Diakonisches Werk Oberhausen 1921–2021. Die Chronik.
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dwo:<br />
<strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong><br />
<strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />
<strong>Die</strong> <strong>Chronik</strong>.
Mit freundlicher Unterstützung der Stadtsparkasse <strong>Oberhausen</strong>
dwo:<br />
<strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong><br />
<strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />
<strong>Die</strong> <strong>Chronik</strong>.<br />
von Dr. Stefan Kraus
100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />
Inhaltsverzeichnis<br />
Grußworte ................................................................................................................................................ 7<br />
Einleitung ...............................................................................................................................................11<br />
DIE ANFÄNGE DER DIAKONISCHEN ARBEIT DER KIRCHE ........................................17<br />
Von der Antike bis zum industriellen Zeitalter ...................................................................17<br />
19. Jahrhundert – Armenfürsorge in der Zeit der Industrialisierung ..........................19<br />
AM ANFANG STAND … EIN BAHNHOF ........................................................................ 23<br />
Armenfürsorge in <strong>Oberhausen</strong> .................................................................................................23<br />
<strong>Die</strong> Gründung der Bahnhofsmission in <strong>Oberhausen</strong> ........................................................25<br />
Gertrud Zillich und der Ev. Frauenverein für Jugendschutz e.V. ..................................28<br />
DIAKONIE IM OBERHAUSEN DER WEIMARER ZEIT ................................................... 33<br />
Vom Jugendpfarramt zum Jugend- und Wohlfahrtsamt ................................................34<br />
<strong>Die</strong> Bahnhofsmission während und nach der Besatzung ...............................................35<br />
Eine neue Grundlage: Das Reichsjugendwohlfahrtsgesetz ...........................................37<br />
<strong>Die</strong> Arbeit des Jugend- und Wohlfahrtsamtes ....................................................................42<br />
DIAKONIE IN DER ZEIT DES NATIONALSOZIALISMUS ............................................. 55<br />
<strong>Die</strong> Bahnhofsmission in der NS-Zeit .......................................................................................58<br />
Evangelischer Gemeindedienst für Innere Mission ...........................................................59<br />
FORTSETZUNG UND NEUANFANG NACH 1945 ......................................................... 67<br />
Gründung des Ev. Kirchenkreises <strong>Oberhausen</strong> ...................................................................70<br />
Ev. Gemeindedienst für Innere Mission und Hilfswerk ....................................................75<br />
<strong>Die</strong> Bahnhofsmission ....................................................................................................................77<br />
4
ZEIT DER VERÄNDERUNGEN – SPEZIALISIERUNG SEIT DEN 70ER-JAHREN ....... 83<br />
Mehr als nur eine Namensänderung ......................................................................................83<br />
Tätigkeitsfelder in Vergangenheit und Gegenwart ....................................................... 112<br />
Schuldner- und Verbraucherinsolvenzberatung ............................................................ 115<br />
Evangelische Familienhilfe e.V. .............................................................................................. 120<br />
Flexible Jugend- und Familienhilfen/Jugendgerichtshilfe .......................................... 126<br />
Ambulante Wohnungslosenhilfe .......................................................................................... 127<br />
Hilfen für psychisch erkrankte Menschen .......................................................................... 129<br />
Ferienwerk ..................................................................................................................................... 133<br />
Fachseminar für Altenpflege .................................................................................................. 135<br />
Diakonie-Sozialstationen ......................................................................................................... 137<br />
100 JAHRE DIAKONISCHES WERK – EIN NEUANFANG ........................................... 143<br />
Anmerkungen ................................................................................................................................... 149<br />
Abbildungsverzeichnis ................................................................................................................... 159<br />
Lesehinweise ...................................................................................................................................... 161<br />
Impressum .......................................................................................................................................... 165<br />
5
Grußwort<br />
Verehrte Damen und Herren,<br />
zum 100-jährigen Bestehen des Diakonischen <strong>Werk</strong>es <strong>Oberhausen</strong> darf ich<br />
im Namen der Stadt <strong>Oberhausen</strong>, aber auch persönlich herzlich gratulieren und<br />
dies mit einem großen Dank verbinden für das sehr lange und beeindruckende<br />
Engagement zugunsten der hilfsbedürftigen Menschen in unserer Stadtgesellschaft.<br />
Noch bevor der Erste Weltkrieg zu Ende gegangen war, gründete Gertrud Zillich<br />
im März 1918 gemeinsam mit einigen <strong>Oberhausen</strong>er Pfarrern und einem<br />
Freundeskreis den „Evangelischen Frauenverein für Jugendschutz“. Dank des<br />
Einsatzes von Gertrud Zillich und ihrer Unterstützerinnen und Unterstützer<br />
konnte damals jungen Mädchen Schutz und eine Bleibe gegeben werden. Vertrauen<br />
und Nächstenliebe waren die Grundlage und der Beginn der segensreichen<br />
Arbeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Mit den Auswirkungen des<br />
Ersten Weltkrieges wuchs der Bedarf an Fürsorgeaktivitäten, sodass schließlich<br />
im Jahr 1921 das Diakonische <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong> gegründet wurde.<br />
In den zurückliegenden 100 Jahren hat sich das Diakonische <strong>Werk</strong> zu einer<br />
unverzichtbaren Institution in <strong>Oberhausen</strong> entwickelt. Verlässlichkeit, Professionalität<br />
und der unermüdliche Einsatz für die <strong>Oberhausen</strong>er Bürgerinnen und<br />
Bürger sind dabei zum Selbstverständnis der zahlreichen Haupt- und Ehrenamtlichen<br />
geworden, die damit eine Vorbildfunktion für uns alle einnehmen. Mein<br />
Dank gilt daher jedem, der ein Teil seiner Kraft in den <strong>Die</strong>nst der Gemeinschaft<br />
stellt. Und wie nötig wir genau diese Tugenden haben, hat uns insbesondere die<br />
Corona-Pandemie noch einmal deutlich vor Augen geführt. Ihre Arbeit wird daher<br />
auch in den kommenden Jahren eine bedeutende Rolle im Zusammenhang<br />
mit gesellschaftlicher Teilhabe spielen.<br />
Dafür wünsche ich dem Diakonischen <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong> weiterhin viel Erfolg<br />
und Gottes Segen!<br />
Herzlichst<br />
Ihr Daniel Schranz, Oberbürgermeister<br />
7
Grußwort<br />
Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,<br />
100 Jahre <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong> sind ein Grund für eine dankbare<br />
Erinnerung und für einen hoffnungsvollen Blick in die Zukunft.<br />
Gegründet in einer Zeit großer Armut nach dem Ersten Weltkrieg hat das<br />
Diakonische <strong>Werk</strong> und haben vor allem die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in<br />
diesen 100 Jahren gezeigt, wofür unser christlicher Glaube steht: Für das tatkräftige<br />
Anpacken, für eine zielgerichtete Hilfe und für die nachhaltige Verbesserung<br />
der Lebensumstände von Menschen.<br />
Auch in den Jahren des großen Wohlstands, der nach dem Zweiten Weltkrieg<br />
vor allem ja durch harte Arbeit erwirtschaftet wurde, gab es immer Menschen,<br />
die aus sehr vielen verschiedenen Gründen und in der Regel unverschuldet<br />
durch das soziale Raster der Gesellschaft gefallen sind. Und auch hier war das<br />
Diakonische <strong>Werk</strong> stets präsent mit Wort und Tat, denn unser Glaube betrachtet<br />
jeden Menschen als Ebenbild Gottes.<br />
Nun könnte ein Blick in die Zukunft pessimistisch ausfallen; vieles spricht dafür,<br />
dass wir in unserer Gesellschaft mitten in einer Zeit der erneuten sozialen<br />
Frage stehen, weil immer weniger Menschen Anteil haben an dem stetig wachsenden<br />
Reichtum unseres Landes. Unser Blick aber geht voller Hoffnung in die<br />
Zukunft. Das hat mit unserem Glauben an Gottes bewahrendes Handeln zu tun<br />
– und das mit unserem Vertrauen in die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in<br />
der Diakonie zu tun, die dieses bewahrende Handeln Gottes jeden Tag sichtbar,<br />
spürbar und erlebbar machen.<br />
Sicher, wir können nicht jedes Problem lösen. Aber wir geben unser Bestes,<br />
und das ist sehr sehr viel. Unsere neue Struktur ab dem 1.1.2022 wird dabei eine<br />
Hilfe sein, fasst sie doch die gute und bewährte Arbeit zweier diakonischer Träger<br />
zusammen und bündelt sie in einem <strong>Werk</strong>.<br />
Mit den besten Wünschen um Gottes Segen für das Diakonische <strong>Werk</strong> mit<br />
seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und denen, die ihnen anvertraut sind<br />
Ihr Joachim Deterding, Superintendent<br />
9
Einleitung<br />
EINLEITUNG<br />
Das Diakonische <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong><br />
feiert in diesem Jahr sein hundertjähriges<br />
Bestehen. Ein solches Jubiläum<br />
ist immer ein willkommener Anlass<br />
für einen Rückblick auf die eigene<br />
Geschichte und Existenz. Dabei wird<br />
deutlich, dass die Wurzeln viel weiter<br />
zurückreichen und die Entwicklung<br />
von vielen Wendungen und Brüchen<br />
gekennzeichnet ist, ebenso wie von<br />
bemerkenswerten Kontinuitäten.<br />
<strong>Die</strong> Geschichte des Diakonischen<br />
<strong>Werk</strong>s <strong>Oberhausen</strong> wurde schon<br />
mehrfach beschrieben. Besonders erwähnt<br />
sei die Schrift von Herta Zilly<br />
und Gerhard Holtz, die vor inzwischen<br />
25 Jahren ebenfalls zu einem<br />
Jubiläum über 75 Jahre <strong>Diakonisches</strong><br />
<strong>Werk</strong> des Kirchenkreises <strong>Oberhausen</strong>.<br />
1921 – 1996. herausgegeben wurde.<br />
Gerhard Holtz hat mit seiner langen<br />
Erfahrung und profundem Wissen,<br />
das er als ehemaliger Leiter des Diakonischen<br />
<strong>Werk</strong>es besitzt, auch viel zum<br />
Gelingen dieses Buches beigetragen.<br />
Um die Geschichte der <strong>Oberhausen</strong>er<br />
Diakonie richtig verstehen und<br />
einordnen zu können, muss man in<br />
einem ersten Teil etwas weiter zurückblicken<br />
auf die Wurzeln der christlichen<br />
Nächstenliebe. <strong>Die</strong> fürsorgende<br />
Hinwendung zum Nächsten gehört<br />
zum Wesensmerkmal der christlichen<br />
Gemeinde. Auch die <strong>Oberhausen</strong>er<br />
Diakonie baut auf einem Fundament,<br />
das bis zum Beginn der Kirche zurückreicht.<br />
Im 19. Jahrhundert stellte die Industrialisierung<br />
in Deutschland die soziale<br />
Frage ganz neu und forderte ebenso<br />
neue Antworten. <strong>Die</strong> Stadt <strong>Oberhausen</strong><br />
ist ein Kind dieser Industrialisierung<br />
mit allen damit verbundenen<br />
sozialen Problemen, und das Diakonische<br />
<strong>Werk</strong>, das im 19. Jahrhundert<br />
noch Innere Mission hieß, war die<br />
evangelische Antwort auf diese Not.<br />
Ein kurzer Überblick über die Entwicklung<br />
der christlichen Diakonie<br />
soll daher am Anfang stehen.<br />
11
100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />
<strong>Die</strong> Grundlegung des <strong>Diakonisches</strong><br />
<strong>Werk</strong>es <strong>Oberhausen</strong> erfolgte im Jahr<br />
1921 mit der Errichtung des Evangelischen<br />
Jugendpfarramtes. <strong>Die</strong> Entwicklung<br />
dieser Einrichtung, die mehrfach<br />
in ihrer Geschichte ihren Namen änderte<br />
– seinen heutigen Namen trägt<br />
das <strong>Werk</strong> erst seit 1966 –, ist Gegenstand<br />
dieser Arbeit. Dabei soll aber<br />
nicht vergessen werden, dass unter<br />
dem weiten Oberbegriff „Diakonie“<br />
noch weitere Initiativen zu beachten<br />
sind. Eng mit der Diakonie verbunden<br />
– und in <strong>Oberhausen</strong> sogar etwas älter<br />
– ist die Arbeit der Bahnhofsmission,<br />
die bereits vor dem Ersten Weltkrieg<br />
ihre Arbeit aufnahm. <strong>Die</strong> Folgen des<br />
Kriegs waren dann der Auslöser für die<br />
Gründung des Evangelischen Frauenvereins<br />
für Jugendschutz im Jahr 1918<br />
durch Gertrud Zillich, aus dem der<br />
heutige Diakonie-Verband-<strong>Oberhausen</strong><br />
e.V. hervorging.<br />
An dieser Stelle muss eine Bemerkung<br />
zu dem Begriff „Diakonie“ erfolgen.<br />
Er ist umfassend und unscharf<br />
zugleich. Diakonie hat seine Wurzel<br />
im altgriechischen διακονία diakonía,<br />
was ‚<strong>Die</strong>nst‘ bedeutet. Man versteht<br />
darunter, wie das Internet-Lexikon<br />
Wikipedia schreibt, „alle Aspekte<br />
des <strong>Die</strong>nstes am Menschen im kirchlichen<br />
Rahmen.“ 1 Mit Diakonie ist daher<br />
hier zunächst einmal alles evangelisch-kirchliche<br />
Handeln im <strong>Die</strong>nst an<br />
dem Nächsten zu verstehen. 2 <strong>Die</strong> Organisation<br />
„<strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong>“ hat<br />
ihre Wurzeln im 19. Jahrhundert und<br />
wurde bis nach dem Zweiten Weltkrieg<br />
meist als „Innere Mission“ bezeichnet.<br />
Erst danach schlossen sich nach und<br />
nach verschiedene Organisationen<br />
unter der Bezeichnung „<strong>Diakonisches</strong><br />
<strong>Werk</strong>“ zusammen. Das gilt für <strong>Oberhausen</strong><br />
wie für die Evangelische Kirche<br />
im Rheinland und letztlich auch für<br />
die Evangelische Kirche in Deutschland.<br />
Das Diakonische <strong>Werk</strong> Rheinland-<br />
Westfalen-Lippe e.V. - Diakonie RWL<br />
ist einer der größten Spitzenverbände<br />
der Freien Wohlfahrtspflege. <strong>Die</strong> Diakonie<br />
RWL repräsentiert rund 5.000<br />
evangelische Sozialeinrichtungen mit<br />
140.000 Mitarbeitenden und vielen<br />
Ehrenamtlichen. 3<br />
<strong>Die</strong> Arbeitsfelder der Diakonie haben<br />
sich im Laufe der Zeit, vor allem<br />
aber seit den späten 1960er-Jahren,<br />
stetig erweitert. Standen zu Beginn im<br />
19. Jahrhundert elternlose und verwahrloste<br />
Jugendliche, Strafentlassene<br />
sowie allgemein die Armen-, Alten-<br />
und Krankenpflege im Zentrum<br />
der Bemühungen, spezialisierte sich<br />
die Arbeit zunehmend. In einem Lexikonartikel<br />
aus dem Jahre 1983 wurden<br />
12
Einleitung<br />
die verschiedenen Bereiche der diakonischen<br />
Arbeit aufgelistet. <strong>Die</strong>s sind<br />
u. a. die Anstaltsdiakonie, Heimerziehung,<br />
Altenhilfe, Kindertagesstätten,<br />
Gemeindediakonie und Beratungsdienste.<br />
4 <strong>Die</strong>se Vielfalt an Tätigkeiten<br />
hat auch in <strong>Oberhausen</strong> ihren Niederschlag<br />
in einer Reihe evangelischdiakonischer<br />
Institutionen gefunden.<br />
Hierzu zählen das Diakonische <strong>Werk</strong><br />
<strong>Oberhausen</strong> sowie weitere diakonische<br />
Einrichtungen. Im Bereich der<br />
Altenhilfe sind das in <strong>Oberhausen</strong> das<br />
Haus Gottesdank gGmbH 5 und das<br />
Haus Abendfrieden gGmbH 6 , im Bereich<br />
der stationären Jugendhilfe das<br />
Gerhard-Tersteegen-Institut gGmbH, 7<br />
das Gertrud-Zillich-Haus (Diakonie-<br />
Verband <strong>Oberhausen</strong> e.V.) 8 und die<br />
Evangelische Jugendhilfe gGmbH. 9<br />
<strong>Die</strong> widrigen Umstände, verursacht<br />
durch die Corona-Pandemie, haben<br />
auch die Recherchen zur Geschichte<br />
des Diakonischen <strong>Werk</strong>s <strong>Oberhausen</strong><br />
beeinträchtigt. So war es nicht möglich,<br />
das Archiv der Evangelischen Kirche<br />
im Rheinland zu nutzen, in dem<br />
eine große Zahl an möglicherweise<br />
relevanten Dokumenten noch ungesichtet<br />
ihrer Bearbeitung harrt. So<br />
mancher Fund wird daher bis zu einer<br />
anderen Gelegenheit warten müssen.<br />
Glücklicherweise war das Stadtarchiv<br />
<strong>Oberhausen</strong> die meiste Zeit, wenn<br />
auch mit Einschränkungen, geöffnet,<br />
so dass die dort liegenden Archivalien<br />
und nicht zuletzt die <strong>Oberhausen</strong>er<br />
Lokalzeitungen herangezogen werden<br />
konnten. An dieser Stelle sei den<br />
MitarbeiterInnen des Stadtarchivs und<br />
insbesondere Andreas Uecker für die<br />
kompetente Unterstützung ausdrücklich<br />
gedankt.<br />
Es wurde bereits eine Menge kleinerer<br />
und auch größerer Schriften über<br />
die diakonische Arbeit in <strong>Oberhausen</strong><br />
verfasst. Immer gab es ein Bewusstsein<br />
dafür, dass das eigene Tun nicht einfach<br />
aus sich selbst heraus geschieht,<br />
sondern Wurzeln in der Geschichte<br />
hat, die einen selbst tragen. <strong>Die</strong> Vergangenheit<br />
der Diakonie in <strong>Oberhausen</strong><br />
ist die Basis für Gegenwart und<br />
auch die Zukunft.<br />
Auf diese vielen Schriften, die meist<br />
anlässlich diverser Jubiläen verfasst<br />
wurden, kann dankbar zurückgegriffen<br />
werden. <strong>Die</strong>se Arbeit wird das Rad<br />
nicht neu erfinden und reiht sich in<br />
gewisser Weise in eine lange Tradition<br />
ein. Bei einem „runden“, besonderen<br />
Jubiläum wie dem einhundertjährigen<br />
soll die Darstellung aber weiter und<br />
tiefer gehen, als eine bloße Zusammenstellung<br />
des bisher verstreut Publizierten.<br />
13
100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />
<strong>Die</strong> Jubiläumsschriften bilden daher<br />
eine wichtige Grundlage zur Geschichte<br />
der <strong>Oberhausen</strong>er Diakonie. Wichtige<br />
Quellen für die Anfangsjahre sind<br />
darüber hinaus die Tätigkeitsberichte,<br />
die vor allem in den 1920er-Jahren<br />
verfasst und gedruckt wurden. All dies<br />
liegt vorbildlich geordnet im Archiv<br />
des Diakonischen <strong>Werk</strong>es <strong>Oberhausen</strong><br />
vor.<br />
Auch im Archiv der Stadt liegen solche<br />
Berichte, mussten die Einrichtungen<br />
der freien Wohlfahrtspflege doch<br />
ihre Arbeit regelmäßig dokumentieren,<br />
um kommunale Förderung beziehen<br />
zu können. <strong>Die</strong> Quellen des Stadtarchivs<br />
dokumentieren gerade in den<br />
Haushaltsentwürfen die Bezuschussung<br />
der Arbeit (nicht nur) der diakonischen<br />
Einrichtungen, begann in der<br />
Zeit der Weimarer Republik doch jene<br />
Zusammenarbeit von Staat und freien<br />
Wohlfahrtsverbänden, wie sie bis heute<br />
in Deutschland üblich ist. Eine weitere<br />
wichtige Ressource sind die Zeitungsartikel,<br />
in denen über die Arbeit<br />
der Diakonie, Feste und Personalia<br />
berichtet wird. Sie geben zudem einen<br />
Eindruck von der Öffentlichkeitsarbeit<br />
der Diakonie, die zu allen Zeiten notwendig<br />
war, um auf die Einrichtungen<br />
aufmerksam zu machen und Spenden<br />
zu generieren.<br />
Wie schon erwähnt, konnten leider<br />
die Archivalien nicht eingesehen werden,<br />
die in Düsseldorf im Archiv der<br />
Evangelischen Kirche im Rheinland<br />
liegen. Laut Auskunft des Archivs sind<br />
es weit über 1.000 Blatt möglicherweise<br />
relevanter Dokumente. Sie durchzusehen<br />
hätten den Rahmen dieser<br />
Arbeit ohnedies gesprengt. Jedenfalls<br />
wartet hier noch eine Menge Arbeit<br />
auf zukünftige Forschung.<br />
Für die jüngere Geschichte des Diakonischen<br />
<strong>Werk</strong>es seit den 1970er-Jahren<br />
standen vor allem das Zeitungsarchiv<br />
des Diakonischen <strong>Werk</strong>es sowie<br />
die Jahresberichte seit 2000 zur Verfügung.<br />
Ein besonderer Dank gilt Gerhard<br />
Holtz, der mit seinem großen Wissensschatz<br />
einen wichtigen Beitrag zur Erarbeitung<br />
dieser Jubiläumsschrift geleistet<br />
hat. Ebenso hat Frank Domeyer,<br />
Leiter des Diakonischen <strong>Werk</strong>es des<br />
Evangelischen Kirchenkreises <strong>Oberhausen</strong>,<br />
mit seinem kompetenten Wissen<br />
dem Verfasser beiseite gestanden<br />
und alle nur denkbare Hilfe geleistet.<br />
Viele weitere Mitarbeiter des Diakonischen<br />
<strong>Werk</strong>es haben dieses Projekt<br />
unterstützt. Ihnen allen sei an dieser<br />
Stelle gedankt.<br />
14
<strong>Die</strong> Anfänge der diakonischen Arbeit der Kirche<br />
DIE ANFÄNGE DER DIAKONISCHEN ARBEIT<br />
DER KIRCHE<br />
Von der Antike bis zum Zeitalter<br />
der Industrialisierung<br />
Christen wenden sich in fürsorgender<br />
Nächstenliebe ihren Mitmenschen<br />
zu. Diakonie ist ein Wesensbestandteil<br />
von Kirche neben<br />
Gottesdienst und Verkündigung.<br />
<strong>Die</strong>s war von Anfang an so. 10<br />
Dabei ist die Verbindung von Religion<br />
und praktischer Fürsorge für<br />
die Bedürftigen nicht selbstverständlich,<br />
aber auch nicht spezifisch christlich.<br />
Während beispielsweise die heidnischen<br />
Religionen Griechenlands<br />
und Roms der Armenfürsorge keine<br />
Bedeutung beimaßen, wurde schon<br />
im alten Ägypten der Gott Amun als<br />
„Helfer der Armen“ angerufen. <strong>Die</strong><br />
Vorstellung, dass Gott sich den Armen<br />
zuwendet und seine Gläubigen dazu<br />
auffordert, dies ebenfalls zu tun, findet<br />
seine prägnante Ausprägung im Alten<br />
Testament. Im 3. Buch Mose spricht<br />
Gott zu seinem Volk: „Du sollst deinen<br />
Nächsten lieben wie dich selbst; ich<br />
bin der HERR.“ <strong>Die</strong>se Aufforderung<br />
nahm Jesus unmittelbar auf und erweiterte<br />
sie sogar. Feinde wurden von<br />
ihm ausdrücklich in das Liebesgebot<br />
eingeschlossen: „Ihr habt gehört, dass<br />
gesagt ist: »Du sollst deinen Nächsten<br />
lieben« und deinen Feind hassen. Ich<br />
aber sage euch: Liebt eure Feinde und<br />
bittet für die, die euch verfolgen.“ (Mt<br />
5,43 – 44) Wie Jesus sich die Nächstenliebe<br />
seiner Jünger praktisch vorstellte,<br />
beschrieb er im Gleichnis vom Barmherzigen<br />
Samariter. Nicht nur den<br />
Angehörigen des eigenen Volkes und<br />
der eigenen Religion sollte Hilfe zuteil<br />
werden, sondern allen Menschen. Liebe<br />
sprengt alle Grenzen. Unmissverständlich<br />
fordert er seine Jünger auf:<br />
„So geh hin und tu desgleichen!“ (Lk<br />
10,37) Bei seiner Rede vom Weltgericht<br />
macht er sogar deutlich, dass die<br />
Hinwendung zum bedürftigen Nächsten<br />
das entscheidende Kriterium für<br />
ein gelingendes Leben ist: Hungernden<br />
zu essen, Dürstenden zu trinken<br />
geben, Obdachlose aufnehmen, Kranke<br />
und Gefangene besuchen, Nackte<br />
bekleiden sind die Forderungen an die<br />
Menschen (vgl. Mt 25, 41– 46).<br />
17
100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />
<strong>Die</strong>se Haltung prägte von Anfang<br />
an die christliche Gemeinschaft. Schon<br />
sehr früh wurde das Amt des Diakons<br />
eingeführt (Apg 6,1–7). Hilfe füreinander<br />
war eine Selbstverständlichkeit.<br />
Geldsammlungen wurden abgehalten<br />
(vgl. 1. Kor 16). Im Jakobusbrief<br />
werden die Christen daran erinnert:<br />
„Wenn ihr das königliche Gesetz erfüllt<br />
nach der Schrift: »Liebe deinen Nächsten<br />
wie dich selbst«, so tut ihr recht;<br />
wenn ihr aber die Person anseht, tut<br />
ihr Sünde und werdet überführt vom<br />
Gesetz als Übertreter.“ (Jak 2,8–9)<br />
<strong>Die</strong> christlichen Gemeinden haben<br />
diese Aufforderung in die Tat umgesetzt.<br />
Als die Gemeinden wuchsen<br />
und organisatorische Strukturen entwickelten,<br />
wurde auch die karitativdiakonische<br />
Arbeit systematisiert. Das<br />
erste ökumenische Konzil von Nizäa<br />
im Jahr 325 hatte jedem Bischof die<br />
Einrichtung eines Xenodochions in<br />
seiner Diözese zur Pflicht gemacht.<br />
Das Wort bedeutet Fremdenheim, ein<br />
Aufnahmeort für Fremde. In Caesarea,<br />
dem heutigen Kayseri in der Türkei,<br />
errichtete einige Jahrzehnte später<br />
Bischof Basilius einen ganzen Stadtteil<br />
aus Spitälern und Altenheimen als Xenodochion.<br />
Es galt zu seiner Zeit als<br />
Weltwunder. Dort wurden nicht nur<br />
Fremde, die in der Geschichte immer<br />
besonders schutzbedürftig waren, sondern<br />
auch die Armen der eigenen Stadt<br />
aufgenommen. Auch eine medizinische<br />
Versorgung durch ausgebildete<br />
Ärzte erfolgte in diesen Einrichtungen.<br />
Sie wurden zu Vorbildern für die organisierte<br />
Armen- und Krankenpflege<br />
der Klöster des Mittelalters.<br />
<strong>Die</strong> Hinwendung zu den Notleidenden<br />
gehörte also von Beginn an zum<br />
Wesen der Kirche. In dem Maß, wie<br />
das Christentum Gesellschaft und Staat<br />
prägte, wurde die gesamte Armenfürsorge<br />
aus diesem Geist praktiziert und<br />
von kirchlichen Einrichtungen ausgeführt.<br />
Erst mit der Herausbildung moderner<br />
Staaten und der systematischen<br />
Unterscheidung von säkularem Staat<br />
und Kirche fiel auch die Armenfürsorge<br />
in das Aufgabengebiet der weltlichen<br />
Herrschaft.<br />
Treibende Kraft waren bereits im<br />
Spätmittelalter die Städte. <strong>Die</strong> mittelalterliche<br />
Theologie hatte dazu geführt,<br />
dass mit der Armenfürsorge auch die<br />
Armut institutionalisiert wurde. Arme<br />
waren fester Bestandteil der mittelalterlichen<br />
Weltordnung. Jesus selbst<br />
hatte gesagt: „Denn ihr habt allezeit<br />
Arme bei euch.“ Den Armen, Kranken<br />
und Notleidenden musste man sich in<br />
christlicher Gesinnung zuwenden. Armut,<br />
Krankheit und Not grundsätzlich<br />
18
<strong>Die</strong> Anfänge der diakonischen Arbeit der Kirche<br />
zu überwinden, wurde aber nicht angestrebt,<br />
weil es der göttlichen Weltordnung<br />
zu widersprechen schien.<br />
<strong>Die</strong>se Sicht änderte sich im aufkommenden<br />
Bürgertum der spätmittelalterlichen<br />
Städte, als man begann,<br />
nach den Gründen für die Notlagen<br />
zu fragen. Nicht, um die Strukturen<br />
der Armut zu bekämpfen, sondern um<br />
„ehrliche“ Arme von „unehrlichen“ zu<br />
unterscheiden. Wer unverschuldet in<br />
Not geriet, sollte weiterhin Unterstützung<br />
erhalten. Wer aber arbeitsfähig<br />
war, sollte nötigenfalls zur Arbeit gezwungen<br />
werden. Waren die Bettler<br />
zuvor selbstverständlicher Teil der Gesellschaft,<br />
die in eigenen Gilden organisiert<br />
waren, so wurde dies zunehmend<br />
kritisch gesehen. War die Armenfürsorge<br />
bislang mittels privater Almosen<br />
finanziert, wurde jetzt in vielen Städten<br />
eine Armensteuer eingeführt. Armenhäuser<br />
wurden errichtet, in denen<br />
man für seine Unterbringung arbeiten<br />
musste. 11 In der frühen Neuzeit oblag<br />
die Armenfürsorge den Landesfürsten<br />
und damit dem – christlichen – Staat.<br />
Das 19. Jahrhundert –<br />
Armenfürsorge in der Zeit<br />
der Industrialisierung<br />
„In Deutschland lebte um 1800 der<br />
größte Teil der Bevölkerung auf dem<br />
Lande. […] 1910 hatten 66 v. H. der<br />
Bevölkerung ihren Wohnsitz in der<br />
Stadt.“ 12 Mit dieser einfachen Feststellung<br />
ist ein Grundproblem der<br />
gesellschaftlichen Entwicklung des<br />
19. Jahrhunderts beschrieben. Industrialisierung<br />
und Kapitalismus verändern<br />
die Lebensgrundlagen der Menschen<br />
grundsätzlich und damit auch<br />
den Umgang mit den Armen. Was zuvor<br />
in einer agrarisch-vorindustriellen<br />
Gesellschaft funktionierte, stieß nun<br />
an seine Grenzen: das System der Armenfürsorge.<br />
Mit der Landflucht der Bevölkerung<br />
hinein in die neu entstehenden und<br />
wachsenden Städte mit ihren Fabriken<br />
veränderte sich das Verhältnis zur Armut<br />
und die Mittel, mit denen man ihr<br />
begegnen wollte. Männer wie Frauen<br />
verließen ihre alten ländlichen Wohnorte<br />
und versuchten als Arbeiter oder<br />
Hausbedienstete bei der bürgerlichen<br />
städtischen Oberschicht ihren Lebensunterhalt<br />
zu verdienen. Selbst diejenigen,<br />
die einen Arbeitsplatz fanden,<br />
mussten unter Hunger, Krankheit und<br />
19
100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />
Ausbeutung leiden. Wer keine Stelle<br />
fand oder wer seine Arbeit verlor, wer<br />
krank wurde oder verunfallte, bildete<br />
eine neue städtische Unterschicht,<br />
die zu einer großen Herausforderung<br />
für Kirche und Gesellschaft wurde.<br />
Alte soziale Netzwerke, die Menschen<br />
in Not auffingen, funktionierten nicht<br />
mehr. Um 1900 bestanden die deutschen<br />
Großstädte zu 57 Prozent aus<br />
Zugezogenen. 13 Familiäre und nachbarschaftliche<br />
Unterstützung war daher<br />
in Notlagen kaum zu erwarten.<br />
<strong>Die</strong> alte, in Preußen geltende Regelung,<br />
wonach die Herkunftsgemeinde<br />
für die Versorgung in Not geratener<br />
Menschen zuständig sein sollte, war<br />
nicht mehr praktikabel. <strong>Die</strong> tatsächliche<br />
Wohngemeinde musste nun die<br />
Fürsorge übernehmen, was die Großstädte<br />
finanziell arg belastete. Sie suchten<br />
alle möglichen Gründe, sich ihrer<br />
Verantwortung zu entziehen. <strong>Die</strong><br />
Unternehmen begannen gegen Ende<br />
des 19. Jahrhunderts ihrerseits, sich<br />
um ihre Stammarbeiter zu kümmern,<br />
wenn diese in Not gerieten oder aus<br />
Altersgründen nicht mehr arbeiten<br />
konnten. Und auch die lokalen Kirchengemeinden<br />
übernahmen Verantwortung<br />
für ihre Mitglieder.<br />
Abb. 1: Briefmarke zum 200. Geburtstag<br />
von Johann Hinrich Wichern mit<br />
dem Diakonie-Logo.<br />
Einer der ersten, der sich dieser Herausforderung<br />
annahm, war Johann<br />
Heinrich Wichern (1808 –1881), der<br />
Gründer des Rauhen Hauses in Hamburg.<br />
Er hatte sich damit zum Ziel gesetzt,<br />
verhaltensauffälligen oder straffällig<br />
gewordenen armen Hamburger<br />
Kindern zu helfen und ihnen eine Ausbildung<br />
zu ermöglichen. Wichern gilt<br />
als der Begründer der Inneren Mission<br />
der evangelischen Kirche (Abb. 1).<br />
<strong>Die</strong> schlechten Lebensbedingungen<br />
der ArbeiterInnen und die Not<br />
der städtischen Unterschichten forderte<br />
nicht nur das Mitgefühl und die<br />
Nächstenliebe der ChristInnen heraus.<br />
<strong>Die</strong> zunehmend erstarkende Sozialdemokratie,<br />
die in diesen sozialen<br />
Zuständen ihren Nährboden fand,<br />
bedrohte den traditionell konservativen<br />
Staat, dem sich vor allem auch das<br />
20
<strong>Die</strong> Anfänge der diakonischen Arbeit der Kirche<br />
evangelische Bürgertum verpflichtet<br />
fühlte. Wichern erkannte die Aufgabe<br />
der Kirche darin, junge Menschen sozial<br />
zu stabilisieren und zugleich ihnen<br />
eine religiöse Grundlage zu vermitteln.<br />
Diakonie war für ihn praktische Hilfe<br />
und Verkündigung des Evangeliums<br />
zugleich. So sollten gefährdete junge<br />
Leute vor dem sozialen Absturz bewahrt<br />
und vor den Ideen der Sozialdemokratie<br />
geschützt werden. Das Ziel<br />
war eine Rechristianisierung der Bevölkerung<br />
zur Stabilisierung der neuen<br />
Gesellschaftsverfassung. <strong>Die</strong> Revolution<br />
von 1848, die beinahe die alte<br />
Ordnung hinweggefegt und eine demokratische<br />
Ordnung in Deutschland<br />
eingeführt hätte, wurde als Alarmsignal<br />
begriffen. Daher ist es kein Zufall,<br />
dass Wichern auf dem ersten evangelischen<br />
Kirchentag 1848 in Wittenberg,<br />
nur ein paar Monate nach den Revolutionsunruhen,<br />
in einer Grundsatzrede<br />
zur Gründung des „Centralausschusses<br />
für die Innere Mission der deutschen<br />
evangelischen Kirche“ aufrief,<br />
der sich dann am 11. November 1848<br />
konstituierte. Er kann als Vorläuferorganisation<br />
des heutigen Diakonischen<br />
<strong>Werk</strong>es gelten.<br />
Der Centralausschuss entwickelte<br />
sich zu einer Dachorganisation für<br />
viele selbstständige evangelische Initiativen<br />
und Vereine, die sich die Sozialfürsorge<br />
zur Aufgabe gemacht hatten.<br />
Er gilt bis heute als größter und einflussreichster<br />
Wohlfahrtsverband im<br />
Kaiserreich.<br />
<strong>Die</strong> Armenpflege wurde nun systematisch<br />
in einen offenen Zweig und<br />
einen geschlossenen Zweig gegliedert.<br />
<strong>Die</strong> offene Armenpflege verstand sich<br />
als Hilfe von „Mensch zu Mensch“<br />
in den Gemeinden, die geschlossene<br />
Armenpflege fand in Heimen, Arbeits-<br />
und Armenhäusern statt. Auch<br />
die kirchliche Wohlfahrt begann zwischen<br />
diesen zwei Bereichen zu unterscheiden.<br />
<strong>Die</strong> geschlossene Fürsorge<br />
unterhielt Heime, in denen die Notleidenden<br />
unterbracht wurden, die offene<br />
Fürsorge ging hinaus zu den Menschen<br />
und betreute sie in den Familien<br />
oder gegebenenfalls die Obdachlosen<br />
auf den Straßen.<br />
21
Am Anfang stand ... ein Bahnhof<br />
AM ANFANG STAND … EIN BAHNHOF<br />
Armenfürsorge<br />
in <strong>Oberhausen</strong><br />
<strong>Die</strong> geschilderte Entwicklung der<br />
Sozialfürsorge im Deutschland des<br />
19. Jahrhunderts betraf natürlich<br />
auch <strong>Oberhausen</strong>.<br />
<strong>Oberhausen</strong> ist eine junge Stadt.<br />
Nicht nur die heutige, rund 210.000<br />
Einwohner umfassende Großstadt, die<br />
aus dem Zusammenschluss der ehemals<br />
selbstständigen Städte <strong>Oberhausen</strong>,<br />
Sterkrade und Osterfeld im Jahr<br />
1929 entstanden ist, blickt auf eine<br />
junge Geschichte zurück, die Stadt Alt-<br />
<strong>Oberhausen</strong> selbst wurde erst in der<br />
zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gegründet.<br />
Sie ist ein Kind der Industrialisierung.<br />
Weil die Hüttengewerkschaft<br />
Jacoby, Haniel und Huyssen, der Vorläufer<br />
der Gutehoffnungshütte, einen<br />
Anschluss an das entstehende Eisenbahnnetz<br />
benötigte, errichtete die<br />
Köln-Mindener Eisenbahngesellschaft<br />
1847 einen Bahnhof mitten im Niemandsland<br />
und gab ihm den Namen<br />
<strong>Oberhausen</strong> – in Anlehnung an das zu<br />
Beginn des 19. Jahrhunderts errichtete<br />
Schloss <strong>Oberhausen</strong>. <strong>Die</strong>ses hatte wiederum<br />
seinen Namen von einer mittelalterlichen<br />
Wasserburg Overhusen.<br />
<strong>Die</strong>ser Eisenbahnknotenpunkt hob<br />
<strong>Oberhausen</strong> aus der Zahl der umliegenden<br />
Städte hervor und bewahrte<br />
es vor eventuellen Eingemeindungsbestrebungen.<br />
<strong>Die</strong> Stadt war ein „Kind<br />
der Eisenbahn“, wie der Direktor der<br />
Gutehoffnungshütte, Lueg, es einmal<br />
formulierte. 14<br />
Bereits bei der Gründung <strong>Oberhausen</strong>s<br />
1862 wurde eine Armenkommission<br />
gewählt, wie aus der Festschrift<br />
zum 50-jährigen Bestehen Alt-<strong>Oberhausen</strong>s<br />
1912 hervorgeht. 15 Schon in<br />
den ersten drei Jahren wuchsen die<br />
Ausgaben für die Armenunterstützung<br />
und Krankenpflege von knapp 700<br />
Talern (1862) über 1100 Taler (1863)<br />
auf über 1200 Taler (1864). Ende 1867<br />
wurden 35 Familien mit monatlichen<br />
Geldleistungen unterstützt, zehn Waisenkinder<br />
wurden in Erziehungsheimen<br />
und drei erwachsene geistig Behinderte<br />
in Irrenanstalten, wie diese<br />
Einrichtungen damals hießen, auf<br />
Stadtkosten untergebracht. Darüber<br />
23
100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />
hinaus erhielten 70 Kinder Bekleidung<br />
aus Gemeindemitteln, damit ihnen ein<br />
Schulbesuch auch im Winter möglich<br />
war.<br />
<strong>Die</strong> Sozialpolitik der Stadt <strong>Oberhausen</strong><br />
konzentrierte sich vor dem<br />
Ersten Weltkrieg nicht zuletzt aus<br />
Kostengründen auf einige freiwillige<br />
Schwerpunkte: Errichtung und Förderung<br />
von Krankenhäusern, Errichtung<br />
von Grünanlagen und eines Stadtbads<br />
sowie die Einrichtung von Kindergärten<br />
zur „vorschulischen Vermittlung<br />
sozialer Werte der bürgerlichen Gesellschaft“<br />
in den Kleinkinderschulen<br />
von Gutehoffnungshütte und Kirchengemeinden.<br />
16 Hierzu gesellten sich die<br />
staatlich vorgeschriebenen Unterstützungsleistungen<br />
an die Hilfsbedürftigen<br />
der Stadt. Der Leiter des <strong>Oberhausen</strong>er<br />
Stadtarchivs, Magnus Dellwig,<br />
schätzt die Größe dieses Personenkreises<br />
auf vier bis sechs Prozent der städtischen<br />
Bevölkerung. 17 <strong>Die</strong>s war nicht<br />
besonders viel, was vor allem an der<br />
strengen Bedürftigkeitsprüfung lag. All<br />
das sollte „der „Fähigkeit der Arbeiterschaft<br />
zur physischen und psychischen<br />
Reproduktion“ dienen, wie Dellwig betont.<br />
<strong>Die</strong> Folge war die Disziplinierung<br />
der Betroffenen, die im Kaiserreich gesellschaftlich<br />
hochgradig stigmatisiert<br />
waren. Beispielsweise war in Preußen<br />
Empfängern öffentlicher Armenunterstützung<br />
das Wahlrecht entzogen.<br />
Schon vor dem Ersten Weltkrieg stieg<br />
der Bedarf an Hilfen für notleidende<br />
Menschen in <strong>Oberhausen</strong>. In der Folge<br />
errichtete die Stadt zur Jahrhundertwende<br />
ein Armenhaus. 18<br />
Parallel zu den städtischen Leistungen<br />
der Armenfürsorge entwickelte<br />
sich in den Kirchengemeinden<br />
eine Struktur der praktischen Hilfe.<br />
Beispielsweise wurde bereits 1909 in<br />
der Christus-Kirchengemeinde eine<br />
Handarbeitsschule gegründet, „deren<br />
Sinn und Zweck es war, den Töchtern<br />
unserer Gemeinde, die zur damaligen<br />
Zeit meist Haustöchter ohne Beruf<br />
waren, Gelegenheit zu geben, ihre<br />
freie Zeit nutzbringend anzuwenden,<br />
indem sie das Nähen und Handarbeiten<br />
für den eigenen Bedarf erlernten“. 19<br />
Aus ihr sollte später das Evangelische<br />
Familienbildungswerk <strong>Oberhausen</strong><br />
(heute Evangelisches Familien- und<br />
Erwachsenenbildungswerk) hervorgehen.<br />
Darüber hinaus nahmen auch manche<br />
Firmen die Fürsorge für ihre Belegschaft<br />
und deren Familien wahr:<br />
„Den Arbeitern ließ man die besondere<br />
Fürsorge zukommen, ihren Alkoholkonsum,<br />
besonders den Brannt-<br />
24
Am Anfang stand ... ein Bahnhof<br />
weinkonsum, einzudämmen. Wurde<br />
diesem doch zugeschrieben, dass er<br />
die Familien der Arbeiter zerrütten<br />
und die Arbeitskraft der Beschäftigten<br />
gefährden würde.“ 20 Später bot die<br />
Gutehoffnungshütte ihrer Stammbelegschaft<br />
Kleinkinderschulen, Handarbeits-<br />
und Hauswirtschaftsschulen für<br />
die älteren Töchter der Stammarbeiter<br />
an. 21<br />
<strong>Die</strong> Gründung<br />
der Bahnhofsmission<br />
in <strong>Oberhausen</strong><br />
In dieser Zeit entstand die erste<br />
kirchlich-übergemeindliche, diakonisch-caritative<br />
Einrichtung<br />
in <strong>Oberhausen</strong>: die Bahnhofsmission.<br />
Was für die<br />
Stadt galt, traf auch auf die<br />
Diakonie zu. Sie war ein<br />
Kind der Eisenbahn und der<br />
Bahnhof war ihr Geburtsort.<br />
Wie in anderen Industriestädten<br />
auch bestand<br />
das Bedürfnis, sich um alleinreisende<br />
junge Frauen<br />
zu kümmern, die vom Land<br />
ohne Ortskenntnisse nach<br />
<strong>Oberhausen</strong> kamen. Unseriöse<br />
Vermittler versprachen<br />
ihnen bei der Arbeits- und<br />
Quartiersuche zu helfen. Nicht selten<br />
landeten sie aber in der Prostitution.<br />
Davor galt es, die jungen Frauen<br />
zu schützen. Wenn sie bereits eine<br />
Arbeitsstelle vermittelt bekommen<br />
hatten, musste man ihnen den Weg<br />
dorthin zeigen. Wenn sie noch arbeitssuchend<br />
waren, musste man sie an seriöse<br />
Stellenvermittlungen verweisen.<br />
Reisende, die <strong>Oberhausen</strong> als Zwischen-<br />
oder Umsteigestation erreichten,<br />
mussten während der Wartezeit<br />
auf den Anschlusszug betreut und vor<br />
Übergriffen geschützt werden. In vielen<br />
Fällen musste man ihnen auch eine<br />
zeitweilige Unterkunft besorgen. Noch<br />
vor dem Ersten Weltkrieg gründeten<br />
daher zum Jahreswechsel 1912/13 in<br />
Abb. 2: Bahnhofs-Mission.<br />
<strong>Oberhausen</strong>er Volkszeitung, 4.1.1913.<br />
25
100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />
früher ökumenischer Eintracht und<br />
Zusammenarbeit beide Konfessionen<br />
die <strong>Oberhausen</strong>er Bahnhofsmission.<br />
In der örtlichen Zeitung wurde immer<br />
wieder zur Mitarbeit an dieser ehrenamtlichen<br />
Tätigkeit aufgerufen (Abb.<br />
2).<br />
Seit dem Jahreswechsel 1912/13<br />
arbeitete also die Bahnhofsmission<br />
als erste diakonische Einrichtung in<br />
<strong>Oberhausen</strong>.<br />
Bereits am 24. Dezember 1912 hatte<br />
die <strong>Oberhausen</strong>er Volkszeitung auf die<br />
Arbeit der Bahnhofsmission hingewiesen<br />
und diese auch näher beschrieben,<br />
so dass wir einen kleinen Einblick in<br />
diese Tätigkeit erhalten (Abb. 3).<br />
Abb. 3: Von der Bahnhofsmission.<br />
<strong>Oberhausen</strong>er Volkszeitung, 24.12.1912.<br />
Im Laufe des Jahres 1913 wies die<br />
Zeitung immer mal wieder auf die<br />
Bahnhofsmission hin und diente dabei<br />
auch der Aufklärung der Bevölkerung.<br />
Am 30. August stellte sie zwei beispielhafte<br />
Fälle vor. Ein alleinstehendes<br />
junges Mädchen wartete auf dem<br />
<strong>Oberhausen</strong>er Bahnhof auf den Zug<br />
nach Düsseldorf und wurde dort von<br />
einem fremden Mann angesprochen,<br />
der vorgab, denselben Zug nehmen zu<br />
wollen. Einem Polizisten kam das Verhalten<br />
des Mannes, der den Reisekorb<br />
des Mädchens bereits in seinen Besitz<br />
gebracht hatte, verdächtig vor und<br />
schaltete die Dame von der Bahnhofsmission<br />
ein, die dafür sorgte, dass die<br />
junge Frau nicht mehr belästigt wurde<br />
und in einem Frauenabteil des Zuges<br />
nach Düsseldorf reisen konnte. <strong>Die</strong><br />
dortige Bahnhofsmission wurde telefonisch<br />
verständigt, so dass<br />
man sich auch am Zielbahnhof<br />
um sie kümmern konnte.<br />
Das zweite Beispiel handelte<br />
von einer jungen Frau<br />
aus dem Ausland, die im Zug<br />
nach <strong>Oberhausen</strong> von einem<br />
Mann aus Dorsten angesprochen<br />
worden war, der<br />
ihr eine lukrative Stellung<br />
versprochen hatte. Er fuhr<br />
mit ihr nach Bottrop, ging<br />
mit ihr zu Fuß weiter und<br />
26
Am Anfang stand ... ein Bahnhof<br />
vergewaltigte sie in einem<br />
Waldstück. Waldarbeiter<br />
vertrieben ihn und brachten<br />
das Mädchen zurück nach<br />
<strong>Oberhausen</strong>. Da sie von dem<br />
Mann auch bestohlen worden<br />
war, stand sie nun als<br />
Ausländerin mittellos und<br />
Abb. 4: Bahnhofs-Mission.<br />
<strong>Oberhausen</strong>er Volkszeitung, 20.1.1914.<br />
missbraucht am hiesigen Bahnhof. <strong>Die</strong><br />
Bahnhofsmission übernahm die weitere<br />
Betreuung und schaltete das zuständige<br />
Konsulat ein.<br />
<strong>Die</strong> <strong>Oberhausen</strong>er Bevölkerung<br />
wurde mit solchen Beiträgen über die<br />
Existenz und die Tätigkeit der Bahnhofsmission<br />
aufgeklärt und sicher<br />
auch zur Unterstützung motiviert. Folgerichtig<br />
wurde am 20. Januar 1914<br />
auch auf das Jahresfest der Bahnhofsmission<br />
hingewiesen (Abb. 4).<br />
Abb. 5: Todesanzeige Frau Direktor<br />
Professor Franck.<br />
<strong>Oberhausen</strong>er Zeitung, 20.2.1920.<br />
Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs<br />
unterbrach die weitere Berichterstattung<br />
über die Arbeit der Bahnhofsmission,<br />
die zweifelsohne unter den<br />
Kriegsumständen nötiger war denn je.<br />
Auch wenn wir von der <strong>Oberhausen</strong>er<br />
Bahnhofsmission nichts weiter erfahren,<br />
dürfte doch auch hier zutreffen,<br />
27
100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />
was allgemein über die Arbeit während<br />
des Krieges festzuhalten ist. Es<br />
war „nicht mehr die Rede von stellensuchenden<br />
Mädchen. <strong>Die</strong> Bahnhofsmissionen<br />
mühten sich nunmehr um<br />
Soldaten- und Verwundetentransporte,<br />
betreuten Eisenbahnschaffnerinnen<br />
und Rüstungsarbeiterinnen, Flüchtlinge<br />
und alle Hilfesuchende am Bahnhof.<br />
[…] Auf diese Weise wurde während<br />
und nach dem Ersten Weltkrieg die ursprüngliche<br />
Mädchenschutzarbeit auf<br />
eine umfassende Hilfe ausgeweitet für<br />
die über die Bahnhöfe zurückkehrenden<br />
Soldaten und wenige Jahre später<br />
für die Heere von Arbeitssuchenden,<br />
die von Stadt zu Stadt zogen.“ 22<br />
Als am 18. Februar 1920 die Mitbegründerin<br />
der Evangelischen Bahnhofsmission<br />
<strong>Oberhausen</strong>, Franck,<br />
starb, würdigte Pfarrer Neussel ihre<br />
Verdienste in einer Traueranzeige in<br />
der <strong>Oberhausen</strong>er Zeitung (Abb. 5).<br />
Wie werden die Arbeit der <strong>Oberhausen</strong>er<br />
Bahnhofsmission in den folgenden<br />
Kapiteln weiter verfolgen.<br />
Gertrud Zillich und der<br />
Evangelische Frauenverein<br />
für Jugendschutz e.V.<br />
Eng mit der Bahnhofsmission in<br />
<strong>Oberhausen</strong> verbunden war die Arbeit<br />
der Lehrerin Gertrud Zillich. Mit Blick<br />
auf die Not junger Frauen am Ende<br />
des Ersten Weltkriegs, die erst in den<br />
Rüstungs- und Munitionsfabriken ihre<br />
Stellen verloren, dann auch in vielen<br />
anderen Betrieben, um Platz für die<br />
heimkehrenden Soldaten zu machen,<br />
gründete sie zusammen mit Pfarrer<br />
Neussel und einigen weiteren evangelischen<br />
Pfarrern und engagierten Christinnen<br />
und Christen am 23. März 1918<br />
den Evangelischen Frauenverein für<br />
Jugendschutz e.V. 23 Sie gilt als herausragende<br />
Gründerpersönlichkeit der<br />
Diakonie in <strong>Oberhausen</strong>. 24<br />
rechte Seite Abb. 6: Entwicklungsbericht<br />
des Evangelischen Frauenvereins für<br />
Jugendschutz e.V. 1917 – 1925.<br />
28
29<br />
Am Anfang stand ... ein Bahnhof
100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />
Gertrud Zillich war eine Pfarrerstochter<br />
aus Pommern. Nach einer Ausbildung<br />
in Bethel ging sie in die Mission<br />
nach Afrika. Nach ihrer Heirat<br />
mit dem Lehrer Dr. Johannes Zillich<br />
zog das Ehepaar nach <strong>Oberhausen</strong>.<br />
Während des Ersten Weltkriegs kümmerte<br />
sich Gertrud Zillich um Verwundete<br />
in den <strong>Oberhausen</strong>er Krankenhäusern.<br />
Gleichzeitig übernahm<br />
sie den Vorsitz des von ihr mitgegründeten<br />
Vereins. <strong>Die</strong>ser hatte sich zur<br />
Aufgabe genommen „nachgehende<br />
Fürsorge an gefährdeten Kindern beiderlei<br />
Geschlechts und weiblichen Erwachsenen<br />
[anzubieten und] Rat und<br />
Hilfe für Arbeit und Erwerb suchende<br />
Mädchen [zu gewähren].“ 25<br />
Eine Bahnhofsmissionarin unterstützte<br />
Gertrud Zillich in den ersten<br />
Jahren bei ihrer Arbeit, die schnell größeren<br />
Umfang entwickelte. 1919 wurden<br />
427 Personen, darunter 119 Fürsorgefälle,<br />
im Heim- und Außendienst<br />
betreut. „<strong>Die</strong> Gemeinschaft mit der<br />
Bahnhofsmission wurde durch Uebernahme<br />
ihres Heimzimmers gefestigt,<br />
die Verbindung mit den Gemeindeschwestern<br />
gesucht, die Arbeitsgebiete<br />
mit den Behörden und katholischen<br />
Vereinen der Stadt eingeteilt und abgegrenzt.“<br />
26 (Abb. 6)<br />
<strong>Die</strong> Arbeit wurde immer umfangreicher,<br />
so dass im Oktober 1919 Schwester<br />
Margarethe Giese aus Berlin hinzukam.<br />
Ende 1920 konnte der Verein das<br />
Haus Marktstraße 193/195 erwerben,<br />
in dem zunächst ein Mädchenschutzheim<br />
mit acht Plätzen eingerichtet<br />
wurde. Auch die Bahnhofsmission<br />
konnte bei Bedarf junge weibliche Reisende<br />
dort kurzzeitig unterbringen.<br />
In der jungen Weimarer Republik<br />
stieg die Arbeitslosigkeit stark an, die<br />
sozialen und wirtschaftlichen Probleme<br />
der Kriegsfolgen waren enorm. Auf<br />
Dauer war Schwester Margarete Giese<br />
nicht in der Lage, gleichzeitig die Aufgaben<br />
der Hausmutter und den <strong>Die</strong>nst<br />
als Außenfürsorgerin wahrzunehmen.<br />
1921 trennte sich daher der Zweig der<br />
„nachgehenden Fürsorge“ zu einem<br />
eigenen <strong>Die</strong>nst der evangelischen Gemeinden<br />
Alt-<strong>Oberhausen</strong>s ab. In der<br />
verwaltungstechnischen Sprache des<br />
Entwicklungsberichts liest sich das so:<br />
„1920 – 1924 wächst sich die offene<br />
Fürsorge von der berufenen Vereinsarbeit<br />
zur beamteten Gemeindearbeit<br />
und Jugendpfarramt aus.“ 27 Das Evangelische<br />
Jugendpfarramt – das heutige<br />
Diakonische <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong> – wurde<br />
gegründet und Schwester Giese<br />
übernahm dessen Leitung zusammen<br />
mit Pfarrer Dr. Wilhelm Schmidt<br />
30
Am Anfang stand ... ein Bahnhof<br />
von der Christuskirche. Ganz ohne<br />
Schmerzen vollzog sich diese Entwicklung<br />
wohl nicht. In der Festschrift zum<br />
100-jährigen Bestehen der Christusgemeinde<br />
aus dem Jahr 1964 ist zu lesen:<br />
„Ursprünglich war daran gedacht worden,<br />
Jugendpflege und Jugendfürsorge<br />
in dieser Stelle zusammenzufassen.<br />
Das Jugendpfarramt ist jedoch nicht<br />
so umfassend geworden, wie sein Initiator<br />
es sich gedacht hatte. <strong>Die</strong> dafür<br />
erforderliche Einmütigkeit der Beteiligten<br />
war nicht vorhanden.“ 28<br />
31
Diakonie im <strong>Oberhausen</strong> der Weimarer Zeit<br />
DIAKONIE IM OBERHAUSEN<br />
DER WEIMARER ZEIT<br />
Nach der Einführung der Kranken-,<br />
Unfall- und Rentenversicherung<br />
durch Bismarck in den 1880er-Jahren<br />
erfolgte der Aufbau des deutschen Sozialstaats,<br />
wie wir ihn heute kennen,<br />
im Wesentlichen in der Weimarer Republik.<br />
In den ersten Jahren der jungen<br />
Republik wurden die Grundlagen<br />
für die zukünftige Sozialfürsorge gelegt.<br />
Der Staat gab nun immer stärker<br />
den Rechtsrahmen vor und kam<br />
auch verstärkt für die Finanzierung<br />
der Sozialen Arbeit auf. Hier nahm<br />
eine Entwicklung ihren Anfang, die<br />
bis heute das Verhältnis von Staat<br />
bzw. Kommunen einerseits und freier<br />
Wohlfahrtspflege andererseits bestimmt.<br />
Mit dem Ende der Monarchie in<br />
Deutschland war eine Jahrtausende<br />
alte Institution verschwunden, die seit<br />
dem römischen Kaiser Konstantin die<br />
christliche Wohltätigkeit aktiv unterstützt<br />
hatte. Der Wechsel von der Monarchie<br />
zur Republik bedeutete für die<br />
diakonischen Einrichtungen eine völlig<br />
neue Situation. Auf welcher Grundlage<br />
sollten sie zukünftig arbeiten? <strong>Die</strong><br />
evangelischen Kirchen taten sich mit<br />
dieser Entwicklung recht schwer, wie in<br />
dem Diakonischen Kompendium betont<br />
wird: „Hatte der Protestantismus<br />
das Kaiserreich als einen mehr oder<br />
weniger evangelischen Staat verstanden,<br />
so stand er der entstehenden Weimarer<br />
Republik skeptisch gegenüber,<br />
auch weil er nicht so wie der Katholizismus<br />
mit dem Zentrum über eine<br />
politische Partei mitgestalten konnte,<br />
was sich auch sozialpolitisch auswirkte.“<br />
29 In patriotischer Gesinnung hatte<br />
auch die Innere Mission im Krieg ein<br />
Mittel der geistigen Erneuerung zu erkennen<br />
geglaubt. 30 Umso schwerer tat<br />
man sich mit den neuen Verhältnissen<br />
nach der Kriegsniederlage, der Revolution<br />
von 1918 und des Versailler Vertrags.<br />
<strong>Die</strong> erste hatten viele Menschen<br />
als Verrat durch die Sozialdemokraten<br />
empfunden, die zweite bedeutete den<br />
Verlust einer staatlichen Ordnung, die<br />
man aus christlicher Überzeugung für<br />
gottgegeben gehalten hatte, und der<br />
dritte konnte nur als einzige Demütigung<br />
durch die Siegermächte begriffen<br />
33
100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />
werden. Mit dieser distanzierten Haltung<br />
zum neuen Staat ging man daran,<br />
die praktische Fürsorge unvermindert<br />
und in Zusammenarbeit mit der Stadt<br />
und anderen Fürsorgevereinen fortzusetzen.<br />
Vom Jugendpfarramt zum<br />
Jugend- und Wohlfahrtsamt<br />
<strong>Die</strong> staatlichen und kommunalen<br />
Strukturen des Kaiserreichs wurden<br />
nun im neuen demokratischen Geist<br />
überarbeitet. So wurde in <strong>Oberhausen</strong><br />
das Städtische Jugendamt mit dem<br />
Wohlfahrtsamt zusammengeführt.<br />
Um dieser Entwicklung zu entsprechen,<br />
wurde 1923 auch das Jugendpfarramt<br />
in „Evangelisches Jugendund<br />
Wohlfahrtsamt“ umbenannt.<br />
Seit den Anfängen des Jugendpfarramtes<br />
liegen Jahresberichte über seine<br />
Tätigkeit vor. Sie erlauben einen Einblick<br />
in die Notlage vieler <strong>Oberhausen</strong>er<br />
während der Weimarer Republik<br />
(natürlich hauptsächlich mit Blick auf<br />
die Bedürftigen der eigenen Konfession)<br />
und mit welchem Engagement<br />
man versuchte, ihr zu begegnen.<br />
In Folge des Krieges war die soziale<br />
Lage in Deutschland sehr angespannt.<br />
Kriegsheimkehrer und insbesondere<br />
Kriegsversehrte fanden keine Arbeit,<br />
Frauen, die während des Krieges die<br />
Arbeitsplätze in Industrie und Wirtschaft<br />
eingenommen hatten, mussten<br />
wieder ausscheiden, um Männern<br />
Platz zu machen. <strong>Die</strong> Reparationen,<br />
die der Versailler Vertrag dem Deutschen<br />
Reich auferlegte, stellten eine<br />
große wirtschaftliche Belastung dar.<br />
Als das Deutsche Reich sich nicht<br />
mehr in der Lage sah, die Reparationszahlungen<br />
zu leisten, erfolgte die Ruhrbesetzung<br />
durch die Alliierten, was<br />
von deutscher Seite mit Generalstreiks<br />
beantwortet wurde. Auch <strong>Oberhausen</strong><br />
war davon betroffen. Da man am Ende<br />
dem Druck der Alliierten nachgeben<br />
musste, warf die Reichsregierung die<br />
„Gelddruckmaschine“ an und nahm<br />
eine Hyperinflation in Kauf. Schon<br />
während des Ersten Weltkriegs hatte<br />
die Deutsche Mark über die Hälfte<br />
ihres Wertes verloren. Der Höhepunkt<br />
der Inflation war im November 1923<br />
erreicht, ehe eine Währungsreform die<br />
Rentenmark (später Reichsmark) einführte.<br />
<strong>Die</strong>se Zeit der Hyperinflation betraf<br />
natürlich auch die Arbeit des Evangelischen<br />
Jugendpfarramtes. Der Jahresbericht<br />
für den Zeitraum 1. April 1922<br />
bis 31. März 1923 wies eine horren-<br />
34
Diakonie im <strong>Oberhausen</strong> der Weimarer Zeit<br />
de Einnahmen-Ausgaben-Rechnung<br />
auf. Gesamteinnahmen in Höhe von<br />
576.299,32 Mark standen Ausgaben<br />
gleicher Höhe gegenüber. 400.000<br />
Mark gingen dabei auf die Evangelischen<br />
Kirchengemeinden <strong>Oberhausen</strong><br />
I, <strong>Oberhausen</strong> II und Alstaden. <strong>Die</strong><br />
Stadt war mit 90.000 Mark der zweitgrößte<br />
Finanzier. Aus öffentlichen<br />
Fonds stammten gut 77.000 Mark. 31<br />
Zum Vergleich: Das Briefporto, das<br />
am Jahresende 1918 noch bei 15 Pfennig<br />
gelegen hatte, kostete am 31. Dezember<br />
1922 bereits 2 Mark. Am 31.<br />
Januar 1923 lag es 50 Mark und am<br />
26. Juni 1923 bei 100 Mark (Abb. 7).<br />
Pfarrer Dr. Schmidt hatte seinen Jahresbericht<br />
am 15. Mai 1923 abgefasst.<br />
Von dieser Zeit an verlor die Inflation<br />
jedes Maß und am 9. November 1923<br />
lag das Porto bei einer Milliarde Mark.<br />
Abb. 7: 100 Mark Inlandsbriefporto<br />
1. März bis 30. Juni 1923.<br />
Sechs Tage später erfolgte eine Währungsreform<br />
und das Porto belief sich<br />
von da an auf 10 Rentenpfennige. <strong>Die</strong><br />
tatsächliche Kaufkraft des Geldes war<br />
also bedeutend geringer als die hohen<br />
Zahlenwerte suggerieren.<br />
<strong>Die</strong> Bahnhofsmission<br />
während und nach<br />
der Besatzung<br />
Auch in anderer Weise war die<br />
Arbeit der diakonischen Einrichtungen<br />
durch die Zeitumstände beeinträchtigt.<br />
So verbot die alliierte Besatzung<br />
der Bahnhofsmission zunächst<br />
ihr Wirken. Bahnhöfe waren öffentliche<br />
Orte, an denen sich immer wieder<br />
Unruhen entzünden konnten. So auch<br />
in <strong>Oberhausen</strong>, dessen Bahnhof am<br />
23. Januar 1923 von belgischem Militär<br />
besetzt worden war. Das Bahnhofspersonal<br />
wurde zeitweise festgesetzt,<br />
der Zugverkehr unterbunden. Reisende<br />
saßen fest und es kam zu Tumulten<br />
am Bahnhofsvorplatz. Am 7. Februar<br />
stellte das städtische Elektrizitätswerk<br />
als Antwort auf den unterbundenen<br />
Zugverkehr dem Bahnhof den Strom<br />
ab. Am 21. Februar wurde ein Polizist<br />
auf dem Bahnhofsvorplatz von französischen<br />
Soldaten tödlich verletzt. <strong>Die</strong><br />
35
100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />
Situation drohte zu eskalieren. Französische<br />
Einheiten hatten inzwischen<br />
die Belgier abgelöst und nahmen den<br />
<strong>Oberhausen</strong>er Oberbürgermeister Havenstein<br />
im Rathaus fest, was deutschlandweit<br />
Aufsehen erregte. Sowohl<br />
Havenstein als auch sein Stellvertreter<br />
wurden zu Haftstrafen verurteilt. <strong>Die</strong><br />
Unterbrechung der Zugverbindungen<br />
in <strong>Oberhausen</strong> hatte natürlich Auswirkungen<br />
auf den gesamten Eisenbahnverkehr.<br />
Überall wurden Streiks<br />
ausgerufen, im Gegenzug wiesen die<br />
Besatzungsbehörden Eisenbahnmitarbeiter<br />
aus dem besetzten Gebiet aus.<br />
Auch <strong>Oberhausen</strong>er Eisenbahner waren<br />
davon betroffen. Erst ab November<br />
1924 konnten sie wieder nach Hause<br />
zurückkehren. 32 Kein Zugverkehr, dafür<br />
chaotische und gefährliche Zustände<br />
am Bahnhof. Auch unabhängig vom<br />
Betätigungsverbot wäre eine Arbeit<br />
der ehrenamtlichen Helferinnen der<br />
Bahnhofsmission unmöglich gewesen.<br />
Erst am 24. Juni 1924 wurde das Verbot<br />
zurück genommen (Abb. 8). 33<br />
Dennoch dauerte es einige Zeit, bis<br />
in <strong>Oberhausen</strong> die Arbeit wieder aufgenommen<br />
wurde. In einem Artikel<br />
der <strong>Oberhausen</strong>er Zeitung vom 11. Januar<br />
1925 wurde auf eine Sammlung<br />
zugunsten der Bahnhofsmission aufmerksam<br />
gemacht, in dem zugleich<br />
darauf hingewiesen wurde, dass man<br />
sich zukünftig nicht mehr nur um<br />
weibliche Reisende kümmern wolle,<br />
sondern auch um männliche Jugendliche.<br />
34<br />
Wie schon vor dem Ersten Weltkrieg,<br />
als die evangelische und katholische<br />
Bahnhofsmissionen neu gegründet<br />
waren, erschienen auch während<br />
der Weimarer Republik immer wieder<br />
Artikel in den <strong>Oberhausen</strong>er Lokalzeitungen,<br />
die für deren Arbeit warben. 35<br />
<strong>Die</strong> Bahnhofsmission war damit die<br />
in der Presse am häufigsten berichtete<br />
und beworbene Arbeit der evangelischen<br />
Diakonie.<br />
Abb. 8: Wiederzulassung der Bahnhofsmission.<br />
<strong>Oberhausen</strong>er Zeitung, 24.6.1924.<br />
36
Diakonie im <strong>Oberhausen</strong> der Weimarer Zeit<br />
Eine neue Grundlage<br />
für die Wohlfahrtspflege:<br />
Das Reichsjugendwohlfahrtsgesetz<br />
Am 1. April 1924 trat schließlich<br />
das Reichsjugendwohlfahrtsgesetz in<br />
Kraft, das bereits 1922 vom Deutschen<br />
Reichstag beschlossen worden war<br />
(Abb. 9). Es löste den preußischen Jugendpflegeerlass<br />
von 1911 ab und legte<br />
erstmals die Grundlagen für die Soziale<br />
Arbeit in ganz Deutschland. <strong>Die</strong><br />
nichtstaatlichen Organisationen der<br />
freien Wohlfahrtspflege gründeten, so<br />
fern noch nicht geschehen, Spitzenverbände,<br />
die fortan Ansprechpartner für<br />
Staat und Kommune darstellten. Seitdem<br />
ist die Soziale Arbeit in Deutschland<br />
geprägt von einem Miteinander<br />
staatlicher und freier Wohlfahrtspflege.<br />
Das Reichsjugendwohlfahrtsgesetz<br />
wurde 1961 unverändert umbenannt<br />
in „Gesetz für Jugendwohlfahrt“ und<br />
galt in der Bundesrepublik bis 1990.<br />
<strong>Die</strong> deutsche Einheit machte eine neue<br />
Gesetzesgrundlage nötig.<br />
Der Geschäftsführende Direktor des<br />
Rheinischen Provinzialausschusses für<br />
Innere Mission, Pfarrer Otto Ohl, kam<br />
in einer Rede 1923 auf diese Entwicklung<br />
zu sprechen. Er verwies „auf die<br />
innovative Rolle, die die Innere Mission<br />
innerhalb der Verbände der Freien<br />
Wohlfahrtspflege und bei den sozialen<br />
Aufgaben innerhalb des Staatswesens<br />
übernommen habe.“ 36 Man erkannte,<br />
dass das starke staatliche Engagement<br />
positiv für die Wohlfahrtspflege war<br />
und keinen Angriff auf die konfessionelle<br />
Wohlfahrtspflege darstellte.<br />
In <strong>Oberhausen</strong> lud das Städtische<br />
Wohlfahrtsamt erstmals 1925 die Spitzenorganisationen<br />
der Freien Wohlfahrtspflege<br />
zu einer Besprechung ein.<br />
In jährlicher Folge wurde in dieser<br />
Zusammensetzung über die Probleme<br />
der Fürsorgearbeit in <strong>Oberhausen</strong><br />
gesprochen und über die städtischen<br />
Zuschüsse für einzelne Projekte der<br />
Freien Wohlfahrtspflege. Dabei war<br />
zu berücksichtigen, dass nunmehr auf<br />
der neuen gesetzlichen Grundlage einige<br />
Bereiche der kommunalen Wohlfahrtspflege<br />
an die freien Träger delegiert<br />
wurden, so dass diese für ihre<br />
Arbeit von der Stadt finanziert werden<br />
mussten. <strong>Die</strong>s entsprach der Idee<br />
der Subsidiarität, wonach der Staat im<br />
Verhältnis zur Gesellschaft nicht mehr,<br />
aber auch nicht weniger tun soll, als<br />
Hilfe zur Selbsthilfe anzubieten. Konkret<br />
hieß das, in der Wohlfahrtspflege<br />
sollten vor Stadt und Staat zunächst die<br />
37
100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />
Abb. 9: Auszug aus dem Reichsgesetzblatt Nr. 54 vom 29. Juli 1922.<br />
38
Diakonie im <strong>Oberhausen</strong> der Weimarer Zeit<br />
Freien Träger zum Zuge kommen. In<br />
<strong>Oberhausen</strong> gehörten zu diesem Kreis<br />
evangelischerseits die Innere Mission,<br />
vertreten durch Pfarrer Dr. Wilhelm<br />
Schmidt, katholischerseits der Caritasverband,<br />
dazu die Arbeiterwohlfahrt,<br />
der Vaterländische Frauenverein (eine<br />
Unterorganisation des Roten Kreuzes)<br />
und die Israelitische Wohlfahrtspflege.<br />
<strong>Die</strong> katholischen Einrichtungen<br />
erhielten erstmals von der Stadt 3.000<br />
RM für die laufende Arbeit und 9.500<br />
RM für Gebäude, die evangelischen<br />
erhielten 2.750 RM für die laufende<br />
Arbeit und 4.000 RM für Gebäude, die<br />
Arbeiterwohlfahrt 3.000 RM für laufende<br />
Zwecke. <strong>Die</strong> beiden anderen Institutionen<br />
erhielten keine städtischen<br />
Zuwendungen mit der Begründung:<br />
„Beide Organisationen dürften auch<br />
allgemein so gestellt sein, dass eine<br />
Unterstützung der Stadt nicht so dringend<br />
notwendig ist wie bei den übrigen<br />
Organisationen.“ Sowohl der Vaterländische<br />
Frauenverein als auch die<br />
Israelitische Wohlfahrtspflege hatten<br />
schon gar keinen Antrag bei der Stadt<br />
eingereicht. 37<br />
Margarethe Giese hatte 1924 ihrer<br />
Hoffnung Ausdruck gegeben, dass die<br />
geplante Zusammenarbeit der gesamten<br />
Wohlfahrtspflege eine aktivere und<br />
erfolgreichere Kooperation auf diesem<br />
Gebiet ermöglichen werde. 38 In der Tat<br />
erwies sich dieses Miteinander als sehr<br />
eng und gut. Herta Zilly 39 und Gerhard<br />
Holtz betonten in der Festschrift zum<br />
75-jährigen Jubiläum des Diakonischen<br />
<strong>Werk</strong>es 1996: „Auf katholischer<br />
Seite gab es den Katholischen Fürsorgeverein,<br />
der nur wenig später als das<br />
Evangelische Jugendpfarramt gegründet<br />
worden war. Der dortige Leiter,<br />
Pastor Schmitz, arbeitete eng mit dem<br />
Evangelischen Jugendpfarramt zusammen.<br />
Beide hatten bald eine rege<br />
Arbeitsverbindung mit dem ersten<br />
Jugendamtsleiter der Stadt, Herrn Dr.<br />
Langweg – wie in einem Bericht aus<br />
jener Zeit formuliert.“ 40 Da die Stadt<br />
die Arbeit der Freien Wohlfahrtsverbände<br />
bezuschusste, mussten diese<br />
jährlich über die Verwendung der Gelder<br />
Rechenschaft ablegen. Aus diesen<br />
Tätigkeitsberichten erhalten wir heute<br />
noch einen gewissen Einblick in deren<br />
Arbeit.<br />
Gleichwohl wurde jährlich in diesen<br />
Sitzungen um die Höhe der Zuschüsse<br />
kräftig gerungen. Caritas und Innere<br />
Mission standen hierbei meist Seit an<br />
Seit gegen die Arbeiterwohlfahrt. Nach<br />
langem Ringen zahlte die Stadt <strong>Oberhausen</strong><br />
Ende 1925 folgende Zuschüsse,<br />
wie sie in der Tabelle oben dargestellt<br />
sind.<br />
39
100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />
laufende Zwecke<br />
Caritasverband<br />
Fürsorgeverein für Frauen, Mädchen und<br />
Kinder sowie Männerfürsorgeverein<br />
Kath. Mädchenschutzverein<br />
Kath. Bahnhofsmission<br />
Innere Mission<br />
Offene Fürsorge (Jugendfürsorge)<br />
Frauenverein für Jugendschutz<br />
Evang. Bahnhofsmission<br />
Arbeiterwohlfahrt<br />
5.250 Mark<br />
4.500 Mark<br />
500 Mark<br />
250 Mark<br />
3.750 Mark<br />
3.000 Mark<br />
500 Mark<br />
250 Mark<br />
3.000 Mark<br />
Hinzu kamen einmalige Leistungen<br />
für Bauprojekte. Für evangelische<br />
Einrichtungen beliefen sich diese auf<br />
4.000 Mark.<br />
<strong>Die</strong> Neustrukturierung der Wohlfahrtspflege<br />
stellte nicht nur für <strong>Oberhausen</strong><br />
Neuland dar. 1925 fragte die<br />
Stadt Barmen (heute ein Stadtteil<br />
von Wuppertal) an, wie hoch die Zuschüsse<br />
der Stadt <strong>Oberhausen</strong> für das<br />
Evangelische Jugend- und Wohlfahrtsamt<br />
seien. Das dortige Jugend- und<br />
Wohlfahrtsamt hatte seinen Antrag<br />
auf Unterstützung ausdrücklich mit<br />
Verweis auf die <strong>Oberhausen</strong>er Praxis<br />
begründet. <strong>Die</strong> Stadt Barmen wollte<br />
zugleich auch erfahren, welche Verpflichtungen<br />
die konfessionellen Einrichtungen<br />
gegenüber der Stadt eingegangen<br />
seien. In der Antwort der Stadt<br />
<strong>Oberhausen</strong> wurden die Arbeitsbereiche<br />
des Evangelischen Jugend- und<br />
Wohlfahrtsamt beschrieben: Es „versieht<br />
auf dem Gebiete der Jugendwohlfahrtspflege<br />
den Außendienst in der<br />
Fürsorgeerziehung, in der Schutzaufsicht<br />
und in der Jugendgerichtsbarkeit.<br />
Ausserdem leistet es durch den Evgl.<br />
Frauenverein für Jugendschutz der<br />
Stadt wertvolle <strong>Die</strong>nste durch seine<br />
halboffene Fürsorge gefährdeter junger<br />
Mädchen, Frauen und Kinder.“ 41<br />
40
Diakonie im <strong>Oberhausen</strong> der Weimarer Zeit<br />
<strong>Die</strong> Stadt Barmen hatte gleichlautende<br />
Anfragen an viele Städte im<br />
Rheinland und dem Ruhrgebiet verschickt.<br />
Das Ergebnis war von Stadt<br />
zu Stadt sehr unterschiedlich. Duisburg<br />
zahlte 1924 beispielsweise 2.500<br />
RM an die freie Wohlfahrtspflege und<br />
plante für 1925 mit dem gleichen Betrag.<br />
Dortmund übernahm 75 Prozent<br />
der Personalkosten von je vier evangelischen<br />
und katholischen Vereinen.<br />
Düsseldorf veranschlagte für 1925<br />
einen Betrag von 50.000 RM. An dieser<br />
Aufstellung wird deutlich, wie tastend<br />
sich die Kommunen und die Träger<br />
der Freien Wohlfahrtsverbände an<br />
die neue Situation heran bewegten. 42<br />
Nicht nur die Kommunen unterstützten<br />
die Arbeit der Freien Wohlfahrtspflege.<br />
Auch die Rheinprovinz<br />
stellte 1924 2.000 RM für die „Besserung<br />
der gefährdeten und verwahrlosten<br />
Jugend“ zur Verfügung. 43 Davon<br />
gingen 40 RM an den katholischen<br />
Fürsorgeverein und 30 RM an das<br />
Evangelische Jugendamt.<br />
<strong>Die</strong> Umstellung der Wohlfahrt nach<br />
Inkrafttreten des Reichsjugendwohlfahrtsgesetzes<br />
betraf nicht nur die Finanzierung.<br />
Es musste geklärt werden,<br />
welche Organisationen als seriöse<br />
Ansprechpartner für die Kommunen<br />
in Frage kamen. <strong>Die</strong> Freien Wohlfahrtsverbände<br />
schlossen sich teilweise<br />
zu einem engeren Verbund zusammen,<br />
wie der Deutsche Städtetag<br />
am 1. Juni 1925 seinen Mitgliedern<br />
mitteilte. So hatten sich der Zentralausschuss<br />
für die Innere Mission, der<br />
Deutsche Caritasverband, die Zentralwohlfahrtsstelle<br />
der deutschen Juden,<br />
die Vereinigung der freien privaten<br />
gemeinnützigen Wohlfahrtseinrichtungen<br />
Deutschlands und der Zentralwohlfahrtsausschuss<br />
der christlichen<br />
Arbeiterschaft in der „Deutschen Liga<br />
der freien Wohlfahrtspflege“ zusammen<br />
gefunden. Ausgeschlossen waren<br />
dagegen das Deutsche Rote Kreuz und<br />
der Hauptausschuss für Arbeiterwohlfahrt.<br />
44 <strong>Die</strong>s sollte auch die eigene Position<br />
gegenüber den Kommunen stärken.<br />
Da die Arbeiterwohlfahrt damals<br />
die Bedeutung der Freien Wohlfahrtspflege<br />
anders einschätzte, sich selbst<br />
nur als Übergangslösung ansah und<br />
die Stellung von Staat und Kommunen<br />
stärken wollte, nahm sie an dieser Vereinigung<br />
nicht teil. 45<br />
<strong>Die</strong> neue Rechtslage und Verwaltungsstruktur<br />
war kompliziert.<br />
Deshalb wurden Fortbildungsveranstaltungen<br />
durchgeführt. <strong>Die</strong> Verwaltungshochschule<br />
der Universität<br />
Köln und die Wohlfahrtsschule der<br />
41
100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />
Stadt Köln boten beispielsweise zusammen<br />
mit dem Landeshauptmann<br />
der Rheinprovinz und den Regierungspräsidenten<br />
von Köln, Aachen,<br />
Koblenz und Trier im Juni 1924 eine<br />
einwöchige Schulung an. Ziel war es,<br />
„Organisationsschwierigkeiten, die<br />
sich zu Beginn der Durchführung des<br />
Jugendwohlfahrtsgesetzes und der<br />
Fürsorgepflichtverordnung bereits gezeigt<br />
haben“, anzusprechen und Hilfe<br />
zu leisten. Aus den Akten der Stadt<br />
Osterfeld geht allerdings hervor, dass<br />
zumindest dort eine Teilnahme nicht<br />
beabsichtigt war. 46<br />
<strong>Die</strong> Arbeit des Jugend- und<br />
Wohlfahrtsamtes bis zum<br />
Ende der Weimarer Republik<br />
Aus den Besprechungsprotokollen<br />
kann man erkennen, wie die Arbeit<br />
der Inneren Mission erfolgte. Pfarrer<br />
Dr. Schmidt begründete nämlich seinen<br />
Antrag damit, „dass vor allem die<br />
Arbeit in der Jugendfürsorge Berücksichtigung<br />
finden müsse. <strong>Die</strong> ‚Innere<br />
Mission‘ beschäftige in der offenen Jugendfürsorge<br />
drei vorgebildete Kräfte,<br />
die nach Gruppe VI bezahlt würden<br />
und die fast ausschliesslich mit Aufgaben<br />
bedacht seien, die zugleich Pflichtaufgaben<br />
der Gemeinden sind. Jede<br />
Fürsorgerin erhalte durchschnittlich<br />
250.-- Mk., sodass allein für Personal<br />
in der offenen Fürsorge der Inneren<br />
Mission eine Ausgabe von Jährlich<br />
9.000 Mk. entstehe. Es sei nicht unbillig,<br />
wenn die Innere Mission eine Beihilfe<br />
von 3.000 Mk. für die offene Fürsorge<br />
erwarte.“ 47<br />
Um die immer weiter wachsende<br />
Arbeit zu bewältigen, wurde am 1. April<br />
1924 eine weitere Fachkraft, Fürsorgerin<br />
Maria Middendorf, eingestellt. 48<br />
Sie arbeitete 36 Jahre für die Diakonie<br />
<strong>Oberhausen</strong>, ehe sie zum 1. April 1960<br />
feierlich in den Ruhestand verabschiedet<br />
wurde. <strong>Die</strong> gebürtige Ostfriesin<br />
Maria Middendorf war die Schwester<br />
des späteren Kirchenpräsidenten der<br />
Evangelisch-reformierten Kirche in<br />
Nordwestdeutschland, Friedrich Justus<br />
Heinrich Middendorf. Ihre Schwester<br />
war Pfarrfrau in Alstaden und so kam<br />
der Kontakt zu <strong>Oberhausen</strong> zustande.<br />
Zudem wurde eine weitere Stelle im<br />
Jugend- und Wohlfahrtsamt geschaffen,<br />
die für die Rechtsberatung zuständig<br />
sein sollte. <strong>Die</strong>se Stelle übernahm<br />
Frau Dr. König. Über die Arbeit dieser<br />
Rechtsschutzstelle informiert uns<br />
ein kurzer Bericht an die Stadt vom<br />
42
Diakonie im <strong>Oberhausen</strong> der Weimarer Zeit<br />
Themengebiet<br />
Anzahl<br />
Beratungen<br />
Familienrecht 41<br />
sonstiges<br />
bürgerliches Recht<br />
17. März 1926. Man musste zugeben,<br />
dass die Einrichtung noch nicht wirklich<br />
bekannt geworden sei. Im Zeitraum<br />
Juni bis Dezember 1925 wurde<br />
die Einrichtung 117 mal in Anspruch<br />
genommen. Dabei ging die Mehrzahl<br />
der Fälle über eine bloße Rechtsberatung<br />
hinaus (offenbar waren vor allem<br />
männliche Ratsuchende damit zufrieden):<br />
„<strong>Die</strong> Beamtin hat in Sachen der<br />
Rechtsschutzstelle genau 100 persönliche<br />
Ermittlungen und Besprechungen<br />
bei Privaten erledigt, 52 Verhandlungen<br />
mit Behörden und ähnlichen Stellen<br />
geführt, 67 Briefe und Schriftstücke<br />
angefertigt. Weiter waren erforderlich:<br />
4 Begleitungen von Ratsuchenden,<br />
3 Reisen, 7 Sitzungen und die persönliche<br />
Wahrnehmung von Terminen in<br />
nur 1 Falle.“ 49 Aufgeführt wird auch<br />
die Verteilung der Fälle auf die <strong>Oberhausen</strong>er<br />
Gemeinden: 76 kamen aus<br />
der Kirchengemeinde <strong>Oberhausen</strong> I<br />
(Christuskirche), 9 aus der Kirchengemeinde<br />
<strong>Oberhausen</strong> II (Lutherkirche),<br />
11 aus der Kirchengemeinde<br />
Alstaden und 21 aus anderen Kirchengemeinden.<br />
<strong>Die</strong> Aufgliederung nach<br />
Themengebieten der Beratungen ist<br />
aufschlussreich. Familienrechtliche<br />
Fragen stehen unangefochten an der<br />
Spitze. Ehe- und Familienstreitfragen<br />
beschäftigte offenbar die Menschen<br />
besonders, so dass sie Rechtshilfe such-<br />
Privatversicherungsfragen<br />
Sozialversicherung/<br />
Rentenfragen<br />
21<br />
2<br />
18<br />
Arbeitsstreitigkeiten 6<br />
Steuersachen 2<br />
Aufwertung 13<br />
Sonstige 14<br />
Summe 117<br />
ten. Auffallend gering sind dagegen die<br />
arbeitsrechtlichen Fragen.<br />
Auch in den Folgejahren blieb die<br />
Nachfrage nach der Rechtsberatung<br />
hinter den Erwartungen zurück. Als<br />
die Fürsorgerin, eine Nationalökonomin,<br />
im Frühjahr 1929 ausschied,<br />
wurde die Rechtsauskunftsstelle wieder<br />
aufgegeben.<br />
<strong>Die</strong> Arbeit des Jugend- und Wohlfahrtsamts<br />
ist in Jahresberichten dokumentiert,<br />
so dass wir einen guten Einblick<br />
haben. <strong>Die</strong> Statistik der jährlich<br />
behandelten Fälle zeigt die Zunahme<br />
der Arbeit und damit auch der gesell-<br />
43
100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />
Jahr<br />
Fälle<br />
1921 435<br />
1922 370<br />
1923 keine Angabe<br />
1924 420<br />
1925 593<br />
1926 529<br />
1927 1079<br />
1928 1412<br />
1929 1153<br />
1930 1262<br />
1931 1414<br />
1932 1304<br />
schaftlichen Bedeutung der diakonischen<br />
Arbeit:<br />
<strong>Die</strong> fehlenden Angaben zum Jahr<br />
1923 waren durch einen halbjährigen<br />
krankheitsbedingten Ausfall von<br />
Schwester Giese begründet. Mangels<br />
einer Vertretung war die Erstellung<br />
einer Statistik nicht möglich.<br />
<strong>Die</strong> Jahresberichte sind ihrer Natur<br />
gemäß meist sachliche Zahlenwerke,<br />
die die Arbeit des Jugend- und Wohlfahrtsamtes<br />
dokumentieren. Doch<br />
Margarethe Giese fügte durchaus persönliche<br />
Eindrücke hinzu, die einen<br />
Einblick in die Not der Menschen in<br />
<strong>Oberhausen</strong> geben, die auf die Hilfe<br />
der Kirche angewiesen waren. Aus<br />
dem Jahresbericht für das Jahr 1924<br />
soll daher Schwester Giese etwas ausführlicher<br />
zu Wort kommen: 50<br />
„Nur derjenige, welcher sich einmal<br />
die Zeit lässt, über die Ursache der<br />
unglücklichen Lage so vieler Kinder<br />
unserer Stadt nachzudenken, kann ermessen,<br />
was es heisst, dass 39 Kinder<br />
oder Jugendliche in so unglücklichen<br />
Verhältnissen lebten oder so verwahrlost<br />
waren, dass wir nach genauer Prüfung<br />
der Verhältnisse, nach mancherlei<br />
andern Versuchen wie Schutzaufsicht<br />
oder anderweitige Unterbringung,<br />
doch Fürsorgeerziehung beantragen<br />
mussten. Nur schwer entschliessen<br />
wir uns dazu, einen solchen Antrag zu<br />
stellen; nicht etwa weil wir fürchteten,<br />
die Kinder möchten es nicht gut bekommen,<br />
sondern weil es einen tief<br />
einschneidenden Riss in die natürlichen<br />
Bande der Familie bedeutet. […]<br />
In 19 Fällen konnten wir die weitere<br />
Verwahrlosung verhindern durch Beantragung<br />
von Sorgerechtsentziehung<br />
und Gestellung eines Pflegers. Wie viel<br />
Vernachlässigung, Misshandlung und<br />
Vergewaltigung von Seiten der Eltern<br />
ist vorangegangen, bis es soweit gekommen<br />
ist. Man ist immer wieder<br />
tief erschüttert ob all dem Herzeleid,<br />
44
Diakonie im <strong>Oberhausen</strong> der Weimarer Zeit<br />
was so ein Kinderherz schon erdulden<br />
muss! In vielen Fällen wurden wir aber<br />
erst zu spät benachrichtigt, als die Kinder<br />
schon an Leib und Seele schweren<br />
Schaden gelitten hatten.<br />
Ich könnte in einer Reihe von einzelnen<br />
Bildern aus der Arbeit das eben<br />
gesagte krass beleuchten und tue es<br />
doch nicht. Es könnte dies zu allerlei<br />
berechtigten und unberechtigten Vermutungen<br />
und Ausdeutungen Anlass<br />
geben. Abgesehen davon, dass man<br />
mit kurzen Worten nie das Leid eines<br />
Menschenlebens erschöpfen kann,<br />
dienen solche Zurschaustellungen<br />
menschlichen Elends meist nur der<br />
Befriedigung der Sensationslust. Den<br />
Erfolg, dass sich die Leser solcher traurigen<br />
[sic] Berichte nun von ganzem<br />
Herzen für die Linderung der Not einsetzen,<br />
hat man selten. Wer mit dem<br />
brennenden Wunsch, zu helfen, zu uns<br />
kommt, der wird mit Erschütterung<br />
Einblick gewinnen in die Gesamtnot<br />
unserer Jugend und in die der einzelnen<br />
Familie, die seiner besonderen<br />
Fürsorge anvertraut wird.“<br />
Sr. Giese erläuterte in dem Bericht<br />
auch die Inhalte ihrer Arbeit, so dass<br />
man zumindest erahnen kann, welch<br />
schwere Schicksale sich hinter den<br />
nackten statistischen Angaben verbergen.<br />
„Wir haben 22 Schutzaufsichten<br />
geführt. Vielen ist das Wort ‚Schutzaufsicht‘<br />
noch ganz unbekannt und<br />
doch hätten wir noch so viele Menschen<br />
nötig, die bereit sind, uns durch<br />
Uebernahme einer Schutzaufsicht zu<br />
helfen. Eine Schutzaufsicht wird angeordnet,<br />
wenn die elterliche Erziehung<br />
nicht mehr ausreicht. Es handelt sich<br />
also um eine Aufsicht über Jugendliche<br />
unter engster Fühlungnahme mit den<br />
Eltern. Da heisst es vor allem, das Vertrauen<br />
gewinnen und Anteil nehmen<br />
an allem, was den Schützling anlangt.<br />
Bei Mädchen, die wir ausserhalb <strong>Oberhausen</strong>s<br />
untergebracht haben, handelt<br />
es sich um einen regen Briefwechsel<br />
mit ihnen und evt. mit der Herrschaft,<br />
auch um gelegentliche Besuche. Da<br />
heisst es, wie eine Mutter am Ergehen<br />
der Tochter teilnehmen und immer<br />
wieder raten und helfen, mahnen und<br />
trösten.“<br />
<strong>Die</strong> Folgen des Krieges mit dem<br />
Verlust von Vätern, Scheitern von<br />
Ehen, Arbeitslosigkeit, Armut und soziale<br />
Verelendung trafen gerade auch<br />
die Kinder und Jugendlichen. „Es gibt<br />
doch viel zu denken, dass von den 420<br />
Jugendlichen, denen wir zu helfen hatten,<br />
nur 160 beide Eltern hatten. 30<br />
waren Waisen, 97 waren Halbwaisen,<br />
53 hatten Stiefvater oder Stiefmutter,<br />
14 waren unehelich. Bei 50 war die<br />
Ehe der Eltern geschieden oder lebten<br />
45
100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />
dieselben getrennt, oder auch in wilder<br />
Ehe.“ Margarethe Giese warb mit<br />
großer Empathie um Unterstützung:<br />
„Wenn man unsre grossen und kleinen<br />
Kinder bei fürsorgender Tätigkeit kennen<br />
lernt und sich dabei bemüht die<br />
guten Anlagen und die Schwierigkeiten<br />
ihres Charakters herauszufinden,<br />
so muss man sie lieb haben. Sie lassen<br />
uns nicht wieder los; dann werden sie<br />
unsere Kinder, die unser Leben reich<br />
machen, und wir, die wir geben wollten,<br />
werden die Nehmenden.“<br />
<strong>Die</strong>ser Empathie entsprach das große<br />
Engagement: „Darum fordert jeder<br />
einzelne Fall eine genaue Prüfung und<br />
verschiedene Wege, Verhandlungen,<br />
Berichte und Briefe. So sind für zwei<br />
Schwestern, 16 u. 18 Jahre alt, 33 Ermittlungsbesuche,<br />
z. Teil in Dellwig,<br />
z. Teil in Alstaden und Mülheim nötig<br />
gewesen, dazu 2 Tagesreisen und<br />
31 zum Teil lange Berichte und Briefe.<br />
In einem andern Fall, der mehrere<br />
Geschwister betraf, wurden von uns<br />
26 Ermittlungsbesuche und 4 Reisen<br />
gemacht und 30 Berichte und Briefe<br />
geschrieben. Ausserdem wurde noch<br />
vom Frauenverein für Jugendschutz<br />
ein Teil der Kinder weiter betreut<br />
durch Stellenvermittlung, Besuche<br />
usw. […] <strong>Die</strong> Gesamtzahl der Ermittlungs-<br />
und Hausbesuche betrug 1248,<br />
die der Verhandlungen mit behördlichen<br />
Stellen 461.“<br />
Schließlich ist noch anzumerken,<br />
dass die gute Arbeit in enger Kooperation<br />
mit anderen evangelischen Einrichtungen<br />
der Jugendfürsorge erfolgte:<br />
„Grossen Dank schulden wir dem<br />
Ev. Waisenhaus und dem Heim des<br />
Frauenvereins für Jugendschutz, die<br />
immer bereit waren, unsere Schutzbefohlenen,<br />
die wir sofort unterbringen<br />
mussten, aufzunehmen.“<br />
Vor allem die tiefe christliche, dem<br />
notleidenden Nächsten zugewandte<br />
Motivation der Arbeit wird am Ende<br />
des Jahresberichts deutlich:<br />
„Wir werden oft darnach gefragt, ob<br />
unsere Arbeit Erfolg habe. Wir arbeiten<br />
nicht um des Erfolges willen, aber<br />
wir dürfen doch sagen, dass wir vielen<br />
nachhaltig haben helfen dürfen.<br />
Von vielen hoffen wir, dass der Same<br />
manchen guten Wortes später einmal<br />
aufgehen wird. Wenn wir keinen Erfolg<br />
sehen, liegt das nicht allermeist an<br />
unserer Arbeit? Oder vielmehr an der<br />
Arbeit, die wir versäumt haben? Hätten<br />
wir rechtzeitig eine Pflege-, Lehroder<br />
<strong>Die</strong>nststelle vermitteln können,<br />
dann wäre manchem noch zu helfen<br />
gewesen. Hätte dieses Mädchen eine<br />
mütterliche Freundin gehabt, oder je-<br />
46
Diakonie im <strong>Oberhausen</strong> der Weimarer Zeit<br />
ner Bursche einen fröhlichen älteren<br />
Kameraden gefunden, der ihn in den<br />
Verein mitgenommen hätte, dann<br />
wäre der ‚Erfolg‘ auch ein anderer gewesen.<br />
Vielleicht wird ein unglückliches<br />
Menschenkind einmal sagen: Es<br />
hat doch einmal ein Mensch an das<br />
Gute in mir geglaubt und hat mich<br />
lieb gehabt! Wenn wir es nicht vermögen,<br />
jedem, der unsere Hilfe sucht,<br />
zu vertrauen und das Gute in ihm zu<br />
suchen, dann sollen wir unsere Arbeit<br />
aufgeben. Wir könnten sonst einer<br />
Menschenseele durch unser Mistrauen<br />
[sic] und durch unsere Lieblosigkeit<br />
den letzten Weg versperren. Karl Hesselbacher<br />
sagt einmal: Liebe ist nie fertig<br />
mit einem Menschen. Sie hat viel zu<br />
viel Sorge, dass eine ewige Liebe einmal<br />
mit ihr ‚fertig‘ sein könnte, wenn<br />
sie selbst ‚fertig‘ sein wollte mit einem<br />
Menschenkind.“<br />
Für die Zusammenarbeit von Stadt<br />
und Freier Wohlfahrtspflege wurden<br />
am 12. November 1926 Grundsätze<br />
aufgestellt. 51 Wieder waren es die Spitzenverbände<br />
Caritasverband (Katholischer<br />
Fürsorgeverein für Mädchen,<br />
Frauen und Kinder und der Katholische<br />
Männerfürsorgeverein), die Evangelische<br />
Innere Mission (Evangelisches<br />
Jugend- und Wohlfahrtsamt), die Jüdische<br />
Wohlfahrtspflege (Israelitischer<br />
Frauenverein) sowie die Arbeiterwohlfahrt,<br />
die als Gegenüber der Stadtverwaltung<br />
in Erscheinung traten.<br />
Grundsätzlich sollte das Städtische Jugendamt<br />
sich bei seinen Ermittlungen<br />
und Feststellungen in allen Fällen der<br />
Hilfe der zuständigen Organisationen<br />
der freien Wohlfahrtspflege bedienen,<br />
„soweit nicht besondere Abweichungen<br />
festgelegt sind oder das Jugendamt<br />
aus besonderen Gründen im Einzelfalle<br />
die Arbeit selbst zu übernehmen<br />
wünscht.“<br />
<strong>Die</strong> Grafik auf den nächsten Seite<br />
veranschaulicht diese Grundsätze<br />
(Abb. 10).<br />
Aus diesen Grundsätzen wird auch<br />
deutlich, wie vielfältig die Aufgaben<br />
waren, die die Freien Wohlfahrtseinrichtungen<br />
im Auftrag der Stadt<br />
übernahmen. Um Streitigkeiten von<br />
vorneherein zu vermeiden, wurde festgehalten,<br />
dass das Bekenntnis des Minderjährigen<br />
für die Zuteilung entscheidend<br />
sein müsse. Evangelische Kinder<br />
sollten von evangelischen Einrichtungen<br />
betreut werden, katholische von<br />
katholischen usw. Streitpunkte gab es<br />
immer wieder, wenn sich die Eltern<br />
nicht einigen konnten, weil z. B. ein Elternteil<br />
konfessionslos war oder einer<br />
anderen Konfession angehörte als das<br />
Kind. All diese Arbeitsfelder prägten<br />
47
100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />
Grundsätze für das<br />
Zusammenarbeiten des<br />
städt. Wohlfahrtsamtes,<br />
Abt. Jugendamt, mit den<br />
Organisationen der Freien<br />
Wohlfahrtspflege auf dem<br />
Gebiet der Jugendfürsorge.<br />
Beschlossen in der Sitzung<br />
des Jugendamtsausschusses<br />
vom 12. November 1926.<br />
II. Abgrenzung der<br />
Arbeit zwischen<br />
Jugendamt und den<br />
Organisationen der<br />
Freien Wohlfahrtspflege<br />
Abb. 10: Grundsätze für das Zusammenarbeiten<br />
des städt. Wohlfahrtsamtes,<br />
Abt. Jugendamt, mit<br />
den Organisationen der freien<br />
Wohlfahrtspflege auf dem Gebiete<br />
der Jugendfürsorge. Beschlossen<br />
in der Sitzung des Jugendamtsausschusses<br />
vom 12. November 1926.<br />
48
Diakonie im <strong>Oberhausen</strong> der Weimarer Zeit<br />
Gemeindewaisenrat (Vorschlag von<br />
Vormündern, Pflegern etc.)<br />
Organisation der freien Wohlfahrtspflege<br />
Amtsvormundschaft<br />
Jugendamt übernimmt für uneheliche Kinder<br />
Umwandlung in Einzelvormundschaft,<br />
wenn Unterhaltsfrage geklärt ist<br />
Pflegekinderwesen<br />
grundsätzlich Unterbringung von Pflegekindern in<br />
Pflegefamilien der gleichen Weltanschauung<br />
Organisationen sind dem Jugendamt bei der Suche<br />
von Pflegefamilien behilflich<br />
Schutzaufsicht<br />
Anträge werden nur vom Jugendamt beim Vormundschaftsgericht<br />
oder Jugendgericht gestellt<br />
Organisationen stellen Helfer<br />
Helfer müssen vierteljährlich Bericht an Jugendamt erstatten<br />
Fürsorgeerziehung<br />
Anträge auf Anordnung der Fürsorgeerziehung<br />
werden nur vom Jugendamt gestellt<br />
Organisationen nehmen Ermittlungen vor<br />
Überführung der Zöglinge übernehmen die Organisationen<br />
Jugendamt übernimmt Papierkram / Geldeinzug bei Eltern<br />
Jugendgerichtshilfe<br />
Organisationen übernehmen die Ermittlungen<br />
Organisationen erstatten dem Jugendgericht Bericht<br />
Organisationen berichten an das Jugendamt<br />
Jugendschöffen<br />
Jugendamt holt Vorschläge der Organisationen ein<br />
49
100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />
fortan auch das Wirken des Evangelischen<br />
Jugend- und Wohlfahrtsamtes.<br />
Aus dem Jahresbericht des Evangelischen<br />
Jugend- und Wohlfahrtsamtes<br />
für das Jahr 1927 52 und dem Rechenschaftsbericht<br />
an die Stadt <strong>Oberhausen</strong><br />
vom 27. Mai 1927 53 geht hervor,<br />
dass insgesamt fünf Mitarbeiterinnen<br />
hauptamtlich angestellt waren: Geschäftsführerin<br />
Anni Jost, die vom<br />
Evangelischen Jugendamt in Schwerte<br />
nach <strong>Oberhausen</strong> gewechselt war<br />
und Schwester Margarethe Giese abgelöst<br />
hatte. Letztere übernahm die<br />
Leitung des Heims der Mitternachtsmission<br />
in Hamburg. <strong>Die</strong> Fürsorgerinnen<br />
Maria Middendorf, die allerdings<br />
wegen ihrer angeschlagenen Gesundheit<br />
für ein Vierteljahr ausfiel und von<br />
Fürsorgerin L. Killmer aus Barmen<br />
vertreten wurde. Zur Entlastung der<br />
Fürsorgerinnen wurde die Bürogehilfin<br />
Baum eingestellt. Man organisierte<br />
Kleinkinderspeisung an den Schulen<br />
Duisburger Straße, Grenzstraße<br />
und Nohlstraße sowie im Waisenhaus<br />
und im Säuglingsheim. Für das Rechnungsjahr<br />
1927 wurde mit Einnahmen<br />
in Höhe von 15.818,33 RM kalkuliert.<br />
Dem gegenüber standen Ausgaben<br />
von 15.488,35 RM. <strong>Die</strong>se Zahlen belegen,<br />
wie gut sich die Arbeit des Jugend-<br />
und Wohlfahrtsamtes entwickelt<br />
hatte. 1926 standen lediglich drei Mitarbeiterinnen<br />
auf der Lohnliste und<br />
Ausgaben und Einnahmen lagen bei<br />
rund 10.919 RM. <strong>Die</strong> Rechtsauskunftsstelle<br />
wurde lediglich in 43 Fällen in<br />
Anspruch genommen.<br />
Das Jahr 1929 brachte nun eine weitere<br />
wesentliche Veränderung für die<br />
diakonische Arbeit. Aus dem Zusammenschluss<br />
der bis dahin selbstständigen<br />
Städte Sterkrade, Osterfeld und<br />
Alt-<strong>Oberhausen</strong> entstand die neue<br />
Stadt: (Groß-) <strong>Oberhausen</strong>, wie wir sie<br />
heute kennen. <strong>Die</strong>se Entwicklung hatte<br />
auch großen Einfluss auf das städtische<br />
Wohlfahrtswesen. War zuvor die<br />
Zusammenarbeit mit der Stadt Alt-<br />
<strong>Oberhausen</strong> als sehr konstruktiv empfunden<br />
worden, änderte sich das nun.<br />
In dem Jahresbericht 1929 steht zu lesen:<br />
„In der bisherigen Stadt <strong>Oberhausen</strong><br />
lag nahezu die gesamte praktische<br />
Durchführung der Jugendfürsorge in<br />
den Händen der freien Wohlfahrtsorganisationen.<br />
Zwischen dem Städt.<br />
Jugendamt bestand das denkbar beste<br />
Einvernehmen, welches auch darin<br />
zum Ausdr[uck] gekommen ist, dass<br />
ganze Gebiete der Jugend-Wohlfahrt,<br />
die nach dem R.I.W.G. [Reichsjugendwohlfahrtsgesetz]<br />
Pflichtaufgaben der<br />
städtischen Ämter sind, uns delegie[rt]<br />
waren. Der neue Leiter, ein sozialisti-<br />
50
Diakonie im <strong>Oberhausen</strong> der Weimarer Zeit<br />
scher Beigeordneter, kümme[rte] sich<br />
nicht im Geringsten um das, was bisher<br />
gewesen ist und ver[suchte,] den<br />
Einfluss der konfessionellen Wohlfahrtspflege<br />
zu unterbind[en. So] sind<br />
wir in die Opposition gedrängt und<br />
werden einen harten Ka[mpf] kämpfen<br />
müssen, wenn wir unsere bisherige<br />
Position behaupten w[ollen]. […] Wie<br />
die Dinge sich gesta[lten wer]den, lässt<br />
sich zur Zeit noch nicht sagen.“ 54<br />
Im Jahr 1929 waren die „Goldenen<br />
Zwanziger“ zu Ende gegangen und der<br />
New Yorker Börsencrash vom 25. Oktober<br />
1929 – der Schwarze Freitag –<br />
hatte endgültig eine Wirtschaftskrise<br />
ausgelöst, die Millionen Menschen in<br />
Arbeitslosigkeit, Hunger und Elend<br />
stürzte. <strong>Die</strong>s verstärkte auch innenpolitisch<br />
die Spannungen, die sich in<br />
<strong>Oberhausen</strong> z. B. im Bereich der Jugendfürsorge<br />
ausdrückten. Im Jahresbericht<br />
heißt es hierzu: „<strong>Die</strong>se Zahlen<br />
können und sollen nicht von Erfolgen<br />
unserer Arbeit reden. Je länger je<br />
mehr scheuen wir uns, von Erfolgen<br />
zu sprechen. Aber die Notwendigkeit<br />
kirchlicher Jugendfürsorgearbeit wird<br />
jedenfalls durch diese Zahlen deutlich.<br />
Beraten, nachgehen und betreuen<br />
tut bitter not, und die Kirchengemeinden<br />
haben allen Anlass, diese Aufgaben<br />
nicht anderen zu überlassen und<br />
sich somit selbst der Säkularisierung<br />
der Seelsorge schuldig zu machen.<br />
Sollte es uns nicht sehr nachdenklich<br />
stimmen, dass die kirchenfeindlich<br />
eingestellten Gruppen mit allen<br />
Mitteln uns diese Arbeit zu entreissen<br />
suchen? Wir beklagen den Mangel an<br />
Helfern, uns kostet es viel viel Mühe,<br />
Persönlichkeiten willig zu machen,<br />
eine Vormundschaft, Pflegschaft oder<br />
Schutzaufsicht zu übernehmen (wir<br />
mussten im Berichtsjahre 194 Vormünder<br />
suchen) oder sie für die Übernahme<br />
eines Amtes in der öffentlichen<br />
Wohlfahrtspflege zu gewinnen. Unsere<br />
Gegner verfügen über eine arbeitswillige<br />
Hilfstruppe. Ein Wohlfahrtspfleger,<br />
zugleich kommunistischer Stadtverordneter,<br />
besuchte eine Reihe der<br />
von uns vorgeschlagenen Wohlfahrtspfleger<br />
und meinte, ohne natürlich seine<br />
wirkliche Absicht zu verraten, sie<br />
würden ja wohl das Amt nicht annehmen,<br />
es mache Arbeit und Mühe, das<br />
könnten ja besser Sozialrentner und<br />
Invaliden, die über die notwendig Zeit<br />
verfügten. Nicht dass mit solchen Mitteln<br />
von den Kommunisten gearbeitet<br />
wird, sollte uns in Aufregung bringen,<br />
sondern vielmehr, dass sie es wagen<br />
können und gar mit Erfolg, auf die<br />
Bequemlichkeit unserer Leute zu spekulieren.<br />
Uns begegnet so oft die Antwort:<br />
Das geht uns nichts an, darum<br />
51
100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />
können wir uns nicht bekümmern, wir<br />
haben dazu keine Zeit. Ganz besonders<br />
bei unseren Gebildete[n,] deren Mitarbeit<br />
in der Wohlfahrtspflege, auch in<br />
der öffentlichen, wir fast ganz vermissen.<br />
(Bei der katholischen Caritas ist es<br />
anders)! Wo man sich nicht mehr für<br />
den anderen mitverantwortlich weiss,<br />
da macht man sich mitschuldig.“<br />
Leider ist der Bericht nur handschriftlich<br />
mit der Jahreszahl 1929<br />
versehen, ein genaues Abfassungsdatum<br />
fehlt. <strong>Die</strong> Erwähnung eines sozialdemokratischen<br />
(sozialistischen)<br />
Beigeordneten deutet auf einen Zusammenhang<br />
mit der „Schlacht in der<br />
Oberbürgermeisterfrage“ hin. 55 Der<br />
langjährige Oberbürgermeister Havenstein<br />
sollte nach den Kommunalwahlen<br />
1929, in denen das Zentrum<br />
als Sieger hervorgegangen war, abgewählt<br />
werden. Es kam zu heftigen Auseinandersetzungen.<br />
Am Ende wurde<br />
der Kandidat der DNVP, der ehemalige<br />
Sterkrader Oberbürgermeister Heuser,<br />
mit den Stimmen der SPD und<br />
der NSDAP gegen den Zentrumskandidaten<br />
Rosendahl gewählt. Der Historiker<br />
Peter Langer stellt zurecht die<br />
Frage: „Welche Beweggründe mögen<br />
die SPD, unter der Führung von Hermann<br />
Albertz, bewogen haben, nicht<br />
Rosendahl gegen die Rechtsparteien<br />
zu unterstützen, sondern sich stattdessen<br />
als Mehrheitsbeschaffer für Heuser,<br />
der auch das Vertrauen der Nazis<br />
genoss, einspannen zu lassen? <strong>Die</strong><br />
‚Ruhrwacht‘ vermutete, dass die SPD<br />
durch zwei Beigeordneten-Posten geködert<br />
wurde. Wenngleich die ‚Ruhrwacht‘<br />
in dieser Frage nicht als objektive<br />
Informationsquelle gelten kann,<br />
so fällt doch auf, dass die kleine SPD-<br />
Fraktion (sieben Stadtverordnete) mit<br />
zwei Beigeordneten überproportional<br />
gut bedacht wurde.“ Langer stellte fest,<br />
dass das politische Klima in <strong>Oberhausen</strong><br />
auf lange Zeit vergiftet war. 56 <strong>Die</strong><br />
scharfen Formulierungen in dem Jahresbericht<br />
sind jedenfalls ein Zeugnis,<br />
dass diese schwierige lokalpolitische<br />
Situation auch Auswirkungen auf die<br />
Arbeit des Evangelischen Jugend- und<br />
Wohlfahrtsamtes hatte. Zudem wird<br />
hier noch einmal die prinzipielle Gegnerschaft<br />
kirchlicher Kreise zu Sozialdemokraten<br />
und Kommunisten deutlich.<br />
Gleichzeitig beschränkt man sich<br />
aber nicht auf Anschuldigungen, sondern<br />
stellt durchaus selbstkritisch die<br />
Haltung der evangelischen Mitbürger<br />
in Frage. Dabei wird auch ein vergleichender<br />
Blick auf die Arbeit der Caritas<br />
geworfen.<br />
Am 21. Januar 1931 gab Pfarrer Wilhelm<br />
Schmidt die Leitung des Evangelischen<br />
Jugend- und Wohlfahrtsamtes<br />
52
Diakonie im <strong>Oberhausen</strong> der Weimarer Zeit<br />
an seinen Nachfolger, Pfarrer Johannes<br />
Pack, ab. <strong>Die</strong>se Personalie bedeutete<br />
auch einen ideologischen Wechsel.<br />
Pfarrer Dr. Wilhelm Schmidt war ein<br />
entschiedener Gegner der NS-nahen<br />
„Glaubensbewegung Deutscher Christen“<br />
und durfte im Kirchenkampf im<br />
Herbst 1933 für viele Monate seine<br />
Kirche (<strong>Oberhausen</strong> II) nicht einmal<br />
betreten. Sein Nachfolger war dagegen<br />
ein erklärter Vertreter der „Deutschen<br />
Christen“ und der NSDAP nahestehender<br />
Geistlicher Leiter dieser<br />
Einrichtung. Johannes Pack war u. a.<br />
rheinischer Gauobmann der „Glaubensbewegung<br />
Deutscher Christen“. 57<br />
Das Jahr 1933 warf seine Schatten voraus.<br />
Am Ende dieses Überblicks über die<br />
Arbeit des Evangelischen Jugend- und<br />
Wohlfahrtsamtes in den Jahren der<br />
Weimarer Republik soll ein Satz stehen,<br />
mit dem der Rechenschaftsbericht<br />
für das Jahr 1928 schloss: „Wir können<br />
die Welt nicht reformieren, das Dunkel<br />
nicht hell machen; wir sollen nur<br />
in unserer Arbeit danach streben, dass<br />
wir Gottes Willen und das Kommen<br />
seines Reiches nicht hindern.“<br />
53
Diakonie in der Zeit des Nationalsozialismus<br />
DIAKONIE IN DER ZEIT<br />
DES NATIONALSOZIALISMUS<br />
<strong>Die</strong> distanzierte Haltung vieler<br />
evangelischer Christen und Einrichtungen<br />
zum Weimarer Staat ging einher<br />
mit einer durchaus positiven Haltung<br />
dem NS-Staat gegenüber. „Der<br />
‚nationale Umbruch‘ wurde von den<br />
meisten Verbänden und Einrichtungen<br />
der Innere [sic] Mission begeistert<br />
begrüßt.“ 58<br />
Innerhalb der evangelischen Kirchen<br />
wurde heftig um das Verhältnis<br />
der Kirche zum Nationalsozialismus<br />
gestritten. Ein regelrechter Kirchenkampf<br />
zwischen „Bekennender Kirche“<br />
und „Deutschen Christen“ zerriss<br />
auch in <strong>Oberhausen</strong> die Gemeinden. 59<br />
<strong>Die</strong> Herrschaft der Nationalsozialisten<br />
brachten auch für die Fürsorgearbeit<br />
strukturelle Veränderungen mit<br />
sich. Das duale System von staatlicher<br />
bzw. kommunaler Wohlfahrt einerseits<br />
und freier Wohlfahrtspflege andererseits<br />
wurde abgeschafft. <strong>Die</strong> Leistungen<br />
im Bereich der öffentlichen und<br />
freien Fürsorge, vor allem die staatlichen<br />
Zuschüsse im Bereich der freien<br />
Fürsorgearbeit, gingen zurück. „Gefördert<br />
wurden insbesondere Projekte, die<br />
in die bevölkerungs- bzw. rassenpolitische<br />
Linie der neuen politischen Führung<br />
paßten. Stärker noch als in der<br />
Sozialversicherung konnte sich im Fürsorgebereich<br />
die Ausdifferenzierung in<br />
zu fördernde ‚würdige‘ und auszugrenzende<br />
‚unwürdige‘ Betroffene durchsetzen.<br />
Damit drang die ideologische<br />
Leitlinie des Regimes tief in die Fürsorgearbeit<br />
ein. Entsprechender Druck<br />
auf die Träger der öffentlichen wie der<br />
freien Fürsorge zur Orientierung ihrer<br />
Tätigkeit an diesen (rassen-)ideologischen<br />
Prämissen kam vor allem von<br />
seiten [sic!] der NSDAP.“ 60 <strong>Die</strong> neu<br />
errichtete NS-Organisation der „Nationalsozialistischen<br />
Volkswohlfahrt“<br />
(NSV) sollte das alleinige Monopol erhalten.<br />
<strong>Die</strong>se „versuchte mit Appellen<br />
an die Öffentlichkeit, durch eigenes,<br />
55
100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />
konkurrierendes Engagement im Fürsorgebereich<br />
und durch das Gewicht<br />
der hinter ihr stehenden finanziellen<br />
Mittel die bisherigen Träger zu diskreditieren,<br />
an die Seite zu drängen und<br />
sich die politische Führung in diesem<br />
Bereich zu sichern. Während ihr dies<br />
hinsichtlich der Spitzenverbände der<br />
freien Wohlfahrtspflege relativ schnell<br />
gelang, war ihr ein ähnlicher Erfolg in<br />
der öffentlichen Fürsorgearbeit verwehrt;<br />
hier konnten die traditionellen<br />
Behörden ihre Position besser wahren,<br />
wenn sie sich auch durch ideologische<br />
Anpassung dem Druck der NSV zu<br />
entziehen suchten.“ 61 <strong>Die</strong>s gelang zwar<br />
nicht völlig, aber die Arbeiterwohlfahrt<br />
wurde im Mai 1933 verboten.<br />
Vor allem mangelte es der NSV an Erfahrung,<br />
so dass Diakonie und Caritas<br />
sowie das Deutsche Rote Kreuz in ihrer<br />
Arbeit zwar stark eingeschränkt, aber<br />
dennoch benötigt wurden. Sie waren<br />
auch zu groß und in der Bevölkerung<br />
zu stark verwurzelt, um einfach verboten<br />
werden zu können. In vielen Bereichen<br />
trat die NSV in direkte, teilweise<br />
sehr aggressiv vorgetragene Konkurrenz<br />
zu den kirchlichen Wohlfahrtseinrichtungen,<br />
errichtete eigene Kindergärten<br />
und übernahm zunehmend<br />
staatliche Aufgaben im Bereich der<br />
Kinder- und Jugendarbeit. Später war<br />
die Organisation des Winterhilfswerks<br />
und während des Zweiten Weltkriegs<br />
die Kinderlandverschickung Hauptarbeitsgebiete<br />
dieser NS-Organisation.<br />
Dabei bestand nicht nur eine Konkurrenz<br />
der Organisationen zueinander.<br />
Vielmehr stand hinter der NSV ein<br />
völlig anderer geistiger Ansatz. Während<br />
nach christlicher Anschauung<br />
jeder Mensch das gleiche Recht auf<br />
Hilfe hat, vertrat die NSV die nationalsozialistischen<br />
Rassen- und Volksgemeinschaftsideologie,<br />
nach der nur<br />
der „völkisch wertvolle Mensch“ als<br />
hilfswürdig galt. In der Folge wurde es<br />
auch der Diakonie und den anderen<br />
freien Wohlfahrtsverbänden zunehmend<br />
untersagt, beispielsweise Juden<br />
Hilfe zukommen zu lassen. Dabei gerieten<br />
gerade jüdische Jugendliche<br />
zunehmend in den Kreis der Hilfsbedürftigen,<br />
denn sie wurden oftmals der<br />
Schule verwiesen und bekamen ihre<br />
Lehr- und Arbeitsstellen gekündigt.<br />
Konkret trafen nationalsozialistische<br />
und evangelisch-christliche Grundhaltung<br />
in Fragen der Zwangssterilisation<br />
und letztlich der Euthanasie aufeinander.<br />
Auch in <strong>Oberhausen</strong> änderten sich<br />
die Verhältnisse. Allerdings sind nur<br />
wenige Quellen erhalten, weshalb viele<br />
Fragen unbeantwortet bleiben müssen.<br />
So stellt sich z. B. die Frage, ob<br />
56
Diakonie in der Zeit des Nationalsozialismus<br />
auch Menschen, die sich in der Obhut<br />
des Jugend- und Wohlfahrtsamtes befanden,<br />
von den staatlichen Zwangssterilisationsmaßnahmen<br />
betroffen<br />
waren. Dem Verwaltungsbericht der<br />
Stadt <strong>Oberhausen</strong> für das Berichtsjahr<br />
1935/36 ist zu entnehmen, dass „dem<br />
Gesundheitsamt 367 Fälle angezeigt<br />
[wurden]. In 210 Fällen wurden bei<br />
dem Erbgesundheitsgericht Duisburg<br />
Anträge auf Unfruchtbarmachung gestellt.<br />
Unter Einbeziehung der noch<br />
schwebenden Verfahren genehmigen<br />
die Richter in 223 Fällen die Anträge<br />
auf Sterilisation; in 214 Fällen wurde<br />
die Operation auch durchgeführt.“ 62<br />
Ob und wie sich das Jugend- und<br />
Wohlfahrtsamt dazu stellte, ist nicht<br />
bekannt.<br />
<strong>Die</strong> Organisationen der Jugendwohlfahrt<br />
wurden auch zunehmend<br />
in das staatliche Überwachungssystem<br />
integriert. Schon seit der Kaiserzeit<br />
war es üblich, dass die Betreuer<br />
randständiger Familien Berichte an die<br />
städtischen Behörden verfassten, die<br />
auch politische Einschätzungen enthielten<br />
und der Kontrolle und Disziplinierung<br />
dienten. Im Nationalsozialismus<br />
wurde dieses Vorgehen vertieft.<br />
„<strong>Die</strong> NS-Fürsorge hat diese Funktionen<br />
perfektioniert, aber nicht erfunden.“<br />
63 Jedenfalls rückte der Aspekt<br />
der Kontrolle gegenüber der Hilfe und<br />
Unterstützung stärker in den Vordergrund<br />
der Kinder- und Jugendfürsorge<br />
in Deutschland. Inwieweit es der Inneren<br />
Mission im allgemeinen und dem<br />
<strong>Oberhausen</strong>er Jugend- und Wohlfahrtsamt<br />
im besonderen gelang, sich<br />
in diesem Prozess auch schützend vor<br />
die Menschen zu stellen, die ihrer Hilfe<br />
bedurften, lässt sich nicht sagen.<br />
<strong>Die</strong> Bahnhofsmission<br />
in der NS-Zeit<br />
Von der Bahnhofsmission wissen<br />
wir, dass sie Anfang Juli 1934 ihre<br />
Sammlungstätigkeit einstellen musste,<br />
was ihre finanzielle Existenz bedrohte.<br />
Im September 1934 erhielt die evangelische<br />
und katholische Bahnhofsmission<br />
allerdings wieder eine Sammlungszulassung.<br />
64 In einem Artikel der<br />
<strong>Oberhausen</strong>er Zeitung (Abb. 11) wurde<br />
die Arbeit der Bahnhofsmission<br />
ausgesprochen gelobt und wir erhalten<br />
einen kleinen Einblick auf die Arbeit<br />
des Jahres 1933. 1880 Einzelpersonen<br />
wurden beraten, zurechtgewiesen, mit<br />
den nötigsten Lebensmittelbedürfnissen<br />
versorgt oder sonst wie betreut.<br />
57
100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />
Auch 350 allein reisenden Kindern<br />
wurde geholfen.<br />
<strong>Die</strong>ses Entgegenkommen der NS-<br />
Führung war aber zeitlich begrenzt.<br />
1939 wurden die Bahnhofsmissionen<br />
bis zum Ende der nationalsozialistischen<br />
Herrschaft endgültig verboten.<br />
Jugend- und Wohlfahrtsamt<br />
und Evangelischer Gemeindedienst<br />
für Innere Mission<br />
<strong>Oberhausen</strong><br />
Nach und nach wurde die Arbeit<br />
des Evangelischen Jugend- und Wohlfahrtsamtes<br />
nach 1933 eingeschränkt.<br />
Im Frühjahr 1934 konnte die Innere<br />
Mission immerhin noch<br />
öffentlich für ihre Arbeit<br />
werben (Abb. 12).<br />
Abb. 11: Sammlung der Bahnhofsmission<br />
wieder erlaubt. <strong>Oberhausen</strong>er Zeitung, 15.9.1934.<br />
Am 14 und 15. April<br />
diesen Jahres fand der<br />
Volkstag der Inneren<br />
Mission statt, für den in<br />
der Rhein- und Ruhrzeitung<br />
geworben wurde.<br />
Man betonte, dass mit<br />
der Genehmigung dieser<br />
Aktion und der damit<br />
verbundenen Sammlung<br />
eine Anerkennung der<br />
Arbeit durch den (NS-)<br />
Staat verbunden sei. <strong>Die</strong><br />
Sammelaktion wurde<br />
von Festgottesdiensten,<br />
einem Festvortrag und<br />
einem Lichtbilderabend<br />
im Gemeindehaus Nohlstraße<br />
begleitet (Abb.<br />
13).<br />
58
Diakonie in der Zeit des Nationalsozialismus<br />
Am 22. April endete die Berichterstattung<br />
über die Innere<br />
Mission mit einem ausführlichen<br />
Artikel über die<br />
<strong>Oberhausen</strong>er Einrichtungen<br />
(Abb. 13). Zunächst wird die<br />
Arbeit der beiden evangelischen<br />
Krankenhäuser Groß-<br />
<strong>Oberhausen</strong>s (die Gründung<br />
des heutigen <strong>Oberhausen</strong>s lag<br />
gerade Mal fünf Jahre zurück),<br />
das Johanniter-Krankenhaus<br />
in Sterkrade und das Evangelische<br />
Krankenhaus <strong>Oberhausen</strong>,<br />
geschildert. Daneben<br />
wurde die Arbeit des Säuglingsheimes<br />
und Waisenhauses<br />
hervorgehoben. Auf das<br />
bald zu eröffnende evangelische<br />
Altersheim wurde ebenso<br />
verwiesen wie auf die Arbeit<br />
der Kindergärten und Kinderhorte.<br />
Besondere Erwähnung<br />
fand das Jugend- und Wohlfahrtsamt<br />
in Alt-<strong>Oberhausen</strong>,<br />
„das bekanntlich mit Rat und<br />
Tat den Eltern und Jugendlichen<br />
jederzeit zur Seite steht.“<br />
Schließlich wurden auch die<br />
Nähschulen in den Gemeinden<br />
nicht vergessen, „denen<br />
die besondere Arbeit am stellungslosen<br />
jungen Mädchen<br />
obliegt, und die sich um die<br />
Abb. 12: Volkstag der Inneren Mission.<br />
Rhein- und Ruhrzeitung, 15.4.1934.<br />
59
100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />
60
Diakonie in der Zeit des Nationalsozialismus<br />
links Abb. 13: Innere Mission –<br />
ein gigantisches Hilfswerk.<br />
Rhein- und Ruhrzeitung, 22.4.1934.<br />
Fortbildung der jungen Mütter bemüht.“<br />
Der lange Artikel schließt wieder<br />
mit dem Hinweis auf das Wohlwollen<br />
des Staates und Adolf Hitlers<br />
gegenüber der Inneren Mission, ehe<br />
ein eindringlicher Aufruf zur Unterstützung<br />
an die Leserschaft erging.<br />
„Jeder evangelische Christ möge sich<br />
seiner Pflicht am Mitmenschen erinnern<br />
und Beweis seiner Nächstenliebe<br />
erbringen. Ein <strong>Werk</strong> wartet auf Deine<br />
Hilfe! Warum zögerst Du noch? Hier<br />
handelt es sich nicht um ein Vorrecht<br />
einzelner an einem Hilfswerk, hier<br />
muß jeder anpacken!“<br />
<strong>Die</strong>ser eindringliche Aufruf scheint<br />
aber nur bedingt Wirkung gezeigt zu<br />
haben, wie man zwei Jahre später aus<br />
einer Rede anlässlich des 100-jährigen<br />
Bestehens des Diakonissen-Mutterhauses<br />
in Kaiserswerth herauslesen<br />
kann. Immerhin versuchten die<br />
evangelischen Gemeinden die Idee<br />
der christlichen Diakonie offensiv<br />
nach außen zu vertreten. Aus dem<br />
genannten Anlass veranstalteten die<br />
evangelischen Gemeinden eine große<br />
Festversammlung im Gemeindehaus<br />
Nohlstraße. Der ehemalige Lei-<br />
61
100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />
62
Diakonie in der Zeit des Nationalsozialismus<br />
1940 erfolgte ein Namenswechsel.<br />
Aus dem Evangelischen Jugend- und<br />
Wohlfahrtsamt wurde der „Evangelische<br />
Gemeindedienst für Innere Mission<br />
<strong>Oberhausen</strong>“. Über die Hintergründe<br />
dieses Vorgangs ist leider nichts<br />
mehr bekannt. Herta Zilly und Gerhard<br />
Holtz stellen die Frage: „Dokumentierte<br />
sich in der Namensgebung<br />
Evangelischer Gemeindedienst für Innere<br />
Mission mit großer Deutlichkeit<br />
der kirchliche Auftrag der evangelischen<br />
Fürsorgearbeit als Pendant zur<br />
NSV?“ 66 Zumindest drückte diese Änderung<br />
eine Lösung von der Nähe zur<br />
alten städtischen Verwaltungsstruktur<br />
der Weimarer Zeit und die Anbindung<br />
an das größere Gesamtwerk der Innelinke<br />
Seite Abb. 14: Gemeindebrief<br />
für die Glieder der evangelischen<br />
Gemeinden in Alt-<strong>Oberhausen</strong> zum<br />
Opfertag der Inneren Mission 1937.<br />
ter des Evangelischen Jugend- und<br />
Wohlfahrtsamtes, Superintendent Dr.<br />
Schmidt, betonte in seiner Ansprache<br />
das grundsätzliche Wesen der Diakonie<br />
und verband dies zugleich mit<br />
einer Kritik an der realen kirchlichen<br />
Praxis. Er hob, wie es in dem Bericht<br />
der Rhein- und Ruhrzeitung vom<br />
29. September 1936 hieß, „die Verpflichtung<br />
der Kirche hervor, das <strong>Werk</strong><br />
der Barmherzigkeit und der Nächstenliebe<br />
zu stützen. Wenn das bis heute<br />
in den Gemeinden noch nicht immer<br />
und überall ganz begriffen war, so gelte<br />
das auch als bedenkliches Zeichen.“<br />
<strong>Die</strong> Spannungen, unter denen diese<br />
Arbeit in der NS-Zeit stand, deutete<br />
Superintendent Dr. Schmidt nur an.<br />
<strong>Die</strong> ganze Gemeinde habe, „jeder an<br />
seinem Teil, im Geiste wahren Christentums<br />
zu leben und zu handeln. <strong>Die</strong><br />
Welt werde etwas mehr Hochachtung<br />
vor dem Christentum haben, wenn der<br />
Christ mehr glaube und danach handele.“<br />
Mit welchen Problemen ein Christ<br />
damals konfrontiert war, der sich dem<br />
Glauben gemäß verhielt, hatte ein Jahr<br />
zuvor Superintendent Schmidt selbst<br />
erfahren müssen, als er von einem Mitglied<br />
seiner eigenen Kirchengemeinde<br />
beim Reichsbischof Ludwig Müller denunziert<br />
wurde, weil Schmidt in einem<br />
jüdischen Geschäft fünf Rollos für die<br />
Gemeinde <strong>Oberhausen</strong> II gekauft habe.<br />
65 Das Presbyterium weigerte sich<br />
sogar, die Rechnung zu bezahlen.<br />
Im September 1937 erfolgte ein<br />
Sammlungsaufruf „an die Glieder<br />
der evangelischen Gemeinden in Alt-<br />
<strong>Oberhausen</strong>“. (Abb. 14)<br />
63
100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />
ren Mission aus. Ein sicher in dieser<br />
Zeit der Kirchenfeindschaft wichtiges<br />
Zeichen.<br />
<strong>Die</strong> Leitung des <strong>Werk</strong>s wechselte in<br />
dieser Zeit mehrfach. Schon 1931 hatte<br />
Pfarrer Pack den Vorsitz vom „Gründungsvater“<br />
Pfarrer Dr. Schmidt übernommen.<br />
Ihm folgten Pfarrer Majert,<br />
Direktor Friedrich Wolters und<br />
schließlich – zunächst inoffiziell, dann<br />
förmlich – Pfarrer Aring. 67<br />
Der Umfang der Arbeit des Jugend-<br />
und Wohlfahrtsamts und später<br />
des Gemeindedienstes nahm mit<br />
dem Beginn der NS-Herrschaft stark<br />
ab. Gleichzeitig dürfte wohl auch die<br />
Finanzierungsmöglichkeiten zurückgegangen<br />
sein. Beides hatte personelle<br />
Folgen, denn von 1943 bis 1945<br />
war nur noch Maria Middendorf als<br />
Fachkraft tätig. <strong>Die</strong> Entwicklung der<br />
Fallzahlen aus den Jahresberichten<br />
sprechen hier eine deutliche Sprache<br />
(Abb.15). 68<br />
<strong>Die</strong> Interpretation dieser Zahlen ist<br />
schwierig, weil in den Jahresberichten<br />
1600<br />
1400<br />
1200<br />
1262<br />
1414<br />
1304<br />
1150<br />
1256<br />
1096<br />
1000<br />
800<br />
600<br />
617<br />
630<br />
517<br />
442<br />
507<br />
424<br />
400<br />
200<br />
237<br />
143<br />
95<br />
0<br />
1930 1931 1932 1933 1934 1935 1936 1937 1938 1939 1940 1941 1942 1943 1944<br />
Abb. 15: Fallzahlen 1930 bis 1944<br />
64
Diakonie in der Zeit des Nationalsozialismus<br />
nach 1931 keine weiteren Erläuterungen<br />
erfolgten. Gerhard Holtz kommentiert<br />
diese Zahlen so: „So bleibt<br />
offen, ob der Rückgang der Fallzahlen<br />
aus dem Druck der Nationalsozialisten<br />
auf die kirchlichen Wohlfahrtsverbände<br />
resultiert (wobei letztere ihre Arbeit<br />
im Gegensatz zur Arbeiterwohlfahrt<br />
und zum Paritätischen Wohlfahrtsverband<br />
ja nicht einstellen mussten). Als<br />
wahrscheinlich kann auch angenommen<br />
werden, dass die Veränderungen<br />
ab dem Jahre 1940 auf die zunehmenden<br />
Auswirkungen des Krieges zurückzuführen<br />
sind.<br />
Bemerkenswert ist jedoch, dass in<br />
der gesamten Zeit des Nationalsozialismus<br />
weiterhin Fälle für das Jugendamt<br />
und Gericht zu bearbeiten waren.<br />
Bemerkenswert ist auch, dass selbst<br />
zu Beginn des Jahres 1945 noch eine<br />
zahlenmäßige Übersicht über das zurückliegende<br />
Jahr erstellt wurde. <strong>Die</strong>s<br />
deckt sich mit in einschlägigen Untersuchungen<br />
zu findenden Hinweisen,<br />
dass die Verwaltung in den meisten<br />
staatlichen und nichtstaatlichen Bereichen<br />
noch bis in den Februar 1945 hinein<br />
funktionierte.“ 69 In der Tat dürfte<br />
der Rückgang der Fallzahlen auch<br />
mit dem Kriegsverlauf in Verbindung<br />
stehen, denn gerade die „Zielgruppe“<br />
des Gemeindedienstes, hilfsbedürftige<br />
Kinder und Jugendliche, wurden im<br />
Rahmen der Kinderlandverschickung<br />
aus <strong>Oberhausen</strong> in ländliche Gebiete<br />
verbracht. Sascha Concas schreibt darüber:<br />
„Zahlreiche Menschen verließen<br />
die Stadt, entweder aus Furcht vor weiteren<br />
Luftangriffen oder weil sie durch<br />
die anhaltenden Bombardements Obdach<br />
und Einrichtung verloren hatten.<br />
Wer Glück hatte, kam bei Verwandten<br />
oder befreundeten Familien in weniger<br />
luftgefährdeten Regionen unter. Etwa<br />
seit Januar 1941 wurden zudem tausende<br />
Schüler und Kinder aus <strong>Oberhausen</strong><br />
im Rahmen der sogenannten<br />
‚Erweiterten Kinderlandverschickung‘<br />
[...] in unzählige Orte im gesamten<br />
Reichsgebiet entsandt, um sie auf diese<br />
Weise vor den alliierten Luftangriffen<br />
in relative Sicherheit zu bringen.“ 70<br />
Kurz vor Kriegsende, im März 1945,<br />
musste die Stadt auf behördliche Anordnung<br />
geräumt werden. Der Leiter<br />
des Gemeindedienstes, Friedrich Wolters,<br />
und Maria Middendorf fuhren<br />
daraufhin zusammen „mit den Gemeinde-<br />
und den Handarbeitsschul-<br />
Schwestern auf Lastwagen der hiesigen<br />
Milchversorgung zu mitternächtlicher<br />
Stunde nach Westfalen.“ 71 Erst ein<br />
Vierteljahr später konnten sie zurückkehren.<br />
65
Fortsetzung und Neuanfang nach 1945<br />
FORTSETZUNG UND<br />
NEUANFANG NACH 1945<br />
Nach dem Krieg mussten kirchliche<br />
Strukturen neu aufgebaut werden.<br />
Das betraf auch die <strong>Werk</strong>e der<br />
Diakonie. „Der Wiederaufbau der<br />
Inneren Mission nach 1945 stand<br />
ebenso sehr im Rahmen der Gesamtnot<br />
eines zerstörten und gespaltenen<br />
Deutschlands wie im Zeichen eines<br />
zähen Aufbauwillens. Als vordringliche<br />
Aufgaben für sie erwiesen sich<br />
die Bahnhofsmission, sodann die Erstellung<br />
von Jugendwohnheimen und<br />
Altenheimen.“ 72<br />
In der Zeit des Dritten Reiches gab<br />
es auch in der Inneren Mission Spannungen<br />
in der Frage des Verhaltens im<br />
NS-Staat. Man versuchte anders als die<br />
Bekennende Kirche sich um der eigenen<br />
Handlungsfähigkeit willen nicht<br />
zu sehr zu exponieren. „<strong>Die</strong>ses Verhalten<br />
ist nach dem Zusammenbruch<br />
des Nationalsozialismus durch diejenigen,<br />
die mit der Einzelsituation während<br />
der Nazizeit nicht vertraut waren,<br />
manchmal sehr starken Mißdeutungen<br />
ausgesetzt gewesen,“ schrieb Otto<br />
Ohl im Jahr 1963. 73 Er wehrte den Vorwurf<br />
einer mangelnden Aufarbeitung<br />
ab mit der Begründung: „Wir hatten<br />
keine Zeit mehr, uns nachträglich mit<br />
diesen Auseinandersetzungen lange<br />
aufzuhalten. Unsere Aufgabe war ja,<br />
die unendlich großen Schäden, die die<br />
Kriegszerstörung über unsere Arbeit<br />
gebracht hatte, zu beseitigen.“ 74 <strong>Die</strong>se<br />
Haltung, nicht selbstkritisch die eigene<br />
Vergangenheit aufzuarbeiten, sondern<br />
im Blick auf die gegenwärtigen Aufgaben<br />
zu verdrängen, war zwar typisch<br />
für die Nachkriegszeit, aber nicht unumstritten.<br />
Auf Betreiben des Theologen<br />
und späteren Politikers Eugen<br />
Gerstenmaier, der der Widerstandsbewegung<br />
20. Juli angehörte, wurde im<br />
August 1945 zusammen mit der Evangelischen<br />
Kirche in Deutschland das<br />
Hilfswerk der Evangelischen Kirchen<br />
in Deutschland ins Leben gerufen.<br />
<strong>Die</strong>ses <strong>Werk</strong> arbeitete parallel zur Inneren<br />
Mission, teilweise auch in Konkurrenz.<br />
67
100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />
„Mit dem Hilfswerk verbanden sich<br />
insbesondere drei theologische Impulse:<br />
Erstens wurde Diakonie konsequent<br />
als Wesenszug und Grundstruktur<br />
von Kirche zur Geltung gebracht.<br />
Im Kontrast zur ‚Inneren Mission‘<br />
wurde – zweitens – ‚Diakonie‘ zum<br />
Programmbegriff erhoben. Gerstenmaier<br />
strebte drittens eine Ausweitung<br />
der Reichweite diakonischer Verantwortung<br />
an.“ 75<br />
Vor allem aus freikirchlichen Kreisen<br />
und aus dem Ausland erhielt das<br />
Hilfswerk Unterstützung. Ende 1947<br />
waren 1.500 Flüchtlingsfürsorger angestellt,<br />
die sich um die Integration der<br />
Flüchtlinge und Vertriebenen bemühten.<br />
76 Bald nach der Währungsreform,<br />
als die unmittelbare Katastrophenhilfe<br />
nicht mehr nötig war und amerikanische<br />
Hilfslieferungen nachließen, ging<br />
der Einfluss des Hilfswerks zurück.<br />
Man begann, die Doppelstruktur von<br />
Innerer Mission und Hilfswerk zu hinterfragen.<br />
Im März 1957 wurden beide<br />
<strong>Werk</strong>e schließlich vereinigt zur „Inneren<br />
Mission und Hilfswerk der Evangelischen<br />
Kirche in Deutschland“. 1965<br />
erhielt das <strong>Werk</strong> den Namen „<strong>Diakonisches</strong><br />
<strong>Werk</strong> der EKD“. 77 Es ist neben<br />
dem Deutschen Caritas-Verband<br />
(1897), der Zentralwohlfahrtsstelle<br />
der Juden in Deutschland (1917), dem<br />
Bundesverband der Arbeiterwohlfahrt<br />
(1919), dem Deutschen Roten Kreuz<br />
(1921) und dem Deutschen Paritätischen<br />
Wohlfahrtsverband (1924) einer<br />
der sechs bundesdeutschen »Spitzenverbände<br />
der Freien Wohlfahrtspflege.<br />
78<br />
In diesem Rahmen bewegte sich<br />
auch in <strong>Oberhausen</strong> die örtliche Diakonie.<br />
Das Hilfswerk mit seinen guten<br />
Kontakten zu Hilfsorganisationen<br />
in der ganzen Welt konnte u. a. mit<br />
Quäkerspeisung, Kleiderspenden aus<br />
den Vereinigten Staaten helfen. <strong>Die</strong><br />
Organisation lag in den Händen von<br />
Margarete Schaumann, die 1945 ihren<br />
<strong>Die</strong>nst als zweite Fürsorgerin neben<br />
Maria Middendorf begann. 79<br />
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs<br />
begann auch für den Gemeindedienst<br />
ein Neuanfang. Jede Menge<br />
Arbeit wartete auf Maria Middendorf,<br />
die in den letzten Jahren der NS-Herrschaft<br />
nahezu alleine die Aufgaben des<br />
Gemeindedienstes übernommen hatte.<br />
Sie schrieb 1964 rückblickend auf<br />
diese Zeit: „Nach dem Zusammenbruch<br />
setzte eine neue Entwicklung<br />
mit einer fast nicht zu bewältigenden<br />
Arbeitsfülle ein. <strong>Die</strong> Arbeit geschah<br />
zunächst unter kriegsbedingten, überaus<br />
primitiven Verhältnissen, die sich<br />
68
Fortsetzung und Neuanfang nach 1945<br />
im Laufe der folgenden Jahre je länger<br />
desto mehr besserten. Wie auch früher<br />
delegierte uns das Städt. Jugendamt in<br />
großem Ausmaß die außenfürsorgerische<br />
Arbeit. <strong>Die</strong> Zusammenarbeit<br />
mit dieser und mit anderen behördlichen<br />
Stellen geschah im besten Einvernehmen.<br />
Daß die Zusammenarbeit<br />
in derselben guten Weise mit dem<br />
Landesverband Innere Mission Rheinland<br />
vonstatten ging, bedarf kaum der<br />
Erwähnung. Im Jahr 1954, dem letzten<br />
der <strong>Die</strong>nststelle in der geschilderten<br />
Form, waren 5 Fürsorgekräfte und<br />
eine Bürogehilfin in der <strong>Die</strong>nststelle<br />
tätig, hinzu kam eine Sachbearbeiterin<br />
der ihr angegliederten Bahnhofsmission.“<br />
80 Das Büro befand sich im Gemeindehaus<br />
Nohlstraße. 81<br />
Im Wesentlichen schloss sich die Sozialfürsorge<br />
nach dem Zweiten Weltkrieg<br />
an die Strukturen der Weimarer<br />
Republik an, wie Maria Middendorf<br />
ja bereits andeutete. So wurden wiederum<br />
viele staatliche Aufgaben der<br />
Fürsorge an die Träger der Freien<br />
Wohlfahrt delegiert. Mit der Verabschiedung<br />
des Bundessozialhilfegesetzes<br />
und des Jugendwohlfahrtsgesetzes<br />
im Jahr 1961 wurde eine neue gesetzliche<br />
Basis für die Arbeit der freien<br />
Wohlfahrtsträger geschaffen. „Das<br />
Verhältnis von öffentlichen und freien<br />
Hilfeträgern untereinander, das in den<br />
Auseinandersetzungen um die Gesetzesformulierungen<br />
unter dem Stichwort<br />
‚Subsidaritätsprinzip‘ diskutiert<br />
wurde, erhielt […] die Form eines ‚bedingungslosen<br />
Vorrangs‘ der freien vor<br />
den öffentlichen Trägern.“ 82 Über diese<br />
Gestaltung der Wohlfahrtspflege wurde<br />
noch jahrelang gestritten. <strong>Die</strong> alten<br />
Konflikte der Weimarer Zeit zwischen<br />
sozialdemokratisch geführten Städten<br />
und konfessionellen freien Trägern kamen<br />
wieder zum Vorschein.<br />
Gleichwohl hatten sich die Umstände<br />
der Hilfsbedürftigkeit gewandelt.<br />
Zu den bisher schon notwendigen Hilfen<br />
für sozial schwache Familien, kamen<br />
jetzt Kriegsheimkehrer, die neu<br />
Fuß fassen mussten, Vertriebene aus<br />
dem Osten und selbst DDR-Bürger,<br />
die nach einem Westbesuch um Unterstützung<br />
für die Rückfahrt vorstellig<br />
wurden. Allein im August 1954 wurde<br />
der Etat der Stadt <strong>Oberhausen</strong> dadurch<br />
mit 8.000 Mark belastet. 83<br />
69
100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />
Gründung des Ev. Kirchenkreises<br />
<strong>Oberhausen</strong><br />
Das Jahr 1954 stellte für die Evangelische<br />
Kirche in <strong>Oberhausen</strong> und in<br />
der Folge auch für die Diakonischen<br />
Einrichtungen eine Zäsur dar. Am<br />
1. April 1954 wurde der Kirchenkreis<br />
<strong>Oberhausen</strong> gegründet. Bis zu diesem<br />
Zeitpunkt hatte die Struktur der<br />
evangelischen Gemeinden die Gründung<br />
der Stadt <strong>Oberhausen</strong> im Jahr<br />
1929 noch nicht nachvollzogen. <strong>Die</strong><br />
Gemeinden Alt-<strong>Oberhausen</strong>s gehörten<br />
zum Kirchenkreis Mülheim, die<br />
Gemeinden Sterkrades zum Kirchenkreis<br />
Dinslaken und damit beide zur<br />
Evangelischen Kirche im Rheinland<br />
und die Gemeinde Osterfelds zum<br />
Kirchenkreis Recklinghausen, der der<br />
Evangelischen Kirche Westfalen zugehörig<br />
war (und ist). 84 Besonders für<br />
die Diakonie war diese Anpassung der<br />
Strukturen an die kommunale Wirklichkeit<br />
von Vorteil, denn „diakonische<br />
<strong>Werk</strong>e in großen Flächenkirchenkreisen<br />
haben immer wieder mit dem Problem<br />
zu kämpfen, welcher Kommune<br />
sie ihre Arbeit zuordnen und dadurch<br />
an kommunaler Finanzierung partizipieren.“<br />
85<br />
Bereits im Sommer 1945 hatten sich<br />
die neun <strong>Oberhausen</strong>er evangelischen<br />
Gemeinden zu einer Arbeitsgemeinschaft<br />
zusammengeschlossen, „um<br />
ihre Interessen bei den Behörden besser<br />
vertreten zu können.“ 86<br />
Diverse Zeitungsberichte erschienen<br />
aus Anlass der Gründung des Kirchenkreises<br />
<strong>Oberhausen</strong>. 87 Zum ersten<br />
Superintendenten des neuen Kirchenkreises<br />
wurde Pfarrer <strong>Die</strong>ter Munscheid<br />
gewählt, der seit 19 Jahren an<br />
der Kirchengemeinde <strong>Oberhausen</strong> II<br />
(Lutherkirche) tätig war (Abb. 16).<br />
Abb. 16: Superintendent <strong>Die</strong>ter<br />
Munscheid. Ruhrwacht, 3.4.1954.<br />
70
Fortsetzung und Neuanfang nach 1945<br />
Nähe zur Bekennenden Kirche wurde<br />
in dem Artikel erwähnt (Abb. 17).<br />
Abb. 17: Superintendent a. D. Dr.<br />
Schmidt, aus: Pfarrer durfte seine<br />
Kirche nicht betreten. WAZ, 3.4.1954.<br />
Zeitgleich mit der Wahl Munscheids<br />
ging Pfarrer Dr. Wilhelm Schmidt in<br />
Ruhestand. Er hatte 36 Jahre in <strong>Oberhausen</strong><br />
gewirkt. In einer Würdigung<br />
in der WAZ hieß es: „Im kommunalen<br />
Leben trat Dr. Schmidt erstmalig<br />
beim Inkrafttreten des Reichsjugendwohlfahrtsgesetzes<br />
1923 hervor, und<br />
er hatte großen Anteil an der Schaffung<br />
des städtischen Jugendamtes.“ 88<br />
Auch seine oben schon angesprochene<br />
<strong>Die</strong> Erwartungen an den neuen Kirchenkreis<br />
waren durchaus vielfältig:<br />
„Der neue Kirchenkreis Groß-<strong>Oberhausen</strong><br />
steht vor großen Gemeinschaftsaufgaben.<br />
Es wird nötig sein,<br />
zu stark angewachsene Pfarrbezirke<br />
neu aufzugliedern, durch gegenseitige<br />
Unterstützung auch kleineren Bezirken<br />
zu besseren Einrichtungen für die<br />
Gemeindeglieder zu verhelfen. Nicht<br />
zuletzt aber wird man auch bestrebt<br />
sein, die Grundlage dafür zu schaffen,<br />
daß noch jene Zipfel <strong>Oberhausen</strong>er<br />
Stadtgebietes, wo die evangelischen<br />
Bewohner zu auswärtigen Pfarreien<br />
gehören, der <strong>Oberhausen</strong>er Synode<br />
eingegliedert werden. Solche Gebiete<br />
sind die Siedlung Bermensfeld, Teile<br />
von Dümpten, Styrum und Holten, die<br />
zu Essen-Frintrop, Mülheim-Dümpten,<br />
Mülheim-Styrum bzw. Dinslaken<br />
gehören.“ 89<br />
Aber es ging bei der Gründung der<br />
Kreissynode nicht nur um eine organisatorische<br />
Anpassung der Kirche<br />
an die bürgerliche Gemeinde. Gerold<br />
Vorländer betont die schwierige Situation,<br />
in der sich die evangelischen<br />
Gemeinden Mitte der 1950er-Jahre<br />
befanden. „<strong>Die</strong> größte Not der Nach-<br />
71
100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />
kriegszeit ist überwunden aber zugleich<br />
auch der Elan des Wiederaufbaus<br />
verschwunden. Man sieht sich<br />
einer gesellschaftlichen Wirklichkeit<br />
gegenüber, in der die Kirche zunächst<br />
einen schwierigen Stand hat. Das Bemühen,<br />
die Menschen in der Stadt mit<br />
dem Evangelium zu erreichen, kämpft<br />
mit der eigenen Ratlosigkeit über das<br />
Wie, mit der Mutlosigkeit vieler Gemeinden<br />
und der Gleichgültigkeit der<br />
Zeitgenossen.“ 90<br />
Ein Jahr später, am 1. April 1955,<br />
wurde der Kirchenkreis Träger des<br />
Evangelischen Gemeindedienstes. Ein<br />
Synodalbeauftragter für Diakonie war<br />
für die Kontrolle und Zusammenarbeit<br />
zuständig.<br />
Von nun an gehörten die bereits bestehenden<br />
<strong>Die</strong>nststellen des Evangelischen<br />
Gemeindedienstes in Sterkrade<br />
und Osterfeld zum Kirchenkreis. 91<br />
<strong>Die</strong> Archivalien des Sozialausschusses<br />
der Stadt <strong>Oberhausen</strong> bezeugen<br />
immer wieder die Zusammenarbeit<br />
zwischen Diakonie, den anderen freien<br />
Wohlfahrtsträgern und der Stadt. Wie<br />
schon in den 1920er-Jahren ging es im<br />
Wesentlichen um die Verteilung von<br />
Zuschüssen für konkrete Projekte. Im<br />
Juli 1954 scheiterte ein Vorstoß von<br />
Innerer Mission, Caritas und Arbeiterwohlfahrt,<br />
dauerhaft als beratende<br />
Mitglieder in den städtischen Sozialausschuss<br />
berufen zu werden. Der<br />
Ältestenausschuss der Stadtvertretung<br />
blieb bei seiner Haltung, dass die<br />
Wohlfahrtsverbände nur bei Bedarf<br />
und von Fall zu Fall zu den Ausschusssitzungen<br />
eingeladen werden sollten. 92<br />
Aus dem Protokoll der Sitzung des<br />
Sozialausschusses der Stadt <strong>Oberhausen</strong><br />
vom 21. September 1954 geht<br />
deutlich die Kontinuität zu den Bera-<br />
Superintendenten des Kirchenkreises <strong>Oberhausen</strong><br />
Pfarrer <strong>Die</strong>ter Munscheid 1954 – 1976<br />
Pfarrer Walter Deterding 1976 – 1989<br />
Pfarrer Arthur Schorzmann 1989 – 1997<br />
Pfarrer <strong>Die</strong>ter Hofmann 1997 – 2008<br />
Pfarrer Joachim Deterding 2008 –<br />
72
Fortsetzung und Neuanfang nach 1945<br />
tungssitzungen der 1920er-Jahre hervor.<br />
93 <strong>Die</strong> Vertreter der „caritativen<br />
Verbände“, wie dort formuliert wurde,<br />
berieten gemeinsam mit Vertretern<br />
der Stadt und Stadtverordneten über<br />
die Zuteilung der städtischen Gelder.<br />
<strong>Die</strong> Innere Mission war von Maria<br />
Middendorf vertreten. Ebenfalls anwesend<br />
waren Vertreter der Caritas und<br />
des Deutschen Roten Kreuzes, während<br />
die Arbeiterwohlfahrt sich entschuldigen<br />
ließ.<br />
Ein wichtiger Punkt war die Wiederbeschaffung<br />
von Nähmaschinen<br />
für die verschiedenen Nähschulen.<br />
Im Krieg war ein Großteil der Bestände<br />
verloren gegangen und musste nun<br />
ersetzt werden, damit die Nähkurse<br />
wieder durchgeführt werden konnten,<br />
die vor allem von Vertriebenen und<br />
Flüchtlingen in Anspruch genommen<br />
wurden. Hierfür wurde ein Sonderetat<br />
eingerichtet, der auch zur Betreuung<br />
der sogenannten Bunkerkinder<br />
genutzt werden sollte. Bunkerkinder<br />
waren die Kinder von Vertriebenenfamilien,<br />
die provisorisch in den <strong>Oberhausen</strong>er<br />
Bunkern untergebracht worden<br />
waren.<br />
<strong>Die</strong> Zusammenarbeit mit der Stadt<br />
blieb eng und vertrauensvoll – in beide<br />
Richtungen. <strong>Die</strong> Sozialfürsorge hatte<br />
zu allen Zeiten und in allen politischen<br />
Systemen in Deutschland immer auch<br />
neben der betreuenden Fürsorge die<br />
Aufgabe der Überwachung und Aufsicht<br />
der zu Betreuenden. Schon im<br />
ausgehenden 19. Jahrhundert wurde<br />
in <strong>Oberhausen</strong> eine Kontrollstelle<br />
eingerichtet, die die ehrenamtlichen<br />
ArmenpflegerInnen, zu ihnen gehörten<br />
damals schon Vorläufer der freien<br />
Wohlfahrtspflege wie z. B. der Vater-<br />
Synodalbeauftragte des Kirchenkreises <strong>Oberhausen</strong><br />
Pfarrer Hellmut Pfotenhauer 1955 – 1964<br />
Rudolf Majert 1964 – 1985<br />
Pfarrer Hans Hönicke 1985 – 1990<br />
Pfarrer Wolf-<strong>Die</strong>ter Balling 1990 – 2002<br />
Pfarrer Jürgen Drescher 2002 – 2020<br />
Pfarrer Thomas Fidelak 2020 –<br />
73
100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />
ländische Frauenverein, anhalten sollte,<br />
„Aufsicht über die unterstützten<br />
Personen und deren Angehörige, namentlich<br />
in Bezug auf Erwerbsverhältnisse,<br />
Arbeitsfähigkeit, sonstige Unterstützungen<br />
usw.“ zu führen. 94 Wie<br />
schon seit Beginn der Sozialfürsorge in<br />
<strong>Oberhausen</strong> arbeiteten die Sozialarbeiter<br />
aller Einrichtungen auch in den<br />
1960er-Jahren den städtischen Behörden<br />
zu, indem sie ihre Einblicke, die sie<br />
in das Umfeld von betreuten Personen<br />
und Familien erhielten, weitergaben.<br />
Beispiele lassen sich in den Akten des<br />
Städtischen Jugendamtes finden. So<br />
wurden z. B. im Jahr 1967 die Lebensumstände<br />
eines Mannes überprüft, der<br />
eine Schankwirtschaft eröffnen wollte<br />
und hierzu eine Schankerlaubnis<br />
beantragt hatte. Seine Freundin war<br />
minderjährig, wohnte bei ihm und<br />
arbeitete für ihn ohne festen Vertrag<br />
und ohne dass Sozialabgaben geleistet<br />
wurden. <strong>Die</strong> Leitende Sozialarbeiterin<br />
Hannelore Fordan 95 , die den Bericht<br />
verfasste, gab über die familiären Verhältnisse<br />
des Mädchens M. Auskunft<br />
an das Jugendamt: „<strong>Die</strong> Verhältnisse<br />
bei Familie K. sind nicht besonders<br />
gut. Zwischen den Eheleuten bestehen<br />
erhebliche Schwierigkeiten, die allerdings<br />
jetzt besser geworden sein sollen.<br />
Frau K. hat bist vor kurzer Zeit<br />
noch ständig mitgearbeitet, so daß sie<br />
sich wenig um ihre Kinder kümmern<br />
konnte. Zuhause gab es sehr viel Zank<br />
und Streit, so daß wir uns schon vorstellen<br />
können, daß M. ihr Elternhaus<br />
gerne verlassen hat. Frau K. hat sich<br />
offenbar bis heute nicht Gedanken um<br />
das Verbleiben ihrer Tochter gemacht.<br />
Durch unser Gespräch, das etwa eine<br />
Stunde dauerte und in dessen Verlauf<br />
wir Frau K. und M. aufgezeigt haben,<br />
wohin diese Dinge führen, schien Frau<br />
K. endlich war zu werden.“ 96<br />
1957 bezog der Gemeindedienst<br />
neue Räume in der Ebertstraße 103,<br />
wo zunächst eine, später zwei Etagen<br />
als <strong>Die</strong>nsträume zur Verfügung standen.<br />
97<br />
Das Jahr 1960 markierte wiederum<br />
einen besonderen Moment in der<br />
Geschichte des Diakonischen <strong>Werk</strong>s.<br />
Maria Middendorf, die 36 Jahre tragende<br />
Säule der Inneren Mission in<br />
<strong>Oberhausen</strong> gewesen war, ging in den<br />
Ruhestand. <strong>Die</strong> Evangelische Kirchenzeitung<br />
„Der Weg“ würdigte dieses<br />
Ereignis mit einem großen Artikel.<br />
Darin wird am Rande auch deutlich,<br />
wie sich seit Ende des Zweiten Weltkriegs<br />
mit der Beseitigung der größten<br />
Nachkriegsnot die Aufgaben der Inneren<br />
Mission erweitert haben: „Heute<br />
sind nicht mehr Kinderspeisung<br />
74
Fortsetzung und Neuanfang nach 1945<br />
und Dolmetscherfragen unsere ersten<br />
Aufgaben. Es geht um weitere Nöte:<br />
Trunkenheit, Wohlstandskriminalität,<br />
Flüchtlingshilfe, Vormundschaften,<br />
Bewährungshilfe, Mütter- und Altenerholung,<br />
Kinder-Ferienwerk und vieles<br />
mehr.“ 98<br />
Evangelischer Gemeindedienst<br />
für Innere Mission<br />
und Hilfswerk im Kirchenkreis<br />
<strong>Oberhausen</strong><br />
<strong>Die</strong>sen sperrigen Namen trug das<br />
Diakonische <strong>Werk</strong>, nachdem sich der<br />
Gemeindedienst und das Hilfswerk<br />
sich im Einvernehmen mit der Entwicklung<br />
in der EKD und in der Evangelischen<br />
Kirche im Rheinland am<br />
1. Oktober 1963 zusammengeschlossen<br />
hatten.<br />
Mit dem Zusammenschluss wurde<br />
nun auch eine immer größere Vielfalt<br />
an Aufgaben und <strong>Die</strong>nsten unter<br />
einem Dach vereinigt. Das Hilfswerk<br />
brachte „die Durchführung von Erholungsmaßnahmen<br />
für Alte und Kinder,<br />
die Organisation der regelmäßigen<br />
Sammlungen für Innere Mission<br />
und Hilfswerk sowie die ausgedehnte<br />
Pflege der Verbindung mit den Patengemeinden<br />
des Kirchenkreises <strong>Oberhausen</strong><br />
in Mitteldeutschland, einschließlich<br />
der tätigen Fürsorge für<br />
sie“ ein. Dazu kam u. a. auch die Betreuung<br />
der griechischen Gastarbeiter.<br />
Auf die Frage, was die Tätigkeitsfelder<br />
des Gemeindedienstes für Innere<br />
Mission seien, schrieb Maria Middendorf:<br />
„Was tut er? Es liegt die Antwort<br />
nahe: Was tut er nicht? In der Tat, so<br />
mannigfaltig ist das, was an ihn herantritt.<br />
Es handelt sich neben der ausgedehnten<br />
Jugendfürsorge auch um die<br />
Arbeit für zahlreiche Erwachsene, und<br />
zwar weitgehend für solche, die wegen<br />
Geistesschwäche oder Trunksucht<br />
entmündigt wurden. <strong>Die</strong> vielen Vormundschaften,<br />
die die Fürsorgekräfte<br />
zu führen haben, bedeuten ein großes<br />
Maß an Mühe und Arbeit. [...] In sachlicher<br />
Verbindung mit der Bevormundung<br />
Trunksüchtiger steht die Suchtbekämpfung.<br />
Auch die Eheberatung,<br />
die Hauspflege, die Kurheilfürsorge<br />
für Mütter und Kinder gehören zu den<br />
Obliegenheiten des Evgl. Gemeindedienstes.“<br />
99 Aus rechtlichen Gründen<br />
musste für die Führung der Vormundschaften<br />
und Pflegschaften eine eigene<br />
Institution geschaffen werden, da es<br />
den Mitarbeitenden nicht zuzumuten<br />
war, die juristische Verantwortung für<br />
ihre Schützlinge zu übernehmen. Es<br />
75
100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />
76
Fortsetzung und Neuanfang nach 1945<br />
Am 30. Dezember 1946 berichtete<br />
die Rheinische Post in einem ausführlichen<br />
Artikel über das 50-jährige Jubiläum<br />
der Bahnhofsmission, die 1896<br />
in Berlin gegründet worden war. Einen<br />
großen Raum nimmt darin die Arbeit<br />
der <strong>Oberhausen</strong>er Bahnhofsmission<br />
ein. Der Bericht gibt einen guten Einblick<br />
in die Nöte der Reisenden eineinhalb<br />
Jahre nach Kriegsende und<br />
die Hilfen, die ihnen gegeben werden<br />
konnten: „Der Raum der <strong>Oberhausen</strong>er<br />
Bahnhofsmission ist ein bevorzuglinke<br />
Seite Abb. 18: Einladung zur<br />
Verabschiedung von Pfarrer Hellmut<br />
Pfotenhauer als Kreissynodalbeauftragter<br />
für Diakonie 1965.<br />
wurde der Verein „Evangelische Familienhilfe<br />
e. V.“ gegründet, der direkt bei<br />
der <strong>Die</strong>nststelle der Diakonie angesiedelt<br />
war.<br />
Am 1. Mai 1965 löste Rudolf Majert<br />
den Kreissynodalbeauftragen Pfarrer<br />
Pfotenhauer in dieser Funktion ab und<br />
wurde zugleich hauptamtlicher Leiter<br />
des Diakonischen <strong>Werk</strong>es. 100 (Abb.<br />
18) In Folge der Zunahme der Arbeit<br />
wurden größere Räume benötigt. Am<br />
8. Juni 1966 zog das Diakonische <strong>Werk</strong><br />
daher in die Marktstraße. 101 Ein ausführlicher<br />
Bericht hierüber findet sich<br />
in der Zeitschrift „Der Weg“. In dem<br />
„Haus der Kirche“, wie das neue Gebäude<br />
genannt wurde, waren neben<br />
dem Evangelischem Gemeindedienst<br />
für Innere Mission und Hilfswerk im<br />
Kirchenkreis <strong>Oberhausen</strong> auch die<br />
Mütterschule und die Superintendentur<br />
untergebracht. 102<br />
<strong>Die</strong> Bahnhofsmission<br />
<strong>Die</strong> ersten Informationen über den<br />
Einsatz der Bahnhofsmission nach<br />
dem Krieg gibt uns die Neue Rheinische<br />
Zeitung in einem Bericht vom<br />
5. Dezember 1945. <strong>Die</strong> Betreuung<br />
zahlreicher Reisender, Vertriebener,<br />
zurückkehrender ehemalige Wehrmachtssoldaten,<br />
Kinder, die aus den<br />
ländlichen Gebieten, in die sie vor<br />
dem Luftkrieg in Sicherheit gebracht<br />
worden waren, wieder nach <strong>Oberhausen</strong><br />
kamen, alleinreisender Mütter mit<br />
Kindern und Babys war eine große Herausforderung.<br />
Täglich wurden mehr<br />
als 1.000 Liter Kaffee ausgeschenkt, am<br />
28. November 1945 600 Essen ausgegeben,<br />
und täglich rund 50 Verletzungen<br />
behandelt.<br />
77
100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />
ter Zufluchtsort für Durchreisende, die<br />
bei den derzeitigen Bahnverhältnissen<br />
oft stundenlang ihren Anschlußzug<br />
erwarten. Es ist für die Schwestern<br />
und jungen Helferinnen nicht immer<br />
leicht, mit den übermüdeten und zum<br />
Teil sehr verbitterten Menschen Kontakt<br />
zu finden. […] <strong>Die</strong> Zeit der Vertriebenenzüge<br />
bedeutete die stärkste<br />
Nervenprobe für das Personal der<br />
<strong>Oberhausen</strong>er Bahnhofsmission. Tausende<br />
von hoffnungslosen Vertriebe-<br />
Abb. 19: Im <strong>Die</strong>nste der Nächstenliebe.<br />
Neue Rheinische Zeitung, 5.12.1945.<br />
78
Fortsetzung und Neuanfang nach 1945<br />
nen schleuste die Bahnhofsmission im<br />
Verein mit dem Roten Kreuz durch.<br />
Ungezählte Frauen, Männer und Kinder,<br />
oft wochenlang zu Fuß, mit Wagen<br />
und Eisenbahn unterwegs, fanden<br />
hier leibliche und seelische Aufmunterung.<br />
Erfreulicherweise konnte durch<br />
das Entgegenkommen amtlicher Stellen<br />
auch Kinder und Säuglinge entsprechend<br />
verpflegt und gepflegt werden.<br />
Das Übernachtungsheim an der<br />
Nohlstraße diente vielen Durchreisenden<br />
als Schlafstätte. Leider konnte<br />
trotz aller Bemühungen nicht immer<br />
genügend geheizt werden.“ 103 (Abb.<br />
19) Verletzte Reisende wurden medizinisch<br />
versorgt, Frühgeburten ohne<br />
Arzt „gemeistert“, ausgerissene Kinder<br />
aufgegriffen und ihren Eltern zurück<br />
gegeben. Kinder, die aus der NS-Kinderlandverschickung<br />
aus <strong>Oberhausen</strong><br />
verbracht worden waren und nun<br />
zurückkehrten, fanden in der Bahnhofsmission<br />
Aufnahme, wenn sie ihre<br />
Angehörigen nicht mehr vorfanden.<br />
(Abb. 20)<br />
Im Frühjahr 1948 gibt es für die<br />
Bahnhofsmission in <strong>Oberhausen</strong> eine<br />
wesentliche Verbesserung zu vermelden.<br />
War sie bis dahin auf einen<br />
kleinen Raum zwischen Bahnsteig<br />
3 und 4 beschränkt, der gerade mal<br />
zehn Personen fasste, schlecht belüf-<br />
Abb. 20: Erschöpfte Reisende werden<br />
von der Bahnhofsmission bewirtet.<br />
Aus: Bahnhofsmission feiert goldenes<br />
Jubiläum. Rheinische Post, 30.12.1946.<br />
tet war und von keinem Tageslicht erhellt<br />
wurde, ergab sich im April/Mai<br />
die Möglichkeit, den ehemaligen Erfrischungsraum<br />
auf Bahnsteig 3 wieder<br />
herzurichten und zu nutzen. Mit<br />
Unterstützung der Stadt konnten Innere<br />
Mission und Caritas gemeinsam<br />
die Renovierung vornehmen. „Das<br />
neue Heim auf Bahnsteig 3 kann sicher<br />
25 bis 30 Personen aufnehmen,<br />
ist nicht Tag und Nacht auf künstliches<br />
Licht angewiesen (wie es unten in der<br />
alten Unterkunft war) und ist gut zu<br />
lüften.“ 104<br />
79
100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />
Im Mai war es dann soweit und das<br />
neue Domizil der Bahnhofsmission<br />
wurde eingeweiht. In der WAZ erschien<br />
am 29. Mai 1948 die Meldung:<br />
„Bahnhofsmission hat neues Heim“.<br />
Demnach wurde in mehrwöchiger<br />
Arbeit der halbzerstörte Pavillon für<br />
die Bahnhofsmission hergerichtet.<br />
„Weithin leuchtet die Aufschrift ‚Bahnhofsmission‘<br />
und kündet namentlich<br />
alleinreisenden Mädchen und Kindern,<br />
daß sie hier Rat und Hilfe finden.<br />
Neben einem in hellen Farben gehaltenen<br />
Aufenthaltsraum enthält die Station<br />
auch eine kleine Küche zur leiblichen<br />
Betreuung der Wartenden. Als<br />
Durchgangsbahnhof nach allen Richtungen<br />
gewinnt <strong>Oberhausen</strong> immer<br />
mehr an Bedeutung. Daher ist es angebracht,<br />
daß Mädchen und Kinder bei<br />
unvermeidlichen Wartezeiten von der<br />
Bahnhofsmission in Obhut genommen<br />
werden können.“ 105 Noch mehr Details<br />
gibt ein Artikel der Rheinischen<br />
Post preis: „Lange Tische, bequeme<br />
Ruhemöglichkeiten – u. a. steht sogar<br />
ein Liegesofa zur Verfügung –, Bilder<br />
an den frisch gestrichenen Wänden,<br />
Blumen auf den Tischen geben dem<br />
Raum ein anheimelndes Gesicht. […]<br />
Hier wie auf den Bahnsteigen üben die<br />
Schwestern beider Konfessionen ihre<br />
karitative Tätigkeit aus, und die starke<br />
Inanspruchnahme des neuen Heimes<br />
der Bahnhofsmission in den ersten Tagen<br />
nach seiner Eröffnung spricht für<br />
seine Errichtung.“ 106<br />
Über die Arbeit in dem neuen Heim<br />
der Bahnhofsmission berichtete am<br />
8. Januar 1949 die NRZ in eine ausführlichen<br />
Artikel. 107 (Abb. 21)<br />
Aus dem bereits genannten Protokoll<br />
des Sozialausschusses vom<br />
21. September 1954 geht hervor, dass<br />
Abb. 21: „Immer wenn es Not tut,<br />
sind sie da“. NRZ, 8.1.1949.<br />
80
Fortsetzung und Neuanfang nach 1945<br />
die Arbeit der Bahnhofsmission weiterhin<br />
von der Stadt unterstützt wurde.<br />
Nach längerer Diskussion wurde damals<br />
beschlossen, u. a. der „Bahnhofsmission<br />
(Caritas und Innere Mission)<br />
<strong>Oberhausen</strong>“ 1.000 Mark als Beihilfe<br />
zu gewähren. 108 Nach wie vor war die<br />
Bahnhofsmission ein ökumenisches<br />
Projekt beider großer Kirchen.<br />
1957 erhielt die Bahnhofsmission<br />
wiederum neue Räume, die eine verbesserte<br />
Betreuung ermöglichten.<br />
„Jetzt macht die Arbeit Freude“ titelte<br />
am 24. Januar 1954 die Ruhrwacht.<br />
<strong>Die</strong> neuen Räume verfügten nun zusätzlich<br />
zum allgemeinen Aufenthaltsraum<br />
einen Mutter/Kind-Raum, eine<br />
Küche und ein kleines Büro.<br />
<strong>Die</strong> Arbeit der Bahnhofsmission<br />
fand immer auch im Zeichen gesellschaftlichen<br />
Wandels statt. Als die<br />
Vertriebenen und Kriegsheimkehrer<br />
in den 1950er- und 1960er-Jahren<br />
weniger wurden, traten ausländische<br />
Arbeitnehmer und deren Familien und<br />
Rentner aus der DDR, die im Rahmen<br />
des innerdeutschen Reiseverkehrs die<br />
BRD besuchten.<br />
Weimarer Zeit eine „gute Presse“ hatte.<br />
Keine anderen <strong>Werk</strong>e und Initiativen<br />
der Diakonie wurden so oft öffentlich<br />
vorgestellt, was natürlich einem Werben<br />
um Unterstützung gleich kam.<br />
<strong>Die</strong>s blieb auch noch in den kommenden<br />
Jahrzehnten so. <strong>Die</strong> enge Zusammenarbeit<br />
von Diakonischem <strong>Werk</strong>,<br />
Caritas und Bahnhofsmission fand erst<br />
1996 ein Ende. Stellenkürzungen und<br />
der Umbau des Hauptbahnhofes ließen<br />
den Betrieb der Bahnhofsmission<br />
nicht mehr zu. Endgültig aufgegeben<br />
wurde die Bahnhofsmission 2004, als<br />
die Deutsche Bahn die Essensausgabe<br />
auf dem Bahnhofsgelände untersagte.<br />
Das Gleis 51, betrieben von der Caritas,<br />
ist in gewisser Weise ein Nachfolger<br />
der Bahnhofsmission, befindet<br />
sich allerdings nicht, wie der Name es<br />
vermuten ließe, in unmittelbarer Nähe<br />
zum Bahnhof. 109<br />
Es zeigt sich, dass die Arbeit der<br />
Bahnhofsmission wie schon direkt bei<br />
ihrer Gründung und dann während der<br />
81
Spezialisierung der Sozialen Arbeit seit den 70er-Jahren<br />
ZEIT DER VERÄNDERUNGEN –<br />
SPEZIALISIERUNG DER SOZIALEN ARBEIT<br />
SEIT DEN 70ER-JAHREN<br />
Mehr als nur eine Namensänderung:<br />
Das Diakonische<br />
<strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong><br />
Als die EKD das Diakonische <strong>Werk</strong><br />
der Evangelischen Kirche Deutschland<br />
gründete, indem sie die beiden<br />
selbstständigen Institutionen „Innere<br />
Mission“ und „Hilfswerk“ zusammenführte,<br />
schrieb Christian Emde<br />
in der Zeitschrift „Der Weg“: „Der<br />
Name hat sich geändert – die Aufgabe<br />
ist die gleiche geblieben, wie Wichern<br />
sie 1848 formulierte: ‚<strong>Die</strong> Verkündigung<br />
des Evangeliums und die brüderliche<br />
Handreichung der Liebe.‘“ 110 <strong>Die</strong>s<br />
war sicherlich der Wunsch aller Verantwortlichen<br />
nicht nur in der EKD,<br />
sondern auch in <strong>Oberhausen</strong>, wo<br />
ebenfalls diese Namensänderung vollzogen<br />
wurde. Nicht übersehen werden<br />
aber darf, dass zeitgleich und sicher in<br />
einem tieferen ursächlichen Zusammenhang<br />
sich die gesellschaftliche und<br />
kirchliche Situation in den 1960er-Jahren<br />
grundlegend zu ändern begann.<br />
<strong>Die</strong> Namensänderung ist, wenn auch<br />
zunächst unbewusst, ein Ausdruck<br />
dieser Veränderungen.<br />
„<strong>Die</strong> 60er Jahre signalisierten in<br />
mehrerer Hinsicht das Ende der Nachkriegsära<br />
und den Beginn einer neuen<br />
Entwicklungsphase in Wohlfahrtspflege<br />
und Gesellschaft. Der ökonomische<br />
und politische Wiederaufbau, der die<br />
späten 40er sowie die 50er Jahre geprägt<br />
hatte, ging seinem Ende entgegen.“<br />
111 Erstmals musste sich die<br />
Gesellschaft mit steigender Arbeitslosigkeit<br />
auseinandersetzen. Zugleich<br />
wandelte sich das gesellschaftspolitische<br />
Klima in der Bundesrepublik.<br />
Auf die Zeit der Adenauer-Ära, die<br />
83
100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />
unter dem Motto „Keine Experimente”<br />
stand, folgte ein Drang nach Veränderung<br />
und geistiger Weite. Dem Ruf<br />
nach einem neuen Aufbruch, der sich<br />
am auffälligsten seit den 68ern in den<br />
Studentenprotesten bemerkbar machte,<br />
entsprach die politische Wachablösung<br />
durch die sozialliberale Koalition<br />
unter Willy Brandt.<br />
<strong>Die</strong>se Entwicklung ging an der Sozialen<br />
Arbeit nicht vorüber. Der geistige<br />
Aufbruch der 68er erreichte auch<br />
sie. Ein neu geöffneter Blick auf die soziale<br />
Wirklichkeit führte zu einer Ausweitung<br />
der Arbeitsfelder der Diakonie.<br />
Damit einher ging die Schaffung<br />
neuer Einrichtungen und <strong>Werk</strong>e sowie<br />
von mehr und besser ausgebildetem<br />
Personal. Traditionelle Konzepte<br />
wurden kritisch hinterfragt, stärker<br />
als bisher wurde nach den Ursachen<br />
sozialer Ungerechtigkeit gefragt. <strong>Die</strong>-<br />
Abb. 22: Einladungskarte zum 50-jährigen Jubiläum 1971.<br />
84
Spezialisierung der Sozialen Arbeit seit den 70er-Jahren<br />
se Veränderungen manifestierten sich<br />
u. a. in der Neustrukturierung der diakonischen<br />
Arbeit, in der Gründung<br />
Evangelischer Fachhochschulen für<br />
Diakonie und daraus folgend in einer<br />
Akademisierung der Mitarbeiterschaft.<br />
112 Gleichzeitig veränderte sich<br />
auch die Motivlage und Sinnorientierung<br />
der diakonischen Mitarbeiterschaft.<br />
„<strong>Die</strong> jungen Kräfte brachten<br />
zwar ein erhebliches Ausmaß an Fachwissen<br />
und fachbezogener Motivation<br />
mit, allerdings verfügten sie über verhältnismäßig<br />
wenig christliches Wissen.“<br />
113 <strong>Die</strong>s führte zu Verunsicherung<br />
und Grundsatzdebatten bei allen Beteiligten.<br />
„Für die Diakonie als Ganzes<br />
wurde eine grundsätzliche Neuorientierung<br />
angemahnt. Eine aktuelle<br />
Interpretation des diakonischen Auftrags<br />
durch die Theologie, eine Auseinandersetzung<br />
mit Selbstverständnis,<br />
Sachzwängen und Planungsvorhaben<br />
staatlicher Institutionen, eine Reflexion<br />
gesellschaftlicher Veränderungen<br />
und des Wandels von Notlagen und<br />
85
100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />
Hilfsbedürftigkeiten sowie die Überprüfung<br />
von Organisationsstrukturen<br />
und Arbeitsabläufen der Diakonie […]<br />
wurden gefordert.“ 114<br />
<strong>Die</strong>se Neuordnung hat vor der<br />
<strong>Oberhausen</strong>er Diakonie und insbesondere<br />
dem Diakonischen <strong>Werk</strong> des<br />
Kirchenkreises <strong>Oberhausen</strong> nicht halt<br />
gemacht. Vielmehr sind die Jahrzehnte<br />
seit der Gründung geprägt von diesen<br />
Veränderungen und dem mühevollen,<br />
oft gegen Widerstände innerhalb<br />
und außerhalb der Kirche sich durchsetzenden<br />
Weg dorthin. Als 1966 aus<br />
dem Evangelischer Gemeindedienst<br />
für Innere Mission und Hilfswerk<br />
das Diakonische <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong><br />
wurde, zeichnete sich bereits in der<br />
Namensgebung ein tiefer gehender<br />
Perspektivwechsel der kirchlichen Sozialen<br />
Arbeit ab. Zwar erfolgte diese<br />
Namensänderung in Anlehnung an<br />
die Namensentwicklung auf übergeordneter<br />
Ebene, aber die Betonung der<br />
örtlichen Gemeinde als Träger dieser<br />
Arbeit wurde ersetzt durch die umfassende<br />
Bezeichnung Diakonie.<br />
Bei der Fünfzigjahrfeier des Diakonischen<br />
<strong>Werk</strong>es <strong>Oberhausen</strong> 1971<br />
sprach der damalige Festredner Pfarrer<br />
Dr. Siegfried Meurer vom Diakonischen<br />
<strong>Werk</strong> im Rheinland die sich<br />
anbahnenden Veränderungen offen an<br />
(Abb. 22). Er wies auf die zunehmende<br />
Überalterung der bundesdeutschen<br />
Gesellschaft hin – der sogenannte Pillenknick<br />
war bereits statistisch nachweisbar<br />
– und die Zunahme der Zahl<br />
psychisch Erkrankter, die zukünftig<br />
eine angemessene Unterstützung erfahren<br />
müssten. <strong>Die</strong> Zeit der großen<br />
Anstalten, in denen man diese Menschen<br />
betreuen und zugleich dem Blick<br />
der Öffentlichkeit entziehen konnte,<br />
sei vorbei. Vielmehr müssten auch die<br />
Diakonischen Einrichtungen an einer<br />
Veränderung des gesellschaftlichen Bewusstseins<br />
arbeiten, damit diese Gruppen<br />
integriert werden könnten. „Nur<br />
so könne der verhängnisvolle Kreislauf:<br />
Gesellschaftsform, Erkrankung,<br />
Behandlung, Entlassung und Wiedererkrankung<br />
durchbrochen werden.“<br />
Meurer betonte, dass Diakonie sich<br />
nie auf Mildtätigkeit beschränken dürfe.<br />
Vielmehr wurde der gesellschaftspolitische<br />
Anspruch der Diakonie<br />
ausdrücklich hervorgehoben. „<strong>Die</strong><br />
Sozialarbeiter werden daher das soziale<br />
Gewissen der Kirche werden.“<br />
Zu diesem erweiterten Verständnis<br />
diakonischer Arbeit als gesellschaftspolitischen<br />
Handelns betonte Meurer<br />
einen weiteren Aspekt. „Da Fürsorge<br />
in einer demokratischen Gesellschaft<br />
kein hoheitlicher Akt sein könne, sei<br />
86
Spezialisierung der Sozialen Arbeit seit den 70er-Jahren<br />
Abb. 23: Titelblatt Festvortrag Dr. Siegfried Meurer „<strong>Die</strong> Notwendigkeit<br />
kirchlicher Sozialarbeit heute“. 24. November 1971.<br />
87
100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />
es altmodisch, wenn eine Kommune<br />
einen Alleinanspruch erhebe.“ Meurer<br />
lehnte in seiner Ansprache ein Gegeneinander<br />
von staatlicher, kirchlicher,<br />
kommunaler oder sonstiger freier Fürsorge<br />
ab. Der Staat brauche in ganz<br />
neuer Weise die Kirche, die Kirche ihrerseits<br />
habe am Wohl der Gesellschaft<br />
mitzuarbeiten. 115 Meurer sprach sich<br />
also vehement für das Subsidiaritätsprinzip<br />
aus und gegen eine „Verstaatlichung“<br />
von freier Wohlfahrtspflege<br />
und Diakonie, wie man teilweise schon<br />
befürchtete. 116 (Abb. 23)<br />
Seit den Anfängen der organisierten<br />
diakonischen Arbeit der Kirche im<br />
19. Jahrhundert bestand diese immer<br />
in einem Mit-, aber auch Gegeneinander<br />
zur staatlichen Sozialpolitik. Bis<br />
weit über die Mitte des 19. Jahrhunderts<br />
galt allgemein die Überzeugung,<br />
die soziale Frage könne nur durch die<br />
freie Wohlfahrtspflege gelöst werden.<br />
Erst langsam setzte sich die Auffassung<br />
durch, dass hier nur eine staatliche<br />
Intervention unter Mitwirkung<br />
der freien Kräfte helfen konnte. 117 In<br />
diesem Ringen bestanden gerade die<br />
kirchlichen Spitzenverbände immer<br />
schon auf das aus der verfassungsbzw.<br />
grundgesetzlich garantierten Religionsfreiheit<br />
abgeleitete Recht zur<br />
freien Betätigung im Sozialsektor.<br />
Gleichwohl nahm der staatliche Einfluss<br />
auf die Soziale Arbeit immer<br />
mehr zu. Mit den neuen inhaltlichen<br />
Anforderungen musste auch das Verhältnis<br />
des Staates zur freien Wohlfahrtspflege<br />
neu austariert werden.<br />
<strong>Die</strong> Folge des angestrebten Bewusstseinswandels<br />
war die Verbreiterung<br />
der Aufgabenbereiche der Träger der<br />
Sozialen Arbeit im Allgemeinen. „<strong>Die</strong><br />
60er- und frühen 70er-Jahre waren<br />
durch eine beispiellose Ausweitung<br />
sozialer Arbeit in der Bundesrepublik<br />
Deutschland geprägt. An dieser Entwicklung<br />
war auch die Diakonie mit<br />
einem enormen Größenwachstum und<br />
einer inneren Differenzierung diakonischer<br />
Arbeitsfelder, Einrichtungen<br />
und <strong>Die</strong>nste beteiligt.“ 118 Es entwickelte<br />
sich ein arbeitsteiliges System öffentlicher<br />
Wohlfahrt, und die Diakonie<br />
war ein wichtiger Bestandteil. Damit<br />
verbunden war eine zunehmende Abhängigkeit<br />
der freien Wohlfahrtsträger<br />
– und somit auch der Diakonie – von<br />
öffentlichen Finanzmitteln.<br />
<strong>Die</strong> Tätigkeitsfelder des Diakonischen<br />
<strong>Werk</strong>es <strong>Oberhausen</strong> wurden<br />
im Laufe der Jahre immer vielfältiger.<br />
Nach und nach kamen immer mehr<br />
Arbeitsbereiche hinzu.<br />
88
Spezialisierung der Sozialen Arbeit seit den 70er-Jahren<br />
<strong>Die</strong>se wachsende Vielfalt bedurfte<br />
einer verbesserten Organisation, die<br />
sowohl strukturell als auch inhaltlich<br />
in der Lage war, den neuen Anforderungen<br />
Rechnung zu tragen. Zur organisatorischen<br />
Straffung der Arbeit<br />
wurde Mitte der 1970er-Jahre die Diakonie<br />
in <strong>Oberhausen</strong> zentralisiert. <strong>Die</strong><br />
gemeindliche Zuordnung der Mitarbeitenden<br />
wurde weiterentwickelt<br />
zu einer arbeitsfeldorientierten Sozialarbeit.<br />
<strong>Die</strong> <strong>Die</strong>nsträume in Sterkrade<br />
und Osterfeld wurden in Anlaufstellen<br />
umgewandelt, die gesamte Verwaltung<br />
und die Büros der SozialarbeiterInnen<br />
dagegen wurden in die Marktstraße<br />
verlegt, wo sich Teile des <strong>Werk</strong>es noch<br />
heute befinden. Wichtiger aber noch<br />
war die strukturelle Umstellung. In der<br />
Folge waren nicht mehr einzelne SozialarbeiterInnen<br />
in den Bezirken für<br />
alle dortigen KlientInnen und deren<br />
Anliegen zuständig, sondern je nach<br />
Sachverhalt standen unterschiedliche<br />
Fachleute als Ansprechpartner zur<br />
Verfügung. <strong>Die</strong>s bedeutete eine fundamentale<br />
Änderung der Arbeitsweise. 119<br />
Der damalige Pfarrer der Luther-<br />
Kirchengemeinde, Karl Marschall,<br />
brachte in einem Gespräch mit der<br />
Leitenden Sozialarbeiterin Hannelore<br />
Fordan die neue Grundkonzeption auf<br />
den Punkt, als er von einer „Wandlung<br />
vom einstigen ‚Fürsorger‘ zum qualifizierten<br />
Sozialarbeiter, der sein Gegenüber<br />
zur selbstständigen Lebensbewältigung<br />
anleitet und nicht mehr nur<br />
betreut“, sprach. 120 <strong>Die</strong>s korrespondierte<br />
auch mit dem allgemeinen Trend in<br />
der Sozialen Arbeit, durch universitäre<br />
oder fachhochschulische Ausbildung<br />
höhere Fachlichkeit zu erzeugen.<br />
Außer den fachlichen Gründen, die<br />
zu der Umstrukturierung führten, lagen<br />
ihr auch Haushaltsüberlegungen<br />
zugrunde. <strong>Die</strong> zunehmenden fachlichen<br />
Anforderungen an die Arbeit,<br />
die den Einsatz von studierten Sozialarbeitern<br />
und Sozialarbeiterinnen notwendig<br />
machte, erhöhten die Kosten<br />
derart, dass staatliche und vor allem<br />
kommunale Zuschüsse benötigt wurden.<br />
<strong>Die</strong>se waren wiederum an fachliche<br />
und organisatorische Voraussetzungen<br />
gebunden, die in dem alten<br />
System nicht gegeben waren. Um eine<br />
moderne Sozialarbeit evangelischer<br />
Prägung in <strong>Oberhausen</strong> sicherstellen<br />
zu können, war daher die Umstrukturierung<br />
unvermeidbar.<br />
Es musste viel Überzeugungsarbeit<br />
geleistet werden, da die Umstellung<br />
der Arbeit des Diakonischen <strong>Werk</strong>es<br />
nicht nur die MitarbeiterInnen und<br />
die KlientInnen betraf, sondern auch<br />
89
100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />
die örtlichen Kirchengemeinden, die<br />
ihren unmittelbaren Bezug zu den<br />
FürsorgerInnen beschnitten sahen.<br />
Zwar blieben in Osterfeld und Sterkrade<br />
weiterhin Anlaufstellen erhalten, sie<br />
wurden im Laufe der Jahre aber immer<br />
seltener in Anspruch genommen, als<br />
die neue Struktur unter den Betroffenen<br />
bekannter und von diesen zunehmend<br />
mehr angenommen wurde.<br />
1978 erwuchs beispielsweise aus der<br />
<strong>Die</strong>nststelle Sterkrade ein Gruppenbereich<br />
für die Freiwillige Erziehungshilfe.<br />
Und ab 1979 trafen sich neben den<br />
Jugendlichen regelmäßig auch psychisch<br />
Kranke in diesen Räumen. 121<br />
Hier lag die Wurzel der Hilfe für psychisch<br />
erkrankte Menschen in Form<br />
des Psychosozialen Gesundheitszentrums<br />
Sterkrade. Der Raum im Gemeindehaus<br />
Kapellenstraße in Osterfeld<br />
wurde Mitte der 1980er-Jahre von<br />
der wachsenden Gemeindepflegestation<br />
übernommen. 122<br />
Nach rund zehn Jahren war die Umstrukturierung<br />
abgeschlossen, wenn es<br />
auch weiterhin noch wehmutsvolle Erinnerung<br />
an die vergangene Zeit gab,<br />
wie Frau Fordans Nachfolger Gerhard<br />
Holtz rückblickend zu berichten wusste:<br />
„Meine Vorgängerin Frau Fordan<br />
hat Mitte der siebziger Jahre die bezirkliche<br />
Arbeit durch Schwerpunktsetzung<br />
abgelöst. Das hat in den Gemeinden<br />
viele Schmerzen verursacht.<br />
Als ich 1984 anfing, habe ich das auf<br />
meiner Vorstellungstour durch die<br />
<strong>Oberhausen</strong>er Presbyterien immer<br />
noch als Klage gehört. […] <strong>Die</strong> Presbyterien<br />
haben damals der Zeit nachgetrauert:<br />
‚Als wir noch unsere Fürsorgerinnen<br />
hatten …‘ Darin kam zum<br />
Ausdruck, dass die bezirkliche Arbeit<br />
ein stark gemeindebezogenes Handeln<br />
war. <strong>Die</strong> Umstellung der Tätigkeit<br />
der Mitarbeitenden auf Schwerpunkte<br />
wurde als Verlust erlebt.“ 123<br />
Wie die Arbeitsverteilung des Diakonischen<br />
<strong>Werk</strong>es rund zehn Jahre<br />
nach Umstellung des Systems aussah,<br />
verdeutlicht der Organisationsplan aus<br />
dem Jahr 1984 (Abb. 24).<br />
In den 1980er-Jahren setzte eine kritischere<br />
Betrachtung der erwähnten<br />
Veränderungen ein. Gerhard Holtz,<br />
wie erwähnt seit 1984 Nachfolger von<br />
Hannelore Fordan als Leitender Sozialarbeiter,<br />
brachte es in seiner Festansprache<br />
zum 65-jährigen Bestehen<br />
der Diakonie in <strong>Oberhausen</strong> in Bezug<br />
auf seine eigene Ausbildung auf den<br />
Punkt (Abb. 25): „Ich wurde darauf<br />
gedrillt, menschliche Probleme wissenschaftlich<br />
zu definieren, methodisch<br />
anzugehen und merkte nicht,<br />
90
Spezialisierung der Sozialen Arbeit seit den 70er-Jahren<br />
Abb. 24: Organisationsplan des Diakonischen <strong>Werk</strong>es von 1984 (Auszug).<br />
wie ich damit mich und alle anderen<br />
zu versorgungsbedürftigen Individuen<br />
machte. […] Ich war wie alle im sozialen<br />
Netz dieser letzten 15 Jahre reaktiv<br />
tätig – also in <strong>Die</strong>nsten, die hauptsächlich<br />
auf Notsituationen nur nach deren<br />
Auftreten eingehen. Grunddienste,<br />
ganzheitliches Denken waren unfein<br />
– überall entstanden Spezialdienste,<br />
arbeiteten Spezialisten!“ 124 Das Wachstum<br />
der Diakonie führte nicht nur in<br />
<strong>Oberhausen</strong> in eine neue Phase der<br />
Selbstreflexion. 125 <strong>Die</strong> Erfordernisse<br />
eines modernen Managements, die<br />
nun unabweisbar waren, überforderten<br />
teilweise die althergebrachten Leitungs-<br />
und Organisationsstrukturen.<br />
Schon fünf Jahre zuvor, beim 60-jährigen<br />
Jubiläum der Diakonie 1981<br />
musste Rudolf Majert, der zusammen<br />
mit Hannelore Fordan das Diakoni-<br />
91
100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />
Abb 25: Unterwegs zum Menschen – Festschrift 65 Jahre<br />
<strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong> 1986 (Titelbild).<br />
92
Spezialisierung der Sozialen Arbeit seit den 70er-Jahren<br />
sche <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong> seit dessen<br />
Gründung geleitet hatte, feststellen,<br />
dass die Arbeitsweise und -schwerpunkte<br />
des Diakonischen <strong>Werk</strong>es vielen<br />
evangelischen Gemeindemitgliedern<br />
gar nicht hinreichend bekannt<br />
seien. Hier müsse Aufklärungsarbeit<br />
geleistet werden. <strong>Die</strong> Darstellung der<br />
Arbeit des Diakonischen <strong>Werk</strong>es in<br />
der Öffentlichkeit wurde daher immer<br />
wieder in Angriff genommen. So<br />
erschien im <strong>Oberhausen</strong>er Wochenanzeiger<br />
1985 eine mehrteilige Reihe<br />
über soziale Einrichtungen des Kirchenkreises<br />
<strong>Oberhausen</strong> sowie anderer<br />
evangelischer Träger. In einem Beitrag<br />
wurde die Arbeit der Diakonie,<br />
ihre unterschiedlichen Arbeitsfelder<br />
und deren geschichtliche Entstehung<br />
ausführlich dargestellt. Besonders betont<br />
wurden Angebote auf Gemeindeebene,<br />
mit denen man wieder versuchte,<br />
ein Stück Gemeindenähe zurück zu<br />
gewinnen. Jede Kirchengemeinde bekam<br />
einen festen Ansprechpartner innerhalb<br />
des Diakonischen <strong>Werk</strong>es, so<br />
dass eine bessere Anbindung gewährleistet<br />
werden konnte. 126<br />
Ebenso geriet die Bedeutung der ehrenamtlichen<br />
Mitarbeiter im Diakonischen<br />
Bereich verstärkt in den Blick.<br />
Man war sich über die Zahl dieser<br />
Engagierten offenbar gar nicht recht<br />
bewusst, war man doch bei der Planung<br />
der Festveranstaltung verblüfft,<br />
„daß die Plätze in der Stadthalle gerade<br />
reichen, wenn die im diakonischen<br />
Bereich tätigen Ehrenamtlichen aller<br />
<strong>Oberhausen</strong>er evangelischen Kirchengemeinden<br />
kommen.“ 127<br />
Gerhard Holtz machte sich ebenfalls<br />
für einen verstärkten Einsatz ehrenamtlicher<br />
Kräfte stark, nicht als Alternative<br />
zu den fachlichen Spezialisten,<br />
sondern als Ergänzung aufgrund deren<br />
eigenen Lebenserfahrungen. „Es<br />
gibt kein Monopol für den hauptamtlichen<br />
Helfer; dem hilfebedürftigen<br />
Menschen kann Hilfe durch jeden zuteil<br />
werden!“ Er betonte ausdrücklich,<br />
dass dieser Rückgriff auf das Potenzial<br />
der Ehrenamtlichen kein „billiger<br />
Spartrick“ sein könne. In seiner<br />
Festrede aus Anlass des 75-jährigen<br />
Bestehens des Diakonischen <strong>Werk</strong>es<br />
betonte er: „Deshalb ist die Diakonie<br />
dankbar für jeden Menschen, der ehrenamtlich<br />
tätig wird – gleichwie – ob<br />
im Diakonie-Ausschuß, der unsere<br />
Arbeit begleitet, ob als ehrenamtlicher<br />
Betreuer im Gefängnis oder ob in der<br />
Hilfe für demente alte Menschen.“ 128<br />
Gleichwohl aber muss festgehalten<br />
werden, dass Mitte der 1980er-Jahre<br />
ein vermehrter Kostendruck auf das<br />
Diakonische <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong> und<br />
93
100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />
den Evangelischen Kirchenkreis <strong>Oberhausen</strong><br />
zukamen, der in der Folgezeit<br />
sich massiv auf die Arbeit auswirkte.<br />
Gerhard Holtz beschrieb, wie er diese<br />
Situation zu Beginn seiner Amtszeit<br />
erfahren hat: „Wir haben uns ja schon<br />
1984 im Kirchenkreis über Finanzen<br />
unterhalten. Als ich anfing, gab es das<br />
Abb. 26: Für neuen Diakonie-Beauftragten ging<br />
es gleich in die „Vollen“. WAZ, 17.8.1985.<br />
94
Spezialisierung der Sozialen Arbeit seit den 70er-Jahren<br />
sogenannte ‚Streichorchester‘. Das war<br />
damals eine Kommission, die überlegte,<br />
was im Kirchenkreis angesichts der<br />
wirtschaftlichen Entwicklung in <strong>Oberhausen</strong><br />
abzubauen wäre.“ 129 <strong>Die</strong>ser<br />
Spardruck und der Kampf um immer<br />
knapper werdende finanzielle Mittel<br />
haben die diakonische Arbeit bis heute<br />
begleitet.<br />
Seit 1984 musste sich eine neue Leitung<br />
des Diakonischen <strong>Werk</strong>es dieser<br />
Herausforderung stellen. Gerhard<br />
Holtz folgte Hannelore Fordan als<br />
Leitender Sozialarbeiter nach, Jürgen<br />
Schmidt übernahm den Platz von Rudolf<br />
Majert als Geschäftsführer. Majert<br />
blieb noch ein Jahr Kreissynodalbeauftragter<br />
für Diakonie, ehe diese Aufgabe<br />
von Hans Hönicke wahrgenommen<br />
wurde. 130 Seine Einführung und die<br />
mit seinem Amt verbundenen Aufgaben<br />
wurden in der Presse gewürdigt<br />
(Abb. 26). 131<br />
Am 21. November 1986 konnte das<br />
Diakonische <strong>Werk</strong> seinen 65. Jahrestag<br />
feiern. <strong>Die</strong>s geschah im Evangelischen<br />
Gemeindehaus Bethel. 132 (Abb. 27)<br />
Am 1. Januar 1991, fast unmittelbar<br />
nach der deutschen Einheit, trat<br />
das „Gesetz zur Neuordnung des Kinder-<br />
und Jugendhilferechts“ in Kraft.<br />
Es löste das „Gesetz für Jugendwohlfahrt“<br />
ab, das seinerseits seit 1961 in<br />
starker Anlehnung an das Reichsjugendwohlfahrtsgesetz<br />
von 1924 das<br />
bundesdeutsche Wohlfahrtswesen geregelt<br />
hatte – ein einschneidendes Ereignis<br />
für die Soziale Arbeit, auch für<br />
die <strong>Oberhausen</strong>er Diakonie. Mit diesem<br />
Gesetz sollte weniger die Kontrolle<br />
der Hilfeempfänger im Vordergrund<br />
stehen, vielmehr sollten Unterstützung<br />
und Hilfsangebote als Anreize verstanden<br />
werden, wobei vornehmlich<br />
freie Träger die Angebote bereitstellen,<br />
die Kommunen die dafür notwendigen<br />
Leistungen erbringen sollten.<br />
De facto führte dieses Gesetz aber im<br />
Wohlfahrtsbereich zu einer marktwirtschaftlichen<br />
Struktur, die auf die<br />
freien Wohlfahrtsverbände und damit<br />
auch das Diakonische <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong><br />
einen immer stärkeren Wettbewerbs-<br />
und Kostendruck ausübte. Eine<br />
Übergangsfrist von fünf Jahren sollte<br />
es ermöglichen, die notwendigen Reformschritte<br />
in die Wege zu leiten.<br />
Nicht nur die deutsche Einigung,<br />
auch die europäische, die Einführung<br />
des Binnenmarktes, wirkte sich auf<br />
die Arbeit der Diakonie aus. Das Modell<br />
der Freien Wohlfahrtspflege war<br />
in Europa einzigartig und geriet nun<br />
unter den Druck des europäischen<br />
95
100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />
Abb. 27: Diakonie feierte ihr 65-jähriges Bestehen. NRZ, 22.11.1986.<br />
96
Spezialisierung der Sozialen Arbeit seit den 70er-Jahren<br />
Marktes. Ausschreibungen mussten<br />
jetzt vielfach europaweit erfolgen, was<br />
zwar Kosten senken konnte, den Verwaltungsaufwand<br />
aber erhöhte. 133 So<br />
geriet beispielsweise 2017 die Arbeit<br />
der Jugendgerichtshilfe in Gefahr, da<br />
die Stadt sich zunächst gezwungen sah,<br />
die Tätigkeit europaweit auszuschreiben.<br />
Nach rechtlicher Prüfung konnten<br />
die Aufträge dann doch wieder an<br />
die örtlichen Träger Caritas und <strong>Diakonisches</strong><br />
<strong>Werk</strong> vergeben werden. 134<br />
Allgemein kann man festhalten: „<strong>Die</strong><br />
diakonische wie Soziale Arbeit allgemein<br />
ist nicht nur einer wachsenden<br />
Verrechtlichung, sondern vor allem<br />
einem steigenden Ökonomisierungsdruck<br />
ausgesetzt. Zugleich fordert der<br />
europäische Rahmen Prozesse der<br />
Neuorientierung, Angleichung und<br />
Kooperation.“ 135 Das jahrzehntelang<br />
bestehende System der dualen Wohlfahrtspflege<br />
(Staat/Kommune und gemeinnützige<br />
freie Wohlfahrtsverbände)<br />
wurde um eine dritte Kategorie<br />
erweitert: kommerzielle Anbieter, die<br />
im Rahmen des Wettbewerbs sich um<br />
einzelne Aufgaben der Wohlfahrtspflege<br />
bewarben und in Konkurrenz der<br />
freien Wohlfahrtsträger auftraten. 136<br />
Eine weitere Folge der Sparzwänge,<br />
die auf alle Träger der Freien Wohlfahrtspflege<br />
gleichermaßen wirkte,<br />
war eine vermehrte Zusammenarbeit.<br />
<strong>Die</strong> Bündelung der Kräfte sollte helfen,<br />
im Konkurrenzkampf mit den privaten<br />
Anbietern bestehen zu können.<br />
1987 wurde eine Vereinbarung zur Gewährleistung<br />
der sozialpädagogischen<br />
Familienhilfe zwischen Diakonischem<br />
<strong>Werk</strong> und Caritas mit der Stadt als<br />
„große Koalition“ in der Presse gefeiert.<br />
(Abb. 28)<br />
Im Sommer 1994 legten Diakonie<br />
und Caritasverband ihre bislang getrennten<br />
Suchtberatungsstellen zusammen.<br />
Aus zuvor je zwei Personalstellen<br />
wurden nun drei in der gemeinsamen<br />
Einrichtung. Ebenso begannen die beiden<br />
Kirchen sowie Caritas und Diakonie<br />
gemeinsam Konzepte für eine<br />
kirchliche Präsenz in der im Aufbau<br />
befindlichen Neuen Mitte <strong>Oberhausen</strong><br />
zu erarbeiten.<br />
Ebenfalls im Jahr 1994 übernahm<br />
der bisherige Leitende Sozialarbeiter<br />
Gerhard Holtz die Leitung des Diakonischen<br />
<strong>Werk</strong>es; Jürgen Schmidt blieb<br />
bis 1997 Geschäftsführer. Mit dieser<br />
Entscheidung des Kreissynodalvorstandes<br />
wurde die Organisationsstruktur<br />
nochmals gestrafft.<br />
Im Jahr 1996 konnte das 75-jährige<br />
Jubiläum der Einrichtung gefei-<br />
97
100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />
Abb. 28: Eine große Koalition steuert sozialpädagogische<br />
Familienhilfe. WAZ, 16.12.1987.<br />
98
Spezialisierung der Sozialen Arbeit seit den 70er-Jahren<br />
ert werden (Abb. 29). Gerhard Holtz<br />
nutzte die Gelegenheit, um auf die<br />
Diskrepanz zwischen Anspruch und<br />
Wirklichkeit der Sozialen Arbeit hinzuweisen<br />
und die Ausrichtung des<br />
Diakonischen <strong>Werk</strong>es hervorzuheben:<br />
„Soziale Arbeit und marktwirtschaftliches<br />
Denken […] lassen sich nicht<br />
über einen Leisten messen. Sozialarbeit<br />
kommt nicht ohne Werthintergrund<br />
aus, […] ein Werthintergrund,<br />
der auf dem Christentum und auf den<br />
Grundsätzen der Aufklärung und des<br />
Humanismus fußt. Betriebswirtschaft<br />
könne das nicht ersetzen. Doch im<br />
drohenden ‚Sozial-Monopoly‘ heute<br />
[...] stört der Wert Menschenwürde,<br />
weil er nicht abrechenbar ist.“ 137 Holtz<br />
bemängelte, dass die privaten <strong>Die</strong>nste<br />
im Bereich der Wohlfahrtspflege sich<br />
nur auf lukrative Betätigungsfelder<br />
konzentrieren würden. Mit der Arbeit<br />
mit Nichtsesshaften, mit der Schuldner-<br />
oder ambulanten Suchtberatung<br />
sei eben kein Geld zu verdienen. Der<br />
Kern des Problems sei die Frage der<br />
Abb. 29: 75 Jahre<br />
<strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong><br />
<strong>Oberhausen</strong>, 14.<br />
März 1996. NRZ-<br />
Foto Glisson.<br />
v.l. Oberbürgermeister<br />
Friedhelm<br />
van den Mond,<br />
Dr. jur. Moritz Linzbach,<br />
Superintendent<br />
Artur Schorzmann,<br />
DW-Leiter<br />
Gerhard Holtz,<br />
Stadtdirektorin<br />
Ruth Damerius<br />
99
100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />
politischen Akzeptanz der Sozialen<br />
Arbeit. Nur ein auf Kosteneffizienz<br />
ausgerichteter <strong>Die</strong>nst werde dauerhaft<br />
die notwendige Finanzierung erhalten,<br />
da die politische und gesamtgesellschaftliche<br />
Entwicklung dahin ginge,<br />
die Kosten des Sozialstaates zu reduzieren.<br />
Dem hielt Holtz entgegen: „Mit<br />
der Einführung neuer Strukturen, mit<br />
der Einführung des Sozialmarktes<br />
wird die Frage nach der Finanzierbarkeit<br />
des Sozialstaates nicht beantwortet<br />
– schon der Ansatz dieses Weges ist<br />
falsch.“<br />
<strong>Die</strong> Festveranstaltung wurde ergänzt<br />
durch eine Festschrift, die hier oft<br />
schon Erwähnung gefunden hat: Herta<br />
Zilly und Gerhard Holtz: 75 Jahre<br />
<strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> des Kirchenkreises<br />
<strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 1996. <strong>Oberhausen</strong><br />
(1996) sowie durch eine Reihe von Diskussionsveranstaltungen<br />
im Sommer<br />
und Herbst 1996, die das Ziel hatten,<br />
die soziale Wirklichkeit im Jahr 1996<br />
zu spiegeln. Themen waren „Verwahrlosung<br />
zu Hause: Realität oder Utopie“.<br />
Hier standen die Probleme alter Menschen<br />
und psychisch Kranker im Blickpunkt,<br />
aber auch Fragen der Pflegeversicherung<br />
und rechtlichen Betreuung<br />
oder die Altenpflege allgemein. Nichtsesshaftenhilfe,<br />
Suchtberatung und<br />
Gefangenenhilfe waren Thema einer<br />
Veranstaltung im August: „Volle Pulle<br />
auf Platte: Arbeitslos – Wohnungslos –<br />
Chancenlos“. „Wenn ich einmal reich<br />
wär’ – Armut in Familien“ war ebenso<br />
ein Veranstaltungsmotto wie „<strong>Die</strong><br />
Würde des Menschen ist antastbar.<br />
Menschen – ohne Recht(e)“. Hierbei<br />
ging es um die Situation von Flüchtlingen.<br />
Alle Veranstaltungen wurden<br />
von Thomas Finkemeier, Redakteur<br />
der NRZ, moderiert, Redner führten<br />
in die jeweilige Thematik ein und boten<br />
Anlass für ausführliche Gespräche<br />
mit den Besuchern. 138<br />
Den Abschluss der Reihe bildete<br />
eine kulturelle Veranstaltung, die<br />
das Thema der Empathie als eines der<br />
Kernthemen der Sozialen Arbeit aufgriff<br />
(Abb. 31).<br />
Der umfassende Anspruch des Diakonischen<br />
<strong>Werk</strong>es, die diakonische<br />
Arbeit des Kirchenkreises <strong>Oberhausen</strong><br />
nicht nur zu organisieren, sondern<br />
auch in einen breiten Diskurs in<br />
Kirche und Gesellschaft zu befördern,<br />
wurde nicht zuletzt auch anlässlich seines<br />
80-jährigen Bestehens betont. Statt<br />
eines Festaktes wurde eine Fachtagung<br />
abgehalten, die zusammen mit dem<br />
Caritasverband durchgeführt wurde<br />
und das „Netzwerk Psychosoziale<br />
<strong>Die</strong>nste“ zum Thema hatte.<br />
100
Spezialisierung der Sozialen Arbeit seit den 70er-Jahren<br />
Abb. 31: Plakat zur Filmvorführung und Talkrunde „… und hätte die Liebe nicht“.<br />
101
100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />
Im letzten Jahrzehnt erhöhte sich<br />
nochmals der Sparzwang, den die<br />
Stadt auf die Freien Träger ausübte,<br />
weil sie ihrerseits ihre Ausgaben auf<br />
Druck von Landes- und Bezirksregierung<br />
senken musste. So beginnt der<br />
Jahresbericht 2011/12 des Synodalbeauftragten<br />
für Diakonie mit der Feststellung,<br />
dass das Kürzungsziel des<br />
städtischen Etats in Höhe von „43 Millionen<br />
EUR oder mehr?“ sich auch auf<br />
den Jugend-, Sozial- und Gesundheitsetat<br />
und damit auf die Wohlfahrtspflege<br />
auswirken würden. <strong>Die</strong> Stadt<br />
war zu dieser Maßnahme gezwungen,<br />
um Zahlungen aus der Landeshilfe<br />
„Stärkungspakt Stadtfinanzen“<br />
erhalten zu können. „Ohne Beitritt zu<br />
diesem Wechselgeschäft fällt die Stadt<br />
dauerhaft unter die Zwangsverwaltung<br />
durch die Bezirksregierung, was einer<br />
Entmachtung des Rates und damit der<br />
kommunalen Selbstverwaltung gleichkommt,“<br />
139 wie es in dem Bericht hieß.<br />
Der Synodalbeauftragte Pfarrer Drescher<br />
und der Leiter des Diakonischen<br />
<strong>Werk</strong>es, Gerhard Holtz, befürchteten<br />
eine Kürzung der städtischen Zuschüsse<br />
um 3.000 Euro für das Diakonische<br />
<strong>Werk</strong> selbst und um 7.000 Euro für das<br />
Psychosoziale Gesundheitszentrum<br />
Sterkrade. <strong>Die</strong> Freien Wohlfahrtsverbände<br />
suchten das Gespräch mit der<br />
Stadt, führten Vergleiche mit den Mängeln<br />
der Pflegereform an und wiesen<br />
auf grundsätzliche Probleme des Sparansatzes<br />
hin: „Aus Sicht der Diakonie<br />
wird sich die alleinige Orientierung<br />
am Benchmarking mittel- bis langfristig<br />
nicht auszahlen. Beweis dafür ist<br />
die Situation der ambulanten und stationären<br />
pflegerischen Versorgung, wo<br />
alle Beteiligten mit dem ähnlich regulierten<br />
Pflegemarkt nun die Erfahrung<br />
einer heraufziehenden Götterdämmerung<br />
machen … Und schließlich: die<br />
Orientierung an Durchschnittswerten<br />
impliziert die Auseinandersetzung mit<br />
Fragen nach den Standards der Hilfe<br />
und dem Zugang der Hilfesuchenden<br />
zur Hilfe, nach der Qualifikation,<br />
den Arbeitsbedingungen und der Entlohnung<br />
der Helfer sowie der Tarifgebundenheit<br />
und Tariftreue der Anbieter.“<br />
140<br />
Am 30.6.2013 ging Gerhard Holtz in<br />
den Ruhestand (Abb. 31). Sein Nachfolger<br />
wurde Reinhard Harfst, der<br />
zuvor die Diakonie im Kirchenkreis<br />
Lennep (Remscheid) geleitet hatte. 141<br />
Auch unter seiner Führung stand das<br />
Diakonische <strong>Werk</strong> vor den gleichen<br />
Problemen wie schon unter seinem<br />
Vorgänger. <strong>Die</strong> öffentlichen Mittel<br />
wurden gekürzt und mussten anderweitig<br />
ausgeglichen werden. Im Jahresbericht<br />
2013/14 hieß es daher: „Das<br />
102
Spezialisierung der Sozialen Arbeit seit den 70er-Jahren<br />
Diakonische <strong>Werk</strong> erwirtschaftet 87%<br />
seiner Mittel durch externe FINAN-<br />
ZIERUNGEN: So werden die Aufgaben<br />
zumeist durch Landesmittel oder<br />
kommunale Mittel mittels Pauschalen<br />
oder Fachleistungsstunden finanziert.<br />
Leider zeigt sich die Tendenz, dass diese<br />
Finanzierungen nicht den realen<br />
Kostensteigerungen angepasst werden.<br />
So entsteht im Laufe der Zeit eine immer<br />
größer werdende DECKUNGS-<br />
LÜCKE, die nicht mehr – wie oft in der<br />
Vergangenheit geschehen – durch Kirchensteuermittel<br />
auszugleichen ist.“ 142<br />
Allein 300.000 Euro erhielt das Diakonische<br />
<strong>Werk</strong> aus Kirchensteuermitteln,<br />
was bei Gesamteinnahmen von knapp<br />
2,4 Millionen Euro etwa 13 Prozent<br />
ausmachte. Wenn man diese Relation<br />
beispielsweise mit derjenigen des Jahres<br />
1923 vergleicht (siehe oben S. 35)<br />
– damals finanzierten die drei evangelischen<br />
Gemeinden Alt-<strong>Oberhausen</strong>s<br />
den Etat des Jugendpfarramts zu<br />
über 75 Prozent –, dann erkennt man,<br />
wie sehr sich inzwischen das Verhältnis<br />
Staat – Freie Wohlfahrt gewandelt<br />
hat. Allerdings begann sich dies mit<br />
Abb. 31: Verabschiedung von Gerhard Holtz (links).<br />
103
100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />
Inkrafttreten des Jugendwohlfahrtsgesetzes<br />
1924 bereits zu ändern. 1926 betrug<br />
der Kirchenanteil an den Einnahmen<br />
des Evangelischen Jugend- und<br />
Wohlfahrtsamtes nur noch knapp 60<br />
Prozent. 143<br />
Nachdem der Wehr- und damit auch<br />
der Zivildienst 2011 ausgesetzt worden<br />
waren, wurden erstmals im Herbst<br />
2013 zwei Freiwilliges Soziales Jahr-<br />
Stellen eingerichtet. 144 Da das Diakonische<br />
<strong>Werk</strong> im gesamten Bereich der<br />
Evangelischen Kirche <strong>Oberhausen</strong>s für<br />
den Zivildienst zuständig war, betreute<br />
man etwa 30 Zivildienstleistende. Deren<br />
Wegfall bereitete durchaus Probleme,<br />
zumal die Einrichtung der Freiwilliges<br />
Soziales Jahr-Stellen nur sehr<br />
zögerlich angenommen wurden.<br />
2015 trat das Thema Flüchtlingshilfe<br />
in den Vordergrund. <strong>Die</strong> Zahl der nach<br />
Europa eingereisten Asylbewerber hatte<br />
2014 bereits 627.000 betragen, verdoppelte<br />
sich fast auf über 1,3 Mio. im<br />
Jahr 2015 und lag 2016 nochmals bei<br />
1,26 Mio., von denen ein erheblicher<br />
Teil bereits 2015 eingereist war, aber<br />
verspätet erfasst wurde. 145 Waren im<br />
Jahr 2015 die Unterbringung und die<br />
Versorgung zentrale Themen, so hatte<br />
sich in 2016 der Fokus auf die Betreuung<br />
und Integration verschoben.<br />
Im April 2015 wurde im Diakonischen<br />
<strong>Werk</strong> eine Koordinationsstelle<br />
Flüchtlingsarbeit angesiedelt, die in der<br />
Flüchtlingsunterkunft Kapellenstraße<br />
untergebracht wurde. Mit einer Fachstelle<br />
ließ man es aber nicht bewenden:<br />
„Alle anderen <strong>Die</strong>nste des Diakonischen<br />
<strong>Werk</strong>es bereiten sich auf den<br />
Umgang mit denjenigen geflüchteten<br />
Menschen vor, die einen anerkannten<br />
Aufenthaltsstatus haben und unsere<br />
Hilfe suchen. Mitarbeitende besuchen<br />
Sprachkurse, um ihre Fremdsprachenkenntnisse<br />
aufzufrischen. Schulungen<br />
zu interkultureller Kommunikation<br />
werden durchgeführt, um im direkten<br />
Kontakt besser vorbereitet zu sein.<br />
Erfahrungen aus einzelnen Arbeitsbereichen<br />
werden über das <strong>Werk</strong> hinaus<br />
mit den anderen Einrichtungen und<br />
<strong>Die</strong>nsten des Kirchenkreises geteilt<br />
und koordiniert.“ 146<br />
2017 erkrankte der Leiter des <strong>Werk</strong>s,<br />
Reinhard Harfst, und schied Anfang<br />
2018 aus dem <strong>Die</strong>nst aus. Sein Nachfolger<br />
wurde am 1. April 2018 Frank<br />
Domeyer (Abb. 32).<br />
Auch in der Presse wurde der neue<br />
Leiter gewürdigt (Abb. 33).<br />
Nach dem ortsfremden Vorgänger<br />
wurde diesmal auf eine tiefe innere<br />
und biografische Verbundenheit mit<br />
104
Spezialisierung der Sozialen Arbeit seit den 70er-Jahren<br />
Abb. 32: Frank Domeyer.<br />
dem Diakonischen <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong><br />
Wert gelegt. <strong>Die</strong>s war nicht zuletzt<br />
auch deshalb wünschenswert, weil absehbar<br />
war, dass auf das Diakonische<br />
<strong>Werk</strong> wieder einmal Zeiten größerer<br />
Veränderung zukommen würden. Der<br />
Kirchenkreis <strong>Oberhausen</strong> hatte einen<br />
Restrukturierungsprozess im November<br />
2017 beschlossen, der auch das<br />
Diakonische <strong>Werk</strong> betreffen würde.<br />
Erstmals taucht im Jahresbericht der<br />
Begriff „Fusion“ auf. Zum einen warnte<br />
der Bericht vor der Auslagerung<br />
von Sachgebieten, um das Gesamtwerk<br />
– „auch für mögliche Fusionsverhandlungen“<br />
– nicht zu schwächen.<br />
Perspektivisch sei eine Zurückführung<br />
des Kirchensteueranteils an der Finanzierung<br />
des <strong>Werk</strong>s „nur durch erhebliche<br />
Expansion oder/und durch<br />
Synergieeffekte bei einer Fusion und<br />
der Schaffung erheblich größerer Betriebseinheiten<br />
möglich.“ 147 Was genau<br />
darunter zu verstehen war und welche<br />
Schritte bereits übernommen wurden,<br />
geht ebenfalls aus dem Jahresbericht<br />
hervor: „Ein Ergebnis aus den Beratungen<br />
in der AG-Diakonie war es,<br />
Kontakt mit den in <strong>Oberhausen</strong> im Bereich<br />
der sozialen Arbeit tätigen evangelischen<br />
Trägern aufzunehmen, um<br />
Bereitschaften und Möglichkeiten der<br />
Zusammenarbeit zu eruieren. Von Mai<br />
bis September 2018 wurden mit allen<br />
sechs evangelischen <strong>Oberhausen</strong>er<br />
Trägern der Jugend- und Altenhilfe<br />
erste Gespräche geführt. Darüber hinaus<br />
wurde Kontakt zu den Geschäftsführern<br />
der Diakonischen <strong>Werk</strong>e in<br />
Mülheim an der Ruhr, Dinslaken und<br />
Duisburg aufgenommen. Alle Kontakte<br />
waren insgesamt von großer Zugewandtheit<br />
und Offenheit geprägt, haben<br />
jedoch in diesen ersten Schritten<br />
nicht zu dem Ergebnis geführt, konkrete<br />
Kooperations- oder Fusionsgespräche<br />
zu beginnen.“ 148 Im Herbst<br />
2019 hat schließlich die Synode des<br />
105
100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />
Abb. 33: Vom Praktikum bis auf<br />
den Chefsessel. WAZ, 21.6.2018.<br />
106
Spezialisierung der Sozialen Arbeit seit den 70er-Jahren<br />
Evangelischen Kirchenkreises <strong>Oberhausen</strong><br />
beschlossen, sein örtliches <strong>Diakonisches</strong><br />
<strong>Werk</strong> in eine privatrechtliche<br />
Organisationsform zu überführen.<br />
Ziel ist eine beträchtliche Kostenreduktion<br />
für den Kirchenkreis. 149 <strong>Die</strong>s<br />
wird mit Jahresbeginn 2022 in Form<br />
einer Fusion mit der Evangelischen Jugendhilfe<br />
gGmbH umgesetzt werden.<br />
Im Jahr 2020 stand auch im Diakonischen<br />
<strong>Werk</strong> die Corona-Krise<br />
und die Maßnahmen zu ihrer Bewältigung<br />
und zum Schutz der MitarbeiterInnen<br />
und der BürgerInnen im<br />
Mittelpunkt. Im Jahresbericht 2019/20<br />
heißt es: „<strong>Die</strong> Wucht, mit der das Virus<br />
Deutschland für Wochen beinahe<br />
komplett lahmgelegt hat und unser<br />
aller Leben – insbesondere das soziale<br />
Miteinander – verändert hat, hat<br />
die Generation der nach dem zweiten<br />
Weltkrieg geborenen Menschen<br />
in unserem Land noch nicht erlebt.“ 150<br />
Ein Hygieneschutzkonzept wurde erarbeitet<br />
und umgesetzt, infolge des<br />
bundesweiten Lockdowns Mitte März<br />
wurden „die <strong>Die</strong>nststellen geschlossen,<br />
die keinen direkten Versorgungsauftrag<br />
für die betreute Klientel hat[ten].<br />
Um höchstmöglichen Infektionsschutz<br />
sicherzustellen, wurde sofort die Möglichkeit<br />
des ‚Mobilen Arbeitens‘ umgesetzt<br />
und die Voraussetzungen für eine<br />
erweiterte digitale Kommunikation<br />
zwischen den Mitarbeitenden und zur<br />
Klientel geschaffen.“ 151 <strong>Die</strong> Einschränkungen<br />
hatten zur Folge, dass in den<br />
Sachgebieten Schuldnerberatung, Psychosoziales<br />
Gesundheitszentrum, Flexible<br />
Erziehungshilfe und Jugendgerichtshilfe<br />
im Monat Mai Kurzarbeit<br />
angemeldet werden musste.<br />
In Zusammenarbeit mit allen anderen<br />
Wohlfahrtsverbänden der Stadt<br />
wurde das Projekt „Wohlfahrt hilft“ initiiert,<br />
um „immobile Bürger im Stadtgebiet<br />
mit Lebensmitteln zu beliefern<br />
und einsamen und ratsuchenden<br />
Menschen durch eine Telefon-Hotline<br />
werktags von 8 – 17 Uhr zur Verfügung<br />
zu stehen.“ 152<br />
Der Kreissynodalbeauftragte Pfarrer<br />
Jürgen Drescher ging im selben Jahr in<br />
den Ruhestand und wurde von Pfarrer<br />
Thomas Fidelak von der Kirchengemeinde<br />
Holten-Sterkrade abgelöst. 153<br />
Bei all den Schwierigkeiten, die das<br />
Diakonische <strong>Werk</strong> im Blick auf die Finanzierung,<br />
das Ringen um die grundsätzliche<br />
Ausrichtung und das Verhältnis<br />
zu den kommunalen und anderen<br />
freien Wohlfahrtsverbänden hatte, soll<br />
nicht unerwähnt bleiben, dass es aus<br />
der Politik, aber auch aus der Bevöl-<br />
107
100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />
kerung immer wieder zu Gegnerschaft<br />
und Widerstand gegen die Soziale<br />
Arbeit kam.<br />
1997 drohte zunächst ein Projekt,<br />
eine medizinische Sprechstunde für<br />
Wohnungslose anzubieten, an den<br />
<strong>Oberhausen</strong>er Ärzten zu scheitern. Auf<br />
diese Weise sollten Menschen erreicht<br />
werden, die Hemmungen haben, niedergelassene<br />
Ärzte aufzusuchen. Doch<br />
man fand zunächst keinen Arzt, der<br />
bereit gewesen wäre, ehrenamtlich eine<br />
solche Aufgabe zu übernehmen. Vielmehr<br />
bestand wohl die Befürchtung,<br />
dass Patienten aus den Arztpraxen<br />
in diesen ambulanten <strong>Die</strong>nst abwandern<br />
könnten. 154 Erst als die Sache in<br />
die Presse kam und Oberbürgermeister<br />
Friedhelm van den Mond sich einschaltete,<br />
fanden sich einige Ärzte zur<br />
Mitarbeit bereit. Allerdings wurde die<br />
Auseinandersetzung mit heftigen Leserbriefen<br />
ausgetragen. 155 Anfang 1998<br />
konnte die medizinische Sprechstunde<br />
schließlich in Zusammenarbeit mit der<br />
Stadt, der Kassenärztlichen Vereinigung<br />
und den Wohlfahrtsverbänden<br />
angeboten werden. 156 <strong>Die</strong> Bereitschaft<br />
der niedergelassenen Ärzte zur Unterstützung<br />
dieser Arbeit ist aber bis heute<br />
eher gering. So heißt es im Jahresbericht<br />
2012/2013: „Trotz eines Aufrufes<br />
von Kassenärztlicher Vereinigung, der<br />
Stadt <strong>Oberhausen</strong>, der Ärztekammer<br />
und dem Diakonischen <strong>Werk</strong> zur Gewinnung<br />
zusätzlicher Ärzte für das<br />
MEDIZINMOBIL SA+M ist die Resonanz<br />
bei den niedergelassenen Ärzten<br />
sehr gering. Nur ein Arzt sagte zu.“<br />
Auch im Herbst 2021 besteht dieses<br />
Problem fort.<br />
Ein weiteres Beispiel, das zeigt,<br />
dass Soziale Arbeit nicht immer auf<br />
Verständnis stößt, ist der Umzug der<br />
<strong>Oberhausen</strong>er Tafel in die Marktstraße.<br />
<strong>Die</strong> Tafel war am 25. September 2001<br />
als ein Projekt der AGENDA 21 im<br />
Diakonischen <strong>Werk</strong> des Kirchenkreises<br />
<strong>Oberhausen</strong> gegründet worden. 157<br />
<strong>Die</strong> Tafel hat zum Ziel, überschüssige<br />
und vor dem Verfall stehende Lebensmittel<br />
zu sammeln und an Bedürftige,<br />
Suppenküchen etc. zu verteilen. 158 Seit<br />
dem 17. März 2006 ist die „<strong>Oberhausen</strong>er<br />
Tafel e.V.“ im Einvernehmen mit<br />
dem Diakonischen <strong>Werk</strong> als selbstständig<br />
eingetragener Verein Mitglied<br />
im Bundesverband Tafel Deutschland<br />
e.V. Sie ist ein Beispiel dafür, dass Initiativen<br />
im Rahmen des Diakonischen<br />
<strong>Werk</strong>s sich weiterentwickeln und zu<br />
rechte Seite Abb. 34: Um das<br />
neue Tafel-Café klirrt schon jetzt<br />
das Porzellan. WAZ, 22.4.2005.<br />
108
Spezialisierung der Sozialen Arbeit seit den 70er-Jahren<br />
109
100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />
eigenständigen Institutionen werden<br />
können. 159 Im April 2005 eröffnete die<br />
Tafel in der Marktstraße das „Tafel-<br />
Café“. Dort sollte Bedürftigen samstags<br />
kostenlos Suppe angeboten werden. 160<br />
Doch kaum war das Café eröffnet,<br />
„klirrt[e] schon das Porzellan“, wie die<br />
WAZ am 22. April titelte. 161 (Abb. 34)<br />
Das Café war sofort sehr gut angenommen<br />
worden, Menschenschlangen<br />
bildeten sich in der Fußgängerzone.<br />
<strong>Die</strong> anliegenden Gewerbetreibenden<br />
beschwerten sich aber heftig, so dass<br />
Michael Schmitz von der WAZ in<br />
einem Kommentar daran erinnern<br />
musste: „Toleranz ist das Gebot.“ 162<br />
Auch aus Anlass des 90-jährigen Bestehens<br />
nutzte das Diakonische <strong>Werk</strong><br />
die Gelegenheit, grundsätzliche gesellschaftliche<br />
Fragen im Zusammenhang<br />
mit der Sozialen Arbeit zu thematisieren.<br />
In nun schon gewohnter Praxis<br />
wurde das Jubiläum nicht mit einer<br />
großen Festveranstaltung begangen.<br />
Stattdessen fragte ein kritischer Vortrag<br />
von Prof. Bernd Schlüter, Professor<br />
für Verfassungs- und Sozialrecht<br />
an der Katholischen Hochschule für<br />
Sozialwesen in Berlin: „Wie sozial ist<br />
unsere Marktwirtschaft?“ 163<br />
An diesen Beispielen erkennt man,<br />
dass Soziale Arbeit im Allgemeinen<br />
und konkret das Wirken des Diakonischen<br />
<strong>Werk</strong>es einerseits im Interesse<br />
der Menschen unabdingbar ist, andererseits<br />
aber immer wieder auch in<br />
Frage gestellt wurde und wird. Man<br />
kann hierin durchaus ein Zeichen für<br />
die Bedeutung und Relevanz des Diakonischen<br />
<strong>Werk</strong>es in <strong>Oberhausen</strong> sehen.<br />
Zum Abschluss dieses Kapitels sei<br />
noch ein Blick auf die Mitarbeiterentwicklung<br />
des Diakonischen <strong>Werk</strong>es<br />
und der Evangelischen Familienhilfe<br />
e.V. in den letzten Jahren geworfen<br />
(siehe Tabelle unten). 164<br />
Mitarbeitende 2014 2015 2016 2018 2019 2020<br />
<strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> 42 51 52 61 64 69<br />
Ev. Familienhilfe e.V. 17 15 14 15 15 14<br />
gesamt 59 66 66 76 79 83<br />
110
Spezialisierung der Sozialen Arbeit seit den 70er-Jahren<br />
Und auch die Leiter der Einrichtung<br />
seien hier einmal tabellarisch aufgeführt.<br />
In der Zeit vor Gründung des<br />
Kirchenkreises <strong>Oberhausen</strong> wurde<br />
das Evangelische Jugendpfarramt, das<br />
Evangelische Jugend- und Wohlfahrtsamt<br />
und der Evangelische Gemeindedienst<br />
für Innere Mission fachlich von<br />
der Leitenden Sozialarbeiterin und<br />
kirchlich von einem Pfarrer der Christus-Kirchengemeinde<br />
geführt. Mit der<br />
Zusammenlegung des Evangelischen<br />
Gemeindedienstes und dem Hilfswerk<br />
standen ihm zwei Leiter vor, die vom<br />
Synodalbeauftragten für Diakonie des<br />
Kirchenkreises begleitet wurden. Seit<br />
1998 gibt es nur noch einen alleinigen<br />
Geschäftsführer.<br />
Leiter des Diakonischen <strong>Werk</strong>es und seiner Vorläufer<br />
Pfarrer Dr. Wilhelm Schmidt 1921 – 1931<br />
Margarethe Giese 1921 – 1927<br />
Maria Middendorf 1927 – 1960<br />
Pfarrer Johannes Pack 1931 – *<br />
Pfarrer August Aring * *<br />
Hannelore Fordan 1960 – 1984<br />
Rudolf Majert 1965 – 1984<br />
Jürgen Schmidt 1984 – 1997<br />
Gerhard Holtz 1984 – 2013<br />
Reinhard Harfst 2013 – 2018<br />
Frank Domeyer 2018 –<br />
* genaue Daten liegen hierzu nicht vor<br />
111
100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />
<strong>Die</strong> Tätigkeitsfelder<br />
des Diakonischen <strong>Werk</strong>es<br />
in Vergangenheit und<br />
Gegenwart<br />
Nach diesem allgemeinen Überblick<br />
über die Geschichte des Diakonischen<br />
<strong>Werk</strong>es <strong>Oberhausen</strong> in den vergangenen<br />
Jahrzehnten sollen nun einzelne<br />
<strong>Die</strong>nste und Aufgabenbereiche der<br />
Diakonie näher betrachtet werden.<br />
Unter dem Oberbegriff Diakonie verbirgt<br />
sich eine Vielzahl an unterschiedlichen<br />
Arbeitsfeldern, die je eigene<br />
Charakteristika, aber auch eine eigene<br />
Geschichte aufweisen. Ihre Zahl und<br />
die Breite des Spektrums haben sich<br />
im Laufe der Jahre – vor allem seit Mitte<br />
der 1980er-Jahre – zunehmend vergrößert.<br />
<strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong><br />
des Evangelischen<br />
Kirchenkreises <strong>Oberhausen</strong><br />
Qualitätsmanagementhandbuch<br />
<strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong><br />
des Evangelischen Kirchenkreises <strong>Oberhausen</strong><br />
Organigramm des Diakonischen <strong>Werk</strong>es des Ev. Kirchenkreises <strong>Oberhausen</strong><br />
Kreissynode<br />
Evangelischer Kirchenkreis <strong>Oberhausen</strong><br />
Kreissynodalvorstand<br />
Superintendent/in<br />
Synodalbeauftragter Diakonie<br />
Geschäftsführung<br />
Diakoniestiftung<br />
Vorsitz: Synodalbeauftragter<br />
Geschäftsführung: Leiter/in DW<br />
Koordinationsstelle Ehrenamt<br />
Evangelische<br />
Familienhilfe e.V.<br />
Abteilung<br />
Leitung und<br />
Verwaltung<br />
Beratungsstelle für<br />
Erziehungs-, Partnerschaftsund<br />
Lebensfragen<br />
Abteilung<br />
Jugend- und<br />
Familie<br />
Abteilung<br />
Gefährdetenhilfe<br />
Abteilung Psychosoziale<br />
<strong>Die</strong>nste<br />
Rechtliche<br />
Betreuungen<br />
Verwaltung<br />
Geschäftstelle<br />
Flexible Jugendund<br />
Familienhilfen<br />
Verbraucherinsolvenzberatung<br />
Jugendgerichtshilfe<br />
Schulsozialarbeit<br />
Schuldnerberatung<br />
Betreuung<br />
Flüchtlingsunterkunft<br />
Kapellenstraße<br />
Schuldner- und<br />
Verbraucherinsolvenzberatung<br />
Wohnungslosenhilfe<br />
Fachberatungsstelle<br />
Freigabe<br />
Bearbeitung<br />
Änderung<br />
Revision<br />
Seite<br />
Leitung/ Domeyer Schönemann<br />
14.12.2020 08<br />
1 von 1<br />
Abb. 35: Organigramm <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>, 2021<br />
Treffpunkt<br />
Ambulant<br />
Betreutes Wohnen<br />
Ambulantes<br />
Wohntraining<br />
Soziale<br />
Arbeit+Medizin<br />
Sozialpsychiatrisches<br />
Zentrum (SPZ)<br />
SGBII-Beratung<br />
Ambulant Betreutes<br />
Wohnen<br />
Flüchtlingshilfe<br />
Psychosoziales<br />
Gesundheitszentrum<br />
Querschnittsaufgaben<br />
112
Spezialisierung der Sozialen Arbeit seit den 70er-Jahren<br />
Das Diakonische <strong>Werk</strong> hat seinem<br />
Selbstverständnis gemäß eine zentrale<br />
Bedeutung bei der Erfüllung dieses<br />
kirchlichen Auftrags. Im „Leitbild<br />
des Diakonischen <strong>Werk</strong>es <strong>Oberhausen</strong>“<br />
heißt es hierzu: „Das Diakonische<br />
<strong>Werk</strong> hat im Kirchenkreis diakonische<br />
Arbeit anzuregen, zu fördern, zu koordinieren<br />
und selbst wahrzunehmen.<br />
Es arbeitet mit den Kirchengemeinden<br />
und den anderen diakonischen Trägern<br />
und sozialen Einrichtungen im<br />
Kirchenkreis und darüber hinaus zusammen.<br />
Im Rahmen der gesellschaftlichen<br />
und ökumenischen Diakonie<br />
nimmt das Diakonische <strong>Werk</strong> schwerpunktmäßig<br />
folgende Aufgaben wahr:<br />
a) Beratung und Information der Kirchengemeinden,<br />
b) Koordinierung<br />
und Förderung diakonischer Aufgaben<br />
im Kirchenkreis, c) Vertretung der<br />
Diakonie in Gesellschaft und Politik,<br />
d) gesellschaftliche und ökumenische<br />
Diakonie, e) Öffentlichkeitsarbeit, f)<br />
Sammlungen, g) Förderung und Begleitung<br />
von Ehrenamt, Freiwilligenarbeit<br />
und Selbsthilfe in der Diakonie.“<br />
165<br />
Wenn man heute auf das Organigramm<br />
des Diakonischen <strong>Werk</strong>es<br />
blickt und dies mit dem weiter oben<br />
bereits abgebildeten Organisationsplan<br />
des Jahres 1984 (Abb. 24) vergleicht,<br />
wird die komplexe Umsetzung<br />
dieses umfassenden Anspruchs in<br />
unterschiedliche Arbeitsbereiche deutlich<br />
(Abb. 35).<br />
Aufgeführt werden dort Wohnungslosenhilfe,<br />
Hilfe für psychisch<br />
erkrankte Menschen, Flexible Jugendund<br />
Familienhilfen, Erziehungs-,<br />
Partnerschafts- und Lebensberatung,<br />
Jugendgerichtshilfe, Schuldner- und<br />
Verbraucherinsolvenzberatung, Ev.<br />
Familienhilfe/Betreuungsverein und<br />
Flüchtlingshilfe. Aufgrund der Fülle an<br />
diakonischen Aufgaben im Kirchenkreis<br />
kann hier lediglich auf einige<br />
Ausschnitte dieser Arbeit beispielhaft<br />
eingegangen werden. Auch einige der<br />
Arbeitsgebiete, die inzwischen bereits<br />
aufgegeben wurden, sollen vorgestellt<br />
werden. <strong>Die</strong>ses Wechselspiel von neu<br />
hinzukommenden und wieder fortfallenden<br />
Arbeitsgebieten verdeutlicht<br />
die Dynamik, die das Tätigkeitsfeld<br />
Soziale Arbeit seit jeher kennzeichnet.<br />
Ebenso wird die Vielfalt der Arbeit<br />
des Diakonischen <strong>Werk</strong>s deutlich im<br />
Blick auf die geografische Aufteilung<br />
seiner Standorte (Abb. 36).<br />
113
100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />
Marktstraße 152/154<br />
Geschäftsführung/Verwaltung<br />
Evangelische Familienhilfe e.V.<br />
DiakonieStiftung<br />
Grenzstraße 73<br />
Wohnungslosenhilfe<br />
Erziehungs-, Partnerschaftsund<br />
Lebensberatungsstelle<br />
Langemarkstraße 19 – 21<br />
Schuldnerberatung<br />
Verbraucherinsolvenzberatung<br />
Paul-Reusch-Straße 2<br />
Jugendgerichtshilfe<br />
114
Spezialisierung der Sozialen Arbeit seit den 70er-Jahren<br />
links Abb. 36 a – f: Standorte<br />
<strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> 2021.<br />
Schuldner- und Verbraucherinsolvenzberatung<br />
Steinbrinkstraße 158<br />
Psychosoziales Gesundheitszentrum<br />
Flexible Jugend- und Familienhilfen<br />
Kapellenstraße 115<br />
Sozialpädagogische Betreuung<br />
von Geflüchteten<br />
<strong>Die</strong> Schuldnerberatung ist eines der<br />
prominentesten Projekte des Diakonischen<br />
<strong>Werk</strong>es. Sie erhält eine breite<br />
und meist wohlwollende öffentliche<br />
Aufmerksamkeit. Jährlich berichtet die<br />
<strong>Oberhausen</strong>er Presse über deren Tätigkeit.<br />
Das Ziel der Arbeit der Schuldnerberatung<br />
lautet „Hilfe zur Selbsthilfe“.<br />
<strong>Die</strong> Ratsuchenden sollen befähigt<br />
werden, einen mit der Schuldnerberatungsstelle<br />
entwickelten Lösungsweg<br />
zu beschreiten. Auf diesem Wege soll<br />
ein nachhaltiger Erfolg erarbeitet werden.<br />
166<br />
<strong>Die</strong> Aufgaben, denen sich die<br />
Schuldnerberatung dabei stellt, sind<br />
anspruchsvoll und umfangreich. 167<br />
Vorrangig sind existenzielle Verbindlichkeiten<br />
zu regeln. <strong>Die</strong> Klienten sollen<br />
in die Lage versetzt werden, aus<br />
ihrem laufenden Einkommen die Ausgaben<br />
für Miete, Strom etc. zu leisten<br />
und bestehende Rückstände auszugleichen.<br />
Anschließend erfolgt die Regulierung<br />
der weiteren Verschuldung<br />
115
100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />
auf der Basis der realen finanziellen<br />
Möglichkeiten der Klienten. Weiterhin<br />
sollten die Ratsuchenden befähigt werden,<br />
mit ihrem „Einkommen auszukommen“,<br />
so dass die Schuldenspirale<br />
durchbrochen wird.<br />
Gegründet 1987, wurde ihre Arbeit<br />
erstmals im Januar 1988 in der Presse<br />
der Öffentlichkeit ausführlich vorgestellt.<br />
168 Ein Jahr später schilderte ein<br />
weiterer Zeitungsartikel das Wirken<br />
der Schuldnerberatung und die Akzeptanz<br />
in der Bevölkerung. In der WAZ<br />
vom 14. Februar 1989 hieß es: „<strong>Die</strong><br />
Schuldnerberatungsstelle <strong>Oberhausen</strong>,<br />
eine Gemeinschaftseinrichtung der<br />
freien Wohlfahrtsverbände sowie der<br />
Stadt (Träger ist das Diakonische <strong>Werk</strong><br />
<strong>Oberhausen</strong>), legt jetzt ihren ersten<br />
Jahresbericht vor. Als sie im Oktober<br />
1987 nach langer Planungsphase (beteiligt<br />
daran waren die Wohlfahrtsverbände,<br />
die Verbraucherberatung, die<br />
im Rat vertretenen Parteien und die<br />
Thyssen-Sozialberatung) endlich ihre<br />
Pforten in der alten Hans-Sachs-Berufsschule<br />
öffnete, setzte sogleich ein<br />
Ansturm von Ratsuchungen ein. Der<br />
Strom ebbte bislang auch nicht ab, mit<br />
956 Klienten waren die drei Mitarbeiter<br />
1988 mehr als ausgelastet. […] In<br />
etwa der Hälfte der Fälle konnten die<br />
Mitarbeiter den Betroffenen mit telefonischen<br />
Auskünften wenigstens kurzfristig<br />
helfen. In weiteren Fällen reichten<br />
ein oder zwei längere Gespräche<br />
in der Beratungsstelle, um die akuten<br />
finanziellen Probleme der Klienten so<br />
weit zu klären, daß die Ratsuchenden<br />
selber an die Ordnung ihrer Finanzen<br />
gehen konnten. Dabei kamen viele<br />
Klienten mit konkreten Fragestellungen;<br />
sie wollten Auskünfte über Vollstreckungsmöglichkeiten<br />
von Gläubigern<br />
haben, aber auch einiges über<br />
eigene Rechte und Schutzmöglichkeiten<br />
wissen. Mit dem neuen Wissen<br />
konnte vielen sehr bald das Gefühl des<br />
Ausgeliefertseins genommen werden,<br />
eine wichtige Voraussetzung für überlegtes<br />
Handeln. Oft konnten Klienten<br />
vor unberechtigten Forderungen aufgrund<br />
sittenwidriger Kreditverträge<br />
durch Einschaltung eines Anwalts geschützt<br />
werden.“<br />
Doch schon ein Jahr später standen<br />
finanzielle Probleme der Schuldnerberatung<br />
selbst im Vordergrund der Berichterstattung,<br />
da die Stadt nur einen<br />
Teil der Personalkosten übernehmen<br />
wollte. Es rächte sich, dass im Vorfeld<br />
der Einrichtung der Schuldnerberatung<br />
nur mündliche Absprachen<br />
getroffen worden waren. 169 Gerhard<br />
Holtz und Herta Zilly sprechen von<br />
einer „(fast abenteuerliche[n]) Misch-<br />
116
Spezialisierung der Sozialen Arbeit seit den 70er-Jahren<br />
Abb. 37: Schuldnerberatungsstelle<br />
hat<br />
finanzielle Probleme.<br />
WAZ, 17.1.1989.<br />
Stadt den Betrag und<br />
machte deutlich, dass<br />
in der Zukunft mit<br />
solcher Unterstützung<br />
nicht mehr zu<br />
rechnen sei.<br />
finanzierung aus Mitteln der Kommune<br />
und aller Wohlfahrtsverbände.“ 170<br />
(Abb. 37)<br />
Im Dezember 1991 war wieder von<br />
einem Defizit von 48.200 Mark zu lesen.<br />
171 Von Seiten der <strong>Oberhausen</strong>er<br />
FDP wurde durchaus spöttisch darauf<br />
hingewiesen, dass ausgerechnet eine<br />
Einrichtung, die Menschen zum verantwortlichen<br />
Umgang mit Geld beraten<br />
soll, selbst finanzielle Hilfen der<br />
Stadt benötige. Tatsächlich trug die<br />
<strong>Die</strong> Arbeit der<br />
Schuldnerberatung<br />
erlebte 1999 einen<br />
tiefen Einschnitt, als<br />
„die Konkursordnung<br />
durch ein neues<br />
Insolvenzrecht abgelöst<br />
[wurde]. Seitdem<br />
gibt es das Verbraucherinsolvenzverfahren<br />
mit der Restschuldbefreiung.<br />
2013 wurde eine weitere<br />
Reform des Insolvenzrechts durch<br />
das Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens<br />
und zur<br />
Stärkung der Gläubigerrechte verabschiedet.“<br />
172 Dabei kann die Verbraucherinsolvenz<br />
durchaus als Erfolgsgeschichte<br />
gesehen werden, „weil sie<br />
Menschen die Chance bietet, neu anzufangen“,<br />
wie Karl Hörnschemeyer<br />
von der Diakonie 2009 in einem Zeitungsartikel<br />
betonte. 173<br />
117
100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />
Abb. 38: Hilfe aus der Schuldenfalle. NRZ, Okt. 2012.<br />
<strong>Die</strong>se geänderten Umstände prägten<br />
im Jahr 2012 das silberne Jubiläum<br />
der Einrichtung (Abb. 38). 174 Am<br />
28. September wurde dies mit einer<br />
Fachveranstaltung im Gemeindehaus<br />
der Emmaus-Kirchengemeinde in Alstaden<br />
begangen. Ministerialrat a. D.<br />
Frank Bertsch referierte zum Thema<br />
„Soziale Schuldnerberatung — Ort<br />
der Mitmenschlichkeit in der säkularen<br />
Krise.“ Vier Jahre zuvor hatten sich<br />
in Folge der Novellierung des Sozialgesetzbuches<br />
II, das die Grundsicherung<br />
für Arbeitsuchende regelt und<br />
allgemein auch als Hartz-IV-Gesetz<br />
bezeichnet wird, die Bedingungen für<br />
die Ratsuchenden drastisch verändert.<br />
In vielen Kommunen – so auch<br />
in <strong>Oberhausen</strong> – wurde die freie Zugangsmöglichkeit<br />
aller Bürger zur Hilfe<br />
nicht mehr finanziert. Es wurden<br />
stattdessen Beratungsscheine ausgegeben.<br />
Hierzu wurde am 2. Februar 2009<br />
eine Vereinbarung mit der Stadt Ober-<br />
118
Spezialisierung der Sozialen Arbeit seit den 70er-Jahren<br />
hausen geschlossen. Das Angebot der<br />
Schuldnerberatung des Diakonischen<br />
<strong>Werk</strong>es <strong>Oberhausen</strong> kann kostenfrei<br />
von <strong>Oberhausen</strong>er Bürgerinnen und<br />
Bürgern in Anspruch genommen werden,<br />
welche überschuldet sind bzw.<br />
bei denen die Gefahr einer Überschuldung<br />
besteht. Da die Arbeit auf der<br />
Grundlage einer Landesförderung erfolgte,<br />
war das Beratungsangebot an<br />
bestimmte Bedingungen geknüpft. 175<br />
Neben der Beratung als eigentlichem<br />
„Kerngeschäft“ bot die Schuldnerberatung<br />
auch umfangreiche Präventionsmaßnahmen<br />
an. 29 Veranstaltungen<br />
an Schulen und bei weiteren Bildungsträgern<br />
wurden 2011/12 durchgeführt.<br />
Realistisch kommentiert der Bericht:<br />
„Dass dies dem Bedarf nicht entspricht,<br />
ist auf allen Ebenen unserer<br />
Gesellschaft bekannt. Allerdings fehlen<br />
nicht nur bei uns die Ressourcen,<br />
um dies zu ändern. Angebote in vielfältiger<br />
Art und Weise könnten erstellt<br />
werden, sofern die Voraussetzungen<br />
gegeben wären.“ 176<br />
Nachdem die Schuldnerberatung<br />
der Diakonie 1993 aus den Räumen<br />
des Elsa-Brändström-Gymnasiums in<br />
die Lothringer Straße gezogen war, 177<br />
stand 2012 wieder ein Ortswechsel<br />
an. Auf Betreiben der Stadt ging es ins<br />
Bert-Brecht-Haus, was sich als sehr<br />
positiv herausstellte. „Schon nach wenigen<br />
Wochen ist zu sagen, dass die<br />
neuen Räumlichkeiten für Klientel<br />
und Mitarbeitende ein Gewinn sind.<br />
So sind die Beratungsdienste ebenerdig<br />
zu erreichen und die Anbindung<br />
an den ÖPNV ist durch die Nähe<br />
zum Hauptbahnhof erheblich verbessert.“<br />
178 <strong>Die</strong> drei BeraterInnen waren<br />
auch nach dem Umzug vollständig<br />
ausgelastet. 179<br />
In den 2010er-Jahren war die Zahl<br />
der Beratungsfälle tendenziell rückläufig.<br />
Allerdings sind Schwankungen die<br />
Regel und von vielen Faktoren abhängig.<br />
Im Jahresbericht der Schuldnerberatung<br />
zum Jahr 2014 heißt es hierzu:<br />
„Wenn nach Gründen für den Rückgang<br />
gesucht wird, liegt dies an dem<br />
kontinuierlichen Sinken der Zuweisungen<br />
seitens der Jobcenter für A[rbeitslosengeld]<br />
II Bezieher und an dem<br />
subjektiven Empfinden (Einführung<br />
des Pfändungsschutzkonto, positive<br />
Nachrichten zur Arbeitsmarktlage sowie<br />
der konjunkturellen Entwicklung<br />
in der Bundesrepublik) der überschuldeten<br />
Personen, dass sich Ihre finanzielle<br />
Lage gebessert hat und sie durch<br />
eigene Bemühungen die Schuldenkrise<br />
überstehen werden. Dass dies in vielen<br />
Fällen nicht umsetzbar ist wird ver-<br />
119
100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />
drängt, da der Weg zur professionellen<br />
Hilfe ein großes Tabu darstellt und<br />
man an die eigene Selbsthilfe glaubt.“<br />
Zur Finanzierung der Schuldnerberatung<br />
trug auch der überörtliche<br />
Sparkassen-Giroverband mit Spenden<br />
bei. Im Jahr 2016 allein mit 37.700<br />
Euro. 180<br />
Evangelische<br />
Familienhilfe e.V.<br />
(Rechtliche Betreuungen)<br />
Schon das Evangelische Jugendpfarramt<br />
hatte es sich zur Aufgabe<br />
gemacht, Vormundschaften zu übernehmen.<br />
Im ersten Jahresbericht des<br />
Jahres 1921 ist von 169 Vormundschaftssachen<br />
die Rede. <strong>Die</strong> Übernahme<br />
rechtlicher Verantwortung für<br />
Menschen, die selbst dazu nicht mehr<br />
in der Lage waren, gehört also seit jeher<br />
zum „Kerngeschäft“ des Diakonischen<br />
<strong>Werk</strong>s. Dabei hat sich der<br />
rechtliche Rahmen für derartige Vormundschafts-<br />
und Betreuungsangelegenheiten<br />
im Laufe der Jahre mehrfach<br />
geändert. Darauf musste auch das<br />
Diakonische <strong>Werk</strong> reagieren. Ein erster<br />
großer Einschnitt stellte die Gründung<br />
der Evangelischen Familienhilfe<br />
e.V. dar. Bereits in den 1960er-Jahren<br />
wurde dieser Arbeitsbereich in einen<br />
eigenen Verein aus- oder besser gesagt<br />
umgelagert, um die MitarbeiterInnen<br />
vor einer persönlichen Haftung zu<br />
schützen. Da der Gemeindedienst als<br />
Teil der öffentlich-rechtlichen Körperschaft<br />
Evangelische Kirche keine Vormundschaften<br />
und Pflegschaften führen<br />
konnte, hätten die Mitarbeitenden<br />
persönlich bestellte Vormundschaften/<br />
Pflegschaften übernehmen müssen.<br />
<strong>Die</strong> Evangelische Familienhilfe e.V.<br />
wurde daher am 16. November 1962<br />
als ein Zweckverein ins Leben gerufen,<br />
der die Führung von Vereinsvormundschaften<br />
ermöglichte. „Gründungsmitglieder<br />
waren u. a. Pfarrer Pfotenhauer,<br />
Maria Middendorf, Hannelore Fordan<br />
und Friedrich Wolters, Direktor der<br />
Milchversorgung <strong>Oberhausen</strong>. Wolters<br />
war durch viele Ehrenämter der Kirche<br />
und Diakonie zutiefst verbunden.“ 181<br />
Alle Mitarbeiter des Diakonischen<br />
<strong>Werk</strong>es waren geborene Mitglieder des<br />
Vereins, ihnen wurde die Führung der<br />
Vormundschaft bzw. Pflegschaft übertragen.<br />
<strong>Die</strong> Aufgabe des Vereins war und ist<br />
die „Vertretung und Begleitung Volljähriger<br />
nach Gerichtsbeschluss, wenn<br />
diese aufgrund einer psychischen Erkrankung<br />
oder einer körperlichen,<br />
120
Spezialisierung der Sozialen Arbeit seit den 70er-Jahren<br />
geistigen oder seelischen Behinderung<br />
ihre Angelegenheiten ganz oder teilweise<br />
nicht regeln können.“ 182<br />
Darüber hinaus war es immer schon<br />
eine herausfordernde Aufgabe, ehrenamtliche<br />
BetreuerInnen zu gewinnen.<br />
<strong>Die</strong>s beinhaltet u. a. die Werbung<br />
neuer BetreuerInnen, Einführung in<br />
die Arbeit des rechtlichen Vertreters,<br />
Beratung und konkrete Hilfestellung<br />
in Einzelfällen. Dazu müssen für die<br />
ehrenamtlichen BetreuerInnen Schulungen<br />
angeboten und durchgeführt<br />
werden, Gruppenarbeiten, Einführungs-<br />
und Fortbildungsveranstaltungen.<br />
Schließlich werden auch Informationen<br />
über Vorsorgeverfügungen,<br />
Informationsveranstaltungen über<br />
Vorsorgevollmachten, Betreuungsverfügungen<br />
und Patientenverfügungen<br />
sowie Einzelberatung angeboten. In<br />
den 1980er-Jahren wurde das Angebot<br />
ergänzt, Angehörige von Patienten<br />
einmal monatlich in die Landesklinik<br />
Bedburg-Hau zu begleiten, damit diese<br />
ihre dort lebenden Verwandten regelmäßig<br />
besuchen konnten.<br />
Im Jahr 1992 bedeutete die Einführung<br />
des Betreuungsrechts und<br />
damit die Ablösung des alten Vormundschaftsrechts<br />
einen besonderen<br />
Einschnitt. Ziel des neuen Gesetztes<br />
war es, die anonyme Verwaltung von<br />
behinderten und psychisch erkrankten<br />
volljährigen Menschen durch persönlich<br />
bestellte Betreuer abzulösen<br />
und durch die persönliche individuelle<br />
Begleitung und Unterstützung der<br />
hilfebedürftigen Menschen zu ersetzen.<br />
<strong>Die</strong>s führte zu einer weiteren Satzungsänderung<br />
des Vereins, wonach<br />
keine Mitarbeitenden mehr als geborene<br />
Mitglieder des Vereins tätig wurden.<br />
Mitarbeitende wurden vielmehr<br />
beim Verein angestellt, um als persönlich<br />
bestellte VereinsbetreuerInnen die<br />
jetzt vom Betreuungsgericht angeordnete<br />
Betreuung zu führen.<br />
Auch das Vergütungssystem für das<br />
Betreuungssystem änderte sich. Wurde<br />
die Arbeit zunächst nach dem Schwierigkeitsgrad<br />
der Betreuung vergütet,<br />
erfolgte später eine minutengenaue<br />
Abrechnung der einzelnen Tätigkeiten,<br />
ehe 2005 eine pauschale Vergütung<br />
eingeführt wurde. <strong>Die</strong>se ist bis<br />
zum Jahr 2019 allerdings nicht mehr<br />
angepasst worden, was schließlich zu<br />
erheblichen Problemen bei der Finanzierung<br />
führen sollte.<br />
Im Jahr 2003 erfolgte der Zusammenschluss<br />
der Evangelischen Familienhilfe<br />
mit dem Betreuungsverein<br />
des Caritasverbandes unter alleini-<br />
121
100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />
Abb. 39: Caritas und Diakonie bauen ökumenische<br />
Zusammenarbeit aus. Wochen-Anzeiger, 12.5.2004.<br />
122
Spezialisierung der Sozialen Arbeit seit den 70er-Jahren<br />
ger Regie des Diakonischen <strong>Werk</strong>es.<br />
<strong>Die</strong>ser gelebte Ausdruck der Zusammenarbeit<br />
mit dem Caritasverband<br />
ermöglichte zugleich durch die so gewonnenen<br />
Synergieeffekte ein effizienteres<br />
Arbeiten für alle Beteiligten.<br />
Durch eine Satzungsänderung wurde<br />
ein Vertreter der Caritas Mitglied im<br />
Verein. Einher ging eine Namensänderung<br />
in „Evangelische Familienhilfe<br />
e.V. – Gesetzliche Betreuungen von<br />
Diakonie und Caritas“ (Abb. 39).<br />
Wie aus den Jahresberichten der<br />
1920er-Jahre schon zu sehen, war eine<br />
ständige Aufgabe die Gewinnung von<br />
Freiwilligen, die bereit waren, Vormundschaften<br />
zu übernehmen. Auch<br />
mit der Einführung des Betreuungsrechtes<br />
1992 musste die Familienhilfe<br />
e.V. planmäßig neue ehrenamtliche<br />
BetreuerInnen werben, diese schulen<br />
und fortbilden. Ein jährlicher Fortbildungskatalog<br />
mit Einführungsund<br />
Fortbildungsangeboten zum<br />
Betreuungsrecht wurde in Zusammenarbeit<br />
mit der Betreuungsstelle<br />
der Stadt <strong>Oberhausen</strong> entworfen, Betreuerstammtische<br />
zum persönlichen<br />
Austausch der ehrenamtlichen BetreuerInnen<br />
ins Leben gerufen und<br />
planmäßige Informationen über Vorsorgevollmachten,<br />
Betreuungsverfügungen<br />
und Patientenverfügungen zur<br />
Verfügung gestellt.<br />
Abb. 40: 50 Jahre Familienhilfe e.V., Feier in der Lutherkirche.<br />
123
100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />
Abb. 41: Familienhilfe in der Existenz bedroht.<br />
NRZ, 1.2.2019.<br />
124
Spezialisierung der Sozialen Arbeit seit den 70er-Jahren<br />
2010 wurde in der Marktstraße 152<br />
das Ladenlokal der Diakonie eingerichtet,<br />
das auch als Anlaufstelle für die<br />
BetreuerInnen der Familienhilfe e.V.<br />
diente. 183 Am 18. Oktober 2012 konnte<br />
der Verein sein 50-jähriges Bestehen<br />
feiern (Abb. 40).<br />
Im Jahr 2011/12 wurden 317 rechtliche<br />
Betreuungen geführt. 213 ehrenamtliche<br />
Betreuer wurden vom Verein<br />
begleitet. 184 2015 waren es sogar<br />
375 und 2017 362. 185 Da es seit 2005<br />
keine Anpassung der Fallpauschalen<br />
mehr erfolgte, geriet die Familienhilfe<br />
2016 in einen finanziellen Engpass,<br />
und man ging damit an die Öffentlichkeit.<br />
186 Der Betreuungsverein lebte<br />
von den Rücklagen. Im Februar 2019<br />
schreckte die Meldung: „Familienhilfe<br />
in der Existenz bedroht“. 187 (Abb. 41)<br />
<strong>Die</strong> Rücklagen waren inzwischen aufgebraucht,<br />
so dass der Kirchenkreis<br />
mit über 40.000 Euro helfen musste.<br />
Auch die Stadt <strong>Oberhausen</strong> half dem<br />
Verein mit finanzieller Unterstützung,<br />
bis eine bundeseinheitliche Neuregelung<br />
der Fallpauschalen ab Juli 2019<br />
die Situation wieder verbesserte.<br />
<strong>Die</strong> Vereinssatzung musste im Jahr<br />
2020 wiederum geändert werden. Der<br />
neue Name lautet seitdem „Evangelische<br />
Familienhilfe <strong>Oberhausen</strong> e.V. -<br />
Rechtliche Betreuungen“. <strong>Die</strong> Satzung<br />
wurde an die neue Satzung des Diakonischen<br />
<strong>Werk</strong>es angepasst, zugleich erfolgte<br />
der Rückzug der <strong>Oberhausen</strong>er<br />
Caritas aus der Arbeit im Betreuungsverein.<br />
<strong>Die</strong> Familienhilfe e.V., in deren Tagesgeschäft<br />
es aufgrund der Erkrankungen<br />
und Behinderungen oft zu<br />
stark emotionalisierten Situationen<br />
kommt, musste diesbezüglich Vorkehrungen<br />
treffen. Sachbeschädigungen<br />
und tätliche Angriffe auf Mitarbeiter-<br />
Innen hatten zur Folge, dass immer<br />
wieder Maßnahmen zur Deeskalation<br />
und bauliche Veränderungen zum<br />
Schutz der Mitarbeitenden vorgenommen<br />
werden mussten.<br />
Der coronabedingte Lockdown hat<br />
die Arbeit des Betreuungsvereins natürlich<br />
sehr eingeschränkt. <strong>Die</strong> Teams<br />
des Betreuungsvereins und der Wohnungslosenhilfe<br />
„organisierten sich in<br />
kurzer Zeit so, dass die dort betreuten<br />
Menschen auch weiterhin mit Mahlzeiten,<br />
Lebensmitteln, Bargeld und<br />
anderen existenzsichernden Hilfen<br />
versorgt und betreut werden konnten.<br />
Beratungskontakte in allen Sachgebieten<br />
wurden – sofern möglich – mit digitalen<br />
Telekommunikationsmitteln<br />
oder im Freien durchgeführt.“ 188<br />
125
100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />
Flexible Jugendund<br />
Familienhilfen<br />
Jugendgerichtshilfe<br />
Beide Arbeitsfelder sind Kernthemen<br />
des Diakonischen <strong>Werk</strong>s seit seinen<br />
Anfängen.<br />
<strong>Die</strong> Flexible Jugend- und Familienhilfen<br />
erfolgen auf Grundlage des<br />
Kinder- und Jugendhilfegesetzes in<br />
enger Kooperation mit dem Jugendamt<br />
der Stadt <strong>Oberhausen</strong>. <strong>Die</strong> Arbeit<br />
erstreckt sich hierbei auf sehr unterschiedliche<br />
Felder: ambulante flexible<br />
Hilfe, soziale Gruppenarbeit, Erziehungsbeistand,<br />
individuelle Betreuung<br />
von Kindern und Jugendlichen,<br />
aber auch Unterstützung in und für<br />
deren Familien. Hilfestellung bei der<br />
schulischen und beruflichen Ausbildung<br />
ebenso wie die Begleitung in die<br />
Selbstständigkeit. <strong>Die</strong> Begleitung und<br />
Betreuung von Familien und Alleinerziehenden<br />
bei der Bewältigung von<br />
Alltagsproblemen gehört ebenso dazu<br />
wie die Unterstützung bei der Konfliktlösungsstrategie<br />
und ganz praktische<br />
Hilfe bei Kontakten mit Ämtern<br />
und Institutionen oder bei der Wohnungssuche.<br />
Ein besonderes Feld stellt<br />
die Eingliederungshilfe für seelisch behinderte<br />
Kinder und Jugendliche dar.<br />
Sie beinhaltet Unterstützung von jugendlichen<br />
Minderjährigen, die eine<br />
psychische Beeinträchtigung vorweisen<br />
und von Suchterkrankung bedroht<br />
sind bzw. für seelisch behinderte oder<br />
von seelischer Behinderung bedrohte<br />
jugendliche Minderjährige und junge<br />
Volljährige.<br />
Nur kurz sei auf die Arbeit der Jugendgerichtshilfe<br />
innerhalb des Diakonischen<br />
<strong>Werk</strong>es hingewiesen. Sie<br />
ist ebenso wie die Familienhilfe eine<br />
Einrichtung, die bis auf die Anfänge<br />
in den 1920er-Jahren zurückgeht. So<br />
hieß es in dem bereits weiter oben erwähnten<br />
Jahresbericht von 1927: „In<br />
der Jugendgerichtshilfe hatten wir 28<br />
Schützlinge zu betreuen. In den meisten<br />
Fällen handelte es sich um Eigentumsdelikte.“<br />
189<br />
Heute beschreibt sich die Jugendgerichtshilfe<br />
im Internetauftritt des<br />
Diakonischen <strong>Werk</strong>es <strong>Oberhausen</strong> als<br />
ein Angebot für Jugendliche und Heranwachsende,<br />
die mit dem Gesetz in<br />
Konflikt geraten sind sowie deren Familien.<br />
<strong>Die</strong> Hilfe beinhaltet auf freiwilliger<br />
Basis die Beratung und Begleitung<br />
im laufenden Ermittlungs- und<br />
Strafverfahren und unterstützt das Gericht<br />
bei der Urteilsfindung. <strong>Die</strong> geziel-<br />
126
Spezialisierung der Sozialen Arbeit seit den 70er-Jahren<br />
te Zusammenarbeit mit den Eltern ist<br />
hierbei oft von großer Bedeutung.<br />
Konkret bietet das Diakonische<br />
<strong>Werk</strong> in diesem Bereich die Beratung<br />
und Begleitung für Jugendliche, Heranwachsende<br />
und ihre Eltern im laufenden<br />
Straf- und Ermittlungsverfahren<br />
an. <strong>Die</strong> Klärung der erzieherischen<br />
und sozialen Gesichtspunkte, die zu<br />
dem Strafverfahren geführt haben,<br />
ebenso Stellungnahmen im Gerichtsverfahren,<br />
Einleitung und Sicherung<br />
der von den Justizbehörden verhängten<br />
Auflagen und Weisungen. Im Bedarfsfall<br />
erfolgt eine Vermittlung an<br />
weiterführende Fachdienste. Schließlich<br />
werden Präventionsangebote zur<br />
Vermeidung von Straftaten bereitgestellt.<br />
190<br />
Ambulante<br />
Wohnungslosenhilfe<br />
Wohnungslosigkeit war schon immer<br />
eine grundlegende Herausforderung<br />
der diakonischen Arbeit. Wohnungslosigkeit<br />
entwickelt sich für die<br />
meisten Menschen plötzlich: Ein Mietvertrag<br />
endet, eine Räumung wird<br />
durchgeführt, bei den Eltern oder dem<br />
Partner kann man einfach nicht mehr<br />
leben oder der Verlust der Arbeitsstelle<br />
lässt es nicht mehr zu, die Wohnungsmiete<br />
zu zahlen. <strong>Die</strong> Wohnungslosigkeit<br />
ist oftmals die Spitze eines längst<br />
existierenden, scheinbar unüberwindbaren<br />
Berges von Problemen.<br />
<strong>Die</strong> Anfänge der Ambulanten Wohnungslosenhilfe<br />
gehen zurück auf das<br />
Jahr 1993, als der lange angestrebte<br />
<strong>Die</strong>nst Wirklichkeit werden konnte.<br />
<strong>Die</strong> enge Zusammenarbeit mit der<br />
Bahnhofsmission ermöglichte es, deren<br />
Klienten namentlich zu erfassen,<br />
so dass ein Konzept für deren gezielte<br />
Betreuung in Zusammenarbeit mit der<br />
Stadt erarbeitet werden konnte. Auf<br />
dieser Grundlage wurde ein Antrag auf<br />
Kostenübernahme vom Landschaftsverband<br />
Rheinland positiv beschieden.<br />
So konnte die Zentrale Fachberatungsstelle<br />
für alleinstehende Wohnungslose<br />
auf der Marktstraße 152 eröffnet werden.<br />
Ziel war es, ein niedrigschwelliges<br />
Angebot bereitzustellen, das „Gelegenheiten<br />
zum Duschen und Baden und<br />
zum Waschen der Wäsche [umfassen<br />
sollte] ebenso wie ein Lager zur sicheren<br />
Aufbewahrung der Sachen und ein<br />
Aufenthaltsraum. Außerdem wird das<br />
Haus als Postadresse zum Beispiel für<br />
Leistungen des Arbeitsamtes gelten<br />
und wahrscheinlich einige <strong>Die</strong>nste des<br />
Sozialamtes anbieten können.“ 191<br />
127
100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />
1996 erfolgte ein Umzug der Beratungsstelle<br />
in die Grenzstraße 73a.<br />
Hier entstand unter Einbeziehung<br />
der Mitarbeiterin der evangelischen<br />
Bahnhofsmission ein erstes ambulantes<br />
Versorgungsangebot mit regelmäßigen<br />
Mahlzeiten, Möglichkeiten zur<br />
Wäschepflege, Dusch- und Lagermöglichkeit<br />
für persönliche Gegenstände.<br />
1998 konnte eine medizinische Ambulanz<br />
in der <strong>Die</strong>nststelle eingerichtet<br />
werden, zunächst mit Unterstützung<br />
der Kassenärztlichen Vereinigung<br />
unter Beteiligung von niedergelassenen<br />
Ärzten. <strong>Die</strong> <strong>Oberhausen</strong>er Wohlfahrtsverbände<br />
organisierten zusätzlich<br />
die nötigen Pflegekräfte. Später<br />
arbeiteten ehrenamtliche Ärzte, die<br />
ihre Praxen bereits aufgegeben hatten,<br />
in der Ambulanz. Ziel der Maßnahme<br />
war die Akut- und Erstversorgung der<br />
Klientinnen und Klienten der Fachberatungsstelle,<br />
da die Beraterinnen und<br />
Berater zunehmend Hinweise und Belege<br />
für die medizinische Unterversorgung<br />
der Hilfesuchenden vorlagen.<br />
Nach dem Ausscheiden der ehrenamtlich<br />
tätigen betagten Ärzte musste das<br />
Angebot eingestellt werden. Erst 2009<br />
konnte ein Folgeangebot eingerichtet<br />
werden: das SA+M – die Abkürzung<br />
steht für Soziale Arbeit und Medizinische<br />
Versorgung – als mobiles medizinisches<br />
Angebot für wohnungslose<br />
Menschen. 192 Das SA+M ist sozusagen<br />
die mobile Filiale der Wohnungslosenhilfe,<br />
in der über die medizinische<br />
Betreuung hinaus auch weitere Beratungsmöglichkeiten<br />
bestehen sowie<br />
Gegenstände des täglichen Bedarfs wie<br />
Kleidung, Decken, Schlafsäcke und<br />
Getränke kostenlos an die Bedürftigen<br />
abgegeben werden. Anders als sein<br />
Vorgänger geht dieser <strong>Die</strong>nst hin zu<br />
den Menschen vor Ort und ist zu festgelegten<br />
Zeiten am Hauptbahnhof und<br />
in Sterkrade-Mitte anzutreffen.<br />
Im Jahr 2000 wurde ein weiteres Projekt<br />
mit Unterstützung der Stadt und<br />
des Landschaftsverbandes Rheinland<br />
in Angriff genommen: „Aufsuchende<br />
Sozialarbeit“ für Personen mit besonderen<br />
sozialen Schwierigkeiten. Im<br />
Folgejahr kam das Angebot „Betreutes<br />
Wohnen“ hinzu, ein ambulantes Angebot,<br />
das zur Wohnraumsicherung und<br />
Ermöglichung eines selbstständigen<br />
Wohnens der in Wohnraum vermittelten<br />
Menschen genutzt wird. Hierbei ist<br />
das Ziel, einen erneuten Wohnraumverlust<br />
zu vermeiden. 2005 wurde das<br />
„Betreute Wohnen“ ergänzt mit einem<br />
ambulant begleiteten „Wohntraining“.<br />
Ziel dieser Maßnahme war und ist die<br />
niederschwellige Unterstützung in allen<br />
Belangen zum Thema „Wohnen“<br />
(z. B. Reinigung der Wohnung, Ver-<br />
128
Spezialisierung der Sozialen Arbeit seit den 70er-Jahren<br />
halten in der Hausgemeinschaft, Mülltrennung,<br />
Flurwoche, etc.). 193<br />
Ein Zeichen der stetig fortschreitenden<br />
Professionalisierung und Spezifizierung<br />
der ambulanten Arbeit mit<br />
wohnungslosen Menschen in <strong>Oberhausen</strong><br />
war im Jahr 2021 die Einrichtung<br />
der „Fachberatungsstelle gem.<br />
§§ 67 ff SGB XII für Frauen in Wohnungsnot“<br />
an einem weiteren Standort<br />
in der <strong>Oberhausen</strong>er Stadtmitte.<br />
So ist es nicht verwunderlich, dass im<br />
Zuge der sich stetig ausweitenden Tätigkeitsfelder<br />
der Wohnungslosenhilfe<br />
die <strong>Die</strong>nsträume 2002 und 2010 erweitert<br />
wurden.<br />
Im Laufe der Jahre wurde das Konstrukt<br />
der Wohnungslosenhilfe immer<br />
komplexer. „So bestehen z. B. für die<br />
verschiedenen Aufgaben in der Wohnungslosenhilfe<br />
allein sechs unterschiedliche<br />
Verträge mit differenzierten<br />
Förderprinzipien und Laufzeiten“,<br />
wurde im Jahresbericht des Diakonischen<br />
<strong>Werk</strong>es 2018/19 festgehalten<br />
und bilanziert: „<strong>Die</strong> einzige Gemeinsamkeit<br />
der zuletzt genannten Verträge<br />
ist die Tatsache, dass sie für uns wirtschaftlich<br />
nicht auskömmlich sind.“ 194<br />
Immerhin gelang es in Verhandlungen<br />
mit der Stadt, alle Verträge zu bündeln,<br />
um auch die Refinanzierung dieser<br />
Arbeit deutlich zu verbessern. 195<br />
Hilfen für psychisch<br />
erkrankte Menschen<br />
Unter dieser Überschrift bietet<br />
das Psychosoziale Gesundheitszentrum<br />
(PGZ) des Diakonischen <strong>Werk</strong>es<br />
<strong>Oberhausen</strong> mehrere <strong>Die</strong>nste an. Ziel<br />
ist die Förderung der gesellschaftlichen<br />
Integration und Daseinsbewältigung<br />
psychisch erkrankter Menschen durch<br />
Begleitung und Vermittlung konkreter<br />
Hilfen, die Betreuung und Begleitung<br />
im eigenen Wohnraum und sozialem<br />
Umfeld sowie die Bereitstellung von<br />
Eingliederungshilfen. 196<br />
Das PGZ befindet sich in der Steinbrinkstraße<br />
158 in <strong>Oberhausen</strong>-Sterkrade<br />
und ist zuständig für den nördlich<br />
der Emscher gelegenen Stadtteil<br />
Sterkrade. Es geht in seinen Wurzeln<br />
zurück auf die Zeit nach Umwandlung<br />
der Diakonie-<strong>Die</strong>nststellen in<br />
den Stadtteilen Sterkrade und Osterfeld<br />
in Anlaufstellen, als die fachliche<br />
und organisatorische Arbeit des Diakonischen<br />
<strong>Werk</strong>es in der Marktstraße<br />
zentralisiert wurde. Aus der zunächst<br />
129
100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />
eingerichteten Anlaufstelle wurde<br />
1979 ein Treffpunkt für psychisch<br />
Kranke. Durch die Nähe zum Johanniter-Krankenhaus<br />
mit seiner Klinik<br />
für Psychiatrie, Psychotherapie und<br />
Psychosomatik fanden viele Patienten<br />
im Psychosozialen Zentrum einen Ort<br />
für Vor- und Nachsorge und ambulante<br />
Betreuung. Seit den 1990er-Jahren<br />
wurde diese Arbeit vertraglich mit dem<br />
Landschaftsverband Rheinland und<br />
der Stadt <strong>Oberhausen</strong> abgestimmt. <strong>Die</strong><br />
Finanzierung der Angebote waren immer<br />
auf ergänzende Kirchensteuermittel<br />
angewiesen.<br />
Im März 2000 schlossen das Diakonische<br />
<strong>Werk</strong> und die Caritas „aus der<br />
Notwendigkeit einer Ökonomie der<br />
Ressourcen und aus der Überzeugung<br />
von einer notwendigen Ökonomie der<br />
Fachlichkeit“ einen Netzwerkvertrag<br />
für ihre psychosozialen <strong>Die</strong>nste. <strong>Die</strong>s<br />
war im Bereich der Evangelischen Kirche<br />
im Rheinland einmalig. 197 Gleichwohl<br />
stellte und stellt sich bei aller<br />
ökumenischen Verbundenheit ein<br />
Spannungsfeld zum je eigenen Profil.<br />
<strong>Die</strong> nach wie vor anhaltenden<br />
Schwierigkeiten der Finanzierung des<br />
Sozialpsychiatrischen Zentrums führten<br />
dazu, dass dieses auf Beschluss der<br />
Kreissynode Ende 2003 geschlossen<br />
werden sollte. Am Ende konnte es aber<br />
doch erhalten werden. Möglich wurde<br />
die Einsparung von 50.000 Euro durch<br />
Umstrukturierung der Arbeit in Zusammenarbeit<br />
mit der Caritas und in<br />
Abstimmung mit der Stadt. 198 Im November<br />
2003 konnte ein Vertrag zwischen<br />
dem Diakonischen <strong>Werk</strong>, der<br />
Caritas, der Evangelischen Familienhilfe<br />
e.V., dem Verein Piccobello und<br />
dem Psychosozialen Förderverein geschlossen<br />
werden, der für die Zukunft<br />
eine umfassende Zusammenarbeit<br />
aller Beteiligten regeln sollte. Es entstand<br />
eine Anlaufstelle, in der Betroffene<br />
in den Bereichen Wohnen, Arbeit,<br />
Tagesstruktur und Existenzsicherung<br />
betreut und an die entsprechenden<br />
Fachstellen weitervermittelt werden<br />
konnten. 199 Dank dieser Umstrukturierung<br />
entspannte sich die finanzielle<br />
Lage wieder.<br />
Im Jahr 2006 konnte ein weiterer<br />
Arbeitsbereich im Sozialpsychiatrischen<br />
Zentrum eingerichtet werden:<br />
Betreutes Wohnen für psychisch erkrankte<br />
Menschen. 200 Hinzu kommt<br />
die Beratungsarbeit nach Sozialgesetzbuch<br />
II (SGB II).<br />
130
Spezialisierung der Sozialen Arbeit seit den 70er-Jahren<br />
Im Detail leistet das PGZ folgende<br />
Aufgaben:<br />
Sozialpsychiatrisches Zentrum (SPZ)<br />
- Beratung, Betreuung und Freizeitgestaltung<br />
von volljährigen psychisch<br />
kranken Menschen und deren Angehörige.<br />
- Befähigung der Hilfesuchenden zu<br />
einer eigenverantwortlichen Teilnahme<br />
am Leben in der Gesellschaft.<br />
Ambulant Betreutes Wohnen (BeWo)<br />
Das Ambulant Betreute Wohnen ist<br />
ein Angebot für Menschen, die entweder<br />
in Folge einer seelischen Erkrankung<br />
von Behinderung bedroht sind<br />
oder an einer Behinderung leiden und<br />
damit in ihrer Fähigkeit zur Teilhabe<br />
am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt<br />
sind. Ziel ist es, Fähigkeiten<br />
zu erhalten, auszubauen und den Weg<br />
zu einer selbstbestimmten Lebensführung<br />
zu begleiten. <strong>Die</strong> Unterstützung<br />
orientiert sich an den Kompetenzen<br />
der KlientInnen und berücksichtigt<br />
deren individuelle Biografie und Lebenserfahrung.<br />
<strong>Die</strong> Einschränkungen<br />
der KlientInnen durch die Behinderung<br />
können durch die Unterstützung<br />
im Rahmen des Ambulant Betreuten<br />
Wohnens ausgeglichen werden. Stationäre<br />
Hilfen werden vermieden. <strong>Die</strong> Betreuung<br />
basiert auf Freiwilligkeit und<br />
auf mit den KlientInnen getroffenen<br />
Vereinbarungen. <strong>Die</strong> Auseinandersetzung<br />
mit den Fragen des sozialen Zusammenlebens<br />
und der Alltagsbewältigung<br />
wird durch intensiven Kontakt<br />
angeregt und begleitet. Dabei werden<br />
andere Fachdienste, wie zum Beispiel<br />
die Kontakt- und Beratungsstelle, soweit<br />
erforderlich, mit einbezogen.<br />
Sozialgesetzbuch II-Beratung<br />
<strong>Die</strong> SGB Il-Beratung richtet sich an<br />
die Leistungsempfänger des Jobcenters<br />
<strong>Oberhausen</strong>. Ziel ist die gemeinsame<br />
Erarbeitung von Strategien, um die mit<br />
der Vermittlung in Arbeit bestehenden<br />
Hemmnisse zu erkennen, zu mildern<br />
oder abzubauen sowie eine Verbesserung<br />
der psychosozialen Gesamtsituation<br />
zu erwirken.<br />
In den 2010er-Jahren stieg der Bedarf<br />
am <strong>Die</strong>nst des PGZ an. Seit September<br />
2013 unterstützte ein Mitarbeiter<br />
im Bundesfreiwilligendienst<br />
die Arbeit im Psychosozialen Gesundheitszentrum.<br />
201 2013 wurden<br />
die Räumlichkeiten des ehemaligen<br />
Gemeindeamtes Sterkrade angemietet<br />
und renoviert. So wurde ein ebenerdiger<br />
Gruppenraum geschaffen und<br />
die Raumsituation konnte der gewachsenen<br />
Anzahl von Mitarbeitenden angepasst<br />
werden. Aufgrund der gestiegenen<br />
Anzahl von Mitarbeitenden in<br />
131
100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />
den vergangenen Jahren wurde zudem<br />
die Leitungsstruktur angepasst, indem<br />
die Bereiche Betreutes Wohnen und<br />
Sozialpsychiatrisches Zentrum/SGB<br />
II-Beratung getrennt und mit je einer<br />
Sachgebietsleitung versehen wurden.<br />
Das Psychosoziale Gesundheitszentrum<br />
hat nach der räumlichen Erweiterung<br />
in den vergangenen Jahren sein<br />
Angebot ausgebaut. Es konnten zwei<br />
neue Gruppenangebote etabliert werden:<br />
Zum einen die „Pegasusgruppe“,<br />
welche sich an Menschen wendet, die<br />
an einer Erkrankung aus dem schizophrenen<br />
Formenkreis leiden, ein anderes<br />
Gruppenangebot wendet sich an<br />
Menschen, die unter Depressionen leiden<br />
(Abb. 42).<br />
Abb. 42: Warten auf einen Therapieplatz überbrücken.<br />
WAZ, 17. 2.2016.<br />
132
Spezialisierung der Sozialen Arbeit seit den 70er-Jahren<br />
Ausgebaut wurden die Fallzahlen<br />
im Ambulant Betreuten Wohnen, so<br />
dass mehr als 100 Klienten durch die<br />
Mitarbeitenden betreut werden konnten.<br />
202<br />
<strong>Die</strong> Coronapandemie bedeutete<br />
auch für den Arbeitsbereich Psychosoziales<br />
Gesundheitszentrum einen massiven<br />
Einschnitt, als im Mai 2020 die<br />
Außenkontakte eingeschränkt werden<br />
mussten. Kurzarbeit war die Folge. 203<br />
Ferienerholung/Ferienwerk<br />
Ende der 1950er-Jahre führte das<br />
sogenannte Wirtschaftswunder dazu,<br />
dass immer mehr Familien der Mittelschicht<br />
in Deutschland die Möglichkeit<br />
zu Urlaubsreisen hatten. Auch<br />
wenn diese Zahl stetig stieg, blieb doch<br />
vielen Menschen diese Chance aus<br />
wirtschaftlichen, sozialen oder anderen<br />
Gründen verwehrt: Rentnerinnen<br />
und Rentner, alleinerziehende Mütter<br />
und deren Kinder, Schülerinnen und<br />
Schüler, die zu Hause bleiben mussten,<br />
während deren Freunde und Freundinnen<br />
mit ihren Familien in Urlaub<br />
fuhren.<br />
Um hier zu helfen, entstand ein<br />
neues Arbeitsfeld der Offenen Diakonie.<br />
Es ging sogar auf die Zeit vor<br />
der Einführung des Namens „<strong>Diakonisches</strong><br />
<strong>Werk</strong>“ zurück: die Ferienerholung.<br />
1965 bot die (damals noch)<br />
Innere Mission bereits Ferienreisen<br />
nach Leichlingen oder in den Westerwald<br />
an. Auch in <strong>Oberhausen</strong> wurden<br />
Freizeitangebote bereitgestellt: Tagesaufenthalte<br />
im Haus Gottesdank oder<br />
zweiwöchige Erholungszeiten auf dem<br />
Immenhof im <strong>Oberhausen</strong>er Norden.<br />
Auf der anderen Seite war die Freizeit-<br />
und Erholungsarbeit immer auch<br />
Gemeindearbeit. In den 1950er-Jahren<br />
wurde sie zum Teil unter dem Dach<br />
der Inneren Mission zusammengefasst,<br />
weil öffentliche Zuschüsse nur an<br />
einen Wohlfahrtsverband gezahlt wurden.<br />
So entstand ein Jahrzehnte tragfähiges<br />
Konglomerat aus Gemeindefreizeiten<br />
und solchen des Diakonischen<br />
<strong>Werk</strong>s, die oftmals von Ehrenamtlichen<br />
aus den Gemeinden geleitet wurden.<br />
<strong>Die</strong> Gemeinden erkannten, dass<br />
neben der gemeinsamen Werbung<br />
auch die verwaltungsmäßige Abwicklung<br />
ihrer Freizeiten und die Beantragung<br />
von Zuschüssen in der Hand des<br />
Diakonischen <strong>Werk</strong>s Vorteile für die<br />
Gemeindeämter hatte.<br />
Aus diesen Anfängen entwickelte<br />
sich ein reichhaltiges Ferienangebot,<br />
133
100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />
das auch jährlich in den Zeitungen beworben<br />
wurde. Ein sehr beliebtes Ferienhaus,<br />
das von der <strong>Oberhausen</strong>er<br />
Diakonie für Urlaube dauerhaft angemietet<br />
worden war, stand viele Jahre<br />
in Sachrang in Oberbayern zur Verfügung.<br />
<strong>Die</strong> Küche wurde von ehrenamtlich<br />
tätigen ‚Kochfrauen-Teams‘<br />
aus <strong>Oberhausen</strong> versehen. Erst Ende<br />
des Jahres 1997 wurde die Anmietung<br />
des Hauses beendet, nicht zuletzt, weil<br />
immer weniger Kochfrauen zur Verfügung<br />
standen.<br />
Besondere Bedeutung hatte das<br />
Freizeitheim Immenhof am Nordrand<br />
von <strong>Oberhausen</strong> in Königshardt. Hier<br />
fanden schon sehr früh Erholungsangebote<br />
statt. 1965 verbrachten dort<br />
beispielsweise 18 Teilnehmer aus dem<br />
gesamten <strong>Oberhausen</strong>er Stadtgebiet<br />
zwischen 65 und 85 Jahren einen zweiwöchigen<br />
Aufenthalt.<br />
Der Immenhof diente aber nicht nur<br />
zur Erholung, sondern auch als schöne<br />
Kulisse für Ehrungen und Feierlichkeiten.<br />
1983 erhielten beispielsweise<br />
die Absolventen der Altenpflegeschule<br />
dort ihre Zeugnisse überreicht. 204 Auch<br />
Seminare und Schulungen wurden<br />
dort abgehalten.<br />
Abb. 43: Immenhof. Umgebaut und renoviert.<br />
WAZ, 16.1.1987.<br />
134
Spezialisierung der Sozialen Arbeit seit den 70er-Jahren<br />
Anfang 1987 wurde das Haus<br />
grundlegend renoviert, wie die WAZ<br />
mit Bild von den Umbauarbeiten zu<br />
berichten wusste. 205 (Abb. 43).<br />
Aber auch die Zeit des Immenhofs<br />
war einmal vorbei. Im Jahr 2000 wurde<br />
die Schließung des Hauses, das nicht<br />
mehr wirtschaftlich betrieben werden<br />
konnte, beschlossen. Zunächst versuchte<br />
man noch, das Gebäude zu verpachten.<br />
Auch Pläne zur Umnutzung<br />
oder Neubebauung durch eine Wohneinrichtung<br />
für Behinderte gemeinsam<br />
mit einer großen diakonischen<br />
Einrichtung wurden verfolgt, konnten<br />
aber letztlich aus finanziellen Gründen<br />
nicht realisiert werden. Schließlich war<br />
2002 der Spardruck auf den Kirchenkreis<br />
so groß, dass es veräußert werden<br />
musste. 206<br />
Noch 2012/13 nahmen 175 Personen<br />
das Angebot des Ferienwerks an,<br />
allerdings zeichnete sich damals bereits<br />
ab, dass aufgrund des fortschreitenden<br />
Altersschnittes eine Fortsetzung in bisheriger<br />
Weise nicht mehr möglich sein<br />
würde. 207 2014 waren es dann auch nur<br />
noch 125 TeilnehmerInnen. <strong>Die</strong> Prognosen<br />
für die Zukunft dieses Angebots<br />
waren eher schlecht: „Es zeigt sich jedoch,<br />
dass die gesundheitlichen Beeinträchtigungen<br />
der Teilnehmenden größer<br />
werden. Das Ferienwerk agiert hier<br />
auf einem Markt, auf dem die ‚fitteren<br />
Senioren‘ eher kommerzielle, günstigere<br />
Reisen in Anspruch nehmen, während<br />
die Zielgruppe des Ferienwerkes<br />
kleiner wird.“ 208 Dadurch stiegen die<br />
Zuschusskosten für den Kirchenkreis<br />
immer weiter an. Heute hat sich das<br />
Konzept der Urlaubsfreizeiten überlebt,<br />
und die Diakonie bietet sie nicht<br />
mehr an. 209<br />
Das Fachseminar<br />
für Altenpflege<br />
Ein weiterer spezifischer <strong>Die</strong>nst<br />
der Diakonie war das „Fachseminar<br />
für Altenpflege“. 1967 bot das Diakonische<br />
<strong>Werk</strong> erstmals ein Seminar für<br />
Altenpflege an, aus dem das Fachseminar<br />
für Altenpflege mit staatlicher<br />
Anerkennung (seit 1973) erwuchs.<br />
<strong>Die</strong>se Einrichtung war nicht selbstverständlich,<br />
bestand in <strong>Oberhausen</strong><br />
doch keine unmittelbare Notwendigkeit,<br />
schließlich unterhielt das Diakonische<br />
<strong>Werk</strong> keine eigenen Altenheime,<br />
für die Personal hätte ausgebildet<br />
werden müssen. Gleichwohl zeichnete<br />
sich bereits ein demografischer Wandel<br />
ab, der von einer Zunahme der<br />
älteren Bevölkerung gekennzeichnet<br />
135
100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />
sein würde. Perspektivisch war also die<br />
Ausbildung von Fachpersonal durchaus<br />
angeraten. Als Zielgruppe zukünftiger<br />
Altenpflegerinnen (an Männer in<br />
diesem Beruf war noch nicht zu denken)<br />
kamen Frauen mittleren Alters<br />
in Betracht, die eine neue berufliche<br />
Perspektive suchten. Hannelore Fordan<br />
hat die Anfänge rückblickend bei<br />
der Zehnjahrfeier 1977 beschrieben.<br />
Man erarbeitete einen Ausbildungsplan,<br />
beantragte und erhielt Fördermittel<br />
des Arbeitsamtes und konnte<br />
am 10. April 1967 den ersten Lehrgang<br />
zur Ausbildung von Altenpflegerinnen<br />
mit 18 Teilnehmerinnen eröffnen.<br />
Der Altersdurchschnitt lag bei 43 Jahren.<br />
Der Lehrgang dauerte ein halbes<br />
Jahr und beinhaltete auch Praktika in<br />
Krankenhäusern und Altenpflegeheimen.<br />
Wie bedeutsam dieser Schritt des<br />
Diakonischen <strong>Werk</strong>es war, wird daran<br />
ersichtlich, dass bei der ersten Prüfung<br />
sogar das Fernsehen zugegen war und<br />
berichtete. <strong>Die</strong> Ausbildung wurde im<br />
Laufe der Zeit immer fundierter und<br />
dauerte 1972 bereits neun Monate.<br />
Wie vorausschauend die Entscheidung<br />
der Diakonie war, ein solches Ausbildungsangebot<br />
zu schaffen, zeigt die<br />
Tatsache, dass das Land Nordrhein-<br />
Westfalen erst 1969 gesetzliche Regelungen<br />
zur staatlichen Anerkennung<br />
derartiger Lehrgänge erarbeitete.<br />
Der Altersschnitt der Auszubildenden<br />
sank im Laufe der Jahre beträchtlich.<br />
1986 wurde in der Festschrift zum<br />
65-jährigen Bestehen der Diakonie betont,<br />
dass sich nicht nur immer mehr<br />
jüngere Teilnehmerinnen zusammenfanden,<br />
sondern sich diese mit den<br />
älteren positiv ergänzten. 1992 wurde<br />
in der Presse damit geworben, dass<br />
das Mindestalter für die Teilnahme an<br />
den Ausbildungskursen 17 Jahre sei,<br />
mindestens ein Hauptschulabschluss<br />
mit einer zweijährigen Berufsausbildung<br />
oder eine dreijährige Vollzeittätigkeit<br />
vorausgesetzt würden. Auch<br />
im Bereich der Altenpflege stiegen die<br />
Anforderungen zunehmend, aus den<br />
anfänglich sechs Monaten war inzwischen<br />
eine zweijährige Ausbildungsdauer<br />
geworden, die ein Berufsanerkennungsjahr<br />
einschloss. <strong>Die</strong> gute<br />
Zusammenarbeit des Diakonischen<br />
<strong>Werk</strong>s mit dem Arbeitsamt und den<br />
Einrichtungen der Altenhilfe in <strong>Oberhausen</strong><br />
und Umgebung ermöglichte<br />
es, den Absolventinnen eine Arbeitsstelle<br />
zu vermitteln.<br />
Doch die Entwicklung blieb nicht<br />
stehen. 1988 erweiterte das Land Nordrhein-Westfalen<br />
die Ausbildungszeit<br />
für Altenpfleger von zwei auf drei Jahre.<br />
<strong>Die</strong>s bedeutete für die Diakonie,<br />
größere Ausbildungsräume zu suchen<br />
136
Spezialisierung der Sozialen Arbeit seit den 70er-Jahren<br />
und Personal aufzustocken, um weiterhin<br />
jährlich einen Ausbildungskurs<br />
für rund 20 Teilnehmer und Teilnehmerinnen<br />
beginnen zu können.<br />
Allerdings ergab sich in der Folgezeit<br />
eine widersprüchliche Situation.<br />
Aufgrund der gesetzlichen Regelungen<br />
der Altenpflege musste der <strong>Die</strong>nst<br />
räumlich und personell ausgebaut<br />
werden, gleichzeitig ließ die Nachfrage<br />
an Interessenten wegen der sich verschlechternden<br />
Arbeitsbedingungen<br />
deutlich nach. Gerhard Holtz musste<br />
im November 1990 feststellen: „Für die<br />
zwanzig Ausbildungsplätze des <strong>Oberhausen</strong>er<br />
Altenpflegeseminars hätten<br />
sich früher 180 Bewerber gemeldet, im<br />
vergangenen Jahr waren es nur noch<br />
45. Vielleicht müssen wir bald auch<br />
völlig unmotivierte Kräfte einstellen.”<br />
210 Immer wieder warb daher das<br />
Diakonische <strong>Werk</strong> in den örtlichen<br />
Zeitungen für seine Ausbildungskurse.<br />
Im November 1998 konnte das<br />
Fachseminar für Altenpflege auf 25<br />
Jahre staatliche Anerkennung zurückblicken.<br />
Der damalige Leiter des Seminars<br />
forderte von der Politik nicht nur<br />
verbale Anerkennung der hochqualifizierten<br />
Ausbildungstätigkeit, sondern<br />
auch die Schaffung gesetzlicher Voraussetzungen,<br />
um die Finanzierung in<br />
Zukunft zu sichern. 211 De facto trat allerdings<br />
das Gegenteil ein. Nach einer<br />
Änderung der Pflegeausbildung wurden<br />
die Auszubildenden nicht mehr<br />
in den Schulen beschäftigt, sondern<br />
in Praxis- oder Praktikumsstellen.<br />
Schwierigkeiten in der Refinanzierung<br />
führten dazu, den Fortbestand der<br />
Ausbildung von Altenpflegekräften<br />
im Evangelischen Christophoruswerk<br />
Duisburg-Neumühl sicherzustellen. 212<br />
Diakonie-Sozialstationen<br />
Auch wenn es die Geschichte des<br />
Diakonischen <strong>Werk</strong>es <strong>Oberhausen</strong> nur<br />
am Rande betrifft – die Tätigkeit der<br />
Gemeindeschwestern und später der<br />
Diakoniestationen ist nie in die Zuständigkeit<br />
des Diakonischen <strong>Werk</strong>s<br />
bzw. seiner Vorläufer gefallen –, sei an<br />
dieser Stelle doch ein kurzer Blick auf<br />
die Diakonie-Sozialstationen und ihre<br />
Berührungspunkte mit dem Diakonischen<br />
<strong>Werk</strong> geworfen, denn in der Öffentlichkeit<br />
ist das Bild von „Diakonie“<br />
heute sehr stark von der Präsenz der<br />
Diakonie-Sozialstationen geprägt.<br />
Eng verbunden mit der Altenpflege<br />
war die Tätigkeit der Gemeindeschwestern<br />
und bald der Sozialstatio-<br />
137
100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />
nen. Dabei ist diese Umstellung vom<br />
Gemeindeschwestern-System zu der<br />
Organisation über Sozialstationen geradezu<br />
exemplarisch für die Modernisierung<br />
der Sozialen Arbeit und der<br />
Diakonie. In <strong>Oberhausen</strong> setzte diese<br />
Entwicklung gegen Ende der 1970er-<br />
Jahre ein.<br />
Seit Beginn des Jahrzehnts waren<br />
an zunehmend mehr Orten Sozialstationen<br />
eingerichtet worden, weil<br />
die Umstände eine Fortführung der<br />
Unterstützung und Versorgung Hilfsbedürftiger<br />
durch Gemeindeschwestern<br />
immer weniger zuließ. In dem<br />
Bericht des Diakonischen <strong>Werk</strong>es für<br />
die Kreissynode 1978 wurde dies ausführlich<br />
dargelegt: „Leider ist es in vielen<br />
Gemeinden heute nicht mehr immer<br />
möglich, die <strong>Die</strong>nste am kranken,<br />
alten und hilfsbedürftigen Menschen,<br />
die die traditionellen Gemeindekrankenpflegestationen<br />
früher getan haben,<br />
wahrzunehmen, weil ein bedrohlicher<br />
Rückgang an diesen Stationen zu verzeichnen<br />
ist, der bedingt ist durch:<br />
a) Nachwuchsmangel an Diakonissen<br />
b) eine gewandelte Familien- und Gesellschaftsstruktur,<br />
die den kranken<br />
und auch den alten Menschen meist<br />
auf sich alleine – ohne die schützende<br />
Großfamilie – gestellt sieht<br />
c) sowie durch gesteigerte Ansprüche<br />
an fachliche Kenntnisse bei der Ausübung<br />
des Pflegedienstes, was u. a.<br />
eine laufende Fortbildung notwendig<br />
macht.<br />
Durch diese Wandlung ist auch<br />
in unseren Gemeinden ein Umdenkungsprozess<br />
im Bereich der ambulanten<br />
Pflege notwendig geworden, denn<br />
christliche Diakonie auszuüben bedeutet:<br />
sich immer am unmittelbaren<br />
Bedarf des Menschen zu orientieren<br />
und dabei stets neue Wege zu gehen.” 213<br />
Bereits ein Jahr zuvor hatte ein<br />
Runderlass des Ministers für Arbeit,<br />
Gesundheit und Soziales des Landes<br />
Nordrhein-Westfalen die Grundlagen<br />
für derartige Einrichtungen geschaffen.<br />
Eine Sozialstation sollte für ein Gebiet<br />
von ca. 20.000 Einwohnern zuständig<br />
und mit vier Fachkräften ausgestattet<br />
sein: Krankenschwestern,<br />
Altenpfleger und Familienpfleger. <strong>Die</strong><br />
Skepsis in den Gemeinden war groß<br />
und Rudolf Majert betonte ausdrücklich,<br />
dass es nicht Aufgabe der kreiskirchlichen<br />
Diakonie sein könne, auf<br />
die Errichtung derartiger Sozialstationen<br />
zu drängen.<br />
Es war ein langer Weg, der hier seinen<br />
Anfang nahm. Erst 1985 wurden<br />
die Planungen für zwei Diakoniesta-<br />
138
Spezialisierung der Sozialen Arbeit seit den 70er-Jahren<br />
tionen, je eine für den Süden und eine<br />
für den Norden der Stadt, konkret. <strong>Die</strong><br />
WAZ berichtete darüber in einer kurzen<br />
Notiz. (Abb. 44)<br />
Zwei Jahre später wuchs der Druck<br />
auf die Pflegeeinrichtungen. <strong>Die</strong> Krankenhäuser<br />
verkürzten, soweit es medizinisch<br />
möglich war, die Klinikaufenthalte<br />
ihrer Patienten, so dass der<br />
Bedarf an häuslicher Pflege nach Krankenhausaufenthalten<br />
stark anwuchs.<br />
<strong>Die</strong> Personaldecke der Diakoniestationen<br />
reichte schon zwei Jahre nach der<br />
Gründung nicht mehr aus.<br />
Das Jahr 1995 bedeutete für das<br />
Pflegesystem der Bundesrepublik<br />
einen fundamentalen Einschnitt. <strong>Die</strong><br />
Pflegeversicherung wurde eingeführt.<br />
Sie bildet seither – neben der gesetzlichen<br />
Kranken-, Unfall-, Renten- und<br />
Arbeitslosenversicherung – sozusagen<br />
die „fünfte Säule“ des Sozialversicherungssystems.<br />
Für die Diakonie- und Sozialstationen<br />
(nicht nur in <strong>Oberhausen</strong>) bedeutete<br />
dies eine erneute strukturelle<br />
Umstellung, um den gesetzlichen Vorgaben<br />
und gleichzeitig dem diakoni-<br />
Abb. 44: Zwei Diakoniestationen wollen im<br />
Herbst ihre Arbeit beginnen. WAZ, 12.7.1985.<br />
139
100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />
schen Auftrag der Kirche gerecht zu<br />
werden. Der Zweckverband der Diakonie-Sozialstation<br />
<strong>Oberhausen</strong> wurde<br />
gegründet. Zum Gründungszeitraum<br />
arbeiteten ca. 50 Mitarbeiter und<br />
Mitarbeiterinnen im <strong>Oberhausen</strong>er<br />
Stadtgebiet und versorgten ca. 180 Patienten.<br />
Bis heute hat sich die Zahl der<br />
Mitarbeiter und Mitarbeiterinnnen<br />
mehr als verdoppelt. <strong>Die</strong>se betreuen<br />
inzwischen ca. 700 Patienten. 214<br />
Im Zuge dieser Entwicklung löste<br />
sich die sowieso lockere Verbindung<br />
der Diakonie-Sozialstationen vom<br />
Diakonischen <strong>Werk</strong> weiter. 1994 ging<br />
auch die letzte der 1985 in die Diakoniestationen<br />
überführten Pflegekräfte<br />
des Diakonischen <strong>Werk</strong>es in den Ruhestand.<br />
Das Diakonische <strong>Werk</strong> hatte<br />
über die eigenen Pflegekräfte zur<br />
Gründung der Stationen beigetragen<br />
und war nun noch durch Verwaltung<br />
und Abrechnung an den Stationen beteiligt.<br />
215 1995 erfolgte schließlich die<br />
Verselbstständigung der Verwaltung<br />
der Diakoniestationen in jeweils eigener<br />
Trägerschaft. Damit verbunden<br />
war der Abbau einer weiteren Verwaltungsstelle<br />
im Diakonischen <strong>Werk</strong>, das<br />
in den Stationen nunmehr nur noch<br />
beratende und koordinierende Funktionen<br />
ausübt. 216<br />
<strong>Die</strong> Diakonie-Sozialstation <strong>Oberhausen</strong><br />
ist organisatorisch vom Diakonischen<br />
<strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong> vollständig<br />
getrennt.<br />
140
100 Jahre <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong> – Ein Neuanfang<br />
100 JAHRE<br />
DIAKONISCHES WERK OBERHAUSEN –<br />
EIN NEUANFANG<br />
Das Diakonische <strong>Werk</strong> hat in den<br />
einhundert Jahren seines Bestehens<br />
eine bemerkenswerte Entwicklung<br />
genommen. Allein schon die Vielfalt<br />
seiner Namen ist Ausdruck einer von<br />
Umbrüchen und Veränderungen gekennzeichneten<br />
Zeit. (Abb. 45)<br />
Eine Vielzahl von Aufgaben und Tätigkeitsfeldern,<br />
die die Arbeit des Diakonischen<br />
<strong>Werk</strong>es heute oder in der<br />
Vergangenheit ausmachen, konnte in<br />
dieser Darstellung keinen Platz finden.<br />
Eine große Zahl an Archivalien müsste<br />
noch ausgewertet werden, um ein<br />
Das Diakonische <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong><br />
1921 Evangelisches Jugendpfarramt<br />
1924 Evangelisches Jugend- und Wohlfahrtsamt<br />
1940 Evangelischer Gemeindedienst für Innere Mission <strong>Oberhausen</strong><br />
1963 Evangelischer Gemeindedienst für Innere Mission und Hilfswerk<br />
1966 <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> des Kirchenkreises <strong>Oberhausen</strong><br />
2022 Diakoniewerk <strong>Oberhausen</strong> gGmbH<br />
Abb. 45: Zeitachse Das Diakonische <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>.<br />
143
100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />
umfassendes Bild der Geschichte des<br />
Diakonischen <strong>Werk</strong>es <strong>Oberhausen</strong> zu<br />
zeichnen. Aber die großen Linien sind<br />
erkennbar geworden.<br />
Immer war es der Wunsch engagierter<br />
evangelischer Christinnen und<br />
Christen, der Not ihrer Zeit mit Tatkraft<br />
zu begegnen. So unterschiedlich<br />
die Zeitumstände waren – Ausgang<br />
des Kaiserreichs, Erster Weltkrieg,<br />
Weimarer Republik, Zeit des Nationalsozialismus,<br />
Nachkriegs- und Wirtschaftswunderzeit<br />
bis hin zu den Aufbrüchen<br />
seit den 1970er-Jahren und<br />
schließlich die neuen Umstände nach<br />
der deutschen Einheit –, so unterschiedlich<br />
die Antworten auf die Nöte<br />
der Zeit waren, das tragende Motiv<br />
blieb immer das „Helfen aus christlicher<br />
Verantwortung“, wie der Urvater<br />
des Diakonischen <strong>Werk</strong>s in Deutschland,<br />
Johann Heinrich Wichern, es bereits<br />
formulierte.<br />
Dabei ging es nie „nur“ um mildtätiges<br />
Handeln mit dem Ziel, hilfebedürftigen<br />
Menschen unter die Arme zu<br />
greifen. Immer ging es um die Wahrnehmung<br />
gesellschaftlicher Verantwortung<br />
und die Einbringung christlicher<br />
Sichtweisen in gesellschaftliche<br />
Debatten. <strong>Die</strong> Denkweise hierbei hat<br />
sich im Laufe der Zeit grundlegend<br />
gewandelt, wie sich das Verhältnis der<br />
Evangelischen Kirchen zum Staat gewandelt<br />
hat. Zielte Wicherns Intention<br />
in der Mitte des 19. Jahrhunderts noch<br />
darauf ab, „den Armen durch karitatives<br />
Engagement eine konservative,<br />
auf lutherischen Prinzipien fußende<br />
soziale Botschaft zu vermitteln“, 217 so<br />
beschrieb Pfarrer Dr. Siegfried Meurer<br />
die Aufgabe der evangelischen Diakonie<br />
anlässlich der 50-Jahrfeier im Jahr<br />
1971 folgendermaßen: „<strong>Die</strong> Humanisierung<br />
der Gesellschaft und die Hilfe<br />
für den sozial Schwachen bleiben Auftrag<br />
der Diakonie, zumal sich das Heer<br />
der Hilfebedürftigen in ungeahntem<br />
Ausmaß vergrößert. […] <strong>Die</strong> kirchliche<br />
Sozialarbeit ist gesellschaftspolitisch<br />
notwendig.“ 218 <strong>Die</strong>se Worte standen<br />
auch zu Beginn der Festschrift zur<br />
75-Jahrfeier. 219 Sie drücken den grundlegenden<br />
Wandel des Selbstverständnisses<br />
diakonischer Arbeit im Laufe<br />
der Geschichte aus.<br />
<strong>Die</strong> Arbeit des Diakonischen <strong>Werk</strong>s<br />
im Kirchenkreis <strong>Oberhausen</strong> und seiner<br />
Vorläufer war bei aller Zugewandtheit<br />
zu den notleidenden Mitmenschen<br />
auch ein Aushängeschild der<br />
Kirche. Viele Menschen kamen und<br />
kommen mit ihr weniger durch den<br />
sonntäglichen Gottesdienstbesuch in<br />
Berührung als durch den Kontakt zu<br />
144
100 Jahre <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong> – Ein Neuanfang<br />
den diakonischen <strong>Die</strong>nsten, sei es als<br />
direkt betroffene Person, sei es als Begleitende<br />
oder Angehörige. Das Diakonische<br />
<strong>Werk</strong> war immer auch eine<br />
Visitenkarte oder ein Aushängeschild<br />
der Evangelischen Kirche in <strong>Oberhausen</strong>.<br />
Allerdings konnte das Spannungsfeld<br />
zwischen der übergemeindlichen<br />
Einrichtung und den unabhängigen<br />
Kirchengemeinden nie vollständig aufgelöst<br />
werden. Gerhard Holtz formulierte<br />
es in einem Gespräch mit dem<br />
Verfasser einmal so: „Nicht in allen<br />
Gemeinden war immer ein Bewusstsein<br />
dafür anzutreffen, dass das <strong>Werk</strong><br />
im Sinne der Nächstenliebe ein Juwel<br />
in ihren Händen sein könnte.“<br />
Damals wie heute mussten und müssen<br />
vielen großen und kleinen, inneren<br />
wie äußeren Widerständen begegnet<br />
werden, um dem Auftrag gerecht<br />
werden zu können. Daher ist es nicht<br />
ohne Ironie, dass im hundertsten Jahr<br />
seiner Existenz die wohl größte Veränderung<br />
seines Bestehens beschlossen<br />
wurde. Das Diakonische <strong>Werk</strong> wird<br />
aus dem Kirchenkreis ausgegliedert<br />
und mit der Evangelischen Jugendhilfe<br />
gGmbH zum Diakoniewerk <strong>Oberhausen</strong><br />
gGmbH fusioniert. Im Blick auf<br />
die zurückgehenden Kirchensteuereinnahmen<br />
konnte man eine dauerhafte<br />
Finanzierung des Diakonischen<br />
<strong>Werk</strong>es auf Ebene des Kirchenkreises<br />
nicht mehr sicher stellen. Deshalb hatte<br />
die Synode des Evangelischen Kirchenkreises<br />
<strong>Oberhausen</strong> auf ihrer Tagung<br />
am 15. und 16. November 2019<br />
beschlossen, das örtliche Diakonische<br />
<strong>Werk</strong> in eine privatrechtliche Organisationsform<br />
zu überführen. Zielführende<br />
Überlegung des Kirchenkreises<br />
ist dabei, professionelle diakonische<br />
Arbeit in <strong>Oberhausen</strong> langfristig zu<br />
sichern. Oder, wie Superintendent<br />
Deterding es im Vorwort zu dieser<br />
„Geschichte des Diakonischen <strong>Werk</strong>es<br />
<strong>Oberhausen</strong>“ formulierte: „Unsere<br />
neue Struktur ab dem 01.01.2022 wird<br />
dabei eine Hilfe sein, fasst sie doch die<br />
gute und bewährte Arbeit zweier diakonischer<br />
Träger zusammen und bündelt<br />
sie in einem <strong>Werk</strong>.“<br />
Richtig verstanden und umgesetzt<br />
kann aus der Verschmelzung der beiden<br />
diakonischen Einrichtungen nicht<br />
nur ein wirtschaftlich tragfähiges, sondern<br />
auch ein noch besseres Angebot<br />
entstehen, denn auch im Rahmen<br />
der neuen Organisationsform bleibt<br />
der Anspruch evangelischer Diakonie<br />
erhalten. <strong>Die</strong> Präambel des neuen<br />
Diakoniewerks <strong>Oberhausen</strong> gemeinnützige<br />
GmbH weist hierzu den Weg:<br />
„Das Diakoniewerk <strong>Oberhausen</strong> gemeinnützige<br />
GmbH hat diakonische<br />
145
100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />
Arbeit anzuregen, zu fördern, zu koordinieren<br />
und selbst wahrzunehmen.<br />
Es arbeitet mit den Kirchengemeinden<br />
und den anderen diakonischen Trägern<br />
und sozialen Einrichtungen im<br />
Kirchenkreis <strong>Oberhausen</strong> und darüber<br />
hinaus zusammen.<br />
Jeder Mensch ist ein einmaliges<br />
Geschöpf Gottes. In dieser Überzeugung<br />
ist die Diakoniewerk <strong>Oberhausen</strong><br />
gemeinnützige GmbH Anwalt aller<br />
Menschen und bringt sich zu deren<br />
Wohl in alle gesellschaftsprägenden<br />
Prozesse ein. <strong>Die</strong> Diakoniewerk <strong>Oberhausen</strong><br />
gemeinnützige GmbH ist tätig<br />
in praktischer Ausübung christlicher<br />
Nächstenliebe im Sinne der Diakonie<br />
als Wesens- und Lebensäußerung der<br />
Evangelischen Kirche.“<br />
146
100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />
148
Anhang<br />
Anmerkungen<br />
1 Seite „Diakonie“. In: Wikipedia – <strong>Die</strong> freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 3. Mai 2021,<br />
07:02 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Diakonie&oldid=211549031<br />
(Abgerufen: 8. August 2021, 13:48 UTC).<br />
2 Das katholische Pendant wird in der Regel mit dem gleichbedeutenden lateinischen Ausdruck<br />
Caritas bezeichnet.<br />
3 <strong>Die</strong> Angaben sind der Homepage der Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe e.V. entnommen<br />
(https://www.diakonie-rwl.de/, zuletzt abgerufen am 22.8.2021).<br />
4 Boeckler, Richard , Art. Diakonie. In: Taschenlexikon Religion und Theologie, S. 676 (vgl.<br />
TRT Bd. 1, S. 271 ff.).<br />
5 https://hausgottesdank.de/ (zuletzt abgerufen am 22.8.2021).<br />
6 https://haus-abendfrieden.de (zuletzt abgerufen am 22.8.2021).<br />
7 Zur Geschichte des Gerhard-Tersteegen-Institut gGmbH vgl. die tabellarische Aufstellung<br />
der Homepage: https://www.gti-ob.de/einrichtung/traeger/ (zuletzt abgerufen am<br />
22.8.2021).<br />
8 Zur Geschichte des Diakonie-Verbandes-<strong>Oberhausen</strong> e.V. vgl. die tabellarische Aufstellung<br />
der Homepage https://www.gertrud-zillich-haus.de/diakonie-verband/geschichte<br />
(zuletzt abgerufen am 22.8.2021).<br />
9 https://ejh-oberhausen.de (zuletzt abgerufen am 22.8.2021).<br />
10 Einen Überblick über die Geschichte der Diakonie in der Kirche gibt beispielsweise der<br />
Beitrag Gerhard K. Schäfer, Volker Herrmann, Geschichtliche Entwicklung der Diakonie.<br />
In: Günter Ruddat, Gerhard K. Schäfer (Hrsg.), <strong>Diakonisches</strong> Kompendium. Mit 5 Tabellen.<br />
Göttingen 2005, S. 36–67 (im Folgenden Schäfer / Herrmann, Geschichtliche Entwicklung<br />
der Diakonie).<br />
11 Eine umfassende Darstellung findet sich in Bronislaw Geremek, Geschichte der Armut.<br />
Elend und Barmherzigkeit in Europa. München, Zürich 1988.<br />
12 Christoph Sachße, Florian Tennstedt, Geschichte der Armenfürsorge in Deutschland. Bd.<br />
2: Fürsorge und Wohlfahrtspflege 1871–1929. Stuttgart 1988, S. 179.<br />
13 Ebd., S. 195.<br />
14 Zitiert nach Heinz Reif, Städtebildung im Ruhrgebiet. <strong>Die</strong> Emscherstadt <strong>Oberhausen</strong><br />
1850–1914. In: Vierteljahresschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 69, 4, 1982,<br />
S. 457–487, hier S. 465. <strong>Die</strong>selbe Formulierung verwendete er auch als Titel für einen<br />
Aufsatz (Ders., „Kind der Eisenbahn“. <strong>Die</strong> Emscherstadt <strong>Oberhausen</strong> vor 1914. In: Stadt<br />
<strong>Oberhausen</strong> (Hrsg.), Abenteuer Industriestadt <strong>Oberhausen</strong>, 1874–1999. Beiträge zur<br />
Stadtgeschichte. <strong>Oberhausen</strong> 2001, S. 39–44).<br />
15 Matthias Eich, Festschrift zum 50-jährigen Bestehen der Gemeinde <strong>Oberhausen</strong>.<br />
1862–1912 (im Folgenden Eich, Festschrift). <strong>Oberhausen</strong> 1912.<br />
16 Magnus Dellwig, <strong>Die</strong> Gemeindegründung und Stadtwerdung der Industriestadt <strong>Oberhausen</strong>.<br />
Vom Impulsgeber Eisenbahn 1846 bis zum Ausbau als industriell geprägte<br />
Großstadt 1914. In: Magnus Dellwig, Peter Langer, Otto Dickau, <strong>Oberhausen</strong> im Industriezeitalter.<br />
<strong>Oberhausen</strong>. Eine Stadtgeschichte im Ruhrgebiet. 2, Münster 2012, S. 260ff. (im<br />
Folgenden Dellwig, Gemeindegründung und Stadtwerdung).<br />
149
100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />
17 Ders., Kommunale Wirtschaftspolitik in <strong>Oberhausen</strong> 1862–1938. 2 Bände, <strong>Oberhausen</strong><br />
1996, Bd. 1, S. 203.<br />
18 Stefan Kraus, Armenfürsorge in <strong>Oberhausen</strong> im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert.<br />
In: Matthias Böck, Simone Frank, Markus Veh (Hrsg.), Über Grenzen hinweg – <strong>Die</strong> Niederrheinlande<br />
im Fokus. Irmgard Hantsche zum 85. Geburtstag. Rhein-Maas. 11, Hamburg<br />
2021, S. 289–309.<br />
19 Gemeindebuch der Evangelischen Christus-Kirchengemeinde <strong>Oberhausen</strong> (Rhld.)<br />
anlässlich der Hundertjahrfeier 1864–1964. <strong>Oberhausen</strong>, September 1964, S. 53.<br />
20 Burkhard Zeppenfeld, Das Werden der Industriestadt <strong>Oberhausen</strong>. Von den Anfängen<br />
der industriellen Entwicklung bis zum „Take Off“ in der Mitte des 19. Jahrhunderts. In:<br />
Dellwig, Langer, Dickau: <strong>Oberhausen</strong> im Industriezeitalter (wie Anm. 3), S. 57ff.<br />
21 Vgl. Dellwig, Gemeindegründung und Stadtwerdung (wie Anm. 16).<br />
22 Wolfgang Reusch, Bahnhofsmission in Deutschland 1897–1987. Sozialwissenschaftliche<br />
Analyse einer diakonisch-caritativen Einrichtung im sozialen Wandel. Strafvollzug, Randgruppen,<br />
soziale Hilfen. 5, Frankfurt am Main 1988, S. 61–62.<br />
23 In einem „Entwicklungsbericht des Evangelischen Frauenvereins für Jugendschutz e.V.<br />
1917–1925“ wird als Gründungszeitrum der November 1917 angegeben. (Archiv des<br />
Diakonischen <strong>Werk</strong>es Mappe 3.2.3).<br />
24 Ausführlich zu Gertrud Zillich und dem von ihr begründeten Evangelischen Frauenverein<br />
für Jugendschutz siehe die Festschrift „100 Jahre Gertrud-Zillich-Haus 1918–2018.<br />
Geschichtlicher Rückblick“. <strong>Oberhausen</strong> 2018. – Eine kurze Biografie von Gertrud Zillich<br />
findet sich auch im Internet: Eberhard Blohm, <strong>Die</strong> vier Leben der Frau „Professor“ Gertrud<br />
Zillich. Altenkirchen/Ww. 2019. Online verfügbar unter http://wiki.westerwald-gymnasium.de/images/Zillich.pdf,<br />
zuletzt abgerufen am 23. Oktober 2020.<br />
25 Entwicklungsbericht des Evangelischen Frauenvereins für Jugendschutz e.V.<br />
(wie Anm. 23).<br />
26 Ebd.<br />
27 Ebd.<br />
28 Gemeindebuch (wie Anm. 19), S. 70.<br />
29 Schäfer / Herrmann, Geschichtliche Entwicklung der Diakonie (wie Anm. 10), S. 61–62.<br />
30 Vgl. Kurt A. Holz, Der Erste Weltkrieg und die Weimarer Republik. Untergang – Neubeginn<br />
– Untergang. In: Reinhard Witschke (Hrsg.), Diakonie bewegt. 150 Jahre Innere<br />
Mission und Diakonie im Rheinland. Schriftenreihe des Vereins für Rheinische Kirchengeschichte.<br />
140, Köln 1999, S. 59–96.<br />
31 Jahresberichte des Evangelischen Jugendpfarramtes 1921–1922 und des Evangelischen<br />
Jugend- und Wohlfahrtsamtes 1923–1944: 1922 (Archiv des Diakonischen <strong>Werk</strong>es Mappe<br />
3.1.1 und 3.1.2).<br />
32 Vgl. Peter Langer, <strong>Oberhausen</strong> in der Zeit der Weimarer Republik. Von der Novemberrevolution<br />
bis zum Ende der Demokratie. In: Dellwig, Magnus; Langer, Peter; Dickau, Otto,<br />
<strong>Oberhausen</strong> in Krieg, Demokratie und Diktatur. <strong>Oberhausen</strong>. Eine Stadtgeschichte im<br />
Ruhrgebiet. 3, Münster 2012, S. 75 ff.<br />
33 Wiederzulassung der Bahnhofsmission (<strong>Oberhausen</strong>er Zeitung, 24. Juni 1924).<br />
34 Neustart Bahnhofsmission (<strong>Oberhausen</strong>er Zeitung, 11. Januar 1925).<br />
150
Anhang<br />
35 <strong>Die</strong> Bahnhofsmission (<strong>Oberhausen</strong>er Zeitung, 24. Januar 1927); Ein Jahr Evangelische<br />
Bahnhofsmission (Generalanzeiger, 22. Juni 1927) – gemeint ist die Arbeit im Jahr 1926;<br />
Ein Tag bei der Bahnhofsmission Generalanzeiger, 30. Oktober 1926); Samariterdienst auf<br />
dem Bahnsteig (Generalanzeiger, 19. März 1930).<br />
36 Holz, Der Erste Weltkrieg und die Weimarer Republik (wie Anm. 30), S. 81.<br />
37 Stadtarchiv <strong>Oberhausen</strong>, Alt-<strong>Oberhausen</strong> Abt. 6 1420, Vermerk vom 14. November 1925.<br />
38 Jahresberichte des Evangelischen Jugendpfarramtes 1921–1922 und des Evangelischen<br />
Jugend- und Wohlfahrtsamtes 1923–1944: 1924 Ein ‚Bericht für die Feierstunden‘ (Archiv<br />
des Diakonischen <strong>Werk</strong>es Mappe 3.1.5).<br />
39 Ein Porträt von Herta Zilly erschien 2. Juni 1990 in der WAZ.<br />
40 Herta Zilly, Gerhard Holtz, 75 Jahre <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> des Kirchenkreises <strong>Oberhausen</strong>.<br />
1921–1996. <strong>Oberhausen</strong> 14.3.1996 (im Folgenden Zilly / Holtz 75 Jahre <strong>Diakonisches</strong><br />
<strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>), S. 10.<br />
41 Stadtarchiv <strong>Oberhausen</strong>, Alt-<strong>Oberhausen</strong> Abt. 6 1420, Antwortschreiben des<br />
Oberbürgermeisters von <strong>Oberhausen</strong> (12. Februar 1925).<br />
42 Stadtarchiv <strong>Oberhausen</strong>, Alt-<strong>Oberhausen</strong> Abt. 6 1420, Antwortschreiben des<br />
Oberbürgermeisters Barmen (25. März 1925).<br />
43 Stadtarchiv <strong>Oberhausen</strong>, Alt-<strong>Oberhausen</strong> Abt. 6 1420, Aufstellung Regierungspräsident<br />
(18. April 1925).<br />
44 Stadtarchiv <strong>Oberhausen</strong>, Alt-<strong>Oberhausen</strong> Abt. 6 1420, Mitteilungen des Deutschen<br />
Städtetages (1. Juni 1925).<br />
45 Vgl. Otto Ohl, 150 Jahre Innere Mission am Rhein. In: Nachrichtenblatt Innere Mission<br />
und Hilfswerk der Evangelischen Kirche im Rheinland 5, 1963 (im Folgenden Ohl,<br />
150 Jahre), S. 17.<br />
46 Stadtarchiv <strong>Oberhausen</strong>, Osterfeld 597, Fortbildungswochen (26. Mai 1924).<br />
47 Stadtarchiv <strong>Oberhausen</strong>, Alt-<strong>Oberhausen</strong> Abt. 6 1421, Niederschrift über die<br />
Besprechung der Spitzenorganisationen am 24. November 25).<br />
48 Zur Person vgl. die Kurzbiografie in: Zilly / Holtz 75 Jahre <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong><br />
(wie Anm. 40), S. 23–24.<br />
49 Stadtarchiv <strong>Oberhausen</strong>, Alt-<strong>Oberhausen</strong> Abt. 6 1421, Jahresbericht Rechtsschutzstelle<br />
(17. März 1926).<br />
50 Für die folgenden Zitate: Ein ‚Bericht für die Feierstunden‘ (wie Anm. 38).<br />
51 Grundsätze für die Zusammenarbeit des Städtischen Wohlfahrtsamtes mit den Organisationen<br />
der Freien Wohlfahrtspflege auf dem Gebiete der Jugendfürsorge vom<br />
12. November 1926 (Archiv des Diakonischen <strong>Werk</strong>es Mappe 3.2.9).<br />
52 Jahresberichte des Evangelischen Jugendpfarramtes 1921–1922 und des Evangelischen<br />
Jugend- und Wohlfahrtsamtes 1923–1944: 1927 (Archiv des Diakonischen <strong>Werk</strong>es Mappe<br />
3.1.8).<br />
53 Stadtarchiv <strong>Oberhausen</strong> – Alt-<strong>Oberhausen</strong> Abt. 6 1420, Rechnungsbericht 1926 vom<br />
25. Mai 1927.<br />
54 Jahresberichte des Evangelischen Jugendpfarramtes 1921–1922 und des Evangelischen<br />
Jugend- und Wohlfahrtsamtes 1923–1944: 1929 (Archiv des Diakonischen <strong>Werk</strong>es Mappe<br />
3.1.10) ; der Text ist rechtsseitig beschädigt. In eckigen Klammern stehen sinngemäße<br />
Vervollständigungen.<br />
151
100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />
55 General Anzeiger, 24.12.1929.<br />
56 Vgl. Peter Langer, <strong>Oberhausen</strong> in der Zeit der Weimarer Republik. Von der Novemberrevolution<br />
bis zum Ende der Demokratie (wie Anm. 32), S. 106 ff.<br />
57 vgl. Ulrich Faber, <strong>Die</strong> Kirchengemeinde <strong>Oberhausen</strong> I in der Zeit des Nationalsozialismus.<br />
Diplomarbeit. Duisburg, Essen 31.12.1998. Universität Duisburg Essen, Fakultät für Geisteswissenschaften,<br />
Institut für Evangelische Theologie. Online verfügbar unter https://<br />
duepublico2.uni-due.de/receive/duepublico_mods_00005168 (zuletzt abgerufen<br />
10. August 2021).<br />
58 Von Günther Norden, <strong>Die</strong> Innere Mission im Rheinland 1933–1945. In: Reinhard Witschke<br />
(Hrsg.), Diakonie bewegt. 150 Jahre Innere Mission und Diakonie im Rheinland. Schriftenreihe<br />
des Vereins für Rheinische Kirchengeschichte. 140, Köln 1999, S. 97–128.<br />
59 Der Leiter der <strong>Oberhausen</strong>er Gedenkhalle, Clemens Heinrichs, hat dies am Beispiel der<br />
Christuskirche detailliert beschreiben: Clemens Heinrichs, <strong>Die</strong> Christuskirche bis zur<br />
Kirchwahl im Juli 1933. In: Ders. (Hrsg.), Eine-reine-keine Stadtgesellschaft. <strong>Oberhausen</strong><br />
im Nationalsozialismus 1933 bis 1945. <strong>Oberhausen</strong> 2012 (im Folgenden Heinrichs,<br />
Christuskirche), S. 141–158.<br />
60 Wolfgang Benz, Hermann Graml, Hermann Weiß (Hrsg.), Enzyklopädie des Nationalsozialismus.<br />
3., korr. Auflage: Stuttgart 1998, Teil I: Handbuch: Sozialversicherung im »Wohlverhaltensstaat.<br />
Enzyklopädie des Nationalsozialismus, S. 316.<br />
61 Ebd., S. 317.<br />
62 Zeittafel zur Geschichte <strong>Oberhausen</strong>s 1929 bis 1945. In: Magnus Dellwig, Peter Langer,<br />
Otto Dickau, <strong>Oberhausen</strong> in Krieg, Demokratie und Diktatur. <strong>Oberhausen</strong>. Eine Stadtge-<br />
schichte im Ruhrgebiet. 3, Münster 2012, S. 377ff.<br />
63 Ernst Berger, Jugendwohlfahrt und Fürsorge im Nationalsozialismus. 2010. Online verfügbar<br />
unter https://www.univie.ac.at/jugend-ns/Jugendwohlfahrt_und_Fuersorge_im_<br />
Nationalsozialismus.pdf, zuletzt aufgerufen am 8. August 2021. — <strong>Die</strong> kontrollierende<br />
Zusammenarbeit auch des Diakonischen <strong>Werk</strong>es mit den städtischen Behörden hat auch<br />
noch in der Bundesrepublik stattgefunden, wie weiter unten zu sehen sein wird. In der<br />
Bundesrepublik wurde beispielsweise erst 2011 eine Übermittlungspflicht für Bildungseinrichtungen<br />
aufgehoben. Schulen, Kindergärten und andere Bildungseinrichtungen<br />
mussten bis dahin Ausländerbehörden über Kinder und Jugendliche unterrichten, die<br />
ohne rechtmäßigen Aufenthaltsstatus in Deutschland leben (Newsletter „Migration und<br />
Bevölkerung“ der Bundeszentrale für Politische Bildung: „Deutschland: Übermittlungspflicht<br />
für Bildungseinrichtungen aufgehoben“ vom 19.7.2011. Online verfügbar unter<br />
https://www.bpb.de/gesellschaft/migration/newsletter/56867/uebermittlungspflichtaufgehoben,<br />
zuletzt abgerufen am 8. August 2021.<br />
64 Sammlung der Bahnhofsmission wieder erlaubt (<strong>Oberhausen</strong>er Zeitung,<br />
15. September 1934).<br />
65 Vgl. Heinrichs, <strong>Die</strong> Christuskirche bis zur Kirchwahl (wie Anm. 59), S. 160–161.<br />
66 Zilly / Holtz, 75 Jahre <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong> (wie Anm. 40) S. 11.<br />
67 Gemeindebuch (wie Anm. 19), S. 70.<br />
68 <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong> - Jahresberichte 1921–1944 (Archiv des Diakonischen<br />
<strong>Werk</strong>es Mappe 3.1).<br />
152
Anhang<br />
69 Gerhard Holtz: Vorwort zu „Jahresberichte des Evangelischen Jugendpfarramtes<br />
1921–1922 und des Evangelischen Jugend- und Wohlfahrtsamtes 1923–1944“ (Archiv<br />
des Diakonischen <strong>Werk</strong>es Mappe 3.1).<br />
70 Sascha Concas, <strong>Oberhausen</strong> im Zweiten Weltkrieg. Radikalisierung der Verfolgung, Bombennächte<br />
und Zwangsarbeit in den Jahren 1939 bis 1945. In: Dellwig, Magnus; Langer,<br />
Peter; Dickau, Otto, <strong>Oberhausen</strong> in Krieg, Demokratie und Diktatur. <strong>Oberhausen</strong>. Eine<br />
Stadtgeschichte im Ruhrgebiet. 3, Münster 2012, S. 311ff.<br />
71 Laudatio zum 75. Geburtstag des Presbyters und Synodalen Friedrich Wolters (20. April<br />
1966) (Archiv des Diakonischen <strong>Werk</strong>es Mappe 3.2.12). – Zur Person vgl. die Kurzbiografie<br />
in: Zilly / Holtz 75 Jahre <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong> (wie Anm. 40), S. 24–25.<br />
72 W. Schütz, Art. Innere Mission. In: <strong>Die</strong> Religion in Geschichte und Gegenwart, Bd. 3,<br />
S. 756 ff.<br />
73 Ohl, 150 Jahre (wie Anm. 45), S. 19.<br />
74 Ebd. – Zu dem Thema „Diakonie im Dritten Reich“ siehe auch das Tagungsheft „Diakonie<br />
im Dritten Reich. Tagung in Zusammenarbeit mit dem Diakonischen <strong>Werk</strong> der Evangelischen<br />
Kirche im Rheinland und den Diakonie-Anstalten Bad Kreuznach. 16.–17. Mai 1987<br />
in Maria Laach, Mülheim/Ruhr 1987.<br />
75 https://www.diakonie.de/das-20-jahrhundert, zuletzt abgerufen 9.8.2021.<br />
76 Angaben gemäß der Homepage diakonie.de: https://www.diakonie.de/das-20-jahrhundert,<br />
zuletzt abgerufen am 9. August 2021. — Allgemein zur Entwicklung der Diakonie<br />
im Rheinland vgl. Rudolf Mohr, Organisierte Hilfe im Chaos. Rheinischer Provinzialausschuss<br />
und Hilfswerk in der Zeit von 1945–1963 und die Fusion von Innerer Mission und<br />
Hilfswerk. In: Reinhard Witschke (Hrsg.), Diakonie bewegt. 150 Jahre Innere Mission und<br />
Diakonie im Rheinland. Schriftenreihe des Vereins für Rheinische Kirchengeschichte. 140,<br />
Köln 1999, S. 129–161.<br />
77 Allerdings wurde diese Bezeichnung schon vorher verwendet. So endet ein mehrteiliger<br />
Artikel der Evangelischen Zeitschrift Der Weg aus dem Jahr 1963 über die „Kurze Geschichte<br />
der Diakonie“ mit der Bemerkung: „Es war daher nur folgerichtig, daß die Synode<br />
der EKD im Jahre 1957 beschloß, Innere Mission und Hilfswerk zu einem großen <strong>Werk</strong><br />
der evangelischen Kirche zusammenzuschließen. Es trägt den Namen ‚<strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong><br />
der Evangelischen Kirche in Deutschland‘ und setzt – nun als <strong>Werk</strong> der Kirche – Tradition<br />
und Arbeit der Inneren Mission und des Hilfswerks fort.“ (Der Weg, Kurze Geschichte der<br />
Diakonie. Teil 1: 22. September, 1963 Nr. 38, S. 7; Teil 2: 29. September 1963, Nr. 39, S. 5;<br />
Teil 3: 6. Oktober 1963, Nr. 40, S. 7; hier Teil 3).<br />
78 Volker Hermann, Art. Diakonie. In: GB Theologie, S. 108 ff. – In der Evangelischen Kirche<br />
im Rheinland wurde 1970 der Name in „<strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> der Evangelischen Kirche im<br />
Rheinland“ (heute Diakonische <strong>Werk</strong> Rheinland-Westfalen-Lippe e.V. – Diakonie RWL)<br />
umgewandelt.<br />
79 Zilly / Holtz, 75 Jahre <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong> (wie Anm. 40), S. 11. Zur Person vgl.<br />
die Kurzbiografie in ebd., S. 25–26.<br />
80 Gemeindebuch (wie Anm. 19), S. 70.<br />
81 Abhandlung „<strong>Die</strong> Geschichte unseres Diakonischen <strong>Werk</strong>es …“, Datum und Verfasser/in<br />
unbekannt (Archiv des Diakonischen <strong>Werk</strong>es Mappe 3.2.5).<br />
153
100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />
82 Thomas Olk, <strong>Die</strong> Diakonie im westdeutschen Sozialstaat. In: Ursula Röper, Carola Jüllig<br />
(Hrsg.), <strong>Die</strong> Macht der Nächstenliebe. Einhundertfünfzig Jahre Innere Mission und Diakonie<br />
1848–1998. Stuttgart. Unveränd. Nachdruck der Ausg. zur Ausstellung 1998, 2. Aufl.<br />
2007, S. 274–285 (im Folgenden Olk, Diakonie), hier S. 275.<br />
83 Stadtarchiv <strong>Oberhausen</strong>, Abt. 10 438, Niederschrift über die Sitzung des Sozialausschusses<br />
(21. September 1954).<br />
84 Osterfeld gehörte ursprünglich zur preußischen Provinz Westfalen und kam durch den<br />
Zusammenschluss mit <strong>Oberhausen</strong> und Sterkrade 1929 zur Rheinprovinz.<br />
85 Zilly / Holtz 75 Jahre <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong> (wie Anm. 40), S. 12.<br />
86 Gerold Vorländer, <strong>Die</strong> Vorgeschichte des Kirchenkreises <strong>Oberhausen</strong>. In: Kirche im Revier<br />
1991, S. 5–41 (im Folgenden Vorländer, Kirchenkreis), hier S. 10.<br />
87 Beispielsweise „Synode Groß-<strong>Oberhausen</strong> konstituiert“ (Ruhrwacht, 2. April 1954) –;<br />
„Superintendent Munscheid“ (Ruhrwacht, 3. April 1954; „Eigene Synode“<br />
(NRZ, 3. April 1954).<br />
88 „Pfarrer durfte seine Kirche nicht betreten“ (WAZ, 3. April 1954). Vgl. auch „Superintendenten<br />
aus <strong>Oberhausen</strong> II“ (General Anzeiger, 3./4. April 1954).<br />
89 „Stadtsynode Groß-<strong>Oberhausen</strong> erhält ersten Superintendenten“ (WAZ, 3. April 1954).<br />
90 Vorländer 1991 (wie Anm. 15), hier S. 11. Leider kommt die Beschäftigung der Kreissynode<br />
mit dem Diakonischen <strong>Werk</strong> in der Darstellung Vorländers zu kurz, wie er selbst eingesteht:<br />
„In dieser kurzen Darstellung der Geschichte und Aktivitäten des Kirchenkreises<br />
<strong>Oberhausen</strong> konnte die Arbeit in den einzelnen Gemeinden kaum berücksichtigt werden.<br />
Nicht einmal für alle Themen der Kirchenkreisarbeit war hier Raum. So wäre noch<br />
auf die breitgestreuten Aktivitäten des diakonischen <strong>Werk</strong>es, die Freizeiten und Projekte<br />
des synodalen Jugendreferates, auf Frauenarbeit, Ökumene in <strong>Oberhausen</strong>, Presse- und<br />
Rundfunkarbeit und anderes mehr hinzuweisen.“ (S. 41).<br />
91 Abhandlung „<strong>Die</strong> Geschichte unseres Diakonischen <strong>Werk</strong>es …“ (wie Anm. 81).<br />
92 Stadtarchiv <strong>Oberhausen</strong>, Abt. 10 438, Niederschrift über die Sitzung des Sozialausschusses<br />
(9. Juli 1954).<br />
93 Stadtarchiv <strong>Oberhausen</strong>, Abt. 10 438, 1954.09.21. – Niederschrift über die Sitzung des<br />
Sozialausschusses (21. September 1954).<br />
94 Eich, Festschrift (wie Anm. 15), S. 58.<br />
95 Zur Person vgl. die Kurzbiografie in Zilly / Holtz 75 Jahre <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong><br />
(wie Anm. 40), S. 26.<br />
96 Stadtarchiv <strong>Oberhausen</strong>, 16 K 283 Lothringer Straße 122, Schreiben <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong><br />
OB an Städt. Jugendamt OB (7. März 1967).<br />
97 Abhandlung „<strong>Die</strong> Geschichte unseres Diakonischen <strong>Werk</strong>es …“ (wie Anm. 81).<br />
98 Der Weg, 1960 – Der 27. April im Zeichen der Diakonie, 20/15.05.1960.<br />
99 Gemeindebuch (wie Anm. 19), S. 71.<br />
100 Über die Verabschiedung berichtete die Zeitschrift Der Weg 1965, Nr. 15, 11. April, S. 10:<br />
„Dank lässt sich den Mund nicht verbieten“. – Zur Person Rudolf Majert vgl. die Kurzbiografie<br />
in Zilly / Holtz, 75 Jahre <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong> (wie Anm. 40), S. 26–27.<br />
101 Abhandlung „<strong>Die</strong> Geschichte unseres Diakonischen <strong>Werk</strong>es …“ (wie Anm. 81).<br />
102 „Das ‚Haus der Kirche‘ wurde eröffnet“ (Der Weg, 26/1966).<br />
154
Anhang<br />
103 „Bahnhofsmission feiert goldenes Jubiläum“ (Rheinische Post, 30. Dezember 1946). –<br />
Der Mangel an Heizmaterial war im Winter 1945/46, der als einer der kältesten des<br />
20. Jahrhunderts in die Geschichte einging, eines der Hauptversorgungsprobleme in<br />
Deutschland.<br />
104 „Bahnhofsmission bekommt ein neues Heim.“ (Rheinische Post, 3. April 1948).<br />
105 „Bahnhofsmission hat neues Heim.“ (WAZ, 29. Mai 1948).<br />
106 „Bahnhofsmission im neuen Heim.“ (Rheinische Post, 29. Mai 1948).<br />
107 „Immer wenn es Not tut, sind sie da.“ (NRZ, 8. Januar 1949).<br />
108 Stadtarchiv <strong>Oberhausen</strong>, Abt. 10 438, Niederschrift über die Sitzung des Sozialausschusses<br />
(21. September 1954).<br />
109 https://www.caritas-oberhausen.de/hilfe-und-beratung/kontaktcafe-gleis-51/kontaktcafe-gleis-51,<br />
zuletzt abgerufen 10. August 2021.<br />
110 Der Weg, Kurze Geschichte der Diakonie. Teil 3: 6. Oktober 1963, Nr. 40, S. 7.<br />
111 Olk, Diakonie (wie Anm. 82), hier S. 274.<br />
112 Evangelische Fürsorgerinnenschulen bzw. dann Höhere Fachschulen für Sozialarbeit<br />
gab es bereits vor den Fachhochschulen. Aber sie wurden den veränderten Umständen<br />
gemäß neu strukturiert. So wurde z.B. aus der Evangelischen Höheren Fachschule in<br />
Wuppertal in Folge der Fachhochschulgesetzgebung die Evangelische Fachhochschule<br />
Bochum. Eine kurze Darstellung dieser Entwicklung findet sich auf der Internetpräsenz<br />
der (https://www.evh-bochum.de/jubilaeum/vorgeschichte.html, zuletzt abgerufen am<br />
10. August 2021. Ich danke Herrn Holtz für den Hinweis.<br />
113 Olk, Diakonie (wie Anm. 82), S. 277.<br />
114 Ebd., S. 279.<br />
115 Aus Zeitungsberichten der WAZ vom 26.11.1971 „Fürsorge kein hoheitlicher Akt in<br />
unserer Demokratie” und der NRZ vom 26.11.1971 „Aufgabe der Diakonie bleibt Humanisierung<br />
der Gesellschaft” sowie des gedruckten Vortragsmanuskripts „<strong>Die</strong> Notwendigkeit<br />
kirchlicher Sozialarbeit heute”.<br />
116 Vgl. Olk, Diakonie (wie Anm. 82), S. 277.<br />
117 Vgl. Hubert Jedin (Hrsg.), Handbuch der Kirchengeschichte. VII. <strong>Die</strong> Weltkirche im<br />
20. Jahrhundert. Freiburg im Breisgau, Basel, Wien 1985, S. 438.<br />
118 Olk, Diakonie (wie Anm. 82), S. 276.<br />
119 Hannelore Fordan fasste 1974 die Neukonzeption in einem Bericht zusammen: 1974<br />
Gedanken zur Neuordnung der Arbeit des Diakonischen <strong>Werk</strong>es, Verfasserin Hannelore<br />
Fordan (Archiv des Diakonischen <strong>Werk</strong>es Mappe 3.2.13).<br />
120 1974 Schriftverkehr bzgl. der Neuordnung mit der Auferstehungs-Kirchengemeinde<br />
<strong>Oberhausen</strong>-Osterfeld (Archiv des Diakonischen <strong>Werk</strong>es Mappe 3.2.14).<br />
121 Vgl. Zilly / Holtz, 75 Jahre <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong> (wie Anm. 40), S. 14.<br />
122 Gerhard Holtz: Vorwort zu „Archivalien: Zur Geschichte des <strong>Werk</strong>es“ (Archiv des<br />
Diakonischen <strong>Werk</strong>es Mappe 3.2).<br />
123 Bettina Wittke, 50 Jahre Evangelischer Kirchenkreis <strong>Oberhausen</strong> 1954–2004. Nähe zu den<br />
Menschen, Mitverantwortung für die Stadt, Ökumenische Weite. <strong>Oberhausen</strong> 3. Juli 2004,<br />
S. 41.<br />
124 Unterwegs zum Menschen – Festschrift 65 Jahre <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong> 1986.<br />
155
100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />
125 Vgl. Olk, Diakonie (wie Anm. 82), S. 283.<br />
126 „Vielfältige Diakonie-Aufgaben in <strong>Oberhausen</strong>“ (Wochenanzeiger, 3. April 1985). – Auch<br />
Jahrzehnte später noch bestand großer Bedarf, die Arbeit des Diakonischen <strong>Werk</strong>es den<br />
örtlichen Kirchengemeinden nahe zu bringen, wie aus einer kurzen Notiz im Jahresbericht<br />
2014/15 hervorgeht: „In Hinblick auf die PRESBYTERIUMSWAHLEN im Februar<br />
2016 ist geplant, dass das Diakonische <strong>Werk</strong> sich und seine Arbeitsfelder (erneut) in allen<br />
Presbyterien vorstellt.“ (Hervorhebung im Original)<br />
127 „<strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> feiert sein 60-jähriges Bestehen“ (WAZ, 17. August 1981).<br />
128 „75jähriges Jubiläum“. Referat 2 von Gerhard Holtz (Archiv des Diakonischen <strong>Werk</strong>es<br />
Mappe 4.2.2).<br />
129 Wittke, 50 Jahre Evangelischer Kirchenkreis <strong>Oberhausen</strong> (wie Anm. 14).<br />
130 Zur Person vgl. die Kurzbiografie in Zilly / Holtz, 75 Jahre <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong><br />
(wie Anm. 40), S. 27–28.<br />
131 Der Weg 1.9.1985 und Pressearbeit / Zeitungsausschnitte von 1985 bis 1993 – „Für neuen<br />
Diakonie-Beauftragten ging es gleich in die ‚Vollen’“ (WAZ, 17. August 1985).<br />
132 „Biblischer Auftrag fordert zu immer neuen Antworten auf“ (WAZ, 19. November 1986);<br />
„Diakonie feierte ihr 65-jähriges Bestehen“ (NRZ, 22. November 1986).<br />
133 Vgl. Olk, Diakonie (wie Anm. 82), S. 284–285.<br />
134 „Träger vor Ort bleiben Partner der Jugendgerichtshilfe“ (NRZ, 19. September 2017).<br />
135 Vgl. Schäfer / Herrmann, Geschichtliche Entwicklung der Diakonie (siehe Anmerk. 10),<br />
S. 66.<br />
136 Wobei hier völlig unterschiedliche Ausgangsbedingungen herrschen. <strong>Die</strong> freien Wohlfahrtseinrichtungen<br />
wie <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> oder Caritas sind steuerrechtlich gemeinnützig<br />
eingestuft und dürfen keine Gewinnerzielung beabsichtigen, während die privatgewerblichen<br />
Anbieter genau diesen Zweck verfolgen dürfen und müssen.<br />
137 „Wahre Werte - oder doch nur Warenwerte“ (NRZ, 15. März 1996). – Das Manuskript der<br />
Festrede von Gerhard Holtz befindet sich in „75jähriges Jubiläum“ (wie Anm. 128).<br />
138 Über die Veranstaltungen wurden in der Presse ausführlich berichtet: Talkrunde „Verwahrlosung<br />
zu Hause“: „Verwahrlosung beginnt mit der Einsamkeit“ (NRZ, 22.6.1996).<br />
Talkrunde „Volle Pulle auf Platte“: „Konkret helfen oder Ursachen bekämpfen?“ (NRZ,<br />
30.8.1996); „Steigende Armut durch soziale Marktwirtschaft“ (WAZ, 31.8.1996). Talkrunde<br />
„Wenn ich einmal reich wär’“: „Arm ist, wer nicht mithalten kann“ (NRZ, 18.9.1996). Talkrunde:<br />
„… und hätte die Liebe nicht …“: „<strong>Die</strong> ‚Drei Tage im März‘, als Roland einmal tanzen<br />
durfte“ (NRZ, 22.11.1996); „Bemerkenswert ehrlich und direkt“ (Der Weg 50/1996, S. 8);<br />
„Würde des Menschen achten“ (WAZ, 10.12.1996).<br />
139 Jahresbericht 2011/2012 des Synodalbeauftragten für Diakonie, S. 1.<br />
140 Ebd. S. 3.<br />
141 Ein kurzes Porträt findet sich in einem Artikel des Remscheider General-Anzeiger vom<br />
24. Juni 2016: „Reinhard Harfst denkt gerne an Remscheid“. Online https://www.rga.de/<br />
lokales/remscheid/reinhard-harfst-denkt-gerne-remscheid-6513007.html, zuletzt abgerufen<br />
am 11. August 2021.<br />
142 Jahresbericht 2013/2014, S. 1 (Hervorhebungen im Original).<br />
143 6.500 Mark an einem Gesamtbetrag von 10.919,63 Mark. (Stadtarchiv <strong>Oberhausen</strong><br />
Alt-<strong>Oberhausen</strong> Abt. 6 1420, Rechnungsbericht 1926 (27. Mai 1927).<br />
156
Anhang<br />
144 „Zivildienst vor dem Aus?“ (Wochen-Anzeiger, 17. Januar 2004).<br />
145 Seite „Europäische Flüchtlingskrise“. In: Wikipedia – <strong>Die</strong> freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand:<br />
26. Juli 2021, 17:45 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Europ%C3%A4ische_Fl%C3%BCchtlingskrise&oldid=214230911<br />
(Abgerufen: 11. August<br />
2021, 13:07 UTC)<br />
146 Jahresbericht 2015/2016, S. 1.<br />
147 Jahresbericht 2017/18, S. 2.<br />
148 Ebd.<br />
149 „Mit diesem Prozess wird die Erwartung verknüpft, den aktuellen Anteil am Kirchensteueraufkommen<br />
des <strong>Werk</strong>es von rd. 400.000,- € im Geschäftsjahr 2020 in einem Zeitraum<br />
von maximal 10 Jahren ab dem Zeitpunkt der Rechtsformänderung deutlich zu reduzieren.“<br />
(Geschäftsplan Diakoniewerk <strong>Oberhausen</strong> gGmbH, S. 4).<br />
150 Jahresbericht 2019/20, S. 1.<br />
151 Ebd.<br />
152 Ebd., S. 2.<br />
153 Ebd., S. 3.<br />
154 „Welcher Arzt hilft den Obdachlosen“ (NRZ, 1. Juli 1997).<br />
155 „Geld reicht nicht für Minimaldiagnostik“ (NRZ, 10. Juli 1997).<br />
156 „Eine Praxis ohne Hemmschwellen“ (NRZ, 19. März 1998).<br />
157 Zur Geschichte vgl. die Darstellung auf der Homepage der Tafel <strong>Oberhausen</strong>: https://<br />
www.dieoberhausenertafel.de/ueber-mich/, zuletzt abgerufen 12. August 2021.<br />
158 Vgl. Jahresbericht 2000/2001 des Synodalbeauftragten für Diakonie, S. 3.<br />
159 „Tafelfertig“ (WAZ, 3. Mai 2006).<br />
160 „Ein Teller warme Suppe hilft auch gegen die Einsamkeit“ (WAZ, 16. April 2004).<br />
161 „Um das neue Tafel-Cafe klirrt schon jetzt das Porzellan“ (WAZ, 22. April 2005).<br />
162 „Toleranz ist das Gebot“ (WAZ, 22. April 2005).<br />
163 „Sozialarbeit nicht kaputt sparen“ (derwesten, 3. Juli 2011).<br />
164 <strong>Die</strong> Angaben entstammen den jeweiligen Jahresberichten. Für das Jahr 2017 liegt wegen<br />
der Erkrankung von Reinhard Harfst und dem Wechsel der Leitung des Diakonischen<br />
<strong>Werk</strong>es zu Frank Domeyer kein Jahresbericht vor.<br />
165 https://www.diakonie-oberhausen.de/leitbild/, zuletzt abgerufen am 25. August 2021.<br />
166 Vgl. Schuldnerberatung. Jahresbericht 2020.<br />
167 Zum Folgenden vgl. Jahresbericht 2007/2008 des Synodalbeauftragten für Diakonie, S. 3.<br />
168 „Schuldnerberatung“ (WAZ, 9. Januar 1988).<br />
169 „Schuldnerberatungsstelle hat finanzielle Probleme“ (WAZ, 17. Januar 1989); „Schuldnerberatungsstelle<br />
in Gefahr“ (NRZ, 17. Januar 1989).<br />
170 Vgl. Zilly / Holtz, 75 Jahre <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong> (wie Anm. 40), S. 15.<br />
171 Z.B. „Schuldnerberatung weist Manko aus“ (WAZ, 6. Dezember 1991). Ähnlich „Schuldnerberater<br />
brauchen Geld“ (NRZ, 9. Dezember 1991).<br />
172 Seite „Privatinsolvenz“. In: Wikipedia – <strong>Die</strong> freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand:<br />
24. Juni 2021, 10:30 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Privatinsolvenz&oldid=213247189<br />
(Abgerufen: 30. August 2021, 13:13 UTC).<br />
173 „Im Jenseits der Hemmschwelle“ (WAZ, 15. Dezember 2009).<br />
157
100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />
174 „Wenns schwerfällt, nein zu sagen“ (WAZ, Oktober 2012); „Hilfe aus der Schuldenfalle“<br />
(NRZ, Oktober 2012).<br />
175 Das Angebot galt „Personen, die Leistungen nach dem SGB II erhalten, sofern sie eine<br />
schriftliche Zuweisung ihres persönlichen Ansprechpartners des Jobcenters (ehemals<br />
SODA) vorlegen, Personen, die Leistungen nach dem SGB XII erhalten [sowie] sonstigen<br />
volljährigen Personen ohne Leistungsbezug nach SGB II oder SGB XII mit Wohnsitz in<br />
<strong>Oberhausen</strong> gemäß §§ 11 Abs. 5,15 SGB XII in Form einer Kurzberatung, bzw. mit Kostenzusage<br />
des Leistungsträgers nach SGB XII als Langberatung.“ (Jahresbericht 2011/12,<br />
S. 5–6).<br />
176 Ebd., S. 9.<br />
177 „Schulden belasten auch ‚Mittelstand’“ (WAZ, 10. Dezember 1993).<br />
178 Jahresbericht 2013/2014, S. 7.<br />
179 Ebd.<br />
180 „35700 Euro für Beratung von Schuldnern“ (NRZ, 7. Januar 2016).<br />
181 Vgl. Zilly / Holtz, 75 Jahre <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong> (wie Anm. 40), S. 12–13.<br />
182 Jahresbericht 2011/2012, S. 11.<br />
183 Jahresbericht 2010/2011 des Synodalbeauftragten für Diakonie, S. 3–4.<br />
184 Ebd., S. 12.<br />
185 Jahresbericht 2015/2016, S. 6 und Jahresbericht 2017-2018, S. 5.<br />
186 „Betreuungsverein schlägt Alarm“ (WAZ, 19. November 2015).<br />
187 „Familienhilfe in der Existenz bedroht“ (NRZ, 1. Februar 2019).<br />
188 Jahresbericht 2019/20, S. 2.<br />
189 Jahresberichte des Evangelischen Jugendpfarramtes 1921–1922 und des Evangelischen<br />
Jugend- und Wohlfahrtsamtes 1923–1944: 1927 (Archiv des Diakonischen <strong>Werk</strong>es Mappe<br />
3.1.8).<br />
190 https://www.diakonie-oberhausen.de/jugendgerichtshilfe/ (zuletzt abgerufen<br />
am 2. September 2021).<br />
191 „Eine Oase für die Berber“ (NRZ, 7. Dezember 1993).<br />
192 Vgl. hierzu auch die ausführliche Darstellung im Jahresbericht 2008/2009 des Synodalbeauftragten<br />
für Diakonie, S. 8–9.<br />
193 Zu den einzelnen Arbeitsbereichen und ihren Tätigkeitsfeldern im Einzelnen vgl. die Aufstellung<br />
im Jahresbericht 2009/2010 des Synodalbeauftragten für Diakonie, S. 4–5.<br />
194 Jahresbericht 2018–2019, S. 1.<br />
195 Ebd.<br />
196 Vgl. Jahresbericht 2010/2011 des Synodalbeauftragten für Diakonie, S. 6–12.<br />
197 Jahresbericht 2000/2001 des Synodalbeauftragten für Diakonie, S. 2.<br />
198 „Sozialpsychiatrisches Zentrum gerettet“ (NRZ/WAZ, 19./22. Juli 2003); „Hilfsgemeinschaft<br />
feiert die Rettung des Sozialzentrums“ (WAZ, 1. August 2003).<br />
199 „Eine für alle“ (NRZ, 28. November 2003).<br />
200 Jahresbericht 2005/2006 des Synodalbeauftragten für Diakonie, S. 10.<br />
201 Jahresbericht 2012–2013.<br />
202 Jahresbericht 2015–2016.<br />
203 Jahresbericht 2019–2020.<br />
158
Anhang<br />
204 „<strong>Die</strong> Brosche der Diakonie“ (WAZ, 8.5.1983).<br />
205 „Umgebaut und renoviert“ (WAZ, 16.1.1987).<br />
206 „Schmerzliche Beschlüsse“ (NRZ, 30.5.2002).<br />
207 Jahresbericht 2012/2013, S. 5.<br />
208 Jahresbericht 2013/2014, S. 5.<br />
209 Anfang 2020 wurde beschlossen, das Ferienwerk für Seniorenreisen zum Jahresende<br />
2020 zu schließen. (Jahresbericht 2019/2020, S. 4).<br />
210 „Podiumsdiskussion zur Alten- und Krankenpflege“ (NRZ, 24. November 1990).<br />
211 1998.11.02. – „Altenpflege – ein gleichwertiger Beruf“ (NRZ, 2. November 1998).<br />
212 Vgl. Jahresbericht 2003/2004 des Synodalbeauftragten für Diakonie, S. 2–5.<br />
213 1978 – Bericht über die Kreissynode 1978 des Diakonischen <strong>Werk</strong>es, S. 6 (Archiv des<br />
Diakonischen <strong>Werk</strong>es: Zeitungsausschnitte vom Febr. 77 bis 1983 / Presseberichte über<br />
Diakonische Arbeit in <strong>Oberhausen</strong>).<br />
214 Zahlen nach https://diakoniestation-oberhausen.de/node/5, zuletzt besucht 25.6.2021.<br />
215 Zilly / Holtz, 75 Jahre <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong> (wie Anm. 40), S. 18.<br />
216 Ebd. S. 19.<br />
217 Richard J. Evans, Das europäische Jahrhundert. Ein Kontinent im Umbruch: 1815–1914.<br />
München 2020, Kap. „Das Zeitalter des Gefühls“: Dissens, Zweifel und Unglaube<br />
(eBook-Ausgabe, S. 690).<br />
218 „<strong>Die</strong> Notwendigkeit kirchlicher Sozialarbeit heute“, Festvortrag von Pfarrer Dr. Siegfried<br />
Meurer, <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> der Evangelischen Kirche im Rheinland (1971) (Archiv des<br />
Diakonischen <strong>Werk</strong>es Mappe 4.1.2).<br />
219 Zilly / Holtz, 75 Jahre <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong> (wie Anm. 40), S. 5.<br />
Abbildungsverzeichnis<br />
Abb. 1, 7: Wikipedia<br />
Abb. 2 – 5, 8, 11 – 13, 16, 17, 19 – 21: Stadtarchiv <strong>Oberhausen</strong><br />
Abb. 6, 14, 18, 22 – 44: Archiv des Diakonischen <strong>Werk</strong>es <strong>Oberhausen</strong><br />
Abb. 9: Reichsgesetzblatt Teil 1, Nr. 54, 1922, S. 633. ALEX/Österreichische<br />
Nationalbibliothek.<br />
Abb. 10, 15, 45: Stefan Kraus/Jürgen Schnug<br />
Abb. 36 a–f: Jürgen Schnug<br />
159
100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />
160
Anhang<br />
Lesehinweise<br />
<strong>Die</strong> Geschichte des Diakonischen <strong>Werk</strong>es <strong>Oberhausen</strong> ist eingebettet in die Geschichte<br />
der Diakonie, der Geschichte der Stadt <strong>Oberhausen</strong> und der Geschichte<br />
der sozialen Arbeit in <strong>Oberhausen</strong>. Wer Lust bekommen hat, sich tiefer mit<br />
der Materie zu befassen, der wird in diversen Büchern fündig, auf die für diese<br />
Arbeit auch intensiv zurück gegriffen wurde. Statt eines Literaturverzeichnisses<br />
gibt es hier also ein paar Lesehinweise.<br />
<strong>Die</strong> Geschichte <strong>Oberhausen</strong>s in ihrer Gänze wurde zuletzt in der vierbändigen<br />
Reihe „<strong>Oberhausen</strong>. Eine Stadtgeschichte im Ruhrgebiet“ dargestellt (Münster<br />
2012). Herausgegeben von Magnus Dellwig, Peter Langer und Otto Dickau, behandeln<br />
die unterschiedlichen Autoren die Stadtgeschichte chronologisch:<br />
<strong>Oberhausen</strong> in vorindustrieller Zeit,<br />
<strong>Oberhausen</strong> im Industriezeitalter,<br />
<strong>Oberhausen</strong> in Krieg, Demokratie und Diktatur,<br />
<strong>Oberhausen</strong> in Wirtschaftswunder und Strukturwandel.<br />
2017 folgte Band 5 der Reihe mit dem Titel „Beiträge zur Stadtgeschichte“.<br />
Ganz aktuell ist der 6. Band der Reihe, der als Begleitband zur Ausstellung „<strong>Oberhausen</strong><br />
Aufbruch macht Geschichte: Strukturwandel 1847– 2006“ erschienen ist:<br />
Dellwig, Magnus (Hrsg.), „<strong>Oberhausen</strong> – Aufbruch macht Geschichte. Strukturwandel<br />
1847 – 2006. <strong>Oberhausen</strong>. Eine Stadtgeschichte im Ruhrgebiet“. 6,<br />
<strong>Oberhausen</strong> 2020.<br />
Schon etwas älter ist das <strong>Oberhausen</strong>er Heimatbuch, von Wilhelm Seipp 1964<br />
herausgegeben.<br />
Auf die Zeit des Nationalsozialismus in <strong>Oberhausen</strong> konzentriert sich das Katalogbuch<br />
zur Dauerausstellung in der Gedenkhalle „Eine-reine-keine Stadtgesellschaft.<br />
<strong>Oberhausen</strong> im Nationalsozialismus 1933 bis 1945“, herausgegeben<br />
von Clemens Heinrichs (<strong>Oberhausen</strong> 2012).<br />
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100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />
Wer tiefer in Geschichte der Armenfürsorge in Deutschland einsteigen möchte,<br />
sei an das <strong>Werk</strong> von Christoph Sachße und Florian Tennstedt verwiesen. Sie haben<br />
eine vierbändige „Geschichte der Armenfürsorge in Deutschland“ verfasst.<br />
Band 1 (1998) behandelt „<strong>Die</strong> Zeit vom Spätmittelalter bis zum 1. Weltkrieg“,<br />
Band 2 (1988) die „Fürsorge und Wohlfahrtspflege 1871–1929“. Band 3 (1992)<br />
widmet sich dem Wohlfahrtsstaat im Nationalsozialismus, Band 4 (2013) schließlich<br />
der „Fürsorge und Wohlfahrtspflege in der Nachkriegszeit 1945 – 1953“.<br />
Kompakter und aktueller als das vierbändige <strong>Werk</strong> ist die Darstellung von Peter<br />
Hammerschmidt, Sascha Weber und Bernd Seidenstücker: „Soziale Arbeit –<br />
die Geschichte“ (Opladen 2017). <strong>Die</strong> Autoren rekonstruieren nicht nur die<br />
Geschichte der Sozialen Arbeit in Deutschland von den Anfängen im 19. Jahrhundert<br />
bis hin zur Jahrtausendwende, sie nehmen dabei auch gesellschaftliche,<br />
wirtschaftliche und politische Interessenkonstellationen in den Blick. Damit erschließen<br />
sich nicht nur historische Kenntnisse, sondern ein vertieftes Verständnis<br />
Sozialer Arbeit.<br />
Über die Geschichte der Diakonie in Deutschland gibt es auch weiterführende<br />
Literatur:<br />
Einen umfassenden Überblick gibt Georg-Heinrich Hammer, Geschichte der<br />
Diakonie in Deutschland. Stuttgart 1. Auflage 2013.<br />
Auch in dem Kompendium von Günter Ruddat, und Gerhard K. Schäfer, Gerhard<br />
K. (Hrsg.), <strong>Diakonisches</strong> Kompendium. Mit 5 Tabellen. Göttingen 2005<br />
findet sich ein Beitrag zur Geschichte der Diakonie: Schäfer, Gerhard K.; Herrmann,<br />
Volker, Geschichtliche Entwicklung der Diakonie. In: Ruddat, Günter;<br />
Schäfer, Gerhard K. (Hrsg.), <strong>Diakonisches</strong> Kompendium. Mit 5 Tabellen. Göttingen<br />
2005, S. 36–67.<br />
Ebenso hat Herbert Haslinger, Diakonie. Grundlagen für die soziale Arbeit der<br />
Kirche. UTB. 8397, Paderborn, Wien, Paderborn 2009 einen Abschnitt der Geschichte<br />
der Diakonie gewidmet.<br />
<strong>Die</strong> Geschichte der Inneren Mission und der Diakonie in Deutschland seit 1848<br />
ist Thema des Sammelbandes von Ursula Röper und Carola Jüllig (Hrsg.), <strong>Die</strong><br />
Macht der Nächstenliebe. Einhundertfünfzig Jahre Innere Mission und Dia-<br />
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Anhang<br />
konie 1848–1998. Stuttgart; unveränd. Nachdruck der Ausgabe zur Ausstellung<br />
1998, 2. Auflage 2007.<br />
Auf das Rheinland bezogen empfiehlt sich der Sammelband, den Reinhard<br />
Witschke herausgegeben hat: „Diakonie bewegt. 150 Jahre Innere Mission und<br />
Diakonie im Rheinland“. Schriftenreihe des Vereins für Rheinische Kirchengeschichte.<br />
140, Köln 1999.<br />
<strong>Die</strong> Geschichte des <strong>Oberhausen</strong>er Diakonischen <strong>Werk</strong>es wurde zuletzt von Herta<br />
Zilly und Gerhard Holtz dargestellt: 75 Jahre <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> des Kirchenkreises<br />
<strong>Oberhausen</strong>. 1921–1996. <strong>Oberhausen</strong> 1996.<br />
Das Gertrud-Zillich-Haus hatte vor noch nicht allzu langer Zeit ebenfalls sein<br />
100-jähriges Jubiläum zu feiern. Aus diesem Anlass erschien die Festschrift „100<br />
Jahre Gertrud-Zillich-Haus 1918 –2018. Geschichtlicher Rückblick“, <strong>Oberhausen</strong><br />
2018.<br />
Bereits zum 70-jährigen Jubiläum erschien „Diakonie-Verband <strong>Oberhausen</strong><br />
e.V. Gertrud-Zillich-Haus 1918/1988. Eine Dokumentation zur 70jährigen<br />
Geschichte. <strong>Oberhausen</strong> 1988“.<br />
Wer sich einen Überblick über die Sozialstaatsidee in der Geschichte verschaffen<br />
möchte, kann dies in einem kostenlos im Internet abrufbaren Überblicksartikel<br />
tun, der in der Zeitschrift der Bundeszentrale für politische Bildung erschienen<br />
ist:<br />
Wietschorke, Jens, Grenzen der Respektabilität. Zur Geschichte einer Unterscheidung.<br />
In: Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.), Hartz IV. 69. Jahrgang,<br />
44-45/2019, 28. Oktober 2019. Aus Politik und Zeitgeschichte. Beilage der<br />
Wochenzeitschrift Das Parlament. 44-45/2019, 2019, S. 33 –39 (http://www.bpb.<br />
de/apuz/299231/grenzen-der-respektabilitaet-zur-geschichte-einer-unterscheidung).<br />
Über den Autor<br />
Dr. Stefan Kraus ist freiberuflicher Historiker und wohnt in <strong>Oberhausen</strong>.<br />
www.historikerkraus.de<br />
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100 Jahre dwo: <strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />
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Anhang<br />
Impressum<br />
Herausgeber<br />
<strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong> <strong>Oberhausen</strong><br />
Marktstraße 152<br />
46045 <strong>Oberhausen</strong><br />
Autor<br />
Dr. Stefan Kraus, <strong>Oberhausen</strong><br />
Redaktion<br />
Frank Domeyer<br />
Gerhard Holtz<br />
Layout/Satz<br />
schnugmedia+)) <strong>Oberhausen</strong><br />
Auflage<br />
600 Exemplare<br />
<strong>Oberhausen</strong>, September 2021<br />
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dwo:<br />
<strong>Diakonisches</strong> <strong>Werk</strong><br />
<strong>Oberhausen</strong>. 1921 – 2021.<br />
<strong>Die</strong> <strong>Chronik</strong>.