211221B_stadtlanddach
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stadt / land / dach<br />
Magazin für Architektur und Raum.<br />
Kommentar Heftthema<br />
Umnutzung: Bestehendes nutzen,<br />
Baukultur wahren<br />
Ist es überhaupt noch<br />
vertretbar, neu zu bauen?<br />
DACHKULT • Ausgabe 6 • Dez 2021 • UMNUTZUNG
INHALT<br />
EDITORIAL<br />
Editorial<br />
/03<br />
Liebe Architekturschaffende,<br />
Steildach / Fränkischer Dreiklang:<br />
Haus – Stall – Scheune<br />
Heftthema / Bestehendes nutzen,<br />
Baukultur wahren<br />
StadtPortrait / Auf der Suche nach der<br />
Identiät einer ganzen Region<br />
/04<br />
/06<br />
/08<br />
dass es in Deutschland wieder ein eigenständiges Bauministerium<br />
gibt, stimmt alle am Bau Beteiligten hoffnungsfroh. Ob das aber<br />
allein schon helfen wird, sich dem ambitionierten Ziel von 400.000<br />
neu geschaffenen Wohnungen im Jahr anzunähern, darf auch angesichts<br />
der angestrebten Klimaziele bezweifelt werden. Wenn überhaupt,<br />
dann klappt das nur, wenn Bürokratie reduziert, der Fachkräftemangel<br />
bekämpft wird und statt Abriss und Neubau immer<br />
häufiger die Sanierung und Umnutzung im Vordergrund steht.<br />
HERAUSGEBER<br />
Initiative Steildach / Dachkult<br />
Tattenbachstraße 1<br />
86179 Augsburg<br />
Kommentar / Ist es überhaupt noch<br />
vertretbar, neu zu bauen?<br />
Ausblick<br />
/10<br />
/11<br />
Zwei Jahre Corona-Ausnahmezustand haben sehr deutlich gezeigt:<br />
gesellschaftliche Veränderungen vollziehen sich mitunter schneller, als<br />
Gebäude geplant, genehmigt und gebaut werden können. Auch wenn bei<br />
der Planung von Neubauten der Rückbau und das Recycling der eingesetzten<br />
Materialien vermehrt berücksichtigt werden, über eine spätere<br />
Umnutzung von Gebäuden macht sich zum Zeitpunkt ihrer Errichtung<br />
noch kaum jemand Gedanken. Mit Vorschlägen für eine Muster(um)bauverordnung<br />
bringt die Initiative Architects for Future (A4F) die Diskussion<br />
ins Rollen.<br />
Klaus H. Niemann (Sprecher)<br />
Mob.: 0175 / 59 11 518<br />
Mail: niemann@dachkult.de<br />
WEBSITE & SOCIAL MEDIA<br />
dachkult.de<br />
youtube.com/dachkult<br />
facebook.com/dachkult<br />
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KONZEPT, DESIGN & REDAKTION<br />
Brandrevier GmbH, Essen<br />
www.brandrevier.com<br />
DRUCK<br />
Woeste Druck + Verlag GmbH & Co. KG<br />
Druckauflage: 6.000<br />
BILDNACHWEIS<br />
1/12 • Brigida González / a+r Architekten<br />
4/5 • Juhani Karanka (Portrait); Stefan Meyer<br />
6/7 • Frank Aussieker (1.v.l.);<br />
Axel Öland (2.v.l./r.); Brigida González (oben r.)<br />
8/9 • Böll Architekten (Portrait); Andreas<br />
Meichsner (1.v.l./2.vl.); Thomas Mayer (r.)<br />
10 • raumwerk.architekten<br />
11 • Frank Aussieker<br />
Architektur-Biennale 2021<br />
Dachkult<br />
goes Venice.<br />
In der vorliegenden Ausgabe der stadt/land/dach möchten wir das enorme<br />
Potenzial aufzeigen, das in der kreativen Umnutzung von Bestandsgebäuden<br />
steckt. Zum einen für den Klimawandel, durch den ressourcenschonenden<br />
Erhalt des Bestands und der darin eingeschlossenen grauen<br />
Energie. Zum anderen aber auch für die Entwicklung von Städten und<br />
Regionen, die auf gesellschaftliche und wirtschaftliche Veränderungen<br />
flexibel reagieren können, ohne ihre baukulturelle Steildach-Identität zu<br />
verlieren.<br />
Ich wünsche Ihnen<br />
eine inspirierende Lektüre.<br />
Klaus H. Niemann,<br />
Sprecher von Dachkult
STEILDACH • 04<br />
Fränkischer Dreiklang:<br />
Haus – Stall – Scheune<br />
tekten nahmen Form und Größe<br />
der Umgebungsbebauung auf und<br />
integrierten den Neubau in die<br />
Freie Sicht unter das Steildach<br />
Eine große Doppeltür macht den<br />
Eingang zum Ensemble deutlich<br />
Neubaus neben dem Eingang ablesen.<br />
Hier platzierten die Architekten<br />
im Inneren die Servicebereiche<br />
Umgebung. Der Stall wird vom<br />
und weist dem Besucher den<br />
der Bücherei.<br />
Als Wiederauferstehung eines alten Ensembles lässt sich der Neubau der<br />
Neubau umhüllt und in die neue<br />
Weg. Beim Betreten der Bücherei<br />
Schlicht Lamprecht Architekten<br />
Schweinfurt/Bamberg<br />
Bücherei Gundelsheim lesen. Der Bauernhof aus dem 19. Jahrhundert<br />
verfügte einst über ein Wohnhaus, einen Stall und eine Scheune. Der Abriss<br />
Doppelscheunenstruktur integriert.<br />
eröffnet sich ihm ein hoher Raum<br />
mit Blick bis unter den First. Die<br />
Kluge Formensprache<br />
Das Nutzungskonzept löst klare<br />
der Scheune hinterließ eine städtebaulich undefinierte Fläche und den<br />
Reminiszenz an den Altbestand<br />
Steildachstruktur schafft eine be-<br />
Raumzuständigkeiten auf, da die<br />
Rest eines Zweiseithofs. Die Sanierung und Ergänzung von Schlicht Lamp-<br />
Die äußere Gestaltung zeigt die<br />
hagliche und großzügige Raumat-<br />
Flächen verschiedenen Gruppen<br />
recht Architekten gibt dem Gebäude durch die Nutzung als Bücherei nicht<br />
Bauweise in Holz und schafft eine<br />
mosphäre. Alt- und Neubau sind<br />
zur Verfügung stehen. Das Ensem-<br />
nur eine neue Funktion, sondern auch eine neue Struktur. Ganz nebenbei<br />
Reminiszenz an die ehemalige<br />
miteinander verwoben.<br />
ble beherbergt neben der Bücherei<br />
entsteht so auch wieder ein gefasster Platz, der dem öffentlichen Leben in<br />
Bebauung. Darüber hinaus entsteht<br />
Die Raumstruktur des Wohnhauses<br />
auch die Kinder des Waldkinder-<br />
der Dorfmitte Raum bietet.<br />
durch die Gebäudeanordnung ein<br />
lösten die Architekten komplett<br />
gartens und wird für Lesungen und<br />
kleiner Lesehof, der die Funktion<br />
auf und schufen einen hohen<br />
Versammlungen genutzt. Die wie-<br />
Ein altes Bauernhaus, einstöckig mit Satteldach, den Giebel zur Hauptstraße ori-<br />
des Gebäudes nach außen fort-<br />
Raum mit freier Sicht unter die<br />
derkehrende Form der Satteldach-<br />
entiert. Das Anrücken der Abrissbagger konnte die Gemeinde durch den Ankauf<br />
schreibt. Für die Fassade kam für<br />
Steildachflächen. Konstruktiven<br />
struktur ist identitätsstiftend für<br />
des Gebäudes gerade noch verhindern. Statt eines Neubaus sollte der Bestand<br />
die Architekten nur eine vorver-<br />
Halt gibt diesem Teil des Ensemb-<br />
das Ensemble und lässt es mit der<br />
erhalten werden und künftig allen Bürgern offen stehen. Den ausgeschriebenen<br />
graute Holzlattung infrage, die<br />
les ein eingestelltes Haus aus Holz,<br />
Umgebung verschmelzen. Das Pro-<br />
Wettbewerb konnte das Büro Schlicht Lamprecht Architekten für sich entschei-<br />
durch die Lattweite mit dem Ein-<br />
das die Kubatur des Satteldachs<br />
jekt zeigt, dass es mit behutsamen<br />
den. Die Architekten haben durch mehrere ähnlich gelagerte Projekte reichlich<br />
dringen des Tageslichts spielt. Sie<br />
in kleinerem Maßstab im Inneren<br />
Eingriffen in gewachsene dörfliche<br />
Expertise im Bereich des ländlichen Bauens, der Umnutzung und Sanierung von<br />
schafft im Innenraum den Eindruck<br />
aufnimmt. Dieser geschützte Raum<br />
Strukturen möglich ist, der Ver-<br />
aufgelassenen Objekten. Ihr Entwurf sah vor, dem ehemaligen Gehöft seine alte<br />
von Transparenz zur Umgebung<br />
beherbergt die Kinderbuchabtei-<br />
ödung der Ortskerne entgegenzu-<br />
Kubatur zurückzugeben, indem anstelle der ehemaligen Scheune ein Neubau mit<br />
und nimmt dem Baukörper optisch<br />
lung. Ein weiteres Haus im Haus<br />
wirken und gleichzeitig räumliche<br />
zwei parallelen Satteldächern hinter dem Bestand gruppiert wurde. Die Archi-<br />
seine Masse.<br />
lässt sich schon an der Fassade des<br />
Verbesserungen zu schaffen. /<br />
Die Bücherei Gundelsheim erhielt im Sommer 2021 den „Bauen im Bestand“-Preis der Bayerischen Architektenkammer.<br />
Die „Haus im Haus“-Idee verwebt mit spannenden Raumbezügen alte und neue Elemente.
Heftthema • 06<br />
Bestehendes nutzen,<br />
Baukultur wahren<br />
Um- statt Neubau lautet das architektonische Gebot der Stunde. Doch dabei geht es<br />
keineswegs nur um Ressourcenschonung und eine möglichst nachhaltige Nutzung grauer<br />
Energie. Mindestens ebenso wichtig ist die Weiterentwicklung gewachsener Strukturen und<br />
der Erhalt des baukulturellen Erbes.<br />
Spätestens seit der Verleihung des<br />
ein besonders gutes Kaschieren der<br />
aktuellen, ökonomisch geprägten<br />
bietet. Eine feinfühlig umgesetzte,<br />
Galerieebene direkt im Spitzboden<br />
Konversionsfläche vom Stuttgarter<br />
Pritzker-Preises 2021 an Lacaton<br />
Gegebenheiten aus, sondern gera-<br />
Neubauentwicklungen – auch<br />
doppelstöckige Haus-in-Haus-Lö-<br />
ermöglichen nun verschiedene<br />
Büro a+r zurück ins Leben geholt.<br />
& Vassal dürfte auch interessier-<br />
de durch einen kreativen Umgang<br />
selten infrage gestellt wird.<br />
sung beherbergt nun einen Groß-<br />
Nutzungen zur gleichen Zeit. Auf<br />
ten Laien klar sein: wegweisende<br />
mit ihnen.<br />
teil der 27 Apartments sowie eine<br />
diese Weise wird ein kultureller<br />
Projekte wie diese machen deut-<br />
Architektur ist längst nicht mehr<br />
Vom Kirchengestühl<br />
500 m 2 große Gemeinschaftsfläche.<br />
Bogen vom 17. Jahrhundert bis<br />
lich, welch identitätsstiftendes<br />
ausschließlich mit spektakulä-<br />
Das Steildach ist in diesem Kontext<br />
zum Studierendenbett<br />
in die Gegenwart geschlagen, der<br />
Potenzial einzelne Umbaumaßnah-<br />
ren Neubauprojekten verbunden.<br />
von doppeltem Wert: Zum einen<br />
Ein besonders markantes Bei-<br />
In gewachsenen Strukturen<br />
„emotionale Ressourcen“ aktiviert<br />
men für das gesamte Umfeld haben<br />
Vielmehr ist es oft der Umgang<br />
prägt es als „Visitenkarte des Hau-<br />
spiel für das Prinzip, einer alten<br />
europäischer Prägung sind steile<br />
und für kommende Generationen<br />
können. Sie erzählen Geschichten<br />
mit Bestehendem, an dem sich<br />
ses“ die äußere Erscheinung des<br />
Hülle neuen Wert zu verleihen,<br />
Dächer darüber hinaus fester<br />
zugänglich macht.<br />
von dem, was war und was kom-<br />
zukunftsgewandtes Bauen zeigt.<br />
Bestands. Zum anderen bietet es<br />
findet sich mit der Gerhard-Uhl-<br />
Bestandteil der Baukultur und<br />
men könnte. Sie ermöglichen die<br />
Es gilt nicht nur, die Vorgaben der<br />
die Möglichkeit, bisher ungenutz-<br />
horn-Kirche in Hannover, die von<br />
verbinden als solche Vergangen-<br />
Fixpunkte im Raum<br />
Verortung ganzer Nachbarschaften,<br />
Bauherren hinsichtlich geplanter<br />
ten Raum zu aktivieren, ohne eine<br />
(pfitzner moorkens) architekten<br />
heit und Moderne. Im oberpfälzi-<br />
Umnutzung steht – abstrakt for-<br />
in diesem Fall des Neubauquartiers<br />
Nutzung, das Kostenbudget sowie<br />
gestaltverändernde Aufstockung<br />
unter Berücksichtigung des Denk-<br />
schen Lauterhofen wurde deshalb<br />
muliert – für das Neue im Alten,<br />
„Stadtoval“, in einem historisch<br />
die umgebende Bebauung mitein-<br />
vornehmen zu müssen. Gerade im<br />
malschutzes und der religiösen<br />
eine stark sanierungsbedürftige<br />
kann aber auch umgekehrt funktio-<br />
gewachsenen städtebaulichen Kon-<br />
zubeziehen. Auch jede bestehende<br />
Zusammenspiel aus ästhetischen<br />
Vorgeschichte in ein Studierenden-<br />
Mälze nicht rückgebaut, sondern<br />
nieren: In Aalen entstand aus den<br />
text. Und nicht zuletzt sendet eine<br />
Wand kann zur buchstäblichen<br />
und funktionalen Aspekten ist<br />
wohnheim umfunktioniert wurde.<br />
von Berschneider + Berschneider<br />
Überresten einer Bahnverwaltungs-<br />
Kultur des Umbauens das deutliche<br />
Grenze für gestalterische Ambi-<br />
wohl der Grund zu suchen, warum<br />
Die Architekt*innen machten sich<br />
zu einem kulturellen Treffpunkt<br />
und Ausbesserungsanlage aus dem<br />
Signal: Bauen heißt Verantwortung<br />
tionen werden. Glücklicherweise<br />
sich das steile Dach bei Umnut-<br />
den Gestaltungsspielraum zunut-<br />
weiterentwickelt. Die teilweise<br />
19. Jahrhundert der Kulturbahnhof<br />
übernehmen – gesellschaftlich und<br />
zeichnet sich eine gelungene Um-<br />
zungsmaßnahmen so großer<br />
ze, den das bis zu 21 Meter hohe<br />
Entfernung von Decken und das<br />
„KUBAA“. Der Komplex wurde als<br />
ökologisch. /<br />
baumaßnahme meist nicht durch<br />
Beliebtheit erfreut und – entgegen<br />
Walmdach über dem Kirchenschiff<br />
anschließende Einbringen einer<br />
gesellschaftlicher Fixpunkt einer<br />
Der von Reinhard Riemerschmid entworfene Sakralbau bot mit seinem Walmdach viel Platz für Wohnraum.<br />
Die freigelegte Dachkonstruktion bietet in der alten Mälze ein stilvolles wie geschichtsträchtiges Ambiente.
StadtPORTRAIT • 08<br />
Böll Architekten<br />
Essen<br />
Auf der Suche nach der<br />
Identität einer ganzen Region<br />
Der Bergbau ist aus dem Ruhrgebiet verschwunden, nicht jedoch seine<br />
Spuren. Einst geprägt von Kohle und Stahl, ist das Ruhrgebiet im<br />
Herzen NRWs heute eine lebenswerte Kulturregion, die spätestens<br />
seit der Internationalen Bauausstellung Emscher Park in den 90er<br />
Jahren auch über die Landesgrenzen hinaus bekannt ist – und mit<br />
ihr auch das baukulturelle Erbe, das bis heute fortbesteht.<br />
„Es geht darum, die Identität aus der Geschichte des<br />
Hauses zu nutzen und in die Zukunft zu übertragen.<br />
Das kann ein Neubau nicht.“<br />
Achim Pfeiffer über die Umnutzung der Alten Samtweberei in Krefeld<br />
Heute wird das Umfeld der alten Samtweberei bereits als „Samtweberviertel“ bezeichnet.<br />
Heute beherbergt das alte Pumpenhaus Gastronomie und ein Besucherzentrum.<br />
Die IBA brachte den Wandel der<br />
die, von der heute im Kontext des<br />
fester Bestandteil der städtischen<br />
sowie Initiativen aus dem Viertel<br />
sehen, meint Pfeiffer. Schließlich<br />
Architekten einem alten Pum-<br />
gesamten Region mit sich und<br />
Klimawandels die Rede ist, erklärt<br />
Textilindustrie war. Mit Einstellung<br />
übergeben wurden, erhielten die<br />
gebe es noch andere Faktoren<br />
penhaus ein radikal verändertes<br />
prägte auch die angrenzenden<br />
sein langjähriger Mitarbeiter und<br />
des Betriebs war das umgeben-<br />
32 Wohnungen ein hofseitiges,<br />
wie Schulen und Kitas oder ein<br />
Erscheinungsbild. Ein dunkelgrau-<br />
Städte. Anstatt die ungenutzten<br />
heutiger Geschäftsführer Achim<br />
de Quartier, wie so viele andere<br />
vorgestelltes Laubengangsystem<br />
Mobilitätskonzept. Jedoch habe die<br />
es Trapezblech überzieht Fassade<br />
Industriebauten abzureißen und<br />
Pfeiffer. Dennoch, glaubt er, habe<br />
Industriestandorte der Region, den<br />
mit Gemeinschaftsterrassen. Abge-<br />
Reaktivierung der alten Samtwe-<br />
wie Satteldach und schützt die<br />
durch Neubauten zu ersetzen,<br />
Böll aus dieser Zeit, in der man<br />
sozialen Folgen des Strukturwan-<br />
sehen von dieser Ergänzung blieb<br />
berei einen Impuls gegeben, der<br />
dahinter liegende neue Außen-<br />
erhielt man sie als identitätsstif-<br />
prinzipiell nichts wegschmiss, eine<br />
dels ausgesetzt. Die Stadt Krefeld<br />
die äußere Gestalt erhalten, zu der<br />
für die Identität des Viertels eine<br />
dämmung. Das ehemals sichtbare,<br />
tende Bauwerke und hauchte ihnen<br />
große Wertschätzung gegenüber<br />
erkannte jedoch das städtebauliche<br />
auch die zum Innenhof geneigten<br />
bedeutende Rolle spiele.<br />
mit Ziegeln ausgefachte Stahl-<br />
neues Leben ein. Ein wesentli-<br />
dem Bestehenden mitgenommen.<br />
wie architektonische Potenzial und<br />
Pultdächer sowie das markante<br />
tragwerk prägt noch den Innen-<br />
cher Protagonist hierbei war der<br />
Bis heute setzt sich das Büro für<br />
initiierte gemeinsam mit der Mon-<br />
Sheddach der Halle in besagtem<br />
Einfach, aber nicht banal<br />
raum. Die äußere Gestalt dagegen<br />
Architekt Heinrich Böll mit seinem<br />
den Erhalt von Orten und Gebäu-<br />
tag Stiftung eine Reaktivierung der<br />
Hof zählen. Im Gegensatz zu<br />
Der Begriff „Identität“ fällt im<br />
wurde auf ein Minimum reduziert,<br />
Büro Böll Architekten, das unter<br />
den ein, die in der Bedeutungs-<br />
Immobilien zugunsten der sozialen<br />
einem Neubau, bei dem man sich<br />
Gespräch mit Achim Pfeiffer immer<br />
erscheint aber keinesfalls banal:<br />
anderem für die Umnutzung der<br />
losigkeit zu versinken drohen,<br />
und kulturellen Entwicklung des<br />
in der Regel immer Gedanken zur<br />
wieder. Einerseits sei diese im<br />
Der ursprüngliche Dachüberstand,<br />
Zeche Zollverein verantwortlich<br />
und trägt damit zur anhaltenden<br />
gesamten Stadtteils. Auf Basis<br />
Dachform mache, sei der Erhalt der<br />
Ruhrgebiet auch 20 Jahre nach<br />
außen liegende Regenrinnen und<br />
ist. Im Jahr 1940 geboren, erlebte<br />
Identitätsentwicklung bei.<br />
ihrer Machbarkeitsstudie bauten<br />
formalen Gegebenheiten hier eine<br />
der Bauausstellung noch immer<br />
-rohre sind verschwunden zuguns-<br />
Böll den gesamten Wiederaufbau<br />
Böll Architekten einen Großteil der<br />
Selbstverständlichkeit gewesen,<br />
schwach. Andererseits bedinge<br />
ten einer monochromen Hülle. Sie<br />
nach dem Zweiten Weltkrieg – eine<br />
Ein Viertel im Aufschwung<br />
vorhandenen Gebäude zu Arbeits-<br />
die zu keinem Zeitpunkt infrage<br />
diese Schwäche einen unwahr-<br />
erinnert auf zeitgemäße Weise an<br />
Zeit, die vom Mangel geprägt war.<br />
So auch im Falle der alten Samt-<br />
und Wohnflächen um. Während<br />
gestellt worden sei.<br />
scheinlich offenen Aktionsraum<br />
den Urtypus eines Hauses, ohne die<br />
Das sei jedoch eine andere Art von<br />
weberei in Krefeld, die seit ihrer<br />
die Büros in unsaniertem Zustand<br />
Wie sich dieses Projekt auf den<br />
und gestalterische Freiheiten. In<br />
Geschichte des Ortes außer Acht<br />
Ressourcenknappheit gewesen als<br />
Inbetriebnahme im Jahr 1890<br />
an Kreativschaffende, Studierende<br />
Stadtteil auswirke, müsse man<br />
Bochum beispielsweise gaben Böll<br />
zu lassen. /
Kommentar • 10<br />
raumwerk.architekten<br />
Köln<br />
Für die Architekturschaffenden hatte das<br />
Bauen im Bestand früher den Ruf, keinen<br />
Freiraum für die eigene Idee zu lassen.<br />
Das hat sich mittlerweile dank großartiger<br />
Umbauprojekte grundlegend geändert.<br />
Problematisch bleibt aber immer noch das<br />
gesellschaftlich stark verankerte Denken,<br />
dass etwas „Neues“ grundsätzlich besser<br />
und wartungsfreier als etwas Altes sei.<br />
Dieses Denken betrifft viele Lebensbereiche<br />
und damit auch das Bauen. Oft wird<br />
vergessen, dass wir bis heute gern in ganz<br />
alten Häusern leben, deren Qualitäten sich<br />
jahrhundertelang halten. Trotzdem reißen<br />
wir zu viele von ihnen unnötig ab.<br />
Wir sollten einerseits in der Gesellschaft<br />
noch viel umfassender umdenken, um die<br />
knappen Materialressourcen zu schonen<br />
und im Bausektor den dringend notwendigen<br />
Beitrag zu unseren Klimazielen leisten<br />
zu können. Hier sind auch die Hersteller in<br />
der Verantwortung, dem Umbauen durch<br />
ihre Kommunikation mehr Raum in der<br />
gesellschaftlichen Architekturrezeption<br />
zu geben. Ein Ansatz wäre beispielsweise,<br />
das Recycling oder die Wiederverwendung<br />
von eigenen Bauprodukten zu zeigen und<br />
Bauherren wie Planende darin zu beraten.<br />
Andererseits sollte immer, wenn neu<br />
Ist es überhaupt noch<br />
vertretbar, neu zu bauen?<br />
Ragnhild Klußmann, Mitinhaberin von raumwerk.architekten,<br />
über die (Steildach-)Architektur des Veränderns.<br />
gebaut wird, genau geprüft werden, ob<br />
nicht ein Bestandsgebäude für das Projekt<br />
genutzt werden kann.<br />
Als Architekt*innen lernen wir, uns mit<br />
jeder neuen Bauaufgabe auch neuen Bedingungen<br />
zu stellen, das macht unseren<br />
Beruf so kreativ und vielfältig. Gerade im<br />
Umbau ist eine hohe Individualität der<br />
Planung möglich: jeder Bestand hat seine<br />
eigenen Bedingungen und Geschichten.<br />
Und vor allem hier finden wir sehr häufig<br />
Gebäude mit geneigten Dächern vor. Im<br />
Rahmen eines Umbaus stellt sich dann<br />
die Frage, ob und wie mit dem bestehenden<br />
Dach – sowohl der Konstruktion als<br />
auch der Form – umgegangen wird. Nicht<br />
immer bleibt es erhalten. Oft aber stellt<br />
hier das vorgefundene geneigte Dach einen<br />
wichtigen Teil der formalen Identität, der<br />
Geschichte des Gebäudes dar und wird<br />
deshalb gern mit in die Zukunft gedacht.<br />
Zudem beherbergen geneigte Dächer wundervolle<br />
Dachräume, die durch Lufträume,<br />
Galerien und offene Treppen mit Leben<br />
gefüllt werden können. Es sind deshalb<br />
häufig ganz besondere Orte, die eine<br />
andere Gestaltung als in den restlichen<br />
Geschossen zulassen. /<br />
VERANSTALTUNGEN UND TERMINE<br />
Alle Termin- und Ortsangaben stehen aufgrund der Corona-Situation<br />
unter Vorbehalt. Sofern eine Präsenzveranstaltung nicht möglich<br />
sein sollte, erfolgt diese als Online-Veranstaltung.<br />
Aktuelle Informationen finden Sie auf unserer Website<br />
www.dachkult.de/events.<br />
Rooftop Talk #15 in Hannover<br />
Februar/März 2022<br />
Rooftop Talk #16 in Düsseldorf<br />
April/Mai 2022<br />
Rooftop Talk #17 in Frankfurt am Main<br />
September 2022<br />
Herausgeber<br />
dachkult.de<br />
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Deutschen Ziegelindustrie<br />
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Weitere Infos zu den Partnern<br />
unter dachkult.de/partner<br />
Gastkommentare in stadt/land/dach geben stets die Meinung der jeweiligen Gastautoren wieder und nicht explizit die des Herausgebers.<br />
Als weiße Boxen wurden die insgesamt 27 Studentenapartments<br />
in den denkmalgeschützten Sakralraum der<br />
ehemaligen Gerhard-Uhlhorn-Kirche gestellt. Mit ihrer<br />
Schlichtheit überlassen sie der erhaltenen Bausubstanz<br />
den gestalterischen Vortritt.