“<br />

erhalten zu können. „Ohne Beitritt zu<br />

diesem Wechselgeschäft fällt die Stadt<br />

dauerhaft unter die Zwangsverwaltung<br />

durch die Bezirksregierung, was einer<br />

Entmachtung des Rates und damit der<br />

kommunalen Selbstverwaltung gleichkommt,“<br />

139 wie es in dem Bericht hieß.<br />

Der Synodalbeauftragte Pfarrer Drescher<br />

und der Leiter des Diakonischen<br />

<strong>Werk</strong>es, Gerhard Holtz, befürchteten<br />

eine Kürzung der städtischen Zuschüsse<br />

um 3.000 Euro für das Diakonische<br />

<strong>Werk</strong> selbst und um 7.000 Euro für das<br />

Psychosoziale Gesundheitszentrum<br />

Sterkrade. <strong>Die</strong> Freien Wohlfahrtsverbände<br />

suchten das Gespräch mit der<br />

Stadt, führten Vergleiche mit den Mängeln<br />

der Pflegereform an und wiesen<br />

auf grundsätzliche Probleme des Sparansatzes<br />

hin: „Aus Sicht der Diakonie<br />

wird sich die alleinige Orientierung<br />

am Benchmarking mittel- bis langfristig<br />

nicht auszahlen. Beweis dafür ist<br />

die Situation der ambulanten und stationären<br />

pflegerischen Versorgung, wo<br />

alle Beteiligten mit dem ähnlich regulierten<br />

Pflegemarkt nun die Erfahrung<br />

einer heraufziehenden Götterdämmerung<br />

machen … Und schließlich: die<br />

Orientierung an Durchschnittswerten<br />

impliziert die Auseinandersetzung mit<br />

Fragen nach den Standards der Hilfe<br />

und dem Zugang der Hilfesuchenden<br />

zur Hilfe, nach der Qualifikation,<br />

den Arbeitsbedingungen und der Entlohnung<br />

der Helfer sowie der Tarifgebundenheit<br />

und Tariftreue der Anbieter.“<br />

140<br />

Am 30.6.2013 ging Gerhard Holtz in<br />

den Ruhestand (Abb. 31). Sein Nachfolger<br />

wurde Reinhard Harfst, der<br />

zuvor die Diakonie im Kirchenkreis<br />

Lennep (Remscheid) geleitet hatte. 141<br />

Auch unter seiner Führung stand das<br />

Diakonische <strong>Werk</strong> vor den gleichen<br />

Problemen wie schon unter seinem<br />

Vorgänger. <strong>Die</strong> öffentlichen Mittel<br />

wurden gekürzt und mussten anderweitig<br />

ausgeglichen werden. Im Jahresbericht<br />

2013/14 hieß es daher: „Das<br />

102


Spezialisierung der Sozialen Arbeit seit den 70er-Jahren<br />

Diakonische <strong>Werk</strong> erwirtschaftet 87%<br />

seiner Mittel durch externe FINAN-<br />

ZIERUNGEN: So werden die Aufgaben<br />

zumeist durch Landesmittel oder<br />

kommunale Mittel mittels Pauschalen<br />

oder Fachleistungsstunden finanziert.<br />

Leider zeigt sich die Tendenz, dass diese<br />

Finanzierungen nicht den realen<br />

Kostensteigerungen angepasst werden.<br />

So entsteht im Laufe der Zeit eine immer<br />

größer werdende DECKUNGS-<br />

LÜCKE, die nicht mehr – wie oft in der<br />

Vergangenheit geschehen – durch Kirchensteuermittel<br />

auszugleichen ist.“ 142<br />

Allein 300.000 Euro erhielt das Diakonische<br />

<strong>Werk</strong> aus Kirchensteuermitteln,<br />

was bei Gesamteinnahmen von knapp<br />

2,4 Millionen Euro etwa 13 Prozent<br />

ausmachte. Wenn man diese Relation<br />

beispielsweise mit derjenigen des Jahres<br />

1923 vergleicht (siehe oben S. 35)<br />

– damals finanzierten die drei evangelischen<br />

Gemeinden Alt-<strong>Oberhausen</strong>s<br />

den Etat des Jugendpfarramts zu<br />

über 75 Prozent –, dann erkennt man,<br />

wie sehr sich inzwischen das Verhältnis<br />

Staat – Freie Wohlfahrt gewandelt<br />

hat. Allerdings begann sich dies mit<br />

Abb. 31: Verabschiedung von Gerhard Holtz (links).<br />

103


100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />

Inkrafttreten des Jugendwohlfahrtsgesetzes<br />

1924 bereits zu ändern. 1926 betrug<br />

der Kirchenanteil an den Einnahmen<br />

des Evangelischen Jugend- und<br />

Wohlfahrtsamtes nur noch knapp 60<br />

Prozent. 143<br />

Nachdem der Wehr- und damit auch<br />

der Zivildienst 2011 ausgesetzt worden<br />

waren, wurden erstmals im Herbst<br />

2013 zwei Freiwilliges Soziales Jahr-<br />

Stellen eingerichtet. 144 Da das Diakonische<br />

<strong>Werk</strong> im gesamten Bereich der<br />

Evangelischen Kirche <strong>Oberhausen</strong>s für<br />

den Zivildienst zuständig war, betreute<br />

man etwa 30 Zivildienstleistende. Deren<br />

Wegfall bereitete durchaus Probleme,<br />

zumal die Einrichtung der Freiwilliges<br />

Soziales Jahr-Stellen nur sehr<br />

zögerlich angenommen wurden.<br />

2015 trat das Thema Flüchtlingshilfe<br />

in den Vordergrund. <strong>Die</strong> Zahl der nach<br />

Europa eingereisten Asylbewerber hatte<br />

2014 bereits 627.000 betragen, verdoppelte<br />

sich fast auf über 1,3 Mio. im<br />

Jahr 2015 und lag 2016 nochmals bei<br />

1,26 Mio., von denen ein erheblicher<br />

Teil bereits 2015 eingereist war, aber<br />

verspätet erfasst wurde. 145 Waren im<br />

Jahr 2015 die Unterbringung und die<br />

Versorgung zentrale Themen, so hatte<br />

sich in 2016 der Fokus auf die Betreuung<br />

und Integration verschoben.<br />

Im April 2015 wurde im Diakonischen<br />

<strong>Werk</strong> eine Koordinationsstelle<br />

Flüchtlingsarbeit angesiedelt, die in der<br />

Flüchtlingsunterkunft Kapellenstraße<br />

untergebracht wurde. Mit einer Fachstelle<br />

ließ man es aber nicht bewenden:<br />

„Alle anderen <strong>Die</strong>nste des Diakonischen<br />

<strong>Werk</strong>es bereiten sich auf den<br />

Umgang mit denjenigen geflüchteten<br />

Menschen vor, die einen anerkannten<br />

Aufenthaltsstatus haben und unsere<br />

Hilfe suchen. Mitarbeitende besuchen<br />

Sprachkurse, um ihre Fremdsprachenkenntnisse<br />

aufzufrischen. Schulungen<br />

zu interkultureller Kommunikation<br />

werden durchgeführt, um im direkten<br />

Kontakt besser vorbereitet zu sein.<br />

Erfahrungen aus einzelnen Arbeitsbereichen<br />

werden über das <strong>Werk</strong> hinaus<br />

mit den anderen Einrichtungen und<br />

<strong>Die</strong>nsten des Kirchenkreises geteilt<br />

und koordiniert.“ 146<br />

2017 erkrankte der Leiter des <strong>Werk</strong>s,<br />

Reinhard Harfst, und schied Anfang<br />

2018 aus dem <strong>Die</strong>nst aus. Sein Nachfolger<br />

wurde am 1. April 2018 Frank<br />

Domeyer (Abb. 32).<br />

Auch in der Presse wurde der neue<br />

Leiter gewürdigt (Abb. 33).<br />

Nach dem ortsfremden Vorgänger<br />

wurde diesmal auf eine tiefe innere<br />

und biografische Verbundenheit mit<br />

104


Spezialisierung der Sozialen Arbeit seit den 70er-Jahren<br />

Abb. 32: Frank Domeyer.<br />

dem Diakonischen <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong><br />

Wert gelegt. <strong>Die</strong>s war nicht zuletzt<br />

auch deshalb wünschenswert, weil absehbar<br />

war, dass auf das Diakonische<br />

<strong>Werk</strong> wieder einmal Zeiten größerer<br />

Veränderung zukommen würden. Der<br />

Kirchenkreis <strong>Oberhausen</strong> hatte einen<br />

Restrukturierungsprozess im November<br />

2017 beschlossen, der auch das<br />

Diakonische <strong>Werk</strong> betreffen würde.<br />

Erstmals taucht im Jahresbericht der<br />

Begriff „Fusion“ auf. Zum einen warnte<br />

der Bericht vor der Auslagerung<br />

von Sachgebieten, um das Gesamtwerk<br />

– „auch für mögliche Fusionsverhandlungen“<br />

– nicht zu schwächen.<br />

Perspektivisch sei eine Zurückführung<br />

des Kirchensteueranteils an der Finanzierung<br />

des <strong>Werk</strong>s „nur durch erhebliche<br />

Expansion oder/und durch<br />

Synergieeffekte bei einer Fusion und<br />

der Schaffung erheblich größerer Betriebseinheiten<br />

möglich.“ 147 Was genau<br />

darunter zu verstehen war und welche<br />

Schritte bereits übernommen wurden,<br />

geht ebenfalls aus dem Jahresbericht<br />

hervor: „Ein Ergebnis aus den Beratungen<br />

in der AG-Diakonie war es,<br />

Kontakt mit den in <strong>Oberhausen</strong> im Bereich<br />

der sozialen Arbeit tätigen evangelischen<br />

Trägern aufzunehmen, um<br />

Bereitschaften und Möglichkeiten der<br />

Zusammenarbeit zu eruieren. Von Mai<br />

bis September 2018 wurden mit allen<br />

sechs evangelischen <strong>Oberhausen</strong>er<br />

Trägern der Jugend- und Altenhilfe<br />

erste Gespräche geführt. Darüber hinaus<br />

wurde Kontakt zu den Geschäftsführern<br />

der Diakonischen <strong>Werk</strong>e in<br />

Mülheim an der Ruhr, Dinslaken und<br />

Duisburg aufgenommen. Alle Kontakte<br />

waren insgesamt von großer Zugewandtheit<br />

und Offenheit geprägt, haben<br />

jedoch in diesen ersten Schritten<br />

nicht zu dem Ergebnis geführt, konkrete<br />

Kooperations- oder Fusionsgespräche<br />

zu beginnen.“ 148 Im Herbst<br />

2019 hat schließlich die Synode des<br />

105


100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />

Abb. 33: Vom Praktikum bis auf<br />

den Chefsessel. WAZ, 21.6.2018.<br />

106


Spezialisierung der Sozialen Arbeit seit den 70er-Jahren<br />

Evangelischen Kirchenkreises <strong>Oberhausen</strong><br />

beschlossen, sein örtliches <strong>Diakonisches</strong><br />

<strong>Werk</strong> in eine privatrechtliche<br />

Organisationsform zu überführen.<br />

Ziel ist eine beträchtliche Kostenreduktion<br />

für den Kirchenkreis. 149 <strong>Die</strong>s<br />

wird mit Jahresbeginn 2022 in Form<br />

einer Fusion mit der Evangelischen Jugendhilfe<br />

gGmbH umgesetzt werden.<br />

Im Jahr 2020 stand auch im Diakonischen<br />

<strong>Werk</strong> die Corona-Krise<br />

und die Maßnahmen zu ihrer Bewältigung<br />

und zum Schutz der MitarbeiterInnen<br />

und der BürgerInnen im<br />

Mittelpunkt. Im Jahresbericht 2019/20<br />

heißt es: „<strong>Die</strong> Wucht, mit der das Virus<br />

Deutschland für Wochen beinahe<br />

komplett lahmgelegt hat und unser<br />

aller Leben – insbesondere das soziale<br />

Miteinander – verändert hat, hat<br />

die Generation der nach dem zweiten<br />

Weltkrieg geborenen Menschen<br />

in unserem Land noch nicht erlebt.“ 150<br />

Ein Hygieneschutzkonzept wurde erarbeitet<br />

und umgesetzt, infolge des<br />

bundesweiten Lockdowns Mitte März<br />

wurden „die <strong>Die</strong>nststellen geschlossen,<br />

die keinen direkten Versorgungsauftrag<br />

für die betreute Klientel hat[ten].<br />

Um höchstmöglichen Infektionsschutz<br />

sicherzustellen, wurde sofort die Möglichkeit<br />

des ‚Mobilen Arbeitens‘ umgesetzt<br />

und die Voraussetzungen für eine<br />

erweiterte digitale Kommunikation<br />

zwischen den Mitarbeitenden und zur<br />

Klientel geschaffen.“ 151 <strong>Die</strong> Einschränkungen<br />

hatten zur Folge, dass in den<br />

Sachgebieten Schuldnerberatung, Psychosoziales<br />

Gesundheitszentrum, Flexible<br />

Erziehungshilfe und Jugendgerichtshilfe<br />

im Monat Mai Kurzarbeit<br />

angemeldet werden musste.<br />

In Zusammenarbeit mit allen anderen<br />

Wohlfahrtsverbänden der Stadt<br />

wurde das Projekt „Wohlfahrt hilft“ initiiert,<br />

um „immobile Bürger im Stadtgebiet<br />

mit Lebensmitteln zu beliefern<br />

und einsamen und ratsuchenden<br />

Menschen durch eine Telefon-Hotline<br />

werktags von 8 – 17 Uhr zur Verfügung<br />

zu stehen.“ 152<br />

Der Kreissynodalbeauftragte Pfarrer<br />

Jürgen Drescher ging im selben Jahr in<br />

den Ruhestand und wurde von Pfarrer<br />

Thomas Fidelak von der Kirchengemeinde<br />

Holten-Sterkrade abgelöst. 153<br />

Bei all den Schwierigkeiten, die das<br />

Diakonische <strong>Werk</strong> im Blick auf die Finanzierung,<br />

das Ringen um die grundsätzliche<br />

Ausrichtung und das Verhältnis<br />

zu den kommunalen und anderen<br />

freien Wohlfahrtsverbänden hatte, soll<br />

nicht unerwähnt bleiben, dass es aus<br />

der Politik, aber auch aus der Bevöl-<br />

107


100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />

kerung immer wieder zu Gegnerschaft<br />

und Widerstand gegen die Soziale<br />

Arbeit kam.<br />

1997 drohte zunächst ein Projekt,<br />

eine medizinische Sprechstunde für<br />

Wohnungslose anzubieten, an den<br />

<strong>Oberhausen</strong>er Ärzten zu scheitern. Auf<br />

diese Weise sollten Menschen erreicht<br />

werden, die Hemmungen haben, niedergelassene<br />

Ärzte aufzusuchen. Doch<br />

man fand zunächst keinen Arzt, der<br />

bereit gewesen wäre, ehrenamtlich eine<br />

solche Aufgabe zu übernehmen. Vielmehr<br />

bestand wohl die Befürchtung,<br />

dass Patienten aus den Arztpraxen<br />

in diesen ambulanten <strong>Die</strong>nst abwandern<br />

könnten. 154 Erst als die Sache in<br />

die Presse kam und Oberbürgermeister<br />

Friedhelm van den Mond sich einschaltete,<br />

fanden sich einige Ärzte zur<br />

Mitarbeit bereit. Allerdings wurde die<br />

Auseinandersetzung mit heftigen Leserbriefen<br />

ausgetragen. 155 Anfang 1998<br />

konnte die medizinische Sprechstunde<br />

schließlich in Zusammenarbeit mit der<br />

Stadt, der Kassenärztlichen Vereinigung<br />

und den Wohlfahrtsverbänden<br />

angeboten werden. 156 <strong>Die</strong> Bereitschaft<br />

der niedergelassenen Ärzte zur Unterstützung<br />

dieser Arbeit ist aber bis heute<br />

eher gering. So heißt es im Jahresbericht<br />

2012/2013: „Trotz eines Aufrufes<br />

von Kassenärztlicher Vereinigung, der<br />

Stadt <strong>Oberhausen</strong>, der Ärztekammer<br />

und dem Diakonischen <strong>Werk</strong> zur Gewinnung<br />

zusätzlicher Ärzte für das<br />

MEDIZINMOBIL SA+M ist die Resonanz<br />

bei den niedergelassenen Ärzten<br />

sehr gering. Nur ein Arzt sagte zu.“<br />

Auch im Herbst 2021 besteht dieses<br />

Problem fort.<br />

Ein weiteres Beispiel, das zeigt,<br />

dass Soziale Arbeit nicht immer auf<br />

Verständnis stößt, ist der Umzug der<br />

<strong>Oberhausen</strong>er Tafel in die Marktstraße.<br />

<strong>Die</strong> Tafel war am 25. September 2001<br />

als ein Projekt der AGENDA 21 im<br />

Diakonischen <strong>Werk</strong> des Kirchenkreises<br />

<strong>Oberhausen</strong> gegründet worden. 157<br />

<strong>Die</strong> Tafel hat zum Ziel, überschüssige<br />

und vor dem Verfall stehende Lebensmittel<br />

zu sammeln und an Bedürftige,<br />

Suppenküchen etc. zu verteilen. 158 Seit<br />

dem 17. März 2006 ist die „<strong>Oberhausen</strong>er<br />

Tafel e.V.“ im Einvernehmen mit<br />

dem Diakonischen <strong>Werk</strong> als selbstständig<br />

eingetragener Verein Mitglied<br />

im Bundesverband Tafel Deutschland<br />

e.V. Sie ist ein Beispiel dafür, dass Initiativen<br />

im Rahmen des Diakonischen<br />

<strong>Werk</strong>s sich weiterentwickeln und zu<br />

rechte Seite Abb. 34: Um das<br />

neue Tafel-Café klirrt schon jetzt<br />

das Porzellan. WAZ, 22.4.2005.<br />

108


Spezialisierung der Sozialen Arbeit seit den 70er-Jahren<br />

109


100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />

eigenständigen Institutionen werden<br />

können. 159 Im April 2005 eröffnete die<br />

Tafel in der Marktstraße das „Tafel-<br />

Café“. Dort sollte Bedürftigen samstags<br />

kostenlos Suppe angeboten werden. 160<br />

Doch kaum war das Café eröffnet,<br />

„klirrt[e] schon das Porzellan“, wie die<br />

WAZ am 22. April titelte. 161 (Abb. 34)<br />

Das Café war sofort sehr gut angenommen<br />

worden, Menschenschlangen<br />

bildeten sich in der Fußgängerzone.<br />

<strong>Die</strong> anliegenden Gewerbetreibenden<br />

beschwerten sich aber heftig, so dass<br />

Michael Schmitz von der WAZ in<br />

einem Kommentar daran erinnern<br />

musste: „Toleranz ist das Gebot.“ 162<br />

Auch aus Anlass des 90-jährigen Bestehens<br />

nutzte das Diakonische <strong>Werk</strong><br />

die Gelegenheit, grundsätzliche gesellschaftliche<br />

Fragen im Zusammenhang<br />

mit der Sozialen Arbeit zu thematisieren.<br />

In nun schon gewohnter Praxis<br />

wurde das Jubiläum nicht mit einer<br />

großen Festveranstaltung begangen.<br />

Stattdessen fragte ein kritischer Vortrag<br />

von Prof. Bernd Schlüter, Professor<br />

für Verfassungs- und Sozialrecht<br />

an der Katholischen Hochschule für<br />

Sozialwesen in Berlin: „Wie sozial ist<br />

unsere Marktwirtschaft?“ 163<br />

An diesen Beispielen erkennt man,<br />

dass Soziale Arbeit im Allgemeinen<br />

und konkret das Wirken des Diakonischen<br />

<strong>Werk</strong>es einerseits im Interesse<br />

der Menschen unabdingbar ist, andererseits<br />

aber immer wieder auch in<br />

Frage gestellt wurde und wird. Man<br />

kann hierin durchaus ein Zeichen für<br />

die Bedeutung und Relevanz des Diakonischen<br />

<strong>Werk</strong>es in <strong>Oberhausen</strong> sehen.<br />

Zum Abschluss dieses Kapitels sei<br />

noch ein Blick auf die Mitarbeiterentwicklung<br />

des Diakonischen <strong>Werk</strong>es<br />

und der Evangelischen Familienhilfe<br />

e.V. in den letzten Jahren geworfen<br />

(siehe Tabelle unten). 164<br />

Mitarbeitende 2014 2015 2016 2018 2019 2020<br />

<strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> 42 51 52 61 64 69<br />

Ev. Familienhilfe e.V. 17 15 14 15 15 14<br />

gesamt 59 66 66 76 79 83<br />

110


Spezialisierung der Sozialen Arbeit seit den 70er-Jahren<br />

Und auch die Leiter der Einrichtung<br />

seien hier einmal tabellarisch aufgeführt.<br />

In der Zeit vor Gründung des<br />

Kirchenkreises <strong>Oberhausen</strong> wurde<br />

das Evangelische Jugendpfarramt, das<br />

Evangelische Jugend- und Wohlfahrtsamt<br />

und der Evangelische Gemeindedienst<br />

für Innere Mission fachlich von<br />

der Leitenden Sozialarbeiterin und<br />

kirchlich von einem Pfarrer der Christus-Kirchengemeinde<br />

geführt. Mit der<br />

Zusammenlegung des Evangelischen<br />

Gemeindedienstes und dem Hilfswerk<br />

standen ihm zwei Leiter vor, die vom<br />

Synodalbeauftragten für Diakonie des<br />

Kirchenkreises begleitet wurden. Seit<br />

1998 gibt es nur noch einen alleinigen<br />

Geschäftsführer.<br />

Leiter des Diakonischen <strong>Werk</strong>es und seiner Vorläufer<br />

Pfarrer Dr. Wilhelm Schmidt 1921 – 1931<br />

Margarethe Giese 1921 – 1927<br />

Maria Middendorf 1927 – 1960<br />

Pfarrer Johannes Pack 1931 – *<br />

Pfarrer August Aring * *<br />

Hannelore Fordan 1960 – 1984<br />

Rudolf Majert 1965 – 1984<br />

Jürgen Schmidt 1984 – 1997<br />

Gerhard Holtz 1984 – 2013<br />

Reinhard Harfst 2013 – 2018<br />

Frank Domeyer 2018 –<br />

* genaue Daten liegen hierzu nicht vor<br />

111


100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />

<strong>Die</strong> Tätigkeitsfelder<br />

des Diakonischen <strong>Werk</strong>es<br />

in Vergangenheit und<br />

Gegenwart<br />

Nach diesem allgemeinen Überblick<br />

über die Geschichte des Diakonischen<br />

<strong>Werk</strong>es <strong>Oberhausen</strong> in den vergangenen<br />

Jahrzehnten sollen nun einzelne<br />

<strong>Die</strong>nste und Aufgabenbereiche der<br />

Diakonie näher betrachtet werden.<br />

Unter dem Oberbegriff Diakonie verbirgt<br />

sich eine Vielzahl an unterschiedlichen<br />

Arbeitsfeldern, die je eigene<br />

Charakteristika, aber auch eine eigene<br />

Geschichte aufweisen. Ihre Zahl und<br />

die Breite des Spektrums haben sich<br />

im Laufe der Jahre – vor allem seit Mitte<br />

der 1980er-Jahre – zunehmend vergrößert.<br />

<strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong><br />

des Evangelischen<br />

Kirchenkreises <strong>Oberhausen</strong><br />

Qualitätsmanagementhandbuch<br />

<strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong><br />

des Evangelischen Kirchenkreises <strong>Oberhausen</strong><br />

Organigramm des Diakonischen <strong>Werk</strong>es des Ev. Kirchenkreises <strong>Oberhausen</strong><br />

Kreissynode<br />

Evangelischer Kirchenkreis <strong>Oberhausen</strong><br />

Kreissynodalvorstand<br />

Superintendent/in<br />

Synodalbeauftragter Diakonie<br />

Geschäftsführung<br />

Diakoniestiftung<br />

Vorsitz: Synodalbeauftragter<br />

Geschäftsführung: Leiter/in DW<br />

Koordinationsstelle Ehrenamt<br />

Evangelische<br />

Familienhilfe e.V.<br />

Abteilung<br />

Leitung und<br />

Verwaltung<br />

Beratungsstelle für<br />

Erziehungs-, Partnerschaftsund<br />

Lebensfragen<br />

Abteilung<br />

Jugend- und<br />

Familie<br />

Abteilung<br />

Gefährdetenhilfe<br />

Abteilung Psychosoziale<br />

<strong>Die</strong>nste<br />

Rechtliche<br />

Betreuungen<br />

Verwaltung<br />

Geschäftstelle<br />

Flexible Jugendund<br />

Familienhilfen<br />

Verbraucherinsolvenzberatung<br />

Jugendgerichtshilfe<br />

Schulsozialarbeit<br />

Schuldnerberatung<br />

Betreuung<br />

Flüchtlingsunterkunft<br />

Kapellenstraße<br />

Schuldner- und<br />

Verbraucherinsolvenzberatung<br />

Wohnungslosenhilfe<br />

Fachberatungsstelle<br />

Freigabe<br />

Bearbeitung<br />

Änderung<br />

Revision<br />

Seite<br />

Leitung/ Domeyer Schönemann<br />

14.12.2020 08<br />

1 von 1<br />

Abb. 35: Organigramm <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>, 2021<br />

Treffpunkt<br />

Ambulant<br />

Betreutes Wohnen<br />

Ambulantes<br />

Wohntraining<br />

Soziale<br />

Arbeit+Medizin<br />

Sozialpsychiatrisches<br />

Zentrum (SPZ)<br />

SGBII-Beratung<br />

Ambulant Betreutes<br />

Wohnen<br />

Flüchtlingshilfe<br />

Psychosoziales<br />

Gesundheitszentrum<br />

Querschnittsaufgaben<br />

112


Spezialisierung der Sozialen Arbeit seit den 70er-Jahren<br />

Das Diakonische <strong>Werk</strong> hat seinem<br />

Selbstverständnis gemäß eine zentrale<br />

Bedeutung bei der Erfüllung dieses<br />

kirchlichen Auftrags. Im „Leitbild<br />

des Diakonischen <strong>Werk</strong>es <strong>Oberhausen</strong>“<br />

heißt es hierzu: „Das Diakonische<br />

<strong>Werk</strong> hat im Kirchenkreis diakonische<br />

Arbeit anzuregen, zu fördern, zu koordinieren<br />

und selbst wahrzunehmen.<br />

Es arbeitet mit den Kirchengemeinden<br />

und den anderen diakonischen Trägern<br />

und sozialen Einrichtungen im<br />

Kirchenkreis und darüber hinaus zusammen.<br />

Im Rahmen der gesellschaftlichen<br />

und ökumenischen Diakonie<br />

nimmt das Diakonische <strong>Werk</strong> schwerpunktmäßig<br />

folgende Aufgaben wahr:<br />

a) Beratung und Information der Kirchengemeinden,<br />

b) Koordinierung<br />

und Förderung diakonischer Aufgaben<br />

im Kirchenkreis, c) Vertretung der<br />

Diakonie in Gesellschaft und Politik,<br />

d) gesellschaftliche und ökumenische<br />

Diakonie, e) Öffentlichkeitsarbeit, f)<br />

Sammlungen, g) Förderung und Begleitung<br />

von Ehrenamt, Freiwilligenarbeit<br />

und Selbsthilfe in der Diakonie.“<br />

165<br />

Wenn man heute auf das Organigramm<br />

des Diakonischen <strong>Werk</strong>es<br />

blickt und dies mit dem weiter oben<br />

bereits abgebildeten Organisationsplan<br />

des Jahres 1984 (Abb. 24) vergleicht,<br />

wird die komplexe Umsetzung<br />

dieses umfassenden Anspruchs in<br />

unterschiedliche Arbeitsbereiche deutlich<br />

(Abb. 35).<br />

Aufgeführt werden dort Wohnungslosenhilfe,<br />

Hilfe für psychisch<br />

erkrankte Menschen, Flexible Jugendund<br />

Familienhilfen, Erziehungs-,<br />

Partnerschafts- und Lebensberatung,<br />

Jugendgerichtshilfe, Schuldner- und<br />

Verbraucherinsolvenzberatung, Ev.<br />

Familienhilfe/Betreuungsverein und<br />

Flüchtlingshilfe. Aufgrund der Fülle an<br />

diakonischen Aufgaben im Kirchenkreis<br />

kann hier lediglich auf einige<br />

Ausschnitte dieser Arbeit beispielhaft<br />

eingegangen werden. Auch einige der<br />

Arbeitsgebiete, die inzwischen bereits<br />

aufgegeben wurden, sollen vorgestellt<br />

werden. <strong>Die</strong>ses Wechselspiel von neu<br />

hinzukommenden und wieder fortfallenden<br />

Arbeitsgebieten verdeutlicht<br />

die Dynamik, die das Tätigkeitsfeld<br />

Soziale Arbeit seit jeher kennzeichnet.<br />

Ebenso wird die Vielfalt der Arbeit<br />

des Diakonischen <strong>Werk</strong>s deutlich im<br />

Blick auf die geografische Aufteilung<br />

seiner Standorte (Abb. 36).<br />

113


100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />

Marktstraße 152/154<br />

Geschäftsführung/Verwaltung<br />

Evangelische Familienhilfe e.V.<br />

DiakonieStiftung<br />

Grenzstraße 73<br />

Wohnungslosenhilfe<br />

Erziehungs-, Partnerschaftsund<br />

Lebensberatungsstelle<br />

Langemarkstraße 19 – 21<br />

Schuldnerberatung<br />

Verbraucherinsolvenzberatung<br />

Paul-Reusch-Straße 2<br />

Jugendgerichtshilfe<br />

114


Spezialisierung der Sozialen Arbeit seit den 70er-Jahren<br />

links Abb. 36 a – f: Standorte<br />

<strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> 2021.<br />

Schuldner- und Verbraucherinsolvenzberatung<br />

Steinbrinkstraße 158<br />

Psychosoziales Gesundheitszentrum<br />

Flexible Jugend- und Familienhilfen<br />

Kapellenstraße 115<br />

Sozialpädagogische Betreuung<br />

von Geflüchteten<br />

<strong>Die</strong> Schuldnerberatung ist eines der<br />

prominentesten Projekte des Diakonischen<br />

<strong>Werk</strong>es. Sie erhält eine breite<br />

und meist wohlwollende öffentliche<br />

Aufmerksamkeit. Jährlich berichtet die<br />

<strong>Oberhausen</strong>er Presse über deren Tätigkeit.<br />

Das Ziel der Arbeit der Schuldnerberatung<br />

lautet „Hilfe zur Selbsthilfe“.<br />

<strong>Die</strong> Ratsuchenden sollen befähigt<br />

werden, einen mit der Schuldnerberatungsstelle<br />

entwickelten Lösungsweg<br />

zu beschreiten. Auf diesem Wege soll<br />

ein nachhaltiger Erfolg erarbeitet werden.<br />

166<br />

<strong>Die</strong> Aufgaben, denen sich die<br />

Schuldnerberatung dabei stellt, sind<br />

anspruchsvoll und umfangreich. 167<br />

Vorrangig sind existenzielle Verbindlichkeiten<br />

zu regeln. <strong>Die</strong> Klienten sollen<br />

in die Lage versetzt werden, aus<br />

ihrem laufenden Einkommen die Ausgaben<br />

für Miete, Strom etc. zu leisten<br />

und bestehende Rückstände auszugleichen.<br />

Anschließend erfolgt die Regulierung<br />

der weiteren Verschuldung<br />

115


100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />

auf der Basis der realen finanziellen<br />

Möglichkeiten der Klienten. Weiterhin<br />

sollten die Ratsuchenden befähigt werden,<br />

mit ihrem „Einkommen auszukommen“,<br />

so dass die Schuldenspirale<br />

durchbrochen wird.<br />

Gegründet 1987, wurde ihre Arbeit<br />

erstmals im Januar 1988 in der Presse<br />

der Öffentlichkeit ausführlich vorgestellt.<br />

168 Ein Jahr später schilderte ein<br />

weiterer Zeitungsartikel das Wirken<br />

der Schuldnerberatung und die Akzeptanz<br />

in der Bevölkerung. In der WAZ<br />

vom 14. Februar 1989 hieß es: „<strong>Die</strong><br />

Schuldnerberatungsstelle <strong>Oberhausen</strong>,<br />

eine Gemeinschaftseinrichtung der<br />

freien Wohlfahrtsverbände sowie der<br />

Stadt (Träger ist das Diakonische <strong>Werk</strong><br />

<strong>Oberhausen</strong>), legt jetzt ihren ersten<br />

Jahresbericht vor. Als sie im Oktober<br />

1987 nach langer Planungsphase (beteiligt<br />

daran waren die Wohlfahrtsverbände,<br />

die Verbraucherberatung, die<br />

im Rat vertretenen Parteien und die<br />

Thyssen-Sozialberatung) endlich ihre<br />

Pforten in der alten Hans-Sachs-Berufsschule<br />

öffnete, setzte sogleich ein<br />

Ansturm von Ratsuchungen ein. Der<br />

Strom ebbte bislang auch nicht ab, mit<br />

956 Klienten waren die drei Mitarbeiter<br />

1988 mehr als ausgelastet. […] In<br />

etwa der Hälfte der Fälle konnten die<br />

Mitarbeiter den Betroffenen mit telefonischen<br />

Auskünften wenigstens kurzfristig<br />

helfen. In weiteren Fällen reichten<br />

ein oder zwei längere Gespräche<br />

in der Beratungsstelle, um die akuten<br />

finanziellen Probleme der Klienten so<br />

weit zu klären, daß die Ratsuchenden<br />

selber an die Ordnung ihrer Finanzen<br />

gehen konnten. Dabei kamen viele<br />

Klienten mit konkreten Fragestellungen;<br />

sie wollten Auskünfte über Vollstreckungsmöglichkeiten<br />

von Gläubigern<br />

haben, aber auch einiges über<br />

eigene Rechte und Schutzmöglichkeiten<br />

wissen. Mit dem neuen Wissen<br />

konnte vielen sehr bald das Gefühl des<br />

Ausgeliefertseins genommen werden,<br />

eine wichtige Voraussetzung für überlegtes<br />

Handeln. Oft konnten Klienten<br />

vor unberechtigten Forderungen aufgrund<br />

sittenwidriger Kreditverträge<br />

durch Einschaltung eines Anwalts geschützt<br />

werden.“<br />

Doch schon ein Jahr später standen<br />

finanzielle Probleme der Schuldnerberatung<br />

selbst im Vordergrund der Berichterstattung,<br />

da die Stadt nur einen<br />

Teil der Personalkosten übernehmen<br />

wollte. Es rächte sich, dass im Vorfeld<br />

der Einrichtung der Schuldnerberatung<br />

nur mündliche Absprachen<br />

getroffen worden waren. 169 Gerhard<br />

Holtz und Herta Zilly sprechen von<br />

einer „(fast abenteuerliche[n]) Misch-<br />

116


Spezialisierung der Sozialen Arbeit seit den 70er-Jahren<br />

Abb. 37: Schuldnerberatungsstelle<br />

hat<br />

finanzielle Probleme.<br />

WAZ, 17.1.1989.<br />

Stadt den Betrag und<br />

machte deutlich, dass<br />

in der Zukunft mit<br />

solcher Unterstützung<br />

nicht mehr zu<br />

rechnen sei.<br />

finanzierung aus Mitteln der Kommune<br />

und aller Wohlfahrtsverbände.“ 170<br />

(Abb. 37)<br />

Im Dezember 1991 war wieder von<br />

einem Defizit von 48.200 Mark zu lesen.<br />

171 Von Seiten der <strong>Oberhausen</strong>er<br />

FDP wurde durchaus spöttisch darauf<br />

hingewiesen, dass ausgerechnet eine<br />

Einrichtung, die Menschen zum verantwortlichen<br />

Umgang mit Geld beraten<br />

soll, selbst finanzielle Hilfen der<br />

Stadt benötige. Tatsächlich trug die<br />

<strong>Die</strong> Arbeit der<br />

Schuldnerberatung<br />

erlebte 1999 einen<br />

tiefen Einschnitt, als<br />

„die Konkursordnung<br />

durch ein neues<br />

Insolvenzrecht abgelöst<br />

[wurde]. Seitdem<br />

gibt es das Verbraucherinsolvenzverfahren<br />

mit der Restschuldbefreiung.<br />

2013 wurde eine weitere<br />

Reform des Insolvenzrechts durch<br />

das Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens<br />

und zur<br />

Stärkung der Gläubigerrechte verabschiedet.“<br />

172 Dabei kann die Verbraucherinsolvenz<br />

durchaus als Erfolgsgeschichte<br />

gesehen werden, „weil sie<br />

Menschen die Chance bietet, neu anzufangen“,<br />

wie Karl Hörnschemeyer<br />

von der Diakonie 2009 in einem Zeitungsartikel<br />

betonte. 173<br />

117


100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />

Abb. 38: Hilfe aus der Schuldenfalle. NRZ, Okt. 2012.<br />

<strong>Die</strong>se geänderten Umstände prägten<br />

im Jahr 2012 das silberne Jubiläum<br />

der Einrichtung (Abb. 38). 174 Am<br />

28. September wurde dies mit einer<br />

Fachveranstaltung im Gemeindehaus<br />

der Emmaus-Kirchengemeinde in Alstaden<br />

begangen. Ministerialrat a. D.<br />

Frank Bertsch referierte zum Thema<br />

„Soziale Schuldnerberatung — Ort<br />

der Mitmenschlichkeit in der säkularen<br />

Krise.“ Vier Jahre zuvor hatten sich<br />

in Folge der Novellierung des Sozialgesetzbuches<br />

II, das die Grundsicherung<br />

für Arbeitsuchende regelt und<br />

allgemein auch als Hartz-IV-Gesetz<br />

bezeichnet wird, die Bedingungen für<br />

die Ratsuchenden drastisch verändert.<br />

In vielen Kommunen – so auch<br />

in <strong>Oberhausen</strong> – wurde die freie Zugangsmöglichkeit<br />

aller Bürger zur Hilfe<br />

nicht mehr finanziert. Es wurden<br />

stattdessen Beratungsscheine ausgegeben.<br />

Hierzu wurde am 2. Februar 2009<br />

eine Vereinbarung mit der Stadt Ober-<br />

118


Spezialisierung der Sozialen Arbeit seit den 70er-Jahren<br />

hausen geschlossen. Das Angebot der<br />

Schuldnerberatung des Diakonischen<br />

<strong>Werk</strong>es <strong>Oberhausen</strong> kann kostenfrei<br />

von <strong>Oberhausen</strong>er Bürgerinnen und<br />

Bürgern in Anspruch genommen werden,<br />

welche überschuldet sind bzw.<br />

bei denen die Gefahr einer Überschuldung<br />

besteht. Da die Arbeit auf der<br />

Grundlage einer Landesförderung erfolgte,<br />

war das Beratungsangebot an<br />

bestimmte Bedingungen geknüpft. 175<br />

Neben der Beratung als eigentlichem<br />

„Kerngeschäft“ bot die Schuldnerberatung<br />

auch umfangreiche Präventionsmaßnahmen<br />

an. 29 Veranstaltungen<br />

an Schulen und bei weiteren Bildungsträgern<br />

wurden 2011/12 durchgeführt.<br />

Realistisch kommentiert der Bericht:<br />

„Dass dies dem Bedarf nicht entspricht,<br />

ist auf allen Ebenen unserer<br />

Gesellschaft bekannt. Allerdings fehlen<br />

nicht nur bei uns die Ressourcen,<br />

um dies zu ändern. Angebote in vielfältiger<br />

Art und Weise könnten erstellt<br />

werden, sofern die Voraussetzungen<br />

gegeben wären.“ 176<br />

Nachdem die Schuldnerberatung<br />

der Diakonie 1993 aus den Räumen<br />

des Elsa-Brändström-Gymnasiums in<br />

die Lothringer Straße gezogen war, 177<br />

stand 2012 wieder ein Ortswechsel<br />

an. Auf Betreiben der Stadt ging es ins<br />

Bert-Brecht-Haus, was sich als sehr<br />

positiv herausstellte. „Schon nach wenigen<br />

Wochen ist zu sagen, dass die<br />

neuen Räumlichkeiten für Klientel<br />

und Mitarbeitende ein Gewinn sind.<br />

So sind die Beratungsdienste ebenerdig<br />

zu erreichen und die Anbindung<br />

an den ÖPNV ist durch die Nähe<br />

zum Hauptbahnhof erheblich verbessert.“<br />

178 <strong>Die</strong> drei BeraterInnen waren<br />

auch nach dem Umzug vollständig<br />

ausgelastet. 179<br />

In den 2010er-Jahren war die Zahl<br />

der Beratungsfälle tendenziell rückläufig.<br />

Allerdings sind Schwankungen die<br />

Regel und von vielen Faktoren abhängig.<br />

Im Jahresbericht der Schuldnerberatung<br />

zum Jahr 2014 heißt es hierzu:<br />

„Wenn nach Gründen für den Rückgang<br />

gesucht wird, liegt dies an dem<br />

kontinuierlichen Sinken der Zuweisungen<br />

seitens der Jobcenter für A[rbeitslosengeld]<br />

II Bezieher und an dem<br />

subjektiven Empfinden (Einführung<br />

des Pfändungsschutzkonto, positive<br />

Nachrichten zur Arbeitsmarktlage sowie<br />

der konjunkturellen Entwicklung<br />

in der Bundesrepublik) der überschuldeten<br />

Personen, dass sich Ihre finanzielle<br />

Lage gebessert hat und sie durch<br />

eigene Bemühungen die Schuldenkrise<br />

überstehen werden. Dass dies in vielen<br />

Fällen nicht umsetzbar ist wird ver-<br />

119


100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />

drängt, da der Weg zur professionellen<br />

Hilfe ein großes Tabu darstellt und<br />

man an die eigene Selbsthilfe glaubt.“<br />

Zur Finanzierung der Schuldnerberatung<br />

trug auch der überörtliche<br />

Sparkassen-Giroverband mit Spenden<br />

bei. Im Jahr 2016 allein mit 37.700<br />

Euro. 180<br />

Evangelische<br />

Familienhilfe e.V.<br />

(Rechtliche Betreuungen)<br />

Schon das Evangelische Jugendpfarramt<br />

hatte es sich zur Aufgabe<br />

gemacht, Vormundschaften zu übernehmen.<br />

Im ersten Jahresbericht des<br />

Jahres 1921 ist von 169 Vormundschaftssachen<br />

die Rede. <strong>Die</strong> Übernahme<br />

rechtlicher Verantwortung für<br />

Menschen, die selbst dazu nicht mehr<br />

in der Lage waren, gehört also seit jeher<br />

zum „Kerngeschäft“ des Diakonischen<br />

<strong>Werk</strong>s. Dabei hat sich der<br />

rechtliche Rahmen für derartige Vormundschafts-<br />

und Betreuungsangelegenheiten<br />

im Laufe der Jahre mehrfach<br />

geändert. Darauf musste auch das<br />

Diakonische <strong>Werk</strong> reagieren. Ein erster<br />

großer Einschnitt stellte die Gründung<br />

der Evangelischen Familienhilfe<br />

e.V. dar. Bereits in den 1960er-Jahren<br />

wurde dieser Arbeitsbereich in einen<br />

eigenen Verein aus- oder besser gesagt<br />

umgelagert, um die MitarbeiterInnen<br />

vor einer persönlichen Haftung zu<br />

schützen. Da der Gemeindedienst als<br />

Teil der öffentlich-rechtlichen Körperschaft<br />

Evangelische Kirche keine Vormundschaften<br />

und Pflegschaften führen<br />

konnte, hätten die Mitarbeitenden<br />

persönlich bestellte Vormundschaften/<br />

Pflegschaften übernehmen müssen.<br />

<strong>Die</strong> Evangelische Familienhilfe e.V.<br />

wurde daher am 16. November 1962<br />

als ein Zweckverein ins Leben gerufen,<br />

der die Führung von Vereinsvormundschaften<br />

ermöglichte. „Gründungsmitglieder<br />

waren u. a. Pfarrer Pfotenhauer,<br />

Maria Middendorf, Hannelore Fordan<br />

und Friedrich Wolters, Direktor der<br />

Milchversorgung <strong>Oberhausen</strong>. Wolters<br />

war durch viele Ehrenämter der Kirche<br />

und Diakonie zutiefst verbunden.“ 181<br />

Alle Mitarbeiter des Diakonischen<br />

<strong>Werk</strong>es waren geborene Mitglieder des<br />

Vereins, ihnen wurde die Führung der<br />

Vormundschaft bzw. Pflegschaft übertragen.<br />

<strong>Die</strong> Aufgabe des Vereins war und ist<br />

die „Vertretung und Begleitung Volljähriger<br />

nach Gerichtsbeschluss, wenn<br />

diese aufgrund einer psychischen Erkrankung<br />

oder einer körperlichen,<br />

120


Spezialisierung der Sozialen Arbeit seit den 70er-Jahren<br />

geistigen oder seelischen Behinderung<br />

ihre Angelegenheiten ganz oder teilweise<br />

nicht regeln können.“ 182<br />

Darüber hinaus war es immer schon<br />

eine herausfordernde Aufgabe, ehrenamtliche<br />

BetreuerInnen zu gewinnen.<br />

<strong>Die</strong>s beinhaltet u. a. die Werbung<br />

neuer BetreuerInnen, Einführung in<br />

die Arbeit des rechtlichen Vertreters,<br />

Beratung und konkrete Hilfestellung<br />

in Einzelfällen. Dazu müssen für die<br />

ehrenamtlichen BetreuerInnen Schulungen<br />

angeboten und durchgeführt<br />

werden, Gruppenarbeiten, Einführungs-<br />

und Fortbildungsveranstaltungen.<br />

Schließlich werden auch Informationen<br />

über Vorsorgeverfügungen,<br />

Informationsveranstaltungen über<br />

Vorsorgevollmachten, Betreuungsverfügungen<br />

und Patientenverfügungen<br />

sowie Einzelberatung angeboten. In<br />

den 1980er-Jahren wurde das Angebot<br />

ergänzt, Angehörige von Patienten<br />

einmal monatlich in die Landesklinik<br />

Bedburg-Hau zu begleiten, damit diese<br />

ihre dort lebenden Verwandten regelmäßig<br />

besuchen konnten.<br />

Im Jahr 1992 bedeutete die Einführung<br />

des Betreuungsrechts und<br />

damit die Ablösung des alten Vormundschaftsrechts<br />

einen besonderen<br />

Einschnitt. Ziel des neuen Gesetztes<br />

war es, die anonyme Verwaltung von<br />

behinderten und psychisch erkrankten<br />

volljährigen Menschen durch persönlich<br />

bestellte Betreuer abzulösen<br />

und durch die persönliche individuelle<br />

Begleitung und Unterstützung der<br />

hilfebedürftigen Menschen zu ersetzen.<br />

<strong>Die</strong>s führte zu einer weiteren Satzungsänderung<br />

des Vereins, wonach<br />

keine Mitarbeitenden mehr als geborene<br />

Mitglieder des Vereins tätig wurden.<br />

Mitarbeitende wurden vielmehr<br />

beim Verein angestellt, um als persönlich<br />

bestellte VereinsbetreuerInnen die<br />

jetzt vom Betreuungsgericht angeordnete<br />

Betreuung zu führen.<br />

Auch das Vergütungssystem für das<br />

Betreuungssystem änderte sich. Wurde<br />

die Arbeit zunächst nach dem Schwierigkeitsgrad<br />

der Betreuung vergütet,<br />

erfolgte später eine minutengenaue<br />

Abrechnung der einzelnen Tätigkeiten,<br />

ehe 2005 eine pauschale Vergütung<br />

eingeführt wurde. <strong>Die</strong>se ist bis<br />

zum Jahr 2019 allerdings nicht mehr<br />

angepasst worden, was schließlich zu<br />

erheblichen Problemen bei der Finanzierung<br />

führen sollte.<br />

Im Jahr 2003 erfolgte der Zusammenschluss<br />

der Evangelischen Familienhilfe<br />

mit dem Betreuungsverein<br />

des Caritasverbandes unter alleini-<br />

121


100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />

Abb. 39: Caritas und Diakonie bauen ökumenische<br />

Zusammenarbeit aus. Wochen-Anzeiger, 12.5.2004.<br />

122


Spezialisierung der Sozialen Arbeit seit den 70er-Jahren<br />

ger Regie des Diakonischen <strong>Werk</strong>es.<br />

<strong>Die</strong>ser gelebte Ausdruck der Zusammenarbeit<br />

mit dem Caritasverband<br />

ermöglichte zugleich durch die so gewonnenen<br />

Synergieeffekte ein effizienteres<br />

Arbeiten für alle Beteiligten.<br />

Durch eine Satzungsänderung wurde<br />

ein Vertreter der Caritas Mitglied im<br />

Verein. Einher ging eine Namensänderung<br />

in „Evangelische Familienhilfe<br />

e.V. – Gesetzliche Betreuungen von<br />

Diakonie und Caritas“ (Abb. 39).<br />

Wie aus den Jahresberichten der<br />

1920er-Jahre schon zu sehen, war eine<br />

ständige Aufgabe die Gewinnung von<br />

Freiwilligen, die bereit waren, Vormundschaften<br />

zu übernehmen. Auch<br />

mit der Einführung des Betreuungsrechtes<br />

1992 musste die Familienhilfe<br />

e.V. planmäßig neue ehrenamtliche<br />

BetreuerInnen werben, diese schulen<br />

und fortbilden. Ein jährlicher Fortbildungskatalog<br />

mit Einführungsund<br />

Fortbildungsangeboten zum<br />

Betreuungsrecht wurde in Zusammenarbeit<br />

mit der Betreuungsstelle<br />

der Stadt <strong>Oberhausen</strong> entworfen, Betreuerstammtische<br />

zum persönlichen<br />

Austausch der ehrenamtlichen BetreuerInnen<br />

ins Leben gerufen und<br />

planmäßige Informationen über Vorsorgevollmachten,<br />

Betreuungsverfügungen<br />

und Patientenverfügungen zur<br />

Verfügung gestellt.<br />

Abb. 40: 50 Jahre Familienhilfe e.V., Feier in der Lutherkirche.<br />

123


100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />

Abb. 41: Familienhilfe in der Existenz bedroht.<br />

NRZ, 1.2.2019.<br />

124


Spezialisierung der Sozialen Arbeit seit den 70er-Jahren<br />

2010 wurde in der Marktstraße 152<br />

das Ladenlokal der Diakonie eingerichtet,<br />

das auch als Anlaufstelle für die<br />

BetreuerInnen der Familienhilfe e.V.<br />

diente. 183 Am 18. Oktober 2012 konnte<br />

der Verein sein 50-jähriges Bestehen<br />

feiern (Abb. 40).<br />

Im Jahr 2011/12 wurden 317 rechtliche<br />

Betreuungen geführt. 213 ehrenamtliche<br />

Betreuer wurden vom Verein<br />

begleitet. 184 2015 waren es sogar<br />

375 und 2017 362. 185 Da es seit 2005<br />

keine Anpassung der Fallpauschalen<br />

mehr erfolgte, geriet die Familienhilfe<br />

2016 in einen finanziellen Engpass,<br />

und man ging damit an die Öffentlichkeit.<br />

186 Der Betreuungsverein lebte<br />

von den Rücklagen. Im Februar 2019<br />

schreckte die Meldung: „Familienhilfe<br />

in der Existenz bedroht“. 187 (Abb. 41)<br />

<strong>Die</strong> Rücklagen waren inzwischen aufgebraucht,<br />

so dass der Kirchenkreis<br />

mit über 40.000 Euro helfen musste.<br />

Auch die Stadt <strong>Oberhausen</strong> half dem<br />

Verein mit finanzieller Unterstützung,<br />

bis eine bundeseinheitliche Neuregelung<br />

der Fallpauschalen ab Juli 2019<br />

die Situation wieder verbesserte.<br />

<strong>Die</strong> Vereinssatzung musste im Jahr<br />

2020 wiederum geändert werden. Der<br />

neue Name lautet seitdem „Evangelische<br />

Familienhilfe <strong>Oberhausen</strong> e.V. -<br />

Rechtliche Betreuungen“. <strong>Die</strong> Satzung<br />

wurde an die neue Satzung des Diakonischen<br />

<strong>Werk</strong>es angepasst, zugleich erfolgte<br />

der Rückzug der <strong>Oberhausen</strong>er<br />

Caritas aus der Arbeit im Betreuungsverein.<br />

<strong>Die</strong> Familienhilfe e.V., in deren Tagesgeschäft<br />

es aufgrund der Erkrankungen<br />

und Behinderungen oft zu<br />

stark emotionalisierten Situationen<br />

kommt, musste diesbezüglich Vorkehrungen<br />

treffen. Sachbeschädigungen<br />

und tätliche Angriffe auf Mitarbeiter-<br />

Innen hatten zur Folge, dass immer<br />

wieder Maßnahmen zur Deeskalation<br />

und bauliche Veränderungen zum<br />

Schutz der Mitarbeitenden vorgenommen<br />

werden mussten.<br />

Der coronabedingte Lockdown hat<br />

die Arbeit des Betreuungsvereins natürlich<br />

sehr eingeschränkt. <strong>Die</strong> Teams<br />

des Betreuungsvereins und der Wohnungslosenhilfe<br />

„organisierten sich in<br />

kurzer Zeit so, dass die dort betreuten<br />

Menschen auch weiterhin mit Mahlzeiten,<br />

Lebensmitteln, Bargeld und<br />

anderen existenzsichernden Hilfen<br />

versorgt und betreut werden konnten.<br />

Beratungskontakte in allen Sachgebieten<br />

wurden – sofern möglich – mit digitalen<br />

Telekommunikationsmitteln<br />

oder im Freien durchgeführt.“ 188<br />

125


100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />

Flexible Jugendund<br />

Familienhilfen<br />

Jugendgerichtshilfe<br />

Beide Arbeitsfelder sind Kernthemen<br />

des Diakonischen <strong>Werk</strong>s seit seinen<br />

Anfängen.<br />

<strong>Die</strong> Flexible Jugend- und Familienhilfen<br />

erfolgen auf Grundlage des<br />

Kinder- und Jugendhilfegesetzes in<br />

enger Kooperation mit dem Jugendamt<br />

der Stadt <strong>Oberhausen</strong>. <strong>Die</strong> Arbeit<br />

erstreckt sich hierbei auf sehr unterschiedliche<br />

Felder: ambulante flexible<br />

Hilfe, soziale Gruppenarbeit, Erziehungsbeistand,<br />

individuelle Betreuung<br />

von Kindern und Jugendlichen,<br />

aber auch Unterstützung in und für<br />

deren Familien. Hilfestellung bei der<br />

schulischen und beruflichen Ausbildung<br />

ebenso wie die Begleitung in die<br />

Selbstständigkeit. <strong>Die</strong> Begleitung und<br />

Betreuung von Familien und Alleinerziehenden<br />

bei der Bewältigung von<br />

Alltagsproblemen gehört ebenso dazu<br />

wie die Unterstützung bei der Konfliktlösungsstrategie<br />

und ganz praktische<br />

Hilfe bei Kontakten mit Ämtern<br />

und Institutionen oder bei der Wohnungssuche.<br />

Ein besonderes Feld stellt<br />

die Eingliederungshilfe für seelisch behinderte<br />

Kinder und Jugendliche dar.<br />

Sie beinhaltet Unterstützung von jugendlichen<br />

Minderjährigen, die eine<br />

psychische Beeinträchtigung vorweisen<br />

und von Suchterkrankung bedroht<br />

sind bzw. für seelisch behinderte oder<br />

von seelischer Behinderung bedrohte<br />

jugendliche Minderjährige und junge<br />

Volljährige.<br />

Nur kurz sei auf die Arbeit der Jugendgerichtshilfe<br />

innerhalb des Diakonischen<br />

<strong>Werk</strong>es hingewiesen. Sie<br />

ist ebenso wie die Familienhilfe eine<br />

Einrichtung, die bis auf die Anfänge<br />

in den 1920er-Jahren zurückgeht. So<br />

hieß es in dem bereits weiter oben erwähnten<br />

Jahresbericht von 1927: „In<br />

der Jugendgerichtshilfe hatten wir 28<br />

Schützlinge zu betreuen. In den meisten<br />

Fällen handelte es sich um Eigentumsdelikte.“<br />

189<br />

Heute beschreibt sich die Jugendgerichtshilfe<br />

im Internetauftritt des<br />

Diakonischen <strong>Werk</strong>es <strong>Oberhausen</strong> als<br />

ein Angebot für Jugendliche und Heranwachsende,<br />

die mit dem Gesetz in<br />

Konflikt geraten sind sowie deren Familien.<br />

<strong>Die</strong> Hilfe beinhaltet auf freiwilliger<br />

Basis die Beratung und Begleitung<br />

im laufenden Ermittlungs- und<br />

Strafverfahren und unterstützt das Gericht<br />

bei der Urteilsfindung. <strong>Die</strong> geziel-<br />

126


Spezialisierung der Sozialen Arbeit seit den 70er-Jahren<br />

te Zusammenarbeit mit den Eltern ist<br />

hierbei oft von großer Bedeutung.<br />

Konkret bietet das Diakonische<br />

<strong>Werk</strong> in diesem Bereich die Beratung<br />

und Begleitung für Jugendliche, Heranwachsende<br />

und ihre Eltern im laufenden<br />

Straf- und Ermittlungsverfahren<br />

an. <strong>Die</strong> Klärung der erzieherischen<br />

und sozialen Gesichtspunkte, die zu<br />

dem Strafverfahren geführt haben,<br />

ebenso Stellungnahmen im Gerichtsverfahren,<br />

Einleitung und Sicherung<br />

der von den Justizbehörden verhängten<br />

Auflagen und Weisungen. Im Bedarfsfall<br />

erfolgt eine Vermittlung an<br />

weiterführende Fachdienste. Schließlich<br />

werden Präventionsangebote zur<br />

Vermeidung von Straftaten bereitgestellt.<br />

190<br />

Ambulante<br />

Wohnungslosenhilfe<br />

Wohnungslosigkeit war schon immer<br />

eine grundlegende Herausforderung<br />

der diakonischen Arbeit. Wohnungslosigkeit<br />

entwickelt sich für die<br />

meisten Menschen plötzlich: Ein Mietvertrag<br />

endet, eine Räumung wird<br />

durchgeführt, bei den Eltern oder dem<br />

Partner kann man einfach nicht mehr<br />

leben oder der Verlust der Arbeitsstelle<br />

lässt es nicht mehr zu, die Wohnungsmiete<br />

zu zahlen. <strong>Die</strong> Wohnungslosigkeit<br />

ist oftmals die Spitze eines längst<br />

existierenden, scheinbar unüberwindbaren<br />

Berges von Problemen.<br />

<strong>Die</strong> Anfänge der Ambulanten Wohnungslosenhilfe<br />

gehen zurück auf das<br />

Jahr 1993, als der lange angestrebte<br />

<strong>Die</strong>nst Wirklichkeit werden konnte.<br />

<strong>Die</strong> enge Zusammenarbeit mit der<br />

Bahnhofsmission ermöglichte es, deren<br />

Klienten namentlich zu erfassen,<br />

so dass ein Konzept für deren gezielte<br />

Betreuung in Zusammenarbeit mit der<br />

Stadt erarbeitet werden konnte. Auf<br />

dieser Grundlage wurde ein Antrag auf<br />

Kostenübernahme vom Landschaftsverband<br />

Rheinland positiv beschieden.<br />

So konnte die Zentrale Fachberatungsstelle<br />

für alleinstehende Wohnungslose<br />

auf der Marktstraße 152 eröffnet werden.<br />

Ziel war es, ein niedrigschwelliges<br />

Angebot bereitzustellen, das „Gelegenheiten<br />

zum Duschen und Baden und<br />

zum Waschen der Wäsche [umfassen<br />

sollte] ebenso wie ein Lager zur sicheren<br />

Aufbewahrung der Sachen und ein<br />

Aufenthaltsraum. Außerdem wird das<br />

Haus als Postadresse zum Beispiel für<br />

Leistungen des Arbeitsamtes gelten<br />

und wahrscheinlich einige <strong>Die</strong>nste des<br />

Sozialamtes anbieten können.“ 191<br />

127


100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />

1996 erfolgte ein Umzug der Beratungsstelle<br />

in die Grenzstraße 73a.<br />

Hier entstand unter Einbeziehung<br />

der Mitarbeiterin der evangelischen<br />

Bahnhofsmission ein erstes ambulantes<br />

Versorgungsangebot mit regelmäßigen<br />

Mahlzeiten, Möglichkeiten zur<br />

Wäschepflege, Dusch- und Lagermöglichkeit<br />

für persönliche Gegenstände.<br />

1998 konnte eine medizinische Ambulanz<br />

in der <strong>Die</strong>nststelle eingerichtet<br />

werden, zunächst mit Unterstützung<br />

der Kassenärztlichen Vereinigung<br />

unter Beteiligung von niedergelassenen<br />

Ärzten. <strong>Die</strong> <strong>Oberhausen</strong>er Wohlfahrtsverbände<br />

organisierten zusätzlich<br />

die nötigen Pflegekräfte. Später<br />

arbeiteten ehrenamtliche Ärzte, die<br />

ihre Praxen bereits aufgegeben hatten,<br />

in der Ambulanz. Ziel der Maßnahme<br />

war die Akut- und Erstversorgung der<br />

Klientinnen und Klienten der Fachberatungsstelle,<br />

da die Beraterinnen und<br />

Berater zunehmend Hinweise und Belege<br />

für die medizinische Unterversorgung<br />

der Hilfesuchenden vorlagen.<br />

Nach dem Ausscheiden der ehrenamtlich<br />

tätigen betagten Ärzte musste das<br />

Angebot eingestellt werden. Erst 2009<br />

konnte ein Folgeangebot eingerichtet<br />

werden: das SA+M – die Abkürzung<br />

steht für Soziale Arbeit und Medizinische<br />

Versorgung – als mobiles medizinisches<br />

Angebot für wohnungslose<br />

Menschen. 192 Das SA+M ist sozusagen<br />

die mobile Filiale der Wohnungslosenhilfe,<br />

in der über die medizinische<br />

Betreuung hinaus auch weitere Beratungsmöglichkeiten<br />

bestehen sowie<br />

Gegenstände des täglichen Bedarfs wie<br />

Kleidung, Decken, Schlafsäcke und<br />

Getränke kostenlos an die Bedürftigen<br />

abgegeben werden. Anders als sein<br />

Vorgänger geht dieser <strong>Die</strong>nst hin zu<br />

den Menschen vor Ort und ist zu festgelegten<br />

Zeiten am Hauptbahnhof und<br />

in Sterkrade-Mitte anzutreffen.<br />

Im Jahr 2000 wurde ein weiteres Projekt<br />

mit Unterstützung der Stadt und<br />

des Landschaftsverbandes Rheinland<br />

in Angriff genommen: „Aufsuchende<br />

Sozialarbeit“ für Personen mit besonderen<br />

sozialen Schwierigkeiten. Im<br />

Folgejahr kam das Angebot „Betreutes<br />

Wohnen“ hinzu, ein ambulantes Angebot,<br />

das zur Wohnraumsicherung und<br />

Ermöglichung eines selbstständigen<br />

Wohnens der in Wohnraum vermittelten<br />

Menschen genutzt wird. Hierbei ist<br />

das Ziel, einen erneuten Wohnraumverlust<br />

zu vermeiden. 2005 wurde das<br />

„Betreute Wohnen“ ergänzt mit einem<br />

ambulant begleiteten „Wohntraining“.<br />

Ziel dieser Maßnahme war und ist die<br />

niederschwellige Unterstützung in allen<br />

Belangen zum Thema „Wohnen“<br />

(z. B. Reinigung der Wohnung, Ver-<br />

128


Spezialisierung der Sozialen Arbeit seit den 70er-Jahren<br />

halten in der Hausgemeinschaft, Mülltrennung,<br />

Flurwoche, etc.). 193<br />

Ein Zeichen der stetig fortschreitenden<br />

Professionalisierung und Spezifizierung<br />

der ambulanten Arbeit mit<br />

wohnungslosen Menschen in <strong>Oberhausen</strong><br />

war im Jahr 2021 die Einrichtung<br />

der „Fachberatungsstelle gem.<br />

§§ 67 ff SGB XII für Frauen in Wohnungsnot“<br />

an einem weiteren Standort<br />

in der <strong>Oberhausen</strong>er Stadtmitte.<br />

So ist es nicht verwunderlich, dass im<br />

Zuge der sich stetig ausweitenden Tätigkeitsfelder<br />

der Wohnungslosenhilfe<br />

die <strong>Die</strong>nsträume 2002 und 2010 erweitert<br />

wurden.<br />

Im Laufe der Jahre wurde das Konstrukt<br />

der Wohnungslosenhilfe immer<br />

komplexer. „So bestehen z. B. für die<br />

verschiedenen Aufgaben in der Wohnungslosenhilfe<br />

allein sechs unterschiedliche<br />

Verträge mit differenzierten<br />

Förderprinzipien und Laufzeiten“,<br />

wurde im Jahresbericht des Diakonischen<br />

<strong>Werk</strong>es 2018/19 festgehalten<br />

und bilanziert: „<strong>Die</strong> einzige Gemeinsamkeit<br />

der zuletzt genannten Verträge<br />

ist die Tatsache, dass sie für uns wirtschaftlich<br />

nicht auskömmlich sind.“ 194<br />

Immerhin gelang es in Verhandlungen<br />

mit der Stadt, alle Verträge zu bündeln,<br />

um auch die Refinanzierung dieser<br />

Arbeit deutlich zu verbessern. 195<br />

Hilfen für psychisch<br />

erkrankte Menschen<br />

Unter dieser Überschrift bietet<br />

das Psychosoziale Gesundheitszentrum<br />

(PGZ) des Diakonischen <strong>Werk</strong>es<br />

<strong>Oberhausen</strong> mehrere <strong>Die</strong>nste an. Ziel<br />

ist die Förderung der gesellschaftlichen<br />

Integration und Daseinsbewältigung<br />

psychisch erkrankter Menschen durch<br />

Begleitung und Vermittlung konkreter<br />

Hilfen, die Betreuung und Begleitung<br />

im eigenen Wohnraum und sozialem<br />

Umfeld sowie die Bereitstellung von<br />

Eingliederungshilfen. 196<br />

Das PGZ befindet sich in der Steinbrinkstraße<br />

158 in <strong>Oberhausen</strong>-Sterkrade<br />

und ist zuständig für den nördlich<br />

der Emscher gelegenen Stadtteil<br />

Sterkrade. Es geht in seinen Wurzeln<br />

zurück auf die Zeit nach Umwandlung<br />

der Diakonie-<strong>Die</strong>nststellen in<br />

den Stadtteilen Sterkrade und Osterfeld<br />

in Anlaufstellen, als die fachliche<br />

und organisatorische Arbeit des Diakonischen<br />

<strong>Werk</strong>es in der Marktstraße<br />

zentralisiert wurde. Aus der zunächst<br />

129


100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />

eingerichteten Anlaufstelle wurde<br />

1979 ein Treffpunkt für psychisch<br />

Kranke. Durch die Nähe zum Johanniter-Krankenhaus<br />

mit seiner Klinik<br />

für Psychiatrie, Psychotherapie und<br />

Psychosomatik fanden viele Patienten<br />

im Psychosozialen Zentrum einen Ort<br />

für Vor- und Nachsorge und ambulante<br />

Betreuung. Seit den 1990er-Jahren<br />

wurde diese Arbeit vertraglich mit dem<br />

Landschaftsverband Rheinland und<br />

der Stadt <strong>Oberhausen</strong> abgestimmt. <strong>Die</strong><br />

Finanzierung der Angebote waren immer<br />

auf ergänzende Kirchensteuermittel<br />

angewiesen.<br />

Im März 2000 schlossen das Diakonische<br />

<strong>Werk</strong> und die Caritas „aus der<br />

Notwendigkeit einer Ökonomie der<br />

Ressourcen und aus der Überzeugung<br />

von einer notwendigen Ökonomie der<br />

Fachlichkeit“ einen Netzwerkvertrag<br />

für ihre psychosozialen <strong>Die</strong>nste. <strong>Die</strong>s<br />

war im Bereich der Evangelischen Kirche<br />

im Rheinland einmalig. 197 Gleichwohl<br />

stellte und stellt sich bei aller<br />

ökumenischen Verbundenheit ein<br />

Spannungsfeld zum je eigenen Profil.<br />

<strong>Die</strong> nach wie vor anhaltenden<br />

Schwierigkeiten der Finanzierung des<br />

Sozialpsychiatrischen Zentrums führten<br />

dazu, dass dieses auf Beschluss der<br />

Kreissynode Ende 2003 geschlossen<br />

werden sollte. Am Ende konnte es aber<br />

doch erhalten werden. Möglich wurde<br />

die Einsparung von 50.000 Euro durch<br />

Umstrukturierung der Arbeit in Zusammenarbeit<br />

mit der Caritas und in<br />

Abstimmung mit der Stadt. 198 Im November<br />

2003 konnte ein Vertrag zwischen<br />

dem Diakonischen <strong>Werk</strong>, der<br />

Caritas, der Evangelischen Familienhilfe<br />

e.V., dem Verein Piccobello und<br />

dem Psychosozialen Förderverein geschlossen<br />

werden, der für die Zukunft<br />

eine umfassende Zusammenarbeit<br />

aller Beteiligten regeln sollte. Es entstand<br />

eine Anlaufstelle, in der Betroffene<br />

in den Bereichen Wohnen, Arbeit,<br />

Tagesstruktur und Existenzsicherung<br />

betreut und an die entsprechenden<br />

Fachstellen weitervermittelt werden<br />

konnten. 199 Dank dieser Umstrukturierung<br />

entspannte sich die finanzielle<br />

Lage wieder.<br />

Im Jahr 2006 konnte ein weiterer<br />

Arbeitsbereich im Sozialpsychiatrischen<br />

Zentrum eingerichtet werden:<br />

Betreutes Wohnen für psychisch erkrankte<br />

Menschen. 200 Hinzu kommt<br />

die Beratungsarbeit nach Sozialgesetzbuch<br />

II (SGB II).<br />

130


Spezialisierung der Sozialen Arbeit seit den 70er-Jahren<br />

Im Detail leistet das PGZ folgende<br />

Aufgaben:<br />

Sozialpsychiatrisches Zentrum (SPZ)<br />

- Beratung, Betreuung und Freizeitgestaltung<br />

von volljährigen psychisch<br />

kranken Menschen und deren Angehörige.<br />

- Befähigung der Hilfesuchenden zu<br />

einer eigenverantwortlichen Teilnahme<br />

am Leben in der Gesellschaft.<br />

Ambulant Betreutes Wohnen (BeWo)<br />

Das Ambulant Betreute Wohnen ist<br />

ein Angebot für Menschen, die entweder<br />

in Folge einer seelischen Erkrankung<br />

von Behinderung bedroht sind<br />

oder an einer Behinderung leiden und<br />

damit in ihrer Fähigkeit zur Teilhabe<br />

am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt<br />

sind. Ziel ist es, Fähigkeiten<br />

zu erhalten, auszubauen und den Weg<br />

zu einer selbstbestimmten Lebensführung<br />

zu begleiten. <strong>Die</strong> Unterstützung<br />

orientiert sich an den Kompetenzen<br />

der KlientInnen und berücksichtigt<br />

deren individuelle Biografie und Lebenserfahrung.<br />

<strong>Die</strong> Einschränkungen<br />

der KlientInnen durch die Behinderung<br />

können durch die Unterstützung<br />

im Rahmen des Ambulant Betreuten<br />

Wohnens ausgeglichen werden. Stationäre<br />

Hilfen werden vermieden. <strong>Die</strong> Betreuung<br />

basiert auf Freiwilligkeit und<br />

auf mit den KlientInnen getroffenen<br />

Vereinbarungen. <strong>Die</strong> Auseinandersetzung<br />

mit den Fragen des sozialen Zusammenlebens<br />

und der Alltagsbewältigung<br />

wird durch intensiven Kontakt<br />

angeregt und begleitet. Dabei werden<br />

andere Fachdienste, wie zum Beispiel<br />

die Kontakt- und Beratungsstelle, soweit<br />

erforderlich, mit einbezogen.<br />

Sozialgesetzbuch II-Beratung<br />

<strong>Die</strong> SGB Il-Beratung richtet sich an<br />

die Leistungsempfänger des Jobcenters<br />

<strong>Oberhausen</strong>. Ziel ist die gemeinsame<br />

Erarbeitung von Strategien, um die mit<br />

der Vermittlung in Arbeit bestehenden<br />

Hemmnisse zu erkennen, zu mildern<br />

oder abzubauen sowie eine Verbesserung<br />

der psychosozialen Gesamtsituation<br />

zu erwirken.<br />

In den 2010er-Jahren stieg der Bedarf<br />

am <strong>Die</strong>nst des PGZ an. Seit September<br />

2013 unterstützte ein Mitarbeiter<br />

im Bundesfreiwilligendienst<br />

die Arbeit im Psychosozialen Gesundheitszentrum.<br />

201 2013 wurden<br />

die Räumlichkeiten des ehemaligen<br />

Gemeindeamtes Sterkrade angemietet<br />

und renoviert. So wurde ein ebenerdiger<br />

Gruppenraum geschaffen und<br />

die Raumsituation konnte der gewachsenen<br />

Anzahl von Mitarbeitenden angepasst<br />

werden. Aufgrund der gestiegenen<br />

Anzahl von Mitarbeitenden in<br />

131


100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />

den vergangenen Jahren wurde zudem<br />

die Leitungsstruktur angepasst, indem<br />

die Bereiche Betreutes Wohnen und<br />

Sozialpsychiatrisches Zentrum/SGB<br />

II-Beratung getrennt und mit je einer<br />

Sachgebietsleitung versehen wurden.<br />

Das Psychosoziale Gesundheitszentrum<br />

hat nach der räumlichen Erweiterung<br />

in den vergangenen Jahren sein<br />

Angebot ausgebaut. Es konnten zwei<br />

neue Gruppenangebote etabliert werden:<br />

Zum einen die „Pegasusgruppe“,<br />

welche sich an Menschen wendet, die<br />

an einer Erkrankung aus dem schizophrenen<br />

Formenkreis leiden, ein anderes<br />

Gruppenangebot wendet sich an<br />

Menschen, die unter Depressionen leiden<br />

(Abb. 42).<br />

Abb. 42: Warten auf einen Therapieplatz überbrücken.<br />

WAZ, 17. 2.2016.<br />

132


Spezialisierung der Sozialen Arbeit seit den 70er-Jahren<br />

Ausgebaut wurden die Fallzahlen<br />

im Ambulant Betreuten Wohnen, so<br />

dass mehr als 100 Klienten durch die<br />

Mitarbeitenden betreut werden konnten.<br />

202<br />

<strong>Die</strong> Coronapandemie bedeutete<br />

auch für den Arbeitsbereich Psychosoziales<br />

Gesundheitszentrum einen massiven<br />

Einschnitt, als im Mai 2020 die<br />

Außenkontakte eingeschränkt werden<br />

mussten. Kurzarbeit war die Folge. 203<br />

Ferienerholung/Ferienwerk<br />

Ende der 1950er-Jahre führte das<br />

sogenannte Wirtschaftswunder dazu,<br />

dass immer mehr Familien der Mittelschicht<br />

in Deutschland die Möglichkeit<br />

zu Urlaubsreisen hatten. Auch<br />

wenn diese Zahl stetig stieg, blieb doch<br />

vielen Menschen diese Chance aus<br />

wirtschaftlichen, sozialen oder anderen<br />

Gründen verwehrt: Rentnerinnen<br />

und Rentner, alleinerziehende Mütter<br />

und deren Kinder, Schülerinnen und<br />

Schüler, die zu Hause bleiben mussten,<br />

während deren Freunde und Freundinnen<br />

mit ihren Familien in Urlaub<br />

fuhren.<br />

Um hier zu helfen, entstand ein<br />

neues Arbeitsfeld der Offenen Diakonie.<br />

Es ging sogar auf die Zeit vor<br />

der Einführung des Namens „<strong>Diakonisches</strong><br />

<strong>Werk</strong>“ zurück: die Ferienerholung.<br />

1965 bot die (damals noch)<br />

Innere Mission bereits Ferienreisen<br />

nach Leichlingen oder in den Westerwald<br />

an. Auch in <strong>Oberhausen</strong> wurden<br />

Freizeitangebote bereitgestellt: Tagesaufenthalte<br />

im Haus Gottesdank oder<br />

zweiwöchige Erholungszeiten auf dem<br />

Immenhof im <strong>Oberhausen</strong>er Norden.<br />

Auf der anderen Seite war die Freizeit-<br />

und Erholungsarbeit immer auch<br />

Gemeindearbeit. In den 1950er-Jahren<br />

wurde sie zum Teil unter dem Dach<br />

der Inneren Mission zusammengefasst,<br />

weil öffentliche Zuschüsse nur an<br />

einen Wohlfahrtsverband gezahlt wurden.<br />

So entstand ein Jahrzehnte tragfähiges<br />

Konglomerat aus Gemeindefreizeiten<br />

und solchen des Diakonischen<br />

<strong>Werk</strong>s, die oftmals von Ehrenamtlichen<br />

aus den Gemeinden geleitet wurden.<br />

<strong>Die</strong> Gemeinden erkannten, dass<br />

neben der gemeinsamen Werbung<br />

auch die verwaltungsmäßige Abwicklung<br />

ihrer Freizeiten und die Beantragung<br />

von Zuschüssen in der Hand des<br />

Diakonischen <strong>Werk</strong>s Vorteile für die<br />

Gemeindeämter hatte.<br />

Aus diesen Anfängen entwickelte<br />

sich ein reichhaltiges Ferienangebot,<br />

133


100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />

das auch jährlich in den Zeitungen beworben<br />

wurde. Ein sehr beliebtes Ferienhaus,<br />

das von der <strong>Oberhausen</strong>er<br />

Diakonie für Urlaube dauerhaft angemietet<br />

worden war, stand viele Jahre<br />

in Sachrang in Oberbayern zur Verfügung.<br />

<strong>Die</strong> Küche wurde von ehrenamtlich<br />

tätigen ‚Kochfrauen-Teams‘<br />

aus <strong>Oberhausen</strong> versehen. Erst Ende<br />

des Jahres 1997 wurde die Anmietung<br />

des Hauses beendet, nicht zuletzt, weil<br />

immer weniger Kochfrauen zur Verfügung<br />

standen.<br />

Besondere Bedeutung hatte das<br />

Freizeitheim Immenhof am Nordrand<br />

von <strong>Oberhausen</strong> in Königshardt. Hier<br />

fanden schon sehr früh Erholungsangebote<br />

statt. 1965 verbrachten dort<br />

beispielsweise 18 Teilnehmer aus dem<br />

gesamten <strong>Oberhausen</strong>er Stadtgebiet<br />

zwischen 65 und 85 Jahren einen zweiwöchigen<br />

Aufenthalt.<br />

Der Immenhof diente aber nicht nur<br />

zur Erholung, sondern auch als schöne<br />

Kulisse für Ehrungen und Feierlichkeiten.<br />

1983 erhielten beispielsweise<br />

die Absolventen der Altenpflegeschule<br />

dort ihre Zeugnisse überreicht. 204 Auch<br />

Seminare und Schulungen wurden<br />

dort abgehalten.<br />

Abb. 43: Immenhof. Umgebaut und renoviert.<br />

WAZ, 16.1.1987.<br />

134


Spezialisierung der Sozialen Arbeit seit den 70er-Jahren<br />

Anfang 1987 wurde das Haus<br />

grundlegend renoviert, wie die WAZ<br />

mit Bild von den Umbauarbeiten zu<br />

berichten wusste. 205 (Abb. 43).<br />

Aber auch die Zeit des Immenhofs<br />

war einmal vorbei. Im Jahr 2000 wurde<br />

die Schließung des Hauses, das nicht<br />

mehr wirtschaftlich betrieben werden<br />

konnte, beschlossen. Zunächst versuchte<br />

man noch, das Gebäude zu verpachten.<br />

Auch Pläne zur Umnutzung<br />

oder Neubebauung durch eine Wohneinrichtung<br />

für Behinderte gemeinsam<br />

mit einer großen diakonischen<br />

Einrichtung wurden verfolgt, konnten<br />

aber letztlich aus finanziellen Gründen<br />

nicht realisiert werden. Schließlich war<br />

2002 der Spardruck auf den Kirchenkreis<br />

so groß, dass es veräußert werden<br />

musste. 206<br />

Noch 2012/13 nahmen 175 Personen<br />

das Angebot des Ferienwerks an,<br />

allerdings zeichnete sich damals bereits<br />

ab, dass aufgrund des fortschreitenden<br />

Altersschnittes eine Fortsetzung in bisheriger<br />

Weise nicht mehr möglich sein<br />

würde. 207 2014 waren es dann auch nur<br />

noch 125 TeilnehmerInnen. <strong>Die</strong> Prognosen<br />

für die Zukunft dieses Angebots<br />

waren eher schlecht: „Es zeigt sich jedoch,<br />

dass die gesundheitlichen Beeinträchtigungen<br />

der Teilnehmenden größer<br />

werden. Das Ferienwerk agiert hier<br />

auf einem Markt, auf dem die ‚fitteren<br />

Senioren‘ eher kommerzielle, günstigere<br />

Reisen in Anspruch nehmen, während<br />

die Zielgruppe des Ferienwerkes<br />

kleiner wird.“ 208 Dadurch stiegen die<br />

Zuschusskosten für den Kirchenkreis<br />

immer weiter an. Heute hat sich das<br />

Konzept der Urlaubsfreizeiten überlebt,<br />

und die Diakonie bietet sie nicht<br />

mehr an. 209<br />

Das Fachseminar<br />

für Altenpflege<br />

Ein weiterer spezifischer <strong>Die</strong>nst<br />

der Diakonie war das „Fachseminar<br />

für Altenpflege“. 1967 bot das Diakonische<br />

<strong>Werk</strong> erstmals ein Seminar für<br />

Altenpflege an, aus dem das Fachseminar<br />

für Altenpflege mit staatlicher<br />

Anerkennung (seit 1973) erwuchs.<br />

<strong>Die</strong>se Einrichtung war nicht selbstverständlich,<br />

bestand in <strong>Oberhausen</strong><br />

doch keine unmittelbare Notwendigkeit,<br />

schließlich unterhielt das Diakonische<br />

<strong>Werk</strong> keine eigenen Altenheime,<br />

für die Personal hätte ausgebildet<br />

werden müssen. Gleichwohl zeichnete<br />

sich bereits ein demografischer Wandel<br />

ab, der von einer Zunahme der<br />

älteren Bevölkerung gekennzeichnet<br />

135


100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />

sein würde. Perspektivisch war also die<br />

Ausbildung von Fachpersonal durchaus<br />

angeraten. Als Zielgruppe zukünftiger<br />

Altenpflegerinnen (an Männer in<br />

diesem Beruf war noch nicht zu denken)<br />

kamen Frauen mittleren Alters<br />

in Betracht, die eine neue berufliche<br />

Perspektive suchten. Hannelore Fordan<br />

hat die Anfänge rückblickend bei<br />

der Zehnjahrfeier 1977 beschrieben.<br />

Man erarbeitete einen Ausbildungsplan,<br />

beantragte und erhielt Fördermittel<br />

des Arbeitsamtes und konnte<br />

am 10. April 1967 den ersten Lehrgang<br />

zur Ausbildung von Altenpflegerinnen<br />

mit 18 Teilnehmerinnen eröffnen.<br />

Der Altersdurchschnitt lag bei 43 Jahren.<br />

Der Lehrgang dauerte ein halbes<br />

Jahr und beinhaltete auch Praktika in<br />

Krankenhäusern und Altenpflegeheimen.<br />

Wie bedeutsam dieser Schritt des<br />

Diakonischen <strong>Werk</strong>es war, wird daran<br />

ersichtlich, dass bei der ersten Prüfung<br />

sogar das Fernsehen zugegen war und<br />

berichtete. <strong>Die</strong> Ausbildung wurde im<br />

Laufe der Zeit immer fundierter und<br />

dauerte 1972 bereits neun Monate.<br />

Wie vorausschauend die Entscheidung<br />

der Diakonie war, ein solches Ausbildungsangebot<br />

zu schaffen, zeigt die<br />

Tatsache, dass das Land Nordrhein-<br />

Westfalen erst 1969 gesetzliche Regelungen<br />

zur staatlichen Anerkennung<br />

derartiger Lehrgänge erarbeitete.<br />

Der Altersschnitt der Auszubildenden<br />

sank im Laufe der Jahre beträchtlich.<br />

1986 wurde in der Festschrift zum<br />

65-jährigen Bestehen der Diakonie betont,<br />

dass sich nicht nur immer mehr<br />

jüngere Teilnehmerinnen zusammenfanden,<br />

sondern sich diese mit den<br />

älteren positiv ergänzten. 1992 wurde<br />

in der Presse damit geworben, dass<br />

das Mindestalter für die Teilnahme an<br />

den Ausbildungskursen 17 Jahre sei,<br />

mindestens ein Hauptschulabschluss<br />

mit einer zweijährigen Berufsausbildung<br />

oder eine dreijährige Vollzeittätigkeit<br />

vorausgesetzt würden. Auch<br />

im Bereich der Altenpflege stiegen die<br />

Anforderungen zunehmend, aus den<br />

anfänglich sechs Monaten war inzwischen<br />

eine zweijährige Ausbildungsdauer<br />

geworden, die ein Berufsanerkennungsjahr<br />

einschloss. <strong>Die</strong> gute<br />

Zusammenarbeit des Diakonischen<br />

<strong>Werk</strong>s mit dem Arbeitsamt und den<br />

Einrichtungen der Altenhilfe in <strong>Oberhausen</strong><br />

und Umgebung ermöglichte<br />

es, den Absolventinnen eine Arbeitsstelle<br />

zu vermitteln.<br />

Doch die Entwicklung blieb nicht<br />

stehen. 1988 erweiterte das Land Nordrhein-Westfalen<br />

die Ausbildungszeit<br />

für Altenpfleger von zwei auf drei Jahre.<br />

<strong>Die</strong>s bedeutete für die Diakonie,<br />

größere Ausbildungsräume zu suchen<br />

136


Spezialisierung der Sozialen Arbeit seit den 70er-Jahren<br />

und Personal aufzustocken, um weiterhin<br />

jährlich einen Ausbildungskurs<br />

für rund 20 Teilnehmer und Teilnehmerinnen<br />

beginnen zu können.<br />

Allerdings ergab sich in der Folgezeit<br />

eine widersprüchliche Situation.<br />

Aufgrund der gesetzlichen Regelungen<br />

der Altenpflege musste der <strong>Die</strong>nst<br />

räumlich und personell ausgebaut<br />

werden, gleichzeitig ließ die Nachfrage<br />

an Interessenten wegen der sich verschlechternden<br />

Arbeitsbedingungen<br />

deutlich nach. Gerhard Holtz musste<br />

im November 1990 feststellen: „Für die<br />

zwanzig Ausbildungsplätze des <strong>Oberhausen</strong>er<br />

Altenpflegeseminars hätten<br />

sich früher 180 Bewerber gemeldet, im<br />

vergangenen Jahr waren es nur noch<br />

45. Vielleicht müssen wir bald auch<br />

völlig unmotivierte Kräfte einstellen.”<br />

210 Immer wieder warb daher das<br />

Diakonische <strong>Werk</strong> in den örtlichen<br />

Zeitungen für seine Ausbildungskurse.<br />

Im November 1998 konnte das<br />

Fachseminar für Altenpflege auf 25<br />

Jahre staatliche Anerkennung zurückblicken.<br />

Der damalige Leiter des Seminars<br />

forderte von der Politik nicht nur<br />

verbale Anerkennung der hochqualifizierten<br />

Ausbildungstätigkeit, sondern<br />

auch die Schaffung gesetzlicher Voraussetzungen,<br />

um die Finanzierung in<br />

Zukunft zu sichern. 211 De facto trat allerdings<br />

das Gegenteil ein. Nach einer<br />

Änderung der Pflegeausbildung wurden<br />

die Auszubildenden nicht mehr<br />

in den Schulen beschäftigt, sondern<br />

in Praxis- oder Praktikumsstellen.<br />

Schwierigkeiten in der Refinanzierung<br />

führten dazu, den Fortbestand der<br />

Ausbildung von Altenpflegekräften<br />

im Evangelischen Christophoruswerk<br />

Duisburg-Neumühl sicherzustellen. 212<br />

Diakonie-Sozialstationen<br />

Auch wenn es die Geschichte des<br />

Diakonischen <strong>Werk</strong>es <strong>Oberhausen</strong> nur<br />

am Rande betrifft – die Tätigkeit der<br />

Gemeindeschwestern und später der<br />

Diakoniestationen ist nie in die Zuständigkeit<br />

des Diakonischen <strong>Werk</strong>s<br />

bzw. seiner Vorläufer gefallen –, sei an<br />

dieser Stelle doch ein kurzer Blick auf<br />

die Diakonie-Sozialstationen und ihre<br />

Berührungspunkte mit dem Diakonischen<br />

<strong>Werk</strong> geworfen, denn in der Öffentlichkeit<br />

ist das Bild von „Diakonie“<br />

heute sehr stark von der Präsenz der<br />

Diakonie-Sozialstationen geprägt.<br />

Eng verbunden mit der Altenpflege<br />

war die Tätigkeit der Gemeindeschwestern<br />

und bald der Sozialstatio-<br />

137


100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />

nen. Dabei ist diese Umstellung vom<br />

Gemeindeschwestern-System zu der<br />

Organisation über Sozialstationen geradezu<br />

exemplarisch für die Modernisierung<br />

der Sozialen Arbeit und der<br />

Diakonie. In <strong>Oberhausen</strong> setzte diese<br />

Entwicklung gegen Ende der 1970er-<br />

Jahre ein.<br />

Seit Beginn des Jahrzehnts waren<br />

an zunehmend mehr Orten Sozialstationen<br />

eingerichtet worden, weil<br />

die Umstände eine Fortführung der<br />

Unterstützung und Versorgung Hilfsbedürftiger<br />

durch Gemeindeschwestern<br />

immer weniger zuließ. In dem<br />

Bericht des Diakonischen <strong>Werk</strong>es für<br />

die Kreissynode 1978 wurde dies ausführlich<br />

dargelegt: „Leider ist es in vielen<br />

Gemeinden heute nicht mehr immer<br />

möglich, die <strong>Die</strong>nste am kranken,<br />

alten und hilfsbedürftigen Menschen,<br />

die die traditionellen Gemeindekrankenpflegestationen<br />

früher getan haben,<br />

wahrzunehmen, weil ein bedrohlicher<br />

Rückgang an diesen Stationen zu verzeichnen<br />

ist, der bedingt ist durch:<br />

a) Nachwuchsmangel an Diakonissen<br />

b) eine gewandelte Familien- und Gesellschaftsstruktur,<br />

die den kranken<br />

und auch den alten Menschen meist<br />

auf sich alleine – ohne die schützende<br />

Großfamilie – gestellt sieht<br />

c) sowie durch gesteigerte Ansprüche<br />

an fachliche Kenntnisse bei der Ausübung<br />

des Pflegedienstes, was u. a.<br />

eine laufende Fortbildung notwendig<br />

macht.<br />

Durch diese Wandlung ist auch<br />

in unseren Gemeinden ein Umdenkungsprozess<br />

im Bereich der ambulanten<br />

Pflege notwendig geworden, denn<br />

christliche Diakonie auszuüben bedeutet:<br />

sich immer am unmittelbaren<br />

Bedarf des Menschen zu orientieren<br />

und dabei stets neue Wege zu gehen.” 213<br />

Bereits ein Jahr zuvor hatte ein<br />

Runderlass des Ministers für Arbeit,<br />

Gesundheit und Soziales des Landes<br />

Nordrhein-Westfalen die Grundlagen<br />

für derartige Einrichtungen geschaffen.<br />

Eine Sozialstation sollte für ein Gebiet<br />

von ca. 20.000 Einwohnern zuständig<br />

und mit vier Fachkräften ausgestattet<br />

sein: Krankenschwestern,<br />

Altenpfleger und Familienpfleger. <strong>Die</strong><br />

Skepsis in den Gemeinden war groß<br />

und Rudolf Majert betonte ausdrücklich,<br />

dass es nicht Aufgabe der kreiskirchlichen<br />

Diakonie sein könne, auf<br />

die Errichtung derartiger Sozialstationen<br />

zu drängen.<br />

Es war ein langer Weg, der hier seinen<br />

Anfang nahm. Erst 1985 wurden<br />

die Planungen für zwei Diakoniesta-<br />

138


Spezialisierung der Sozialen Arbeit seit den 70er-Jahren<br />

tionen, je eine für den Süden und eine<br />

für den Norden der Stadt, konkret. <strong>Die</strong><br />

WAZ berichtete darüber in einer kurzen<br />

Notiz. (Abb. 44)<br />

Zwei Jahre später wuchs der Druck<br />

auf die Pflegeeinrichtungen. <strong>Die</strong> Krankenhäuser<br />

verkürzten, soweit es medizinisch<br />

möglich war, die Klinikaufenthalte<br />

ihrer Patienten, so dass der<br />

Bedarf an häuslicher Pflege nach Krankenhausaufenthalten<br />

stark anwuchs.<br />

<strong>Die</strong> Personaldecke der Diakoniestationen<br />

reichte schon zwei Jahre nach der<br />

Gründung nicht mehr aus.<br />

Das Jahr 1995 bedeutete für das<br />

Pflegesystem der Bundesrepublik<br />

einen fundamentalen Einschnitt. <strong>Die</strong><br />

Pflegeversicherung wurde eingeführt.<br />

Sie bildet seither – neben der gesetzlichen<br />

Kranken-, Unfall-, Renten- und<br />

Arbeitslosenversicherung – sozusagen<br />

die „fünfte Säule“ des Sozialversicherungssystems.<br />

Für die Diakonie- und Sozialstationen<br />

(nicht nur in <strong>Oberhausen</strong>) bedeutete<br />

dies eine erneute strukturelle<br />

Umstellung, um den gesetzlichen Vorgaben<br />

und gleichzeitig dem diakoni-<br />

Abb. 44: Zwei Diakoniestationen wollen im<br />

Herbst ihre Arbeit beginnen. WAZ, 12.7.1985.<br />

139


100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />

schen Auftrag der Kirche gerecht zu<br />

werden. Der Zweckverband der Diakonie-Sozialstation<br />

<strong>Oberhausen</strong> wurde<br />

gegründet. Zum Gründungszeitraum<br />

arbeiteten ca. 50 Mitarbeiter und<br />

Mitarbeiterinnen im <strong>Oberhausen</strong>er<br />

Stadtgebiet und versorgten ca. 180 Patienten.<br />

Bis heute hat sich die Zahl der<br />

Mitarbeiter und Mitarbeiterinnnen<br />

mehr als verdoppelt. <strong>Die</strong>se betreuen<br />

inzwischen ca. 700 Patienten. 214<br />

Im Zuge dieser Entwicklung löste<br />

sich die sowieso lockere Verbindung<br />

der Diakonie-Sozialstationen vom<br />

Diakonischen <strong>Werk</strong> weiter. 1994 ging<br />

auch die letzte der 1985 in die Diakoniestationen<br />

überführten Pflegekräfte<br />

des Diakonischen <strong>Werk</strong>es in den Ruhestand.<br />

Das Diakonische <strong>Werk</strong> hatte<br />

über die eigenen Pflegekräfte zur<br />

Gründung der Stationen beigetragen<br />

und war nun noch durch Verwaltung<br />

und Abrechnung an den Stationen beteiligt.<br />

215 1995 erfolgte schließlich die<br />

Verselbstständigung der Verwaltung<br />

der Diakoniestationen in jeweils eigener<br />

Trägerschaft. Damit verbunden<br />

war der Abbau einer weiteren Verwaltungsstelle<br />

im Diakonischen <strong>Werk</strong>, das<br />

in den Stationen nunmehr nur noch<br />

beratende und koordinierende Funktionen<br />

ausübt. 216<br />

<strong>Die</strong> Diakonie-Sozialstation <strong>Oberhausen</strong><br />

ist organisatorisch vom Diakonischen<br />

<strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong> vollständig<br />

getrennt.<br />

140


100 Jahre <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong> – Ein Neuanfang<br />

100 JAHRE<br />

DIAKONISCHES WERK OBERHAUSEN –<br />

EIN NEUANFANG<br />

Das Diakonische <strong>Werk</strong> hat in den<br />

einhundert Jahren seines Bestehens<br />

eine bemerkenswerte Entwicklung<br />

genommen. Allein schon die Vielfalt<br />

seiner Namen ist Ausdruck einer von<br />

Umbrüchen und Veränderungen gekennzeichneten<br />

Zeit. (Abb. 45)<br />

Eine Vielzahl von Aufgaben und Tätigkeitsfeldern,<br />

die die Arbeit des Diakonischen<br />

<strong>Werk</strong>es heute oder in der<br />

Vergangenheit ausmachen, konnte in<br />

dieser Darstellung keinen Platz finden.<br />

Eine große Zahl an Archivalien müsste<br />

noch ausgewertet werden, um ein<br />

Das Diakonische <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong><br />

1921 Evangelisches Jugendpfarramt<br />

1924 Evangelisches Jugend- und Wohlfahrtsamt<br />

1940 Evangelischer Gemeindedienst für Innere Mission <strong>Oberhausen</strong><br />

1963 Evangelischer Gemeindedienst für Innere Mission und Hilfswerk<br />

1966 <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> des Kirchenkreises <strong>Oberhausen</strong><br />

2022 Diakoniewerk <strong>Oberhausen</strong> gGmbH<br />

Abb. 45: Zeitachse Das Diakonische <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>.<br />

143


100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />

umfassendes Bild der Geschichte des<br />

Diakonischen <strong>Werk</strong>es <strong>Oberhausen</strong> zu<br />

zeichnen. Aber die großen Linien sind<br />

erkennbar geworden.<br />

Immer war es der Wunsch engagierter<br />

evangelischer Christinnen und<br />

Christen, der Not ihrer Zeit mit Tatkraft<br />

zu begegnen. So unterschiedlich<br />

die Zeitumstände waren – Ausgang<br />

des Kaiserreichs, Erster Weltkrieg,<br />

Weimarer Republik, Zeit des Nationalsozialismus,<br />

Nachkriegs- und Wirtschaftswunderzeit<br />

bis hin zu den Aufbrüchen<br />

seit den 1970er-Jahren und<br />

schließlich die neuen Umstände nach<br />

der deutschen Einheit –, so unterschiedlich<br />

die Antworten auf die Nöte<br />

der Zeit waren, das tragende Motiv<br />

blieb immer das „Helfen aus christlicher<br />

Verantwortung“, wie der Urvater<br />

des Diakonischen <strong>Werk</strong>s in Deutschland,<br />

Johann Heinrich Wichern, es bereits<br />

formulierte.<br />

Dabei ging es nie „nur“ um mildtätiges<br />

Handeln mit dem Ziel, hilfebedürftigen<br />

Menschen unter die Arme zu<br />

greifen. Immer ging es um die Wahrnehmung<br />

gesellschaftlicher Verantwortung<br />

und die Einbringung christlicher<br />

Sichtweisen in gesellschaftliche<br />

Debatten. <strong>Die</strong> Denkweise hierbei hat<br />

sich im Laufe der Zeit grundlegend<br />

gewandelt, wie sich das Verhältnis der<br />

Evangelischen Kirchen zum Staat gewandelt<br />

hat. Zielte Wicherns Intention<br />

in der Mitte des 19. Jahrhunderts noch<br />

darauf ab, „den Armen durch karitatives<br />

Engagement eine konservative,<br />

auf lutherischen Prinzipien fußende<br />

soziale Botschaft zu vermitteln“, 217 so<br />

beschrieb Pfarrer Dr. Siegfried Meurer<br />

die Aufgabe der evangelischen Diakonie<br />

anlässlich der 50-Jahrfeier im Jahr<br />

1971 folgendermaßen: „<strong>Die</strong> Humanisierung<br />

der Gesellschaft und die Hilfe<br />

für den sozial Schwachen bleiben Auftrag<br />

der Diakonie, zumal sich das Heer<br />

der Hilfebedürftigen in ungeahntem<br />

Ausmaß vergrößert. […] <strong>Die</strong> kirchliche<br />

Sozialarbeit ist gesellschaftspolitisch<br />

notwendig.“ 218 <strong>Die</strong>se Worte standen<br />

auch zu Beginn der Festschrift zur<br />

75-Jahrfeier. 219 Sie drücken den grundlegenden<br />

Wandel des Selbstverständnisses<br />

diakonischer Arbeit im Laufe<br />

der Geschichte aus.<br />

<strong>Die</strong> Arbeit des Diakonischen <strong>Werk</strong>s<br />

im Kirchenkreis <strong>Oberhausen</strong> und seiner<br />

Vorläufer war bei aller Zugewandtheit<br />

zu den notleidenden Mitmenschen<br />

auch ein Aushängeschild der<br />

Kirche. Viele Menschen kamen und<br />

kommen mit ihr weniger durch den<br />

sonntäglichen Gottesdienstbesuch in<br />

Berührung als durch den Kontakt zu<br />

144


100 Jahre <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong> – Ein Neuanfang<br />

den diakonischen <strong>Die</strong>nsten, sei es als<br />

direkt betroffene Person, sei es als Begleitende<br />

oder Angehörige. Das Diakonische<br />

<strong>Werk</strong> war immer auch eine<br />

Visitenkarte oder ein Aushängeschild<br />

der Evangelischen Kirche in <strong>Oberhausen</strong>.<br />

Allerdings konnte das Spannungsfeld<br />

zwischen der übergemeindlichen<br />

Einrichtung und den unabhängigen<br />

Kirchengemeinden nie vollständig aufgelöst<br />

werden. Gerhard Holtz formulierte<br />

es in einem Gespräch mit dem<br />

Verfasser einmal so: „Nicht in allen<br />

Gemeinden war immer ein Bewusstsein<br />

dafür anzutreffen, dass das <strong>Werk</strong><br />

im Sinne der Nächstenliebe ein Juwel<br />

in ihren Händen sein könnte.“<br />

Damals wie heute mussten und müssen<br />

vielen großen und kleinen, inneren<br />

wie äußeren Widerständen begegnet<br />

werden, um dem Auftrag gerecht<br />

werden zu können. Daher ist es nicht<br />

ohne Ironie, dass im hundertsten Jahr<br />

seiner Existenz die wohl größte Veränderung<br />

seines Bestehens beschlossen<br />

wurde. Das Diakonische <strong>Werk</strong> wird<br />

aus dem Kirchenkreis ausgegliedert<br />

und mit der Evangelischen Jugendhilfe<br />

gGmbH zum Diakoniewerk <strong>Oberhausen</strong><br />

gGmbH fusioniert. Im Blick auf<br />

die zurückgehenden Kirchensteuereinnahmen<br />

konnte man eine dauerhafte<br />

Finanzierung des Diakonischen<br />

<strong>Werk</strong>es auf Ebene des Kirchenkreises<br />

nicht mehr sicher stellen. Deshalb hatte<br />

die Synode des Evangelischen Kirchenkreises<br />

<strong>Oberhausen</strong> auf ihrer Tagung<br />

am 15. und 16. November 2019<br />

beschlossen, das örtliche Diakonische<br />

<strong>Werk</strong> in eine privatrechtliche Organisationsform<br />

zu überführen. Zielführende<br />

Überlegung des Kirchenkreises<br />

ist dabei, professionelle diakonische<br />

Arbeit in <strong>Oberhausen</strong> langfristig zu<br />

sichern. Oder, wie Superintendent<br />

Deterding es im Vorwort zu dieser<br />

„Geschichte des Diakonischen <strong>Werk</strong>es<br />

<strong>Oberhausen</strong>“ formulierte: „Unsere<br />

neue Struktur ab dem 01.01.2022 wird<br />

dabei eine Hilfe sein, fasst sie doch die<br />

gute und bewährte Arbeit zweier diakonischer<br />

Träger zusammen und bündelt<br />

sie in einem <strong>Werk</strong>.“<br />

Richtig verstanden und umgesetzt<br />

kann aus der Verschmelzung der beiden<br />

diakonischen Einrichtungen nicht<br />

nur ein wirtschaftlich tragfähiges, sondern<br />

auch ein noch besseres Angebot<br />

entstehen, denn auch im Rahmen<br />

der neuen Organisationsform bleibt<br />

der Anspruch evangelischer Diakonie<br />

erhalten. <strong>Die</strong> Präambel des neuen<br />

Diakoniewerks <strong>Oberhausen</strong> gemeinnützige<br />

GmbH weist hierzu den Weg:<br />

„Das Diakoniewerk <strong>Oberhausen</strong> gemeinnützige<br />

GmbH hat diakonische<br />

145


100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />

Arbeit anzuregen, zu fördern, zu koordinieren<br />

und selbst wahrzunehmen.<br />

Es arbeitet mit den Kirchengemeinden<br />

und den anderen diakonischen Trägern<br />

und sozialen Einrichtungen im<br />

Kirchenkreis <strong>Oberhausen</strong> und darüber<br />

hinaus zusammen.<br />

Jeder Mensch ist ein einmaliges<br />

Geschöpf Gottes. In dieser Überzeugung<br />

ist die Diakoniewerk <strong>Oberhausen</strong><br />

gemeinnützige GmbH Anwalt aller<br />

Menschen und bringt sich zu deren<br />

Wohl in alle gesellschaftsprägenden<br />

Prozesse ein. <strong>Die</strong> Diakoniewerk <strong>Oberhausen</strong><br />

gemeinnützige GmbH ist tätig<br />

in praktischer Ausübung christlicher<br />

Nächstenliebe im Sinne der Diakonie<br />

als Wesens- und Lebensäußerung der<br />

Evangelischen Kirche.“<br />

146


100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />

148


Anhang<br />

Anmerkungen<br />

1 Seite „Diakonie“. In: Wikipedia – <strong>Die</strong> freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 3. Mai 2021,<br />

07:02 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Diakonie&oldid=211549031<br />

(Abgerufen: 8. August 2021, 13:48 UTC).<br />

2 Das katholische Pendant wird in der Regel mit dem gleichbedeutenden lateinischen Ausdruck<br />

Caritas bezeichnet.<br />

3 <strong>Die</strong> Angaben sind der Homepage der Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe e.V. entnommen<br />

(https://www.diakonie-rwl.de/, zuletzt abgerufen am 22.8.2021).<br />

4 Boeckler, Richard , Art. Diakonie. In: Taschenlexikon Religion und Theologie, S. 676 (vgl.<br />

TRT Bd. 1, S. 271 ff.).<br />

5 https://hausgottesdank.de/ (zuletzt abgerufen am 22.8.2021).<br />

6 https://haus-abendfrieden.de (zuletzt abgerufen am 22.8.2021).<br />

7 Zur Geschichte des Gerhard-Tersteegen-Institut gGmbH vgl. die tabellarische Aufstellung<br />

der Homepage: https://www.gti-ob.de/einrichtung/traeger/ (zuletzt abgerufen am<br />

22.8.2021).<br />

8 Zur Geschichte des Diakonie-Verbandes-<strong>Oberhausen</strong> e.V. vgl. die tabellarische Aufstellung<br />

der Homepage https://www.gertrud-zillich-haus.de/diakonie-verband/geschichte<br />

(zuletzt abgerufen am 22.8.2021).<br />

9 https://ejh-oberhausen.de (zuletzt abgerufen am 22.8.2021).<br />

10 Einen Überblick über die Geschichte der Diakonie in der Kirche gibt beispielsweise der<br />

Beitrag Gerhard K. Schäfer, Volker Herrmann, Geschichtliche Entwicklung der Diakonie.<br />

In: Günter Ruddat, Gerhard K. Schäfer (Hrsg.), <strong>Diakonisches</strong> Kompendium. Mit 5 Tabellen.<br />

Göttingen 2005, S. 36–67 (im Folgenden Schäfer / Herrmann, Geschichtliche Entwicklung<br />

der Diakonie).<br />

11 Eine umfassende Darstellung findet sich in Bronislaw Geremek, Geschichte der Armut.<br />

Elend und Barmherzigkeit in Europa. München, Zürich 1988.<br />

12 Christoph Sachße, Florian Tennstedt, Geschichte der Armenfürsorge in Deutschland. Bd.<br />

2: Fürsorge und Wohlfahrtspflege 1871–1929. Stuttgart 1988, S. 179.<br />

13 Ebd., S. 195.<br />

14 Zitiert nach Heinz Reif, Städtebildung im Ruhrgebiet. <strong>Die</strong> Emscherstadt <strong>Oberhausen</strong><br />

1850–1914. In: Vierteljahresschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 69, 4, 1982,<br />

S. 457–487, hier S. 465. <strong>Die</strong>selbe Formulierung verwendete er auch als Titel für einen<br />

Aufsatz (Ders., „Kind der Eisenbahn“. <strong>Die</strong> Emscherstadt <strong>Oberhausen</strong> vor 1914. In: Stadt<br />

<strong>Oberhausen</strong> (Hrsg.), Abenteuer Industriestadt <strong>Oberhausen</strong>, 1874–1999. Beiträge zur<br />

Stadtgeschichte. <strong>Oberhausen</strong> 2001, S. 39–44).<br />

15 Matthias Eich, Festschrift zum 50-jährigen Bestehen der Gemeinde <strong>Oberhausen</strong>.<br />

1862–1912 (im Folgenden Eich, Festschrift). <strong>Oberhausen</strong> 1912.<br />

16 Magnus Dellwig, <strong>Die</strong> Gemeindegründung und Stadtwerdung der Industriestadt <strong>Oberhausen</strong>.<br />

Vom Impulsgeber Eisenbahn 1846 bis zum Ausbau als industriell geprägte<br />

Großstadt 1914. In: Magnus Dellwig, Peter Langer, Otto Dickau, <strong>Oberhausen</strong> im Industriezeitalter.<br />

<strong>Oberhausen</strong>. Eine Stadtgeschichte im Ruhrgebiet. 2, Münster 2012, S. 260ff. (im<br />

Folgenden Dellwig, Gemeindegründung und Stadtwerdung).<br />

149


100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />

17 Ders., Kommunale Wirtschaftspolitik in <strong>Oberhausen</strong> 1862–1938. 2 Bände, <strong>Oberhausen</strong><br />

1996, Bd. 1, S. 203.<br />

18 Stefan Kraus, Armenfürsorge in <strong>Oberhausen</strong> im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert.<br />

In: Matthias Böck, Simone Frank, Markus Veh (Hrsg.), Über Grenzen hinweg – <strong>Die</strong> Niederrheinlande<br />

im Fokus. Irmgard Hantsche zum 85. Geburtstag. Rhein-Maas. 11, Hamburg<br />

2021, S. 289–309.<br />

19 Gemeindebuch der Evangelischen Christus-Kirchengemeinde <strong>Oberhausen</strong> (Rhld.)<br />

anlässlich der Hundertjahrfeier 1864–1964. <strong>Oberhausen</strong>, September 1964, S. 53.<br />

20 Burkhard Zeppenfeld, Das Werden der Industriestadt <strong>Oberhausen</strong>. Von den Anfängen<br />

der industriellen Entwicklung bis zum „Take Off“ in der Mitte des 19. Jahrhunderts. In:<br />

Dellwig, Langer, Dickau: <strong>Oberhausen</strong> im Industriezeitalter (wie Anm. 3), S. 57ff.<br />

21 Vgl. Dellwig, Gemeindegründung und Stadtwerdung (wie Anm. 16).<br />

22 Wolfgang Reusch, Bahnhofsmission in Deutschland 1897–1987. Sozialwissenschaftliche<br />

Analyse einer diakonisch-caritativen Einrichtung im sozialen Wandel. Strafvollzug, Randgruppen,<br />

soziale Hilfen. 5, Frankfurt am Main 1988, S. 61–62.<br />

23 In einem „Entwicklungsbericht des Evangelischen Frauenvereins für Jugendschutz e.V.<br />

1917–1925“ wird als Gründungszeitrum der November 1917 angegeben. (Archiv des<br />

Diakonischen <strong>Werk</strong>es Mappe 3.2.3).<br />

24 Ausführlich zu Gertrud Zillich und dem von ihr begründeten Evangelischen Frauenverein<br />

für Jugendschutz siehe die Festschrift „100 Jahre Gertrud-Zillich-Haus 1918–2018.<br />

Geschichtlicher Rückblick“. <strong>Oberhausen</strong> 2018. – Eine kurze Biografie von Gertrud Zillich<br />

findet sich auch im Internet: Eberhard Blohm, <strong>Die</strong> vier Leben der Frau „Professor“ Gertrud<br />

Zillich. Altenkirchen/Ww. 2019. Online verfügbar unter http://wiki.westerwald-gymnasium.de/images/Zillich.pdf,<br />

zuletzt abgerufen am 23. Oktober 2020.<br />

25 Entwicklungsbericht des Evangelischen Frauenvereins für Jugendschutz e.V.<br />

(wie Anm. 23).<br />

26 Ebd.<br />

27 Ebd.<br />

28 Gemeindebuch (wie Anm. 19), S. 70.<br />

29 Schäfer / Herrmann, Geschichtliche Entwicklung der Diakonie (wie Anm. 10), S. 61–62.<br />

30 Vgl. Kurt A. Holz, Der Erste Weltkrieg und die Weimarer Republik. Untergang – Neubeginn<br />

– Untergang. In: Reinhard Witschke (Hrsg.), Diakonie bewegt. 150 Jahre Innere<br />

Mission und Diakonie im Rheinland. Schriftenreihe des Vereins für Rheinische Kirchengeschichte.<br />

140, Köln 1999, S. 59–96.<br />

31 Jahresberichte des Evangelischen Jugendpfarramtes 1921–1922 und des Evangelischen<br />

Jugend- und Wohlfahrtsamtes 1923–1944: 1922 (Archiv des Diakonischen <strong>Werk</strong>es Mappe<br />

3.1.1 und 3.1.2).<br />

32 Vgl. Peter Langer, <strong>Oberhausen</strong> in der Zeit der Weimarer Republik. Von der Novemberrevolution<br />

bis zum Ende der Demokratie. In: Dellwig, Magnus; Langer, Peter; Dickau, Otto,<br />

<strong>Oberhausen</strong> in Krieg, Demokratie und Diktatur. <strong>Oberhausen</strong>. Eine Stadtgeschichte im<br />

Ruhrgebiet. 3, Münster 2012, S. 75 ff.<br />

33 Wiederzulassung der Bahnhofsmission (<strong>Oberhausen</strong>er Zeitung, 24. Juni 1924).<br />

34 Neustart Bahnhofsmission (<strong>Oberhausen</strong>er Zeitung, 11. Januar 1925).<br />

150


Anhang<br />

35 <strong>Die</strong> Bahnhofsmission (<strong>Oberhausen</strong>er Zeitung, 24. Januar 1927); Ein Jahr Evangelische<br />

Bahnhofsmission (Generalanzeiger, 22. Juni 1927) – gemeint ist die Arbeit im Jahr 1926;<br />

Ein Tag bei der Bahnhofsmission Generalanzeiger, 30. Oktober 1926); Samariterdienst auf<br />

dem Bahnsteig (Generalanzeiger, 19. März 1930).<br />

36 Holz, Der Erste Weltkrieg und die Weimarer Republik (wie Anm. 30), S. 81.<br />

37 Stadtarchiv <strong>Oberhausen</strong>, Alt-<strong>Oberhausen</strong> Abt. 6 1420, Vermerk vom 14. November 1925.<br />

38 Jahresberichte des Evangelischen Jugendpfarramtes 1921–1922 und des Evangelischen<br />

Jugend- und Wohlfahrtsamtes 1923–1944: 1924 Ein ‚Bericht für die Feierstunden‘ (Archiv<br />

des Diakonischen <strong>Werk</strong>es Mappe 3.1.5).<br />

39 Ein Porträt von Herta Zilly erschien 2. Juni 1990 in der WAZ.<br />

40 Herta Zilly, Gerhard Holtz, 75 Jahre <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> des Kirchenkreises <strong>Oberhausen</strong>.<br />

1921–1996. <strong>Oberhausen</strong> 14.3.1996 (im Folgenden Zilly / Holtz 75 Jahre <strong>Diakonisches</strong><br />

<strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>), S. 10.<br />

41 Stadtarchiv <strong>Oberhausen</strong>, Alt-<strong>Oberhausen</strong> Abt. 6 1420, Antwortschreiben des<br />

Oberbürgermeisters von <strong>Oberhausen</strong> (12. Februar 1925).<br />

42 Stadtarchiv <strong>Oberhausen</strong>, Alt-<strong>Oberhausen</strong> Abt. 6 1420, Antwortschreiben des<br />

Oberbürgermeisters Barmen (25. März 1925).<br />

43 Stadtarchiv <strong>Oberhausen</strong>, Alt-<strong>Oberhausen</strong> Abt. 6 1420, Aufstellung Regierungspräsident<br />

(18. April 1925).<br />

44 Stadtarchiv <strong>Oberhausen</strong>, Alt-<strong>Oberhausen</strong> Abt. 6 1420, Mitteilungen des Deutschen<br />

Städtetages (1. Juni 1925).<br />

45 Vgl. Otto Ohl, 150 Jahre Innere Mission am Rhein. In: Nachrichtenblatt Innere Mission<br />

und Hilfswerk der Evangelischen Kirche im Rheinland 5, 1963 (im Folgenden Ohl,<br />

150 Jahre), S. 17.<br />

46 Stadtarchiv <strong>Oberhausen</strong>, Osterfeld 597, Fortbildungswochen (26. Mai 1924).<br />

47 Stadtarchiv <strong>Oberhausen</strong>, Alt-<strong>Oberhausen</strong> Abt. 6 1421, Niederschrift über die<br />

Besprechung der Spitzenorganisationen am 24. November 25).<br />

48 Zur Person vgl. die Kurzbiografie in: Zilly / Holtz 75 Jahre <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong><br />

(wie Anm. 40), S. 23–24.<br />

49 Stadtarchiv <strong>Oberhausen</strong>, Alt-<strong>Oberhausen</strong> Abt. 6 1421, Jahresbericht Rechtsschutzstelle<br />

(17. März 1926).<br />

50 Für die folgenden Zitate: Ein ‚Bericht für die Feierstunden‘ (wie Anm. 38).<br />

51 Grundsätze für die Zusammenarbeit des Städtischen Wohlfahrtsamtes mit den Organisationen<br />

der Freien Wohlfahrtspflege auf dem Gebiete der Jugendfürsorge vom<br />

12. November 1926 (Archiv des Diakonischen <strong>Werk</strong>es Mappe 3.2.9).<br />

52 Jahresberichte des Evangelischen Jugendpfarramtes 1921–1922 und des Evangelischen<br />

Jugend- und Wohlfahrtsamtes 1923–1944: 1927 (Archiv des Diakonischen <strong>Werk</strong>es Mappe<br />

3.1.8).<br />

53 Stadtarchiv <strong>Oberhausen</strong> – Alt-<strong>Oberhausen</strong> Abt. 6 1420, Rechnungsbericht 1926 vom<br />

25. Mai 1927.<br />

54 Jahresberichte des Evangelischen Jugendpfarramtes 1921–1922 und des Evangelischen<br />

Jugend- und Wohlfahrtsamtes 1923–1944: 1929 (Archiv des Diakonischen <strong>Werk</strong>es Mappe<br />

3.1.10) ; der Text ist rechtsseitig beschädigt. In eckigen Klammern stehen sinngemäße<br />

Vervollständigungen.<br />

151


100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />

55 General Anzeiger, 24.12.1929.<br />

56 Vgl. Peter Langer, <strong>Oberhausen</strong> in der Zeit der Weimarer Republik. Von der Novemberrevolution<br />

bis zum Ende der Demokratie (wie Anm. 32), S. 106 ff.<br />

57 vgl. Ulrich Faber, <strong>Die</strong> Kirchengemeinde <strong>Oberhausen</strong> I in der Zeit des Nationalsozialismus.<br />

Diplomarbeit. Duisburg, Essen 31.12.1998. Universität Duisburg Essen, Fakultät für Geisteswissenschaften,<br />

Institut für Evangelische Theologie. Online verfügbar unter https://<br />

duepublico2.uni-due.de/receive/duepublico_mods_00005168 (zuletzt abgerufen<br />

10. August 2021).<br />

58 Von Günther Norden, <strong>Die</strong> Innere Mission im Rheinland 1933–1945. In: Reinhard Witschke<br />

(Hrsg.), Diakonie bewegt. 150 Jahre Innere Mission und Diakonie im Rheinland. Schriftenreihe<br />

des Vereins für Rheinische Kirchengeschichte. 140, Köln 1999, S. 97–128.<br />

59 Der Leiter der <strong>Oberhausen</strong>er Gedenkhalle, Clemens Heinrichs, hat dies am Beispiel der<br />

Christuskirche detailliert beschreiben: Clemens Heinrichs, <strong>Die</strong> Christuskirche bis zur<br />

Kirchwahl im Juli 1933. In: Ders. (Hrsg.), Eine-reine-keine Stadtgesellschaft. <strong>Oberhausen</strong><br />

im Nationalsozialismus 1933 bis 1945. <strong>Oberhausen</strong> 2012 (im Folgenden Heinrichs,<br />

Christuskirche), S. 141–158.<br />

60 Wolfgang Benz, Hermann Graml, Hermann Weiß (Hrsg.), Enzyklopädie des Nationalsozialismus.<br />

3., korr. Auflage: Stuttgart 1998, Teil I: Handbuch: Sozialversicherung im »Wohlverhaltensstaat.<br />

Enzyklopädie des Nationalsozialismus, S. 316.<br />

61 Ebd., S. 317.<br />

62 Zeittafel zur Geschichte <strong>Oberhausen</strong>s 1929 bis 1945. In: Magnus Dellwig, Peter Langer,<br />

Otto Dickau, <strong>Oberhausen</strong> in Krieg, Demokratie und Diktatur. <strong>Oberhausen</strong>. Eine Stadtge-<br />

schichte im Ruhrgebiet. 3, Münster 2012, S. 377ff.<br />

63 Ernst Berger, Jugendwohlfahrt und Fürsorge im Nationalsozialismus. 2010. Online verfügbar<br />

unter https://www.univie.ac.at/jugend-ns/Jugendwohlfahrt_und_Fuersorge_im_<br />

Nationalsozialismus.pdf, zuletzt aufgerufen am 8. August 2021. — <strong>Die</strong> kontrollierende<br />

Zusammenarbeit auch des Diakonischen <strong>Werk</strong>es mit den städtischen Behörden hat auch<br />

noch in der Bundesrepublik stattgefunden, wie weiter unten zu sehen sein wird. In der<br />

Bundesrepublik wurde beispielsweise erst 2011 eine Übermittlungspflicht für Bildungseinrichtungen<br />

aufgehoben. Schulen, Kindergärten und andere Bildungseinrichtungen<br />

mussten bis dahin Ausländerbehörden über Kinder und Jugendliche unterrichten, die<br />

ohne rechtmäßigen Aufenthaltsstatus in Deutschland leben (Newsletter „Migration und<br />

Bevölkerung“ der Bundeszentrale für Politische Bildung: „Deutschland: Übermittlungspflicht<br />

für Bildungseinrichtungen aufgehoben“ vom 19.7.2011. Online verfügbar unter<br />

https://www.bpb.de/gesellschaft/migration/newsletter/56867/uebermittlungspflichtaufgehoben,<br />

zuletzt abgerufen am 8. August 2021.<br />

64 Sammlung der Bahnhofsmission wieder erlaubt (<strong>Oberhausen</strong>er Zeitung,<br />

15. September 1934).<br />

65 Vgl. Heinrichs, <strong>Die</strong> Christuskirche bis zur Kirchwahl (wie Anm. 59), S. 160–161.<br />

66 Zilly / Holtz, 75 Jahre <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong> (wie Anm. 40) S. 11.<br />

67 Gemeindebuch (wie Anm. 19), S. 70.<br />

68 <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong> - Jahresberichte 1921–1944 (Archiv des Diakonischen<br />

<strong>Werk</strong>es Mappe 3.1).<br />

152


Anhang<br />

69 Gerhard Holtz: Vorwort zu „Jahresberichte des Evangelischen Jugendpfarramtes<br />

1921–1922 und des Evangelischen Jugend- und Wohlfahrtsamtes 1923–1944“ (Archiv<br />

des Diakonischen <strong>Werk</strong>es Mappe 3.1).<br />

70 Sascha Concas, <strong>Oberhausen</strong> im Zweiten Weltkrieg. Radikalisierung der Verfolgung, Bombennächte<br />

und Zwangsarbeit in den Jahren 1939 bis 1945. In: Dellwig, Magnus; Langer,<br />

Peter; Dickau, Otto, <strong>Oberhausen</strong> in Krieg, Demokratie und Diktatur. <strong>Oberhausen</strong>. Eine<br />

Stadtgeschichte im Ruhrgebiet. 3, Münster 2012, S. 311ff.<br />

71 Laudatio zum 75. Geburtstag des Presbyters und Synodalen Friedrich Wolters (20. April<br />

1966) (Archiv des Diakonischen <strong>Werk</strong>es Mappe 3.2.12). – Zur Person vgl. die Kurzbiografie<br />

in: Zilly / Holtz 75 Jahre <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong> (wie Anm. 40), S. 24–25.<br />

72 W. Schütz, Art. Innere Mission. In: <strong>Die</strong> Religion in Geschichte und Gegenwart, Bd. 3,<br />

S. 756 ff.<br />

73 Ohl, 150 Jahre (wie Anm. 45), S. 19.<br />

74 Ebd. – Zu dem Thema „Diakonie im Dritten Reich“ siehe auch das Tagungsheft „Diakonie<br />

im Dritten Reich. Tagung in Zusammenarbeit mit dem Diakonischen <strong>Werk</strong> der Evangelischen<br />

Kirche im Rheinland und den Diakonie-Anstalten Bad Kreuznach. 16.–17. Mai 1987<br />

in Maria Laach, Mülheim/Ruhr 1987.<br />

75 https://www.diakonie.de/das-20-jahrhundert, zuletzt abgerufen 9.8.2021.<br />

76 Angaben gemäß der Homepage diakonie.de: https://www.diakonie.de/das-20-jahrhundert,<br />

zuletzt abgerufen am 9. August 2021. — Allgemein zur Entwicklung der Diakonie<br />

im Rheinland vgl. Rudolf Mohr, Organisierte Hilfe im Chaos. Rheinischer Provinzialausschuss<br />

und Hilfswerk in der Zeit von 1945–1963 und die Fusion von Innerer Mission und<br />

Hilfswerk. In: Reinhard Witschke (Hrsg.), Diakonie bewegt. 150 Jahre Innere Mission und<br />

Diakonie im Rheinland. Schriftenreihe des Vereins für Rheinische Kirchengeschichte. 140,<br />

Köln 1999, S. 129–161.<br />

77 Allerdings wurde diese Bezeichnung schon vorher verwendet. So endet ein mehrteiliger<br />

Artikel der Evangelischen Zeitschrift Der Weg aus dem Jahr 1963 über die „Kurze Geschichte<br />

der Diakonie“ mit der Bemerkung: „Es war daher nur folgerichtig, daß die Synode<br />

der EKD im Jahre 1957 beschloß, Innere Mission und Hilfswerk zu einem großen <strong>Werk</strong><br />

der evangelischen Kirche zusammenzuschließen. Es trägt den Namen ‚<strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong><br />

der Evangelischen Kirche in Deutschland‘ und setzt – nun als <strong>Werk</strong> der Kirche – Tradition<br />

und Arbeit der Inneren Mission und des Hilfswerks fort.“ (Der Weg, Kurze Geschichte der<br />

Diakonie. Teil 1: 22. September, 1963 Nr. 38, S. 7; Teil 2: 29. September 1963, Nr. 39, S. 5;<br />

Teil 3: 6. Oktober 1963, Nr. 40, S. 7; hier Teil 3).<br />

78 Volker Hermann, Art. Diakonie. In: GB Theologie, S. 108 ff. – In der Evangelischen Kirche<br />

im Rheinland wurde 1970 der Name in „<strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> der Evangelischen Kirche im<br />

Rheinland“ (heute Diakonische <strong>Werk</strong> Rheinland-Westfalen-Lippe e.V. – Diakonie RWL)<br />

umgewandelt.<br />

79 Zilly / Holtz, 75 Jahre <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong> (wie Anm. 40), S. 11. Zur Person vgl.<br />

die Kurzbiografie in ebd., S. 25–26.<br />

80 Gemeindebuch (wie Anm. 19), S. 70.<br />

81 Abhandlung „<strong>Die</strong> Geschichte unseres Diakonischen <strong>Werk</strong>es …“, Datum und Verfasser/in<br />

unbekannt (Archiv des Diakonischen <strong>Werk</strong>es Mappe 3.2.5).<br />

153


100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />

82 Thomas Olk, <strong>Die</strong> Diakonie im westdeutschen Sozialstaat. In: Ursula Röper, Carola Jüllig<br />

(Hrsg.), <strong>Die</strong> Macht der Nächstenliebe. Einhundertfünfzig Jahre Innere Mission und Diakonie<br />

1848–1998. Stuttgart. Unveränd. Nachdruck der Ausg. zur Ausstellung 1998, 2. Aufl.<br />

2007, S. 274–285 (im Folgenden Olk, Diakonie), hier S. 275.<br />

83 Stadtarchiv <strong>Oberhausen</strong>, Abt. 10 438, Niederschrift über die Sitzung des Sozialausschusses<br />

(21. September 1954).<br />

84 Osterfeld gehörte ursprünglich zur preußischen Provinz Westfalen und kam durch den<br />

Zusammenschluss mit <strong>Oberhausen</strong> und Sterkrade 1929 zur Rheinprovinz.<br />

85 Zilly / Holtz 75 Jahre <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong> (wie Anm. 40), S. 12.<br />

86 Gerold Vorländer, <strong>Die</strong> Vorgeschichte des Kirchenkreises <strong>Oberhausen</strong>. In: Kirche im Revier<br />

1991, S. 5–41 (im Folgenden Vorländer, Kirchenkreis), hier S. 10.<br />

87 Beispielsweise „Synode Groß-<strong>Oberhausen</strong> konstituiert“ (Ruhrwacht, 2. April 1954) –;<br />

„Superintendent Munscheid“ (Ruhrwacht, 3. April 1954; „Eigene Synode“<br />

(NRZ, 3. April 1954).<br />

88 „Pfarrer durfte seine Kirche nicht betreten“ (WAZ, 3. April 1954). Vgl. auch „Superintendenten<br />

aus <strong>Oberhausen</strong> II“ (General Anzeiger, 3./4. April 1954).<br />

89 „Stadtsynode Groß-<strong>Oberhausen</strong> erhält ersten Superintendenten“ (WAZ, 3. April 1954).<br />

90 Vorländer 1991 (wie Anm. 15), hier S. 11. Leider kommt die Beschäftigung der Kreissynode<br />

mit dem Diakonischen <strong>Werk</strong> in der Darstellung Vorländers zu kurz, wie er selbst eingesteht:<br />

„In dieser kurzen Darstellung der Geschichte und Aktivitäten des Kirchenkreises<br />

<strong>Oberhausen</strong> konnte die Arbeit in den einzelnen Gemeinden kaum berücksichtigt werden.<br />

Nicht einmal für alle Themen der Kirchenkreisarbeit war hier Raum. So wäre noch<br />

auf die breitgestreuten Aktivitäten des diakonischen <strong>Werk</strong>es, die Freizeiten und Projekte<br />

des synodalen Jugendreferates, auf Frauenarbeit, Ökumene in <strong>Oberhausen</strong>, Presse- und<br />

Rundfunkarbeit und anderes mehr hinzuweisen.“ (S. 41).<br />

91 Abhandlung „<strong>Die</strong> Geschichte unseres Diakonischen <strong>Werk</strong>es …“ (wie Anm. 81).<br />

92 Stadtarchiv <strong>Oberhausen</strong>, Abt. 10 438, Niederschrift über die Sitzung des Sozialausschusses<br />

(9. Juli 1954).<br />

93 Stadtarchiv <strong>Oberhausen</strong>, Abt. 10 438, 1954.09.21. – Niederschrift über die Sitzung des<br />

Sozialausschusses (21. September 1954).<br />

94 Eich, Festschrift (wie Anm. 15), S. 58.<br />

95 Zur Person vgl. die Kurzbiografie in Zilly / Holtz 75 Jahre <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong><br />

(wie Anm. 40), S. 26.<br />

96 Stadtarchiv <strong>Oberhausen</strong>, 16 K 283 Lothringer Straße 122, Schreiben <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong><br />

OB an Städt. Jugendamt OB (7. März 1967).<br />

97 Abhandlung „<strong>Die</strong> Geschichte unseres Diakonischen <strong>Werk</strong>es …“ (wie Anm. 81).<br />

98 Der Weg, 1960 – Der 27. April im Zeichen der Diakonie, 20/15.05.1960.<br />

99 Gemeindebuch (wie Anm. 19), S. 71.<br />

100 Über die Verabschiedung berichtete die Zeitschrift Der Weg 1965, Nr. 15, 11. April, S. 10:<br />

„Dank lässt sich den Mund nicht verbieten“. – Zur Person Rudolf Majert vgl. die Kurzbiografie<br />

in Zilly / Holtz, 75 Jahre <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong> (wie Anm. 40), S. 26–27.<br />

101 Abhandlung „<strong>Die</strong> Geschichte unseres Diakonischen <strong>Werk</strong>es …“ (wie Anm. 81).<br />

102 „Das ‚Haus der Kirche‘ wurde eröffnet“ (Der Weg, 26/1966).<br />

154


Anhang<br />

103 „Bahnhofsmission feiert goldenes Jubiläum“ (Rheinische Post, 30. Dezember 1946). –<br />

Der Mangel an Heizmaterial war im Winter 1945/46, der als einer der kältesten des<br />

20. Jahrhunderts in die Geschichte einging, eines der Hauptversorgungsprobleme in<br />

Deutschland.<br />

104 „Bahnhofsmission bekommt ein neues Heim.“ (Rheinische Post, 3. April 1948).<br />

105 „Bahnhofsmission hat neues Heim.“ (WAZ, 29. Mai 1948).<br />

106 „Bahnhofsmission im neuen Heim.“ (Rheinische Post, 29. Mai 1948).<br />

107 „Immer wenn es Not tut, sind sie da.“ (NRZ, 8. Januar 1949).<br />

108 Stadtarchiv <strong>Oberhausen</strong>, Abt. 10 438, Niederschrift über die Sitzung des Sozialausschusses<br />

(21. September 1954).<br />

109 https://www.caritas-oberhausen.de/hilfe-und-beratung/kontaktcafe-gleis-51/kontaktcafe-gleis-51,<br />

zuletzt abgerufen 10. August 2021.<br />

110 Der Weg, Kurze Geschichte der Diakonie. Teil 3: 6. Oktober 1963, Nr. 40, S. 7.<br />

111 Olk, Diakonie (wie Anm. 82), hier S. 274.<br />

112 Evangelische Fürsorgerinnenschulen bzw. dann Höhere Fachschulen für Sozialarbeit<br />

gab es bereits vor den Fachhochschulen. Aber sie wurden den veränderten Umständen<br />

gemäß neu strukturiert. So wurde z.B. aus der Evangelischen Höheren Fachschule in<br />

Wuppertal in Folge der Fachhochschulgesetzgebung die Evangelische Fachhochschule<br />

Bochum. Eine kurze Darstellung dieser Entwicklung findet sich auf der Internetpräsenz<br />

der (https://www.evh-bochum.de/jubilaeum/vorgeschichte.html, zuletzt abgerufen am<br />

10. August 2021. Ich danke Herrn Holtz für den Hinweis.<br />

113 Olk, Diakonie (wie Anm. 82), S. 277.<br />

114 Ebd., S. 279.<br />

115 Aus Zeitungsberichten der WAZ vom 26.11.1971 „Fürsorge kein hoheitlicher Akt in<br />

unserer Demokratie” und der NRZ vom 26.11.1971 „Aufgabe der Diakonie bleibt Humanisierung<br />

der Gesellschaft” sowie des gedruckten Vortragsmanuskripts „<strong>Die</strong> Notwendigkeit<br />

kirchlicher Sozialarbeit heute”.<br />

116 Vgl. Olk, Diakonie (wie Anm. 82), S. 277.<br />

117 Vgl. Hubert Jedin (Hrsg.), Handbuch der Kirchengeschichte. VII. <strong>Die</strong> Weltkirche im<br />

20. Jahrhundert. Freiburg im Breisgau, Basel, Wien 1985, S. 438.<br />

118 Olk, Diakonie (wie Anm. 82), S. 276.<br />

119 Hannelore Fordan fasste 1974 die Neukonzeption in einem Bericht zusammen: 1974<br />

Gedanken zur Neuordnung der Arbeit des Diakonischen <strong>Werk</strong>es, Verfasserin Hannelore<br />

Fordan (Archiv des Diakonischen <strong>Werk</strong>es Mappe 3.2.13).<br />

120 1974 Schriftverkehr bzgl. der Neuordnung mit der Auferstehungs-Kirchengemeinde<br />

<strong>Oberhausen</strong>-Osterfeld (Archiv des Diakonischen <strong>Werk</strong>es Mappe 3.2.14).<br />

121 Vgl. Zilly / Holtz, 75 Jahre <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong> (wie Anm. 40), S. 14.<br />

122 Gerhard Holtz: Vorwort zu „Archivalien: Zur Geschichte des <strong>Werk</strong>es“ (Archiv des<br />

Diakonischen <strong>Werk</strong>es Mappe 3.2).<br />

123 Bettina Wittke, 50 Jahre Evangelischer Kirchenkreis <strong>Oberhausen</strong> 1954–2004. Nähe zu den<br />

Menschen, Mitverantwortung für die Stadt, Ökumenische Weite. <strong>Oberhausen</strong> 3. Juli 2004,<br />

S. 41.<br />

124 Unterwegs zum Menschen – Festschrift 65 Jahre <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong> 1986.<br />

155


100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />

125 Vgl. Olk, Diakonie (wie Anm. 82), S. 283.<br />

126 „Vielfältige Diakonie-Aufgaben in <strong>Oberhausen</strong>“ (Wochenanzeiger, 3. April 1985). – Auch<br />

Jahrzehnte später noch bestand großer Bedarf, die Arbeit des Diakonischen <strong>Werk</strong>es den<br />

örtlichen Kirchengemeinden nahe zu bringen, wie aus einer kurzen Notiz im Jahresbericht<br />

2014/15 hervorgeht: „In Hinblick auf die PRESBYTERIUMSWAHLEN im Februar<br />

2016 ist geplant, dass das Diakonische <strong>Werk</strong> sich und seine Arbeitsfelder (erneut) in allen<br />

Presbyterien vorstellt.“ (Hervorhebung im Original)<br />

127 „<strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> feiert sein 60-jähriges Bestehen“ (WAZ, 17. August 1981).<br />

128 „75jähriges Jubiläum“. Referat 2 von Gerhard Holtz (Archiv des Diakonischen <strong>Werk</strong>es<br />

Mappe 4.2.2).<br />

129 Wittke, 50 Jahre Evangelischer Kirchenkreis <strong>Oberhausen</strong> (wie Anm. 14).<br />

130 Zur Person vgl. die Kurzbiografie in Zilly / Holtz, 75 Jahre <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong><br />

(wie Anm. 40), S. 27–28.<br />

131 Der Weg 1.9.1985 und Pressearbeit / Zeitungsausschnitte von 1985 bis 1993 – „Für neuen<br />

Diakonie-Beauftragten ging es gleich in die ‚Vollen’“ (WAZ, 17. August 1985).<br />

132 „Biblischer Auftrag fordert zu immer neuen Antworten auf“ (WAZ, 19. November 1986);<br />

„Diakonie feierte ihr 65-jähriges Bestehen“ (NRZ, 22. November 1986).<br />

133 Vgl. Olk, Diakonie (wie Anm. 82), S. 284–285.<br />

134 „Träger vor Ort bleiben Partner der Jugendgerichtshilfe“ (NRZ, 19. September 2017).<br />

135 Vgl. Schäfer / Herrmann, Geschichtliche Entwicklung der Diakonie (siehe Anmerk. 10),<br />

S. 66.<br />

136 Wobei hier völlig unterschiedliche Ausgangsbedingungen herrschen. <strong>Die</strong> freien Wohlfahrtseinrichtungen<br />

wie <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> oder Caritas sind steuerrechtlich gemeinnützig<br />

eingestuft und dürfen keine Gewinnerzielung beabsichtigen, während die privatgewerblichen<br />

Anbieter genau diesen Zweck verfolgen dürfen und müssen.<br />

137 „Wahre Werte - oder doch nur Warenwerte“ (NRZ, 15. März 1996). – Das Manuskript der<br />

Festrede von Gerhard Holtz befindet sich in „75jähriges Jubiläum“ (wie Anm. 128).<br />

138 Über die Veranstaltungen wurden in der Presse ausführlich berichtet: Talkrunde „Verwahrlosung<br />

zu Hause“: „Verwahrlosung beginnt mit der Einsamkeit“ (NRZ, 22.6.1996).<br />

Talkrunde „Volle Pulle auf Platte“: „Konkret helfen oder Ursachen bekämpfen?“ (NRZ,<br />

30.8.1996); „Steigende Armut durch soziale Marktwirtschaft“ (WAZ, 31.8.1996). Talkrunde<br />

„Wenn ich einmal reich wär’“: „Arm ist, wer nicht mithalten kann“ (NRZ, 18.9.1996). Talkrunde:<br />

„… und hätte die Liebe nicht …“: „<strong>Die</strong> ‚Drei Tage im März‘, als Roland einmal tanzen<br />

durfte“ (NRZ, 22.11.1996); „Bemerkenswert ehrlich und direkt“ (Der Weg 50/1996, S. 8);<br />

„Würde des Menschen achten“ (WAZ, 10.12.1996).<br />

139 Jahresbericht 2011/2012 des Synodalbeauftragten für Diakonie, S. 1.<br />

140 Ebd. S. 3.<br />

141 Ein kurzes Porträt findet sich in einem Artikel des Remscheider General-Anzeiger vom<br />

24. Juni 2016: „Reinhard Harfst denkt gerne an Remscheid“. Online https://www.rga.de/<br />

lokales/remscheid/reinhard-harfst-denkt-gerne-remscheid-6513007.html, zuletzt abgerufen<br />

am 11. August 2021.<br />

142 Jahresbericht 2013/2014, S. 1 (Hervorhebungen im Original).<br />

143 6.500 Mark an einem Gesamtbetrag von 10.919,63 Mark. (Stadtarchiv <strong>Oberhausen</strong><br />

Alt-<strong>Oberhausen</strong> Abt. 6 1420, Rechnungsbericht 1926 (27. Mai 1927).<br />

156


Anhang<br />

144 „Zivildienst vor dem Aus?“ (Wochen-Anzeiger, 17. Januar 2004).<br />

145 Seite „Europäische Flüchtlingskrise“. In: Wikipedia – <strong>Die</strong> freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand:<br />

26. Juli 2021, 17:45 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Europ%C3%A4ische_Fl%C3%BCchtlingskrise&oldid=214230911<br />

(Abgerufen: 11. August<br />

2021, 13:07 UTC)<br />

146 Jahresbericht 2015/2016, S. 1.<br />

147 Jahresbericht 2017/18, S. 2.<br />

148 Ebd.<br />

149 „Mit diesem Prozess wird die Erwartung verknüpft, den aktuellen Anteil am Kirchensteueraufkommen<br />

des <strong>Werk</strong>es von rd. 400.000,- € im Geschäftsjahr 2020 in einem Zeitraum<br />

von maximal 10 Jahren ab dem Zeitpunkt der Rechtsformänderung deutlich zu reduzieren.“<br />

(Geschäftsplan Diakoniewerk <strong>Oberhausen</strong> gGmbH, S. 4).<br />

150 Jahresbericht 2019/20, S. 1.<br />

151 Ebd.<br />

152 Ebd., S. 2.<br />

153 Ebd., S. 3.<br />

154 „Welcher Arzt hilft den Obdachlosen“ (NRZ, 1. Juli 1997).<br />

155 „Geld reicht nicht für Minimaldiagnostik“ (NRZ, 10. Juli 1997).<br />

156 „Eine Praxis ohne Hemmschwellen“ (NRZ, 19. März 1998).<br />

157 Zur Geschichte vgl. die Darstellung auf der Homepage der Tafel <strong>Oberhausen</strong>: https://<br />

www.dieoberhausenertafel.de/ueber-mich/, zuletzt abgerufen 12. August 2021.<br />

158 Vgl. Jahresbericht 2000/2001 des Synodalbeauftragten für Diakonie, S. 3.<br />

159 „Tafelfertig“ (WAZ, 3. Mai 2006).<br />

160 „Ein Teller warme Suppe hilft auch gegen die Einsamkeit“ (WAZ, 16. April 2004).<br />

161 „Um das neue Tafel-Cafe klirrt schon jetzt das Porzellan“ (WAZ, 22. April 2005).<br />

162 „Toleranz ist das Gebot“ (WAZ, 22. April 2005).<br />

163 „Sozialarbeit nicht kaputt sparen“ (derwesten, 3. Juli 2011).<br />

164 <strong>Die</strong> Angaben entstammen den jeweiligen Jahresberichten. Für das Jahr 2017 liegt wegen<br />

der Erkrankung von Reinhard Harfst und dem Wechsel der Leitung des Diakonischen<br />

<strong>Werk</strong>es zu Frank Domeyer kein Jahresbericht vor.<br />

165 https://www.diakonie-oberhausen.de/leitbild/, zuletzt abgerufen am 25. August 2021.<br />

166 Vgl. Schuldnerberatung. Jahresbericht 2020.<br />

167 Zum Folgenden vgl. Jahresbericht 2007/2008 des Synodalbeauftragten für Diakonie, S. 3.<br />

168 „Schuldnerberatung“ (WAZ, 9. Januar 1988).<br />

169 „Schuldnerberatungsstelle hat finanzielle Probleme“ (WAZ, 17. Januar 1989); „Schuldnerberatungsstelle<br />

in Gefahr“ (NRZ, 17. Januar 1989).<br />

170 Vgl. Zilly / Holtz, 75 Jahre <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong> (wie Anm. 40), S. 15.<br />

171 Z.B. „Schuldnerberatung weist Manko aus“ (WAZ, 6. Dezember 1991). Ähnlich „Schuldnerberater<br />

brauchen Geld“ (NRZ, 9. Dezember 1991).<br />

172 Seite „Privatinsolvenz“. In: Wikipedia – <strong>Die</strong> freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand:<br />

24. Juni 2021, 10:30 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Privatinsolvenz&oldid=213247189<br />

(Abgerufen: 30. August 2021, 13:13 UTC).<br />

173 „Im Jenseits der Hemmschwelle“ (WAZ, 15. Dezember 2009).<br />

157


100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />

174 „Wenns schwerfällt, nein zu sagen“ (WAZ, Oktober 2012); „Hilfe aus der Schuldenfalle“<br />

(NRZ, Oktober 2012).<br />

175 Das Angebot galt „Personen, die Leistungen nach dem SGB II erhalten, sofern sie eine<br />

schriftliche Zuweisung ihres persönlichen Ansprechpartners des Jobcenters (ehemals<br />

SODA) vorlegen, Personen, die Leistungen nach dem SGB XII erhalten [sowie] sonstigen<br />

volljährigen Personen ohne Leistungsbezug nach SGB II oder SGB XII mit Wohnsitz in<br />

<strong>Oberhausen</strong> gemäß §§ 11 Abs. 5,15 SGB XII in Form einer Kurzberatung, bzw. mit Kostenzusage<br />

des Leistungsträgers nach SGB XII als Langberatung.“ (Jahresbericht 2011/12,<br />

S. 5–6).<br />

176 Ebd., S. 9.<br />

177 „Schulden belasten auch ‚Mittelstand’“ (WAZ, 10. Dezember 1993).<br />

178 Jahresbericht 2013/2014, S. 7.<br />

179 Ebd.<br />

180 „35700 Euro für Beratung von Schuldnern“ (NRZ, 7. Januar 2016).<br />

181 Vgl. Zilly / Holtz, 75 Jahre <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong> (wie Anm. 40), S. 12–13.<br />

182 Jahresbericht 2011/2012, S. 11.<br />

183 Jahresbericht 2010/2011 des Synodalbeauftragten für Diakonie, S. 3–4.<br />

184 Ebd., S. 12.<br />

185 Jahresbericht 2015/2016, S. 6 und Jahresbericht 2017-2018, S. 5.<br />

186 „Betreuungsverein schlägt Alarm“ (WAZ, 19. November 2015).<br />

187 „Familienhilfe in der Existenz bedroht“ (NRZ, 1. Februar 2019).<br />

188 Jahresbericht 2019/20, S. 2.<br />

189 Jahresberichte des Evangelischen Jugendpfarramtes 1921–1922 und des Evangelischen<br />

Jugend- und Wohlfahrtsamtes 1923–1944: 1927 (Archiv des Diakonischen <strong>Werk</strong>es Mappe<br />

3.1.8).<br />

190 https://www.diakonie-oberhausen.de/jugendgerichtshilfe/ (zuletzt abgerufen<br />

am 2. September 2021).<br />

191 „Eine Oase für die Berber“ (NRZ, 7. Dezember 1993).<br />

192 Vgl. hierzu auch die ausführliche Darstellung im Jahresbericht 2008/2009 des Synodalbeauftragten<br />

für Diakonie, S. 8–9.<br />

193 Zu den einzelnen Arbeitsbereichen und ihren Tätigkeitsfeldern im Einzelnen vgl. die Aufstellung<br />

im Jahresbericht 2009/2010 des Synodalbeauftragten für Diakonie, S. 4–5.<br />

194 Jahresbericht 2018–2019, S. 1.<br />

195 Ebd.<br />

196 Vgl. Jahresbericht 2010/2011 des Synodalbeauftragten für Diakonie, S. 6–12.<br />

197 Jahresbericht 2000/2001 des Synodalbeauftragten für Diakonie, S. 2.<br />

198 „Sozialpsychiatrisches Zentrum gerettet“ (NRZ/WAZ, 19./22. Juli 2003); „Hilfsgemeinschaft<br />

feiert die Rettung des Sozialzentrums“ (WAZ, 1. August 2003).<br />

199 „Eine für alle“ (NRZ, 28. November 2003).<br />

200 Jahresbericht 2005/2006 des Synodalbeauftragten für Diakonie, S. 10.<br />

201 Jahresbericht 2012–2013.<br />

202 Jahresbericht 2015–2016.<br />

203 Jahresbericht 2019–2020.<br />

158


Anhang<br />

204 „<strong>Die</strong> Brosche der Diakonie“ (WAZ, 8.5.1983).<br />

205 „Umgebaut und renoviert“ (WAZ, 16.1.1987).<br />

206 „Schmerzliche Beschlüsse“ (NRZ, 30.5.2002).<br />

207 Jahresbericht 2012/2013, S. 5.<br />

208 Jahresbericht 2013/2014, S. 5.<br />

209 Anfang 2020 wurde beschlossen, das Ferienwerk für Seniorenreisen zum Jahresende<br />

2020 zu schließen. (Jahresbericht 2019/2020, S. 4).<br />

210 „Podiumsdiskussion zur Alten- und Krankenpflege“ (NRZ, 24. November 1990).<br />

211 1998.11.02. – „Altenpflege – ein gleichwertiger Beruf“ (NRZ, 2. November 1998).<br />

212 Vgl. Jahresbericht 2003/2004 des Synodalbeauftragten für Diakonie, S. 2–5.<br />

213 1978 – Bericht über die Kreissynode 1978 des Diakonischen <strong>Werk</strong>es, S. 6 (Archiv des<br />

Diakonischen <strong>Werk</strong>es: Zeitungsausschnitte vom Febr. 77 bis 1983 / Presseberichte über<br />

Diakonische Arbeit in <strong>Oberhausen</strong>).<br />

214 Zahlen nach https://diakoniestation-oberhausen.de/node/5, zuletzt besucht 25.6.2021.<br />

215 Zilly / Holtz, 75 Jahre <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong> (wie Anm. 40), S. 18.<br />

216 Ebd. S. 19.<br />

217 Richard J. Evans, Das europäische Jahrhundert. Ein Kontinent im Umbruch: 1815–1914.<br />

München 2020, Kap. „Das Zeitalter des Gefühls“: Dissens, Zweifel und Unglaube<br />

(eBook-Ausgabe, S. 690).<br />

218 „<strong>Die</strong> Notwendigkeit kirchlicher Sozialarbeit heute“, Festvortrag von Pfarrer Dr. Siegfried<br />

Meurer, <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> der Evangelischen Kirche im Rheinland (1971) (Archiv des<br />

Diakonischen <strong>Werk</strong>es Mappe 4.1.2).<br />

219 Zilly / Holtz, 75 Jahre <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong> (wie Anm. 40), S. 5.<br />

Abbildungsverzeichnis<br />

Abb. 1, 7: Wikipedia<br />

Abb. 2 – 5, 8, 11 – 13, 16, 17, 19 – 21: Stadtarchiv <strong>Oberhausen</strong><br />

Abb. 6, 14, 18, 22 – 44: Archiv des Diakonischen <strong>Werk</strong>es <strong>Oberhausen</strong><br />

Abb. 9: Reichsgesetzblatt Teil 1, Nr. 54, 1922, S. 633. ALEX/Österreichische<br />

Nationalbibliothek.<br />

Abb. 10, 15, 45: Stefan Kraus/Jürgen Schnug<br />

Abb. 36 a–f: Jürgen Schnug<br />

159


100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />

160


Anhang<br />

Lesehinweise<br />

<strong>Die</strong> Geschichte des Diakonischen <strong>Werk</strong>es <strong>Oberhausen</strong> ist eingebettet in die Geschichte<br />

der Diakonie, der Geschichte der Stadt <strong>Oberhausen</strong> und der Geschichte<br />

der sozialen Arbeit in <strong>Oberhausen</strong>. Wer Lust bekommen hat, sich tiefer mit<br />

der Materie zu befassen, der wird in diversen Büchern fündig, auf die für diese<br />

Arbeit auch intensiv zurück gegriffen wurde. Statt eines Literaturverzeichnisses<br />

gibt es hier also ein paar Lesehinweise.<br />

<strong>Die</strong> Geschichte <strong>Oberhausen</strong>s in ihrer Gänze wurde zuletzt in der vierbändigen<br />

Reihe „<strong>Oberhausen</strong>. Eine Stadtgeschichte im Ruhrgebiet“ dargestellt (Münster<br />

2012). Herausgegeben von Magnus Dellwig, Peter Langer und Otto Dickau, behandeln<br />

die unterschiedlichen Autoren die Stadtgeschichte chronologisch:<br />

<strong>Oberhausen</strong> in vorindustrieller Zeit,<br />

<strong>Oberhausen</strong> im Industriezeitalter,<br />

<strong>Oberhausen</strong> in Krieg, Demokratie und Diktatur,<br />

<strong>Oberhausen</strong> in Wirtschaftswunder und Strukturwandel.<br />

2017 folgte Band 5 der Reihe mit dem Titel „Beiträge zur Stadtgeschichte“.<br />

Ganz aktuell ist der 6. Band der Reihe, der als Begleitband zur Ausstellung „<strong>Oberhausen</strong><br />

Aufbruch macht Geschichte: Strukturwandel 1847– 2006“ erschienen ist:<br />

Dellwig, Magnus (Hrsg.), „<strong>Oberhausen</strong> – Aufbruch macht Geschichte. Strukturwandel<br />

1847 – 2006. <strong>Oberhausen</strong>. Eine Stadtgeschichte im Ruhrgebiet“. 6,<br />

<strong>Oberhausen</strong> 2020.<br />

Schon etwas älter ist das <strong>Oberhausen</strong>er Heimatbuch, von Wilhelm Seipp 1964<br />

herausgegeben.<br />

Auf die Zeit des Nationalsozialismus in <strong>Oberhausen</strong> konzentriert sich das Katalogbuch<br />

zur Dauerausstellung in der Gedenkhalle „Eine-reine-keine Stadtgesellschaft.<br />

<strong>Oberhausen</strong> im Nationalsozialismus 1933 bis 1945“, herausgegeben<br />

von Clemens Heinrichs (<strong>Oberhausen</strong> 2012).<br />

161


100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />

Wer tiefer in Geschichte der Armenfürsorge in Deutschland einsteigen möchte,<br />

sei an das <strong>Werk</strong> von Christoph Sachße und Florian Tennstedt verwiesen. Sie haben<br />

eine vierbändige „Geschichte der Armenfürsorge in Deutschland“ verfasst.<br />

Band 1 (1998) behandelt „<strong>Die</strong> Zeit vom Spätmittelalter bis zum 1. Weltkrieg“,<br />

Band 2 (1988) die „Fürsorge und Wohlfahrtspflege 1871–1929“. Band 3 (1992)<br />

widmet sich dem Wohlfahrtsstaat im Nationalsozialismus, Band 4 (2013) schließlich<br />

der „Fürsorge und Wohlfahrtspflege in der Nachkriegszeit 1945 – 1953“.<br />

Kompakter und aktueller als das vierbändige <strong>Werk</strong> ist die Darstellung von Peter<br />

Hammerschmidt, Sascha Weber und Bernd Seidenstücker: „Soziale Arbeit –<br />

die Geschichte“ (Opladen 2017). <strong>Die</strong> Autoren rekonstruieren nicht nur die<br />

Geschichte der Sozialen Arbeit in Deutschland von den Anfängen im 19. Jahrhundert<br />

bis hin zur Jahrtausendwende, sie nehmen dabei auch gesellschaftliche,<br />

wirtschaftliche und politische Interessenkonstellationen in den Blick. Damit erschließen<br />

sich nicht nur historische Kenntnisse, sondern ein vertieftes Verständnis<br />

Sozialer Arbeit.<br />

Über die Geschichte der Diakonie in Deutschland gibt es auch weiterführende<br />

Literatur:<br />

Einen umfassenden Überblick gibt Georg-Heinrich Hammer, Geschichte der<br />

Diakonie in Deutschland. Stuttgart 1. Auflage 2013.<br />

Auch in dem Kompendium von Günter Ruddat, und Gerhard K. Schäfer, Gerhard<br />

K. (Hrsg.), <strong>Diakonisches</strong> Kompendium. Mit 5 Tabellen. Göttingen 2005<br />

findet sich ein Beitrag zur Geschichte der Diakonie: Schäfer, Gerhard K.; Herrmann,<br />

Volker, Geschichtliche Entwicklung der Diakonie. In: Ruddat, Günter;<br />

Schäfer, Gerhard K. (Hrsg.), <strong>Diakonisches</strong> Kompendium. Mit 5 Tabellen. Göttingen<br />

2005, S. 36–67.<br />

Ebenso hat Herbert Haslinger, Diakonie. Grundlagen für die soziale Arbeit der<br />

Kirche. UTB. 8397, Paderborn, Wien, Paderborn 2009 einen Abschnitt der Geschichte<br />

der Diakonie gewidmet.<br />

<strong>Die</strong> Geschichte der Inneren Mission und der Diakonie in Deutschland seit 1848<br />

ist Thema des Sammelbandes von Ursula Röper und Carola Jüllig (Hrsg.), <strong>Die</strong><br />

Macht der Nächstenliebe. Einhundertfünfzig Jahre Innere Mission und Dia-<br />

162


Anhang<br />

konie 1848–1998. Stuttgart; unveränd. Nachdruck der Ausgabe zur Ausstellung<br />

1998, 2. Auflage 2007.<br />

Auf das Rheinland bezogen empfiehlt sich der Sammelband, den Reinhard<br />

Witschke herausgegeben hat: „Diakonie bewegt. 150 Jahre Innere Mission und<br />

Diakonie im Rheinland“. Schriftenreihe des Vereins für Rheinische Kirchengeschichte.<br />

140, Köln 1999.<br />

<strong>Die</strong> Geschichte des <strong>Oberhausen</strong>er Diakonischen <strong>Werk</strong>es wurde zuletzt von Herta<br />

Zilly und Gerhard Holtz dargestellt: 75 Jahre <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> des Kirchenkreises<br />

<strong>Oberhausen</strong>. 1921–1996. <strong>Oberhausen</strong> 1996.<br />

Das Gertrud-Zillich-Haus hatte vor noch nicht allzu langer Zeit ebenfalls sein<br />

100-jähriges Jubiläum zu feiern. Aus diesem Anlass erschien die Festschrift „100<br />

Jahre Gertrud-Zillich-Haus 1918 –2018. Geschichtlicher Rückblick“, <strong>Oberhausen</strong><br />

2018.<br />

Bereits zum 70-jährigen Jubiläum erschien „Diakonie-Verband <strong>Oberhausen</strong><br />

e.V. Gertrud-Zillich-Haus 1918/1988. Eine Dokumentation zur 70jährigen<br />

Geschichte. <strong>Oberhausen</strong> 1988“.<br />

Wer sich einen Überblick über die Sozialstaatsidee in der Geschichte verschaffen<br />

möchte, kann dies in einem kostenlos im Internet abrufbaren Überblicksartikel<br />

tun, der in der Zeitschrift der Bundeszentrale für politische Bildung erschienen<br />

ist:<br />

Wietschorke, Jens, Grenzen der Respektabilität. Zur Geschichte einer Unterscheidung.<br />

In: Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.), Hartz IV. 69. Jahrgang,<br />

44-45/2019, 28. Oktober 2019. Aus Politik und Zeitgeschichte. Beilage der<br />

Wochenzeitschrift Das Parlament. 44-45/2019, 2019, S. 33 –39 (http://www.bpb.<br />

de/apuz/299231/grenzen-der-respektabilitaet-zur-geschichte-einer-unterscheidung).<br />

Über den Autor<br />

Dr. Stefan Kraus ist freiberuflicher Historiker und wohnt in <strong>Oberhausen</strong>.<br />

www.historikerkraus.de<br />

163


100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />

164


Anhang<br />

Impressum<br />

Herausgeber<br />

<strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong><br />

Marktstraße 152<br />

46045 <strong>Oberhausen</strong><br />

Autor<br />

Dr. Stefan Kraus, <strong>Oberhausen</strong><br />

Redaktion<br />

Frank Domeyer<br />

Gerhard Holtz<br />

Layout/Satz<br />

schnugmedia+)) <strong>Oberhausen</strong><br />

Auflage<br />

600 Exemplare<br />

<strong>Oberhausen</strong>, September 2021<br />

165


dwo:<br />

<strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong><br />

<strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />

<strong>Die</strong> <strong>Chronik</strong>.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!