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<strong>DE</strong>UTSCHLAND<br />
JAN. / FEBR. 2022<br />
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ABSEITS <strong>DE</strong>S ALLTÄGLICHEN<br />
MA<strong>DE</strong><br />
Wonder<br />
Woman<br />
Freestyle-Ski-Profi,<br />
Model, Diplomatin:<br />
wie Eileen Gu<br />
die Sportwelt<br />
auf den Kopf stellt<br />
IN CHINA<br />
EILEEN GU<br />
Jesse Marsch sagt: „Neugier,<br />
Chaos und Verletzlichkeit<br />
sind Stärken.“<br />
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BILLIE EILISH / VINZENZ GEIGER / STEFFEN FREUND / ANDREAS WELLINGER / CARRIE-ANNE MOSS
E D I T O R I A L<br />
WILLKOMMEN<br />
AUF <strong>DE</strong>R<br />
PISTE<br />
CHRISTIAN ANWAN<strong>DE</strong>R (COVER), MARKUS MORIANZ, CATWALKPICTURES<br />
AUF <strong>DE</strong>M<br />
SNOWBOARD …<br />
… steht Leon Vockensperger<br />
zurzeit fast in<br />
jeder freien Minute.<br />
Zum Glück legt er aber<br />
ab und zu einen Ruhetag<br />
ein. Da hat er dann<br />
Zeit für Gespräche wie<br />
dieses: auf Seite 50.<br />
Wie waren Sie eigentlich so mit achtzehn, liebe Leserinnen<br />
und Leser? Freestyle-Skifahrerin Eileen Gu, 18,<br />
hat in diesem Alter bereits die X Games gewonnen,<br />
modelt für Victoria’s Secret, studiert<br />
an der Elite-Universität Stanford –<br />
und vereint ganz nebenbei auch noch<br />
die Fans der Supermächte China und<br />
USA. Die ganze beeindruckende Geschichte:<br />
ab Seite 38. Und noch eine<br />
tolle Frau: Carrie-Anne Moss, 54. Auf<br />
Seite 32 erzählt die Schauspielerin,<br />
die als Trinity in der „Matrix“-Kinotrilogie<br />
berühmt wurde, warum sie<br />
Meditation der digitalen Welt vorzieht.<br />
Ruhig bleiben muss auch Dennis Zenz, 31. Der<br />
Co-Pilot will die Rallye Dakar gewinnen – zusammen<br />
mit dem erst 19 Jahren alten US-Fahrer Seth Quintero.<br />
Ab Seite 60 erklärt er uns, warum dabei<br />
gilt: Links lenkt, rechts denkt.<br />
Gute Unterhaltung<br />
mit der neuen Ausgabe<br />
von <strong>The</strong> <strong>Red</strong> <strong>Bulletin</strong>!<br />
Die <strong>Red</strong>aktion<br />
FLORA MIRANDAS<br />
MO<strong>DE</strong>-VISIONEN<br />
Designerin Flora Miranda (hier<br />
eines ihrer Models) hat eine klare<br />
Vorstellung von der Zukunft<br />
der Mode. Science-Fiction ist<br />
nichts dagegen: Seite 52.<br />
GUTE<br />
UNTERHALTUNG<br />
Unsere Autorin Janina<br />
Lebisz czak sprach mit<br />
der Deutschrapperin<br />
badmómzjay. Das Interview:<br />
auf Seite 34.<br />
25<br />
Ringe von Cartier trug<br />
Billie Eilish bei der Met<br />
Gala 2021. Noch mehr<br />
Zahlen zum Pop-Superstar:<br />
auf Seite 12.<br />
THE RED BULLETIN 3
INHALT<br />
<strong>The</strong> <strong>Red</strong> <strong>Bulletin</strong><br />
im Januar / Februar 2022<br />
COVERSTORY<br />
38 DIE BOTSCHAFTERIN<br />
Freestyle-Skifahrerin Eileen<br />
Gu ist in den USA geboren<br />
und startet für China. Ihr Ziel:<br />
beide Welten zu vereinen.<br />
PORTFOLIO<br />
18 SIMPLY THE BEST<br />
Der Wettbewerb <strong>Red</strong> Bull<br />
Illume kürt die besten Action-<br />
Fotos der Welt. Die Sieger.<br />
FILM<br />
32 DIE KULTFIGUR<br />
Carrie-Anne Moss ist wieder<br />
Trinity – wir freuen uns auf<br />
Teil 4 der „Matrix“.<br />
<strong>DE</strong>UTSCHRAP<br />
34 GROSSE WORTE<br />
Wie die Rapperin badmómzjay<br />
mit erst 19 Jahren die<br />
Deutschrap- Szene erobert.<br />
FUSSBALL<br />
36 EIN GUTER FREUND<br />
Fußball-Legende Steffen<br />
Freund über harte Zweikämpfe<br />
und die Kunst der Kritik.<br />
WINTERSPORT<br />
46 UNSERE TOPSTARS<br />
Vier Wintersport-Größen<br />
verraten, was sie sich für diese<br />
Saison vorgenommen haben.<br />
6 GALLERY<br />
12 ZAHLEN, BITTE!<br />
14 FUNDSTÜCK<br />
15 DAS PHILOSOPHEN-INTERVIEW<br />
16 MEIN ERSTES MAL<br />
FASHION<br />
52 ZUKUNFT <strong>DE</strong>R MO<strong>DE</strong><br />
Eine 31-jährige Österreicherin<br />
als Mode-Visionärin:<br />
Flora Miranda verwandelt<br />
Fiktion in Realität.<br />
RALLYE DAKAR<br />
60 <strong>DE</strong>R BEIFAHRER<br />
Co-Pilot Dennis Zenz will<br />
die härteste Rallye der Welt<br />
gewinnen – mit dem erst<br />
19-jährigen Seth Quintero.<br />
GUI<strong>DE</strong><br />
Tipps für ein Leben<br />
abseits des Alltäglichen<br />
69 REISEN. Mit Rekordbergsteiger<br />
Nims Purja auf den Mont Blanc<br />
74 GAMING. Südkoreanische<br />
K-Fashion für die Sims und die<br />
Rückkehr eines Spiele-Klassikers<br />
76 LESESTOFF. Fünf Geschichten mit<br />
knallharten Helden – unsere Buchempfehlungen<br />
für die kalten Tage<br />
78 TIPPS & TRENDS. Richtig gutes<br />
Zeug – mit besten Empfehlungen<br />
der <strong>Red</strong>aktion<br />
82 FROHES FEST. Was unter den<br />
Christbaum passt – 14 Vorschläge<br />
92 BOULEVARD <strong>DE</strong>R HEL<strong>DE</strong>N.<br />
Ist der Literatur-Nobelpreisträger<br />
Michail Scholochow ein Betrüger?<br />
96 IMPRESSUM<br />
98 CARTOON<br />
38<br />
STARKE FRAU Die Leichtigkeit des Seins –<br />
Ski-Star Eileen Gu hebt als Luftakrobatin ab.<br />
52<br />
STARKE MO<strong>DE</strong> Flora Miranda zeigt eine Modewelt,<br />
in der Science-Fiction Realität wird.<br />
60<br />
STARKER MOTOR Rallye-Dakar-Beifahrer<br />
Dennis Zenz und sein Kampf in der Wüste<br />
MATT POWER, NORMAN KONRAD, MARCIN KIN/RED BULL CONTENT POOL, JAN KASL/RED BULL ILLUME<br />
4 THE RED BULLETIN
18<br />
STARKE BIL<strong>DE</strong>R<br />
Die Sieger des Fotowettbewerbs<br />
<strong>Red</strong> Bull Illume<br />
– hier ein Geniestreich<br />
des Tschechen Jan Kasl<br />
THE RED BULLETIN 5
6<br />
ANTONIN GRENIER
CAPBRETON,<br />
FRANKREICH<br />
Sie retten<br />
um die<br />
Wette<br />
Diese vier Damen sind Freiwillige der<br />
französischen Küstenwache, und der<br />
Grund ihrer Eile ist gottlob kein Notfall.<br />
Sie trainieren für einen Rettungsschwimmer-Wettkampf,<br />
der seit 2019<br />
im Südwesten Frankreichs ausgetragen<br />
wird. Bei dem Mehrkampf (u. a. Sprint,<br />
Schwimmen und Paddleboard) geht<br />
es um alle Fähigkeiten, die nötig sind,<br />
um im Ernstfall Leben zu retten.<br />
Instagram: @antoningrenier
MIAMI, FLORIDA, USA<br />
Breaking<br />
News<br />
Dürfen wir vorstellen? Das ist Logan Edra.<br />
Die Amerikanerin mit philippinischen<br />
Wurzeln ist erst achtzehn, hat aber<br />
unter ihrem Künstlernamen „Logistx“<br />
bereits eine beeindruckende Karriere<br />
als B-Girl hinter sich. Das kommt daher,<br />
dass sie schon mit sieben mit dem Tanzen<br />
und mit zehn mit Breaking an gefangen<br />
hat. Jetzt konzentriert sie sich ganz auf<br />
die Olympischen Spiele in Paris 2024.<br />
Da wird Breaking erstmals olympisch<br />
sein – und Logan eine ganz heiße<br />
Kandidatin auf eine Medaille.<br />
Instagram: @logistx_ugf<br />
8
YSA PEREZ, BRIAN LOWE<br />
HOUSTON, TEXAS, USA<br />
Volle Kraft<br />
voraus<br />
Wenn Weltklasse-Sprinter Elijah Hall<br />
eine Schwäche hat, dann ist es der<br />
Start. Darum übt er diese Phase auch<br />
entsprechend ausdauernd – wie hier auf<br />
dem Trainingsgelände der Universität<br />
Houston, Texas. „Diese Bewegungen<br />
müssen in Fleisch und Blut übergehen“,<br />
sagt der US-Athlet, „im Rennen muss<br />
das alles vollkommen automatisch<br />
funktionieren. Das Einzige, was mich<br />
aufhalten kann, bin ich selbst.“<br />
Instagram: @_elihall
RICK GUEST<br />
LONDON, ENGLAND<br />
Flyin’ high<br />
Morgan Lake, 24, gehört zu den besten<br />
Hochspringerinnen Großbritanniens,<br />
ihre Bestleistung liegt bei 1,97 Metern.<br />
Fotograf Rick Guest – seine Spezialität<br />
sind Bilder, die dynamische Bewegungen<br />
im exakt richtigen Moment einfangen –<br />
schwärmt von Lakes Körper als „perfektem<br />
Werkzeug zur Überwindung der<br />
Schwerkraft“. Bei diesem Sprung<br />
hat sie sich die Latte allerdings<br />
nicht besonders hoch gelegt –<br />
so locker, wie sie da drüberspringt.<br />
Der Fotograf: rg-e.com<br />
11
Z A H L E N , B I T T E !<br />
BILLIE EILISH<br />
Frau der Ringe<br />
Pop-Superstar Billie Eilish feiert im Dezember ihren 20. Geburtstag.<br />
In welcher Tonart sie James Bond auf Touren bringt, wie viele Cartier-Ringe<br />
sie bei der Met-Gala trug und was ihr erstes Auto kostete.<br />
13<br />
Jahre jung war die Sängerin, als<br />
sie ihre erste Single „Ocean Eyes“<br />
im November 2015 bei SoundCloud<br />
hochlud – exakt ein Jahr vor<br />
dem o∞ziellen Release des Songs.<br />
53.000.000<br />
Dollar verdiente Billie Eilish<br />
2020 – Rang 43 als Jüngste<br />
im Forbes-Ranking<br />
der Top-100-Celebritys.<br />
0<br />
Menschen folgt Billie Eilish<br />
auf Instagram – ihr Profil hingegen<br />
hatten bei <strong>Red</strong>aktionsschluss<br />
96,2 Millionen Fans abonniert.<br />
1.200.000<br />
Mal verkaufte sich 2019 ihr Debütalbum<br />
„When We All Fall Asleep,<br />
Where Do We Go?“.<br />
74<br />
Beats pro Minute tragen ihren<br />
James-Bond-Titelsong „No Time<br />
to Die“ in e-Moll voran.<br />
24<br />
Länder führten ihr aktuelles<br />
Album „Happier Than Ever“<br />
auf Rang 1 der Charts.<br />
25.000.000<br />
Dollar kassierte Billie Eilish<br />
von Apple TV+ für die Doku<br />
„<strong>The</strong> World’s a Little Blurry“.<br />
4<br />
Grammys in den vier Hauptkategorien<br />
Single, Song,<br />
Album und New Artist hat sie<br />
2020 gewonnen. Vor ihr<br />
schaffte das noch keine Frau.<br />
25<br />
Ringe aus dem Hause Cartier<br />
trug Billie Eilish am <strong>Red</strong><br />
Carpet der Met-Gala 2021.<br />
49.736.031<br />
Hörer pro Monat machten sie 2020 zur<br />
meistgestreamten Künstlerin auf Spotify.<br />
29.000<br />
Dollar kostete ihr erstes Auto, ein<br />
matt schwarzer Dodge Challenger –<br />
ein Geschenk ihrer Plattenfirma<br />
zum 17. Geburtstag.<br />
2<br />
ihrer vier Vornamen<br />
ergeben den Künstlernamen<br />
von Billie Eilish Pirate Baird<br />
O’Connell.<br />
GETTY IMAGES (2), ALAMY CLAUDIA MEITERT HANNES KROPIK<br />
12 THE RED BULLETIN
REACH YOUR SUMMIT<br />
Smartwatch mit Connected-Funktionen wie<br />
Herzfrequenz-Messung, integriertes GPS, Aktivitätsanalyse,<br />
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OFFIZIELLE UHR
F U N D S T Ü C K<br />
Fabio Wibmer, 26,<br />
Bike-Artist,<br />
YouTube-King<br />
FABIO WIBMER<br />
Das 200-Millionen-Rad<br />
Das Bike, mit dem der Österreicher 2019 „Wibmer’s Law“ drehte.<br />
Jetzt durchbrach das Video auf YouTube eine magische Marke.<br />
Räder: abmontiert. Sattel: verschwunden. Pedale: perdu. Dieses Rad hat schon bessere Zeiten gesehen.<br />
Tatsächlich spielt es im Leben von Fabio Wibmer eine wichtige Rolle – hat er doch damit im September<br />
2019 den YouTube-Hit „Wibmer’s Law“ gedreht. Das 8 Minuten und 23 Sekunden lange Video mit<br />
Schauplätzen in Wien und Salzburg, Linz und Innsbruck hat auf YouTube vor kurzem die 200-Millionen-<br />
Zuschauer-Marke geknackt. Fabio weiß das zu würdigen: Demnächst wird er das Ding als Trophäe<br />
daheim an die Wand hängen. Mit Bike-Hersteller Canyon entwickelt er gerade ein neues Trial-Gerät.<br />
PHIL PHAM, PHILIP PLATZER/RED BULL CONTENT POOL<br />
14 THE RED BULLETIN
D A S F I K T I V E P H I L O S O P H E N - I N T E R V I E W<br />
NIETZSCHE SAGT:<br />
„Die Vernunft gehört<br />
in den Restmüll!“<br />
DR. CHRISTOPH QUARCH BENE ROHLMANN<br />
Gesundheit ist für viele Menschen das höchste Gut. Aber ist<br />
sie wirklich das Wichtigste im Leben? Friedrich Nietzsche<br />
war immer krank – und hat sich gerade deshalb viele Gedanken<br />
über die Gesundheit gemacht. Was dabei herausgekommen<br />
ist, erklärt er in unserem fiktiven Interview<br />
mit dem Philosophen Christoph Quarch.<br />
the red bulletin: Herr Nietzsche,<br />
wie geht es Ihnen?<br />
friedrich nietzsche: Danke, die<br />
Kopfschmerzen haben etwas nachgelassen.<br />
Obwohl ich mir nach wie<br />
vor den Kopf über Ihre Zeitgenossen<br />
zerbreche. Sehen Sie, es ist jetzt<br />
bald 150 Jahre her, dass ich über<br />
die Menschen der Moderne schrieb:<br />
„Man hat sein Lüstchen für den Tag<br />
und sein Lüstchen für die Nacht. Aber<br />
man ehrt die Gesundheit.“ Daran hat<br />
sich nichts geändert.<br />
Mit diesen Worten aus „Also sprach<br />
Zarathustra“ haben Sie diejenigen<br />
verspottet, die Sie „die letzten<br />
Menschen“ nannten. Was finden<br />
Sie so problematisch daran, dass<br />
Menschen die Gesundheit ehren?<br />
Wir alle wollen gesund sein. Ich auch.<br />
Meine Güte, Sie können sich nicht vorstellen, wie sehr<br />
ich unter meinen Kopfschmerzen leide. Ich bin quer<br />
durch Europa gereist, um Orte zu finden, an denen ich<br />
es irgendwie aushalten konnte. Aber das heißt nicht,<br />
dass ich alles meiner Gesundheit untergeordnet hätte.<br />
Ich wollte gesund sein, um meine Arbeit machen zu<br />
können: um etwas zu schaffen. Denn das, mein Freund,<br />
ist es, worum es im Leben geht: schöpferisch sein und<br />
etwas Eigenes hinterlassen.<br />
Aber Sie sagen doch selbst, dass man dafür gesund<br />
sein muss.<br />
Sage ich nicht. Ich war nie gesund und habe trotzdem<br />
Großes geschaffen. Wahrscheinlich wäre mir das nie<br />
gelungen, wenn ich nicht meine Krankheit in eine<br />
Energiequelle verwandelt hätte. Es ging mir immerzu<br />
besch… bescheiden – ja, gerade deshalb habe ich wie<br />
wahnsinnig gearbeitet; gerade deshalb habe ich mein<br />
Bestes geben können. Ich wusste, was ich wollte – und<br />
das war viel mehr, als mich um meine Gesundheit zu<br />
kümmern, mir etwas Schönes zu gönnen oder im Spa<br />
rumzuhängen. Unter uns, mein Freund: Dass ihr so<br />
„Das ist es, worum<br />
es im Leben geht:<br />
schöpferisch sein<br />
und etwas Eigenes<br />
hinterlassen.“<br />
viel um eure Gesundheit kreist und so viel Aufhebens<br />
um eure Wehwehchen macht, verrät mir, dass ihr<br />
klein geworden seid: Zwerge, die keine Idee mehr<br />
davon haben, wofür sie leben wollen. Ihr lasst euch<br />
treiben und macht, was alle machen.<br />
Na ja, aber es können doch nicht alle<br />
so große Autoren werden wie Sie …<br />
Na und? Jeder kann in seinem Umfeld<br />
etwas Großes schaffen. Jeder kann<br />
seine verdammten Träume verwirklichen.<br />
Jeder kann tanzen, wenn<br />
er nur wollte. Aber ihr wollt nichts<br />
– außer ein bisschen Spaß haben<br />
und gesund sein! Und dann redet<br />
ihr euch auch noch ein, dass ihr<br />
vernünftig seid, wenn ihr alles diesen<br />
Zielen unterordnet. Ich aber sage euch:<br />
Genau diese „Vernunft“ könnt ihr getrost<br />
in eure Restmülltonnen schmeißen.<br />
Diese „Rationalität“ verhindert<br />
nämlich, dass ihr wachst und große<br />
Menschen werdet. Menschen, die<br />
sich dem Leben stellen, die sich<br />
dem Schmerz stellen – die ob ihrer<br />
Schwäche lachen und der Stimme<br />
ihres Herzens folgen.<br />
Hm, und was müsste man Ihrer Ansicht nach tun,<br />
um – wie Sie es ausdrücken – ein großer Mensch<br />
zu werden?<br />
Man muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden<br />
Stern gebären zu können. Besser kann ich es<br />
nicht sagen. Schluss mit der ewigen Nüchternheit und<br />
dem Schonwaschgang! Mut zum Rausch statt ängstlich<br />
herumdümpeln, wäre meine Devise. Was man dafür<br />
braucht? Ein leidenschaftliches Herz, sonst nichts.<br />
Und das wohnt sogar in deiner Brust, mein Freund.<br />
FRIEDRICH NIETZSCHE (1844 – 1900) gilt als einer der schärfsten<br />
Kritiker der technisch-rationalen Moderne. Mit seinem Werk<br />
„Also sprach Zarathustra“ inspirierte er Generationen von<br />
Künstlern und Denkern, neue Wege zu gehen. Dabei war Nietzsche<br />
häufig krank, er litt an immer wiederkehrenden Migräneschüben.<br />
Dennoch – oder gerade deshalb – schrieb er viel über<br />
die leibliche und geistige Gesundheit des Menschen.<br />
CHRISTOPH QUARCH, 57, ist Philosoph, Gründer der Neuen<br />
Platonischen Akademie (akademie-3.org) und Autor zahlreicher<br />
philosophischer Bücher, zuletzt: „Kann ich? Darf ich? Soll ich?<br />
Philosophische Antworten auf alltägliche Fragen“, legenda Q,<br />
2021.<br />
THE RED BULLETIN 15
M E I N E R S T E S M A L<br />
ANJA BLACHA<br />
„Mein Reise-Guide sagte:<br />
Anja, du bist verrückt!“<br />
Von 2015 bis 2017 stieg Anja Blacha – als bislang jüngste Deutsche – auf den höchsten Gipfel<br />
jedes Kontinents. Dabei hatte sie erst vier Jahre zuvor mit dem Bergsteigen an gefangen.<br />
Uns erzählt die Abenteurerin von dem Peru-Trip, der ihre Wanderlust weckte.<br />
Anja Blacha liebt die ganz großen Herausforderungen:<br />
Mit 27 war sie als jüngste deutsche Kletterin auf dem<br />
Mount Everest, bis heute ist sie die einzige Deutsche,<br />
die den K2 bezwungen hat. Voriges Jahr schaffte sie<br />
es als erste Frau auf Langlaufskiern<br />
von der Küste der Antarktis<br />
bis zum Südpol. 1400 Kilometer<br />
in 58 Tagen. Ihren 100-Kilo-<br />
Schlitten zog sie dabei selbst.<br />
Dabei ist ihr die Lust am<br />
Extremen nicht in die Wiege gelegt<br />
worden. Ihre erste Bergtour<br />
absolvierte sie 2013, nur vier<br />
Jahre bevor sie den höchsten Berg<br />
der Welt bestieg. Hier spricht die<br />
31-Jährige unter anderem von<br />
diesem Erweckungsmoment.<br />
„Meine ersten Bergschuhe waren<br />
eigentlich gar keine wirklichen<br />
Bergschuhe, das waren Multifunktionsstiefel<br />
der Marke Timberland,<br />
von denen ich beim<br />
Kaufen dachte: Damit kann ich<br />
durch die Altstadt schlendern,<br />
aber auch wandern gehen. Perfekt<br />
auch für die anstehende<br />
Peru-Reise mit meiner Schwester.<br />
Ich bin in Bielefeld aufgewachsen.<br />
Berge gibt es da nicht.<br />
Meine gesamte Jugend war von<br />
Strandurlauben und Städtetrips<br />
geprägt. In Peru hab ich dann<br />
zum ersten Mal einen Vulkan gesehen – mit 23. Auf<br />
einem Berg war ich bis zu diesem Zeitpunkt noch nie,<br />
aber ich wollte unbedingt rauf. Das Problem: Allein<br />
konnte man da nicht hoch, und das Ticket für unsere<br />
Weiterreise am nächsten Tag war schon gebucht. ‚Ihr<br />
seid verrückt, wenn ihr da jetzt in einer Nacht und<br />
in einem halben Tag raufwollt‘, sagten uns die Guides.<br />
Geklappt hat es am Ende doch: vom Meeresspiegel<br />
rauf auf 5800 Höhenmeter. Oben war ich so fertig, dass<br />
ich den Ausblick gar nicht richtig genießen konnte.<br />
Aber ich war so angefixt vom Spaß, den wir beim<br />
Aufstieg hatten, und vom Glück, das Ziel erreicht zu<br />
haben. Noch im gleichen Urlaub nahmen wir uns auch<br />
noch den Machu Picchu vor. Dieses erste Mal Trekking<br />
0:00–48:53<br />
Anja Blacha<br />
Mein erstes Mal – der Podcast<br />
„Ich habe das Klettern<br />
spät entdeckt, und das<br />
war vielleicht gut so.“<br />
Rekord-Frau Anja Blacha hat ihre erste<br />
Bergtour erst mit 23 gemacht.<br />
war so beeindruckend, dass ich mir damals schwor,<br />
die Timberlands nicht verstauben zu lassen.<br />
Vier Jahre später hatte ich dann die Seven Summits,<br />
den jeweils höchsten Berg jedes Kontinents, geschafft<br />
– als jüngste Deutsche überhaupt.<br />
Ob ich es bereue, nicht schon<br />
früher mit dem Bergsteigen begonnen<br />
zu haben?<br />
Nein. Denn mein Beispiel<br />
zeigt: Unsere Vergangenheit<br />
muss nicht bestimmen, was wir<br />
in unserer Zukunft erreichen<br />
können.<br />
Ich habe das Klettern spät entdeckt,<br />
und das war vielleicht<br />
sogar gut so. Ich lebe heute in<br />
der Schweiz, da gibt es Kletterer,<br />
die sind technisch unendlich<br />
versierter als ich, die kommen die<br />
Eiger-Nordwand in Rekordzeit<br />
hoch – und doch wagen sie sich<br />
nicht an die großen Berge heran.<br />
Weil sie ständig vor Augen haben,<br />
welche Skills ihnen vielleicht<br />
noch fehlen, anstatt das große<br />
Ziel anzugehen. Und so kann es<br />
sein, dass ich vielleicht auch<br />
stecken geblieben wäre in diesem<br />
‚Ich muss noch lernen‘-Zyklus,<br />
hätte ich früher oder in einem<br />
bestimmten Umfeld begonnen.<br />
Ich habe mit dem Bergsteigen<br />
aus Spaß angefangen, aus Neugier, etwas Neues für<br />
mich entdecken zu wollen. Es war einfach Teil meiner<br />
Reiselust. Und genau diese Ungezwungenheit war<br />
mein großer Vorteil.“<br />
„MEIN ERSTES MAL“ IST DIE RED BULLETIN-PODCAST-SERIE,<br />
in der Heldinnen über ihre Anfänge sprechen. Die Folge mit<br />
Anja Blacha, in der sie auch verrät, warum<br />
Excel- Tabellen für ihre Expeditionen<br />
wichtiger sind als Muskelberge, gibt’s im<br />
Podcast-Kanal von <strong>The</strong> <strong>Red</strong><br />
<strong>Bulletin</strong>. Zu finden auf<br />
allen gängigen Platt formen<br />
wie Spotify und auf<br />
redbulletin.com/podcast<br />
ANJA BLACHA<br />
16 THE RED BULLETIN
Das Besondere an einem<br />
Abenteuer ist nicht nur das Ziel,<br />
sondern auch der Weg dahin.<br />
Wir glauben fest an die Kraft von Träumen –<br />
und dass es sich lohnt, ihnen zu folgen. Dreamers. On.<br />
Mit Dominik Gührs, Corinna Schwiegershausen und Petra Klingler machen sich drei<br />
Topathleten auf den Weg, einen lang bestehenden Traum wahr werden zu lassen.<br />
Weitere spannende Träumer und ihre Geschichten finden Sie auf porsche.de/dreamerson<br />
Taycan Cross Turismo Modelle: Stromverbrauch kombiniert in kWh/100 km: 29,4–28,1 (NEFZ); 26,4–22,4 (WLTP); CO₂-Emissionen<br />
kombiniert in g/km: 0 (NEFZ); 0 (WLTP); elektrische Reichweite in km: 388–456 (WLTP) · 438–541 (WLTP innerorts); Stand 11/2021
P O R T F O L I O<br />
Simply<br />
the<br />
Best<br />
<strong>Red</strong> Bull Illume ist der<br />
weltweit größte Wettbewerb<br />
für Abenteuer- und Actionsportfotografie.<br />
Vorhang auf<br />
für die diesjährigen Sieger!<br />
Text ANDREAS WOLLINGER<br />
Rod Hill, 48<br />
Plötzlich war das Licht perfekt<br />
Sieger in der Kategorie<br />
„Energy by <strong>Red</strong> Bull Photography“<br />
Rod Hill hatte schon eingepackt. Doch dann<br />
entschied sich Kanute River Mutton spontan für<br />
eine letzte Fahrt über die Huka Falls des Waikato<br />
River, Neuseeland. Also: Kamera wieder raus.<br />
„Plötzlich war das Licht so, wie ich es noch nie<br />
gesehen hatte“, sagt Hill. Glück des Tüchtigen.<br />
Instagram: @rod_coffee<br />
18 THE RED BULLETIN
THE RED BULLETIN 19
P O R T F O L I O<br />
Will<br />
Saunders, 27<br />
Schöner fallen<br />
Sieger in der Kategorie „Masterpiece by SanDisk Professional“<br />
Einerseits: die majestätische Ruhe der Wüstenlandschaft des Indian Creek<br />
im US-Bundesstaat Utah. Anderseits: die Dynamik eines Kletterers im freien Fall.<br />
Ergibt: grandiose Spannung. Richtig, normalerweise fallen Kletterer anders. Aber<br />
Fotograf Will Saunders bat Jake Talley um eine „kraftvolle Bewegung“ beim Sturz.<br />
Check! Und den Gesamtsieg sicherte er sich mit diesem Genieblitz auch.<br />
willsaundersphoto.com, Instagram: @willsaundersphoto<br />
20 THE RED BULLETIN
„Jedes Mal, wenn ich rausgehe,<br />
überwinde ich mich, etwas zu tun,<br />
was ich noch nie versucht habe.“<br />
Will Saunders<br />
THE RED BULLETIN 21
P O R T F O L I O<br />
22 THE RED BULLETIN
„Ich will, dass<br />
die Betrachter tief<br />
in Welten eintauchen,<br />
in denen sie noch nie<br />
zuvor waren.“<br />
Carolin Unrath<br />
Carolin<br />
Unrath, 25<br />
Wo geht’s hier zur Welle?<br />
Siegerin in der Kategorie<br />
„Lifestyle by COOPH“<br />
In München lässt es sich mit der U-Bahn<br />
zum Surfen fahren. Hier sehen wir Andi<br />
Müllner auf dem Weg zur berühmten<br />
Eisbachwelle, die sich im Englischen<br />
Garten aufbaut. Die Vorfreude ist in<br />
diesem Fall besonders groß: An dem<br />
Tag öffnete die Eisbachwelle das<br />
erste Mal nach dem Lockdown 2020.<br />
carolinunrath.com<br />
Instagram: @carounrath<br />
THE RED BULLETIN 23
P O R T F O L I O<br />
Thomas<br />
Monsorno, 36<br />
Es ist nicht,<br />
wie es scheint<br />
Sieger in der<br />
Kategorie<br />
„Innovation<br />
by EyeEm“<br />
Das ist der Schweizer<br />
Eiskletterer Dani Arnold.<br />
Er ist hier am Baikalsee<br />
in Sibirien unterwegs,<br />
dem tiefsten See der Erde.<br />
Allerdings nicht von unten<br />
nach oben, sondern in der<br />
Horizontalen. Eine Illusion<br />
vom Feinsten, erdacht<br />
vom Südtiroler Fotografen<br />
Thomas Monsorno.<br />
thomasmonsorno.com<br />
Instagram:<br />
@ thomas.monsorno<br />
24 THE RED BULLETIN
THE RED BULLETIN 25
P O R T F O L I O<br />
„Mir macht es Spaß,<br />
Menschen in Momenten der<br />
Verletzlichkeit festzuhalten<br />
– in oder vor einer Wand.“<br />
Victoria Kohner-Flanagan<br />
Bruno Long, 42<br />
Phönix aus dem Staub<br />
Sieger in der Kategorie „RAW by Leica“<br />
Auf einer supersteilen Passage auf einem Trail in Fernie, British<br />
Columbia, Kanada: Mountainbiker Dylan Siggers taucht aus dem<br />
Staub auf wie Phönix aus der Asche. „Ich liebe es, mit Staub<br />
und Licht zu spielen“, sagt Fotograf Long, „weil es so ein zufallsgesteuerter<br />
Prozess ist.“ brunolong.com, Instagram: @eye_b_long<br />
26 THE RED BULLETIN
Victoria Kohner-<br />
Flanagan, 23<br />
Und jetzt: Hände hoch!<br />
Siegerin in der Kategorie „Emerging by Black Diamond“<br />
Diese beängstigend glatte, 39 Meter hohe Wand im kalifornischen<br />
Pine Creek Canyon heißt „Queen of Heartbreaks“ – Königin des Herzschmerzes.<br />
Zu Recht: Fotografin Victoria Kohner-Flanagan blieb<br />
schleierhaft, wo genau hier die nächsten Griffe sein sollten. Hier<br />
gönnt Kletterer Jack Nugent seinen Händen eine kleine Pause.<br />
victoriakohnerflanagan.com, Instagram: @vickyvicti<br />
THE RED BULLETIN 27
P O R T F O L I O<br />
„In einer Welt, die mit<br />
Bildern überflutet wird,<br />
musst du den Dingen<br />
einen persönlichen Touch<br />
geben. Dann werden sie<br />
interessant.“<br />
Markus Berger<br />
Markus<br />
Berger, 40<br />
Im Bauch des Gletschers<br />
Sieger in der Kategorie<br />
„Playground by WhiteWall“<br />
Tief im Berg, unter dem Hintertuxer<br />
Gletscher im Tiroler Zillertal, befindet<br />
sich ein märchenhafter Ort: der Natur<br />
Eis Palast. Dort kann man schwimmen,<br />
Kajak oder Schlauchboot fahren oder<br />
eisklettern. Und: wakeboarden, wie Dominik<br />
Hernler hier zeigt. Markus Berger<br />
hat das für die Nachwelt festgehalten.<br />
markusbergerphotography.com<br />
Instagram:<br />
@markus_berger_photography<br />
28 THE RED BULLETIN
THE RED BULLETIN 29
P O R T F O L I O<br />
Jan Kasl, 27<br />
Yhabril<br />
Moro, 42<br />
Die wahren Abenteuer sind im Kopf<br />
Sieger in der Kategorie „Creative by Skylum“<br />
Sieht so aus, als hätte Skateboarder Fanda Šesták einen fabelhaften<br />
Spielplatz gefunden: eine spiralförmige Bahn. Ist aber eine optische<br />
Täuschung, die in der Welt der Fotografie „erzwungene Perspektive“<br />
heißt. Der Trick ist, Dinge nahe der Kamera weiter weg erscheinen<br />
zu lassen. Und umgekehrt. Der Tscheche Jan Kasl hat das hier perfekt<br />
umgesetzt. jankaslphoto.com, Instagram: @jankaslphoto<br />
Männer im Mond<br />
Sieger in der Kategorie „Best of Instagram by Lenovo“<br />
Was es für dieses Bild alles braucht: zwei Kicker, aufgebaut an<br />
der richtigen Stelle am Pico Malacara, Spanien; einen perfekt synchronisierten<br />
Sprung der beiden Freeskier Jaime Rico und Javi Diaz;<br />
den Vollmond; natürlich klaren Himmel – und einen genialen Fotografen<br />
wie Yhabril Moro. yhabril.com, Instagram: @yhabril<br />
<strong>DE</strong>R WETTBEWERB<br />
RED BULL<br />
ILLUME<br />
Zwei Beobachtungen brachten<br />
den Ex-<strong>Red</strong> Bull-Athleten und Fotografen<br />
Ulrich Grill 2006 ins Grübeln.<br />
Erstens: Der technologische<br />
Fortschritt in der Lichtbildnerei<br />
er öffnete Actionfotografen völlig<br />
neue Möglichkeiten. Zweitens: Es<br />
gab keinen Wettbewerb, der dieses<br />
junge Genre entsprechend zelebrierte.<br />
Also erfand Ulrich schlicht<br />
einen solchen: <strong>Red</strong> Bull Illume.<br />
Heute ist der Contest mit Zehntausenden<br />
Einsendungen der weltweit<br />
größte seiner Art. Die Sieger<br />
werden von einer 50-köpfigen Fachjury<br />
gekürt. Ein aufwendiger Prozess<br />
mit hohem Qualitätsanspruch.<br />
Daher findet der Wettbewerb ganz<br />
bewusst nur alle zwei Jahre statt.<br />
redbullillume.com<br />
30 THE RED BULLETIN
EGAL, WIE HART <strong>DE</strong>IN<br />
TAG AUCH WIRD.<br />
Das Baustellenradio GML 50 von<br />
Bosch Professional ist härter.<br />
It’s in your hands. Bosch Professional.
Film<br />
Carrie-Anne<br />
Moss<br />
bekämpft als Trinity die Matrix in schwarzem Latex.<br />
Privat verbannt die Schauspielerin Smartphones aus<br />
ihrem Alltag – und besiegt Algorithmen mit Meditation.<br />
Interview RÜDIGER STURM<br />
1999 sorgte der Kinohit „Matrix“<br />
für eine Revolution des Actionkinos.<br />
Carrie-Anne Moss zeigte Keanu<br />
Reeves damals, dass alle Menschen<br />
in einer gigantischen Computersimulation<br />
gefangen sind – der<br />
Matrix. 18 Jahre nach dem dritten<br />
Teil geht der Kampf gegen die Illusion<br />
in „<strong>The</strong> Matrix Resurrections“<br />
weiter. Die heute 54-Jährige erläutert<br />
exklusiv für <strong>The</strong> <strong>Red</strong> <strong>Bulletin</strong>, wie<br />
sie der künstlichen Welt der Matrix<br />
entkommt, mit welchen Methoden<br />
sie ihre Stunts übt und welche Rolle<br />
Meditation dabei spielt.<br />
THE RED BULLETIN: Frau Moss,<br />
hatten Sie jemals selbst das Gefühl,<br />
dass wir nicht in der realen<br />
Welt, sondern in der Matrix leben?<br />
carrie-anne moss: Das habe ich<br />
jeden Tag.<br />
Wow. Wann hat das angefangen?<br />
Zum ersten Mal brachte mich ein<br />
Lehrer in der 10. Klasse auf den<br />
Gedanken. Er fragte uns, ob es nicht<br />
sein könnte, dass wir alle in einem<br />
Traum leben. Damals dachte ich:<br />
„Wie bitte?!“ Ich kann mich nicht an<br />
viel aus meiner Schulzeit erinnern,<br />
aber diese Frage ist mir präsent geblieben.<br />
Sie hat eine Tür in meinem<br />
Geist aufgestoßen. Ich habe viele<br />
Jahre darüber nachgedacht, denn<br />
der Lehrer gab uns keine Antwort.<br />
Was ist denn Ihre Antwort?<br />
Dass jeder Mensch in seiner eigenen<br />
Realität lebt – abhängig von Algorithmen<br />
in sozialen Medien oder<br />
einfach nur von seinen persönlichen<br />
Interessen. Du kannst dich in einem<br />
Zimmer mit vier Personen aufhalten,<br />
und jede davon bewegt sich in einer<br />
komplett anderen Welt.<br />
In den „Matrix“-Filmen geht es darum,<br />
dass wir zur wahren Realität<br />
vordringen. Gelingt Ihnen das?<br />
Ich versuche auf jeden Fall, diese<br />
Matrix aufzulösen. Ein ganz wichtiges<br />
Werkzeug dabei ist für mich<br />
Meditation. Sie gibt mir die Möglichkeit,<br />
meinen Geist zu beruhigen.<br />
Egal ob ich das nun drei Minuten<br />
oder drei Stunden mache. Oder<br />
meinetwegen auch nur ein paar<br />
Atemzüge. Wenn ich meditiere, bin<br />
ich komplett bei mir – ohne den<br />
ganzen Lärm der Außenwelt. In der<br />
Meditation trete ich sozusagen in<br />
einen Raum voller Ruhe ein, darin<br />
erlebe ich so etwas wie echte Realität,<br />
und das beschert mir ein pures<br />
Glücksgefühl.<br />
Welche Techniken setzen Sie da<br />
genau ein?<br />
Ich habe lange Zeit Transzendentale<br />
Meditation gemacht, jetzt ist es eine<br />
Art Hybridform, die ich selbst entwickelt<br />
habe und die ich auch anderen<br />
Leuten beibringe. Wichtig dabei<br />
ist, dass man das nicht wie eine lästige<br />
Pflicht empfindet. Ich persönlich<br />
freue mich auf jede Meditation.<br />
Das heißt, im Grunde haben Sie<br />
die illusionäre Welt der Matrix<br />
schon hinter sich gelassen?<br />
Einerseits ja, andererseits ist der<br />
Weg aus der Matrix endlos. Sobald<br />
du denkst, du hast sie entwirrt und<br />
bist frei davon, denkst du dir: Moment,<br />
vielleicht bin ich einfach nur<br />
in der nächsten Matrix gelandet.<br />
Wir werden auch durch die Algorithmen<br />
der digitalen Welt manipuliert.<br />
Wie schütteln Sie die ab?<br />
Ich war nie von der digitalen Welt<br />
begeistert. Ich habe eher eine Aversion<br />
entwickelt, weil sie sich nicht<br />
gut für mich anfühlt. Natürlich hänge<br />
ich wie alle anderen am Smartphone,<br />
aber ich sehe zu, dass ich<br />
mich, sooft es geht, ausstöpsle. Und<br />
ich habe diese Haltung auch meinen<br />
Kindern zu vermitteln versucht. Sie<br />
gingen auf eine Waldorfschule, wir<br />
hatten keinen Fernseher. Irgendwann<br />
kamen sie jedoch in ein Alter,<br />
in dem sie aufs Smartphone nicht<br />
verzichten wollten. Also habe ich<br />
ihnen gesagt: „Der Technik ist euer<br />
Wohlergehen egal, aber für mich<br />
seid ihr das Wichtigste überhaupt.“<br />
Zu einem freien Geist gehört auch<br />
ein gesunder Körper. Was tun Sie<br />
für den Ihren – etwa um die Stunts<br />
in „Matrix“ zu meistern?<br />
Das war eine große Herausforderung.<br />
Ich war ja nicht mehr Anfang<br />
dreißig wie bei den ersten Filmen.<br />
Dazu gehört Training, gesundes<br />
Essen mit Nahrungsergänzungen,<br />
aber letztlich ist das auch eine<br />
mentale Frage. Für die schwierigsten<br />
Stunts half mir die Technik der<br />
Visualisierung. Das Training des<br />
Geistes ist das Wichtigste überhaupt.<br />
„Matrix Resurrections“ läuft<br />
ab 23. Dezember in den Kinos.<br />
JSQUARED PHOTOGRAPHY/CONTOUR BY GETTY IMAGES<br />
32 THE RED BULLETIN
„Ich habe<br />
eine Aversion<br />
gegen die<br />
digitale Welt<br />
entwickelt.“<br />
Sci-Fi-Ikone Carrie-Anne Moss, 54,<br />
schaltet gern ihr Handy ab.<br />
THE RED BULLETIN 33
Deutschrap<br />
badmómzjay<br />
mischt mit 19 Deutschlands Rap-Szene auf, trägt gern<br />
Goth-Outfit und steht offen zu ihrer Bisexualität. Wie sie<br />
als junge Frau Hass im Netz kontert? Erzählt sie hier.<br />
Interview JANINA LEBISZCZAK<br />
Foto JESKO GORGAS<br />
Früher hat mich das traurig gemacht.<br />
Später habe ich gelernt, dass<br />
ich lieber allein bin als mit Menschen,<br />
die es nicht gut meinen mit<br />
mir. Ich habe dadurch schnell verstanden,<br />
wie die Menschen ticken<br />
und die Welt funktioniert. Man muss<br />
stark sein. Wenn man so aufgewachsen<br />
ist, kratzt dich gar nichts mehr.<br />
Es war doch alles nur ein Spaß!<br />
2018 schrieb badmómzjay, die<br />
Jordan Napieray heisst, auf dem<br />
Handy ihren ersten Rap-Text und lud<br />
ihn zu einem Beat von Nicki Minaj<br />
auf Instagram hoch. Aus dem Spaß<br />
wurde Ernst und der Song ein Hit.<br />
Rapstars gratulierten, Plattenlabels<br />
meldeten sich. Da war sie gerade<br />
einmal 15 Jahre alt. Ihre erste EP<br />
landete 2020 auf Platz 12 der Charts.<br />
Bei den Hiphop.de Awards wurde<br />
die bei Berlin lebende Rapperin als<br />
„Beste New comerin national“ ausgezeichnet,<br />
auf Spotify folgen ihr<br />
über zwei Millionen Menschen, und<br />
die Zeitschrift „Bunte“ verlieh ihr ein<br />
paar Tage vor unserem Gespräch den<br />
New Faces Award. Die Laune beim<br />
Interview ist entsprechend prächtig.<br />
THE RED BULLETIN: Erzähl mal,<br />
wie fühlt sich die Wolke an,<br />
auf der du gerade schwebst?<br />
badmómzjay: Man hat gar nicht<br />
die Zeit, um zu reflektieren. Natürlich<br />
bin ich sehr glücklich und stolz.<br />
Trotzdem würde ich mir einen<br />
Moment wünschen, um das Ganze<br />
einmal zu begreifen.<br />
Wie ist es, Rapstar zu sein?<br />
Ich kann tun, was ich liebe, ich bin<br />
umgeben von talentierten Leuten, die<br />
ähnlich ticken wie ich. Und ich würde<br />
lügen, wenn ich sage, dass mich das<br />
Geld nicht interessiert. Es macht<br />
mich unabhängig. Ich kann meine<br />
Familie unterstützen und muss nicht<br />
mehr mit Sorgen einschlafen wie<br />
früher. Was ich nicht mag, ist, dass<br />
mich manche nicht mehr mit Respekt<br />
behandeln, nur weil ich in der<br />
Öffent lichkeit stehe. Man kann nichts<br />
machen, ohne dass es beurteilt wird.<br />
Ich bin noch ein Kind – für mich ist<br />
das manchmal anstrengend.<br />
In einer männerdominierten<br />
Branche: Gibt es da einen weiblichen<br />
Zugang zum Rap?<br />
Ja, das Positive. Leute zu animieren,<br />
dass sie machen können, was sie<br />
wollen – egal wie sie aussehen, egal<br />
wen sie lieben. Dieses Empowern<br />
kommt in den Texten männlicher<br />
Rapper selten vor.<br />
Du bist ohne Vater aufgewachsen.<br />
Wie hat dich das geprägt?<br />
Sagen wir so: Ich lege mein prinzipielles<br />
Misstrauen erst ab, wenn<br />
ich vom Gegenteil überzeugt werde.<br />
<strong>Red</strong>en kann man schnell viel, besonders<br />
in meiner Branche.<br />
Was hast du von deiner Mutter<br />
lernen können?<br />
Meine Mutter und ich sind ein Team.<br />
Dass man Männer zum Überleben<br />
braucht, den Gedanken gab es nie.<br />
Ich kenne nur starke Frauen, die<br />
alles selbst erledigen. Meine Mama<br />
hat mir auch beigebracht, immer zu<br />
sagen, was ich denke. In der Schule<br />
waren die meisten von diesem Verhalten<br />
eher abgeschreckt. Deshalb<br />
hatte ich nicht viele Freunde.<br />
Du wurdest wegen deiner Art und<br />
dem finanziellen Hintergrund<br />
deiner Familie in der Schule gemobbt.<br />
Wie hat dich das geformt?<br />
Heute setzt du dich für andere<br />
ein. Du engagierst dich für die<br />
LGBTQ-Community und stehst zu<br />
deiner Bisexualität. Wie sind die<br />
Reaktionen?<br />
Hauptsächlich sehr positiv. Manchmal<br />
gibt es auch Kommentare wie<br />
„scheiß Lesbe“. Solche Leute ignoriere<br />
ich. Sobald man sich äußert,<br />
wird die Welle noch größer. Die<br />
haben ein Problem mit sich selbst.<br />
Ich kämpfe seit meinem 13. Lebensjahr<br />
darum, dass Sexualität frei ausgelebt<br />
werden kann, und gefühlt sind<br />
wir keinen Schritt weiter. Wir haben<br />
noch einen langen Weg vor uns.<br />
Mal trägst du knallrote Haare und<br />
gefühlt meterlange Fingernägel,<br />
mal sieht man dich komplett ohne<br />
Make-up. Was hat es mit deinem<br />
Style auf sich?<br />
Darüber denke ich nicht nach. Ich<br />
bin ein sehr wandelbarer Mensch,<br />
vom Girly zum Jogger-Style zu Goth<br />
und zurück. Ich zeige mich auch oft<br />
ungeschminkt. Ich mag so aussehen,<br />
wie ich mich gerade fühle.<br />
Welchen Rat hast du an die Nachwuchskünstlerinnen<br />
da draußen?<br />
Macht es wie ich: einfach anfangen!<br />
Klar ist es schwierig. Aber lasst euch<br />
von niemandem einreden, ihr würdet<br />
das nicht schaffen.<br />
Seit dem 26. November ist ihr Album<br />
erhältlich: „badmómz“. badmómzjay auf<br />
Instagram folgen: @badmomzjay<br />
34 THE RED BULLETIN
„Ich mag<br />
so aussehen,<br />
wie ich mich<br />
gerade fühle.“<br />
Rapperin badmómzjay, 19,<br />
steht zu ihrem Style.<br />
THE RED BULLETIN 35
Fußball<br />
Steffen Freund<br />
war früher als aktiver Fußballer gefürchtet für seine<br />
defensive Härte. Als Kommentator auf ServusTV<br />
bevorzugt die Dortmund-Legende die Offensive.<br />
Hier erklärt er, was Sieger auszeichnet.<br />
Interview HANNES KROPIK<br />
Als TV-Experte nehmen Sie sich<br />
heute kein Blatt vor den Mund …<br />
… ich verliere aber nie den Respekt<br />
vor Spielern oder Trainern. Ich setze<br />
bei den Zuschauern kein Basiswissen<br />
voraus. Meine Aufgabe als Experte<br />
ist es, das Gesehene so zu erklären,<br />
dass man es als Laie nachvollziehen<br />
kann und es am Ende einen Mehrwert<br />
für alle gibt. Gleichzeitig will<br />
ich die Zuschauer aber nicht mit<br />
theoretischem Wissen zuschütten.<br />
Als Fußballer war Steffen Freund<br />
defensiver Mittelfeldspieler. Da hatte<br />
er die Aufgabe, die Spielgestaltung<br />
des Gegners möglichst effektiv zu<br />
stören. 1996 wurde er mit Deutschland<br />
Europameister. Mit Borussia<br />
Dortmund gewann der nunmehr<br />
51-Jährige zwei deutsche Meistertitel<br />
sowie 1997 die Champions<br />
League und den Weltpokal. Seine<br />
viereinhalb Jahre bei Tottenham<br />
Hotspur führten ihn in die Hall of<br />
Fame des Londoner Spitzenklubs.<br />
Heute ist Steffen Freund, der mit<br />
seiner Familie außerhalb von Berlin<br />
lebt, ein gefragter TV-Analytiker.<br />
Auf ServusTV bildet er – gemeinsam<br />
mit dem Norweger Jan Åge Fjørtoft<br />
– ein internationales Experten-<br />
Duo, das den Zuschauern die UEFA<br />
Champions League näherbringt.<br />
THE RED BULLETIN: Was nimmt<br />
man für sein weiteres Leben mit,<br />
wenn auf der Visitenkarte „Champions-League-Sieger“<br />
steht?<br />
steffen freund: Man spürt,<br />
dass die eigene Karriere weit oben<br />
angekommen ist. Dass ich nach<br />
dem EM-Titel auch die Champions<br />
League gewinnen konnte, hat mich<br />
sehr glücklich gemacht – aber ich<br />
war nie der Typ Mensch, der nach<br />
Erfolgen zufrieden wurde. Zufriedenheit<br />
kann hinderlich sein. Das<br />
Schwierige ist, errungene Erfolge<br />
durch nachfolgende Leistungen<br />
zu bestätigen.<br />
Die UEFA Champions League ist<br />
für jeden Fußballer das höchste<br />
Ziel auf Vereinsebene. Blöde<br />
Frage: Wie gewinnt man sie?<br />
Unser Finalgegner Juventus Turin<br />
war 1997 die beste Mannschaft der<br />
Welt. Ich erinnere mich, wie mein<br />
Kollege Jürgen Kohler vor dem Spiel<br />
trotzdem gesagt hat: „Kommt, wir<br />
holen uns den Pokal!“ Ich dachte:<br />
Was ist denn mit dem los? Aber er<br />
hatte natürlich recht: Du musst an<br />
dich selbst die höchsten Ansprüche<br />
stellen. Denn in einem Spiel kannst<br />
du jeden schlagen.<br />
Heute sind Sie gefragter TV-<br />
Experte. Inwiefern hilft Ihnen<br />
Ihre Vergangenheit als ehemaliger<br />
Weltklasse-Fußballer?<br />
„Weltklasse“ haben jetzt Sie gesagt!<br />
Aber klar, das ist ein kleiner Vorteil<br />
für mich: Ich habe es selbst wirklich<br />
erlebt und kann meine Emotionen<br />
wahrhaftig wiedergeben. Ich bin<br />
sehr dankbar, dass ich in 17 Jahren<br />
als Profi so viel erleben durfte.<br />
Trotzdem habe ich nicht vergessen,<br />
woher ich komme: aus dem Osten,<br />
der armen Seite Deutschlands.<br />
Als Aktiver galten Sie als<br />
unangenehmer Gegenspieler …<br />
… aber ich war meist fair! Ich habe<br />
brenzlige Situationen sportlich<br />
zu lösen versucht. Meine Aufgabe<br />
war in der Regel, den gegnerischen<br />
Spielmacher auszuschalten, also<br />
Legenden wie Zinédine Zidane, Roberto<br />
Baggio oder Andreas Herzog.<br />
Ich habe es genossen, wenn ich dabei<br />
an meine Grenzen gehen musste.<br />
Wie sind Sie als Aktiver mit Kritik<br />
umgegangen?<br />
Ich habe sie mir am Anfang zu Herzen<br />
genommen – manchmal vielleicht<br />
sogar zu sehr. Aber letztendlich<br />
war berechtigte Kritik immer<br />
ein Schlüssel zum Erfolg. Aus Kritik<br />
entsteht Ehrgeiz. Und Energie!<br />
Worum geht es im modernen<br />
Fußball – in einem Satz zusammen<br />
gefasst?<br />
Es geht um Flexibilität. Egal ob du<br />
als Mannschaft mehr in Ballbesitz<br />
bist oder nicht, egal ob in der Offensive<br />
oder in der Defensive: Du musst<br />
taktisch rasch reagieren können.<br />
Manche Entscheidungen musst du<br />
blitzschnell aus dem Bauch heraus<br />
treffen. Aber es müssen Entscheidungen<br />
sein, die du im Kopf schon<br />
längst vorbereitet hast.<br />
Sie haben mit Ihrem Kollegen Jan<br />
Åge Fjørtoft eine Wette laufen:<br />
Sie behaupten, Manchester City<br />
gewinnt die aktuelle UEFA Champions<br />
League. Warum?<br />
Ihre Ausgangssituation erinnert mich<br />
an unsere mit Borussia Dortmund:<br />
Wir waren – wie jetzt Manchester<br />
City – in den Jahren davor immer<br />
knapp dran am großen Erfolg. Du<br />
kommst dem Triumph immer näher<br />
– und wirst schlussendlich für deine<br />
Beharrlichkeit belohnt.<br />
Weitere Infos: servustv.com<br />
SERVUS TV/LEO NEUMAYR<br />
36 THE RED BULLETIN
„Kritik ist<br />
ein Schlüssel<br />
zum Erfolg.<br />
Daraus entsteht<br />
Ehrgeiz.“<br />
Steffen Freund, 51, über Ärger<br />
als mögliche Energiequelle<br />
THE RED BULLETIN 37
MULTITALENT<br />
Eileen Gu beim <strong>Red</strong><br />
<strong>Bulletin</strong>-Fotoshooting<br />
in Saas-Fee: Im Freestyle-Skifahren<br />
zählt<br />
sie in drei Disziplinen<br />
zur Weltspitze.<br />
Die<br />
Beste<br />
EILEEN GU, 18, ist der nächste<br />
Wintersport‐Weltstar: Freestyle‐Ski‐<br />
Kanone, Stanford‐Studentin,<br />
gefragtes Model. Als in den USA<br />
geborene Chinesin will sie die Fans<br />
beider Supermächte vereinen.<br />
Text EVELYN SPENCE<br />
Fotos CHRISTIAN ANWAN<strong>DE</strong>R
Freestyle-Ski<br />
zweier<br />
Welten<br />
39
Freestyle-Ski<br />
E<br />
ihre<br />
ileen Gu ist 18 Jahre alt, dafür hat sie es ordentlich<br />
weit gebracht: Sie ist Freestyle-Olympiahoffnung<br />
für Peking, zweifache Goldmedaillen-Gewinnerin<br />
bei den X Games, gehört in allen drei Freestyle-Disziplinen<br />
– Halfpipe, Slopestyle und Big Air – zur Weltklasse,<br />
sie ist Langstreckenläuferin, dazu gefragtes<br />
Model, Feministin und angehende Diplomatin.<br />
Es ist Ende Oktober, Gu hat einen Monat Halfpipe-Training<br />
in Saas-Fee in der Schweiz absolviert<br />
und ein Camp am Stubaier Gletscher in Österreich<br />
vor sich. Im Herbst erwarten sie Kurse in Mikro- und<br />
Makroökonomie.<br />
Die Zeit zwischen den Trainingseinheiten verbringt<br />
sie mit Vorträgen über Astrophysik und Fachbüchern<br />
über Quantenmechanik. „Als ich vorigen<br />
Winter das erste Mal bei den X Games war, wurden<br />
mir die anderen vor gestellt als ‚… hat das und das<br />
gewonnen‘, als ‚… ist so und so oft Olympiasieger<br />
geworden‘ oder ‚… ist der erste Mensch, dem dieser<br />
und jener Trick gelungen ist‘. Bei mir hieß es immer<br />
nur: Das ist Eileen Gu, sie hat 1580 Punkte beim<br />
SAT-Test (einem standardisierten US-Schulleistungstest;<br />
das Durchschnittsergebnis liegt bei knapp über<br />
1000 Punkten; Anm.) und wurde auf der Universität<br />
von Stanford aufgenommen.“<br />
Man könnte Eileen Gu als Ausnahmeerscheinung<br />
abtun, als begnadetes Multitalent. Man täte ihr damit<br />
Unrecht. Denn was Gu wirklich zu etwas Be sonderem<br />
macht, ist ihre enorme Leidenschaft fürs Lernen. Sie<br />
ist eine Musterschülerin des Lebens – im Sport genauso<br />
wie in der Wissenschaft. „Sie geht an jeden einzelnen<br />
Trick mit extremer Sorgfalt heran, visualisiert<br />
ihn wieder und wieder, in jedem Detail, und sie weiß<br />
Fähigkeiten unglaublich gut einzuschätzen“,<br />
sagt ihr Trainer Misra Noto. Kaya Turski, acht fache<br />
X Games-Gewinnerin im Slopestyle, beschreibt Gus<br />
Art, Ski zu fahren, mit dem Attribut „kalkuliert“ –<br />
nicht, weil ihr die Leidenschaft fehlen würde, sondern<br />
weil sie so überlegt und so präzise vorgeht.<br />
Dasselbe gilt für das Training abseits der Piste.<br />
„Eileen versucht, jede einzelne Wiederholung einer<br />
Übung noch perfekter zu machen als die davor“,<br />
sagt Alex Bunt, Strength- & Conditioning-Coach bei<br />
<strong>Red</strong> Bull. „Die meisten von uns finden zum Beispiel<br />
Dehnübungen langweilig. Sie nicht. Sie möchte jede<br />
Dehnung besser machen als die davor.“<br />
In Saas-Fee trainierte Gu eine neue Pipe-Sequenz<br />
mit drei neuen Tricks und einer neuen Kombination,<br />
sie war jeden Tag von 10 bis 15 Uhr auf dem Berg –<br />
konzentriert, effizient, keine Minute wurde verschwendet.<br />
Misra Noto, ein ehemaliger Profi und<br />
erfahrener Trainer, der früher das Schweizer Slopestyle-Team<br />
coachte, sagt: „Von allen Riderinnen, die<br />
ich kenne, arbeitet Eileen am härtesten.“<br />
Dass Gu manchmal als ein wenig kompliziert gilt,<br />
hat einen einfachen Grund: Ihr Leben ist kompliziert.<br />
Manchmal besteht es aus zwei Leben (Profisportlerin<br />
und Studentin), manchmal aus vier (zusätzlich<br />
noch Läuferin und Model). Außerdem fühlt sie sich<br />
sowohl als Amerikanerin wie auch als Chinesin.<br />
Eileen Gu wurde in San Francisco geboren und<br />
stand auf den Hängen des Skigebiets Northstar am<br />
Lake Tahoe zum ersten Mal auf Skiern. Trotzdem<br />
entschied sie sich im Alter von 15 Jahren, bei der<br />
„Ich muss die Dinge<br />
gut machen, sonst<br />
würde ich ja meine<br />
Zeit verschwenden.“<br />
MATT POWER<br />
40 THE RED BULLETIN
AIR CHINA<br />
Gu beim Training<br />
in der Halfpipe von<br />
Copper Mountain,<br />
Colorado. In Peking<br />
startet sie für China.<br />
THE RED BULLETIN 41
„Fashion ist<br />
eine kreative Art,<br />
der Welt zu zeigen,<br />
wer du bist.“<br />
Eileen Gu über die Vorzüge<br />
ihrer Zweitkarriere als Model
Freestyle-Ski<br />
Olympiade 2022 für China anzutreten. Ihre Mutter<br />
Yan stammt aus Peking. Seit Gu zwei Jahre alt ist,<br />
verbringt sie jeden Sommer dort. Sie spricht akzentfrei<br />
Mandarin, ging in Peking zur Schule, hat dort<br />
Freunde und ein Haus. „Wenn ich in Amerika bin,<br />
bin ich Ame rikanerin“, sagt sie ganz oft, sodass es<br />
wirkt wie ein Man tra, „in China bin ich Chinesin.“<br />
Als Gu zehn Jahre alt war, überredete sie den<br />
Betreiber eines Ski-Resorts in China dazu, den ersten<br />
Freestyle-Ski-Contest des Landes zu veranstalten.<br />
„Die Community war damals noch winzig, wir sind<br />
gemeinsam gewachsen“, sagt sie. Seit Gu bekannt<br />
gegeben hat, in Peking für China zu starten, sind<br />
mehr als zwei Jahre vergangen. Heute wird Gu<br />
in China auf der Straße erkannt. Aus dem kleinen<br />
Mädchen wurde die bekannteste Skifahrerin im<br />
bevölkerungsreichsten Land der Welt; sie wird als<br />
„Schneeprinzessin“ oder „Ski-Genie“ bezeichnet.<br />
„Eileen ist die perfekte Kombination aus Alter,<br />
Talent und Charisma“, sagt Szene-Insiderin Kaya<br />
Turski. „Sie hat das Zeug, die nächste Lindsey Vonn<br />
oder Chloe Kim zu werden.“<br />
Genau hundert Tage vor der Eröffnungszeremonie<br />
veröffentlichte das Pekinger Organisationskomitee<br />
einen aufwendigen Kurzfilm: „A Date with Snow<br />
and Ice“. Darin trifft ein junger Mann (Megastar<br />
Jackson Yee, einer der beliebtesten Sänger Chinas)<br />
ein junges Mädchen (Gu). Die beiden besuchen<br />
gemeinsam die Pekinger Sportstätten; es ist eine<br />
Mischung aus Pop-Kultur und Sport. Am Ende des<br />
Films ist wieder Gu zu sehen: Eine Fackel in der<br />
Hand, läuft sie, begleitet von dramatischer Musik,<br />
in Zeitlupe die Chinesische Mauer entlang.<br />
Es ist schwer zu sagen, wann genau Gu den<br />
Durchbruch geschafft hat. Aber ein Wettkampf<br />
sticht heraus: Innerhalb von 36 Stunden<br />
gewann sie im Januar 2021 drei Medaillen<br />
bei den X Games, zwei in Gold und eine in<br />
Bronze. Sie war die erste Debütantin, die Medaillen<br />
in drei Wettbewerben gewann, und die erste chinesische<br />
Athletin der Geschichte mit einer Goldmedaille.<br />
Zu dem Zeitpunkt war sie keine Unbekannte mehr;<br />
sie hatte bereits 2020 in Calgary, Kanada, und auf<br />
der Seiser Alm in den Südtiroler Dolomiten Weltcup-Wettbewerbe<br />
gewonnen. Bei den Jugend-<br />
Winterspielen 2020 in Lausanne, Schweiz, gewann<br />
sie zweimal Gold und einmal Silber.<br />
Der Weg bis dahin verlief alles andere als gewöhnlich.<br />
Gus Mutter kam in ihren Zwanzigern als<br />
Migrantin in die USA, studierte Biochemie an der<br />
Rockefeller-Universität in New York und stand das<br />
erste Mal am Hunter Mountain im Osten der USA auf<br />
Skiern. Dann zog sie in die Bay Area, in die Gegend<br />
von San Francisco, und erwarb an der Stanford-Universität<br />
den Titel Master of Business Administration.<br />
Als Eileen drei Jahre alt war, meldete Yan sie bei<br />
einem Skikurs in Tahoe an. Mit acht Jahren wurde<br />
sie Teil des Freeskiing-Teams im Northstar California<br />
Ski Resort – als einziges Mädchen –, weil Yan fand,<br />
Skirennen seien zu gefährlich. Bald gewann Eileen<br />
COVERSTAR<br />
Eileen Gu auf den<br />
Titel seiten der Modemagazine<br />
„Vogue“,<br />
„In Style“, und „Elle“<br />
(alle China) sowie des<br />
„V Magazine“ (US)<br />
„Wenn ich in Amerika bin,<br />
bin ich Ameri kanerin.<br />
In China bin ich Chinesin.“<br />
Contests der USASA (United States of America<br />
Snowboard and Freeski Association), darunter einen<br />
nationalen Wettbewerb für Neunjährige.<br />
Egal wo sie hinging, ihre Mutter war immer<br />
an ihrer Seite. Kaya Turski begegnete Gu zum ersten<br />
Mal in Neuseeland, „als eine kleine Frau zu mir kam<br />
und sagte: ‚Das ist meine Tochter.‘ Das war Eileen,<br />
1,20 Meter pure Energie“, erinnert sie sich.<br />
Daheim in San Francisco wohnte Gu mit ihrer<br />
mittlerweile 86-jährigen Großmutter, Guo Zhenseng<br />
– hier kommt sie manchmal immer noch vorbei.<br />
„Meine Großmutter ist leidenschaftlich, sie ist die<br />
ehrgeizigste Person, die ich kenne. Und das heißt<br />
viel, wenn ich es sage“, sagt sie. Sie war vier, als ihre<br />
Großmutter ihr beibrachte, dreistellige Zahlen miteinander<br />
zu multiplizieren.<br />
„Meine Mutter ist nicht so ehrgeizig wie meine<br />
Oma“, sagt sie. „Ihr war wichtig, mir viele Möglichkeiten<br />
zu eröffnen, meinem Leben ein breites Spektrum<br />
zu geben: Klavier, Ballett, Fußball, Basketball,<br />
Reiten, Bogenschießen, Klettern, Volleyball, Tennis.<br />
Ich machte alles.“ Aber: Druck, besonders erfolgreich<br />
zu sein, gab es nie. „Das war keine Eislaufmutti-<br />
Situation“, sagt Gu. „Mein Ehrgeiz kommt<br />
eher aus meiner Unfähigkeit, zu versagen. Wenn ich<br />
etwas mache, dann mache ich das gut, dann muss<br />
ich das gut machen, sonst würde ich ja meine Zeit<br />
verschwenden. Das ist die Art meiner Großmutter,<br />
die Dinge zu sehen, und indirekt auch meine Art.“<br />
Was Gus Durchbruch bei den X Games auf<br />
den ersten Blick besonders überraschend macht:<br />
2020/21 war die erste Saison, in der sie nicht Vollzeit<br />
zur Schule ging. Bis zu ihrem Schulabschluss<br />
2020 – sie war die erste Schülerin in der Geschichte<br />
ihrer Highschool, die in drei Jahren den Abschluss<br />
schaffte statt in vier – fuhr sie höchstens 65 Tage<br />
im Jahr Ski. Jedes Wochenende fuhr sie mit Yan nach<br />
Tahoe; während der vierstündigen Fahrt lernte sie<br />
im Auto für die Schule.<br />
Andere Talente in ihrem Alter brachten es auf<br />
250 Skitage pro Jahr.<br />
Die Umstände zwangen sie zu einem beinharten<br />
Arbeitseinsatz auf und abseits der Piste. Gleichzeitig<br />
führte sie ein ganz normales Teenager-Leben. „Viele<br />
meiner Ski-Kolleginnen waren Außenseiter, durften<br />
nicht zum Abschlussball gehen und all das. Bei mir<br />
war das anders. Niemand wusste, dass ich Ski fahre,<br />
und es hat auch niemanden interessiert.“<br />
Außerdem war Gu beim Geländelauf derart<br />
schnell, dass sie sich fast dafür statt für das Ski fahren<br />
entschieden hätte – unter anderem weil sie als Läuferin<br />
an Colleges aufgenommen werden hätte können.<br />
THE RED BULLETIN 43
Freestyle-Ski<br />
Aber als ein Ski-Contest in Österreich und ein Rennen<br />
für die nationalen Crosslauf-Meisterschaften<br />
zur gleichen Zeit stattfanden, kaufte sie ein Last-<br />
Minute-Ticket nach Europa.<br />
Auf die Frage, was Gu von anderen unterscheidet,<br />
hört man oft ähnliche Antworten. US-Freestyle-<br />
Skifahrer Bobby Brown, der acht Medaillen bei den<br />
X Games gewann, sagt: „Ich kenne sie, seit sie zehn<br />
oder elf war und ihren lila Helm trug. Was sie auf<br />
den Rails aufführte, war schon damals verrückt.“<br />
Für Trainer Noto ist am beeindruckendsten, wie<br />
hoch Gu bei ihren Tricks in der Pipe springt – bei den<br />
X Games waren es im Schnitt 3,35 Meter. Für Freestyle-Kollegin<br />
Turski ist es schlicht ihre Vielseitigkeit.<br />
Egal wen man fragt: Eileen Gu verfügt schon jetzt<br />
über eine gigantische Bandbreite an Fähigkeiten –<br />
und immer noch ist jede Menge Potenzial für Verbesserungen<br />
da. „Noch kann ich nicht sagen, dass sie<br />
die erfolgreichste Skifahrerin aller Zeiten wird“, sagt<br />
Noto, „aber sie hat alles, was man dazu braucht.“<br />
China hat, was den Skisport angeht, überaus<br />
ehr geizige Pläne: Tausend neue Ski-Resorts<br />
sind bis zum Jahr 2030 geplant, fünfzig<br />
Millionen Skifahrer sollen China zum größten<br />
Ski-Markt der Welt machen.<br />
„Ich erinnere mich noch an die Anfänge. Ich<br />
kannte jede einzelne Person im Snowpark, weil es<br />
im ganzen Land gerade zehn oder zwanzig gab“,<br />
sagt Gu. „Jetzt ist ein Funpark der trendigste Ort,<br />
an dem man sich in China aufhalten kann.“<br />
Das enorme Wachstum der Ski-Branche verläuft<br />
parallel zu Gus eigener Entwicklung. Sie ist ein<br />
Symbol für den chinesischen Ski-Boom. Dennoch<br />
fiel ihr die Entscheidung, für China anzutreten und<br />
nicht für die USA, sehr schwer.<br />
Also: Warum China? „In den USA bin ich mit all<br />
diesen Vorbildern aufgewachsen. So ein Vorbild<br />
wollte ich für jemand anderen sein“, sagt sie. Übersetzt:<br />
In China, sagt sie, könne sie ein nationales<br />
Bewusstsein für Freestyle schaffen und eine neue<br />
Generation von Mädchen inspirieren.<br />
„Wenn ich in Amerika bin, bin ich Amerikanerin“,<br />
wiederholt sie ihr Mantra, „wenn ich in China bin,<br />
bin ich Chinesin.“ Gu verfügt über die erstaunliche<br />
Fähigkeit, sich unterschiedlichen Umständen nahtlos<br />
anzupassen, die Stimmung im Raum intuitiv<br />
zu erfassen, selbstverständlich zwischen Sprachen<br />
„Ich spreche<br />
fließend Englisch und<br />
Mandarin, somit kann<br />
ich beide Kulturen<br />
in mich aufnehmen.“<br />
zu wechseln. „Da ich fließend Englisch und Mandarin<br />
spreche, hatte ich von klein auf die Möglichkeit,<br />
Nuancen von beiden Kulturen in mich aufzunehmen“,<br />
sagt sie. „Ich kann nicht nur in beiden Sprachen<br />
sprechen, ich kann auch in beiden leben.“<br />
Natürlich entspricht das auch dem, was man<br />
den „olympischen Geist“ nennt – speziell wenn es<br />
darum geht, eine Verbindung zwischen den beiden<br />
großen Weltrivalen China und USA zu schaffen.<br />
„Ich habe erkannt, welche Auswirkungen Sport<br />
auf die Diplomatie haben kann“, sagt sie. „Sport ist<br />
etwas Gemeinsames, unabhängig von Sprache, unabhängig<br />
von Kultur, unabhängig von politischer<br />
Zugehörigkeit.“<br />
Vergangenen Sommer reiste Gu für eine Tour<br />
voller Sponsoring-Verpflichtungen nach China. Die<br />
Tournee begann pandemiebedingt mit Quarantäne:<br />
fünf Wochen allein in einem Hotelzimmer, mit nicht<br />
mehr als einem Laufband, einer Yogamatte und ein<br />
paar leichten Gewichten. Gu sah es als Chance, sich<br />
auf ihre Fitness und nur auf ihre Fitness zu konzentrieren,<br />
bei täglichen drei- bis vierstündigen Zoom-<br />
ÜBERFLIEGER<br />
Eine von Gus Stärken<br />
ist der Luftstand, den<br />
sie, hier in den USA,<br />
bei ihren Sprüngen<br />
erreicht – im Schnitt<br />
über drei Meter.<br />
MATT POWER<br />
44 THE RED BULLETIN
MENTAL STARK<br />
Gu beim Equipment-<br />
Check. Die Achtzehnjährige<br />
steht oft unter<br />
Druck. Aber sie geht<br />
extrem souverän<br />
damit um.<br />
Meetings mit Trainer Alex Bunt, der sich darauf konzentrierte,<br />
an ihrer Explosivität und Sprungkraft zu<br />
arbeiten, an ihrer Beweglichkeit und Flexibilität sowie<br />
an ihrer Verletzungsresistenz. Sogar tausende<br />
Kilometer entfernt war er überwältigt von ihren<br />
motorischen und athletischen Fähigkeiten. „Ich<br />
könnte Eileen sagen, sie soll die Haltung ihrer linken<br />
kleinen Zehe korrigieren, und sie würde es gleich<br />
schaffen“, sagt er. „Sie ist ein Bewegungsgenie.“<br />
Als Gus geheime größte Stärke sieht Bunt ihre<br />
Grundlagenausdauer. „Sie hat einen wirklich großen<br />
Tank. Das heißt vor allem, dass sie mit den Schmerzen<br />
und Belastungen eines hohen Trainingsvolumens<br />
umgehen kann, physisch, aber auch mental. Fünf<br />
Wochen allein im Hotelzimmer? Stell dir das vor.<br />
Das ist irre. Ein unglaublicher Charakter.“<br />
Nach der Quarantäne reiste Gu alle paar Tage<br />
in unterschiedliche Städte. Skifahren, Schule, Klavier<br />
und Laufen im Tag unterbringen zu müssen – so wie<br />
früher – wirkt jetzt fast wie ein Kinderspiel. „Die vergangenen<br />
zwei Jahre waren vom normalen Leben<br />
eines Teenagers so weit weg, wie es überhaupt nur<br />
weg sein kann“, sagt sie.<br />
„Beim Tagebuchschreiben<br />
finde ich<br />
heraus, wie mein<br />
Verstand funktioniert.“<br />
Skifahren hat Gu bekannt gemacht, nun ist<br />
das Modeln dazugekommen, das sie von<br />
einer Nischen-Berühmtheit in einen Star<br />
verwandelt hat. Mit fünfzehn wurde sie von<br />
einer chinesischen Marke zur Paris Fashion Week eingeladen;<br />
seither war sie mehrfach in den chinesischen<br />
Editionen von „Elle“ und „Vogue“ zu sehen, wurde<br />
von Luxusmarken wie Tiffany und Louis Vuitton<br />
gebucht und nahm am Rebranding von Victoria’s<br />
Secret teil – gemeinsam mit Megan Rapinoe, Valentina<br />
Sampaio und Priyanka Chopra Jonas. „Ich stehe<br />
für die Verbindung von zwei unterschiedlichen ethnischen<br />
Gruppen, für eine Verbindung von Sport<br />
und Kunst und für Körperbewusstsein“, sagt sie.<br />
Für Gu ist das Modeln sowohl eine Ergänzung<br />
zum Skifahren als auch eine Atempause davon.<br />
„Fashion ist eine kreative Art, der Welt zu zeigen,<br />
wer du bist“, sagt sie. „Es ist fast so wie beim Skifahren.<br />
Erst wenn du deinen individuellen Style in<br />
deine Tricks einbringst, wird es was Besonderes.“<br />
Es gibt nicht nur diese Parallele zwischen Mode<br />
und Wettkampf: Ein Fotoshooting erzeugt genauso<br />
viel Adrenalin wie ein Run in der Halfpipe – die<br />
Konzentration, das Im-Mittelpunkt-Stehen, das<br />
Streben nach Perfektion.<br />
All das klingt, als stünde Gu unter hohem Druck<br />
– und der Eindruck stimmt natürlich. Der Druck<br />
kommt von Sponsoren, von ihrem Land, von ihr<br />
selbst. Aber sie geht souverän damit um. Sie weiß,<br />
dass ihr niemand wegnehmen kann, was sie erreicht<br />
hat. Sie weiß aber auch, dass sie sehr genau beobachtet<br />
wird, vor allem in China, und dass sie im<br />
Februar noch viel mehr Menschen noch viel genauer<br />
beobachten werden. „Aber ich glaube nicht, dass<br />
das meine Art, Ski zu fahren, beeinflusst hat“, sagt<br />
sie. „Und wenn, dann hat es mich besser gemacht.“<br />
Vielleicht ist es das, was Gu wirklich herausstechen<br />
lässt: ihre mentalen Fähigkeiten. Wenn man<br />
sie fragt, wie sie das macht, erwähnt sie Mutter und<br />
Oma – und ihr Tagebuch. „Damit kann ich zurückblicken<br />
und sehen, wie ich gewachsen bin. Mit dem<br />
Tagebuch finde ich heraus, wie mein Verstand funktioniert.“<br />
Eines Tages will sie ihre Aufzeichnungen<br />
veröffentlichen. Dann könnte man, erste Reihe fußfrei,<br />
miterleben, wie ein Star geboren wird.<br />
Doch die Geschichte ist noch lange nicht fertig<br />
erzählt, meint Kaya Turski. „Ich freue mich nicht nur<br />
darauf, zu sehen, was sie im Skisport macht, sondern<br />
auch, was sie für den Skisport macht. Wenn in China<br />
alles für sie läuft, dann zündet die Rakete.“<br />
THE RED BULLETIN 45
„Das Tempo<br />
meines Körpers<br />
zu akzeptieren<br />
ist enorm wichtig.“<br />
Andreas Wellinger<br />
SKISPRINGEN<br />
Diese Worte<br />
sind Gold wert<br />
„Ich habe auf<br />
mein Herz<br />
gehört, und es<br />
funktioniert.“<br />
Leon Vockensperger<br />
SNOWBOARD<br />
STEFAN HOBMAIER/RED BULL CONTENT POOL,HELGE ROESKE/RED BULL CONTENT POOL,<br />
LORENZ RICHARD/RED BULL CONTENT POOL, HANS HERBIG/RED BULL CONTENT POOL<br />
46 THE RED BULLETIN
Wintersport<br />
„Angst um meinen Ruf?<br />
Nein! Ich habe<br />
nichts zu verlieren.“<br />
Johanna Holzmann<br />
SKI CROSS<br />
Ein Angriff auf die Spitze, ein lang ersehntes<br />
Comeback, ein junger Hoffnungsträger und ein<br />
kompletter Neustart in einer anderen Disziplin:<br />
vier radikal ehrliche Athleten-Gespräche<br />
zum Start einer wilden Wintersport-Saison.<br />
„Man will dem<br />
anderen zeigen,<br />
dass man<br />
stärker ist.“<br />
Vinzenz Geiger<br />
NORDISCHE KOMBINATION<br />
THE RED BULLETIN 47
Wintersport<br />
„Seniorensport?<br />
Auf der Loipe geht’s<br />
Mann gegen Mann!“<br />
In der vorigen Saison erreichte der Kombinierer<br />
den sensationellen zweiten Platz im Gesamtweltcup.<br />
Jetzt zählt er zu den Favoriten auf den Titel.<br />
VINZENZ<br />
GEIGER, 24<br />
landete seit seinem<br />
Debüt im Weltcup 2015<br />
ganze 32 Mal auf dem<br />
Podest (Einzel- und<br />
Team-Wettbewerbe).<br />
Die vorige Saison war<br />
seine erfolgreichste:<br />
Der Oberstdorfer überraschte<br />
mit einem<br />
sensationellen zweiten<br />
Platz im Gesamtweltcup<br />
hinter dem Norweger<br />
Jarl Magnus Riiber.<br />
NORDISCHE<br />
KOMBINATION<br />
Der Begriff Kombination<br />
bezieht sich auf zwei<br />
Disziplinen: Skispringen<br />
und Langlaufen. Beim<br />
Springen erhalten<br />
die Athleten Punkte<br />
für jeden Meter. Diese<br />
werden in Zeitabstände<br />
umgerechnet, mit<br />
denen die Sportler<br />
anschließend in den<br />
10-Kilometer-Langlauf<br />
starten.<br />
THE RED BULLETIN: Von einer 100-Meter-<br />
Schanze springen oder langlaufen,<br />
bis die Beine brennen. Was macht mehr<br />
Spaß?<br />
Vinzenz Geiger: Mir macht beides Spaß.<br />
Wenn es im Springen nicht läuft, kann das<br />
ziemlich frustrierend sein. Dafür musst<br />
du beim Langlaufen auch bei schlechtem<br />
Wetter raus (lacht).<br />
Was muss ein Athlet bei der Nordischen<br />
Kombination mitbringen, um so erfolgreich<br />
zu sein wie du?<br />
Man muss aus beiden Disziplinen, dem Skispringen<br />
und dem Langlaufen, das Beste<br />
herausholen. Dafür braucht man eine gute<br />
Ausdauer, Koordination und Spritzigkeit.<br />
Die meisten in deinem Alter halten<br />
Langlaufen eher für einen Seniorensport.<br />
Worin liegt der Reiz für dich?<br />
Als Kind habe ich es auch nicht gemocht<br />
(lacht). Aber eigentlich ist Langlaufen<br />
genial. Es ist eine der härtesten Sportarten,<br />
für die du Kraft, Technik und Ausdauer<br />
brauchst. Und ich mag die Mann-gegen-<br />
Mann-Situationen. Zehn Kilometer, auf<br />
denen es voll zur Sache geht. Da muss man<br />
schon ordentlich leiden und denkt sich:<br />
Wieso mach ich das?<br />
Nordische Kombination, Teil 1: Vinzenz Geiger<br />
beim Skisprung-Training in Oberstdorf 2020<br />
Und? Wieso machst du das?<br />
Ich will meinen Konkurrenten schlagen.<br />
Man will dem anderen zeigen, dass man<br />
der Stärkere ist.<br />
Du bist letztes Jahr Zweiter im Weltcup<br />
geworden. Zählst du dich diese Saison<br />
zu den Favoriten?<br />
Klar – es wäre ja komisch, wenn man<br />
als Zweiter im Gesamtweltcup nicht<br />
zu den Favoriten gehörte.<br />
Spürst du Druck?<br />
Nein. Aber wenn man so eine gute Vorsaison<br />
hatte, will man das natürlich wiederholen.<br />
Ein Erfolgsrezept von dir ist deine<br />
Gelassenheit. Wie bleibst du so cool?<br />
Ich nehme nicht alles so ernst wie andere.<br />
Es ist ja nur ein Sport.<br />
Worüber kannst du dich aufregen?<br />
Wenn Schleicher auf der Autobahn<br />
die linke Spur blockieren (lacht).<br />
Nordische Kombination, Teil 2: Vinzenz Geiger<br />
beim Langlaufen in Oberstdorf. Im Training laufen<br />
die Sportler zum Teil 50 Kilometer.<br />
HANS HERBIG/RED BULL CONTENT POOL (2), DOMINIK BERCHTOLD/RED BULL CONTENT POOL<br />
48 THE RED BULLETIN
„Meine Mama fand<br />
Ski Cross zuerst<br />
gar nicht cool“<br />
Im Telemark hat die Allgäuerin alles gewonnen. Nun will sie<br />
in einer zweiten Disziplin voll angreifen: im Ski Cross.<br />
JOHANNA<br />
HOLZMANN, 26<br />
musste als Kind wegen<br />
Knieproblemen von Ski<br />
Alpin zu Telemark wechseln.<br />
Dort gewann sie<br />
2018 den Gesamtweltcup<br />
und zwölf Mal Gold bei<br />
Junioren-Weltmeisterschaften.<br />
In dieser Saison<br />
wechselt sie wieder<br />
in eine andere Disziplin:<br />
zum Ski Cross.<br />
Johanna Holzmann<br />
(Mitte) beim Mannschaftstraining<br />
am<br />
Pitztaler Gletscher<br />
in Österreich<br />
HELGE ROESKE/RED BULL CONTENT POOL, RICHARD WALCH/RED BULL CONTENT POOL<br />
SKI CROSS<br />
ist eine noch junge<br />
Wintersport-Disziplin.<br />
Der erste Weltcup fand<br />
erst 1998 statt. Dabei<br />
brettern vier Fahrer<br />
oder Fahrerinnen auf Ski<br />
gleichzeitig einen Kurs<br />
hinunter, der mit größeren<br />
und kleineren Kickern<br />
gespickt ist. Die ersten<br />
zwei, die im Ziel ankommen,<br />
qualifizieren sich<br />
für die nächste Runde.<br />
THE RED BULLETIN: Du willst dich jetzt<br />
auf völlig neues Terrain begeben. Warum?<br />
Johanna Holzmann: Das erste Mal kam<br />
mir der Gedanke im vorigen Winter, als<br />
ich wegen der Corona-Situation viel Zeit<br />
hatte. Normalerweise betreibe ich dann<br />
Alpin- Skifahren. Das war aber nicht möglich,<br />
weil die Lifte für Privatpersonen nicht<br />
offen waren. Deshalb habe ich mich den<br />
Ski- Crossern angeschlossen. Das hat mir viel<br />
Spaß gemacht (lacht).<br />
Was reizt dich daran?<br />
Es ist eine neue Disziplin und eine neue<br />
Challenge. Da kann ich noch eine Menge<br />
lernen.<br />
Hast du keine Angst, zu verlieren und<br />
deinen Ruf zu ruinieren?<br />
Nein, überhaupt nicht. Ich komme als<br />
Newcomerin in diese Sportart und habe<br />
nichts zu verlieren.<br />
Ist der Umstieg von Telemark auf<br />
Ski Cross schwierig?<br />
Ich habe schon als Kind viele Wintersportarten<br />
ausgeübt, das ist auf jeden Fall ein<br />
Vorteil. Und was das Wettkampfformat angeht,<br />
profitiere ich von meinen Erfahrungen<br />
beim Telemark. Der größte Unterschied<br />
ist auf jeden Fall das Bindungssystem.<br />
Beim Ski Cross ist der komplette Schuh<br />
fest in der Bindung, beim Telemark ist<br />
die Ferse hinten frei. Wie hast du dich<br />
auf die Umstellung vorbereitet?<br />
Im April habe ich mich mit den Trainern<br />
zusammengesetzt und einen Plan ausgearbeitet,<br />
wie das Ganze klappen könnte.<br />
Dann ging es los mit viel Krafttraining. Im<br />
Sommer bin ich dann auf den Gletscher<br />
und in die Skihalle, um mich an das neue<br />
Material zu gewöhnen.<br />
Worauf kommt es bei Ski Cross an?<br />
Auf Selbstvertrauen. Man darf nicht zurückziehen,<br />
wenn man auf größere Sprünge<br />
zufährt – erst recht nicht, wenn rechts und<br />
links neben dir einer fährt.<br />
Ski Cross gilt als eine der gefährlichsten<br />
Disziplinen. Wie hat dein Umfeld<br />
auf den Wechsel reagiert?<br />
Meine Mama fand’s zuerst nicht so cool.<br />
Aber als wir darüber gesprochen haben,<br />
war sie dann beruhigt. Ich hatte schon<br />
genug Verletzungen. Die Gesundheit ist<br />
mein oberstes Ziel.<br />
Und das Kniegelenk macht heute<br />
keine Probleme mehr?<br />
Nein. Mittlerweile sind beide Kniegelenke<br />
durch je eine Operation stabilisiert.<br />
THE RED BULLETIN 49
„Snowboarder können<br />
mehr Spaß haben<br />
als andere Athleten“<br />
Vor neun Jahren sagten sie ihm, er sei zu schlecht. Heute ist<br />
der Bayer einer der besten Snow boarder Deutschlands.<br />
LEON VOCKENS<br />
PERGER, 22<br />
stand schon als Dreijähriger<br />
auf dem Snowboard.<br />
Im Januar 2021<br />
erreichte er beim Slopestyle-Finale<br />
im Schweizer<br />
Laax den zweiten Rang.<br />
Es war bei den Herren<br />
der erste Podestplatz<br />
eines Deutschen in dieser<br />
Disziplin überhaupt.<br />
SNOWBOARD<br />
FREESTYLE<br />
Diese Sportart kennt<br />
drei Disziplinen: Beim<br />
Big Air springen die<br />
Cracks über eine Rampe<br />
und zeigen ihre besten<br />
Tricks. Beim Slopestyle<br />
müssen sie einen Hindernisparcours<br />
bewältigen,<br />
und in der Halfpipe-<br />
Kategorie fahren und<br />
springen sie möglichst<br />
trickreich durch eine<br />
nach oben offene<br />
Schneeröhre.<br />
THE RED BULLETIN: Du fährst Big Air und<br />
Slopestyle. Welche Disziplin ist dir lieber?<br />
Leon Vockensperger: Slopestyle, da ist<br />
jeder Parcours anders. Ich habe keinen Bock,<br />
jeden Tag vor demselben zu stehen. Ich bin<br />
froh, dass ich nicht darauf gehört habe, dass<br />
ich in anderen Disziplinen höhere Chancen<br />
auf Erfolg hätte. Ich habe stattdessen auf<br />
mein Herz gehört, und es funktioniert.<br />
Wie übst du deine Tricks?<br />
Früher habe ich mir einfach gedacht: Probieren<br />
wir es mal. Das war nicht das beste<br />
Risikomanagement. Heute baue ich meine<br />
Tricks nach und nach auf und versuche mich<br />
Umdrehung für Umdrehung hochzuarbeiten.<br />
Wenn der 1080 im Schlaf funktioniert, dann<br />
probiere ich den 1260 – und muss nur noch<br />
einen 180 dranhängen.<br />
Welchen Trick würdest du gerne mal<br />
landen können?<br />
Einen Cap Triple 18. Das sind 1800 Grad,<br />
also eine fünffache Drehung. Der Trick ist bis<br />
jetzt erst ganz wenigen Sportlern geglückt.<br />
Dein Vater war früher selbst ein Spitzen-<br />
Snowboarder. Hast du überhaupt je darüber<br />
nachgedacht, lieber Ski zu fahren?<br />
Nein, nie. Profi wollte ich zwar immer schon<br />
werden, aber dass ich es auch schaffe, war<br />
nicht immer klar. Als ich dreizehn war, hat<br />
mein Trainer mir gesagt, dass ich zu alt und<br />
zu schlecht sei. Erster Gedanke: alles fürn<br />
Arsch. Aber ich hatte ein gutes Umfeld, das<br />
mir Hoffnung gegeben hat. Ich habe außerdem<br />
gelernt: Oft wirken Ziele weiter weg,<br />
als sie eigentlich sind. Man muss nur einen<br />
Schritt nach dem anderen machen.<br />
Anfang 2021 gelang dir bei einem Weltcupbewerb<br />
der erste Podestplatz eines<br />
deutschen Slopestyle-Fahrers überhaupt.<br />
Wie feierst du solche Erfolge?<br />
Mit guten Leuten, viel tanzen und ab und<br />
zu ein paar Drinks. Ich trainiere hart, aber<br />
ich will mein Leben auch genießen. Deshalb<br />
bin ich Snowboarder geworden und nicht<br />
Leichtathlet.<br />
Ist es also wahr, dass Snowboarder<br />
die coolsten Sportler von allen sind?<br />
Nicht cooler, aber Kraft spielt bei uns nur<br />
eine Nebenrolle. Deshalb können wir es uns<br />
erlauben, ein bisschen mehr Spaß zu haben.<br />
Ich gehe sehr bewusst mit mir um, aber<br />
ich kann auch mal feiern bis in die Puppen.<br />
Wenn ein Leichtathlet Alkohol trinkt,<br />
dann ist er nicht mehr konkurrenzfähig.<br />
Wann hast du gemerkt, dass du das Zeug<br />
hast, mit den Besten mitzuhalten?<br />
Eigentlich erst jetzt. Selbst nach der vorigen<br />
Saison hatte ich noch den Gedanken: was,<br />
wenn das nur ein One-Hit-Wonder war?<br />
Deswegen war der erste Wettkampf in dieser<br />
Saison so wichtig für mich.<br />
Worauf freust du dich in dieser Saison<br />
am meisten?<br />
Darauf, für den Weltcup nach Kanada und<br />
in die USA zu fliegen.<br />
Wann fängt der Winter für dich an?<br />
Wenn ich das erste Mal wieder richtigen<br />
Schnee unter den Füßen habe. Ende August<br />
gehe ich zum ersten Mal snowboarden.<br />
Und die Saison ist vorbei, wenn ich zum<br />
ersten Mal wieder surfen gehe.<br />
Leon Vockensperger beim Posen auf der Rail<br />
in Saas-Fee in der Schweiz 2021<br />
LORENZ RICHARD/RED BULL CONTENT POOL<br />
50 THE RED BULLETIN
Wintersport<br />
Höhenflug: Andreas<br />
Wellinger bei der<br />
Qualifikation für die<br />
Vierschanzentournee<br />
in Garmisch 2020<br />
ANDREAS<br />
WELLINGER, 26<br />
gab mit 17 sein Debüt<br />
im Weltcup. 2016 bei der<br />
Skiflug-WM und 2017 bei<br />
der Nordischen Ski-WM<br />
gewann er jeweils Silber.<br />
Wegen schwerer Verletzungen<br />
ab 2019 konnte<br />
er über ein Jahr keine<br />
Wettkämpfe bestreiten.<br />
„Ich trug die Mütze<br />
meines Sport-Idols<br />
beim Schlafen“<br />
STEFAN HOBMAIER/RED BULL CONTENT POOL, GETTY IMAGES<br />
SKISPRINGEN<br />
Nichts für Menschen<br />
mit Höhenangst: Auf<br />
einer fast 150 Meter<br />
hohen Schanze nehmen<br />
Skispringer mit etwa<br />
90 km/h Anlauf, um<br />
nach dem Absprung<br />
bis zu 130 Meter weit<br />
zu segeln. Punktrichter<br />
vergeben eine Gesamtpunktzahl,<br />
die sich aus<br />
der erzielten Weite und<br />
Haltungsnoten ergibt.<br />
Nach langer Leidenszeit will sich<br />
der Skiflug-Vizeweltmeister<br />
von 2016 jetzt endlich wieder<br />
zurückmelden.<br />
THE RED BULLETIN: Wie kamst du<br />
zum Skispringen?<br />
Andreas Wellinger: Anfangs hab ich mich<br />
als Kombinierer versucht, war aber immer<br />
schon der bessere Skispringer. Also habe<br />
ich mich 2011 aufs Springen konzentriert.<br />
Mit 17 Jahren bin ich das erste Mal im Weltcup<br />
gesprungen.<br />
Wer waren deine Jugend-Idole?<br />
2005 hat mir der Kombinierer Bernhard<br />
Gruber seine Mütze geschenkt, mit der<br />
habe ich als Kind lange Zeit geschlafen.<br />
In meiner Anfangszeit als Skispringer<br />
hat mich auch mein Teamkollege Severin<br />
Freund extrem inspiriert.<br />
Hinter dir liegen turbulente Jahre.<br />
Was war dein Tiefpunkt?<br />
Nach einer MRT im Jahr 2019, als der<br />
Doktor mit Blick auf das Bild sagte, dass<br />
neben dem gerissenen Kreuzband auch<br />
der Knorpel kaputt ist und der ein viel<br />
größeres Problem sei. Ein Kreuzbandriss<br />
dauert ungefähr sechs Monate, bis man<br />
wieder antreten kann – und der interessierte<br />
den Arzt nicht mal …<br />
Haben dich diese herben Rückschläge<br />
verändert?<br />
Ich musste 2020 anerkennen, dass ich<br />
noch nicht die Performance liefern kann,<br />
um ganz oben mitzumischen. Das Tempo<br />
des eigenen Körpers zu akzeptieren ist<br />
ein enorm wichtiger Schritt.<br />
Du hast dich mit einem fünften Platz<br />
beim Sommer-Grand-Prix in Hinzenbach<br />
an der Spitze zurückgemeldet. Genau<br />
dort, wo du dich 2019 so schwer verletzt<br />
hattest. Wie hat sich das angefühlt?<br />
Extrem gut! Jetzt gilt es, diese Leistung auf<br />
Eis zu bringen. Bei meinen ersten Trainingssprüngen<br />
in Hinzenbach im Juli saß ich<br />
oben am Balken und hatte die Bilder vom<br />
Sturz noch mal vor Augen. Aber nach ein<br />
paar Sprüngen waren die alten Daten überschrieben,<br />
und ich hatte das aus dem Kopf.<br />
Welche Ziele hast du für dieses Jahr?<br />
In der vorigen Saison waren auf meinem<br />
Konto null Weltcuppunkte. Das gilt es<br />
zu überbieten (lacht).<br />
THE RED BULLETIN 51
AVANTGAR<strong>DE</strong><br />
Designerin Flora<br />
Miranda, 31, in ihrem<br />
Modell „Avatar“. Das<br />
Gitter dieser Kreation<br />
aus Merinowolle lässt<br />
sich auf Wunsch<br />
verändern.
Fashion<br />
Für ihre Kreationen<br />
schreibt die österreichische<br />
Designerin FLORA MIRANDA<br />
Computer-Codes, lässt<br />
Kleider aus Silikon wachsen<br />
und malt Kunst auf Netze.<br />
Hier erzählt die Visionärin,<br />
warum wir bald alle Science-<br />
Fiction auf der Haut tragen.<br />
Text WOLFGANG WIESER<br />
Fotos NORMAN KONRAD<br />
ICH HABE DIE<br />
ZUKUNFT<br />
<strong>DE</strong>R MO<strong>DE</strong><br />
GESEHEN<br />
ERINNERUNG<br />
Auf diesem Bild trägt<br />
Flora das Kleid „Memory“<br />
aus der Kollektion<br />
„Hyper real“. Es ist aus<br />
schwarzem Baum wollsatin<br />
geschneidert. Das<br />
mit Silikon be strichene<br />
Netzmaterial ist schleierartig<br />
eingearbeitet.<br />
53
NETZWERK<br />
Flora Miranda bemalt<br />
Netze mit Silikonfarbe.<br />
„Diese Technik<br />
habe ich selbst entwickelt“,<br />
sagt sie.
Fashion<br />
P<br />
Prolog<br />
Flora Miranda macht einen Schritt zurück. Noch einen.<br />
Sie braucht Distanz, um sich näherzukommen. Sie betrachtet<br />
das feinmaschige Netz, das in ihrem Atelier<br />
hängt. Zweieinhalb Meter ist es hoch, eineinhalb breit.<br />
Jetzt neigt sie den Kopf leicht nach links, tritt wieder<br />
näher. Mit einer Spachtel streicht sie über die Fläche,<br />
trägt mit Farbe vermischtes Silikon auf. „Diese Technik<br />
habe ich selbst entwickelt“, sagt Flora.<br />
Flora Miranda ist Modedesignerin von Beruf, aber<br />
eigentlich ist sie Visionärin, zu Hause an der Schnittstelle<br />
von Mode und Kunst. Sie ist 1990 in Salzburg in<br />
eine Künstlerfamilie geboren worden, lebt aber jetzt im<br />
belgischen Antwerpen. 2016 wurde sie bei den Austrian<br />
Fashion Awards von einer internationalen Jury mit<br />
dem „Outstandig Artist Award“ ausgezeichnet: „Sie<br />
erschafft“, befand die Jury, „eine gänzlich neue, vom<br />
Experiment mit Materialien, Produktionstechniken<br />
und Verfahren inspirierte Mode-Utopie.“<br />
Ihr Zugang sei eine Art interdisziplinäre künstlerische<br />
Grundlagenforschung für die Zukunft der Mode:<br />
„So bringt sie eine gänzlich neue Ästhetik mit überraschender<br />
visueller Wirkung hervor, die in der vom<br />
Zitat dominierten Modewelt eine originäre, eigenständige<br />
Position einnimmt.“<br />
Das Silikon tropft für einige Stunden. Alles fließt.<br />
Sackt ein paar Zentimeter nach unten, findet seinen<br />
Weg auf dem Netz, „ziemlich unkontrolliert“, sagt die<br />
Künstlerin. Jetzt spachtelt sie ihr Gesicht, ein Selbst<br />
porträt. Sie sieht ernst aus. Noch aber ist sie nicht fertig.<br />
„Den Mund musste ich dreimal malen. Weil alles fließt,<br />
war er anfangs zehn Zentimeter unterhalb der Stelle, an<br />
der er eigentlich sein sollte.“<br />
Die Arbeit an dem Bild streamt Flora über Instagram.<br />
„Es ist ein Ausdruck dieser Zeit, in der man mit sich<br />
selbst konfrontiert ist wie niemals zuvor. Man sieht nur<br />
sich selbst, gleichzeitig ist es eine Erinnerung an die<br />
Außenwelt.“<br />
Wochen später postet Flora ein Bild aus der arabischen<br />
Ausgabe der Modezeitschrift „Harper’s Bazaar“.<br />
Ihr Selbstporträt ist dort Teil einer sonnenuntergangsorangen<br />
Fashion-Inszenierung, und Flora sieht darauf<br />
aus wie eine selbstbewusste Fee aus einem futuristischen<br />
Märchen.<br />
Außerdem vereint das Bild alles, was der 31-jährigen<br />
Designerin für ihre Arbeit wichtig ist: Mode und Kunst,<br />
Vergangenheit und Zukunft, Kontinuität und Veränderung<br />
– vor allem Veränderung oder präziser: Transformation,<br />
Verwandlung. Wobei jeder dieser Begriffe die<br />
anderen braucht, weil sie alle Floras Welt ausmachen.<br />
Oder wie sie selbst sagt: „Meine Kleider sind die Sammlung<br />
meiner Gedanken.“<br />
Hier erzählt sie selbst ihre Geschichte; erklärt, warum<br />
sie sich intensiv mit Programmieren beschäftigt,<br />
und teilt eine Mode-Vision, die dermaßen Science<br />
Fiction zu sein scheint, dass man sie erst mit einem<br />
ungläubigen Lächeln vernimmt, bevor man sich fasziniert<br />
in Floras Fantasien wiederfindet.<br />
Kapitel 1: Jeder ist ein Alien<br />
„Ich habe schon mit vier Jahren bei Ausstellungen geholfen,<br />
Keilrahmen für Bilder zusammenzuhämmern.<br />
Später bin ich mit meinem Vater zu Künstlerresidenzen<br />
(Plätze für kreatives Arbeiten; Anm.) gereist. Wir haben<br />
dort gemeinsam viel Zeit verbracht. Aufgewachsen bin<br />
ich in Salzburg – in einer Familie, in der Kunst ganz<br />
wichtig ist. Ich bin sehr froh über diesen Reichtum,<br />
den ich da mitbekommen habe.<br />
Mein Vater (Wolfgang Seierl; Anm.) hat Gitarre und<br />
Malerei studiert und organisiert seit Jahren das KomponistInnenforum<br />
Mittersill – ein Festival, das dem<br />
Komponisten Anton Webern gewidmet ist. Als Kind<br />
habe ich dort Kabel getragen, als Jugendliche das Essen<br />
„Meine Kleider sind die<br />
Sammlung meiner Gedanken.“<br />
THE RED BULLETIN 55
Fashion<br />
„Ich stecke mein gesamtes Geld<br />
in meine Mode-Kreationen.“<br />
PRESS RESET<br />
So heißt die Debüt-Kollektion<br />
von Flora Miranda aus dem<br />
Jahr 2016 – hier der Hosenanzug<br />
„Delete Yourself“<br />
und das Kleid „Spectral“,<br />
beides aus Silikon.<br />
serviert. Erst später bin ich draufgekommen, welch<br />
wichtige Künstler da oft anwesend waren. Wahrscheinlich<br />
fällt es mir deshalb noch heute leicht, mit Menschen<br />
„aus der Kunst“ zu arbeiten. Zu der Zeit bin ich schon<br />
ins Musische Gymnasium gegangen. Da gab es Zwölfjährige,<br />
die am Mozarteum studiert haben. Ich habe gemalt,<br />
ich war begabt, und ich wurde gefördert. Jeder<br />
von uns Schülerinnen und Schülern war ein Charakter.<br />
Die Kreativität hat uns einander aber nicht nähergebracht.<br />
Man fühlt sich trotzdem wie ein Alien, wenn<br />
man nicht die Dinge tut, die Zwölfjährige normalerweise<br />
machen.<br />
Ich bin immer noch sehr kontrolliert, aber ich versuche,<br />
das aufzubrechen. Man wird in diesem künstlerischen<br />
Bereich zum Individualisten geformt. Das ist<br />
etwas, wo ich gemerkt habe, dass es nicht in jeder Situation<br />
guttut. Um gemein sam mit anderen Leuten zu arbeiten,<br />
ist es notwendig, sich einzugliedern. Beides ist<br />
wichtig für mich. Aber es ist eine Herausforderung,<br />
zu erkennen, dass man nicht immer der sein muss,<br />
der speziell ist.<br />
Heute besteht mein Alltag nur daraus, mit Menschen<br />
zu arbeiten, deswegen ist diese Fähigkeit für mich ganz<br />
entscheidend. Der Individualismus ist wichtig, um ein<br />
stilistisches Alleinstellungsmerkmal zu entwickeln und<br />
sich so von anderen Designern weltweit abzuheben.<br />
Es ist andererseits aber schon auch wichtig, dass<br />
man das weiß, dass am Ende das Zusammensein am<br />
schönsten ist. Ich mag in meiner Art eigen sein. Aber ich<br />
bin sehr gerne mit Menschen zusammen.“<br />
Flora Miranda geht zum Studium nach Antwerpen,<br />
Belgien. Die Königliche Akademie der schönen Künste<br />
gilt als Avantgarde-Hochburg. Deren bekannteste Absolventen<br />
sind die „Antwerp Six“, allesamt weltberühmte<br />
Modedesigner: Dries van Noten, Ann Demeulemeester,<br />
Walter van Beirendonck, Dirk Bikkembergs, Marina Yee<br />
und Dirk van Saene. Aber auch Martin Margiela, Haider<br />
Ackermann und Kris Van Assche haben hier studiert.<br />
Nach ihrem Abschluss arbeitet Flora für die niederländische<br />
Designerin Iris van Herpen, später gründet<br />
sie ihr eigenes Label.<br />
56 THE RED BULLETIN
KREATIVER<br />
KOPF<br />
Flora Miranda mit<br />
Selbstporträt<br />
„Memories“:<br />
daheim zwischen<br />
Mode und Kunst<br />
„Ich bin immer noch sehr kontrolliert,<br />
aber ich versuche, das aufzubrechen.“
„Kunst regt dich an, dein<br />
Leben zu hinterfragen.“<br />
HEISSER STOFF<br />
Flora experimentiert gern<br />
mit Materialien (hier: ein<br />
Silikonkleid), was ihren<br />
Entwürfen anziehende<br />
Sinnlichkeit verleiht.<br />
Kapitel 2: Ins Extrem gehen<br />
„Für mich hat die Kunst eine wichtige Rolle in der Gesellschaft.<br />
Ihre Aufgabe ist es, Freiräume zu schaffen,<br />
wo unsere Realität reflektiert wird. Wo man Zeit hat,<br />
zu schauen, zu denken und seine eigenen Ansichten zu<br />
entwickeln. Dafür darf der Künstler ins Extrem gehen,<br />
das Gewohnte reizen, damit er mir die Gelegenheit gibt,<br />
mein Leben zu hinterfragen.<br />
Ich möchte solch einen Raum in der Mode schaffen.<br />
Natürlich nicht immer. Mode kann auch sehr angewandt<br />
sein, also einfach nur die Haut schützen. Es kommt<br />
immer darauf an, wofür sie gedacht ist. Ich verfolge<br />
verschiedene Richtungen. Einerseits will ich eben Freiräume<br />
schaffen, und da denke ich schon, dass meine<br />
Kreationen der Kunst nahe sind.<br />
Andererseits habe ich auch Stücke, die einfach tragbar<br />
sind. Für spezielle Gelegenheiten schlüpfe ich auch<br />
in Couture-Stücke, nur meine skulpturalen Stücke trage<br />
ich eher nicht, ich bin ja keine Performance-Künstlerin.<br />
Ich trage übrigens sehr viel Kleidung, die mir gegeben<br />
wurde. Wenn anderen Leuten ihre Kleidung nicht mehr<br />
passt, finde ich es gut, sie zu tragen. Mein Fokus liegt<br />
woanders. Ich stecke mein gesamtes Geld in meine Kreationen.<br />
Mein Label habe ich gegründet, weil ich erkannt<br />
habe, dass kaum jemand für die Avantgarde der Mode<br />
steht. Deshalb habe ich auch in Antwerpen studiert,<br />
weil ich mit meinem künstlerischen Hintergrund die<br />
Kreativität in der Mode hochhalten wollte.<br />
Ich arbeite sehr eklektisch, ich habe nicht diese eine<br />
Arbeitsweise. Ausgangspunkt ist bei meinen Kreationen<br />
immer ein <strong>The</strong>ma, ein Konzept. Das hat immer mit dem<br />
digitalen Dasein des Menschen zu tun, gepaart mit<br />
Materialstudien. Ich habe ständig Ideen, um die herum<br />
sich Menschen, Bücher, Musik, visuelle Formen akkumulieren,<br />
bis sie so etwas wie eine Traube bilden – und<br />
auf einmal ist ein <strong>The</strong>ma bereit, umgesetzt zu werden.“<br />
Das Ergebnis sind Kleider, die oft wie Skulpturen wirken.<br />
Kreationen, die aus langwieriger Denkarbeit entstehen,<br />
aus der Beschäftigung mit Mathematik und ihrer Übersetzung<br />
in Computer-Codes. Sie sind aber keineswegs<br />
ein ausschließlich intellektuelles Vergnügen, im Gegenteil:<br />
Viele ihrer Arbeiten bergen eine anziehende Sinnlichkeit.<br />
Flora Miranda zeigt sie seit 2018 bei den Haute-<br />
Couture-Schauen in Paris, manche haben den Weg<br />
in Museen gefunden, internationale Künstler-Stylisten<br />
(etwa von Lady Gaga, Miley Cyrus, Sita Abellan, M.I.A.)<br />
lieben ihre aufregenden Looks.<br />
Kapitel 3: Wer programmieren kann,<br />
gewinnt Freiheit<br />
„Ich bin insgesamt eher chaotisch, deshalb versuche ich,<br />
strukturiert zu arbeiten. Ich fange jeden Tag spätestens<br />
um neun Uhr an. Ich arbeite den Großteil meines Lebens.<br />
Erst während des Lockdowns habe ich herausgefunden,<br />
dass ich auch etwas anderes kann als arbeiten. Vorher<br />
gab es in meinem Hirn nicht die Möglichkeit, etwas<br />
anderes zu tun.<br />
Schon seit vielen Jahren frage ich mich, wo sich<br />
unsere Gesellschaft hinbewegt mit all dem Produzieren,<br />
Analysieren und dem Nutzen von Daten. Und ich finde,<br />
um kreativ damit umzugehen, muss man die Sprache,<br />
mit der diese Daten gemanagt werden, beherrschen.<br />
Ich fühle mich machtlos, wenn ich nicht programmieren<br />
kann. Indem man programmiert, gewinnt man<br />
58 THE RED BULLETIN
Fashion<br />
MUSEUMSREIF<br />
Flora im Modemuseum Hasselt,<br />
Belgien. Sie trägt ihre Kreation<br />
„Memory“ und hält das Kleid<br />
„Radiation“ im Arm. Im Hintergrund:<br />
Museumsstücke<br />
anderer Designer<br />
„Mich fasziniert der Gedanke, dass etwas fluide ist,<br />
dass ich ein Kleidungsstück morphen kann.“<br />
MAKE-UP: LAURA NOBEN<br />
Freiheit. Ich bin deshalb auch an Datenvisualisierung<br />
interessiert, weil ich mir gerne vorstelle, dass der Körper<br />
aus Daten besteht. Es erweitert die Fantasie, das Immaterielle<br />
ist etwas, was den Menschen auf viele Arten<br />
fasziniert. Wir sehnen uns danach, die Last des Körpers<br />
hinter uns zu lassen.<br />
Der Gedanke ist nichts Neues, das hat nichts mit Spiritualität<br />
zu tun, sondern mit Wissenschaft. Mich interessiert,<br />
was man mit den Daten anfangen kann.<br />
Meine ‚IT Pieces‘ sind ein erster großer Schritt. Das<br />
hat nichts mit It-Girls zu tun, sondern steht für Information<br />
Technology. Es sind veränderbare Kleidungs stücke,<br />
die auf persönliche Daten reagieren.<br />
Konkretes Beispiel: Ich könnte beispielsweise diesen<br />
Text analysieren und aus den Gefühlen, die darin vorkommen,<br />
aus Tausenden von Liedern eine Songzeile für<br />
ein T-Shirt destillieren.<br />
Meine Kreation ‚Avatar‘, die es als Pullover, als Kleid<br />
und als Abendkleid gibt, ist von den Avataren in ‚Second<br />
Life‘ (einer virtuellen Welt, in der echte Menschen als<br />
künstliche Figuren auftreten; Anm.) inspiriert. In meinem<br />
Online-Shop lässt sich das Design, eine Gitterstruktur,<br />
verändern. Diese veränderte Gitterstruktur wiederum<br />
lässt den Körper anders aussehen – üppiger oder weniger<br />
kurvig, ganz nach Belieben.<br />
Ich habe eine ganz bestimmte Idee von der Zukunft<br />
der Mode. Meine Vision ist, dass sich datengetriebene<br />
Kleidungsstücke abhängig von Trägerin und Träger<br />
ändern und dass es auch am Betrachter liegt, was er zu<br />
sehen bekommt. Mich fasziniert, wenn etwas fluide ist<br />
– dass ich ein Kleidungsstück morphen, es also fließend<br />
verändern kann. Ich glaube, dass die digitale Welt uns<br />
diesen Wunsch erfüllen kann.“<br />
Epilog<br />
Frage: Wirst du das noch erleben?<br />
„Das kommt darauf an, wie hart ich arbeite.“<br />
Mehr Flora Miranda in allen Lagen auf Instagram: @floramirandaofficial<br />
oder auf ihrer Webseite: floramiranda.com<br />
THE RED BULLETIN 59
Rallye Dakar
„Der Beifahrer hat<br />
immer das Sagen“<br />
Der Deutsche Co-Pilot <strong>DE</strong>NNIS ZENZ, 31, will die Rallye Dakar<br />
mit Seth Quintero, 19, gewinnen – dem jüngsten Fahrer im Feld.<br />
Ein Gespräch über die Psychologie im Auto, gemeinsames<br />
Weinen und Teamwork bei 180 km/h. Text WERNER JESSNER<br />
ARIEL WOJCIECHOWSKI/RED BULL CONTENT POOL<br />
ARBEITSPLATZ WÜSTE<br />
Der Side-by-Side-Buggy von<br />
Seth Quintero und Co-Pilot<br />
Dennis Zenz in Marokko<br />
61
Rallye Dakar<br />
November 2021, eine Lagerhalle in Dubai.<br />
Dieser Tage wird hier allerdings nicht gelagert,<br />
sondern geschraubt. Die Crew des<br />
<strong>Red</strong> Bull Offroad Junior Teams bereitet<br />
Side-by-Side-Rennwagen (eine Art Dünen-<br />
Buggy; Anm.) für die Piloten Cristina<br />
Gutiérrez und Seth Quintero vor, Letzterer<br />
ist der jüngste Etappensieger in der<br />
Geschichte der Rallye Dakar. 2002 in<br />
Kalifornien geboren, verbrachte der US-<br />
Boy nahezu sein ganzes Leben auf vier<br />
Rädern in der Wüste. Im Alter von zehn<br />
Jahren fuhr er sein erstes Rennen, mit elf<br />
war er Junioren-Weltmeister. Mit sechzehn<br />
hatte er so gut wie alles gewonnen,<br />
was es im amerikanischen Offroad-Sport<br />
zu gewinnen gibt. Ab diesem Moment<br />
gab es nur noch eine Steigerung: die<br />
Dakar, die härteste Rallye der Welt, ausgetragen<br />
in Saudi-Arabien. Gleich bei<br />
seinem ersten Start im Januar 2021 gewann<br />
der Teenager zwei Etappen und verpasste<br />
den Gesamtsieg nur wegen eines<br />
Getriebeschadens.<br />
An der Seite von Seth sitzt einer, der<br />
dafür zuständig ist, den Jungstar behutsam<br />
zu lenken, einzubremsen oder anzutreiben:<br />
der Deutsche Dennis Zenz. Er<br />
hat 16 Jahre Erfahrung als Beifahrer. Die<br />
Stimmung während unseres Interviews<br />
ist blendend – was auch daran liegt, dass<br />
Wirbelwind Seth durch die Halle tobt<br />
und im Hintergrund allerhand Schabernack<br />
treibt. „So ist er“, sagt Dennis grinsend,<br />
bevor wir das Gespräch beginnen.<br />
THE RED BULLETIN: Die meisten Motorsportler<br />
wollen hinters Lenkrad. Warum<br />
bist du Beifahrer geworden?<br />
dennis zenz: Ich habe mit acht Jahren<br />
begonnen, Kartrennen zu fahren. Ich<br />
komme aus keinem reichen Elternhaus.<br />
Meine Eltern haben getan, was ihnen<br />
möglich war, aber für eine Profi-Karriere<br />
hätte es nie gereicht. Ein Freund betrieb<br />
neben einem Formel- auch ein Rallye-<br />
Team. Er hat mich mit dreizehn auf den<br />
Beifahrersitz gesetzt, damit ich lernen<br />
konnte – um mit achtzehn dann nicht<br />
von null starten zu müssen, falls ich es<br />
selbst als Fahrer probieren wollte. Mit<br />
fünfzehn darf man in Deutschland ganz<br />
offiziell Rallye-Beifahrer sein. Das habe<br />
ich gemacht, und weil es von Anfang an<br />
gut geklappt hat, bin ich dabei geblieben.<br />
Ab wann konntest du vom Beifahrer-<br />
Sein leben?<br />
Ende 2015 habe ich mich selbständig gemacht.<br />
Zuvor habe ich meine Ausbildung<br />
als Kfz-Mechatroniker abgeschlossen,<br />
um Kompetenz ins Auto mitzubringen.<br />
Meine Lehrer haben mich damals angefleht,<br />
doch das Abi zu machen, aber<br />
ich wollte die Technik der Rennautos verstehen.<br />
Heute würde ich Abi und Studium<br />
durchziehen, aber ich war damals so<br />
beseelt vom Sport, dass nur die Lehre in<br />
Frage kam. Ich hatte immer einen Plan,<br />
von dem ich mich nie abbringen ließ.<br />
Sieht man deine Karriere-Statistik an,<br />
fällt auf, dass du selten mit Crash-<br />
Piloten unterwegs warst, eventuell mit<br />
Ausnahme der Saison 2017 in der deutschen<br />
Rallye-Meisterschaft. Zufall?<br />
In der Tat sehe ich den Job des Beifahrers<br />
auch als den eines Psychologen. Ich kann<br />
einem Fahrer aggressiv vorlesen und<br />
ihn anstacheln oder aber ihn beruhigen.<br />
Die Zwischentöne zu erspüren, das ist<br />
Erfahrungssache; und etwas, was gutes<br />
Teamwork ausmacht. Vermutlich ist es<br />
auch das, was mich die letzten fünfzehn,<br />
sechzehn Jahre hat weitestgehend unfallfrei<br />
überstehen lassen.<br />
Suchst du dir deine Fahrer danach aus,<br />
wie gut sie sich lenken lassen?<br />
Nein, in der Regel wird man zusammengesetzt<br />
und baut danach eine Beziehung<br />
zueinander auf. So war es auch mit Seth.<br />
Man verbringt viel Zeit gemeinsam und<br />
lernt einander kennen. So lernt man<br />
Stärken wie Schwächen kennen und<br />
weiß, wie man miteinander umgeht und<br />
wo man den Partner piksen muss.<br />
„Unsere Rollen<br />
im Auto: Links lenkt,<br />
rechts denkt.“<br />
Vorbereitung auf die Rallye Marokko: Pilot Seth Quintero (im Auto) und Co-Pilot Dennis Zenz<br />
62 THE RED BULLETIN
„Ein Beifahrer ist<br />
immer auch Psychologe,<br />
der seinen<br />
Fahrer anstachelt<br />
oder bremst.“<br />
Im Rallye-Auto hast du sogenannte<br />
Pace-Notes, in denen jede Kurve auf<br />
der Strecke präzise vermerkt ist. Diese<br />
Pace-Notes erstellst du selbst, indem du<br />
die Strecke mit deinem Fahrer vorher<br />
abfährst. Auf der Dakar bekommt du<br />
15 Minuten vor dem Start eine grobe<br />
Orientierung. Da kann durchaus auch<br />
mal drinstehen: „20 Kilometer geradeaus“.<br />
Wie geradeaus „geradeaus“ dann<br />
wirklich ist, kannst du dir vor Ort mit<br />
dem Kompass überlegen. Hier hat mir<br />
Dirk Tricks und Kniffe beigebracht,<br />
wie man das in der Praxis umsetzt.<br />
ARIEL WOJCIECHOWSKI/RED BULL CONTENT POOL, MARCIN KIN/RED BULLL CONTENT POOL<br />
Das heißt, du bist derjenige mit der<br />
Kontrolle im Auto?<br />
Der Beifahrer hat immer das Sagen.<br />
Idealerweise konzentriert sich der Fahrer<br />
nur aufs Fahren, um alles andere kümmere<br />
ich mich. Links lenkt, rechts denkt.<br />
Gilt das in jedem Fall? Du bist ja zum<br />
Beispiel auch mit der deutschen Rallye-<br />
Legende Armin Schwarz gefahren,<br />
und dem muss man in diesem Sport<br />
ja wirklich nichts mehr erklären.<br />
Stimmt genau! Mit Armin habe ich seit<br />
2016 zusammengearbeitet, da durfte ich<br />
viel lernen. In Stress-Situationen denke<br />
ich noch heute an ihn: wie er cool und auf<br />
das Wesentliche fokussiert bleibt. Aber<br />
auch er hat seine heißblütigen Momente.<br />
Sobald er den Helm aufhat, wird er zum<br />
Rennfahrer, für den es nur Vollgas gibt.<br />
GUTER GUI<strong>DE</strong><br />
Dennis Zenz, Jahr gang 1990,<br />
steht 2022 am Start seiner erst<br />
zweiten Rallye Dakar – und ge hört<br />
doch schon zu den Favoriten.<br />
Gerade auf der Rallye Dakar hat<br />
Deutschland eine schöne Tradition<br />
erfolgreicher Beifahrer von Siegern,<br />
von Dirk von Zitzewitz über Timo<br />
Gottschalk bis zu dir. Gibt es da ein<br />
geheimes Netzwerk?<br />
Mein erster Kontakt war tatsächlich Dirk.<br />
Bis voriges Jahr hatte ich keine Berührungspunkte<br />
mit der Dakar oder dem<br />
Rallye-Raid-Sport (Offroad-Langstreckenrennen;<br />
Anm.) generell. Er hat mich als<br />
Mentor an der Hand genommen und mir<br />
erklärt, worauf es ankommt. Er wohnt<br />
hinter Hamburg, da haben wir ein Sideby-Side-Buggy<br />
geschnappt, und ich habe<br />
von ihm in der Praxis gelernt.<br />
Kannst du erklären, wie sich die Arbeit<br />
eines Beifahrers auf der Dakar von<br />
jener im Rallye-Auto unterscheidet?<br />
Wie schaltet man um zwischen<br />
180 km/h im Wald auf präzise Orientierung<br />
zwischen Geröllbrocken und<br />
in Dünenfeldern?<br />
Der Umstieg vom Rallye- ins Dakar-Auto<br />
ist leichter, weil die Geschwindigkeit<br />
geringer ist. In der anderen Richtung<br />
braucht es ein paar Kilometer, um sich<br />
an den Speed zu gewöhnen.<br />
Du bist 2021 deine erste Dakar gefahren.<br />
Wie viel Erfahrung mit Navigation<br />
im offenen Gelände hattest du?<br />
Null.<br />
Wie „null“?<br />
Die Rallye Dakar 2021 war mein zweiter<br />
Rallye Raid überhaupt. Und da wir in der<br />
Vorbereitung technische Probleme hatten,<br />
war mein tatsächlicher Erfahrungsschatz<br />
minimal. Ende September kam der Anruf<br />
mit der Anfrage, eine Woche später saß<br />
ich mit Seth im Auto und fuhr meinen<br />
ersten Rallye Raid in Andalusien. Danach<br />
kam schon die Dakar. Ich wusste<br />
nicht, wie Dünen aussehen, ich kannte<br />
die Organisation nicht, und ich musste<br />
erst lernen, wie die ganzen Instrumente<br />
funktionieren.<br />
Und trotzdem habt ihr dann<br />
zwei Etappen gewonnen.<br />
THE RED BULLETIN 63
Rallye Dakar<br />
Ich erinnere mich an den ersten Tag. Ich<br />
war so überfordert, dass ich Seth einfach<br />
gesagt habe, er soll den Spuren der vor<br />
uns Gestarteten folgen. Aber am Ende<br />
haben wir das gut gemeistert.<br />
Moment mal: Gerade hast du gesagt,<br />
der Beifahrer ist der Chef im Auto.<br />
Und wenn der Chef keine Ahnung hat?<br />
Seth hatte ja auch keine Ahnung, darum<br />
ist das nicht aufgefallen (grinst). Wir sind<br />
gemeinsam gewachsen und haben uns gut<br />
reingearbeitet. Bis zu unserem Getriebeschaden<br />
lagen wir solide in den Top drei<br />
– der gerade erst 18 Jahre alt gewordene<br />
US-Boy und das Beifahrer-Greenhorn.<br />
Musstest du eigentlich schlucken,<br />
als sich herausgestellt hat, dass Seth<br />
Quintero dein Fahrer ist? Ein offensichtlich<br />
völlig durchgeknallter Teenager,<br />
und du neben ihm?<br />
Ich bin schon neben dem 13 Jahre alten<br />
Fabio Schwarz im R5-Rallye-Auto gefahren.<br />
Ich habe immer viel mit Jungen<br />
gearbeitet. Ich bin zwar mittlerweile<br />
31 Jahre alt, fühle mich aber wie Anfang<br />
20. Ich sehe den Altersunterschied nicht<br />
so dramatisch. Junge Leute lernen rasch<br />
und setzen es direkt um. Insofern musste<br />
ich nicht lang überlegen, als das Angebot<br />
mit Seth kam. Er ist schnell, wahnsinnig<br />
talentiert und die große Hoffnung in den<br />
Staaten. Insofern ist es eine Ehre, mit<br />
ihm arbeiten zu dürfen.<br />
Wie ist er außerhalb des Autos?<br />
Er albert ständig rum und kann keine<br />
Sekunde stillsitzen.<br />
Wie zur Bestätigung Jubel im Hintergrund:<br />
Seth hat es geschafft, eine volle<br />
Wasserflasche so auf einen Balken in der<br />
Halle zu werfen, dass sie oben stehen<br />
bleibt. Im Stil eines Football-Spielers,<br />
der einen Touchdown geschafft hat, lässt<br />
er sich von imaginären Massen feiern.<br />
Genau so ist er. Genau so. Ein verrückter<br />
Hund. Lässt sich nicht verbiegen. Ein<br />
super Typ durch und durch.<br />
Hast du keine Angst am Beifahrersitz?<br />
Nein, gar nicht. Bei Rallye Raids in<br />
der Wüste fühle ich mich sehr sicher.<br />
Bei normalen Rallyes fahren wir mit<br />
180 km/h auf Asphalt oder Schotter<br />
zwischen Bäumen. Das halte ich für<br />
deutlich gefährlicher.<br />
„In der Wüste fühle<br />
ich mich sicher.<br />
180 km/h zwischen<br />
Bäumen sind deutlich<br />
gefährlicher.“<br />
Der Mann mit dem Plan: Dennis ist<br />
schon sein halbes Leben lang Beifahrer.<br />
Gerade bei der Dakar sind es aber<br />
doch oft Beifahrer, die sich verletzen<br />
– wie zum Beispiel Daniel Elena<br />
am heißen Sitz der Rallye-Legende<br />
Sébastien Loeb.<br />
Wir Beifahrer sind in der Wüste so mit<br />
unseren Instrumenten beschäftigt, dass<br />
wir viele Gefahrenmomente gar nicht<br />
erkennen und den Körper im Ernstfall<br />
nicht auf den Einschlag vorbereiten können.<br />
Das ist in der Tat ein Problem. Wir<br />
Beifahrer sind die potenziellen Schwachstellen.<br />
Aber jeder, der ins Auto steigt,<br />
weiß und akzeptiert das.<br />
Warum machst du das?<br />
Jeden Tag sterben mehr Menschen im<br />
Bett als im Auto. Und trotzdem legen wir<br />
uns jeden Tag wieder in die Kiste.<br />
Neben der reinen Navigation sollst du<br />
also auch noch Psychologe sein und<br />
den Fahrer kontrollieren. Das stelle<br />
ich mir anstrengend vor.<br />
Tatsächlich kontrollieren muss ich Seth<br />
selten. In der Praxis ist es eher so, dass<br />
ich nach vier, fünf Stunden im Auto bemerke,<br />
dass sich Routine einschleicht,<br />
MARCIN KIN/RED BULLL CONTENT POOL<br />
64 THE RED BULLETIN
SHAKEDOWN<br />
In der Wüste Marokkos fahren<br />
Seth und Dennis die entscheiden<br />
den Material-Tests für die<br />
Rallye Dakar im Januar 2022.<br />
THE RED BULLETIN 65
Rallye Dakar<br />
und ich ihn auffordere, für die letzten<br />
70, 80 Kilometer besonders achtzugeben.<br />
Konzentriert zu fahren, keinen<br />
Reifenschaden zu riskieren. Ich drücke<br />
quasi auf den Reset-Knopf und signalisiere<br />
ihm, dass der Tag gerade neu<br />
begonnen hat. Dakar ist kein Rennen, es<br />
ist ein Abenteuer. Zuallererst geht es ums<br />
Durchkommen. Je weniger Probleme du<br />
unterwegs hast, desto weiter vorne wirst<br />
du sein.<br />
Bei Problemen: Wer wirft zuerst die<br />
Nerven weg?<br />
Wir hatten bei der letzten Dakar leider<br />
viele technische Probleme, die in diesem<br />
Jahr hoffentlich aussortiert sein sollten.<br />
Nach jeder schlechten Zeit kommt eine<br />
gute. Wir verlieren als Team, und wir gewinnen<br />
als Team. Nerven wegschmeißen<br />
bringt nix.<br />
Als voriges Jahr, in Führung liegend,<br />
bei euch das Getriebe eingegangen ist:<br />
Was habt ihr gemacht?<br />
Geweint (lacht). Wir hatten gerade<br />
unseren härtesten Gegner überholt, der<br />
mit einem Reifenschaden in der Wüste<br />
stand. Zehn Kilometer später gab es<br />
einen riesigen Knall im Fahrzeug, und<br />
wir standen. Der Traum war geplatzt.<br />
Nach der ersten Frustration haben wir<br />
uns daran gemacht, alles vorzubereiten,<br />
bis der Lkw kam, der uns abschleppte.<br />
Wie waren 14 Stunden hinterm Lkw?<br />
Schweigsam. Trotzdem haben wir uns<br />
auf den nächsten Tag vorbereitet und<br />
unsere Ziele neu definiert. Der Druck<br />
des Gesamtsieges war weg. In dieser<br />
Nacht hatten wir zwei Stunden Schlaf.<br />
Wir starteten dann ganz hinten, mitten<br />
in den Staubfahnen der anderen. Es war<br />
eine wunderschöne Etappe mit Steinformationen<br />
wie Pilzen. Wir konnten das<br />
wirklich genießen. Am Tag darauf haben<br />
wir beschlossen, volle Attacke zu gehen.<br />
Es war die härteste Etappe der Rallye,<br />
und wir haben sie überlegen gewonnen.<br />
„Wir haben die<br />
härteste Etappe<br />
überlegen gewon nen.<br />
Das war psychologisch<br />
wichtig.“<br />
Das war psychologisch wichtig: Wir<br />
können es, wir sind die Schnellsten,<br />
auch wenn wir in der Gesamtwertung<br />
nirgendwo liegen.<br />
Spürt man als Beifahrer, wenn der<br />
Fahrer im Flow ist?<br />
Du bist gemeinsam im Flow, als Team.<br />
Ja, das spürst du. Im Auto herrscht eine<br />
innere Ruhe. Jede Ansage von mir, jede<br />
Bewegung von Seth sitzt. Härter ist es,<br />
wenn du spürst, dass wenig zusammenpasst.<br />
An diesen Tagen wenig Fehler<br />
zu machen ist oft entscheidender, als es<br />
an den guten Tagen fliegen zu lassen.<br />
Welche Sorte von Tag es wird, spüre ich<br />
schon auf den ersten Metern.<br />
Sagen wir, dir unterläuft ein Fehler,<br />
und ihr habt euch um fünf Kilometer<br />
verirrt …<br />
Dann musst du ruhig bleiben. Schauen,<br />
wo der Fehler passiert ist und wie wir<br />
wieder auf die richtige Route zurückkommen,<br />
ohne zu viel Zeit liegen zu<br />
lassen. Panik bringt da gar nix. Positiv<br />
bleiben, weitermachen.<br />
Wie reagiert Seth da?<br />
Der bleibt ganz cool. Rallye Raid ist<br />
ein klassischer Teamsport. Mal macht<br />
der eine einen Fehler, mal der andere.<br />
Wir gewinnen und verlieren als Team.<br />
Vorwürfe wären kontraproduktiv. In der<br />
Rallye heißt es: Der Fahrer gewinnt, der<br />
Beifahrer verliert. Im Rallye Raid ist klar,<br />
dass vier Augen mehr sehen als zwei.<br />
Im Unterschied zu den Motorradfahrern,<br />
die bei der Dakar als Erste<br />
starten und sich in der unverspurten<br />
Wüste zurechtfinden müssen, ist euer<br />
Problem wohl eher die Vielzahl an<br />
Fährten. Wie unterscheidet man die<br />
guten von den weniger guten?<br />
Zu 80 Prozent stimmen die Spuren.<br />
Zu 20 Prozent musst du hart an der<br />
Navi gation bleiben und dich auf das<br />
verlassen, was im Aufschrieb steht. Gerade<br />
wenn wir hinter den Lkw starten,<br />
wird es schwierig, weil die über alles<br />
drüber fahren und der Sand völlig zerwühlt<br />
ist. Die Navigation ist eher dort<br />
ein <strong>The</strong>ma, wo es weniger Reifenspuren<br />
gibt, zum Beispiel im Geröll.<br />
ARIEL WOJCIECHOWSKI/RED BULL CONTENT POOL<br />
66 THE RED BULLETIN
Seth Quintero steht mittlerweile hinter<br />
Dennis und schneidet Grimassen. Das<br />
bleibt dem nicht verborgen: „Wie soll man<br />
sich neben so einem konzentrieren?“,<br />
fragt er rhetorisch und schneidet eine<br />
Grimasse zurück. Die beiden verstehen<br />
einander offenbar blendend.<br />
Wie entsteht der Plan für den<br />
jeweiligen Tag?<br />
Der kommt in der Regel von mir, weil<br />
ich weiß, welches Gelände uns erwartet.<br />
Seth hat einen Mega-Speed in den<br />
Dünen, auf Sand ist er extraklasse. Das<br />
ver suchen wir natürlich auszunutzen.<br />
Ich sage dann zum Beispiel: Lass uns bei<br />
Kilometer 80 etwas langsamer machen,<br />
denn da ist die Navigation besonders<br />
schwierig. Wenn es die Möglichkeit<br />
gibt, zu pushen, dann macht er das<br />
ganz von selbst. Mein Job ist eher, ihn<br />
taktisch zu zügeln, wenn ich meinen<br />
Pace-Notes entnehme, dass eine potenzielle<br />
Gefahr droht.<br />
Wie leitet er dich?<br />
Gar nicht. Er fährt einfach.<br />
„An schlechten<br />
Tagen wenig Fehler<br />
zu machen ist<br />
oft entscheidender,<br />
als an guten<br />
zu brillieren.“<br />
GASFUSS<br />
Dennis (li.) und Seth<br />
entspannt vor dem<br />
Start zur Rallye<br />
Marokko in Zaghura<br />
Kannst du die Emotionen nach eurem<br />
ersten Etappensieg beschreiben?<br />
Seth Quintero war immerhin jüngster<br />
Sieger der Dakar-Geschichte …<br />
Kann ich in der Tat. Wir sind auf Khalifa<br />
al-Attiyah aufgelaufen, den Bruder des<br />
Dakar-Siegers Nasser. Der ist immer flott,<br />
darum wussten wir, dass unsere Pace<br />
gut war. Beim Tankstopp bemerkten wir,<br />
dass wir einen schleichenden Plattfuß<br />
hatten. So haben wir die gewonnene<br />
Zeit wieder verloren. Dann haben wir<br />
das Loch abermals zugefahren und ihn<br />
ein zweites Mal überholt. Schließlich<br />
haben wir mit 23 Sekunden Vorsprung<br />
gewonnen. Da war schon auch ein bisschen<br />
Wut im Bauch dabei. Seth wollte<br />
auf seiner ersten Dakar unbedingt einen<br />
Etappensieg, und das war dann entfesselte<br />
Freude.<br />
War es der Höhepunkt eurer gemeinsamen<br />
Karriere?<br />
Nein, unseren zweiten Etappensieg<br />
am Tag elf schätze ich noch höher ein,<br />
weil er so dominant ausfiel.<br />
Wie populär ist Seth in Amerika?<br />
Ich war noch nicht mit ihm in den USA,<br />
aber was man so mitkriegt und liest, ist<br />
er schon ein kleiner Star. Er hat in seinen<br />
Kategorien sämtliche Titel gewonnen,<br />
die er gewinnen konnte. Was ich am Beifahrersitz<br />
sehe: dass er ein unglaubliches<br />
Talent ist, mit einem Mega-Grundspeed.<br />
So chaotisch er außerhalb des Cockpits<br />
ist, so fokussiert ist er drinnen.<br />
Mittlerweile albert Seth offensiv rund<br />
um Dennis rum, was der mit der Drohung<br />
quittiert, ihm das Handy wegzunehmen.<br />
Später an diesem Tag beginnt der abschließende<br />
Test mit dem neuen, sequenziellen<br />
Getriebe, das deutlich haltbarer<br />
sein sollte als das bisher verwendete. Seth<br />
Quintero kann es offensichtlich kaum<br />
erwarten, hinter das Lenkrad zu dürfen,<br />
und lässt seine Umwelt das spüren.<br />
Das heißt, das Ziel für die Saison 2022<br />
ist eindeutig.<br />
Gewinnen, ja.<br />
Der nächste Schritt liegt ja ebenfalls<br />
auf der Hand.<br />
Klar, der Aufstieg in die T1-Klasse – zu<br />
den richtigen Autos. Das muss das Ziel<br />
sein. Ich staple gern tief, aber schon<br />
im ersten Jahr so knapp am Sieg dran<br />
ge wesen zu sein, das zeigt unser großes<br />
Potenzial.<br />
Manche Fahrer – auch Legenden wie<br />
Sébastien Loeb – rennen jahrelang<br />
vergebens gegen die Dakar an, während<br />
es bei anderen anscheinend wie<br />
von selbst funktioniert. Hast du eine<br />
Erklärung dafür?<br />
Nein, habe ich nicht. Es muss so viel<br />
zusammenpassen, um eine Chance zu<br />
haben. Und dann braucht es auch noch<br />
Glück. Sébastien habe ich bei der letzten<br />
Dakar auf der gesamten Rallye dreimal<br />
gesehen. Dreimal sind wir an ihm<br />
vorbeigefahren, weil er mit technischen<br />
Problemen im Sand steckte. Die Dakar<br />
ist ein Überlebenskampf, jeden Tag<br />
aufs Neue.<br />
Beschreibe bitte die Rallye Dakar<br />
in einem Satz.<br />
Ein Wort reicht: „alles“. Die Dakar ist<br />
alles. Ich hätte zuvor nie gedacht, welche<br />
Ausmaße das hat, aber es ist tatsächlich<br />
so, dass du nach der Zieldurchfahrt<br />
gleich an den nächsten Start denkst. Hier<br />
einmal – oder natürlich auch mehrmals<br />
– zu gewinnen wäre das Allergrößte für<br />
mich. Schon die Zielankunft bei der letzten<br />
Dakar hat sich wie ein kleiner Sieg<br />
angefühlt. Die Dakar zu gewinnen würde<br />
mir alles bedeuten. Wirklich alles.<br />
Die Rallye Dakar 2022 findet von 2. bis 14. Januar<br />
in Saudi-Arabien statt. Alle Infos: Instagram:<br />
#redbulldesertwings oder: dakar.com<br />
THE RED BULLETIN 67
Spitz<br />
die Ohren<br />
<strong>The</strong> <strong>Red</strong> <strong>Bulletin</strong> gibt’s nun auch zum<br />
Anhören: inspirierende Interviews, scharfe<br />
Porträts, abenteuerliche Reportagen.<br />
Jeden Mittwoch –<br />
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MICHAEL KÖHLMEIERS<br />
Kolumne<br />
Boulevard der Helden<br />
als Podcast-Serie
GUI<strong>DE</strong><br />
Tipps für ein Leben abseits des Alltäglichen<br />
NIMM NIMS!<br />
Mit dem nepalesischen<br />
Rekordbergsteiger<br />
Nirmal „Nims“ Purja<br />
auf den Mont Blanc<br />
SANDRO BAEBLER<br />
69
GUI<strong>DE</strong><br />
Reisen<br />
„Ich liebe das,<br />
was ich tue, aus<br />
tiefstem Herzen.“<br />
Der nepalesische Alpinist Nims Purja, 38, hat die<br />
vierzehn Achttausender in Rekordzeit bestiegen – und<br />
sich die Gipfel auf seinen Rücken tätowieren lassen.<br />
Bei seiner Destination <strong>Red</strong> Bull-Reise begleitet er dich<br />
auf den Mont Blanc.<br />
N<br />
etflix hat ihm eine eigene Doku<br />
gewidmet („14 Peaks: Nothing Is<br />
Impossible“), unter Kollegen der Extrembergsteiger-Szene<br />
ist er aktuell der unbestritten<br />
Größte, und sein Rekord wird<br />
wohl noch Jahre, wenn nicht Jahrzehnte<br />
halten: In unfassbaren sechs Monaten<br />
und sechs Tagen bestieg der 1983 im<br />
nepalesischen Flachland geborene Nirmal<br />
„Nims“ Purja alle 14 Achttausender auf<br />
diesem Planeten und unterbot den damals<br />
gültigen Rekord dabei um sieben Jahre<br />
und vier Monate. Was für andere eine<br />
Lebensaufgabe ist, ist für Nims ein besserer<br />
Wochenendausflug: Mount Everest<br />
(8848 m), Lhotse (8516 m) und Makalu<br />
(8463 m) bezwang der mittlerweile von<br />
der Queen zum Ritter geschlagene ehemalige<br />
Elitesoldat der britischen Royal<br />
Navy in 48 Stunden und 30 Minuten.<br />
„Project Possible“ taufte er das Projekt,<br />
das für jeden anderen wohl eine Mission<br />
Impossible gewesen wäre.<br />
Die Frau an Nims’ Seite<br />
Isabelle Santoire kam vor über 20 Jahren<br />
aus dem kanadischen Montréal in die<br />
Schweiz. Ihr damaliger Freund, ein Eishockeyspieler,<br />
hatte in Genf einen Vertrag<br />
bekommen, und sie folgte ihm. Selbst als<br />
er weiterzog, blieb sie da. Sie hatte sich<br />
erneut verliebt, und zwar in die Schweizer<br />
Berge. „Ich beendete mein Studium und<br />
ließ mich zur Bergführerin ausbilden.<br />
Heute bin ich eine von nur 16 Profi-<br />
Bergführerinnen in ganz Frankreich.“<br />
Rekord-Bergsteiger Purja, hier bei einem Besuch am Großglockner, bereist mit dir die Alpen.<br />
Nims Purja beim Aufstieg<br />
auf den Großglocker:<br />
Der Nepalese<br />
ist ein wahres Wunder<br />
in Sachen Ausdauer und<br />
gibt seine Tipps gern<br />
an seine Gäste weiter.<br />
70 THE RED BULLETIN
Anreise<br />
Chamonix, korrekt:<br />
Chamonix-Mont-Blanc,<br />
liegt im Dreiländereck Frankreich<br />
– Schweiz – Italien auf<br />
der französischen Seite.<br />
Mit dem Flugzeug: Der<br />
nächstgelegene Flughafen<br />
ist Genf, danach sind es<br />
über die A40 und N205 noch<br />
rund 90 Minuten mit dem<br />
Auto. Wahlweise gibt es auch<br />
einen direkten Bus ab dem<br />
Flug hafen Genf.<br />
Mit dem Auto: Aus Österreich<br />
oder Deutschland kommend<br />
über die Schweizer<br />
Autobahnen 1 und 12 bis nach<br />
Montreux, danach über die<br />
Chamonix<br />
Genf<br />
Frankreich<br />
A9 bis Martigny. Dann wird<br />
es spektakulär: Der weitere<br />
Weg führt über die Route de<br />
la Forclaz bei Châtelard über<br />
die französische Grenze und<br />
weiter nach Chamonix.<br />
destination.redbull.com<br />
Schweiz<br />
Mont Blanc<br />
Italien<br />
Zwischenziel: Refuge du Goûter, die höchstgelegene Hütte im Mont-Blanc-Massiv<br />
STEFAN VOITL/RED BULL CONTENT POOL, SHUTTERSTOCK, ADOBE STOCK<br />
WERNER JESSNER<br />
Isabelle hat Expeditionen auf der ganzen<br />
Welt geleitet und Chamonix am Fuß des<br />
Mont Blanc zu ihrer Heimat gemacht.<br />
Wie oft sie schon auf dem Gipfel war? Die<br />
zweifache Mutter lacht: „Keine Ahnung.<br />
Ich zähle da nicht mehr mit.“ Der höchste<br />
Berg der Alpen ist ihr Hausberg: „Er mag<br />
zwar technisch nicht sonderlich schwierig<br />
sein, aber jedes Mal, wenn ich nach Hause<br />
komme und ihn sehe, bin ich von seiner<br />
Schönheit fasziniert.“<br />
Für eine exklusive Destination <strong>Red</strong> Bull-<br />
Reise arbeiten Nims und Isabelle erstmals<br />
zusammen. Hier die perfekt organisierte –<br />
ja, doch – Einheimische, da jener Mann,<br />
der das Bergsteigen auf ein neues Level gehoben<br />
hat. Welche Fragen hat Isabelle an<br />
Nims Purja? „Viele! Doch am allermeisten<br />
Beim Aufstieg wird Nims die Seilschaften<br />
wechseln. So kommt jeder in den Genuss,<br />
mit dieser Legende geklettert zu sein.<br />
Gut zu wissen<br />
Ob man den 1786 erstbestiegenen<br />
Mont Blanc den höchsten Berg<br />
Europas nennen kann, ist Interpretationssache<br />
und tatsächlich<br />
nicht ausgemacht. Zählt man nämlich<br />
den Kaukasus noch zu Europa,<br />
wäre der 5642 Meter hohe Elbrus<br />
in Russland Europas höchster Berg.<br />
Unbestritten ist der Mont Blanc<br />
immerhin der höchste Berg Frankreichs.<br />
Allerdings reklamieren ihn<br />
die Italiener ebenfalls als ihren<br />
höchsten Berg, denn sie ziehen die<br />
Grenze genau über den Gipfel (was<br />
die Franzosen wiederum nicht so<br />
stehen lassen wollen). Auf gesichertem<br />
Terrain bewegen wir uns, wenn<br />
wir sagen: Der Mont Blanc ist der<br />
höchste Berg der Alpen.<br />
THE RED BULLETIN 71
TRAVEL EDITION<br />
DANIEL<br />
BÆKKEGÅRD<br />
Mit Dänemarks Ironman<br />
ins Gute-Laune-<br />
Triathlon-Camp auf<br />
Fuerteventura<br />
AUSGABE 4<br />
SAISON 2022/23<br />
TRAILRUNNING | SURFEN | MOUNTAINBIKEN | SEGELN<br />
FREERI<strong>DE</strong> SKIING | KAJAK | FOTOGRAFIE | FORMEL 1 | FOILING<br />
001_TRB01-TRB- 1 18.10.2021 15:31:35<br />
GUI<strong>DE</strong><br />
Reisen<br />
Das Ziel: Der Mont Blanc liegt an der Grenze zwischen Italien und Frankreich und ist mit seinen 4810 Metern der höchste Berg der Alpen.<br />
interessiert mich, wie er sich so schnell<br />
regeneriert. Gerade gestern habe ich an<br />
einem Berglauf teilgenommen, heute bin<br />
ich völlig zerstört. Nims scheint dieses<br />
Problem nicht zu kennen – wie sonst kann<br />
man drei Achttausender innerhalb von<br />
zwei Tagen schaffen?“<br />
Das Gipfel-Rezept<br />
Damit es bei der Destination <strong>Red</strong> Bull-<br />
Reise auf den Mont Blanc zu keinen Anpassungsschwierigkeiten<br />
kommt, werden<br />
die Gäste von Isabelle und Nims Tritt für<br />
Tritt an die Höhe herangeführt – etwa mit<br />
einer Wanderung auf die 3540 Meter hohe<br />
Aiguille du Tour. Am Arête des Cosmiques<br />
üben die Gipfelstürmer in spe den Umgang<br />
mit Pickel und Steigeisen in Fels und<br />
Eis, außerdem frischen sie Wissen über<br />
Berge- und Seiltechnik auf.<br />
Eben weil der Mont Blanc keine besonderen<br />
technischen Schwierigkeiten<br />
aufweist, ist er auch für Sportler machbar,<br />
die keine ausgewiesenen Alpinisten sind.<br />
Santoire: „Fehlende Bergroutine kann<br />
man auf diesem Berg durch exzellente<br />
Kondition ausgleichen. Geübte, trittsichere<br />
Bergläufer haben auf dem Mont Blanc<br />
ebenso eine Chance auf einen Gipfelsieg<br />
wie klassische Bergsteiger.“<br />
„Wann hat man<br />
schon die<br />
Gelegenheit, mit<br />
einer echten Berg-<br />
Legende eine<br />
Seilschaft zu bilden?“<br />
Isabelle Santoire, 53,<br />
Bergführerin in Chamonix, begleitet mit<br />
Nims Purja die Gäste auf der Reise.<br />
Die Tour wird den Teilnehmern unvergesslich<br />
bleiben, ist sich Isabelle Santoire<br />
sicher: „Wann hat man schon die Gelegenheit,<br />
mit einer echten Berg- Legende eine<br />
Seilschaft zu bilden?“ Nims Purja wird<br />
während des Aufstiegs Seilschaften wechseln.<br />
So kommt jeder der fünf Teilnehmer<br />
in den Genuss, mit Nims persönlich aufzusteigen.<br />
Übernachtet wird dabei auf<br />
Hütten, etwa der höchstgelegenen bewirtschafteten<br />
im Mont-Blanc-Massiv,<br />
dem Refuge du Goûter auf 3835 Metern.<br />
Was auf der für August 2022 geplanten<br />
Tour sicher nicht passieren wird: „Selbst<br />
wenn wir mit dem schnellsten Bergsteiger<br />
von allen unterwegs sind, werden wir nicht<br />
auf den Mont Blanc rennen“, sagt Santoire.<br />
„Die Reise ist als Naturaben teuer<br />
angelegt, nicht als Wettbewerb.“<br />
KOMM,<br />
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Infos zum Programm:<br />
destination.redbull.com<br />
GETTY IMAGES, ANGELA PERCIVAL<br />
72 THE RED BULLETIN
Das Tirol Gefühl<br />
www.tirol.at
GUI<strong>DE</strong><br />
Gaming<br />
GAMING & STYLE<br />
Digitaler<br />
Runway<br />
Fashion-Guru Jazzy Cho<br />
erklärt die Mode-Trends<br />
im Spielerfolg „Die Sims 4“.<br />
Flughäfen sind nicht gerade<br />
für ihre Modeszene bekannt.<br />
Eine Ausnahme ist der<br />
Incheon International Airport<br />
in Südkorea. Der futuristische<br />
Umschlagplatz mit Casino<br />
und Golfplatz entspricht dem<br />
Ruf eines Landes mit vollvernetzten<br />
Smart Citys und<br />
einer welt bekannten Popkultur.<br />
Von der K-Fashion, also<br />
der koreanischen Mode, ganz<br />
zu schweigen. Kein Wunder<br />
also, dass dieser Flughafen<br />
seine eigene Modelinie hervorgebracht<br />
hat: die „gonghang<br />
fashion“, deutsch: Flughafen-<br />
Mode. Entstanden ist sie aus<br />
den Schnappschüssen der<br />
Paparazzi, die aus Übersee<br />
ankommende top gestylte<br />
Prominente ablichteten.<br />
„Die Südkoreaner sind stolz<br />
auf ihren Incheon Airport,<br />
weil hier die Touristen einen<br />
ersten Eindruck vom Land<br />
gewinnen“, erklärt Jazzy Cho,<br />
US-Mode-Influencerin mit<br />
koreanischen Wurzeln. Ihre<br />
Mission: der Welt die Kultur<br />
ihres Ursprungslands zu vermitteln.<br />
Deshalb kuratiert Cho<br />
das „Incheon Arrivals Kit“,<br />
eine Zusammenstellung von<br />
gonghang-Outfits für das<br />
Social-Simulation-Spiel „Die<br />
Sims 4“. Hier erklärt sie, was<br />
es mit K-Fashion auf sich hat.<br />
Spielfiguren aus dem Gaming-Hit „Die Sims 4“: koreanische Airport-Mode in digitaler Form<br />
Lockere Klassik<br />
„Die K-Fashion ist geprägt von<br />
Stickereien, kräftigen Farben<br />
und fließenden Stoffen, die<br />
beim hanbok, der traditionellen<br />
koreanischen Kleidung,<br />
üblich sind“, sagt Cho. Heute<br />
erlebt hanbok eine Neuinterpretation<br />
im modernen Street-<br />
Style. „Lockere baji-Hosen<br />
„Die Modestile in<br />
Korea entwickeln<br />
sich permanent.“<br />
US-Mode-Expertin Jazzy Cho<br />
(traditionell für Männer; Anm.)<br />
werden von Frauen in maßgeschneiderter<br />
Form getragen,<br />
und das bodenlange<br />
chima-Hemd gibt es in einem<br />
kürzeren, leichteren Stil, aber<br />
immer noch mit Volumen.<br />
Früher galt: Je mehr, desto<br />
angesehener war man.“ Das<br />
Incheon Arrivals Kit zelebriert<br />
dies mit einer modernen Version<br />
des „durumagi“, eines<br />
Herren mantels. Die für hanbok<br />
typische Liebe zum Detail<br />
erstreckt sich auf alle Aspekte<br />
des Lebens: „Es gibt Restaurants,<br />
die bieten Schürzen für<br />
ihre Gäste!“<br />
Fast Fashion<br />
Südkoreas Modewelt hält<br />
Schritt mit dem rasenden<br />
Fortschritt des Landes. „Die<br />
Stile entwickeln sich permanent“,<br />
so Cho. „Seine eigene<br />
Farbe zu haben ist gerade<br />
total angesagt. Es gibt Läden,<br />
die schauen sich deinen Hautton<br />
an und suchen dann die<br />
passenden Farbnuancen<br />
dazu. Diese Mode hat also<br />
einen Wiedererkennungswert,<br />
ist aber nie homogen.“<br />
Mehr Romantik, bitte!<br />
Der Airport-Style mit seiner<br />
kosmopolitischen Sichtweise<br />
passt perfekt zu Chos Hintergrund.<br />
„Ich sehe mich als<br />
Koreanerin, betrachte diese<br />
Kultur aber durch die amerikanische<br />
Brille. Was mir als<br />
US-Bürgerin zum Beispiel aufgefallen<br />
ist: Die koreanische<br />
Kultur – vom K-Pop bis hin zur<br />
Küche – ist äußerst romantisch.<br />
Die Liebe und Glücksgefühle<br />
rund um eine funktionierende<br />
Beziehung werden<br />
unglaublich gefeiert. Viele<br />
Marken verkaufen Mode im<br />
Paket für Paare, sodass sie<br />
zusammenpasst. Wir spielen<br />
darauf auch im Incheon<br />
Arrivals Kit an: Einige Teile<br />
ergänzen einander.“<br />
Das „Incheon Arrivals Kit“ für<br />
„Sims 4“ ist jetzt auf PlayStation,<br />
Xbox, PC und macOS verfügbar;<br />
ea.com. Mehr zu Jazzy Cho auf<br />
youtube.com/jazzycho und TikTok:<br />
@thejazzycho<br />
ELECTRONIC ARTS ALEXANDRA ZAGALSKY<br />
74 THE RED BULLETIN
KONSOLE<br />
Ping-Pong<br />
Zwei Striche als Schläger, ein hinund<br />
hersausender Punkt als Ball:<br />
„Pong“, Mitte der 1970er die Mutter<br />
aller Videospiele, ist zurück: als<br />
witzige Retro-Version für unterwegs.<br />
Premiere feierte „Pong“ am 29. November<br />
1972 in der Kneipe „Andy Capp’s Tavern“<br />
im kalifornischen Sunnyvale: Ein gelber<br />
Kasten mit der Aufschrift „Pong“ und<br />
einem Bildschirm, aufgestellt neben dem<br />
Flipperautomaten, erregte die Aufmerksamkeit<br />
der mehrheitlich Bier trinkenden<br />
und Billard spielenden Gäste.<br />
Die schlichte Grafik und den simplen<br />
Spielablauf – ein Punkt springt zwischen<br />
zwei Linien hin und her und simuliert ein<br />
Tennis- oder Tischtennismatch – hatte<br />
Allan Alcorn von der Firma Atari entwickelt.<br />
Das Spiel sollte ein derartiges<br />
Suchtpotenzial entwickeln, dass in den<br />
USA bald mehr als 35.000 Automaten<br />
aufgestellt waren. Eine Version für daheim<br />
– eine der ältesten Spielkonsolen überhaupt<br />
– kam 1975 auf den Markt.<br />
Jetzt, fast ein halbes Jahrhundert<br />
später, lässt sich das Originalspiel wiederentdecken<br />
– in Form der Handheld-<br />
Konsole Atari Mini PONG Jr. Zu spielen<br />
allein oder zu zweit, aufgepeppt mit<br />
Retro-Sound effekten und kultiger Grafik<br />
auf 30-Zentimeter-Flüssigkristallbildschirmen.<br />
arcade1up.com<br />
Genau wie der ursprüngliche<br />
Spiel-Automat hat<br />
der Atari Mini PONG Jr.<br />
drehbare Steuerköpfe, um<br />
den „Schläger“ nach links<br />
und rechts zu steuern.<br />
TOM GUISE<br />
THE RED BULLETIN 75
GUI<strong>DE</strong><br />
Lesestoff<br />
ACTION-THRILLER<br />
Der unbarmherzige<br />
Samariter<br />
US-Thrillerautor Gregg Hurwitz hat mit Evan Smoak einen Helden erschaffen,<br />
der es gnadenlos krachen lässt. Doch das ist gar nicht so einfach, wie es klingt.<br />
Text JAKOB HÜBNER<br />
An den richtig harten<br />
Typen haben sich<br />
schon viele Autoren<br />
die Zähne ausgebissen.<br />
Dabei möchte man<br />
ja meinen, es wäre eine vergleichsweise<br />
leichte Übung,<br />
einen Helden für einen Actionthriller<br />
zu erschaffen. Man<br />
nehme einen kantigen Kerl,<br />
tunke ihn tief in eine elitäre<br />
militärische Vergangenheit,<br />
füge eine großkalibrige Knarre<br />
hinzu, einmal durchladen,<br />
und los geht’s! Aber so funktioniert<br />
das nicht.<br />
Tatsächlich sind sogenannte<br />
„One Man Army“<br />
Thriller eine ziemlich heikle<br />
Herausforderung, da sie sich<br />
formal auf einem extrem<br />
schmalen Grat bewegen.<br />
Anders gesagt: Die Lächerlichkeit<br />
ist dabei immer nur<br />
einen Schritt weit entfernt.<br />
Die Kunst besteht darin,<br />
eine notwendigerweise überzeichnete<br />
Figur mit genügend<br />
Tiefgang auszustatten, um sie<br />
in einem realistischen Setting<br />
zu verankern. Gelingt das<br />
nicht, wird sie zur Karikatur.<br />
Auf der anderen Seite lauert<br />
der heimtückische Psycho-<br />
Treibsand. Denn kaum eine<br />
Romanfigur ist nervtötender<br />
als ein Actionheld, der ständig<br />
erklärt werden muss. Das<br />
geht gar nicht. Man nimmt so<br />
ein Buch ja schließlich nicht<br />
aus dem Regal, weil gerade<br />
kein Dostojewski zur Hand ist.<br />
Nein, ein guter Thrillerheld<br />
ist wie ein gutes Steak, nur<br />
umgekehrt: innen scharf angebraten<br />
und außen blutig.<br />
Evan Smoak ist so ein Typ.<br />
Er war einst Teil eines streng<br />
geheimen US-Regierungsprogramms,<br />
in dem Waisenkinder<br />
rekrutiert und zu hocheffizienten<br />
Killermaschinen<br />
ausgebildet wurden. Ausgestattet<br />
mit wasserdichten<br />
Identitäten und nahezu grenzenlosen<br />
finanziellen Mitteln,<br />
räumen die „Orphans“ dort<br />
auf, wo dem Staat die eigenen<br />
VINZ SCHWARZBAUER<br />
76 THE RED BULLETIN
Erster Absatz<br />
aus „Rache der Orphans“<br />
Das RoamZone ans Ohr gepresst, trat Evan rasch durch<br />
die Tür seiner Penthousewohnung im Apartmenthochhaus<br />
Castle Heights. Das Handy mit dem Gehäuse aus gehärtetem<br />
Gummi und dem Display aus Gorilla Glass war so widerstandsfähig<br />
wie ein Hockeypuck und im Prinzip nicht zurückzuverfolgen.<br />
Jeder Anruf auf 1-855-2-NOWHERE wurde digitalisiert<br />
und über ein Labyrinth von verschlüsselten VPN-Tunneln<br />
über das Internet verschickt. Erst nachdem er per Software<br />
von Vermittlungsstelle zu Vermittlungsstelle einmal rund<br />
um den Globus geleitet worden war, kam er auf dem Roam<br />
Zone an. Evan meldete sich immer mit demselben Satz.<br />
Brauchen Sie meine Hilfe?<br />
BUCHTIPPS<br />
Helden in Serie<br />
Vier Thriller-Autoren, die keine Gefangenen<br />
machen – außer bei den Lesern.<br />
Gesetze im Weg stehen.<br />
Als jedoch sein ehemaliger<br />
Ausbildner und Mentor in Ungnade<br />
fällt, steigt Evan aus<br />
und verschwindet vom Radar.<br />
Er leidet unter schlechtem Gewissen<br />
und sehnt sich nach<br />
Buße. Er wird zum „Nowhere<br />
Man“, einer Art unsichtbarem<br />
Schutzengel für Menschen,<br />
die in Not geraten sind, sich<br />
aber – aus welchen Gründen<br />
auch immer – nicht an die Polizei<br />
wenden können. Aus dem<br />
Sünder wird ein Samariter –<br />
allerdings einer ohne jede<br />
Barmherzigkeit, dafür aber<br />
mit einer spezialangefertigten<br />
Wilson Combat im Kydex-<br />
Hüftholster.<br />
In der „Orphan“-Zentrale<br />
haben sie freilich wenig Freude<br />
mit einem freischaffenden<br />
Profikiller aus den eigenen<br />
Reihen und blasen zum großen<br />
Halali – allen voran die<br />
emotional nahe am Gefrierpunkt<br />
angesiedelte Candy<br />
McClure, die mit Evan noch<br />
eine ganz persönliche Rechnung<br />
offen hat …<br />
Der US-Amerikaner Gregg<br />
Hurwitz, 48, ist nicht nur als<br />
Romanautor und Comictexter<br />
(Marvel, DC) sehr erfolgreich,<br />
sondern auch als Drehbuchschreiber.<br />
Das merkt man.<br />
Seine Evan-Smoak-Reihe –<br />
„Orphan X“ (2016), „Projekt<br />
Orphan“ (2017), „Die Rache<br />
der Orphans“ (2018), „Die<br />
Spur der Orphans“ (2019)<br />
und „Das Vermächtnis der<br />
Orphans“ (2021) – kommt wie<br />
ein Hollywood Blockbuster<br />
daher und überzeugt mit<br />
einem wirklich guten Spannungsbogen.<br />
Hurwitz hat ein<br />
feines Gespür dafür, wann er<br />
das Visier runterklappen und<br />
Vollgas geben muss und wann<br />
er Tempo rausnimmt, um den<br />
Leser mit ein paar Hintergrundhappen<br />
zu füttern.<br />
Das ist umso bemerkenswerter,<br />
als der Autor quer<br />
durch alle fünf Bände mit<br />
zwei parallel laufenden Storys<br />
jongliert – auf der einen Seite<br />
der jeweilige Auftrag des<br />
„Nowhere Man“ und die<br />
in terne Jagd gesellschaft der<br />
„ Orphans“ auf der anderen.<br />
Die beiden Handlungsstränge<br />
kommen einander zwar nur<br />
selten in die Quere, aber wenn,<br />
dann mit mächtig Zunder.<br />
Stilistische Brillanz darf<br />
man sich von einer Romanserie<br />
dieser Gattung natürlich<br />
nicht erwarten, wohl aber eine<br />
präzise sprachliche Fokussierung<br />
auf das Wesentliche:<br />
Spannung bis zum Abwinken.<br />
GREGG HURWITZ<br />
„Evan Smoak“-Reihe<br />
Deutsch von Mirga Nekvedavicius<br />
HarperCollins<br />
LEE CHILD<br />
Der alljährliche Feiertag<br />
für Thriller-Fans fiel 2021<br />
auf den 26. Juli. Da erschien<br />
der 23. Band der unwiderstehlichen<br />
Jack-Reacher-<br />
Reihe des britischen<br />
Bestseller autors Lee Child.<br />
Diesmal nimmt der härteste<br />
Bluthund des Genres die<br />
Fährte seines verstorbenen<br />
Vaters auf, die ihn direkt<br />
ins Fadenkreuz skrupelloser<br />
Männer führt, die nicht<br />
nur sprichwörtlich<br />
über Leichen gehen …<br />
„Der Spezialist“<br />
(Blanvalet)<br />
CHRIS LANDOW<br />
Die bisher dreiteilige Romanreihe<br />
rund um den Ex-Bundespolizisten<br />
Ralf Parceval ist<br />
eine echte Rarität. Denn hinter<br />
dem Pseudonym Chris<br />
Landow versteckt sich ein<br />
deutscher Autor, der es offensichtlich<br />
darauf anlegt, mit<br />
voller Härte in ein englischsprachiges<br />
Hoheitsgebiet<br />
der Unterhaltungsliteratur<br />
zu grätschen: den kompromisslosen<br />
Action-Thriller.<br />
Band 4 ist für Februar 2022<br />
angekündigt.<br />
„Ralf Parceval“-Serie<br />
(Blanvalet)<br />
STEPHEN HUNTER<br />
Trotz erfolgreicher Hollywood-Verfilmung<br />
von Teil 1<br />
der Buchserie („Shooter“ mit<br />
Mark Wahlberg in der Hauptrolle)<br />
fristet Bob Lee Swagger<br />
hierzulande ein Schattendasein<br />
unter den Helden<br />
der Hochspannungsliteratur.<br />
Völlig zu Unrecht. Insgesamt<br />
brachte US-Autor und<br />
Pulitzer-Preisträger Stephen<br />
Hunter den ehemaligen<br />
Scharfschützen neunmal<br />
in Stellung – und traf dabei<br />
stets ins Schwarze.<br />
„Bob Lee Swagger“-Serie<br />
(Festa)<br />
DAVID BALDACCI<br />
Wenn es um knallharte<br />
Einzelkämpfer geht, darf<br />
David Baldacci nicht fehlen.<br />
Mit einer Gesamtauflage<br />
von über 40 Millionen<br />
platzierte der Vielschreiber<br />
aus Richmond, Virginia,<br />
gleich mehrere einschlägige<br />
Romanfiguren in den internationalen<br />
Bestsellercharts.<br />
Als Einstieg bietet sich<br />
die „Will Robie“-Reihe an,<br />
deren erster Teil den<br />
nahe liegenden Titel<br />
„Der Killer“ trägt.<br />
„Will Robie“-Serie<br />
(Bastei Lübbe)<br />
THE RED BULLETIN 77
BACK TO BLACK<br />
FABER-CASTELL PITT GRAPHITE MATT<br />
Schwarzsehen als Innovation: Anders als andere<br />
Blei stifte, die bei genauer Betrachtung nur graue Farbe<br />
liefern, kann dieser Stift von Faber-Castell so richtig<br />
schwarz, so richtig matt und so richtig hart<br />
(von HB bis 14 B). faber-castell.de<br />
VIELSEITIG<br />
LENOVO YOGA 9i<br />
Dieses Notebook von Lenovo lässt sich so falten,<br />
dass es wie ein Tablet verwendet werden kann. Mit<br />
IntelCore-Prozessoren der 10. Generation lässt es sich<br />
nicht nur gut streamen, das Gerät ist auch für Fotound<br />
Videobearbeitung geeignet. lenovo.com<br />
Richtig gutes Zeug<br />
Wie duftet die Nacht deines Lebens, kannst du zeichnen,<br />
und wie viel Schwarz ist nötig? Hier sind die Antworten.<br />
CLUB-STIL<br />
Flakon im Art-déco-<br />
Stil: Er soll Ralph’s<br />
Club in Manhattan<br />
widerspiegeln.<br />
PROBIEREN, NICHT STUDIEREN<br />
ZEICHEN-ANLEITUNG VON CARTOONIST PENG<br />
Was du schon immer übers Zeichnen wissen wolltest,<br />
aber nicht zu fragen wagtest. Peng, preisgekrönter<br />
Cartoonist aus Österreich, zeigt vor, wie’s geht.<br />
Ungewöhnlich, witzig und ungeheuer ansteckend!<br />
dumont-buchverlag.de<br />
NIGHT FEVER<br />
RALPH’S CLUB<br />
So könnte die Nacht deines<br />
Lebens duften, meint Ralph<br />
Lauren – nach Lavandin (einer<br />
speziellen Lavendel-Kreuzung),<br />
Muskatellersalbei und dem<br />
Süßgras Vetiver.<br />
ralphlauren.de<br />
78 THE RED BULLETIN
GUI<strong>DE</strong><br />
Tipps & Trends<br />
SEELE INKLUSIVE<br />
LEICA SL2<br />
In ihrem Metallgehäuse (aus<br />
Magnesium und Aluminium)<br />
steckt alles, was das Fotografenherz<br />
begehrt – sogar<br />
eine Seele, wie Leica uns wissen<br />
lässt. Abgesehen davon<br />
wird die spiegellose Vollformat-<br />
Systemkamera hierzulande<br />
hergestellt.<br />
de.leica-camera.com<br />
DURCHBLICK<br />
Ergebniszentriert:<br />
lichtstarkes<br />
Leica-Objektiv<br />
„Mir ist, als sei mein Leib<br />
dort stehengeblieben, wo er ihn<br />
zum letzten Mal umarmte.“<br />
Ein Satz zum Auf-der-Zunge-zergehen-Lassen von Botho Strauß.<br />
Aus seinem neuen Buch „Nicht mehr. Mehr nicht“. hanser.de<br />
BAUKASTEN<br />
Datenspeicher in<br />
jeder Größe und<br />
für jeden Bedarf<br />
FABER CASTELL, LENOVO, DUMONT, LEICA, COS, SANDISK<br />
HERE COMES<br />
THE SUN<br />
COS WOOL TEDDY COAT<br />
Wer dem grauen Winter ein<br />
Schnippchen schlagen will –<br />
in diesem zitronenfaltergelben<br />
Kuschelmantel aus weichem<br />
Wolle-Baumwolle-Gemisch<br />
kriegt auch der trübste Tag<br />
genug Farbe zum Flattern.<br />
cosstores.com<br />
FÜR ALLE FÄLLE<br />
SANDISK PROFESSIONAL<br />
Sie sind langlebig, leistungsstark und auch noch schön<br />
anzusehen. Die professionellen Speicherlösungen von<br />
SanDisk lassen sich außerdem blitzschnell an alle<br />
Bedürfnisse anpassen, soll heißen: Sie wachsen mit,<br />
wenn’s sein muss. sandiskprofessional.com<br />
THE RED BULLETIN 79
„Anzeige“<br />
Adrenalinkick in den Dolomiten<br />
Nicht nur imposante Naturkulisse: Die Dolomiten<br />
UNESCO Welterbe sorgen mit sportlichen<br />
Abenteuern für einen Anstieg des Adrenalinspiegels.<br />
Frischer Schnee, schroffe Felswände<br />
und blauer Himmel – was<br />
wie die Beschreibung einer Postkarte<br />
klingt, ist in den Südtiroler<br />
Dolomiten Realität. Ein Naturparadies,<br />
das für ruhigen, sanften und<br />
einfühlsamen Tourismus weltweit<br />
bekannt ist. Die imposanten Berggipfel<br />
haben aber noch viel mehr zu<br />
bieten – vor allem Adrenalinjunkies<br />
und Skifans kommen hier auf ihre<br />
Kosten: Skitourengeher können<br />
sich in der Dolomitenregion Drei<br />
Zinnen verausgaben, Skifahrer- und<br />
Freestyleherzen schlagen hingegen<br />
in der Dolomitenregion Seiser Alm<br />
höher.<br />
DOLOMITENREGION SEISER ALM<br />
Sport, Spaß und Adrenalin gibt es im<br />
westlicheren Part der Südtiroler Dolomiten<br />
– genauer gesagt in der Dolomitenregion<br />
Seiser Alm. Dieses Hochplateau<br />
wird als Freestyle-Paradies in den Alpen<br />
bezeichnet. Was wie ein Werbeslogan<br />
klingt, kann mit knallharten Fakten belegt<br />
werden: Kein anderer Snowpark in den<br />
Dolomiten kann nämlich mit einer 1,5 Kilometer<br />
langen Parkline und 70 Obstacles<br />
punkten. Zudem ist der Snowpark einer<br />
der größten in Europa.<br />
Die Seiser Alm hat sich mit Rails, Kicker,<br />
Boxen und Whoops den Freestylern verschrieben<br />
– egal ob Anfänger oder Profis.<br />
Letztere treffen sich im Seiser Alm Snowpark<br />
regelmäßig zu Contests und Shows,<br />
die mittlerweile internationale Bekanntheit<br />
erlangt haben – ebenso wie das gesamte<br />
Skigebiet. An Superlativen ist auch dieses<br />
kaum zu übertreffen: Das Skigebiet Seiser<br />
Alm/Val Gardena wurde mehrfach preisgekrönt<br />
und zählt zu den familienfreundlichsten<br />
in den Alpen. Ganz abgesehen vom<br />
atemberaubenden Ausblick auf die Dolomiten<br />
samt Schlern, Langkofel, Plattkofel und<br />
Rosengarten, hat das Skigebiet auch ganze<br />
175 Pistenkilometer zu bieten. Wer den Kick<br />
sucht, wird hier fündig: Auf der Goldknopf<br />
Piste befindet sich eine Geschwindigkeitsmessanlage,<br />
die sogenannte Speedtrap.<br />
Auf 260 Metern und einem Höhenunterschied<br />
von 73 Metern wird die Geschwindigkeit<br />
der Abfahrer mittels Lichtschranken<br />
gemessen. 116,41 Stundenkilometer wurden<br />
dabei bereits als Rekord angeschrieben.<br />
Wer mit seiner Leistung auf der Speedtrap<br />
nicht zufrieden sein sollte, kann der Ursache<br />
mittels Videoanalyse auf den Grund<br />
gehen. Auf der Skimovie-Strecke hat jeder<br />
die Möglichkeit, sein ganz persönliches<br />
Rennvideo zu drehen. Einfach anmelden,<br />
online abrufen, analysieren und mit weiteren<br />
Versuchen den Wettkampfhunger<br />
stillen.<br />
Nur Piste herunter wedeln war gestern, in<br />
der Dolomitenregion Seiser Alm ist ganz<br />
klar Action geboten! Egal ob Skifahrer,<br />
Snowboarder, Freestyler oder Wanderer –<br />
jeder Einzelne kommt in dieser atemberaubenden<br />
Bergkulisse auf seine Kosten.<br />
Nach einem abwechslungsreichen Skitag<br />
werden in den Ruhepolen der Dolomitenregion,<br />
nämlich in den Dörfern Kastelruth,<br />
Seis am Schlern, Völs am Schlern und Tiers<br />
am Rosengarten, die Batterien wieder aufgeladen.<br />
Und schon hat man Energie für<br />
einen weiteren adrenalingeladenen Skitag<br />
auf der Seiser Alm.<br />
3 ZINNEN DOLOMITEN<br />
Markante Gipfel, schneebedeckte Weiten.
„Anzeige“<br />
© Seiser Alm Marketing/F-Tech, © Harald Wisthaler, © Dalpiaz Fabian<br />
Eine andere Art von Nervenkitzel können<br />
Skitourengeher in der Dolomitenregion 3<br />
Zinnen erleben: bei einer aufregenden Skitour<br />
auf einem der unzähligen Aufstiegshänge<br />
rund um die Drei Zinnen.<br />
Der berühmte Gebirgsstock, der im<br />
Westen Südtirols unweit der österreichischen<br />
Grenze in den Sextner Dolomiten<br />
liegt, gilt als markantes Wahrzeichen der<br />
gesamten Gebirgsgruppe. Hier haben<br />
Skitourengeher die Qual der Wahl – aber<br />
auch ein doppeltes Erlebnis. Während sich<br />
der Körper bei sportlicher Betätigung auspowert,<br />
freut sich der Geist mit allen Sinnen<br />
über paradiesische Rahmenbedingungen:<br />
knirschendes Schneegeräusch in den<br />
Ohren, den Duft von frischer Schneeluft<br />
in der Nase und vor seinen Augen atemberaubende<br />
Felswände zum Anfassen<br />
fernab vom Tal. Die Anstrengung rückt<br />
angesichts der imposanten Naturkulisse<br />
fast in den Hintergrund. Nach dem Aufstieg<br />
ist einem die Belohnung sicher: ein<br />
tiefes Gefühl der Zufriedenheit und eine<br />
Erinnerung, die sich im Inneren festhakt<br />
– und dort auch bleibt. Und die größte<br />
Belohnung ist wohl die Abfahrt durch den<br />
Pulverschnee.<br />
Die Dolomitenregion 3 Zinnen ist ein Ort,<br />
an dem Alpingeschichte geschrieben wurde<br />
und bis heute spürbar ist. Auch Bergsteiger-Legende<br />
Reinhold Messner hatte<br />
wohl die spektakulären Felsformationen<br />
im Kopf, als er die Südtiroler Bergwelt mit<br />
den Worten beschrieb: „Es sind nicht die<br />
höchsten Berge der Welt, auch nicht die<br />
gefährlichsten, aber bestimmt sind es die<br />
schönsten.“ Eine Aussage, die den Nagel<br />
auf den Kopf trifft – wer es nicht glaubt,<br />
der muss sich selbst davon überzeugen!<br />
Diese einzigartige Berglandschaft mit ihren<br />
Ortschaften Sexten, Innichen, Toblach,<br />
Niederdorf und Prags wurde 2009 nicht<br />
umsonst zum UNESCO Welterbe ernannt.<br />
Die Dolomitenregion 3 Zinnen ist schon<br />
allein deshalb eine (Ski-)Tour wert!<br />
Eines muss auch den erfahrensten Tourengehern<br />
hierbei aber bewusst sein: Respekt<br />
vor der Natur und ihren Kräften steht an<br />
erster Stelle. Wer in der eindrucksvollen<br />
Bergwelt unterwegs ist, benötigt eine gute<br />
Kondition, skifahrerisches Können und passende<br />
Ausrüstung. Kenntnisse über Wetter-<br />
und Schneeverhältnisse sind in den<br />
Bergen ebenfalls unabdingbar. Deshalb ist<br />
es wichtig, vor dem Start den Wetter- und<br />
Lawinenbericht zu konsultieren und nur<br />
mit entsprechendem Equipment zu starten<br />
– im besten Fall in Begleitung eines Bergführers.<br />
Und dann: Mitten hinein ins echte,<br />
unverfälschte Dolomitenerlebnis!<br />
Die Seiser Alm bietet ein<br />
einzigartiges Bergpanorama mit<br />
dem unverwechselbaren Profil<br />
des Schlerns und der größten<br />
Hochalm Europas.<br />
seiseralm.it<br />
Im Winter verwandelt sich<br />
die Gegend rund um die<br />
markanten Drei Zinnen in ein<br />
Skitourenparadies inmitten der<br />
Dolomiten UNESCO Welterbe.<br />
dreizinnen.com
GUI<strong>DE</strong><br />
Geschenke<br />
Kaffee wie vom Barista<br />
DeLonghi La Specialista Maestro<br />
Das richtige Mahlen, die optimale Dosierung, die ideale<br />
Temperatur: Die perfekte Tasse Kaffee gelingt auf Knopf <br />
druck – mit der Siebträgermaschine La Specialista Maestro.<br />
Die macht das alles nämlich selbst. Das Einzige, was Sie<br />
tun müssen, ist genießen. Preis: 1299 Euro, delonghi.com<br />
FESCH<br />
Das Stahlgehäuse<br />
misst 360 × 350<br />
× 450 mm (inkl.<br />
Bohnenbehälter)<br />
Frohes Fest!<br />
Eine Uhr mit Formel-1-Technologie, ein unverwüstliches Handy,<br />
ein flotter Roller: Hier sind 14 Geschenktipps für das Christkind in dir.<br />
82 THE RED BULLETIN
X-MAS<br />
LEICHTES GEPÄCK<br />
BROMPTON P-LINE<br />
Das Faltrad von Brompton ist Kult: Es<br />
bringt einen flott durch die Stadt (die neue<br />
P-Line wiegt nur 9,65 Kilo!), lässt sich<br />
rasch zu einem handlichen Paket falten<br />
und findet so auch in vollen Zügen Platz.<br />
Preis: ab 2550 Euro, de.brompton.com<br />
TRAGBAR<br />
Zusammengelegt<br />
passt das Rad<br />
auch in den kleinsten<br />
Kofferraum.<br />
HALLO, ABENTEUER!<br />
MOTOROLA <strong>DE</strong>FY OUTDOOR-HANDY<br />
Wenn sich Smartphone-Experte Motorola<br />
und Outdoor-Spezialist Bullitt zusammentun,<br />
kommt ein kleiner großer Abenteurer<br />
raus: Ob Stürze oder Wasser, Temperaturschwankungen<br />
oder extreme Luftfeuchtigkeit<br />
– dieses Smartphone hält alles aus.<br />
Preis: 329 Euro, motorolarugged.com<br />
HOCH HINAUS<br />
THE NORTH FACE HIMALAYAN PARKA<br />
Das Original unter den Kaltwetterjacken<br />
kehrt als Teil der „More Than a Jacket“-<br />
Kollektion zurück. Die übergroße Jacke<br />
wurde einst für die Erkundung des Hochgebirges<br />
entwickelt, ihre Stärke ist die<br />
kuschelige und winddichte Daunenfüllung.<br />
Preis: 360 Euro, thenorthface.de<br />
DIE BRILLE ZUM HÖREN<br />
FAUNA AUDIO<br />
Die neuen Brillen von Fauna verbinden Hightech<br />
mit schickem Design. Die getönten<br />
Gläser schützen die Augen vor Blaulicht,<br />
mit den Bügeln kann man Musik hören<br />
und Telefonate führen, alles ohne Kabel<br />
und mit freien Ohren. Preis: ab 199 Euro,<br />
wearfauna.com<br />
THE RED BULLETIN 83
X-MAS<br />
SMARTER GENIESSEN<br />
NESPRESSO VERTUO<br />
Die Maschine, die mitdenkt: Die Nespresso<br />
Vertuo liest den Barcode auf den Kapseln<br />
ab und passt die Maschineneinstellung<br />
dementsprechend punktgenau an. Egal<br />
ob Espresso oder Gran Lungo: Die exakt<br />
richtige Menge Wasser für jede Kapsel liefert<br />
Kaffee genuss auf höchstem Niveau.<br />
Preis: ab 149 Euro, nespresso.com<br />
TEMPO-LENKER<br />
Dank großer<br />
Anzeige weißt du<br />
immer, wie schnell<br />
du unterwegs bist.<br />
Rock ’n’ Roll<br />
Ultron Air EKFV E-Scooter<br />
Der Kick-Scooter verbindet die leise und elektrische Art<br />
der Fortbewegung mit jeder Menge Fahrspaß. Zugelassen<br />
für die Straße, bringt Sie der Scooter mit einer Reich weite<br />
von bis zu 25 Kilometern und einer Höchstgeschwindigkeit<br />
von 20 km/h ans Ziel. Preis: ab 499 Euro, a-to.com<br />
COOLER KÜHLEN<br />
LIEBHERR MYSTYLE KÜHLGERÄTE<br />
Puristischer Kühler, digitaler Frischeprofi<br />
oder doch lieber ein Alleskühler? Liebherr<br />
hat Kühlgeräte entwickelt, die auf den<br />
ganz persönlichen Geschmack abgestimmt<br />
werden können. Da ist alles möglich –<br />
egal welche Farbe, ob individuell bedruckt<br />
oder mit spezieller Ausstattung.<br />
Preis: ab 650 Euro, liebherr.com<br />
DIE BESTEN MOMENTE<br />
CEWE FOTOBUCH XL<br />
Wir alle haben tausende digitale Fotos,<br />
doch die wirklich wichtigen sind es wert,<br />
ausgedruckt zu werden. Das geht jetzt<br />
noch schöner: Das Fotobuch XL liefert<br />
Ihre besten Aufnahmen in bester Qualität.<br />
Preis: ab 42,90 Euro, cewe.de<br />
84 THE RED BULLETIN
GUI<strong>DE</strong><br />
Geschenke<br />
GESUND DURCH<br />
<strong>DE</strong>N WINTER<br />
SPERMIDINELIFE ® IMMUNITY KAPSELN<br />
Höchste Zeit, unserem Körper in der<br />
kalten Jahreszeit extra Unterstützung zu<br />
gönnen: Das Nahrungsergänzungsmittel<br />
Immunity+ stärkt das Immunsystem auf<br />
Basis von Vitamin C und Zink, Weizenkeimextrakt<br />
und Shiitake-Pilz-Pulver.<br />
Preis: 77 Euro, spermidinelife.com<br />
AB AUF DIE PISTE …<br />
HEAD KORE 111<br />
… und am besten mit dem richtigen Ski:<br />
Der neue Kore 111 von Head ist leicht und<br />
wendig. Seine Qualitäten basieren auf<br />
einer Konstruktion aus Graphen, Karubaholz<br />
und mehrfachen Carbonschichten.<br />
Preis: 800 Euro, head.com<br />
WO SIND DIE FISCHE?<br />
GARMIN STRIKER CAST<br />
Helfen Sie Ihrem Angelglück auf die<br />
Sprünge! Der Striker 4-Fishfinder ist ein<br />
Echolot zum Auswerfen (im Bild links),<br />
das sich via App mit dem Smartphone verbindet.<br />
Und verlässlich anzeigt, wo sich<br />
unter Wasser die dicken Fische verstecken.<br />
Preis: 149 Euro, garmin.com<br />
Wendig über Stock und Stein<br />
Canyon Signature Pro MTB Langarmtrikot<br />
Mit dem atmungsaktiven MTB-Herrentrikot ist man für<br />
jedes Trail-Abenteuer perfekt gerüstet: Der Polyester-<br />
Elasthan-Mix transportiert die Feuchtigkeit schnell vom<br />
Körper ab, die Mesh-Ärmel sorgen für Atmungsaktivität<br />
und Bewegungsfreiheit. Preis: 59,95 Euro, canyon.com<br />
Höchste Zeit<br />
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THE RED BULLETIN 85
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B O U L E V A R D D E R H E L D E N<br />
MICHAIL SCHOLOCHOW<br />
DAS VERSPRECHEN<br />
Serie: MICHAEL KÖHLMEIER erzählt die außergewöhnlichen Geschichten<br />
inspirierender Figuren – faktentreu, aber mit literarischer Freiheit.<br />
Folge 9: Ein Literatur-Nobelpreisträger und seine heldenhafte Lebenslüge.<br />
Es gibt einfaches Heldentum und kompliziertes;<br />
diese Geschichte berichtet<br />
von kompliziertem. Angenommen,<br />
es war so, wie ich es hier erzählen<br />
möchte, dann wäre der Schriftsteller<br />
Michail Alexandrowitsch Scholochow ein<br />
selbstloser und aufopferungsvoller Held<br />
gewesen. Seine Geschichte gehört allemal<br />
zu den spannendsten der Schriftstellerei<br />
im 20. Jahrhundert und er selbst zu jenen<br />
widersprüchlichen Persönlichkeiten, wie<br />
sie nur Diktaturen hervorbringen. Ich weiß,<br />
man kann die Geschichte dieses russischen<br />
Schriftstellers auch ganz anders erzählen,<br />
nämlich als die Geschichte eines abgefeimten<br />
Diebes von geistigem Eigentum, eines Plagiators,<br />
eines Mannes, der sich viel Ehre und Ruhm ergaunert<br />
hat, indem er das Werk eines anderen als das seine<br />
ausgab. Lange Zeit wurden die Vorkommnisse auf diese<br />
Weise dargestellt. Der Mann war immerhin ein Günstling<br />
Stalins; ihm etwas Gutes zu lassen wäre in den<br />
Augen vieler gewesen, als würde man ein mörderisches<br />
System gutheißen. Inzwischen ist sich die Wissenschaft<br />
ziemlich sicher, dass der Spott und die Verdammung,<br />
denen der Künstler lange Zeit, vor allem im Westen,<br />
ausgesetzt war, auf falschen Informationen beruhten.<br />
Ich nehme mir die Freiheit, die Geschichte als eine<br />
Heldengeschichte zu erzählen – was ist Wahrheit …<br />
Der Nobelpreis für Literatur 1965 wurde Michail<br />
Scholochow für seinen Roman „Der stille Don“ verliehen.<br />
In den meisten Fällen vergibt das Komitee<br />
den Preis für das Lebenswerk eines Autors, diesmal<br />
stand in der Urkunde, dass die Ehrung ausschließlich<br />
das genannte vierbändige Werk meine. Der Roman<br />
entstand zwischen 1927 und 1940, das Erscheinen des<br />
MICHAEL KÖHLMEIER<br />
Der Vorarlberger<br />
Bestsellerautor gilt<br />
als bester Erzähler<br />
deutscher Zunge.<br />
Zuletzt erschienen:<br />
der Roman „Matou“,<br />
960 Seiten,<br />
Hanser Verlag.<br />
letzten Bandes lag also schon fünfundzwanzig<br />
Jahre zurück. Auch den Mitgliedern des Komitees<br />
war die Diskussion über die Autorenschaft<br />
des Werkes bekannt. Noch bevor der<br />
Roman zur Gänze der Öffentlichkeit vorlag<br />
– entweder weil er noch nicht geschrieben<br />
oder noch nicht vollständig herausgegeben<br />
war –, kursierten Gerüchte, Scholochow<br />
sei nicht, könne nicht der Autor sein. In<br />
dem Buch wird auf unvergleichlich sinnliche<br />
Weise das Leben der Donkosaken beschrieben,<br />
besonders im ersten Teil, sodass<br />
alle Kritiker überzeugt waren, das könne,<br />
erstens, nur jemand schreiben, der selbst<br />
in diesem Teil der Welt lebte oder lange<br />
dort gelebt hatte; zweitens, einer, der ein<br />
lebenserfahre ner Mann ist, denn was beschrieben wird<br />
und wie es beschrieben wird, zeuge von großer Weisheit<br />
und gefestigter Lebenssicht.<br />
Scholochow war, als der erste Band erschien, ge rade<br />
einmal dreiundzwanzig Jahre alt, und unter den<br />
Donkosaken hatte er nie gelebt. Seine Mutter war<br />
die Witwe eines Kosaken, ja, aber ob das ausreichte,<br />
um ein solch breites Panorama zu entwerfen? Scholochow<br />
hatte kaum die Schule besucht, eine genügende<br />
literarische Bildung durfte also auch nicht vorausgesetzt<br />
werden. Mit dreizehn Jahren bereits schloss er sich den<br />
Bolschewiki an und zog in den Bürgerkrieg. Nach dem<br />
Krieg arbeitete er in verschiedenen Häfen und Steinbrüchen,<br />
vorübergehend als Buchhalter, was damals<br />
jeder werden konnte, der alle Buchstaben kannte. Mit<br />
einundzwanzig Jahren heiratete er die Tochter eines<br />
Kosakenführers. Viel Gelegenheit, sich mit dem Leben<br />
der Menschen zu beschäftigen, die in seinem Buch so<br />
plastisch beschrieben werden, hatte er also nicht.<br />
MICHAEL KÖHLMEIER BENE ROHLMANN, CLAUDIA MEITERT GETTY IMAGES (3)<br />
92 THE RED BULLETIN
THE RED BULLETIN 93
B O U L E V A R D D E R H E L D E N<br />
Die Heldengeschichte geht so: Im Jahr 1920 trifft<br />
der gerade einmal fünfzehnjährige Michail Scholochow<br />
in einem Lazarett Fjodor Dmitrijewitsch<br />
Krjukow. Der Mann ist schwer verwundet und hat<br />
zudem Typhus. Außerdem war er Offizier der Weißen<br />
Armee, die im Bürgerkrieg gegen die Bolschewiki, also<br />
die Rote Armee, gekämpft hatte. Um so einen sorgt man<br />
sich in einem roten Lazarett nicht. Im Zivilberuf ist<br />
Krjukow Schriftsteller. Die beiden unterhalten sich, sie<br />
sind sich sympathisch, Krjukow soll einen mächtigen<br />
Eindruck auf den jungen Scholochow ausgeübt haben,<br />
dieser habe zu ihm aufgeblickt wie zu einem Vater.<br />
Manche glauben, erst die Begegnung mit Krjukow habe<br />
in dem späteren Nobelpreisträger den Wunsch geweckt,<br />
selbst Schriftsteller zu werden.<br />
Andere gehen noch weiter: Fjodor Krjukow wusste,<br />
dass er bald sterben wird. Er hatte Vertrauen in den<br />
jungen Mann, mit dem er sich in den Nächten unterhielt.<br />
Krjukow hatte viele Jahre an einem Roman geschrieben,<br />
hatte ihn noch nicht beendet, er war glücklich über sein<br />
Werk, es war sein Lebenswerk. Aber er wusste, dass der<br />
Roman eines Weißen niemals der Öffentlichkeit übergeben<br />
würde, nicht in einem Land, in dem die Kommunisten<br />
regierten. Krjukow – so diese Version der<br />
Geschichte – übergab das Manuskript seinem jungen<br />
Freund, er vertraute ihm das Manuskript an mit der<br />
Bitte eines Sterbenden, dafür zu sorgen, dass es veröffentlicht<br />
wird. Ja, es wurde sogar spekuliert, es sei<br />
Krjukows Idee gewesen, dass Scholochow das Werk<br />
zu einem Ende führe, sie hatten ja intensiv darüber<br />
gesprochen, und dass er es dann unter seinem Namen,<br />
dem Namen eines Soldaten der Roten Armee, veröffentliche.<br />
Krjukow habe sein Werk über seinen Namen gestellt.<br />
Und Scholochow habe am Sterbebett des Dichters<br />
geschworen, dessen letzten Wunsch zu erfüllen.<br />
Bleiben wir bei dieser Version. Scholochow war zu<br />
jung und zu ungebildet, um die Qualität des Werkes<br />
beurteilen zu können. Er hatte auch keine Ahnung,<br />
wie das Verlagswesen funktionierte. Wahrscheinlich<br />
hatte er damals noch kein einziges Buch gelesen. Vielleicht<br />
sogar noch nie ein Buch in der Hand gehabt. Fjodor<br />
Krjukow starb. Sein Manuskript verwahrte Scholochow.<br />
Was sollte er tun? Krjukow hatte recht, niemand würde<br />
das Buch eines Weißen verlegen. Also gab er sich, wie<br />
ihm Krjukow geraten hatte, als der Autor aus.<br />
Er glaubte nicht, dass der Schummel irgendwelche<br />
Folgen haben würde. Wer interessierte sich in diesen<br />
Zeiten schon für einen Roman! Also trug er den ersten<br />
Teil des Manuskripts zu einem kleinen Provinzverlag<br />
und gab sich als der Autor aus. Er meinte, damit habe er<br />
Es war ihm klar, dass<br />
ein Leben, das auf einer<br />
Lüge aufbaut, jederzeit<br />
zusammenbrechen kann.<br />
sein Versprechen eingelöst. In dem Verlag aber war ein<br />
Lektor, der die Qualität des Romans erkannte. Dieser<br />
Lektor hatte selbst Ambitionen, eine kleine Provinzdruckerei<br />
war ihm nicht genug. Und er meinte auch,<br />
für diese Entdeckung sei nur ein großer, potenter Verlag<br />
in der Hauptstadt das Richtige. Er bewarb sich beim<br />
größten Verlag in Moskau um die Stelle des Leiters,<br />
bekam sie und verlegte als sein erstes Buch „Der stille<br />
Don“ von Michail Alexandrowitsch Scholochow. Das<br />
Buch wurde ein sensationeller Erfolg.<br />
Nun befand sich der junge Scholochow in einem<br />
seelischen und in einem öffentlichen Konflikt – worüber<br />
zu befinden viel Einfühlungsvermögen nötig<br />
ist, um nicht ein vorschnelles Urteil zu fällen. Er, Scholochow,<br />
war ein verdienstvoller Genosse, inzwischen<br />
nicht nur Mitglied der KPdSU, sondern auch ein Funktionär.<br />
Wenn einer wie er ein Buch schrieb, dann wurde<br />
es auch verlegt. Also war „Der stille Don“ veröffentlicht<br />
worden. Er hatte sein Versprechen eingelöst, er hatte<br />
dafür gesorgt, dass der Roman seines Freundes verlegt<br />
wurde. Dazu war es notwendig gewesen, zu lügen.<br />
Was hätte er weiter tun sollen? Was, nun, nach dem<br />
großen Erfolg? Sich stellen? Zugeben, dass nicht er der<br />
Autor ist, sondern ein ehemaliger Offizier der Weißen<br />
Garde, der gegen die Rote Armee gekämpft hatte?<br />
Damit hätte er nicht nur erreicht, dass die Auflage<br />
eingestampft worden und der Roman für alle Zeiten<br />
verschwunden wäre, sondern er hätte auch sein eigenes<br />
Leben in Gefahr gebracht, als unzuverlässiger Kollaborateur<br />
wäre er womöglich hingerichtet worden.<br />
Er spielte das Spiel weiter. Vielleicht glaubte er, ein<br />
zweiter Band würde nicht mehr so viel Aufsehen erregen,<br />
das ist ja oft der Fall. Das Gegenteil trat ein.<br />
Der zweite und dann auch der dritte Band waren noch<br />
größere literarische Sensationen. Und nicht nur das.<br />
Stalin und seine Funktionäre stilisierten Scholochow<br />
zum Idealbild des sozialistisch-realistischen Schriftstellers<br />
sowjetischer Prägung.<br />
Im vierten und letzten Band fand diese Tendenz<br />
ihren Ausdruck – und die Literaturkenner waren enttäuscht.<br />
Mehr als enttäuscht. Das Gerücht sagt, diesen<br />
Band habe Scholochow selbst geschrieben oder nach<br />
den inhaltlichen Maßgaben Krjukows vollendet, allerdings<br />
ohne dessen Genie.<br />
Was das Nobelkomitee in Stockholm trotz aller<br />
Gerüchte dazu veranlasste, den Preis an Michail<br />
Scholochow zu vergeben, auch darüber kann<br />
man nur spekulieren. 1965 war der Kalte Krieg an seinem<br />
Höhepunkt. Die Kubakrise lag gerade erst drei<br />
Jahre zurück, der Schrecken eines Atomkriegs zwischen<br />
den USA und der UdSSR saß noch tief. Vielleicht meinten<br />
die Mitglieder des Komitees, mit ihrem Entscheid zur<br />
Entspannung beitragen zu können. Wir wissen es nicht.<br />
Michail Scholochow hatte ein Versprechen gegeben,<br />
und er hatte das Versprechen gehalten. Sehr früh war ihm<br />
bewusst, dass dieses Versprechen sein ganzes eigenes<br />
Leben bestimmen wird. Und ihm wird auch klar<br />
gewesen sein, dass ein Leben, das auf einer Lüge auf<br />
94 THE RED BULLETIN
Vielleicht bekam er den<br />
Nobelpreis nur, weil 1965<br />
der Kalte Krieg an seinem<br />
Höhepunkt war.<br />
baut, jederzeit in sich zusammenbrechen kann. Mit<br />
Fluch und Schmach. Zehn Jahre nach der Vergabe des<br />
Nobelpreises wurde Scholochow vor laufender Kamera<br />
hart mit dem Vorwurf des Plagiats konfrontiert. Da<br />
brach er zusammen, weinte und sagte: „Richten Sie<br />
bitte Ataman Glaskow aus, wie sehr ich mich schäme.<br />
Ich bitte die Kosaken, mir zu verzeihen.“<br />
Die Sache ist dennoch nicht eindeutig. Alles bleibt<br />
immer Gerücht. Die Aufnahmen könnten getürkt<br />
sein, den Frager sieht man nicht. Und so weiter.<br />
Die Wissenschaft der literarischen Stilanalyse kam zu<br />
konträren Urteilen. Die einen sagten, nein, Scholochow<br />
hat nicht gelogen, er ist der Autor von „Der stille Don“,<br />
seine späteren, spärlichen Werke sind zwar unvergleichlich<br />
schlechter, aber er ist nicht der einzige Autor, den<br />
das Talent schon in jungen Jahren verlassen hat. Andere<br />
Spezialisten glaubten zu wissen, dass Scholochow sich<br />
alles erschlichen hat: die Ehre, das Geld, den Preis.<br />
Wie auch immer. Den Roman gibt es. „Der stille Don“<br />
gehört zu den ganz großen literarischen Werken des<br />
20. Jahrhunderts. Gleich, wer ihn geschrieben hat,<br />
gleich, wie er gerettet wurde, er ist da, wir dürfen ihn<br />
lesen. Ich möchte sagen: Michail Alexandrowitsch<br />
Scholochow ist ein Held. Er hat uns etwas Schönes gegeben<br />
– oder an uns weitergegeben –, und er hat dafür<br />
sein Leben auf die Waage gelegt.<br />
Michael Köhlmeiers Geschichten gibt es auch zum Anhören<br />
im Podcast-Kanal von <strong>The</strong> <strong>Red</strong> <strong>Bulletin</strong>. Zu finden auf allen<br />
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innerorts 17,5 – 17,2, außerorts 9,3 – 9,2, kombiniert 12,3 – 12,1; CO2-Emissionen kombiniert: 281 – 276 g/km.<br />
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