forum Nachhaltig Wirtschaften 02/2017: Wie ernähren wir uns in Zukunft?
Wie können wir schützenswerte Tierarten erhalten, ohne sie einzusperren oder in ihren natürlichen Lebensraum einzugreifen? Im Schwerpunkt Tierische Geschäfte berichtet forum von kontroversen Standpunkten zum Schutz von Tieren. Können Arten wirklich geschützt werden, indem sie zum Abschuss freigegeben werden? Begleiten Sie forum in die Steppe Afrikas und nach Zentralasien, um Antworten auf diese Frage zu finden. Im Heft diskutiert wird zudem das heikle Thema Delphinarien. Dag Encke, der eines von zwei verbleibenden Delphinarien in Deutschland betreibt, trifft auf Ulrich Karlowski von der Gesellschaft zur Rettung der Delphine, welcher die Haltung der Meeressäuger mit einer "lebenslangen Haft" vergleicht. Vom Knast in den Chefsessel Um Gefangene geht es unter anderen auch in einer großen Strecke zum Thema Entrepreneurship. Die Initiative Leonhard-Programm bildet in München Häftlinge zu Unternehmern aus. "Es ist unser aller Aufgabe, Verantwortung für die Zukunft zu übernehmen", sagt Philipp Lahm im forum-Interview, der dieses Jahr beim Next Economy Award als Juror teilnimmt. Zu mehr innovativem Unternehmertum ruft die Stiftung Entrepreneurship auf, die forum im Portrait darstellt. Das Wunder in der Wüste Als "verrückt!" bezeichneten die Leute Dr. Ibrahim Abouleish, als er vor 40 Jahren seine Vision verkündete, die Wüste zu begrünen. Doch Abouleish behielt recht und schuf 60 Kilometer nordöstlich von Kairo mit SEKEM ein grünes Wunder. forum setzt dem begnadeten Sozialunternehmer und seinem Werk ein Denkmal. Dazu gibt es im neuen forum weitere inspirierende Beiträge wie zum Beispiel: Die Mutter der Regionalbewegung - Deutschlands geniale Regionalvermarkterin Pflanzen erobern den Himmel - Stadtbegrünung als Mittel gegen Feinstaub Geldanlagen neu Denken - Max Deml, Pionier des Grünen Investments Eine Stimme für die Zukunft - Der Weltzukunftsrat für kommende Generationen
Wie können wir schützenswerte Tierarten erhalten, ohne sie einzusperren oder in ihren natürlichen Lebensraum einzugreifen? Im Schwerpunkt Tierische Geschäfte berichtet forum von kontroversen Standpunkten zum Schutz von Tieren. Können Arten wirklich geschützt werden, indem sie zum Abschuss freigegeben werden? Begleiten Sie forum in die Steppe Afrikas und nach Zentralasien, um Antworten auf diese Frage zu finden. Im Heft diskutiert wird zudem das heikle Thema Delphinarien. Dag Encke, der eines von zwei verbleibenden Delphinarien in Deutschland betreibt, trifft auf Ulrich Karlowski von der Gesellschaft zur Rettung der Delphine, welcher die Haltung der Meeressäuger mit einer "lebenslangen Haft" vergleicht.
Vom Knast in den Chefsessel
Um Gefangene geht es unter anderen auch in einer großen Strecke zum Thema Entrepreneurship. Die Initiative Leonhard-Programm bildet in München Häftlinge zu Unternehmern aus. "Es ist unser aller Aufgabe, Verantwortung für die Zukunft zu übernehmen", sagt Philipp Lahm im forum-Interview, der dieses Jahr beim Next Economy Award als Juror teilnimmt. Zu mehr innovativem Unternehmertum ruft die Stiftung Entrepreneurship auf, die forum im Portrait darstellt.
Das Wunder in der Wüste
Als "verrückt!" bezeichneten die Leute Dr. Ibrahim Abouleish, als er vor 40 Jahren seine Vision verkündete, die Wüste zu begrünen. Doch Abouleish behielt recht und schuf 60 Kilometer nordöstlich von Kairo mit SEKEM ein grünes Wunder. forum setzt dem begnadeten Sozialunternehmer und seinem Werk ein Denkmal.
Dazu gibt es im neuen forum weitere inspirierende Beiträge wie zum Beispiel:
Die Mutter der Regionalbewegung - Deutschlands geniale Regionalvermarkterin
Pflanzen erobern den Himmel - Stadtbegrünung als Mittel gegen Feinstaub
Geldanlagen neu Denken - Max Deml, Pionier des Grünen Investments
Eine Stimme für die Zukunft - Der Weltzukunftsrat für kommende Generationen
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Forum<br />
ISSN 1865-4266<br />
EUR 7,50 (D) | EUR 8,- (A) | CHF 12,50 | 2. Quartal <strong>2017</strong><br />
<strong>02</strong>/<strong>2017</strong><br />
<strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong><br />
Das Entscheider-Magaz<strong>in</strong><br />
ÜberLebensmittel<br />
Bananen retten deutsche Dörfer<br />
Design Th<strong>in</strong>k<strong>in</strong>g<br />
Revolution der Produktentwicklung?<br />
Blockcha<strong>in</strong><br />
Der virtuelle Quantensprung<br />
Mikrof<strong>in</strong>anz<br />
Ist sie noch nachhaltig?<br />
<strong>forum</strong> junior<br />
E<strong>in</strong>e Million Bäume pflanzen<br />
4 197564 507505<br />
<strong>02</strong>
Editorial<br />
WIND OF CHANGE …<br />
Vor mehr als 30 Jahren wehte er, der W<strong>in</strong>d of Change, und viele junge Menschen waren<br />
bereit, die Veränderung <strong>in</strong> die Hand zu nehmen. Als belächelte Außenseiter gründeten<br />
sie Organisationen wie Greenpeace, Deutsche Umwelthilfe und Rob<strong>in</strong> Wood, sie<br />
starteten Firmen wie Rapunzel oder Zwergenwiese, Lavera oder Hess Natur, Dennree<br />
oder Alnatura.<br />
Und dann kam lange nichts mehr. Wir hatten das Gefühl, dass Geiz vor allem geil, Konsum<br />
wichtig und der Arbeitgeber möglichst groß sowie der Arbeitsplatz sicher se<strong>in</strong> sollten.<br />
Doch jetzt weht er wieder, dieser W<strong>in</strong>d of Change. Wir spüren ihn an allen Ecken und<br />
sehen so viel Veränderungsbereitschaft wie lange nicht mehr: Junge Menschen engagieren<br />
sich politisch und gehen wieder auf die Straße. Sie gründen Firmen, die <strong>wir</strong>klich<br />
neue Produkte hervorbr<strong>in</strong>gen oder sich gar aktiv um gesellschaftliche Aufgabenstellungen<br />
kümmern. Geme<strong>in</strong>den und Quartiere erkennen, dass sie ihr Schicksal selbst <strong>in</strong><br />
die Hand nehmen sollten.<br />
In diesem Heft erfahren Sie, warum nun Bananen an der Elbe und Garnelen an der Isar<br />
wachsen; wie Menschen ihre Region und den bodenständigen Genuss neu entdecken;<br />
wie Start-ups den Markt für Lebensmittel aufmischen.<br />
K<strong>in</strong>der s<strong>in</strong>d die <strong>Zukunft</strong>. Darum starten<br />
<strong>wir</strong> mit dieser Ausgabe <strong>forum</strong> junior. Mit<br />
diesen Seiten wollen <strong>wir</strong> den Nachwuchs<br />
für das Thema Umweltschutz begeistern.<br />
Den Anfang macht Felix F<strong>in</strong>kbe<strong>in</strong>er, der<br />
als neunjähriger Schüler die Initiative<br />
Plant-for-the-Planet gründete.<br />
… oder Tsunami der Veränderung?<br />
Und das s<strong>in</strong>d die Folgen für die Wirtschaft: Wer nicht <strong>in</strong>novativ ist und nicht gelernt hat,<br />
mit der steigenden Komplexität, der globalen Diversität und der zunehmenden Verknappung<br />
von Ressourcen umzugehen, <strong>wir</strong>d es schwer haben, den Veränderungs-Tsunami<br />
heutiger Zeiten zu überleben. Veränderungen e<strong>in</strong>fach nur h<strong>in</strong>nehmen war gestern. Heute<br />
brauchen <strong>wir</strong> Unternehmen und vor allem Menschen, die aktiv e<strong>in</strong>e strahlende, neue<br />
<strong>Zukunft</strong> erschaffen. Menschen, die e<strong>in</strong>e Transformation anstoßen können und wollen!<br />
Coverfoto: © Simon Staehli | Foto oben: © Plant-for-the-Planet<br />
Transformation bedeutet (R)evolution, Innovation und vor allem E<strong>in</strong>zigartigkeit. Viele<br />
Unternehmen humpeln wie schwere Kolosse h<strong>in</strong>ter jungen Start-ups her und staunen,<br />
wenn diese über Nacht die Welt auf den Kopf stellen. Mit jugendlicher Agilität transformieren<br />
sie Geschäftsmodelle und ke<strong>in</strong> Ste<strong>in</strong> bleibt auf dem anderen. <strong>Wie</strong> schaffen<br />
sie das? Mit e<strong>in</strong>em neuen Bewusstse<strong>in</strong>, grenzenloser Begeisterung für Neues und vor<br />
allem mit Mut. Dieser neue Energieschub sollte sich nicht auf Start-ups beschränken,<br />
er steht allen Unternehmen als <strong>in</strong>novativer Weg zur Verfügung! Wir unterstützen Sie<br />
dabei gerne mit <strong>uns</strong>erem Netzwerk und als <strong>Zukunft</strong>sberater. Es ist Zeit für e<strong>in</strong>e frische<br />
Frühl<strong>in</strong>gsbrise.<br />
Genießen Sie den W<strong>in</strong>d of Change.<br />
Fritz Lietsch<br />
Herausgeber <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong><br />
f.lietsch@<strong>forum</strong>-csr.net<br />
Prof. Dr. Maximilian Gege<br />
Vorstandsvorsitzender B.A.U.M. e.V.<br />
Fritz Lietsch<br />
www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />
3
INHALT<br />
22<br />
Garnelen aus Bayern: Vom Problemzum<br />
Luxusprodukt 43<br />
Befreiung aus der Armutsspirale:<br />
Mikro kredite als sozialer Ansatz<br />
3 Editorial<br />
6 Brennpunkt Er ist wieder da<br />
8 Gute Nachrichten<br />
35 Kultur als Maßstab guter Unternehmensführung?<br />
Neue Werte für den Unternehmenserfolg<br />
38 Lust und Last Lebensmittelverpackungen<br />
41 Gut zu wissen Mit Ernährung für den Klimaschutz<br />
Schwerpunkt<br />
ERNÄHRUNG FÜR<br />
DEN WANDEL<br />
10 Essen verändert Menschen Bio und Bus<strong>in</strong>ess Hand<br />
<strong>in</strong> Hand<br />
14 Neue Hühner braucht das Land Das Zwe<strong>in</strong>utzenhuhn<br />
19 Wachsen Bananen an der Elbe? Dorfentwicklung <strong>in</strong><br />
der Hand der Bürger<br />
22 Garnelen von der Isar Die Großstadtfischer<br />
28 Food Start-ups auf dem Vormarsch Innovative<br />
Ernährungskonzepte<br />
30 So <strong>wir</strong>d die Kant<strong>in</strong>e oder Mensa Bio Ausgezeichnetes<br />
Transformationsprojekt<br />
32 Die Kant<strong>in</strong>enstürmer Erfolgsstory e<strong>in</strong>es Bio-<br />
Pioniers<br />
THEMEN<br />
Geld und Investment<br />
42 999 Zeichen für die <strong>Zukunft</strong> … der Mikrof<strong>in</strong>anz<br />
43 Geld anlegen und Gutes tun Mikrof<strong>in</strong>anz – sozialer<br />
Ansatz oder re<strong>in</strong>es Geschäftsmodell?<br />
48 Mikrof<strong>in</strong>anz – sicher und sozial? Interview mit<br />
Markus Zeil<strong>in</strong>ger von fair-f<strong>in</strong>ance<br />
49 Mikrof<strong>in</strong>anz – jetzt auch für Privatkunden Interview<br />
mit Günther Kastner von Vision Microf<strong>in</strong>ance<br />
Strategie und Unternehmensführung<br />
52 Blockcha<strong>in</strong> für Nicht<strong>in</strong>formatiker Die virtuelle<br />
Transaktionskette<br />
57 Design Th<strong>in</strong>k<strong>in</strong>g Innovation auf dem Siegeszug<br />
60 Interview mit e<strong>in</strong>em Design Th<strong>in</strong>ker Schlüssel zur<br />
<strong>Nachhaltig</strong>keit<br />
Fotos v.l.n.r.: © Crusta Nova | © Roger Richter | © Deutsches Museum | © Plant-for-the-Planet<br />
© Crusta Nova | © Roger Richter | © Deutsches Museum | © Plant-for-the-Planet<br />
4 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>
INHALT<br />
<strong>Zukunft</strong>sweisende Ausstellung:<br />
86 Energiewende aus Politikersicht 92<br />
Umweltschutz für den Nachwuchs:<br />
Neue Sonderseiten <strong>forum</strong> junior<br />
62 Money makes the world go round – oder? Erfolgreich<br />
durch soziale Verantwortung<br />
64 Angeschmiert Interview mit Apu Gosalia von Fuchs<br />
Petrolub SE<br />
66 Erfolgreiches CSR-Management Der richtige<br />
Umgang mit der CSR-Scorecard<br />
K<strong>uns</strong>t und <strong>Nachhaltig</strong>keit<br />
98 Der Plastikmaler aus Südafrika Heizpistole als P<strong>in</strong>sel<br />
und Plastikabfall als Farbe<br />
1<strong>02</strong> Das blaue Wunder auf der großen Le<strong>in</strong>wand Die<br />
International Ocean Film Tour<br />
70 <strong>Nachhaltig</strong>keit ist messbar! Werkzeuge zum<br />
CSR-Controll<strong>in</strong>g<br />
74 Massivholz Treuer Begleiter im Büro<br />
Klima- und Naturschutz<br />
78 Starke Frauen Für Beate Jessel ist Naturschutz viel<br />
mehr als „Viecherl“ und „Pflänzerl“<br />
82 Die wichtigste Grafik der Klimawissenschaft Von<br />
Kipp-Punkten und Kipp-Elementen<br />
84 Wir s<strong>in</strong>d schon im Hochrisikobereich Interview mit<br />
Hans-Joachim Schellnhuber<br />
86 Die Energiewende spielerisch erfahren Begeisternde<br />
Ausstellung im Deutschen Museum <strong>in</strong> München<br />
90 Mr Social und Mrs Bus<strong>in</strong>ess Mit dem Bambusfahrrad<br />
gegen Armut <strong>in</strong> Afrika<br />
<strong>forum</strong><br />
92 Wälder, die die Welt retten Lass <strong>uns</strong> <strong>in</strong> jedem Land<br />
der Erde e<strong>in</strong>e Million Bäume pflanzen!<br />
95 Warum Menschen <strong>wir</strong>klich fliehen E<strong>in</strong> Kommentar<br />
von Felix F<strong>in</strong>kbe<strong>in</strong>er<br />
SERVICE<br />
104 Bücher und Filme für den Wandel Die <strong>forum</strong><br />
Medientipps<br />
106 Stilvoll reisen und tagen Anbieter im Kurz-Portrait<br />
110 Events <strong>in</strong> der Vorschau Veranstaltungstipps und<br />
Interviews<br />
112 Marktplatz Anbieter stellen sich vor<br />
113 B.A.U.M. <strong>in</strong>formiert Nachrichten aus dem<br />
Unternehmernetzwerk<br />
114 Impressum, Nachwort und Ausblick Wir gestalten<br />
mit Ihnen das nächste Heft<br />
www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />
Gedruckt auf Ste<strong>in</strong>beis Charisma Silk – hergestellt aus 100 % Altpapier, ausgezeichnet mit dem Blauen Engel. E<strong>in</strong> Produkt der Ste<strong>in</strong>beis Papier GmbH.<br />
5
BRENNPUNKT<br />
Er ist<br />
WIEDER DA<br />
In nur 50 Jahren haben <strong>wir</strong> durch Überfischung und Meeresverschmutzung<br />
blühende und gesunde Ökosysteme zerstört.<br />
Manche Arten s<strong>in</strong>d schlichtweg aus ihrem gewohnten Habitat<br />
verschwunden. So zum Beispiel der pazifische Riesen-Mantarochen:<br />
Er verschwand Ende der 90er aus dem Golf von<br />
Kalifornien. Dafür fand er <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em mexikanischen Archipel<br />
e<strong>in</strong>e neue Heimat, nachdem dieses zum UNESCO Weltnaturerbe<br />
erklärt wurde.<br />
Der Kurzfilm THE LEGACY zeigt mit e<strong>in</strong>drucksvollen Unterwasserbildern,<br />
wie sich bedrohte Arten regenerieren, wenn<br />
ihr Lebensraum zur Schutzzone erklärt <strong>wir</strong>d.<br />
Siehe dazu auch <strong>uns</strong>eren Bericht über die International Ocean<br />
Filmtour im Teil „K<strong>uns</strong>t und <strong>Nachhaltig</strong>keit“ auf Seite 1<strong>02</strong>.<br />
Foto: © The Legacy, Erick Higuera<br />
6 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>
BRENNPUNKT<br />
www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />
7
GUTE NACHRICHTEN<br />
© Walki<br />
© BMBF<br />
© Henkel<br />
Walki entwickelt biologisch abbaubares<br />
Mulchpapier<br />
Der f<strong>in</strong>nische Verpackungshersteller<br />
Walki hat mit Agrigap e<strong>in</strong>e auf<br />
biologisch abbaubaren Materialien<br />
basierende Mulchlösung entwickelt,<br />
um die bisher <strong>in</strong> der Land<strong>wir</strong>tschaft<br />
gebräuchlichen Folien auf K<strong>uns</strong>tstoffbasis<br />
zu ersetzen. Das Papier<br />
ist mit e<strong>in</strong>er biologisch abbaubaren<br />
Deckschicht versehen, die den Abbau<br />
des Papiers verzögert. Im Gegensatz<br />
zu Produkten aus Polyethylenfolie,<br />
die nach der Nutzung vom Feld abgeräumt<br />
und deponiert oder recycelt werden müssen, ist die<br />
Alternative aus Papier vollständig biologisch abbaubar und<br />
h<strong>in</strong>terlässt ke<strong>in</strong>e schädlichen Reste im Boden.<br />
www.walki.com<br />
Rezeptvorschläge für mehr Artenschutz an der Fischtheke<br />
E<strong>in</strong>e für das Wissenschaftsjahr 2016/<strong>2017</strong> „Meere und Ozeane“ durchgeführte forsa- Umfrage hat<br />
ergeben, dass e<strong>in</strong>e Mehrheit der Deutschen kaum weiß, welche Fischarten nachhaltig gefischt werden.<br />
Während nur zwei Prozent der Befragten darüber <strong>in</strong>formiert s<strong>in</strong>d, welche Fische man guten<br />
Gewissens essen kann, wünschen sich 59 Prozent, dass die Meeresforschung weiter vorangetrieben<br />
<strong>wir</strong>d, um die Fischerei nachhaltiger auszurichten. Um zur Aufklärung und Information der Verbraucher<br />
beizutragen, hat das Bundesm<strong>in</strong>isterium für Bildung und Forschung (BMBF) geme<strong>in</strong>sam mit<br />
EDEKA und dem WWF den Rezeptwettbewerb „Klug gefischt“ <strong>in</strong>s Leben gerufen. E<strong>in</strong>e Jury kürt zehn Siegerrezepte aus allen<br />
e<strong>in</strong>gesendeten Beiträgen, E<strong>in</strong>sendeschluss ist der 14. April <strong>2017</strong>. www.wissenschaftsjahr.de/rezeptwettbewerb<br />
Henkel ist neuer Partner von „Deutschland rundet auf“<br />
Die geme<strong>in</strong>nützige Stiftung „Deutschland rundet auf“ hat mit Henkel seit dem 1. März e<strong>in</strong>en<br />
neuen Partner. Ab sofort können die rund 8.300 Mitarbeiter<strong>in</strong>nen und Mitarbeiter von Henkel <strong>in</strong><br />
Deutschland monatlich e<strong>in</strong>en Betrag zwischen 50 Cent und 5 Euro von ihrem Gehalt spenden –<br />
und so sozial benachteiligten K<strong>in</strong>dern und Jugendlichen e<strong>in</strong>e bessere <strong>Zukunft</strong> ermöglichen. Alle<br />
Spenden der Mitarbeiter<strong>in</strong>nen und Mitarbeiter werden zusätzlich von der Fritz Henkel Stiftung<br />
verdoppelt. Die 2012 <strong>in</strong>s Leben gerufene geme<strong>in</strong>nützige Spendenbewegung „Deutschland rundet<br />
auf“ hat das Ziel, die Chancengerechtigkeit für K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> Deutschland zu verbessern, deren<br />
Familien von Armut betroffen s<strong>in</strong>d. Bislang haben über 132 Millionen Kunden beim Bezahlen<br />
aufgerundet und somit mehr als 6,3 Millionen Euro gespendet. Mit der Gehaltsspende bietet die Initiative allen Unternehmen<br />
ab sofort e<strong>in</strong> Mikrospendensystem für deren Mitarbeiter an. www.deutschland-rundet-auf.de<br />
Strom vom Dach <strong>in</strong> den Tank<br />
© KAYA&&KATO<br />
Schürzen aus Bio-Baumwolle<br />
Das Kölner Label für Arbeitskleidung<br />
KAYA&KATO hat e<strong>in</strong>e neue<br />
Schürze aus Bio-Baumwolle im<br />
Angebot. Die Schürze aus grauem<br />
Denim-Stoff richtet sich an alle,<br />
für die <strong>Nachhaltig</strong>keit nicht nur<br />
auf, sondern auch vor dem Herd<br />
e<strong>in</strong>e Rolle spielt. KAYA&KATO<br />
produziert stylische Kleidung, die<br />
Respekt für Mensch und Umwelt <strong>in</strong> den Vordergrund stellt.<br />
Geme<strong>in</strong>sam mit dem Partner cotonea unterstützt das Team<br />
Projekte <strong>in</strong> Uganda und Kirgistan, um Baumwollbauern vor<br />
Ort ihre Lebensgrundlage zu sichern. Auch gesundheitliche<br />
Aspekte stehen bei der Herstellung der Bio-Baumwolle durch<br />
den E<strong>in</strong>satz von natürlichem Pflanzenschutz, den Schutz von<br />
wertvollem Grundwasser und die Vermeidung von genmanipulierten<br />
Sorten im Fokus. www.kaya-kato.de<br />
© KEBA AG<br />
Die österreichische Regierung fördert seit 1. März <strong>2017</strong> die Elektromobilität mit<br />
<strong>in</strong>sgesamt 72 Millionen Euro. Bezuschusst werden nicht nur Elektroautomobile,<br />
sondern auch Heimladestationen. Das Unternehmen KEBA bietet <strong>in</strong> Kooperation<br />
mit führenden Smarthome-Anbietern <strong>in</strong>telligent vernetzte Heimladestationen<br />
an. So kann zum Beispiel mittels Photovoltaikanlage produzierte Energie über<br />
<strong>in</strong>telligente Steuerungen <strong>in</strong>s Elektroauto gespeist werden. Genutzt werden die<br />
sogenannten „Wallboxen“ von <strong>in</strong>ternational agierenden Automobilherstellern,<br />
Energieversorgern und Flottenbetreibern. Auch private Elektroautobesitzer können<br />
die <strong>in</strong>telligente Ladestation über autorisierte Händler beziehen. www.keba.com<br />
8 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>
GUTE NACHRICHTEN<br />
© bye-buy<br />
© Slow Food Deutschland<br />
© StopArmut<br />
E<strong>in</strong> Jahr ohne Textilkauf<br />
Kar<strong>in</strong> Haberschaden, Stadträt<strong>in</strong> die Grünen München, und<br />
Mona Fuchs, Geschäftsführer<strong>in</strong> des Netzwerks Klimaherbst,<br />
verzichten e<strong>in</strong> Jahr lang auf den Konsum von Textilien. Anlass<br />
ist der Fabrike<strong>in</strong>sturz von Rana Plaza <strong>in</strong> Bangladesch im April<br />
2014, bei dem über 1.100 Menschen ums Leben kamen. Mit der<br />
Aktion wollen die beiden darauf aufmerksam machen, dass sich<br />
trotz dieser Katastrophe <strong>in</strong> der Textil<strong>in</strong>dustrie nichts geändert hat und immer noch<br />
menschenunwürdige Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen vorherrschen. Katr<strong>in</strong> Habenschaden<br />
ist die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im Münchner Rathaus,<br />
Mona Fuchs betreibt Lobbyarbeit zu Klimaschutzthemen und organisiert unter<br />
anderem die jährlich stattf<strong>in</strong>dende Veranstaltungsreihe „Münchner Klimaherbst“.<br />
www.bye-buy.org<br />
Slow Food Deutschland feiert 25-jähriges Jubiläum<br />
Unter dem Motto „25 Jahre Slow Food Deutschland – Weil<br />
<strong>uns</strong> die <strong>Zukunft</strong> des Essens und <strong>uns</strong>erer Lebensmittelerzeugung<br />
wichtig ist“ startet Slow Food Deutschland das<br />
25-jährige Vere<strong>in</strong>sjubiläum. In 25 Veranstaltungen und Mitmach-Aktionen<br />
s<strong>in</strong>d Verbraucher bundesweit e<strong>in</strong>geladen, traditionelles Lebensmittelhandwerk<br />
kennenzulernen sowie regionaltypische Arten- und Sortenvielfalt<br />
geschmacklich zu entdecken. Slow Food Deutschland wurde 1992 gegründet und<br />
zählt <strong>in</strong>zwischen knapp 14.000 Mitglieder, die sich landesweit <strong>in</strong> über 85 lokalen<br />
Gruppen organisieren. Der offizielle Festakt für das Vere<strong>in</strong>sjubiläum von Slow Food<br />
Deutschland f<strong>in</strong>det auf E<strong>in</strong>ladung der Bürgermeister<strong>in</strong> und Bremer Senator<strong>in</strong> für<br />
F<strong>in</strong>anzen, Karol<strong>in</strong>e L<strong>in</strong>nert, am 16. Juni <strong>2017</strong> im Bremer Rathaus statt.<br />
www.slowfood.de/25_jahre<br />
Neuer Flugreisen-Check<br />
Die Kampagne StopArmut präsentiert mit „Stay or Fly“ e<strong>in</strong>en<br />
Check für nachhaltige Dienstreisen. Dieser betrachtet Reisen<br />
ganzheitlich und zeigt auf, ob e<strong>in</strong> Dienstflug unterm Strich<br />
e<strong>in</strong>en positiven oder negativen Beitrag leistet. Dazu werden<br />
ökologische, soziale, ethische und <strong>wir</strong>tschaftliche Faktoren e<strong>in</strong>bezogen. Diese<br />
Faktoren werden mit wenigen Fragen analysiert, der Nutzer erhält anschließend<br />
e<strong>in</strong>e „Flugempfehlung“ <strong>in</strong> Ampelfarben. Da die meisten Vielflieger beruflich reisen,<br />
hat das klimaschonende Verhalten bei Dienstreisen e<strong>in</strong>e Signal<strong>wir</strong>kung. Der<br />
Check für nachhaltige Dienstreisen eignet sich somit gut als Schulungs<strong>in</strong>strument<br />
oder als Bestandteil der Reisepolitik e<strong>in</strong>er Organisation.<br />
www.stayorfly.org<br />
K<strong>in</strong>der haben Rechte! Aber welche?<br />
© Beltz & Gelberg<br />
Diese Frage beantwortet das neue Buch „Das s<strong>in</strong>d de<strong>in</strong>e<br />
Rechte!“. Mit praktischen Tipps, den Geschichten von 26<br />
K<strong>in</strong>dern und H<strong>in</strong>tergrundwissen für Neugierige lädt es<br />
alle mutigen jungen K<strong>in</strong>dern dazu e<strong>in</strong>, sich zu engagieren.<br />
Erschienen ist das 160 Seiten starke Buch bei Beltz & Gelberg,<br />
empfohlen <strong>wir</strong>d es für K<strong>in</strong>der ab acht Jahren. Mehr<br />
Infos von und für K<strong>in</strong>der f<strong>in</strong>den Sie im neuen <strong>forum</strong> Junior<br />
ab Seite 92.<br />
www.beltz.de<br />
www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />
9
SCHWERPUNKT<br />
ESSEN<br />
VERÄNDERT<br />
MENSCHEN<br />
Still und leise geht e<strong>in</strong> Wandel durch das Land.<br />
Und dieser Wandel betrifft etwas sehr Elementares:<br />
<strong>uns</strong>er Essen. Grund genug für e<strong>in</strong> <strong>forum</strong> Special.<br />
Von Fritz Lietsch<br />
Gourmets und Spitzenköche wissen schon längst: Nur beste<br />
Lebensmittel ermöglichen höchsten Genuss. Und so ist es<br />
fast e<strong>in</strong>e logische Konsequenz, dass Köche, die <strong>wir</strong>klich Wert<br />
auf Qualität legen, früher oder später bei Bio und regionalen<br />
Lebensmitteln landen. Es ist ke<strong>in</strong> Geheimnis: Sterneköche<br />
kaufen am liebsten beim Bio-Bauern und dem Bio-Großhändler<br />
ihres Vertrauens e<strong>in</strong>. So etwa Herr Witzigmann bei<br />
Tobias Moretti, der nicht nur Schauspieler, sondern auch<br />
überzeugter Bio-Bauer <strong>in</strong> Tirol ist. Doch neben dem besseren<br />
Geschmack spricht auch die Nähe zu den Produzenten für<br />
sich. Da weiß man, wie und wo der Salat angebaut <strong>wir</strong>d, da<br />
weiß man, ob und wo das Huhn auf der <strong>Wie</strong>se war, da weiß<br />
man, wer das Tier gehalten hat und wie es geschlachtet<br />
wurde. Das gibt Vertrauen.<br />
<strong>Wie</strong> und was wollen <strong>wir</strong> <strong>in</strong> <strong>Zukunft</strong> essen?<br />
Haben Sie etwa Lust auf computergesteuertes Functional Food aus<br />
dem 3D-Drucker, um Ihren mit Sensoren aufgepeppten Körper auf<br />
maximale Leistung zu trimmen? Oder dürfen es Bio-Lebensmittel<br />
se<strong>in</strong>, liebevoll erzeugt von fair bezahlten Bauern auf guten Böden?<br />
Diesen Fragen geht nicht nur <strong>uns</strong>er Special nach, sondern auch<br />
zwei aktuelle Ausstellungen: Die food revolution 5.0 im Museum<br />
für K<strong>uns</strong>t und Gewerbe Hamburg und die Wanderausstellung<br />
ÜberLebensmittel im DBU Zentrum für<br />
Umweltkommunikation Osnabrück. Mehr dazu auf<br />
<strong>forum</strong> Events.<br />
Fotos unten und oben: © Johanna Schmeer | Mitte: © Chloé Rutzerveld<br />
10
ERNÄHRUNG FÜR DEN WANDEL | SCHWERPUNKT<br />
11
SCHWERPUNKT | ERNÄHRUNG FÜR DEN WANDEL<br />
Aber noch mehr: Regionale und Bio-Lebensmittel sorgen<br />
dafür, dass die Böden <strong>in</strong> der Region erhalten werden und<br />
das Wasser sauber bleibt. Sie sorgen dafür, dass traditionsbewusste<br />
und dennoch moderne Land<strong>wir</strong>te überleben<br />
können und nicht von e<strong>in</strong>er Agrar<strong>in</strong>dustrie abgelöst werden,<br />
die auf Monokulturen und Chemiekeulen setzt. Wir<br />
haben es also <strong>in</strong> der Hand – nicht nur zu Hause und im<br />
Supermarkt, sondern auch im Restaurant und noch mehr<br />
<strong>in</strong> Betriebskant<strong>in</strong>en und Mensen, <strong>in</strong> K<strong>in</strong>dergärten und bei<br />
der Schulverpflegung.<br />
Wasser zu f<strong>in</strong>den: „Es gibt für jeden das richtige, zu se<strong>in</strong>er<br />
Konstitution passende Wasser“, erklärt der Spezialist und<br />
will diese Sensoriktests zukünftig auch <strong>in</strong> Schulen und<br />
Firmen anbieten.<br />
Aus Initiativen werden große Bewegungen<br />
Ebenfalls e<strong>in</strong>e grandiose Erfolgsgeschichte hat Dieter Overath<br />
geschrieben mit der Fairtrade-Initiative. 1992 g<strong>in</strong>g der Vere<strong>in</strong><br />
TransFair e.V. aus der AG Kle<strong>in</strong>bauernkaffee hervor. 2016<br />
überstiegen die Umsätze aus Produkten mit Fairtrade-Siegel<br />
Wir gratulieren TransFair zum Geburtstag<br />
und danken Bio-Start-ups für ihr Engagement.<br />
Functional Food aus dem Labor<br />
Nach der Jahrtausendwende sah es so aus, als ob neue<br />
Nahrungsmittel zukünftig nur noch <strong>in</strong> den Hexenküchen der<br />
Großkonzerne entstehen könnten. Es schien ausgemachte<br />
Sache, dass <strong>wir</strong> zukünftig e<strong>in</strong>en maßgeschneiderten Cocktail<br />
aus Nährstoffen und Vitam<strong>in</strong>en zu <strong>uns</strong> nehmen – mit Liebe<br />
gemixt von Lebensmittel<strong>in</strong>genieuren aus der chemischen<br />
Industrie –, der als Functional Food gleich auch noch das Essen<br />
computergesteuert auf <strong>uns</strong>eren Körper abstimmt. Doch<br />
plötzlich beg<strong>in</strong>nen Menschen wieder ihr eigenes Gemüse auf<br />
dem Balkon oder im Garten anzubauen. Selbstgekochtes und<br />
E<strong>in</strong>gemachtes ist wieder salonfähig. Städter beteiligen sich<br />
an Genossenschaften wie BioBoden, um Bio-Bauern zu unterstützen,<br />
oder an Zusammenschlüssen wie dem Münchner<br />
Kartoffelkomb<strong>in</strong>at.<br />
Aus Begegnungen werden Firmen<br />
<strong>Wie</strong> sehr der Kontakt zu natürlichen Lebensmitteln e<strong>in</strong><br />
Leben verändern kann, beweist die Geschichte von Johann<br />
Abfalter, der ursprünglich aus der Immobilienbranche kam<br />
und mit gesunder Ernährung und Bio wenig am Hut hatte.<br />
Ihm wurde e<strong>in</strong> Grundstück mit e<strong>in</strong>er Quelle zum Bau e<strong>in</strong>es<br />
Hotels oder Kurhauses angeboten. Als er e<strong>in</strong>en örtlichen<br />
Heilkundigen nach der Qualität des Wassers befragte,<br />
empfahl ihm dieser, es zur Behandlung se<strong>in</strong>er Gelenkschmerzen<br />
zu tr<strong>in</strong>ken. Der Rest ist e<strong>in</strong>e Erfolgsgeschichte:<br />
Abfalter kaufte nicht nur Grundstück und Quelle, sondern<br />
verschrieb sich voll und ganz den Geheimnissen des lebendigen<br />
Wassers und se<strong>in</strong>er Energien. Ihn <strong>in</strong>teressierten nicht<br />
mehr Immobilien und deren Renditen, sondern Quellen<br />
und deren natürliche Wirkung. Heute besitzt er neben der<br />
ursprünglichen Leonhardsquelle fünf weitere artesische<br />
Quellen und ist damit zum Marktführer für M<strong>in</strong>eralwässer<br />
im Naturkosthandel avanciert. Und weil er auf den<br />
unterschiedlichen Geschmack und die unterschiedliche<br />
Wirkung der Wässer schwört, bietet Abfalter Sensoriktests<br />
an. Diese sollen helfen, das für jeden Geschmack geeignete<br />
erstmals die Milliardenmarke. Zwischen den ersten Trans-<br />
Fair-Kaffees <strong>in</strong> deutschen Supermärkten bis zu heute über<br />
3.000 Fairtrade-Produkten <strong>in</strong> rund 42.000 Verkaufsstellen<br />
liegt e<strong>in</strong> langer und stückweise beschwerlicher Weg. Auf<br />
25 Jahre E<strong>in</strong>satz für e<strong>in</strong>e gerechtere Globalisierung kann<br />
Fairtrade Deutschland <strong>2017</strong> zurückblicken. Wir gratulieren<br />
von ganzem Herzen zu diesem Jubiläum.<br />
Bio-Bus<strong>in</strong>ess und Social Bus<strong>in</strong>ess gehen Hand <strong>in</strong> Hand<br />
Immer mehr junge Leute kommen nicht nur auf den Geschmack,<br />
sondern auch zum Bewusstse<strong>in</strong>, dass Essen politisch<br />
ist. Sie verändern nicht nur ihr Ernährungsverhalten,<br />
reduzieren den Fleischkonsum oder werden zu Vegetariern<br />
und Veganern, sondern gründen Firmen, um diesen Wandel<br />
zu unterstützen. E<strong>in</strong>e von ihnen ist Karol<strong>in</strong> Trockels, Gründer<strong>in</strong><br />
der Glücksmoment GmbH, die mit ihren Energiekugeln auf<br />
Dattelbasis biologische Leckereien komb<strong>in</strong>iert mit sozialem<br />
Engagement anbietet. Auch die Geschwister Krauter wollen<br />
mit ihrem Start-up Buah die Welt e<strong>in</strong> bisschen besser machen<br />
und werden dabei von der Münchner Delikatessenlegende<br />
Michael Käfer sowie von der Messe BIOFACH <strong>in</strong> Nürnberg<br />
unterstützt. Dort fand sich <strong>in</strong> diesem Jahr übrigens e<strong>in</strong> riesiger<br />
Geme<strong>in</strong>schaftsstand des Wirtschaftsm<strong>in</strong>isteriums nur<br />
für Bio-Gründer.<br />
Dieses Special stellt Ihnen erfolgreiche Bio-Pioniere und<br />
mutige Start-ups vor; es zeigt, dass sowohl Bananen an der<br />
Elbe wie auch Garnelen an der Isar möglich s<strong>in</strong>d, und es<br />
beweist: Geschmack und Gesundheit s<strong>in</strong>d ke<strong>in</strong> Widerspruch<br />
– im Gegenteil.<br />
Vielleicht geht ja die (R)evolution oder „große Transformation“<br />
doch durch den Magen.<br />
Auf alle Fälle ist es spannend, dass die jungen Start-ups<br />
nach Apps und Internet, nach Augmented Reality und Cyberbus<strong>in</strong>ess<br />
nun auch wieder „back to the roots“ kommen<br />
– nämlich zu Genuss und Bus<strong>in</strong>ess mit hochwertigem Essen<br />
und Tr<strong>in</strong>ken.<br />
12 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>
ANZEIGE<br />
EINE FRAU STEHT IHREN MANN<br />
Rosibel, Kakaobäuer<strong>in</strong> <strong>in</strong> Nicaragua<br />
Tatkraft – dieses Wort fällt e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>,<br />
wenn man Rosibel Mesis Zeledón gegenübersteht.<br />
Diese Frau ist es gewohnt, die<br />
D<strong>in</strong>ge anzupacken, ihr Leben <strong>in</strong> die eigene<br />
Hand zu nehmen und sie strahlt e<strong>in</strong>e unglaubliche<br />
Kraft aus. Rosibel ist e<strong>in</strong>e von<br />
3.500 Kle<strong>in</strong>bauern, die im Rahmen des<br />
Cacao-Nica genannten Programms für<br />
nachhaltigen Kakaoanbau mit dem deutschen<br />
Schokoladehersteller Ritter Sport<br />
zusammenarbeiten.<br />
Dabei hatte das Leben eigentlich e<strong>in</strong>en ganz<br />
anderen Plan für Rosibel. Aufgewachsen auf<br />
der Farm ihres Vaters, kümmert sie sich nach<br />
ihrer Heirat um den eigenen Haushalt und<br />
die vier K<strong>in</strong>der. Die typische Biographie e<strong>in</strong>er<br />
Frau <strong>in</strong> den ländlichen Regionen Nicaraguas.<br />
Als ihre Ehe scheitert und Rosibels Mann sie<br />
und die K<strong>in</strong>der verlässt, ist sie wieder auf<br />
die Unterstützung ihrer Eltern angewiesen.<br />
Auch das ist ke<strong>in</strong> ungewöhnliches Schicksal<br />
für e<strong>in</strong>e Frau <strong>in</strong> Nicaragua – eigentlich. Denn<br />
Rosibel ergreift die Initiative und tritt e<strong>in</strong>er<br />
Genossenschaft bei, die schon lange mit<br />
Ritter Sport zusammenarbeitet. E<strong>in</strong> erster<br />
Mikrokredit ermöglicht es ihr, e<strong>in</strong> paar Hektar<br />
Land für den Getreideanbau zu kaufen.<br />
Sie hat Erfolg und beg<strong>in</strong>nt mit dem Anbau<br />
von Kakao.<br />
Rosibel ist Teil des Cacao-Nica Programms<br />
von Ritter Sport, das ihr dabei hilft, agroforstliche<br />
Pr<strong>in</strong>zipien für ihren Anbau zu nutzen.<br />
Rosibel baut Kakao nicht <strong>in</strong> Monokulturen<br />
an, sondern zusammen mit Bananen,<br />
Mais, Bohnen und größeren Bäumen, die<br />
dem empf<strong>in</strong>dlichen Kakao Schatten spenden.<br />
Diese Diversifizierung macht den Kakao<br />
weniger anfällig für Krankheiten, sichert die<br />
Fruchtbarkeit der Böden und nutzt vor allem<br />
Rosibel, weil sie so die Erträge und damit ihr<br />
E<strong>in</strong>kommen steigert. Nicht nur die Erträge<br />
konnten Rosibel und die anderen Cacao-Nica<br />
Partner steigern, auch die Qualität des Kakaos<br />
hat sich im Laufe der Jahre erheblich<br />
gebessert. Heute besitzt Nicaragua sogar<br />
Edelkakao-Status. Um die Lebenssituation<br />
der Bauern zu verbessern, s<strong>in</strong>d aber auch<br />
faire Preise e<strong>in</strong>e wichtige Voraussetzung.<br />
Ritter Sport hat daher e<strong>in</strong> Preismodell<br />
entwickelt, das aus e<strong>in</strong>er Komb<strong>in</strong>ation verschiedener<br />
Zuschläge zum Weltmarktpreis<br />
und festen Abnahmemengen besteht.<br />
Rosibel hat sich 2014 außerdem nach UTZ<br />
(https://utz.org) zertifizieren lassen. So hat<br />
sie Zugang zu weiteren Fortbildungsmöglichkeiten<br />
und erzielt gute Preise für ihren<br />
Kakao. Inzwischen be<strong>wir</strong>tschaftet sie mit<br />
zwei festen Mitarbeitern rund 14 Hektar.<br />
Die Farm deckt den Lebensunterhalt der<br />
Familie und – was Rosibel besonders wichtig<br />
ist – f<strong>in</strong>anziert die Ausbildung ihrer K<strong>in</strong>der.<br />
E<strong>in</strong>e ungewöhnliche Frau: Rosibel Mesis Zeledón baut <strong>in</strong> Nicaragua nachhaltigen Kakao an.<br />
www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />
13
SCHWERPUNKT | ERNÄHRUNG FÜR DEN WANDEL<br />
NEUE HÜHNER<br />
BRAUCHT DAS<br />
LAND<br />
Der Konsum von Geflügelfleisch und Eiern steigt unaufhaltsam.<br />
Jeder Deutsche verzehrt jedes Jahr mehr als 240<br />
Eier – <strong>in</strong>sgesamt 19 Milliarden. Dah<strong>in</strong>ter stehen oft unvorstellbare<br />
Lebensbed<strong>in</strong>gungen für die Tiere. Und e<strong>in</strong>e Legehennen-Zucht,<br />
bei der die männlichen Küken systematisch<br />
getötet werden. Es ist Zeit, Alternativen zu schaffen. Erste<br />
Erfolge machen Mut.<br />
Von Fritz Lietsch<br />
Das Hühnerleben auf dem Hofgut Brachenreuthe am Bodensee ist schön:<br />
Von April bis Oktober br<strong>in</strong>gt Hühnerbauer Thomas Müller die Tiere <strong>in</strong><br />
mobilen Ställen aufs Grünland. Neben Futtermitteln aus Bio-Anbau<br />
können sie dort reichlich Gras von der <strong>Wie</strong>se picken. Alle e<strong>in</strong> bis zwei<br />
Wochen <strong>wir</strong>d jeder Stall umgesetzt, damit ihnen das frische Grün nicht<br />
ausgeht. Die Hühner genießen die große Bewegungsfreiheit, Thomas<br />
Müller freut sich über ihre Vitalität und se<strong>in</strong>e Kunden schätzen den cremig-sahnigen<br />
Geschmack der dunkelgelben Eidotter, der dem vielfältigen<br />
Nahrungsangebot zu verdanken ist. „Unsere Art der Haltung und Fütterung<br />
erhöht die Kosten, aber die Kunden s<strong>in</strong>d durchaus bereit, e<strong>in</strong>en<br />
höheren Preis zu zahlen, weil sie die besondere Qualität schmecken<br />
können“, sagt Müller. Während se<strong>in</strong>e Legehennen mit dem Hühnermobil<br />
auf Tour s<strong>in</strong>d, dürfen sich ihre Brüder im Partnerbetrieb satt essen, bis<br />
sie ausgewachsen s<strong>in</strong>d und irgendwann im Kochtopf landen.<br />
Zucht und Produktion am Fließband<br />
Von solchen Lebensbed<strong>in</strong>gungen können die meisten Artgenoss<strong>in</strong>nen<br />
nur träumen. Mehrere zehntausend Tiere s<strong>in</strong>d zusammen im Stall oder<br />
Käfigen e<strong>in</strong>gepfercht, von grüner <strong>Wie</strong>se weit und breit ke<strong>in</strong>e Spur: In<br />
den vergangenen Jahrzehnten haben sich <strong>in</strong> der Geflügel<strong>wir</strong>tschaft <strong>in</strong>dustrialisierte<br />
Produktionsweisen und monopolartige Zuchtstrukturen<br />
entwickelt. Die Geflügelrassen, die Land<strong>wir</strong>te unter <strong>wir</strong>tschaftlichen Be-<br />
Photographien © Patrice Casanova, ourtesy Schirmer/Mosel<br />
Zeichnungen © Isabella Rossell<strong>in</strong>i, courtesy Schirmer/Mosel<br />
14 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>
ERNÄHRUNG FÜR DEN WANDEL | SCHWERPUNKT<br />
www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />
15
Die Schauspieler<strong>in</strong> Isabella Rossell<strong>in</strong>i züchtet seit e<strong>in</strong>igen Jahren mit Begeisterung alte Hühnerrassen. Das liegt auch <strong>in</strong> Deutschland im Trend.<br />
Doch viel wichtiger ist es jetzt gerade für Bioanbieter, neue Zwe<strong>in</strong>utzungszüchtungen auf den Weg zu br<strong>in</strong>gen.<br />
d<strong>in</strong>gungen zur Eier- oder Fleischproduktion e<strong>in</strong>setzen können,<br />
s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> den Händen weniger global agierender Konzerne. Dabei<br />
hat sich die Zucht auf zwei Richtungen verengt: Auf der e<strong>in</strong>en<br />
Seite Masttier-Rassen mit reichlich Fleisch an Brust und Keule,<br />
die kaum mehr Eier legen. Auf der anderen Seite Legehennen-Rassen,<br />
die ganz auf die Eierproduktion spezialisiert s<strong>in</strong>d<br />
und fast ke<strong>in</strong> Fleisch mehr ansetzen. Die Brudertiere dieser<br />
Hochleistungs-Legehennen bleiben dabei auf der Strecke.<br />
Da sie selbst bei guter Fütterung viel magerer bleiben als<br />
die Masttierrassen, werden die männlichen Küken oft direkt<br />
nach dem Schlüpfen getötet – e<strong>in</strong>e weit verbreitete Praxis,<br />
die nicht nur Tierschützer auf die Barrikaden treibt. Um das<br />
tödliche Schreddern zukünftig zu verh<strong>in</strong>dern, plant man die<br />
Vorselektion zukünftig schon im Ei vorzunehmen, was bleibt<br />
ist die massenhafte Tötung kurz vor oder nach dem Schlüpfen.<br />
Bruderhähne aufziehen statt Küken töten<br />
Wer ist schuld, Henne oder Ei? Ob <strong>in</strong>dustrialisierte Zuchtstrukturen<br />
den Eier- und Fleischkonsum zu Niedrigpreisen<br />
anheizen, oder ob die große Eier- und Fleischnachfrage die<br />
Massenproduktion anregt – e<strong>in</strong>es ist klar: es besteht dr<strong>in</strong>gender<br />
Handlungsbedarf. So ist e<strong>in</strong>e Reihe von Initiativen aktiv<br />
geworden, um auf die <strong>in</strong>akzeptable Praxis des Küken-Tötens<br />
aufmerksam zu machen und Alternativen zu entwickeln. In<br />
Betrieben die sich an der Bruderhahn Initiative Deutschland<br />
(BID) beteiligen, werden alle Brudertiere der Legehennen<br />
aufgezogen. Da aufgrund der schlechteren Masttauglichkeit<br />
die Aufzucht der Legehennen-Brüder kaum kostendeckend<br />
möglich ist, <strong>wir</strong>d für jedes BID-Ei im Laden e<strong>in</strong> Zuschlag von<br />
4 Cent verlangt. Diese 4 Cent werden zu 100 Prozent für die<br />
Aufzucht der Brudertiere und deren Vermarktung verwendet<br />
– e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>fache Lösung, die im Naturkosthandel und bei<br />
Verbrauchern gut ankommt. „Der größte Teil der von <strong>uns</strong> gehandelten<br />
Eier kommt mittlerweile aus Demeter-Betrieben,<br />
die Mit<strong>wir</strong>kende der Bruderhahn-Initiative s<strong>in</strong>d“, sagt Sascha<br />
Damaschun, Geschäftsführer des Naturkostgroßhandels<br />
BODAN, der Bioläden <strong>in</strong> ganz Süddeutschland beliefert. „Die<br />
Erfahrungen der Bruderhahn-Initiative zeigen aber auch, dass<br />
die Vermarktung der relativ fleischarmen Legehennen-Brüder<br />
ohne Zuschuss kaum kostendeckend möglich ist“, sagt Damaschun.<br />
E<strong>in</strong>e dauerhaft tragfähige Lösung könne demnach<br />
nur die Zucht e<strong>in</strong>es Zwe<strong>in</strong>utzenhuhns br<strong>in</strong>gen, das sowohl<br />
für die Eier- als auch für die Fleischproduktion geeignet sei.<br />
E<strong>in</strong>e Bio-Initiative weist den Weg<br />
Genau diesem Ziel hat sich Inga Günther verschrieben.<br />
Auf dem Hofgut Rengoldshausen, e<strong>in</strong>em der ältesten Demeter-Betriebe<br />
Deutschlands, hat sie <strong>in</strong> den vergangenen<br />
sechs Jahren mit viel Herzblut Zuchtarbeit geleistet, die<br />
ökologischen Ansprüchen gerecht <strong>wir</strong>d. „Bio-Land<strong>wir</strong>te<br />
wollen selbstbestimmt handeln. Aber sie stehen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />
unmittelbaren Abhängigkeit von Strukturen, die mit der Idee<br />
der ökologischen Land<strong>wir</strong>tschaft nichts zu tun haben. In der<br />
Hühnerhaltung ist diese Abhängigkeit besonders stark. Es<br />
gibt weltweit nur drei Unternehmen, die die Züchtung von<br />
Hühnern <strong>in</strong> der Hand haben“, sagt die 30-jährige Züchter<strong>in</strong>.<br />
Um die Land<strong>wir</strong>te aus dieser Abhängigkeit zu befreien,<br />
haben die Bio-Verbände Demeter und Bioland im Mai 2015<br />
die Ökologische Tierzucht gGmbH (ÖTZ) gegründet, mit<br />
Inga Günther als Geschäftsführer<strong>in</strong>. „Mit der ÖTZ kümmern<br />
<strong>wir</strong> <strong>uns</strong> darum, dass nicht nur die Eier, sondern über die<br />
Züchtung auch die Hühner von Anfang an ökologisch s<strong>in</strong>d“,<br />
sagt Günther. Die Hühnerzucht soll dabei nur der Anfang<br />
se<strong>in</strong>. Langfristig will die ÖTZ für die Nutztierzucht <strong>in</strong>sgesamt<br />
Strukturen entwickeln, die den Ansprüchen der ökologischen<br />
Land<strong>wir</strong>tschaft gerecht werden.<br />
Zucht-Ziel Zwe<strong>in</strong>utzenhuhn<br />
„Wir wollen e<strong>in</strong> Huhn züchten, das besonders gut zu e<strong>in</strong>em<br />
ökologischen Betrieb passt“, erklärt Inga Günther. „Es sollte<br />
gut mit Hülsenfrüchten und Getreiden umgehen können, die<br />
auf den Bio-Höfen oder <strong>in</strong> deren Region angebaut werden, es<br />
16 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>
Nicht alle Küken haben e<strong>in</strong>e sonnige <strong>Zukunft</strong> auf grünen <strong>Wie</strong>sen vor sich. Brüderhähne werden oft vor oder gleich nach dem Schlüpfen<br />
getötet. Inga Günther züchtet e<strong>in</strong> für den modernen ökologischen Betrieb maßgeschneidertes Zwe<strong>in</strong>utzungshuhn.<br />
Fotos: © Sara Gibler<br />
sollte sich gut im Freiland bewegen können, gerne draußen<br />
se<strong>in</strong> und Gras fressen, widerstandsfähig gegen Krankheiten<br />
se<strong>in</strong> und es sollte e<strong>in</strong> Tier se<strong>in</strong>, das beides kann: Eier legen<br />
und Fleisch liefern“. E<strong>in</strong> weiterer wesentlicher Unterschied<br />
zwischen der konventionellen und der ökologischen Züchtung<br />
besteht <strong>in</strong> der Haltung der Zuchttiere. „Unsere Hühner<br />
werden nicht wie üblich <strong>in</strong> Käfige gesperrt, sie laufen wie<br />
jedes andere Öko-Huhn auch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Gruppe“, so die ÖTZ-Geschäftsführer<strong>in</strong>.<br />
Freilich werden die Zwe<strong>in</strong>utzenhennen beim<br />
angestrebten Zuchtziel weniger Eier legen, als die heutigen<br />
Hochleistungs-Legehennen, die bis zu 320 Exemplare schaffen.<br />
Etwa 240 Eier im Jahr hält Inga Günther hier für e<strong>in</strong>e<br />
1 Cent pro Ei für die ökologische Tierzucht<br />
Im März 2015 haben die Bio-Verbände Demeter und<br />
Bioland die Ökologische Tierzucht gGmbH gegründet.<br />
Deren Ziel ist es, Strukturen für e<strong>in</strong>e von Konzernen<br />
unabhängige und patentfreie Tierzucht zu schaffen,<br />
die mit den Ansprüchen und Zielen des ökologischen<br />
Landbaus <strong>in</strong> E<strong>in</strong>klang steht. Der Schwerpunkt liegt zunächst auf<br />
dem Aufbau eigener Zuchtstrukturen im Bereich des ökologischen<br />
Geflügels, doch e<strong>in</strong>e Partizipation auf allen Ebenen ist vorgesehen:<br />
• Verbraucher können die ökologische Tierzucht durch den Kauf<br />
von Eiern mit dem ÖTZ-Siegel „1 Cent pro Ei für ökologische Tierzucht“<br />
unterstützen. Sie können aber auch direkt spenden.<br />
• Bioläden und Naturkostgroßhändler beteiligen sich an der Kampagne,<br />
<strong>in</strong>dem sie Eier mit dem ÖTZ-Siegel <strong>in</strong> ihr Sortiment nehmen<br />
und <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er konzertierten Aktion e<strong>in</strong>en Cent pro verkauftem<br />
Ei an die ÖTZ weitergeben.<br />
• Bauern unterstützen die Initiative, <strong>in</strong>dem sie Tiere aus ökologischer<br />
Züchtung halten – als Aufzüchter, Mäster oder Eierproduzenten.<br />
Am Züchtungsprozess beteiligt ist unmittelbar, wer<br />
Daten aufnimmt, Erfahrungen dokumentiert und rückmeldet.<br />
• Sponsoren und Förderer beteiligen sich durch f<strong>in</strong>anzielle Zuwendungen,<br />
denn Züchtungsarbeit ist teuer und langwierig.<br />
www.oekotierzucht.de<br />
realistische Größenordnung. Dafür werden ihre Bruderhähne<br />
als Masttiere e<strong>in</strong>setzbar, Fleisch und Eier somit unter <strong>wir</strong>tschaftlichen<br />
Bed<strong>in</strong>gungen <strong>in</strong> Komb<strong>in</strong>ation produzierbar se<strong>in</strong>.<br />
Dieses Modell kann natürlich nur funktionieren, wenn die<br />
Kunden im Laden auch die Hähnchen aus der ökologischen<br />
Zucht nachfragen und wenn sie höhere Preise akzeptieren.<br />
M<strong>in</strong>destens 60 bis 70 Cent für e<strong>in</strong> Ei – das ist e<strong>in</strong>e realistische<br />
Größenordnung, wenn es von e<strong>in</strong>em ökologisch gezüchteten<br />
Zwe<strong>in</strong>utzenhuhn gelegt se<strong>in</strong> soll.<br />
Zeit<strong>in</strong>tensive Zuchtarbeit<br />
Auf dem Weg zum Öko-Huhn der <strong>Zukunft</strong> arbeitet Inga Günther<br />
mit anderen Züchtern zusammen. Am Hauptstandort<br />
nahe der holländischen Grenze werden die Tiere <strong>in</strong> Richtung<br />
Zwe<strong>in</strong>utzenhuhn selektiert, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen weiteren Betrieben <strong>in</strong><br />
ganz Deutschland <strong>in</strong> der Praxis getestet und weiterentwickelt.<br />
Jährlich f<strong>in</strong>den wissenschaftlich begleitete Versuche statt,<br />
um handfeste Daten zu erheben. Zeit- und personal<strong>in</strong>tensiv<br />
ist die Dokumentation der Zuchterfolge <strong>in</strong> jeder neuen<br />
Hühner-Generation. So müssen die Tiere unter anderem<br />
regelmäßig gewogen, die Eier pro Huhn gezählt und bewertet<br />
werden. Dieses Monitor<strong>in</strong>g ist bei freilaufenden Hühnern<br />
deutlich zeitaufwändiger und damit teurer als bei der Käfighaltung,<br />
wie sie <strong>in</strong> der konventionellen Zucht üblich ist.<br />
1 Cent pro Ei: Unterstützung durch Handel und Verbraucher<br />
Aufgrund des hohen Aufwands der Zuchtarbeit ist die ÖTZ auf<br />
Unterstützer angewiesen. In Form von „Unternehmenspatenschaften“<br />
haben sich e<strong>in</strong>e Reihe von Kooperationspartnern<br />
verpflichtet, fünf Jahre lang für jedes gehandelte Ei e<strong>in</strong>en<br />
Cent an die ÖTZ zu überweisen. Alle Eier, von deren Verkaufserlös<br />
e<strong>in</strong> Cent an die ÖTZ abgeführt <strong>wir</strong>d, s<strong>in</strong>d auf der<br />
Verpackung an dem Siegel „1 Cent pro Ei für ökologische<br />
Tierzucht“ erkennbar. Durch die Kampagne <strong>wir</strong>d die Aufmerksamkeit<br />
auf die wichtige Züchtungsarbeit gelenkt und<br />
die Konsumenten werden an der Arbeit der ÖTZ beteiligt.<br />
Vorreiter für das konzertierte Engagement s<strong>in</strong>d die regio-<br />
www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />
17
SCHWERPUNKT | ERNÄHRUNG FÜR DEN WANDEL<br />
nalen Bio-Großhändler sowie die Ökokisten-Betriebe. Der<br />
Bundesverband Naturkost und Naturwaren (BNN) hat sich als<br />
ideeller Partner zur ÖTZ bekannt. „Durch das Fundrais<strong>in</strong>g für<br />
die ökologische Hühnerzucht über den Zusatz-Cent gestalten<br />
<strong>wir</strong> <strong>Zukunft</strong> aktiv mit, und zwar Hand <strong>in</strong> Hand mit <strong>uns</strong>eren<br />
Kunden und Verbrauchern“, freut sich Sascha Damaschun.<br />
Für ihn ist das Projekt e<strong>in</strong> gutes Beispiel dafür, wie man durch<br />
verantwortungsbewusste Preis- und Konsumentscheidungen<br />
konkrete Strukturveränderungen be<strong>wir</strong>ken kann, und zwar<br />
nicht nur <strong>in</strong> der Tierzucht, sondern auch auf vielen anderen<br />
Aktionsfeldern der nachhaltigen Entwicklung.<br />
Jüngst hat nun auch das Bundesm<strong>in</strong>isterium für Land<strong>wir</strong>tschaft<br />
e<strong>in</strong> Projekt mit dreijähriger Laufzeit zugesagt, das<br />
die Züchtung des Zwe<strong>in</strong>utzungshuhns mit 600.000 Euro<br />
unterstützt. Ke<strong>in</strong> Zweifel: Die Aussichten für Bruderhähne<br />
werden durch die Ökologische Tierzucht besser. Entscheiden<br />
über den Erfolg und e<strong>in</strong>en Wandel der Tierzuchtpraxis<br />
<strong>in</strong> der Breite werden aber die mündigen Verbraucher<strong>in</strong>nen<br />
und Verbraucher mit ihrer E<strong>in</strong>kaufsmacht. Mehr denn je<br />
gilt: E<strong>in</strong>kaufen ist politisch. Das gilt auch für die E<strong>in</strong>käufer<br />
der großen Supermarktketten. Sie entscheiden durch ihre<br />
E<strong>in</strong>kaufsmacht woh<strong>in</strong> sich <strong>uns</strong>ere Land<strong>wir</strong>tschaft und damit<br />
<strong>uns</strong>ere Lebensmittel entwickeln.<br />
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K<strong>uns</strong>t und Künstler <strong>in</strong> Sachen Huhn<br />
Im Mittelpunkt der Live-Performances „All Chicken are beautiful“<br />
des Münchner Streetart-Künstlers WON ABC alias Markus Müller<br />
stehen die <strong>in</strong>dustrielle Massentierproduktion und die Selektion<br />
männlicher Küken. Die Schauspieler<strong>in</strong> Isabella Rossel<strong>in</strong>i, die sich<br />
bereits 2008 <strong>in</strong> ihrem „Green Porno“-Projekt mit dem Sexualleben<br />
von Regenwürmern und anderen Tieren beschäftigt hat, züchtet<br />
seit e<strong>in</strong>igen Jahren alte Hühnerrassen. Ihren Hühnern widmet sie<br />
sich mit großer Begeisterung und besche<strong>in</strong>igt ihnen Intelligenz und<br />
Persönlichkeit.<br />
Im Schirmer/Mosel Verlag ist dazu ihr Bilderbuch für Erwachsene<br />
„Me<strong>in</strong>e Hühner und ich“ erschienen.<br />
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Isabella Rossell<strong>in</strong>i<br />
Me<strong>in</strong>e Hühner und ich<br />
Text und Zeichnungen von Isabella<br />
Rossell<strong>in</strong>i<br />
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70 Zeichnungen<br />
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ERNÄHRUNG FÜR DEN WANDEL | SCHWERPUNKT<br />
E<strong>in</strong>er der letzten se<strong>in</strong>er Art: Als „leere Hüllen“ beschreibt Land<strong>wir</strong>t Jörn Nagel die vielen verlassenen Höfe se<strong>in</strong>er Region. Das soll ihm nicht<br />
passieren – darum stellt er e<strong>in</strong>en Teil se<strong>in</strong>es Landes für die Zucht von Welsen und den Anbau von Bananen zur Verfügung.<br />
Wachsen<br />
BANANEN AN DER ELBE?<br />
Oberndorf im Mündungsgebiet der Elbe hat mit Problemen zu kämpfen. Die Geme<strong>in</strong>dekasse ist leer,<br />
Arbeitsplätze s<strong>in</strong>d rar, kle<strong>in</strong>e Höfe werden aufgegeben. Aber die E<strong>in</strong>wohner geben nicht auf, nehmen<br />
das Wohl der Geme<strong>in</strong>de <strong>in</strong> die eigene Hand und gründen e<strong>in</strong>e Aktiengesellschaft. Der Dokumentarfilm<br />
„Von Bananenbäumen träumen“ erzählt von den außergewöhnlichen Plänen und dem unerschütterlichen<br />
Engagement der Oberndorfer. Dieses und weitere Beispiele zeigen: Werden Bürger selbst aktiv, lässt sich<br />
Lebensqualität steigern und der Strukturwandel aufhalten.<br />
Von Sebastian Henkes<br />
Fotos: © thede Filmproduktion<br />
Innerhalb von 20 Jahren s<strong>in</strong>kt die Zahl der örtlichen Betriebe<br />
im niedersächsischen Oberndorf von 70 auf nur noch 32. Es<br />
drohen Leerstand und Überalterung. Dann will die Geme<strong>in</strong>de<br />
auch noch die Schule verkaufen. Sie ist für viele der Drehund<br />
Angelpunkt des örtlichen Lebens. Die Oberndorfer s<strong>in</strong>d<br />
verzweifelt. Doch sie s<strong>in</strong>d kreativ und starten im Jahr 2010<br />
e<strong>in</strong>en Dorferneuerungsprozess. Zuerst <strong>wir</strong>d e<strong>in</strong>e Kneipe, die<br />
Kombüse 53° Nord, eröffnet. Dort werden weitere Ideen<br />
geschmiedet, um die Rettung des Dorfes zu f<strong>in</strong>anzieren. Und<br />
dann kommt der entscheidende Vorschlag: „Wir nutzen das,<br />
wovon <strong>wir</strong> am meisten haben: Gülle!“<br />
Damit wollen die Oberndorfer Energie erzeugen, afrikanische<br />
Welse züchten und – Bananenstauden anpflanzen. Und dann<br />
kommt auch noch e<strong>in</strong>e Filmemacher<strong>in</strong>, die die Bananenträume<br />
begleiten will. E<strong>in</strong> Stoff aus dem die Träume s<strong>in</strong>d. Au<br />
weia – ob das gut gehen kann …<br />
Vom Dorf zur AG<br />
Gesagt, getan, doch für die Umsetzung fehlt den Dorfbewohnern<br />
das nötige Know-how.<br />
Dieses holen sie sich aus der großen Stadt. Die Projektentwickler<br />
von BE Solutions & Blue Systems Design GmbH aus<br />
Berl<strong>in</strong> s<strong>in</strong>d Spezialisten für außergewöhnliche Innovationen.<br />
Ihre Ansicht, wie Dorfentwicklung unabhängig von langwierigen<br />
politischen Prozessen stattf<strong>in</strong>den kann, lautet: „Lasst<br />
die Dörfer das Geld selbst verdienen, das sie dann für die<br />
Gestaltung ihres Lebensumfeldes e<strong>in</strong>setzen können.“ Zusammen<br />
mit den Oberndorfern gründen die Berl<strong>in</strong>er Querdenker<br />
e<strong>in</strong>e Bürgeraktiengesellschaft, die erste Aktiengesellschaft<br />
der Region. Aus der Schnapsidee entsteht langsam e<strong>in</strong>e<br />
Geschäftsidee, die rasant Form annimmt: Die Gülle aus den<br />
Kuhställen der umliegenden Höfe soll e<strong>in</strong>e Biogasanlage betreiben,<br />
die wiederum Energie und Wärme für Fischzucht und<br />
www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />
19
Geme<strong>in</strong>sam träumen: Der Film von Antje Hubert zeigt, dass Dorf- und Regionalentwicklung gel<strong>in</strong>gen kann, wenn Bürger Visionen entwickeln<br />
und ihr Schicksal selbst <strong>in</strong> die Hand nehmen.<br />
Pflanzenanbau liefert. Und im Gesamtkreislauf des Systems<br />
entsteht als „Abfall“ auch noch hochwertiger Dünger, der<br />
teuer verkauft werden kann.<br />
Die Filmemacher<strong>in</strong> Antje Hubert ist fasz<strong>in</strong>iert vom aufkommenden<br />
Enthusiasmus und begleitet mit ihrem Kameramann<br />
Andreas Stonawski die Dorfbewohner drei Jahre lang bei<br />
ihrem abenteuerlichen Projekt. Der Film erzählt davon, wie<br />
E<strong>in</strong>heimische und Zugereiste anfangen zu träumen und die<br />
Ärmel hochkrempeln. <strong>Wie</strong> Überzeugungskraft und Zweifel<br />
aufe<strong>in</strong>ander stoßen. Auch die Jüngsten s<strong>in</strong>d mit dabei. Sie<br />
gründen e<strong>in</strong>en Umweltschutzclub und fangen an, im Ort Müll<br />
zu sammeln. Doch der Weg vom Traum <strong>in</strong> die Realität ist<br />
schwerer, als alle gedacht hatten, und die Kamera fängt die<br />
Höhen und Tiefen des Prozesses mit bewegenden Bildern e<strong>in</strong>.<br />
Wo Welse schwimmen<br />
In Oberndorf steht mittlerweile die Biogasanlage und die<br />
ersten afrikanischen Welse schwimmen <strong>in</strong> den Becken. Die<br />
Bananenstauden s<strong>in</strong>d zwar noch nicht gepflanzt, dafür ist mit<br />
der Kombüse 53° Nord das Leben <strong>in</strong> den Ort zurückgekehrt.<br />
Regelmäßig f<strong>in</strong>den dort Konzerte, Theatervorführungen und<br />
andere geme<strong>in</strong>schaftliche Veranstaltungen statt.<br />
Wir fragen die Regisseur<strong>in</strong> bei der Premiere des Films <strong>in</strong><br />
Berl<strong>in</strong>, ob Oberndorf e<strong>in</strong> Vorzeigeort ist? „Das kann ich nicht<br />
beantworten, noch s<strong>in</strong>d sie ja nicht am Ziel. Aber darauf<br />
kommt es auch nicht an. Viel wichtiger ist die Kernaussage:<br />
Das Schicksal selbst <strong>in</strong> die Hand nehmen, nicht ohnmächtig<br />
se<strong>in</strong>, die eigenen Träume ver<strong>wir</strong>klichen.“ Diese Haltung<br />
möchte die engagierte Filmemacher<strong>in</strong> <strong>in</strong> die Lande tragen<br />
und damit andere Quartiere ermutigen, geme<strong>in</strong>sam aktiv<br />
zu werden.<br />
Der Dorfladen als Mittelpunkt<br />
Nicht nur das Dorf an der Elbe hat mit Strukturwandel und<br />
Abwanderung zu kämpfen: In zwei Dritteln aller ländlichen<br />
Geme<strong>in</strong>den s<strong>in</strong>kt die E<strong>in</strong>wohnerzahl. Vor allem junge, gut<br />
ausgebildete Menschen zieht es <strong>in</strong> die urbanen Räume, <strong>in</strong><br />
denen schon jetzt über 75 Prozent der Deutschen leben.<br />
Die <strong>wir</strong>tschaftlichen und sozialen Folgen für die Peripherie<br />
s<strong>in</strong>d immens – E<strong>in</strong>kaufsmöglichkeiten, Ärzte und Bildungse<strong>in</strong>richtungen<br />
verschw<strong>in</strong>den. E<strong>in</strong> Symbol für den Wandel ist<br />
die Situation der klassischen Dorfläden. Sie s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>e vom<br />
Aussterben bedrohte Spezies: Laut e<strong>in</strong>er Studie des Bundesverbandes<br />
des Deutschen Lebensmittelhandels (BVLH) hat<br />
sich die Zahl der Verkaufsstellen im Lebensmittele<strong>in</strong>zelhandel<br />
von bundesweit 160.000 Geschäften im Jahr 1970 auf unter<br />
39.000 im Jahr 2016 reduziert. Ersetzt werden die Dorfläden<br />
durch Discounter, Supermarktketten und SB-Warenhäuser<br />
– die fast immer fernab der Ortskerne und <strong>in</strong> der Nähe der<br />
größeren Städte liegen. Für das Leben im Dorf hatte der<br />
„Tante-Emma-Laden“ allerd<strong>in</strong>gs Funktionen, die durch die<br />
vielen Handelsketten nicht zu ersetzen s<strong>in</strong>d: Er ist zu Fuß, also<br />
auch für die immer größer werdende Zahl älterer Menschen,<br />
bequem erreichbar. Und er dient als Treffpunkt für die Dorfgeme<strong>in</strong>schaft.<br />
Mit den Dorfläden starb e<strong>in</strong> Teil des örtlichen<br />
Lebens. Gefragt s<strong>in</strong>d daher kreative und <strong>in</strong>novative Ideen.<br />
<strong>Wie</strong> kann der klassische Dorfladen neu erfunden werden?<br />
Die IG OMa<br />
Diese Frage stellten sich auch die Bewohner <strong>in</strong> den bayerischen<br />
Geme<strong>in</strong>den Oberdorf und Mart<strong>in</strong>szell, nachdem vor<br />
Ort alle Gasthöfe und Supermärkte dichtgemacht hatten.<br />
Um die örtliche Infrastruktur zu stärken, gründeten sie im<br />
März 2014 die Interessengeme<strong>in</strong>schaft zur Förderung der<br />
dörflichen Entwicklung <strong>in</strong> Oberdorf und Mart<strong>in</strong>szell (IG OMa).<br />
E<strong>in</strong> neuer sozialer Treffpunkt für die Dorfgeme<strong>in</strong>schaft sollte<br />
her und e<strong>in</strong> passendes Gebäude war schnell gefunden – das<br />
leerstehende Bahnhofsgebäude <strong>in</strong> Mart<strong>in</strong>szell. Von da an<br />
g<strong>in</strong>g es Schlag auf Schlag: E<strong>in</strong> Mitglied der IG OMa erwarb<br />
das Haus, ab Mai 2014 wurde das Gebäude <strong>in</strong> Eigenleistung<br />
renoviert. Im Herbst 2014 eröffnete der neue Dorftreffpunkt.<br />
Er beherbergt nicht nur e<strong>in</strong> Café und e<strong>in</strong>en Wochenmarkt,<br />
auch Vorträge, Ausstellungen oder Handarbeitstreffs f<strong>in</strong>den<br />
dort statt. Die IG OMa wurde bereits mehrfach ausgezeich-<br />
20 Gedruckt auf Ste<strong>in</strong>beis Charisma Silk – hergestellt aus 100 % Altpapier, ausgezeichnet mit dem Blauen Engel. <strong>forum</strong> E<strong>in</strong> Produkt <strong>Nachhaltig</strong> der Ste<strong>in</strong>beis <strong>Wirtschaften</strong><br />
Papier GmbH.
ERNÄHRUNG FÜR DEN WANDEL | SCHWERPUNKT<br />
net und jüngst als das „Gute Beispiel <strong>2017</strong>“ nom<strong>in</strong>iert. Mit<br />
diesem Preis fördert der Bayerische Rundfunk <strong>in</strong>novative<br />
Projekte, die mit Mut, Engagement und Leidenschaft die<br />
Gesellschaft e<strong>in</strong> bisschen besser machen.<br />
Digitalisierung hilft Dörflern auf die Sprünge<br />
In „Smart Cities“ ist alles vernetzt: Stoff- und Abwasserkreisläufe,<br />
Ladesäulen für Elektroautomobile und Ampeln.<br />
Digitalisierung und Vernetzung verschiedenster Bereiche<br />
gehören im urbanen Raum schon länger zur Alltagswelt. Sie<br />
bietet aber auch Chancen für den ländlichen Raum, wie die<br />
von genannter BE Solutions gestartete Kampagne „Dörfer<br />
im Aufbruch“ zeigt. Mit dieser Initiative sollen Dörfer dabei<br />
ermutigt werden, ihre Entwicklung selbst <strong>in</strong> die Hand zu nehmen<br />
und dabei vor allem auch digitale Chancen zu nutzen.<br />
Möglichkeiten zur Digitalisierung bieten sich an vielen Stellen,<br />
so auch beim Dorfladen. Nach dem Vorbild e<strong>in</strong>es schwedischen<br />
Modells <strong>wir</strong>d derzeit e<strong>in</strong> rund um die Uhr geöffneter<br />
Laden getestet, der ohne viel Personal auskommt und so <strong>in</strong><br />
der Kostenstruktur wieder wettbewerbsfähig gegenüber den<br />
großen Supermarkt- und Discounter-Ketten <strong>wir</strong>d. Auch zum<br />
immer dünner werdenden ÖPNV-Netz im ländlichen Raum<br />
kann Digitalisierung und Vernetzung e<strong>in</strong>e echte Alternative<br />
Von Bananenbäumen träumen<br />
Die Authentizität dieses Filmes ist<br />
bee<strong>in</strong>druckend. Er zeigt Menschen,<br />
die <strong>in</strong> ihrem Alltag etwas anpacken<br />
und bewegen. Das geschieht <strong>in</strong> großer<br />
bildlicher Nähe, oft auch <strong>in</strong> den<br />
eigenen vier Wänden. Dabei stellt<br />
der Film schonungslos Rückschläge<br />
und Zweifel der beteiligten Personen<br />
dar: Als die Schule geschlossen <strong>wir</strong>d,<br />
fließen Tränen und die Menschen<br />
verlieren zwischenzeitlich den<br />
Glauben an ihr „Bananen-Projekt“.<br />
Dadurch hat man das Gefühl, den<br />
Dorfbewohnern auf Augenhöhe zu<br />
begegnen. Antje Hubert lässt den K<strong>in</strong>obesucher am Entstehungsprozess<br />
der Idee bis h<strong>in</strong> zu ihrer Ver<strong>wir</strong>klichung teilhaben – von<br />
euphorischer Aufbruchsstimmung bis h<strong>in</strong> zur Resignation. Der<br />
Land<strong>wir</strong>t Jörn Nagel nimmt e<strong>in</strong>e Schlüsselrolle im Film und <strong>in</strong> der<br />
Dorfentwicklung e<strong>in</strong>, da er die Fläche für das Projekt zur Verfügung<br />
stellt. Er ist zwar von der Idee begeistert, aber auch nicht ganz ohne<br />
Zweifel, ob sie funktionieren kann. Doch wenn e<strong>in</strong> Bauer e<strong>in</strong>mal ja<br />
gesagt hat, dann bleibt er dabei. Se<strong>in</strong> Wort gilt.<br />
Auch die Filmemacher<strong>in</strong> Hubert ist von der Idee der Oberndorfer<br />
begeistert, spricht aber auch über die Schattenseiten: „Die Lust der<br />
Oberndorfer am Pläneschmieden ist ungebrochen. Und die Tatsache,<br />
dass die Anlage, mit der sie das Geld verdienen wollen, noch<br />
nicht fertig ist, sche<strong>in</strong>t ke<strong>in</strong>e Rolle zu spielen. Doch der Ausgang der<br />
Geschichte ist immer noch offen ...“<br />
Bundesweiter K<strong>in</strong>ostart: 30. März <strong>2017</strong><br />
Alle Term<strong>in</strong>e, Trailer und Infos zum Film auf<br />
www.vbbt-derfilm.de<br />
darstellen. Das Pr<strong>in</strong>zip des von Bürgern entwickelten Konzeptes<br />
„Roter Punkt – ich nehm‘ Dich mit“ ist denkbar e<strong>in</strong>fach:<br />
E<strong>in</strong> roter Aufkleber am Auto lässt e<strong>in</strong>e Mitfahrgelegenheit<br />
erkennen. Dazu gibt es markierte Bänke, die als „Haltestellen“<br />
dienen. E<strong>in</strong>e App soll das Zusammenspiel <strong>in</strong> <strong>Zukunft</strong> weiter<br />
verbessern und anzeigen, wer Fahrten anbietet und wer<br />
wann woh<strong>in</strong> mitgenommen werden möchte. Wird dieses<br />
Shar<strong>in</strong>g-Konzept noch mit E-Mobilität und geme<strong>in</strong>samem<br />
Autokauf komb<strong>in</strong>iert, ergibt sich e<strong>in</strong>e kostengünstige und<br />
klimaschonende Lösung der Nachbarschaftsmobilität, die<br />
vom unflexiblen ÖPNV-Fahrplan unabhängig ist.<br />
Im Großen denken<br />
Das Problem der Landflucht hört nicht an der Ortsgrenze<br />
auf – ganze Regionen s<strong>in</strong>d vom Strukturwandel betroffen.<br />
Würden Bürger, Unternehmen und kommunale Politik Hand<br />
<strong>in</strong> Hand arbeiten, könnten Probleme jedoch auch <strong>in</strong> größerem<br />
Maßstab bewältigt werden. E<strong>in</strong> gutes Beispiel ist das<br />
Emsland, e<strong>in</strong> Landkreis an der Grenze zwischen Niedersachsen<br />
und Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen. Steigende Geburtenzahlen,<br />
e<strong>in</strong> positives Wanderungssaldo und e<strong>in</strong>e Arbeitslosenquote<br />
von 3,8 Prozent (der bundesdeutsche Durchschnitt liegt bei<br />
6,3 Prozent) – im Emsland sche<strong>in</strong>t besonders gut zu funktionieren,<br />
was <strong>in</strong> vielen ländlichen Regionen nicht gel<strong>in</strong>gt.<br />
Woran liegt das? Antworten liefert die Studie „Von Kirchtürmen<br />
und Netzwerken. <strong>Wie</strong> engagierte Bürger das Emsland<br />
voranbr<strong>in</strong>gen“.<br />
Die Autoren Theresa Damm und Dr. Re<strong>in</strong>er Kl<strong>in</strong>gholz vom<br />
Berl<strong>in</strong>-Institut für Bevölkerung und Entwicklung s<strong>in</strong>d tief <strong>in</strong><br />
die zivilgesellschaftlichen Strukturen vor Ort e<strong>in</strong>getaucht und<br />
haben <strong>in</strong> Gesprächen mit lokalen Akteuren herausgefunden,<br />
was die Emsländer antreibt und wieso die Zusammenarbeit<br />
zwischen Politik, Wirtschaft, Kirche und Vere<strong>in</strong>en dort so gut<br />
funktioniert. Die Ergebnisse ihrer Studie stellten sie am 23.<br />
März <strong>2017</strong> <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> vor. Diese zeigen: Dorf- beziehungsweise<br />
Regionalentwicklung kann gel<strong>in</strong>gen, wenn die Bürger ihr<br />
Schicksal selbst <strong>in</strong> die Hand nehmen – und dabei mit Knowhow<br />
und Fördermitteln unterstützt werden.<br />
Oder, wie es der Oberndorfer Land<strong>wir</strong>t Jörn Nagel im Film<br />
„Von Bananenbäumen träumen“ so trocken sagt: „Mich wundert<br />
immer, was alles möglich ist. Vor dieser Dorferneuerung<br />
hätte ich das gar nicht für möglich gehalten.“ Beflügeln Sie<br />
deshalb auch <strong>in</strong> Ihrem Quartier die Träume und holen sie<br />
den Film <strong>in</strong> ihr K<strong>in</strong>o vor Ort!<br />
www.blueeconomysolutions.de<br />
www.ig-oma.de<br />
www.doerfer-im-aufbruch.de<br />
www.digitale-doerfer.de<br />
SEBASTIAN HENKES<br />
ist Technikjournalist mit Schwerpunkt Umweltwissenschaften. Er<br />
engagiert sich privat und beruflich für kommunalen Umweltschutz.<br />
Privat gilt se<strong>in</strong>e Liebe den Bergen.<br />
www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />
21
SCHWERPUNKT | ERNÄHRUNG FÜR DEN WANDEL<br />
GARNELEN VON DER ISAR<br />
Garnelen gehören <strong>in</strong> Deutschland zu den beliebtesten Meeresfrüchten. Rund 750 Gramm jährlich<br />
verspeist jeder Bundesbürger im Schnitt – oft ohne zu wissen, unter welchen Bed<strong>in</strong>gungen<br />
die Schalentiere produziert wurden. Die Lösung: Garnelen aus Bayern.<br />
Von Sebastian Henkes<br />
22 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>
SCHWERPUNKT<br />
E<strong>in</strong>ladung <strong>in</strong>s „upper eat side“ München-Gies<strong>in</strong>g. Angesagte<br />
Location. Dr<strong>in</strong>nen lässig e<strong>in</strong>fach und deswegen hip. Die<br />
wenigen Gerichte auf der Holztafel: appetitanregend und garantiert<br />
regional. Nur bei den Garnelen stutze ich. Regional?<br />
Doch der junge Wirt persönlich erklärt <strong>uns</strong> auf Nachfrage,<br />
dass die Garnelen von den „Großstadtfischern“ aus der Nähe<br />
stammen. Me<strong>in</strong>e Neugierde ist geweckt.<br />
Wir fahren vorbei an grünen <strong>Wie</strong>sen und Wäldern und<br />
überqueren die Isar. Unser Ziel: die Geme<strong>in</strong>de Langenpreis<strong>in</strong>g<br />
nahe München. Im beschaulichen Gewerbegebiet<br />
gibt es e<strong>in</strong>e Holzbau-Firma, e<strong>in</strong> Autohaus – und e<strong>in</strong>en<br />
Garnelenzuchtbetrieb. Garnelen? Das wollen <strong>wir</strong> nicht so<br />
recht glauben, als <strong>wir</strong> mit <strong>uns</strong>erem Redaktionsteam vor der<br />
<strong>uns</strong>che<strong>in</strong>baren grauen Halle stehen. Das ist also Europas<br />
größte Aquakultur-Anlage für die beliebten Schalentiere…<br />
Dr<strong>in</strong>nen erwartet <strong>uns</strong> Fabian Riedel <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Büro. Der<br />
35-Jährige ist Jurist, aber daran er<strong>in</strong>nert gerade nur noch se<strong>in</strong><br />
Äußeres: gegelte Haare, bestimmtes Auftreten, stechender<br />
Blick. Auf dem Schreibtisch liegen Wirtschaftsmagaz<strong>in</strong>e.<br />
Ganz oben auf dem Stapel: Bus<strong>in</strong>ess Punk. Das ist nicht<br />
verwunderlich, <strong>wir</strong>kt Riedel doch wie der Prototyp der dar<strong>in</strong><br />
vertretenen Unternehmer. Mit se<strong>in</strong>em Unternehmen Crusta<br />
Nova verfolgt er ke<strong>in</strong> ger<strong>in</strong>geres Ziel, als die Garnelenzucht<br />
zu revolutionieren: „Ich möchte die Garnele wieder zu dem<br />
Luxusprodukt machen, das sie e<strong>in</strong>mal war.“ Davon ist die<br />
Durchschnitts-Garnele aus dem Supermarkt weit entfernt.<br />
Gezüchtet <strong>wir</strong>d sie meist <strong>in</strong> Ch<strong>in</strong>a, gefolgt von Indien,<br />
Vietnam, Indonesien, Ecuador und Bangladesch – mit erschreckenden<br />
Umweltaus<strong>wir</strong>kungen. Für die Garnelenzucht<br />
werden etwa e<strong>in</strong> Meter tiefe Zuchtbecken <strong>in</strong> Küstennähe<br />
angelegt. Dafür müssen Mangrovenwälder weichen, Futter<br />
und Chemikalien belasten die Ökosysteme zusätzlich. WWF<br />
und Greenpeace bemängeln außerdem die Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen<br />
für die meist aus der Region stammenden Arbeitskräfte.<br />
Problematisch ist zudem der weit verbreitete E<strong>in</strong>satz von<br />
Antibiotika. Bevor die Garnelen <strong>in</strong> <strong>uns</strong>eren Supermärkten und<br />
schließlich auf dem Teller landen, vergeht mitunter e<strong>in</strong>e lange<br />
Zeit. Obwohl sie als „fangfrisch“ deklariert werden, s<strong>in</strong>d sie<br />
im Block gefroren teilweise monatelang unterwegs. All das<br />
möchte Riedel mit se<strong>in</strong>em 10-köpfigen Team besser machen:<br />
e<strong>in</strong> umweltschonendes Kreislaufsystem statt Vernichtung von<br />
Lebensräumen, Regionalität statt langer Transportwege, ke<strong>in</strong><br />
E<strong>in</strong>satz von Antibiotika, dafür zertifiziertes Futter und e<strong>in</strong>e<br />
artgerechte Besatzdichte.<br />
Foto: © Crusta Nova<br />
Exotisch auf diesem Bild ist nur die Kokosnuss – die Garnelen<br />
stammen aus Bayern.<br />
www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />
23
24 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>
SCHWERPUNKT<br />
Vom Juristen zum „Großstadtfischer“<br />
Doch zunächst der Blick zurück: Die Geschichte von Crusta<br />
Nova beg<strong>in</strong>nt 2012. Fabian Riedel sitzt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er stickigen<br />
Bibliothek am Münchner Institut für Zeitgeschichte, wo<br />
er an se<strong>in</strong>er Dissertation über e<strong>in</strong>en deutsch-jüdischen<br />
Filmunternehmer arbeitet. Um sich die Be<strong>in</strong>e zu vertreten,<br />
stattet er e<strong>in</strong>em alten Schulfreund e<strong>in</strong>en Besuch ab, der als<br />
Lebensmitteltechnologe an Schalentieren forscht. Als er<br />
dessen Wohnung <strong>in</strong> der Leonrodstraße betritt, staunt er nicht<br />
schlecht: In Küche, Badezimmer und sogar im Schlafzimmer<br />
stehen große Plastikbecken. Dar<strong>in</strong> tummeln sich australische<br />
Flusskrebse. Riedel ist sofort begeistert. Der Jurist, der mit<br />
Schalentieren bislang nichts am Hut hatte, beg<strong>in</strong>nt Bücher<br />
über die Tiere zu wälzen, an denen se<strong>in</strong> Freund gerade<br />
forscht. Es dauert nicht lange bis zur ersten Geschäftsidee,<br />
nämlich der Zucht von eben diesen Flusskrebsen. Die <strong>wir</strong>d<br />
aber nach e<strong>in</strong>er Marktstudie schnell wieder verworfen. Zu<br />
kle<strong>in</strong> sei die Nachfrage, zu groß die Konkurrenz – auch unter<br />
den kannibalistischen Flusskrebsen, die sich ständig gegenseitig<br />
auffressen. Doch die Idee lässt Riedel nicht los. Nach<br />
langer Recherche stößt er schließlich auf Garnelen. Schnell<br />
erkennt er das Potenzial – alle<strong>in</strong> die Deutschen essen im Jahr<br />
50.000 Tonnen an Krebstieren und Garnelen. Über e<strong>in</strong>en<br />
Zeitungsartikel gelangt Riedel an den US-Forscher Addison<br />
Lawrence. Dieser forscht <strong>in</strong> Texas seit Jahren an der Zucht<br />
von Garnelen <strong>in</strong> Kreislaufsystemen. Und er möchte diese<br />
Technologie <strong>in</strong>ternational verkaufen. E<strong>in</strong> Glücksgriff? Riedel<br />
stellt sofort den Kontakt her – und <strong>wir</strong>d herbe enttäuscht.<br />
Lawrence verlangt e<strong>in</strong>e sechsstellige Lizenzzahlung, für e<strong>in</strong>e<br />
Technologie, die sich noch nicht bewährt hat.<br />
E<strong>in</strong> fleischverarbeitendes Familienunternehmen als<br />
Investor<br />
Das kommt für Riedel nicht <strong>in</strong>frage. Abschrecken lässt er<br />
sich von diesem Rückschlag jedoch nicht – im Gegenteil.<br />
Er steigt noch tiefer <strong>in</strong> die Materie e<strong>in</strong>, studiert weiter den<br />
Markt. Se<strong>in</strong> Engagement und die Begeisterung für die Idee<br />
zahlen sich aus. Riedels Vorhaben <strong>wir</strong>d vom Europäischen<br />
Fischerei Fonds (EFF) gefördert. Das Fördervolumen setzt<br />
sich zu jeweils 20 Prozent aus bayerischen und EU-Mitteln<br />
zusammen. Mit Michael Ponnath, dem Gesellschafter des ältesten<br />
bayerischen Metzgereiunternehmens, f<strong>in</strong>det er zudem<br />
Fotos: © Crusta Nova<br />
In dieser grauen Halle verbirgt sich Europas größte Aquakultur-<br />
Kreislaufanlage für die Garnelenzucht. Chef Fabian Riedel steigt<br />
auch schon mal selbst <strong>in</strong> die Tanks, um se<strong>in</strong>e geliebten White Tiger<br />
Prawns zu fischen.<br />
www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />
25
SCHWERPUNKT | ERNÄHRUNG FÜR DEN WANDEL<br />
Crusta Nova möchte die Garnele wieder zum Luxusprodukt machen. Vom Fe<strong>in</strong>sten ist der Geschmack allemal – roh oder wie hier mit etwas<br />
Olivenöl und Zitrone. Nicht nur Sterneköche reißen sich um die fe<strong>in</strong>e Ware aus dem Erd<strong>in</strong>ger Moos.<br />
e<strong>in</strong>en branchennahen Investor, der ihn mit e<strong>in</strong>em mittleren<br />
e<strong>in</strong>stelligen Millionenbetrag fördert. Nun fehlt noch e<strong>in</strong><br />
Aquakultur-Experte, der ihn bei der Konzeption der Anlage<br />
unterstützt. Auch hier <strong>wir</strong>d Riedel fündig: Gerrit Quantz ist<br />
Spezialist für landgestützte Aquakulturen <strong>in</strong> geschlossenen<br />
Kreislaufanlagen. Er steht Riedel mit Know-how und Fachwissen<br />
zur Seite. Nachdem auch diese Hürde genommen ist,<br />
legt Riedel gleich mit dem Bau der Anlage los. Etwa 2.000<br />
Quadratmeter misst die eigens für Crusta Nova errichtete<br />
Halle, 1.900 Quadratmeter die Zuchtanlage.<br />
Die Larven kommen aus Florida<br />
Diese betreten <strong>wir</strong> nun – und fühlen <strong>uns</strong> bei 30 Grad<br />
Lufttemperatur und 70 Prozent Luftfeuchtigkeit <strong>in</strong> den<br />
Mangrovenwald versetzt. Auf zwei Stockwerken tummeln<br />
sich hier etwa e<strong>in</strong>e Millionen Garnelen. Auf jeder Etage<br />
stehen jeweils vier 35 Meter lange K<strong>uns</strong>tstoffbecken. Durch<br />
Futterrückstände ist das Wasser bräunlich gefärbt und etwas<br />
trüb – laut Riedel ke<strong>in</strong> Zufall: „In den Mangrovenwäldern, wo<br />
die Garnelen heimisch s<strong>in</strong>d, sieht das Wasser auch so aus. In<br />
klarem Wasser hätten sie Angst, von Fressfe<strong>in</strong>den entdeckt<br />
zu werden. Im geschlossenen Kreislauf fühlen sich <strong>uns</strong>ere<br />
Garnelen dank der Filtertechniken pudel- äh garnelenwohl.“<br />
Bei der Führung durch die Anlage <strong>wir</strong>d aus dem Bus<strong>in</strong>ess<br />
Punk Riedel der Großstadtfischer, der mit Leib und Seele zu<br />
se<strong>in</strong>er Sache steht. Schnell <strong>wir</strong>d deutlich, dass ihm Qualität<br />
und artgerechte Haltung se<strong>in</strong>es Produktes <strong>wir</strong>klich am Herzen<br />
liegen. So ist die Besatzdichte <strong>in</strong> den Zuchtbecken nur halb so<br />
groß wie <strong>in</strong> herkömmlichen Betrieben. Die Becken s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> drei<br />
Bereiche unterteilt – diese entsprechen den verschiedenen<br />
Altersstufen. Ganz vorne werden die Larven herangezüchtet.<br />
Sie reisen <strong>in</strong> Styroporbehältern aus dem sonnigen Florida an,<br />
fühlen sich aber auch <strong>in</strong> Bayern wohl. Die w<strong>in</strong>zigen Tierchen<br />
wachsen anfangs täglich um das Vierfache ihres Körpergewichts.<br />
Mit steigendem Alter rücken sie im Becken immer<br />
weiter nach vorne, bis sie am Ende im Tötungsbecken landen.<br />
„Am Anfang hatten <strong>wir</strong> ke<strong>in</strong>e Ahnung, wie <strong>wir</strong> die Garnelen<br />
töten sollten. In dem Rahmen hat das ja zuvor noch niemand<br />
gemacht“, sagt Riedel. Ähnlich wie Fisch werden die Tiere<br />
schließlich mit Gleichstrom getötet.<br />
Biofilter statt Antibiotika<br />
Das Beispiel der Tötungsanlage zeigt: Pionier Riedel musste<br />
beim Bau der Anlage vielerorts Neuland betreten. Das Abluftsystem<br />
stammt beispielsweise aus der Schwe<strong>in</strong>ezucht.<br />
Die Anlage läuft mit e<strong>in</strong>er Raumtemperatur von 30 Grad und<br />
e<strong>in</strong>er Wassertemperatur von 29 Grad – ganzjährig. Diese<br />
Zahlen kl<strong>in</strong>gen nicht gerade nach e<strong>in</strong>em niedrigen Umweltaufwand.<br />
Und doch ist der Energiebedarf der Anlage sehr ger<strong>in</strong>g.<br />
Möglich <strong>wir</strong>d dies durch das Kreislaufpr<strong>in</strong>zip RAS (engl.<br />
Recirculat<strong>in</strong>g Aquaculture Systems): Das Ablaufwasser der<br />
Zuchtbecken <strong>wir</strong>d kont<strong>in</strong>uierlich mechanisch und biologisch<br />
gere<strong>in</strong>igt. Die mechanische Re<strong>in</strong>igung funktioniert denkbar<br />
e<strong>in</strong>fach, <strong>in</strong>dem Kot, Futter- und Karkassenreste durch e<strong>in</strong><br />
Sieb entfernt werden. Etwas komplizierter gestaltet sich die<br />
biologische Re<strong>in</strong>igung. Diese ist notwendig, da die Garnelen<br />
als Stoffwechselprodukt Ammonium ausscheiden. Bei zu<br />
hoher Dosierung im Wasser <strong>wir</strong>d dieses für sie giftig. Abhilfe<br />
schafft e<strong>in</strong> Biofilter. Dieser besteht aus wenige Zentimeter<br />
großen K<strong>uns</strong>tstoffzyl<strong>in</strong>dern, die frei im Wasser schwimmen.<br />
Für Aquakultur-Produkte aus Kreislaufanlagen gibt es bislang noch<br />
ke<strong>in</strong> Bio-Siegel. Die EU-Öko-Verordnung schließt sie wegen noch<br />
fehlender Erkenntnisse aus. Der Naturland Verband für ökologischen<br />
Landbau e.V. prüft derzeit die E<strong>in</strong>führung e<strong>in</strong>es eigenen<br />
Siegels. Geschäftsführer Steffen Reese erklärt, wieso er den Ansatz<br />
für s<strong>in</strong>nvoll hält: „Naturland hält es aus ökologischer, aber auch<br />
soziokultureller H<strong>in</strong>sicht für absolut s<strong>in</strong>nvoll, Lebensmittel im Lebensumfeld<br />
der Menschen zu erzeugen. Daher setzen <strong>wir</strong> <strong>uns</strong> mit<br />
verschiedenen Projekten dafür e<strong>in</strong>, bestehende Wissenslücken zu<br />
schließen. Mit e<strong>in</strong>em Vorhaben im Rahmen des Bundesprogramms<br />
Ökologischer Landbau und andere Formen nachhaltiger Land<strong>wir</strong>tschaft<br />
(BÖLN) untersuchen <strong>wir</strong> aktuell die Akzeptanz der Öko-<br />
Branche für Erzeugnisse aus Aquakulturkreisläufen. Darum wollen<br />
<strong>wir</strong> e<strong>in</strong> Siegel e<strong>in</strong>führen, um zertifizierte Produkte aus Aquakultur<br />
leichter erkennbar zu machen“.<br />
Foto: © Crusta Nova<br />
26 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>
ERNÄHRUNG FÜR DEN WANDEL | SCHWERPUNKT<br />
Auf deren Oberfläche tummeln sich Bakterien, die das für<br />
die Garnelen gefährliche Ammonium <strong>in</strong> harmloses Nitrit und<br />
Nitrat umwandeln. Dieses wiederum kann nach dem Filtern<br />
als Pflanzendünger verwendet werden. Anschließend <strong>wir</strong>d<br />
das Wasser mit Sauerstoff angereichert und wieder den<br />
Zuchtbecken zugeführt. Der tägliche Wasserverbrauch <strong>wir</strong>d<br />
damit verschw<strong>in</strong>dend ger<strong>in</strong>g – durch das Kreislaufpr<strong>in</strong>zip<br />
beträgt er unter 4 Prozent des Gesamtvolumens. Die Anlage<br />
<strong>wir</strong>d derzeit noch mit herkömmlichem Erdgas beheizt. Hier<br />
sieht Riedel noch Potenzial zur Verbesserung: Künftig soll e<strong>in</strong><br />
Blockheizkraftwerk Wärme und Strom gleichzeitig liefern. Vor<br />
allem die Stromkosten für das Betreiben der Pumpen s<strong>in</strong>d neben<br />
dem Futter für die Tiere e<strong>in</strong> hoher Kostenfaktor. Apropos<br />
Futter: Dieses ist e<strong>in</strong>e Spezialentwicklung für die Großstadtfischer<br />
und <strong>wir</strong>d vollautomatisch an die Tiere ausgegeben, mit<br />
e<strong>in</strong>er Futterpause <strong>in</strong> der Nacht. Sensoren überwachen die<br />
Komponenten der Anlage mittels speicherprogrammierbarer<br />
Steuerung. Sie messen den Sauerstoffanteil, Temperatur<br />
und pH-Wert des Wassers. Auch Wasserstände, Drücke und<br />
elektrische Antriebe regelt die Anlage vollautomatisch. Somit<br />
ist der Personalbedarf sehr ger<strong>in</strong>g.<br />
Hier liefert der Chef persönlich<br />
Die Umweltverträglichkeit se<strong>in</strong>er Garnelenzucht liegt Riedel<br />
sehr am Herzen. Gleichzeitig ist er aber auch e<strong>in</strong> Geschäftsmann<br />
mit Biss. „Me<strong>in</strong>e Idee unterscheidet sich von<br />
Ansätzen wie Aquaponik, die für mich auch immer etwas<br />
von Gutmenschentum an sich haben. Unser Ziel war von<br />
Anfang an, mit den Garnelen Geld zu verdienen“. Und das<br />
funktioniert. Die fangfrischen Garnelen aus Bayern haben<br />
sich <strong>in</strong> der Gourmet-Szene schon e<strong>in</strong>en Namen gemacht.<br />
Leicht süßlich und nussig schmecken sie, die knackige<br />
Konsistenz er<strong>in</strong>nert an e<strong>in</strong>en frischen Apfel. Ausgeliefert<br />
werden die frischen Garnelen per Expressversand gleich<br />
am Folgetag der Bestellung, <strong>in</strong> München sogar noch am<br />
selben Tag. Etwa 30 Tonnen Garnelen kann die Anlage <strong>in</strong><br />
Langenpreis<strong>in</strong>g jährlich produzieren. Die Nachfrage von<br />
Restaurants und Hotels ist groß – so groß, dass der Chef<br />
selbst schon mal selbst ausliefern muss. Wenn es e<strong>in</strong>mal<br />
ganz schnell gehen soll, br<strong>in</strong>gt Riedel die Garnelen auch<br />
persönlich zum Kunden.<br />
www.crustanova.com<br />
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27
SCHWERPUNKT | ERNÄHRUNG FÜR DEN WANDEL<br />
FOOD START-UPS<br />
AUF DEM VORMARSCH<br />
my CHIPSBOX – <strong>Nachhaltig</strong>er Snackgenuss<br />
Von der Gastro-Friteuse <strong>in</strong> der Küche zur eigenen Chipsmanufaktur<br />
Nachdem Erol und Ebru Kaynak e<strong>in</strong>es Tages enttäuscht vor den Chipsregalen<br />
standen, fassten sie e<strong>in</strong>en Entschluss: E<strong>in</strong>e eigene Chipsmanufaktur<br />
solle für die Revolution <strong>in</strong> den Supermarktregalen sorgen. Mit<br />
der Gründung des Startups „my CHIPSBOX“ und der Komb<strong>in</strong>ation aus<br />
Kartoffelchips und luft getrocknetem Gemüse wollen die beiden für e<strong>in</strong><br />
ganz besonderes Snack-Erlebnis sorgen. Dabei achten sie auf höchste<br />
Qualität. Die sechs verschiedenen Geschmacksrichtungen s<strong>in</strong>d biozertifiziert,<br />
vegan und kommen ganz ohne künstliche Aromen, Gluten<br />
und Hefeextrakt aus. Durch e<strong>in</strong>en Auftritt bei „Die Höhle der Löwen“<br />
wurde das Startup landesweit bekannt. Vor e<strong>in</strong>em Millionenpublikum<br />
vor den Fernsehgeräten hatte sich Ralf Dümmel dazu entschieden<br />
zu <strong>in</strong>vestieren. Bestätigt wurde die neue Snackbox außerdem durch<br />
den Testsieg <strong>in</strong> der Süddeutschen Zeitung und den eathealthy Award.<br />
www.mychipsbox.de<br />
Good Eggwhites – 100 % Bio-Ei aus der Flasche<br />
Re<strong>in</strong>es Hühnereiweiß als Energielieferant<br />
Frisches flüssiges Eiweiß: <strong>Wie</strong>so gibt es so etwas <strong>in</strong> Deutschland<br />
nicht? Das fragten sich die Gründer von Pumperlgsund Jan Göktek<strong>in</strong><br />
und Fabian König im Sommer 2013 während der 15-wöchigen Freeletics-Challenge.<br />
In den USA, Großbritannien, Italien und Skand<strong>in</strong>avien<br />
s<strong>in</strong>d Eggwhites – also vom Eigelb befreites Eiweiß – <strong>in</strong> jedem Supermarkt<br />
e<strong>in</strong>e Selbstverständlichkeit. In Deutschland gibt es abgepacktes<br />
Eiweiß nur im Großmarkt. Grund dafür ist, dass gekühlte Eiprodukte<br />
laut Verordnung bei 4° C gelagert werden müssen, die Kühlaggregate<br />
im Supermarkt aber auf 7° C laufen. Die Gründer entwickelten e<strong>in</strong><br />
Verfahren, durch das ihre Eggwhites vier Monate bei Raumtemperatur<br />
haltbar s<strong>in</strong>d. Das Ergebnis ihres unermüdlichen E<strong>in</strong>satzes: Good<br />
Eggwhites ist dreifach Bio-zertifiziert, vegetarisch, frei von Laktose,<br />
Gluten, Konservierungsstoffen und Geschmacksverstärkern.<br />
www.pumperlgsund-bio.de<br />
Buah – Frische Früchte zu jeder Zeit<br />
Heimische und exotische Trockenfrüchte<br />
Daniel und Jessica Krauter s<strong>in</strong>d auf Reisen auf den Geschmack reifer<br />
Südfrüchte gekommen, die sie <strong>in</strong> Deutschland nirgends f<strong>in</strong>den konnten.<br />
So entstand e<strong>in</strong>e Geschäftsidee: Buah (<strong>in</strong>donesisch für Frucht). Das Geheimnis<br />
des Geschmacks liegt an der Verarbeitung ausschließlich reifer<br />
Früchte. Sechs Stunden nach der Ernte werden diese e<strong>in</strong>gefroren und<br />
das Wasser durch Vakuum entzogen. Dadurch bleiben alle gesunden<br />
Inhaltsstoffe und der unvergleichliche Geschmack erhalten – bei weniger<br />
Volumen: 100 g Buah Früchte entsprechen ca. 1 kg frischem Obst. Neben<br />
Früchten wie Äpfeln, Erdbeeren, Sauerkirschen oder Johannisbeeren werden<br />
Exoten wie Ananas, Kokosnuss, Physalis oder Mango sowie Gemüse<br />
wie Sp<strong>in</strong>at und Brokkoli verarbeitet. E<strong>in</strong>e perfekte Basis für Smoothies,<br />
als Snack oder im Müsli. Soziales Engagement ist den Gründern wichtig.<br />
Buah <strong>wir</strong>d <strong>in</strong> Beh<strong>in</strong>dertenwerkstätten gemischt, verpackt und verschickt.<br />
www.buah.de<br />
Mimi’s Garden – Energiekugeln auf Dattel-Basis<br />
Biologische Nahrungsmittel komb<strong>in</strong>iert mit sozialem Engagement<br />
Mit ihren Bio-Energiekugeln setzt Karol<strong>in</strong> Trockels, Gründer<strong>in</strong> der<br />
Glücksmoment GmbH, auf e<strong>in</strong> hochwertiges, veganes Produkt, soziales<br />
Engagement und nachhaltige Verpackung. Die Basiszutat s<strong>in</strong>d sonnengereifte<br />
Datteln, es <strong>wir</strong>d ke<strong>in</strong> zusätzlicher Zucker verwendet. H<strong>in</strong>zu<br />
kommen Cashewkerne und Mandeln sowie – je nach Geschmacksrichtung<br />
– Himbeeren und Chia, Mango und Kokos oder Kakao und Hanfsamen.<br />
Mit jedem verkauften Artikel gehen fünf Cent direkt an soziale<br />
Projekte. Im Gründungsjahr 2016 wurde beispielsweise das Projekt<br />
„Warm & Satt“ der Dortmunder Streetworker unterstützt. Die Verpackung<br />
basiert auf Holzzellulose und ist im herkömmlichen Haus- sowie<br />
<strong>in</strong> Industriekompost biologisch abbaubar. Die Produktbeschreibung<br />
auf der Schachtel ist <strong>in</strong> Brailleschrift. Damit möchte Mimi’s Garden<br />
e<strong>in</strong>en Teil zur Inklusion von Menschen mit Sehbeh<strong>in</strong>derung leisten.<br />
www.mimisgarden.de<br />
28 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>
ERNÄHRUNG FÜR DEN WANDEL | SCHWERPUNKT<br />
Die Beste-Reste-Box – Essen mitnehmen statt wegwerfen<br />
E<strong>in</strong>e nachhaltige Lösung für Ihre Speisereste<br />
Pro Gast werden <strong>in</strong> deutschen Restaurants, Großküchen und beim<br />
Eventcater<strong>in</strong>g jährlich im Schnitt 23,6 Kilogramm Lebensmittel<br />
weggeworfen. Zu viel, f<strong>in</strong>den die Initiative Zu gut für die Tonne des<br />
Bundesm<strong>in</strong>isteriums für Ernährung und Land<strong>wir</strong>tschaft (BMEL) und<br />
Greentable, das Infoportal für nachhaltige Gastronomieangebote.<br />
Dafür bieten sie die Beste-Reste-Box an, die bundesweit bereits<br />
über 200 Restaurants verteilen. Die Box aus FSC-zertifiziertem Kraftpapier<br />
fasst 1.350 ml Inhalt, ist recycl<strong>in</strong>gfähig und zu 100 Prozent<br />
biologisch abbaubar. Ist die Portion für den Gast e<strong>in</strong>mal zu groß,<br />
kann er se<strong>in</strong>e Reste so problemlos mit nach Hause nehmen – und<br />
dort <strong>in</strong> der Mikrowelle wieder aufwärmen, denn die Box verträgt<br />
Hitze bis 160 Grad Celsius. Sie kann zudem im Gefrierschrank<br />
gelagert werden.<br />
www.restlos-geniessen.de<br />
„Alte Hasen“<br />
Hofgut Letten und Tagwerk präsentieren e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>novative Ökokiste.<br />
Die bayrischen Lieferdienste setzen auf Papier statt Plastik.<br />
Die Ökokiste Hofgut Letten und die Tagwerk Ökokiste versorgen schon<br />
seit 1997 München und das Umland mit 100 Prozent Bio-Gemüse. Nur<br />
e<strong>in</strong>es war Kunden und Geschäftsführer Christian Stupenkämper bislang<br />
e<strong>in</strong> Dorn im Auge: Um Frische und Qualität von Obst und Gemüse sicherzustellen,<br />
mussten sie vor Witterungse<strong>in</strong>flüssen und Verd<strong>uns</strong>tung<br />
geschützt werden – und zwar durch e<strong>in</strong>e ungeliebte Plastikfolie. Zusammen<br />
mit der Firma Apomore GmbH wurde e<strong>in</strong> mit Harz beschichteter<br />
Papiere<strong>in</strong>leger entwickelt, um Obst und Gemüse künftig plastikfrei zu<br />
transportieren. Bei der Entwicklung des Spezialpapiers wurde auf schnelle<br />
und rückstandsfreie Kompostierbarkeit geachtet. Momentan <strong>wir</strong>d<br />
der Papiere<strong>in</strong>leger <strong>in</strong> der Praxis erprobt. Supenkämper prognostiziert<br />
bereits die plastikfreie Verpackungslösung als Standard für die Branche.<br />
www.tagwerk-oekokiste.de | www.hofgut-letten.de<br />
Bone Brox R<strong>in</strong>derknochenbrühe<br />
Omas Hausrezept als Alternative zum Coffee To-Go<br />
E<strong>in</strong> uraltes <strong>in</strong>dianisches Sprichwort besagt: „E<strong>in</strong>e gute Brühe lässt die<br />
Toten auferstehen.“ Wunder be<strong>wir</strong>ken wollen die Gründer J<strong>in</strong>-Woo Bae<br />
und Konrad Kaspar Knops mit Brox nicht, aber sie schwören auf Omas<br />
Hausmittel. Brox ist Bio-Brühe aus Knochen von artgerecht gehaltenen<br />
Bio-Weider<strong>in</strong>dern, die 18 Stunden lang schonend mit Gemüse und<br />
Kräutern <strong>in</strong> Quellwasser ausgekocht werden. Das Ergebnis ist voller<br />
Nährstoffe und Kollagene, kalorienarm, lowcarb und nahrhaft. Brox<br />
kann als Basis für Suppen und Soßen verwendet werden, eignet sich<br />
aber auch für den Energieschub zwischendurch und als Kaffee-Alternative.<br />
Die Gründer lernten die Knochenbrühe als Alternative zum<br />
Coffee To-Go <strong>in</strong> New York kennen und bemerkten schnell die positive<br />
Wirkung auf Gesundheit und Wohlbef<strong>in</strong>den. Geschmacksverstärker,<br />
Aroma-, Farb- oder Konservierungsstoffe s<strong>in</strong>d natürlich tabu.<br />
www.bonebrox.com<br />
www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />
Rapunzel und Zwergenwiese – Märchenhochzeit <strong>in</strong> der Bio-Branche<br />
Zwei Naturkost-Pioniere gehen zukünftig e<strong>in</strong>en geme<strong>in</strong>samen Weg.<br />
Joseph Wilhelm (Rapunzel) und Susanne Schön<strong>in</strong>g (Zwergenwiese)<br />
kennen sich schon seit den 1970er Jahren. Inhaltliche Übere<strong>in</strong>stimmungen<br />
und das politische Engagement für gentechnikfreie<br />
Lebensmittel waren e<strong>in</strong>e gute Basis für die geme<strong>in</strong>same <strong>Zukunft</strong>.<br />
Nun wurde Zwergenwiese von Rapunzel übernommen, bleibt<br />
aber als eigenständiges Unternehmen am Standort Silberstedt <strong>in</strong><br />
Schleswig-Holste<strong>in</strong> bestehen. Auch die Marken<strong>in</strong>halte und deren<br />
Kommunikation sowie die heutige Kundenstruktur mit Großhandelsbelieferung<br />
für den Naturkostfachhandel werden dabei unverändert<br />
bleiben. Die Fusion soll die Nutzung von Synergien ermöglichen,<br />
während den geme<strong>in</strong>samen Pr<strong>in</strong>zipien treu geblieben <strong>wir</strong>d: Nach<br />
wie vor stehen Bio-Qualität, soziales Engagement und nachhaltiges<br />
Umweltmanagement im Vordergrund.<br />
www.rapunzel.de | ww.zwergenwiese.de<br />
29
SCHWERPUNKT | ERNÄHRUNG FÜR DEN WANDEL<br />
SO WIRD DIE KANTINE<br />
ODER MENSA BIO<br />
Immer mehr Kant<strong>in</strong>en, Mensen, Restaurants oder Caterer setzen auf Biolebensmittel. Doch wie gel<strong>in</strong>gt die<br />
Umstellung? Als „BioMentoren“ haben sich 21 Entscheider aus Gastronomie und Geme<strong>in</strong>schaftsverpflegung<br />
zusammengeschlossen, um ihren Kollegen zu helfen. Der RNE hat die ehrenamtlichen Berater jetzt<br />
als besonderes Transformationsprojekt im Rahmen von „Projekt <strong>Nachhaltig</strong>keit“ ausgezeichnet.<br />
Angefangen hat Annelen Trost mit den Kartoffeln. Mitte der<br />
90er Jahre ersetzte die Abteilungsleiter<strong>in</strong> Hochschulgastronomie<br />
des Studentenwerks Osnabrück als erstes Lebensmittel<br />
konventionelle Kartoffeln durch biologisch angebaute. Seitdem<br />
setzt sie <strong>in</strong> den sechs Mensen und sechs Bistros der Hochschulen<br />
<strong>in</strong> Osnabrück, Vechta und L<strong>in</strong>gen allmählich immer mehr<br />
auf Bioprodukte, Fleisch und Fisch aus artgerechter Tierhaltung<br />
sowie auf vegetarische und vegane Speisen. Donnerstags<br />
ist zudem Veggie-Day. 2016 verlieh die Tierschutzorganisation<br />
Peta den dritten Stern „Vegan-freundliche Mensa“, den bisher<br />
21 Studentenwerke haben. Trost ist e<strong>in</strong>e von 21 „BioMentoren“,<br />
e<strong>in</strong> ehrenamtliches Netzwerk, das Ra<strong>in</strong>er Roehl mit se<strong>in</strong>em<br />
Beratungsunternehmen a‘verdis 2004 gegründet hat. Die<br />
Mentor<strong>in</strong>nen und Mentoren s<strong>in</strong>d Küchenchefs, Betriebsleiter,<br />
Gastronomen oder E<strong>in</strong>käufer, die Kolleg<strong>in</strong>nen und Kollegen<br />
zeigen, wie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Gastrobetrieb biologische, faire, artgerechte<br />
und regionale Lebensmittel angeboten werden können.<br />
„Die BioMentoren reisen nicht als Berater oder Showköche<br />
durch die Welt“, erläutert Roehl. „Sie öffnen vielmehr ihre<br />
eigenen Betriebe für Hospitationen und zeigen, wie bei<br />
ihnen der E<strong>in</strong>kauf funktioniert, wie sie kalkulieren und die<br />
Mitarbeiter schulen“, sagt Roehl, der selbst Ernährungswissenschaftler<br />
ist. Man wolle dabei nicht die perfekte, beste<br />
Bioküche propagieren, sondern Betrieben zeigen, wie der<br />
E<strong>in</strong>stieg klappt oder wie man sich kont<strong>in</strong>uierlich verbessern<br />
kann – egal, ob mit zehn, 20 oder 100 Prozent bio.<br />
Mischkalkulation im Studentenwerk<br />
Dabei hat jeder Gastrobereich se<strong>in</strong>e eigenen Herausforderungen,<br />
vor allem, was die Kosten angeht. Beispielsweise<br />
verkauft Annelen Trosts Studentenwerk bis zu 10.000 Essen<br />
am Tag. Manche s<strong>in</strong>d komplett bio, sonst stehen Beilagen <strong>in</strong><br />
Bioqualität zur Auswahl, zu erkennen an den grünen Schalen.<br />
Mehr Geld vom Land bekommt sie dafür aber nicht. Es bezuschusst<br />
alle Studentenwerke nach dem gleichen Schlüssel<br />
mit e<strong>in</strong>er bestimmten Summe pro Gericht.<br />
Will Trost besonders viel Bio anbieten, kann sie also nicht<br />
e<strong>in</strong>fach mehr Geld beantragen. „Wir können auch den Preis<br />
nicht beliebig erhöhen. Drei Euro für e<strong>in</strong> Essen s<strong>in</strong>d für Studenten<br />
die absolute Schmerzgrenze“, sagt Trost. Deshalb sei<br />
es momentan auch utopisch, komplett auf Bio umzustellen.<br />
Stattdessen setzt Trost e<strong>in</strong>e Mischkalkulation an. E<strong>in</strong>fache<br />
Gerichte, die günstiger herzustellen s<strong>in</strong>d, werden etwas teurer<br />
verkauft, dafür s<strong>in</strong>kt dann der Preis bei den Biogerichten.<br />
Trost hat die Küchen seit 1992 Stück für Stück umgestellt. „Da<br />
müssen die Arbeitsabläufe sehr genau stimmen. Sie dürfen<br />
Bio nicht e<strong>in</strong>fach mit konventionellem Essen mischen“, sagt<br />
sie. Das Personal sei aber mit „Feuereifer“ dabei – auch, wenn<br />
es darum geht, Veganes anzubieten. Für die Köche sei das<br />
ke<strong>in</strong>e Belastung, sondern e<strong>in</strong>e willkommene Abwechslung<br />
und zusätzliche Herausforderung. „<strong>Nachhaltig</strong>keit muss man<br />
eben wollen und mit Herzblut dabei se<strong>in</strong>“, sagt Trost.<br />
Biofleisch gegen Antibiotikaresistenz <strong>in</strong> der Kl<strong>in</strong>ik<br />
Thomas Voß ist stellvertretender Kaufmännischer Direktor<br />
und verantwortlich für die Küchen der beiden LWL-Kl<strong>in</strong>iken<br />
<strong>in</strong> Münster und Lengerich. Auch er ist BioMentor, 20 Prozent<br />
des Warene<strong>in</strong>satzes der täglich 1.600 Essen ist bio, Tendenz<br />
steigend. „Der E<strong>in</strong>stieg war nicht schwer. Wir haben festgestellt,<br />
dass <strong>wir</strong> e<strong>in</strong>en Anteil von zehn Prozent Bio schaffen,<br />
ohne Mehrkosten.“ Der Grund ist simpel; wer Bio e<strong>in</strong>führt,<br />
denkt allgeme<strong>in</strong> über mehr <strong>Nachhaltig</strong>keit im Betrieb nach.<br />
Dazu gehört auch der Kampf gegen Lebensmittelverschwendung.Voß<br />
spart Geld, weil heute weniger Lebensmittel <strong>in</strong><br />
den Müll wandern. Beispielsweise können die Patienten<br />
und Bewohner der Kl<strong>in</strong>iken die Gerichte vorab im Intranet<br />
bestellen. Die Suppe zum Vortisch war früher automatisch<br />
mit ausgewählt – viele bestellten sie versehentlich mit, 90<br />
Prozent davon landete im Mülleimer. Jetzt müssen die Gäste<br />
die Suppe onl<strong>in</strong>e mit e<strong>in</strong>em Klick aktiv bestellen, was nur die<br />
machen, die sie auch essen wollen. Drei bis vier Anfragen im<br />
Jahr hat Voß von Kollegen, die sich <strong>in</strong>formieren, wie der Umstieg<br />
auf Bio klappen kann. „Die meisten denken, es sei e<strong>in</strong><br />
gewaltiger Aufwand, e<strong>in</strong>e Biozertifizierung zu bekommen“,<br />
sagt er. E<strong>in</strong>e Zertifizierung ist Voraussetzung, um Essen als<br />
bio verkaufen zu dürfen. Andere seien besorgt, dass sie für<br />
die Biowaren e<strong>in</strong>en extra Lagerraum bauen müssten. Voß<br />
erklärt ihnen dann: E<strong>in</strong> Neubau ist nicht nötig, bei ihm habe<br />
30 Gedruckt auf Ste<strong>in</strong>beis Charisma Silk – hergestellt aus 100 % Altpapier, ausgezeichnet mit dem Blauen Engel. <strong>forum</strong> E<strong>in</strong> Produkt <strong>Nachhaltig</strong> der Ste<strong>in</strong>beis <strong>Wirtschaften</strong><br />
Papier GmbH.
ERNÄHRUNG FÜR DEN WANDEL | SCHWERPUNKT<br />
man e<strong>in</strong>fach im vorhandenen Kühlraum und im Lager separate Regalbereiche für<br />
die Biozutaten angelegt. E<strong>in</strong>e Zertifizierung koste rund 700 Euro im Jahr – das fällt<br />
bei e<strong>in</strong>er Kant<strong>in</strong>e kaum <strong>in</strong>s Gewicht.<br />
Trotzdem, sagt Voß, kostet Bio auch mehr. Die Mitarbeiter der Kl<strong>in</strong>iken hat er vor der<br />
Umstellung befragen lassen, die meisten waren gern bereit, e<strong>in</strong> paar Cent mehr zu<br />
zahlen. Momentan arbeitet Voß daran, sämtliches R<strong>in</strong>dfleisch auf Bio umzustellen,<br />
das macht dann 20 Cent mehr pro Essen.<br />
Schwe<strong>in</strong>efleisch ist bereits komplett bio – dafür bekam er auch e<strong>in</strong>en Zuschuss<br />
von der Kl<strong>in</strong>ikleitung. Se<strong>in</strong> Argument dafür war e<strong>in</strong> Mediz<strong>in</strong>isches: Die Kl<strong>in</strong>iken<br />
s<strong>in</strong>d Mitglied <strong>in</strong> dem regionalen, grenzüberschreitenden Netzwerk Eursafety, das<br />
sich für Infektionsschutz e<strong>in</strong>setzt. Ziel ist unter anderem, die Ausbreitung von multiresistenten<br />
Keimen e<strong>in</strong>zudämmen. Die kommen häufig <strong>in</strong> der Schwe<strong>in</strong>emast vor<br />
– besonders <strong>in</strong> konventionellen Betrieben, die viel Antibiotika e<strong>in</strong>setzen. Insofern<br />
sei Bioschwe<strong>in</strong>efleisch also auch e<strong>in</strong> Beitrag zur E<strong>in</strong>dämmung von multiresistenten<br />
Keimen, argumentierte Voß.<br />
Tipps gibt es auch von Bundesland<strong>wir</strong>tschaftsm<strong>in</strong>isterium<br />
Der RNE hat Thomas Voß, Annelen Trost, Ra<strong>in</strong>er Roehl und die anderen BioMentoren<br />
als e<strong>in</strong>es von vier Transformationsprojekten im Rahmen von „Projekt <strong>Nachhaltig</strong>keit“<br />
<strong>in</strong> diesem Jahr ausgezeichnet. Diese s<strong>in</strong>d „langfristig angelegt und zeigen e<strong>in</strong><br />
besonders großes Potenzial, die Welt nachhaltiger zu gestalten“, heißt es <strong>in</strong> der<br />
Begründung.<br />
Der Anteil von Biolebensmitteln am gesamten Lebensmittelumsatz beläuft sich <strong>in</strong><br />
Deutschland auf 4,4 Prozent, Stand 2015. Der Bund Ökologische Lebensmittel<strong>wir</strong>tschaft<br />
fordert jetzt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Grundsatzpapier zur Bundestagswahl <strong>2017</strong>, dass der<br />
Bund <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en eigenen Kant<strong>in</strong>en m<strong>in</strong>destens 20 Prozent Bio-Rohstoffe verarbeiten<br />
solle. Tipps zur Umsetzung könnte das Bundesland<strong>wir</strong>tschaftsm<strong>in</strong>isterium geben:<br />
Roehl hat für dieses gerade e<strong>in</strong>en Leitfaden geschrieben, wie Gastronomen auf<br />
Bio umsteigen können; außerdem ist Roehl Mitautor e<strong>in</strong>es Leitfadens für „Mehr<br />
Bio <strong>in</strong> Kommunen“. Für beide Leitfäden konnte er auf die Praxiserfahrungen der<br />
BioMentoren zurückgreifen.<br />
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Ausstellung Food Revolution 5.0<br />
MKG sucht Hamburgs <strong>in</strong>novativste Kant<strong>in</strong>e<br />
Foto: © a'verdis<br />
Die Sonderausstellung Food Revolution<br />
5.0. Gestaltung für die Gesellschaft von<br />
morgen, die sich vom 19. Mai bis 29. Oktober<br />
<strong>2017</strong> mit der <strong>Zukunft</strong> des Essens<br />
beschäftigt, <strong>wir</strong>ft e<strong>in</strong>en kritischen Blick<br />
auf die globale Lebensmittel<strong>in</strong>dustrie von<br />
der Ressource über die Produktion bis<br />
zum Konsum. E<strong>in</strong>e wichtige Frage ist auch,<br />
wie man die Bevölkerung <strong>in</strong> <strong>Zukunft</strong> möglichst<br />
gut, gesund und nachhaltig <strong>ernähren</strong><br />
kann. Dazu stellt die fasz<strong>in</strong>ierende Ausstellung<br />
neue Konzepte und Visionen vor. Kant<strong>in</strong>en<br />
und Großküchen tragen hier e<strong>in</strong>e besondere Verantwortung. Daher werden diese sowie<br />
Caterer <strong>in</strong> Hamburg und Umland vorgestellt, die sich durch kul<strong>in</strong>arische Kreativität, Ernährungsvisionen,<br />
spektakuläres Interieur, soziales Engagement, <strong>in</strong>spiriertes Personal oder andere<br />
<strong>in</strong>novative Ideen auszeichnen.<br />
www.food.mkg-hamburg.de<br />
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31<br />
!
Susanne und Hermann Oswald sorgten 1996 für e<strong>in</strong>e grüne Revolution <strong>in</strong> der Versorgung von Großküchen. Mit ihrem Fachgroßhandel EPOS<br />
liefern sie e<strong>in</strong> Vollsortiment an Bio-Lebensmitteln zum vernünftigen Preis.<br />
DIE KANTINENSTÜRMER<br />
Erfolgsstory e<strong>in</strong>es Bio-Pioniers<br />
Bio-Nahrungsmittel gewannen <strong>in</strong> den 1990er-Jahren immer mehr Anhänger und die Bio-Läden schossen<br />
aus dem Boden. Doch für Großverbraucher wie Mensen, Kant<strong>in</strong>en und Gasthäuser war es schwer, an<br />
Bio-Großgeb<strong>in</strong>de zu kommen und e<strong>in</strong>en professionellen Lieferservice für Frischeprodukte zu erhalten. E<strong>in</strong><br />
bayerisches Start-up erkannte rechtzeitig Handlungsbedarf und Chancen: Heute ist es Marktführer und<br />
hat sich nun auch der Geme<strong>in</strong>wohl-Ökonomie (GWÖ) verschrieben.<br />
Von Fritz Lietsch<br />
Rückblende: Als <strong>wir</strong> vom ALTOP Verlag 1989 die Münchner<br />
Messegesellschaft nicht nur von <strong>uns</strong>erem Messekonzept<br />
e<strong>in</strong>er Bionale auf der Publikumsmesse Heim & Handwerk<br />
begeistern konnten, sondern auch noch forderten, dass<br />
die Messeverpflegung <strong>in</strong> <strong>uns</strong>erer Halle unbed<strong>in</strong>gt Bio se<strong>in</strong><br />
müsse, waren Ratlosigkeit und Ärger bei den Messeköchen<br />
groß. Woher sollten sie das „grüne Zeug“ bekommen und vor<br />
allem, wer konnte es <strong>in</strong> vernünftigen Verpackungse<strong>in</strong>heiten<br />
und zum vernünftigen Preis liefern? Damals Fehlanzeige.<br />
Heute können sich Küchenchefs komplett und professionell<br />
mit Bio versorgen. Dazu hat e<strong>in</strong> Unternehmen aus Bayern<br />
entscheidend beigetragen: EPOS Bio Partner.<br />
Herrmannsdorf – Keimzelle der Veränderung<br />
Im Osten Münchens hatte Georg Schweisfurth mit den<br />
Herrmannsdorfer Landwerkstätten für Bio-Begeisterung gesorgt<br />
und neue Zielgruppen für Bio-Lebensmittel gewonnen.<br />
1996 war er bereit für Neues: Mit Hermann Oswald gründete<br />
er die EPOS Kommunikation & Handel GmbH.<br />
Kurz danach stösst als Dritte Susanne Rath zur Truppe und<br />
br<strong>in</strong>gt weiblichen Spirit <strong>in</strong> das Gründertrio. Viele Ideen<br />
rund um das Thema Bio geistern <strong>in</strong> den Köpfen der Bio-<br />
Pioniere und ebenso vielfältig s<strong>in</strong>d die Projekte. Neben<br />
e<strong>in</strong>em Fachgroßhandel für ökologische Gastronomie stehen<br />
auch Market<strong>in</strong>g-Aktivitäten und Konzepte für weitere<br />
Bio-Unternehmen auf dem Plan, wie zum Beispiel e<strong>in</strong>e<br />
Supermarktkette namens basic – diese sollte wenig später<br />
den Bio-E<strong>in</strong>zelhandel revolutionieren...<br />
Der geplante Fachgroßhandel begann 1997 mit e<strong>in</strong>em gebrauchten<br />
Lkw sowie 300 Quadratmetern Lager, zwei Kühlzellen<br />
und e<strong>in</strong>em Büroraum <strong>in</strong> den ehemaligen Stallungen<br />
e<strong>in</strong>es Bauernhofes mit der Auslieferung von Bio-Käsen an<br />
die Münchener Hotellerie. Die Nachfrage führte zu e<strong>in</strong>er<br />
schnellen Ausweitung des Sortiments auf weitere Produktbereiche<br />
wie Sch<strong>in</strong>ken und Wurstwaren sowie Obst und<br />
Gemüse. Der Erfolg zeigte die Richtigkeit des Ansatzes: E<strong>in</strong>e<br />
kont<strong>in</strong>uierliche Ausweitung des Kundenkreises folgte.<br />
Fotos: © EPOS<br />
32 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>
Mehr als 50 begeisterte Mitarbeiter sorgen dafür, dass Bio täglich frisch bei den Kunden ankommt. Die Lagerfläche umfasst mittlerweile<br />
2.000 Quadratmeter. Damit haben Köche gut lachen: Sie schätzen das biologische Angebot.<br />
Während Georg Schweisfurth sich vor allem um das neue<br />
„Baby“ basic kümmerte, blieben Hermann und Susanne Oswald<br />
– sie hatten <strong>in</strong>zwischen geheiratet – mit EPOS den Großverbrauchern<br />
verbunden. Kern und Herzstück des Großhandels<br />
waren Teamwork und Kooperation. Die Oswalds starteten<br />
e<strong>in</strong>e enge Zusammenarbeit mit regionalen Erzeugern und<br />
dem Naturkostgroßhändler Bodan als Frischelieferant. Dieser<br />
Grundstock, harte Arbeit, Idealismus und e<strong>in</strong> unerschütterliches<br />
Vertrauen <strong>in</strong> das „Kommen“ des Bio-Marktes führten zu<br />
langsamem, aber stetigem Wachstum. Und schließlich konnten<br />
<strong>in</strong> der so genannten AHV (Ausser Haus Verpflegung) erste<br />
Kant<strong>in</strong>en und Schulverpfleger als Kunden gewonnen werden.<br />
E<strong>in</strong> neues Jahrtausend bricht an – echt Bio für Großverbraucher<br />
Die Jahrtausendwende brachte den nächsten großen Schub<br />
mit e<strong>in</strong>er Ausdehnung auf 700 Quadratmeter Lagerfläche,<br />
vier Kühlräume, drei Büroräume und zwei Lkws, weiteres<br />
Wachstum an Sortimenten, Mitarbeitern und Kunden. Dann<br />
geht es Schlag auf Schlag. 20<strong>02</strong> beliefert EPOS erstmals die<br />
Gastronomen auf dem Münchner Tollwood-Festival, 2004<br />
führen die Oswalds und ihr Team e<strong>in</strong> Bio-Tiefkühlsortiment<br />
für die AHV <strong>in</strong> den Markt e<strong>in</strong>. Die Konzentration als re<strong>in</strong> auf<br />
die AHV ausgerichtetes Bio-Großhandelsunternehmen und<br />
die Kooperation mit den beiden jeweils 25-Prozent-Partnern<br />
Bodan und Chiemgauer Naturkost machen 2007 e<strong>in</strong>en weiteren<br />
Umzug und die Vergrößerung auf 1.100 Quadratmeter<br />
Lagerfläche und 300 Quadratmeter Bürofläche nötig und<br />
der Umsatz mit Bio <strong>in</strong> der AHV erreicht erstmals die Drei-<br />
Millionen- Euro-Marke. 2008 kommt die neugegründete<br />
Tagwerk Großhandel neben Bodan als dritter Partner <strong>in</strong>s<br />
Gebäude und alle Partner profitieren von der Nutzung e<strong>in</strong>er<br />
geme<strong>in</strong>samen Infrastruktur und der Vernetzung der Logistik.<br />
Wachsen will gelernt se<strong>in</strong><br />
Doch dann folgten dunkle Zeiten. Schnelles Wachstum,<br />
Zahlungsausfälle von Kunden, die Wahl e<strong>in</strong>es falschen<br />
Dienstleisters für die Lager- und Auslieferungstätigkeiten<br />
sowie Unerfahrenheit und Fehlentscheidungen führten zu<br />
e<strong>in</strong>er Krise, die den Oswalds und ihrem Team alles abverlangte.<br />
„Wir arbeiteten zeitweise fast Tag und Nacht“, erzählt<br />
Susanne Oswald, die sich neben der Firma nun auch noch<br />
um drei K<strong>in</strong>der kümmerte, und Hermann ergänzt: „In diesen<br />
Zeiten zeigte sich, wer <strong>wir</strong>kliche Freunde s<strong>in</strong>d und auf wen<br />
man sich <strong>in</strong> Notzeiten verlassen kann.“ Kapital und Rat war<br />
dr<strong>in</strong>gend nötig.<br />
E<strong>in</strong>e <strong>in</strong>nerhalb von zehn Tagen notwendige Übernahme der<br />
Lager- und Auslieferungstätigkeit von e<strong>in</strong>em Dienstleister<br />
führte zu e<strong>in</strong>er ungewollten Expansion. Mehrere gebrauchte<br />
Kühl-Lkws mussten kurzfristig angeschafft werden, um den<br />
Auslieferbetrieb lückenlos sicherstellen zu können. EPOS<br />
überschritt damit die Schwelle von dreißig Mitarbeitern.<br />
Nach der Konsolidierung und dem überwundenen Schock<br />
wurden die Aktivitäten ausgeweitet und mit frischem Mut<br />
regionale Stützpunkte e<strong>in</strong>gerichtet. 2014 erreichte der Umsatz<br />
erstmals die Zehn-Millionen-Euro-Marke.<br />
Das ermutigt die Bio-Enthusiasten, ihre Liefergebiete nun<br />
mit Eigenlogistik auszudehnen:<br />
Um auch Baden-Württemberg abdecken zu können, <strong>wir</strong>d <strong>in</strong><br />
Überl<strong>in</strong>gen e<strong>in</strong> erster Lkw stationiert. Und als das Wachstum<br />
weiter anhält, kommt bald e<strong>in</strong> zweiter Lkw dazu. Auch am<br />
Firmensitz <strong>in</strong> Landsham bei München geht es vorwärts. EPOS<br />
übernimmt den gesamten Gebäudekomplex und erweitert<br />
damit se<strong>in</strong>e Lagerfläche auf jetzt 2.000 Quadratmeter.<br />
Aus Schaden klug geworden, weiß man nun, dass Wachstum<br />
nicht nur f<strong>in</strong>anzielle, sondern vor allem auch e<strong>in</strong>e organisatorische<br />
Herausforderung ist. Durch die Neuorganisation aller<br />
Unternehmensbereiche und die Schaffung e<strong>in</strong>er Führungsstruktur<br />
mit e<strong>in</strong>em Leitungsgremium an der Spitze kommt<br />
Ruhe <strong>in</strong> das Unternehmen: Die weitere Konsolidierung ermöglicht<br />
nun die Konzentration auf Werte und Leitmotive.<br />
„Wir haben erkannt, dass es wichtig ist, <strong>uns</strong>eren Idealismus<br />
und <strong>uns</strong>ere Begeisterung für <strong>Nachhaltig</strong>keit und e<strong>in</strong> verant-<br />
www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />
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SCHWERPUNKT | ERNÄHRUNG FÜR DEN WANDEL<br />
Bio für Gipfelstürmer der Qualität: Mit eigenen Lkws und e<strong>in</strong>em großen Partnernetzwerk br<strong>in</strong>gt EPOS Bio-Produkte bis <strong>in</strong> den letzten W<strong>in</strong>kel.<br />
wortungsbewusstes <strong>Wirtschaften</strong> noch mehr mit <strong>uns</strong>eren<br />
Kunden, aber vor allem auch <strong>uns</strong>eren Mitarbeitern zu teilen.<br />
Das g<strong>in</strong>g im Überlebenskampf der ersten Jahre oft unter.<br />
Nun ist es Zeit, dies zu verankern und zu kommunizieren.“<br />
Das Geme<strong>in</strong>wohl immer im Auge<br />
Im Jahr 2016 erstellt EPOS erstmalig e<strong>in</strong>en <strong>Nachhaltig</strong>keitsbericht<br />
<strong>in</strong> der Systematik e<strong>in</strong>er Geme<strong>in</strong>wohl-Bilanz und<br />
feiert diesen zusammen mit der E<strong>in</strong>stellung des fünfzigsten<br />
Mitarbeiters gebührend. „Aus <strong>uns</strong>erer Sicht ist es höchste<br />
Zeit für e<strong>in</strong>e Geme<strong>in</strong>wohl-Ökonomie“, erklärt Oswald se<strong>in</strong>e<br />
Begeisterung für diesen Ansatz. „Sie ist e<strong>in</strong> Modell, das<br />
über e<strong>in</strong>e re<strong>in</strong> ökonomische Betrachtungsweise h<strong>in</strong>ausgeht<br />
und dabei lebenswichtige Aspekte für <strong>uns</strong>ere Gesellschaft,<br />
aber auch für e<strong>in</strong> dauerhaft gel<strong>in</strong>gendes Unternehmen<br />
be<strong>in</strong>haltet.“ Man erkennt, wie sehr ihm dieses Thema am<br />
Herzen liegt: „Bereits seit me<strong>in</strong>er Jugend beschäftige ich<br />
mich mit neuen Unternehmensformen und der Beteiligung<br />
derjenigen, die die Wertschöpfung leisten, an den Früchten<br />
unternehmerischen Handelns. Die GWÖ-Bilanz gibt hier<br />
<strong>in</strong>teressante Denkanstöße und Handlungsansätze, um das<br />
klassische Modell der Profitmaximierung zu h<strong>in</strong>terfragen<br />
und erfolgreich e<strong>in</strong>e neue Form für zukunftsfähiges, faires<br />
und nachhaltiges <strong>Wirtschaften</strong> zu entwickeln.“<br />
In ihrem Unternehmen wollen die Oswalds die fünf Werte der<br />
GWÖ (Menschenwürde, Solidarität, Ökologische <strong>Nachhaltig</strong>keit,<br />
Soziale Gerechtigkeit und Demokratie/Transparenz) weiter<br />
verankern und dabei e<strong>in</strong>en engen Kontakt mit den Lieferant-<br />
Innen, GeldgeberInnen, MitarbeiterInnen, KundInnen & MitbewerberInnen<br />
sowie dem gesellschaftlichen Umfeld halten.<br />
Regionalität = Fairness, Umweltschutz, <strong>Nachhaltig</strong>keit<br />
E<strong>in</strong> besonders Anliegen s<strong>in</strong>d ihnen trotz allen Wachstums<br />
Regionalität und Vernetzung <strong>in</strong> der Region. Dazu hat EPOS<br />
e<strong>in</strong> Sondersortiment „Aus der Region“ e<strong>in</strong>geführt. „Hier <strong>in</strong><br />
<strong>uns</strong>erer direkten Umgebung können <strong>wir</strong> <strong>uns</strong> am leichtesten<br />
selbst e<strong>in</strong> Bild machen und Mitverantwortung übernehmen:<br />
für spannende, überzeugende Unternehmensideen und<br />
ebensolche Produkte. Für e<strong>in</strong>e Vielfalt auf dem Teller wie auf<br />
den Feldern, für <strong>in</strong>takte Kultur-Landschaften, saubere Böden<br />
und sauberes Wasser, für artgerechte Tierhaltung und e<strong>in</strong><br />
faires Mite<strong>in</strong>ander.“ Man erkennt mit welcher Begeisterung<br />
die Oswalds das Thema nach vorne treiben. „Hier werden<br />
kurze Wege gefahren und Kilometer gespart, und im Gemüsebereich<br />
können <strong>wir</strong> größtmögliche Frische bieten! Hier leben<br />
und gestalten <strong>wir</strong> <strong>uns</strong>ere Umgebung im Zusammenspiel aller<br />
Akteure. Vom Land<strong>wir</strong>t bis zum Konsumenten.“<br />
Bei der Versendung des ersten Geme<strong>in</strong>wohl-Berichtes<br />
schreibt EPOS mit großem Enthusiasmus an alle Interessensgruppen:<br />
„Lassen Sie <strong>uns</strong> geme<strong>in</strong>sam daran arbeiten, dass es<br />
bunt und lebendig bleibt – <strong>in</strong> Ihrer Küche, auf den Tellern,<br />
<strong>in</strong> <strong>uns</strong>erem Lager, draußen <strong>in</strong> <strong>uns</strong>erer Umgebung, auf den<br />
<strong>Wie</strong>sen & Feldern, <strong>in</strong> den Ställen.“<br />
Kooperation ist die <strong>Zukunft</strong><br />
EPOS will nun organisch mit den Bedürfnissen der Kunden<br />
weiterwachsen und visiert dabei e<strong>in</strong> jährliches Wachstum<br />
zwischen fünf und zehn Prozent an. Im Mittelpunkt steht der<br />
weitere Ausbau regionaler (Frische-)Stützpunkte zur besseren<br />
Versorgung der Kunden mit regionaler Ware <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />
nach ökonomischen und ökologischen Kriterien optimierten<br />
Netzwerk. Und auch <strong>in</strong> <strong>Zukunft</strong> setzen die EPOS-Macher<br />
auf Kooperation statt auf Konkurrenzkampf: Sie s<strong>in</strong>d bereit,<br />
Partner beim Aufbau neuer Bio-Projekte <strong>in</strong> anderen Regionen<br />
Deutschlands zu unterstützen.<br />
www.geme<strong>in</strong>wohl-oekonomie.org<br />
www.bio-partner.de<br />
Beiträge zur Geme<strong>in</strong>wohl-Ökonomie und Beispiele wie<br />
Firmen mit der Geme<strong>in</strong>wohl-Bilanz erfolgreich<br />
arbeiten, f<strong>in</strong>den Sie auf www.<strong>forum</strong>-csr.net,<br />
darunter auch die Geme<strong>in</strong>wohl-Erklärung der<br />
Firma EPOS Bio-Partner:<br />
Foto: © EPOS<br />
34 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>
ERNÄHRUNG FÜR DEN WANDEL | SCHWERPUNKT<br />
KULTUR ALS NEUER MASSSTAB GUTER<br />
UNTERNEHMENSFÜHRUNG?<br />
Woran misst man den Erfolg e<strong>in</strong>es<br />
Unternehmens? An Zahlenwerk<br />
und <strong>wir</strong>tschaftlichen Bilanzen? E<strong>in</strong>e<br />
wachsende Bewegung <strong>in</strong> der Wirtschaft<br />
f<strong>in</strong>det das nicht mehr zeitgemäß.<br />
Sie fordert mehr Orientierung,<br />
Werte und S<strong>in</strong>n. Kurz: mehr Kultur.<br />
<strong>forum</strong> hat dazu mit Prof. Dr. Arnold<br />
Weissman, Unternehmensberater<br />
und Mit-Initiator des Wirtschaft.<br />
Kultur.Preis, gesprochen.<br />
Herr Weissman, Was ist das Geheimnis besonders erfolgreicher<br />
Unternehmen?<br />
Sie haben starke Werte, die <strong>wir</strong>klich gelebt werden. So verb<strong>in</strong>det<br />
sich e<strong>in</strong>e wertebasierte Führung mit allen Facetten<br />
e<strong>in</strong>er Hochleistungsorganisation. Ihr Leitbild ist auf Langfristigkeit<br />
und damit die Kultivierung von Werten angelegt.<br />
Diese Unternehmen haben e<strong>in</strong>e klare Strategie, um ihre<br />
anspruchsvollen Ziele auch <strong>wir</strong>klich erreichen zu können.<br />
Die Kultur spielt also e<strong>in</strong>e ganz bedeutende Rolle?<br />
Für mich ist die Kultur, die „Summe der Selbstverständlichkeiten<br />
e<strong>in</strong>es Unternehmens“, absolute Kernkompetenz. Gelebte<br />
Werte b<strong>in</strong>den e<strong>in</strong> Unternehmen <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Inneren zusammen.<br />
Werte kommen vom late<strong>in</strong>ischen Wort „valere“, was so viel wie<br />
stark se<strong>in</strong>, kräftig se<strong>in</strong> bedeutet. Werte helfen <strong>uns</strong>, <strong>in</strong> schwierigen<br />
Zeiten zu „bewerten“, klare Entscheidungen zu treffen!<br />
Welche Komponenten machen e<strong>in</strong>e gesunde Organisationskultur<br />
überhaupt aus? Welche halten Sie für unabd<strong>in</strong>gbar?<br />
Kultur drückt aus, was <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Unternehmen selbstverständlich<br />
ist. Sie kann nicht gemanagt werden, sie entsteht<br />
durch das Vorleben der gewünschten Werte. Insoweit hat<br />
das Führungsverhalten der Führungskräfte auf allen Ebenen<br />
im Unternehmen die höchste Priorität.<br />
Der Wirtschaft.Kultur.Preis<br />
Viele Menschen, Arbeitgeber und Arbeitnehmer, sehnen<br />
sich nach e<strong>in</strong>er Alternative zu Schnelllebigkeit,<br />
Turbokapitalismus und der re<strong>in</strong>en Leistungsbemessung.<br />
Der Wirtschaft.Kultur.Preis ist als Reaktion auf<br />
diese neue Strömung <strong>in</strong> der Wirtschaft entstanden.<br />
Er zeichnet Organisationen beziehungsweise Unternehmungen – vom<br />
gewerblichen Unternehmen über die geme<strong>in</strong>nützige Organisation bis<br />
h<strong>in</strong> zur öffentlichen Institution – aus, die bereits heute auf e<strong>in</strong>e starke<br />
Kultur setzen, sie leben und damit <strong>in</strong> ihrer Region und <strong>in</strong> Deutschland<br />
etwas bewegen. Anmeldungen werden noch bis zum 31.08.<strong>2017</strong> entgegen<br />
genommen.<br />
Leben <strong>wir</strong> denn <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Zeit der Organisationskultur? <strong>Wie</strong><br />
ernst verfolgen Unternehmen, Organisationen oder auch<br />
öffentliche Institutionen die Aufgabe, e<strong>in</strong>e lebendige Kultur<br />
zu schaffen?<br />
Das lässt sich nicht pauschal beantworten. Es hängt entscheidend<br />
davon ab, ob und <strong>in</strong>wieweit die Führungskräfte<br />
der Unternehmenskultur die notwendige Priorität geben.<br />
Leider ist es heute immer noch so, dass <strong>in</strong> vielen Unternehmen<br />
das Thema halbherzig angegangen <strong>wir</strong>d, weil es sich<br />
dem Zugriff des „Managens“ so sehr entzieht. Der Versuch,<br />
die Unternehmenskultur zu managen, gleicht dem Versuch,<br />
e<strong>in</strong>en Pudd<strong>in</strong>g an die Wand zu nageln!<br />
Warum <strong>wir</strong>d die Kultur von vielen Organisationen nicht<br />
nach außen getragen?<br />
Weil das Bewusstse<strong>in</strong> oft noch fehlt, welche Bedeutung so<br />
e<strong>in</strong> „weicher“ Faktor wie die Kultur für den Erfolg e<strong>in</strong>es Unternehmens<br />
hat. Alle<strong>in</strong> der Versuch, Kultur zu messen, ist ja<br />
von sehr hohem Anspruch! Umso wichtiger ist es aus me<strong>in</strong>er<br />
Sicht, hier e<strong>in</strong> Bewusstse<strong>in</strong> zu schaffen, dass die Unternehmenskultur<br />
zu den <strong>wir</strong>klich entscheidenden Erfolgsfaktoren<br />
e<strong>in</strong>es Unternehmens zählt.<br />
Was können Organisationen tun, um diese Kommunikationslücke<br />
nach außen zu schließen?<br />
Verhalten ändert sich, wenn sich E<strong>in</strong>stellungen ändern. Und<br />
die ändern sich, wenn sich die Wahrnehmung, das Bewusstse<strong>in</strong><br />
verändert. Die Bedeutung der Unternehmenskultur kann<br />
gar nicht überschätzt werden. Das müssen <strong>wir</strong> alle <strong>in</strong> das<br />
Bewusstse<strong>in</strong> möglichst vieler Führungskräfte und Entscheider<br />
<strong>in</strong> Politik und Wirtschaft br<strong>in</strong>gen!<br />
Und wie kann der von Ihnen mit<strong>in</strong>itiierte Wirtschaft.Kultur.<br />
Preis dabei helfen?<br />
Durch Kommunikation, nämlich <strong>in</strong>dem dieser Preis die<br />
Bedeutung der Unternehmenskultur e<strong>in</strong>er breiten Öffentlichkeit<br />
bewusst macht. Nur wenn <strong>uns</strong> dies gel<strong>in</strong>gt und<br />
aus diesem Preis statt e<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>tagsfliege e<strong>in</strong>e dauerhafte<br />
Institution <strong>wir</strong>d, die auch über Medien die Bedeutung der<br />
Unternehmenskultur herausstellt, können <strong>wir</strong> diesen Beitrag<br />
leisten!<br />
www.weissman.de | www.<strong>wir</strong>tschaft-kultur-preis.com<br />
PROF. DR. ARNOLD WEISSMANN<br />
ist Inhaber und Gründer der Unternehmensberatung Weissmann &<br />
Cie. und Experte für Unternehmenskultur <strong>in</strong> Familienunternehmen.<br />
An der Hochschule Regensburg gibt er außerdem se<strong>in</strong>e Erfahrungen<br />
<strong>in</strong> der Lehre weiter.<br />
www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />
Gedruckt auf Ste<strong>in</strong>beis Charisma Silk – hergestellt aus 100 % Altpapier, ausgezeichnet mit dem Blauen Engel. E<strong>in</strong> Produkt der Ste<strong>in</strong>beis Papier GmbH.<br />
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HIPP AUF DER GARTENSCHAU<br />
Mitten im Geschehen<br />
In diesem Sommer lädt die „Gartenschau<br />
zum Anfassen“ e<strong>in</strong> nach Pfaffenhofen an<br />
der Ilm, wo die Vielfalt der Natur auf e<strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>zigartiges Stadterlebnis trifft. Natürlich<br />
darf dabei Hipp als ortsansässiges<br />
Unternehmen nicht fehlen. Der Babynahrungshersteller<br />
begibt sich mitten <strong>in</strong> das<br />
Geschehen und bietet den ganzen Sommer<br />
h<strong>in</strong>durch e<strong>in</strong>en bunten Strauß an Veranstaltungen<br />
für die ganze Familie.<br />
Pfaffenhofen und der Name Hipp s<strong>in</strong>d<br />
seit jeher eng mite<strong>in</strong>ander verbunden.<br />
Alles begann im 19. Jahrhundert mit e<strong>in</strong>er<br />
kle<strong>in</strong>en Konditorei <strong>in</strong> der oberbayerischen<br />
Kle<strong>in</strong>stadt, heute ist das traditionsreiche<br />
Familienunternehmen e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>ternational<br />
erfolgreiche Marke. Jeden Tag verlassen<br />
gut e<strong>in</strong>e Millionen Babygläschen Pfaffenhofen.<br />
Das HiPP Gartenschau-Programm – die<br />
Vielfalt der Natur steht im Fokus<br />
E<strong>in</strong> zentrales Ereignis ist die feierliche Verleihung<br />
der Namenspatenschaft für e<strong>in</strong>en neu<br />
entdeckten Schmetterl<strong>in</strong>g aus den Tropen.<br />
Unter dem Titel „Dafür stehe ich mit me<strong>in</strong>em<br />
Namen“ <strong>wir</strong>d der Falter nach Prof. Dr.<br />
Claus Hipp benannt. Die Zoologische Staatssammlung<br />
München (ZSM), vertreten durch<br />
Dr. Hausmann, den Spezialisten für Schmetterl<strong>in</strong>gs-<br />
und Insektenforschung, würdigt<br />
damit das herausragende Engagement von<br />
Hipp für den Schutz der Artenvielfalt.<br />
Mit Unterstützung von Hipp haben Wissenschaftler<br />
der ZSM Schmetterl<strong>in</strong>ge und<br />
Insekten <strong>in</strong> den Tropen erforscht und dabei<br />
e<strong>in</strong>e neue Art entdeckt: Den Grünspanner<br />
Rhodochlora claushippi. Grünspanner<br />
symbolisieren Artenvielfalt: Es gibt sie auf<br />
der ganzen Welt – auf allen Kont<strong>in</strong>enten<br />
zeigt ihr Vorkommen an, ob die Natur <strong>in</strong><br />
der Balance ist. Rhodochlora claushippi<br />
geht nun als neue Art <strong>in</strong> die Wissenschaft<br />
e<strong>in</strong>. Die Endung auf „i“ ist der late<strong>in</strong>ischen<br />
Bezeichnung geschuldet.<br />
Bei der Hipp Unternehmens-Ausstellung<br />
„Lebendige Vielfalt – von der Natur lernen“,<br />
dreht sich alles um ökologische Produktion<br />
und um den Schutz der Artenvielfalt. Erzählt<br />
<strong>wir</strong>d auch vom Bio-Landbau im E<strong>in</strong>klang<br />
mit der Natur. Zum Beispiel <strong>wir</strong>d gezeigt,<br />
wie Schmetterl<strong>in</strong>ge und andere Nützl<strong>in</strong>ge<br />
mithelfen, <strong>uns</strong>ere Umwelt <strong>in</strong> der Balance<br />
zu halten.<br />
<strong>Nachhaltig</strong>e Land<strong>wir</strong>tschaft, Naturk<strong>in</strong>derhaus<br />
und hoch gesteckte Ziele<br />
In der Podiumsdiskussion „Schöner Mist!<br />
<strong>Nachhaltig</strong>e Land<strong>wir</strong>tschaft – romantische<br />
Sp<strong>in</strong>nerei oder machbare Realität?“<br />
kommen – durchaus kontrovers – Möglichkeiten<br />
für e<strong>in</strong>e ganzheitliche, nachhaltige<br />
Land<strong>wir</strong>tschaft zur Sprache. Moderne<br />
Land<strong>wir</strong>tschaft bef<strong>in</strong>det sich heute <strong>in</strong><br />
der Zerreißprobe. Sie soll die Bevölkerung<br />
<strong>ernähren</strong>, <strong>in</strong>tensive Flächennutzung<br />
und Massentierhaltung vermeiden und<br />
gleichzeitig für Landschaftspflege, Bodenfruchtbarkeit<br />
und Artenvielfalt sorgen.<br />
Verbraucher erwarten, dass Lebensmittel<br />
<strong>in</strong> vollem Umfang möglichst kostengünstig<br />
zu jeder Jahreszeit am Markt verfügbar<br />
s<strong>in</strong>d, und dabei vorzugsweise auch noch<br />
regional produziert werden. Um Wege<br />
aus diesen Widersprüchen aufzuzeigen,<br />
hat Hipp sieben namhafte Experten e<strong>in</strong>geladen,<br />
darunter unter anderem Dr. Ursula<br />
Hudson von Slow Food Deutschland e. V.,<br />
Joschka Fischer, den ehemaligen Außenm<strong>in</strong>ister,<br />
Christoph He<strong>in</strong>rich, Vertreter des<br />
WWF-Vorstands sowie den Präsidenten<br />
des Deutschen Bauernverbandes, Joachim<br />
Rukwied. Die Moderation übernimmt Fritz<br />
Lietsch (Geschäftsführer des Magaz<strong>in</strong>s<br />
Forum <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>).<br />
Im wahrsten S<strong>in</strong>ne hoch gesteckte Ziele<br />
steuert das Unternehmen auch mit e<strong>in</strong>em<br />
Slackl<strong>in</strong>e-Event an. In schw<strong>in</strong>delerregender<br />
Höhe von 40 Metern will der Artist Lukas<br />
Irmler e<strong>in</strong>e Strecke von 230 Metern auf dem<br />
Fotos oben: © ZSM | © Insektenhotel: X-Factory, Cosette Troks | © Valent<strong>in</strong> Rapp<br />
36 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>
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<strong>2017</strong> IN PFAFFENHOFEN<br />
Fotos unten: © Georgisches Orchester: „Georgian S<strong>in</strong>fonietta“<br />
Pfaffenhofener Hauptplatz überw<strong>in</strong>den.<br />
Gel<strong>in</strong>gt ihm das, ist e<strong>in</strong> neuer Slackl<strong>in</strong>e-Weltrekord<br />
im urbanen Raum aufgestellt. Außerdem<br />
begeistern Artisten mit Showe<strong>in</strong>lagen<br />
auf e<strong>in</strong>er Trickl<strong>in</strong>e. Interessierten Besuchern<br />
helfen sie auch gerne bei den ersten eigenen<br />
Schritten auf e<strong>in</strong>er niedrigen Testl<strong>in</strong>e.<br />
E<strong>in</strong>en zentralen Mosaikste<strong>in</strong> im bunten<br />
Gesamtbild des Geschehens bildet das<br />
Hipp-K<strong>in</strong>derprogramm. Als familienfreundliches<br />
Unternehmen hat der Babynahrungshersteller<br />
im Frühjahr <strong>2017</strong> se<strong>in</strong> eigenes<br />
K<strong>in</strong>derhaus eröffnet. Die Holzbauweise und<br />
die pädagogische Ausrichtung orientieren<br />
sich ganz am Leben mit und <strong>in</strong> der Natur.<br />
Die kle<strong>in</strong>en Besucher erwartet dort e<strong>in</strong><br />
tolles Angebot an Mitmach-Aktionen, wie<br />
Upcycl<strong>in</strong>g-Aktionen, Basteltage, Puppentheater,<br />
K<strong>in</strong>der-Yoga, Open-Air-Filme und vieles<br />
andere mehr.<br />
Da Prof. Dr. Claus Hipp auch als Honorarkonsul<br />
von Georgien tätig ist, macht<br />
„Georgian S<strong>in</strong>fonietta“ auf E<strong>in</strong>ladung<br />
von Hipp <strong>in</strong> diesem Sommer Station <strong>in</strong><br />
Pfaffenhofen. Das Orchester nimmt das<br />
Publikum mit auf e<strong>in</strong>e musikalische Reise<br />
und präsentiert e<strong>in</strong> abwechslungsreiches<br />
Programm von Barock über Klassik bis zu<br />
georgischer Folklore.<br />
Mittendr<strong>in</strong> – Natur entdecken<br />
In Kooperation mit NaturVision Filmfestival<br />
zeigt Hipp im Open-Air-K<strong>in</strong>o e<strong>in</strong>e Auswahl<br />
der <strong>in</strong>teressantesten Naturfilme, die sonst<br />
selten auf der großen Le<strong>in</strong>wand zu sehen<br />
s<strong>in</strong>d. Gerade die Jüngsten möchte Hipp für<br />
Natur und Umwelt aus unterhaltsamen und<br />
teilweise außergewöhnlichen Perspektiven<br />
begeistern. Das Abendprogramm ist der<br />
Höhepunkt für die ganze Familie. Aber auch<br />
der Sieben-M<strong>in</strong>üter „<strong>Wie</strong> p<strong>in</strong>keln Vögel“<br />
oder der Zeitraffer „<strong>Wie</strong> wächst die Karotte“,<br />
sprechen nicht nur K<strong>in</strong>der an.<br />
Unter den vielen aktiven Partnern des Babynahrungsherstellers<br />
im Gartenschau-<br />
Programm, nimmt der Landesbund für<br />
Vogelschutz (LBV), NABU Bayern, e<strong>in</strong>e<br />
Sonderstellung e<strong>in</strong>. Mit ihm arbeitet Hipp<br />
schon lange eng und regelmäßig zusammen:<br />
Von Umweltaktionen und regelmäßigen Erfassungen<br />
der Vogelarten auf dem Betriebsgelände<br />
bis zur Storchen-Beobachtung per<br />
Kamera und Sender. E<strong>in</strong> Projekt, das 2016<br />
sogar e<strong>in</strong>en ersten Preis bei „Jugend forscht“<br />
für e<strong>in</strong>e Klasse des Schyren-Gymnasiums<br />
Pfaffenhofen sicherte. Zur Gartenschau<br />
knüpft Hipp daran an, reaktiviert die Kamera<br />
und zeigt die Bilder im Netz. Zusätzlich<br />
widmen sich die beiden Projektpartner<br />
heimischen Vogelarten. Infotafeln und<br />
Führungen geben <strong>in</strong>teressante E<strong>in</strong>blicke <strong>in</strong><br />
Nistkästen auf dem Gartenschau-Gelände.<br />
Außerdem <strong>wir</strong>d Hipp mit Unterstützung des<br />
LBV 5000 Quadratmeter Blühwiese pflanzen<br />
und damit den Tisch für Bienen und andere<br />
Insekten decken.<br />
Da die lebendige Vielfalt das Motto für Hipp<br />
bildet, werden während der Gartenschau<br />
auch Führungen auf dem „Musterhof für<br />
biologische Vielfalt“ angeboten. Vor allem<br />
K<strong>in</strong>der sollen verstehen, warum e<strong>in</strong>e Kuh lieber<br />
im Wald lebt als im Stall – und wieso das<br />
gleichzeitig der Fledermaus nutzt. Gezeigt<br />
<strong>wir</strong>d vor allem, was jeder selbst tun kann,<br />
um die biologische Vielfalt zu fördern, im<br />
Garten, auf dem Balkon oder auch e<strong>in</strong>fach<br />
nur durch bewussteren Konsum.<br />
Term<strong>in</strong>e, Informationen und weitere Veranstaltungsh<strong>in</strong>weise<br />
auf<br />
www.hipp.de/gartenschau<br />
www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />
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Das Bio-Tomaten-Tray Paperwise gibt Reststoffen aus der Agrar-<br />
Industrie e<strong>in</strong> zweites Leben.<br />
LUST UND LAST<br />
Lebensmittelverpackungen<br />
Wer kennt das nicht: Man achtet beim E<strong>in</strong>kauf auf gesunde, umweltfreundliche Lebensmittel, aber am<br />
Ende des Tages zeigt der Blick <strong>in</strong> den Mülleimer: Bei der Verpackung kommt der Umweltschutz zu kurz.<br />
Der Mülltrennung stehen viele skeptisch gegenüber und so mancher würde am liebsten ganz auf die<br />
Verpackung verzichten. Doch das ist alles andere als e<strong>in</strong>fach – gerade bei Lebensmitteln.<br />
Von Peter Désilets<br />
Immer mehr Menschen s<strong>in</strong>d aufwändig verpackte Lebensmittel<br />
e<strong>in</strong> Dorn im Auge. „Unverpackt-Läden“ s<strong>in</strong>d<br />
deshalb im Kommen. Dort kann man sich die<br />
Produkte direkt <strong>in</strong> selbst mitgebrachte<br />
Dosen, Beutel oder Gläser abfüllen.<br />
Auch im Hofladen, <strong>in</strong> der Markthalle<br />
oder auf dem Wochenmarkt<br />
kann man die Ware<br />
direkt <strong>in</strong> den Korb legen.<br />
Doch e<strong>in</strong> Großteil der Konsumenten<br />
will sich beim<br />
E<strong>in</strong>kauf auch noch mit anderen<br />
Produkten e<strong>in</strong>decken,<br />
die Ware soll günstig se<strong>in</strong> und<br />
<strong>in</strong> der Verpackung möglichst<br />
lange halten. Und auch der Handel zieht viele Vorteile aus<br />
der Verpackung von Produkten: Sie hält Ware deutlich<br />
länger frisch, weil sie Obst und Gemüse e<strong>in</strong><br />
spezielles, optimiertes Mikroklima bietet,<br />
Müsli über Monate knusprig hält oder<br />
Fleischprodukte vor dem schnellen<br />
Verfall bewahrt. Trotzdem werden<br />
ca. 15-20 Prozent der Nahrungsmittel<br />
im Handel oder beim Verbraucher<br />
weggeworfen, weil<br />
sie nicht rechtzeitig verkauft<br />
oder verzehrt werden. Darum<br />
werden die Verpackungsmaterialien<br />
ständig optimiert. Sie sollen<br />
die Haltbarkeit verlängern und die<br />
Fotos: unten © pacoon AG | l<strong>in</strong>ks © paperwise | Mitte © ALBA GROUP<br />
38 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>
Verpackungen, nichts als Müll? Ne<strong>in</strong>, Wertstoffe, von denen die<br />
Recycl<strong>in</strong>g-Wirtschaft möglichst viele <strong>in</strong> Stoffkreisläufe zurücklenkt.<br />
Adrett verpackt: Karton aus Agrarabfall verleiht empf<strong>in</strong>dlichem<br />
Obst- und Gemüse perfekten Schutz.<br />
Fotos: unten © pacoon AG, Howe Wurstwaren KG | rechts © paperwise<br />
Produkte besser schützen. Darüber h<strong>in</strong>aus sollen sie klarer<br />
über Haltbarkeit und Qualitätszustand <strong>in</strong>formieren und<br />
der zunehmenden Individualität der Verbraucher Rechnung<br />
tragen. Viele Informationen auf der Verpackung s<strong>in</strong>d<br />
unabd<strong>in</strong>gbar, denn leider sieht man e<strong>in</strong>em losen Produkt<br />
nicht an, ob es vegan, Bio, gluten- oder laktosefrei, halbfett,<br />
vollfett oder fettfrei ist, von welchem Tier es stammt<br />
und wie es geschlachtet wurde. Mit der Vielfalt der Waren<br />
wachsen die Ansprüche der Verbraucher, auch die an die<br />
Verpackung.<br />
Knifflige Verpackungen für immer neue Erkenntnisse<br />
Leider wächst damit auch die wechselseitige Bee<strong>in</strong>flussung<br />
von Verpackung und Produkt. <strong>Wie</strong> <strong>wir</strong>ken sich Verpackungsmaterialien<br />
oder deren vielfältige Bestandteile (bis zu 200<br />
verschiedene bei e<strong>in</strong>em ‚simplen’ Joghurtbecher) auf die<br />
Produkte aus? Welche Beschichtungen oder Grundstoffe<br />
vertragen sich untere<strong>in</strong>ander oder mit dem Nahrungs mittel?<br />
Welche E<strong>in</strong><strong>wir</strong>kungen gehen von anderen Packungen aus,<br />
die neben e<strong>in</strong>em Produkt liegen, das für sich gesehen ‚im<br />
Re<strong>in</strong>en’ ist?<br />
Die gesetzlichen und Lebens mittelrelevanten<br />
Anforderungen steigen<br />
mit den Erkenntnissen über die<br />
möglichen Risiken. Hier s<strong>in</strong>d noch<br />
viele Fragen offen. Die Verpackungs<strong>in</strong>dustrie<br />
versucht die vielfältigen<br />
Ansprüche mit immer kniffligeren<br />
und komplexeren Verpackungen zu<br />
erfüllen. Funktionalitäten wie leichtes<br />
Öffnen und <strong>Wie</strong>derverschließen,<br />
Schutz vor Eigen- und Fremdgerüchen,<br />
Hygiene beim E<strong>in</strong>kauf oder sichere Lagerung<br />
und leichter Transport werden immer<br />
mehr nachgefragt. Gleichzeitig sollen der<br />
Verpackungsabfall und der Materiale<strong>in</strong>satz<br />
immer ger<strong>in</strong>ger werden. Je leichter die Verpackung se<strong>in</strong> soll,<br />
desto schwerer <strong>wir</strong>d die Aufgabe für Designer und Techniker.<br />
E<strong>in</strong> alltägliches Beispiel: E<strong>in</strong>fache Folien für Käse oder<br />
Wurst bestehen aus zehn bis zwölf Lagen unterschiedlicher<br />
Materialen.<br />
Recyceln statt Ressourcenverschwendung<br />
Die steigende Komplexität dieser Verbundverpackungen<br />
macht die <strong>Wie</strong>derverwertung kompliziert, aufwändig und<br />
<strong>in</strong> vielen Bereichen heute noch unmöglich. Was nicht mehr<br />
vone<strong>in</strong>ander getrennt werden kann, geht <strong>in</strong> die Verbrennung.<br />
Dort <strong>wir</strong>d zum<strong>in</strong>dest die Energie <strong>in</strong> Strom umgewandelt. E<strong>in</strong><br />
Teil <strong>wir</strong>d jedoch heute schon zu neuen Rohstoffen für Verpackungen<br />
oder Produkte zurückgewonnen – wobei e<strong>in</strong> erneuter<br />
E<strong>in</strong>satz im Lebensmittelbereich besonders schweren<br />
Restriktionen unterliegt. Grundsätzlich jedoch gilt: Je mehr<br />
<strong>wir</strong> <strong>uns</strong>eren Verpackungsabfall sammeln und<br />
trennen, desto größer ist die Chance,<br />
dass <strong>wir</strong> die wertvollen<br />
Materialien<br />
www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />
39
SCHWERPUNKT | ERNÄHRUNG FÜR DEN WANDEL<br />
Peter Désilets, Vorstand pacoon AG, auf der Solpack 2.0 – 360° Konferenz für nachhaltige Verpackungen. Im Gespräch mit A. Bardenshte<strong>in</strong><br />
vom Danish Technological Institute (l<strong>in</strong>kes Bild) und mit Philipp Korntner von Sonnentor (rechtes Bild).<br />
für neue Anwendungen nutzen können – und somit <strong>uns</strong>ere<br />
endlichen Ressourcen wie Erdöl schonen. E<strong>in</strong> großes Vorbild<br />
ist die Marke Frosch mit ihren Re<strong>in</strong>igern <strong>in</strong> 100 Prozent<br />
Recyclat-Flaschen: Material, das aus der Abfallsammlung neu<br />
aufbereitet wurde. Ähnliche Ansätze mit teilweisem E<strong>in</strong>satz<br />
von Recyclat gibt es u.a. auch schon bei Getränkeflaschen von<br />
VIO (Coca-Cola Konzern) oder bei He<strong>in</strong>z Ketchup.<br />
Nachwachsende Rohstoffe als Chance für Mensch und<br />
Umwelt<br />
Papier ist e<strong>in</strong> sehr nachhaltiges Verpackungsmaterial, wenn<br />
se<strong>in</strong>e Produktion nicht zur Abholzung von geschützten<br />
und lebenswichtigen Wäldern führt. Aber auch hier gibt<br />
es spannende Alternativen, die sich langsam am Markt<br />
durchsetzen: Karton und Papier aus Agrarabfällen, also<br />
Pflanzenfasern, die ähnlich wie Holz verarbeitet werden<br />
können. Häufig werden 80 bis 90 Prozent e<strong>in</strong>er Agrarpflanze<br />
nicht zu e<strong>in</strong>em Lebensmittel verarbeitet, wie zum Beispiel<br />
beim Getreide das Stroh, dessen Fasern e<strong>in</strong> enormes Potenzial<br />
für die Papierherstellung haben und das <strong>in</strong> riesigen<br />
Mengen vorliegt. Ähnlich verhält es sich bei Papier aus Gras,<br />
das aus nicht be<strong>wir</strong>tschafteten Flächen stammt. Das Gras<br />
wurde bisher nicht genutzt oder kann nicht vollständig als<br />
Dünger oder für Biogas verwendet werden. Die Mengen<br />
s<strong>in</strong>d so groß, dass problemlos e<strong>in</strong> Teil des Holzanbaus für<br />
die Papierherstellung ersetzt werden könnte. Die Verarbeitung<br />
ist zudem e<strong>in</strong>fach, weil die Grasfasern weicher als<br />
Holzfasern s<strong>in</strong>d. Da Gras großflächig verfügbar ist, bieten<br />
sich hier Chancen für die regionale Papiererzeugung und<br />
neue Arbeitsplätze.<br />
Auch K<strong>uns</strong>tstoffe können heute schon aus nachwachsenden<br />
Rohstoffen produziert werden. Diese liefern <strong>in</strong> der Regel<br />
Stärke, sprich Zucker, der zu Ethanol und somit Polymeren<br />
verarbeitet <strong>wir</strong>d. Damit kann auf fossile Ressourcen wie<br />
Erdöl verzichtet werden. Gleichzeitig treten Verpackungen<br />
aus nachwachsenden Rohstoffen nun <strong>in</strong> Flächenkonkurrenz<br />
sowohl zur tradierten Lebensmittelproduktion für Mensch<br />
und Tier, als auch zur Erzeugung von Biokraftstoffen, Heizstoffen<br />
etc.<br />
Wir haben e<strong>in</strong>en langen Weg vor <strong>uns</strong><br />
Die Entwicklung bei K<strong>uns</strong>tstoffen aus nachwachsenden<br />
Rohstoffen schreitet unaufhörlich voran. Die Materialien<br />
werden besser und haben teilweise die Funktionalitäten<br />
von fossil basierten K<strong>uns</strong>tstoffen erreicht oder sogar übertroffen.<br />
E<strong>in</strong> schönes Beispiel bietet die Firma Sonnentor<br />
aus Österreich, die schon seit Jahren schrittweise ihre<br />
Verpackungen auf nachwachsende Rohstoffe umstellt. Oder<br />
Danone, die den Activia-Joghurtbecher aus Biok<strong>uns</strong>tstoff<br />
produziert. Zwei Beispiele von vielen, die zeigen: Die Bemühungen<br />
zu nachhaltigeren Verpackungen schreiten voran.<br />
Dieser Weg ist aber mühsam. Die e<strong>in</strong>e, e<strong>in</strong>fache Lösung<br />
gibt es nicht und die Aspekte s<strong>in</strong>d sehr vielschichtig. Wir<br />
stehen bei der Entwicklung e<strong>in</strong>er <strong>wir</strong>klich nachhaltigen<br />
Verpackung im S<strong>in</strong>ne des Cradle2Cradle® Konzeptes oder<br />
der Circular Economy noch am Anfang. Gleichzeitig ruft gerade<br />
das Thema nachhaltige Verpackungen nach beherzten<br />
Innovationen.<br />
H<strong>in</strong>weis: Deshalb planen <strong>wir</strong> <strong>in</strong> <strong>forum</strong> e<strong>in</strong>en Schwerpunkt, der<br />
die e<strong>in</strong>zelnen Sichtweisen und Entwicklungen vom Rohstoff<br />
über das Design, die Produktion, Nutzung und <strong>Wie</strong>derverwertung<br />
von Verpackungen e<strong>in</strong>gehend beleuchten soll. Wir<br />
freuen <strong>uns</strong> hier wie immer auf Anregungen und Best Practice<br />
aus der Leserschaft von <strong>forum</strong>.<br />
PETER DÉSILETS<br />
ist Vorstand der pacoon AG, e<strong>in</strong>er führenden Designagentur für<br />
nachhaltige Verpackungslösungen. Er hat im März <strong>2017</strong> <strong>in</strong> München<br />
die SOLPACK 2.0 – Internationale Konferenz für nachhaltige<br />
Verpackungen ausgerichtet, um Unternehmen bei ihren <strong>Nachhaltig</strong>keits-Bestrebungen<br />
zu unterstützen und e<strong>in</strong>e Netzwerk-Plattform<br />
für mehr Austausch zu bieten.<br />
Fotos: © pacoon AG<br />
40 Gedruckt auf Ste<strong>in</strong>beis Charisma Silk – hergestellt aus 100 % Altpapier, ausgezeichnet mit dem Blauen Engel. <strong>forum</strong> E<strong>in</strong> Produkt <strong>Nachhaltig</strong> der Ste<strong>in</strong>beis <strong>Wirtschaften</strong><br />
Papier GmbH.
ERNÄHRUNG FÜR DEN WANDEL | SCHWERPUNKT<br />
GUT ZU WISSEN<br />
Unser Essen geht <strong>uns</strong> alle an, denn laut Weltklimarat ist die Land<strong>wir</strong>tschaft für 31 Prozent des globalen<br />
Ausstoßes von Treibhausgasen (THG) zuständig. Rechnet man den Transport, die Verarbeitung und die<br />
Entsorgung dazu, trägt sie sogar Verantwortung für fast 40 Prozent der klimaschädlichen Emissionen.<br />
E<strong>in</strong> Kommentar von Stefan Baumeister<br />
Der wissenschaftliche Beirat des Land<strong>wir</strong>tschafts-M<strong>in</strong>isteriums<br />
stellte <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Gutachten Ende 2015 fest, dass die<br />
deutsche Land<strong>wir</strong>tschaft nicht zukunftsfähig ist, denn sie<br />
versagt <strong>in</strong> Bezug auf die nötige Senkung von THG-Emissionen.<br />
Unser Agrarsystem ist laut Studie falsch, krank,<br />
über Zuschussmechanismen pervertiert und trotzdem<br />
können viele Bauern von ihrem Beruf nicht mehr leben!<br />
Doch e<strong>in</strong>e klimaverträgliche Land<strong>wir</strong>tschaft <strong>in</strong> Deutschland<br />
ist möglich und <strong>wir</strong>d von der Mehrzahl der Verbraucher gewünscht.<br />
Das belegt e<strong>in</strong>e Studie des FiBL (Forschungs<strong>in</strong>stitut<br />
für biologischen Landbau) im Auftrag von Greenpeace.<br />
Sie stellt den Entwurf für e<strong>in</strong>e ökologisch verträgliche<br />
Land<strong>wir</strong>tschaft 2050 vor. Damit kann e<strong>in</strong>e Reduktion der<br />
THG-Emissionen um die Hälfte <strong>in</strong> diesem Sektor gel<strong>in</strong>gen.<br />
Der Maßstab ist nicht Exportmaximierung, sondern<br />
e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>hundertprozentige Selbstversorgung der deutschen<br />
Bevölkerung mit über 30 Prozent biologischen und 70<br />
Prozent konventionellen Produkten. Bei Obst und Gemüse<br />
können 50 Prozent zugekauft (importiert) werden.<br />
Klimaschutz beg<strong>in</strong>nt <strong>in</strong> Deutschland<br />
Teil dieses Umdenkens im Bereich der Ernährung ist nicht<br />
der Verzicht auf, aber die Reduktion von Fleischkonsum.<br />
Das birgt die große Chance, systemisch auf e<strong>in</strong>e artgerechte<br />
Tierhaltung umzustellen, was sich 70 Prozent der<br />
Konsumenten wünschen. Das würde auch die riesigen<br />
Überschussmengen an Gülle aus der Intensivtierhaltung<br />
abbauen. Gegen Deutschland läuft deswegen e<strong>in</strong> Vertragsverletzungsverfahren<br />
der EU. Doch die konventionelle Tierhaltung<br />
hat nicht nur gegen Deutschland negative Umweltaus<strong>wir</strong>kungen,<br />
sondern auch <strong>in</strong> Südamerika. Dort <strong>wir</strong>d im<br />
großen Stil Regenwald für die Produktion von Futtermittel<br />
aus Gensoja abgeholzt – dieses Futter landet dann <strong>in</strong> der<br />
deutschen Tierzucht. Soll es also weiterh<strong>in</strong> e<strong>in</strong> Kilogramm<br />
Schwe<strong>in</strong>erücken im Sonderangebot für 4,99 Euro se<strong>in</strong>?<br />
Oder wollen <strong>wir</strong> lieber weniger Fleisch essen und wenn,<br />
dann gutes Bio-Fleisch?<br />
Sie me<strong>in</strong>en, Sie könnten <strong>uns</strong>er System nicht ändern? Dann<br />
belehrt Sie der Dalai Lama e<strong>in</strong>es Besseren: „Falls du glaubst,<br />
dass du zu kle<strong>in</strong> bist, um etwas zu be<strong>wir</strong>ken, dann versuche<br />
mal zu schlafen, wenn e<strong>in</strong>e Mücke im Raum ist.“<br />
Mehr zur Studie f<strong>in</strong>den Sie bei Greenpeace und<br />
unter folgendem QR Code<br />
JETZT<br />
AKTUELL!<br />
BANANEN AN DER ELBE!<br />
Die <strong>Zukunft</strong> kommt sowieso. <strong>Wie</strong> sie aussehen <strong>wir</strong>d, liegt an <strong>uns</strong>. myclimate.de<br />
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41
THEMEN | GELD UND INVESTMENT<br />
999 ZEICHEN<br />
für die <strong>Zukunft</strong> … der Mikrof<strong>in</strong>anz<br />
Gut 200 Millionen Menschen haben bisher Kle<strong>in</strong>kredite erhalten und im Durchschnitt<br />
profitierten davon vier weitere Personen im Familienhaushalt. Das ergibt e<strong>in</strong>e Milliarde<br />
Menschen und entspricht damit der Zahl der absolut Armen <strong>in</strong> der Welt laut UN-Def<strong>in</strong>ition.<br />
Ist damit der Job der Mikrokredite, die Muhammad Yunus maßgeblich entwickelte, getan?<br />
Noch lange nicht. Yunus verfolgt drei Ziele: „Null Armut“ – noch haben rund 3-4 weitere<br />
Milliarden Arme ke<strong>in</strong>en Zugang zu (Kle<strong>in</strong>-)Krediten. „Null CO 2<br />
-Emissionen“ – mit se<strong>in</strong>em<br />
ökosozialen Unternehmen „Grameen Shakti“ hat er durch die Enegieversorgung armer<br />
Haushalte mit „Solar Home Systems“ bisher 20 Millionen Menschen <strong>in</strong> Bangladesch auf<br />
„null Emissionen“ führen können. „Null Arbeitslosigkeit“ – über klugen Umgang mit humanen<br />
Kle<strong>in</strong>krediten soll es zu e<strong>in</strong>er weltweiten „Gründerwelle von unten“ kommen. <strong>2017</strong><br />
startet Yunus e<strong>in</strong>e weltweite Kampagne mit se<strong>in</strong>em neuen Buch „A World of Three Zeros“.<br />
Peter Spiegel, Leiter Genisis Institute for Social Innovation, Autor der Kurzbiografie<br />
„Muhammad Yunus – Banker der Armen“<br />
Mikrof<strong>in</strong>ance – Profit und soziales Engagement vere<strong>in</strong>en. Mikrof<strong>in</strong>anz-Anlagen haben<br />
<strong>in</strong> der Vergangenheit vernünftige Renditen erzielt und sich auch recht robust gegenüber<br />
Krisen an den F<strong>in</strong>anzmärkten gezeigt. Blauäugig sollten Anleger dennoch nicht an dieses<br />
Thema herangehen, denn das Anlageuniversum ist komplex und für Laien oft undurchsichtig.<br />
Die Angebote s<strong>in</strong>d schwer vergleichbar, denn es gibt unterschiedliche Modelle <strong>in</strong><br />
Bezug auf die Erzielung von Renditen auf der e<strong>in</strong>en und die Verfolgung sozialer Ziele auf<br />
der anderen Seite. Währungsrisiken, bürokratische Hürden, politische Veränderungen<br />
oder Naturkatastrophen <strong>in</strong> den Zielländern können schnell Probleme bereiten. Die richtige<br />
Auswahl der Mikrof<strong>in</strong>anz<strong>in</strong>stitute vor Ort ist e<strong>in</strong>e wichtige Stellschraube für den Erfolg.<br />
Fazit: E<strong>in</strong> Allheilmittel s<strong>in</strong>d Mikrof<strong>in</strong>ance-Fonds nicht, jedoch, sofern seriös konzipiert,<br />
e<strong>in</strong> Schritt <strong>in</strong> die richtige Richtung für alle Beteiligten.<br />
Beatrix Boutonnet, freie Wirtschafts- und F<strong>in</strong>anzjournalist<strong>in</strong><br />
Mikrof<strong>in</strong>anz – das Allheilmittel <strong>in</strong> der Armutsbekämpfung? Auch heute noch s<strong>in</strong>d rund<br />
2 Milliarden Menschen vom F<strong>in</strong>anzsystem abgeschnitten. Ke<strong>in</strong>e Chance, e<strong>in</strong> Girokonto<br />
zu eröffnen oder e<strong>in</strong> f<strong>in</strong>anzielles Polster aufzubauen, sollte die Ernte mal ausfallen. Nicht<br />
zu denken an e<strong>in</strong>e Vorsorge für das Alter.<br />
Kle<strong>in</strong>stkredite alle<strong>in</strong> reichen nicht aus, um die Bedürfnisse der betroffenen Menschen<br />
zu decken. Investmentfonds wie der GLS AI – Mikrof<strong>in</strong>anzfonds entwickeln darum breite<br />
Basisangebote. Dafür werden Mikrof<strong>in</strong>anz<strong>in</strong>stitute ref<strong>in</strong>anziert, die die Begebenheiten<br />
vor Ort kennen und sich dem Kundenschutz verpflichten. Sie können die Menschen mit<br />
Versicherungen, Sparkonten aber auch Beratungen oder Schulungen versorgen.<br />
Vergessen s<strong>in</strong>d die Fehler der Vergangenheit noch lange nicht. Aber Mikrof<strong>in</strong>anz hat<br />
sich grundlegend gewandelt: zu e<strong>in</strong>em Instrument, das die Defizite <strong>in</strong> unterentwickelten<br />
F<strong>in</strong>anzsystemen schließen kann.<br />
Karsten Kührl<strong>in</strong>gs, Abteilungsleiter Investmentfonds & Research der GLS Bank<br />
42 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>
GELD UND INVESTMENT | THEMEN<br />
GELD ANLEGEN<br />
UND GUTES TUN<br />
Mikrof<strong>in</strong>anzierungen sollen Menschen <strong>in</strong> Entwicklungs- und Schwellenländern die<br />
Chance eröffnen, ihre Lebensumstände zu verbessern und Anlegern nachhaltige<br />
Renditen bescheren. Mikrof<strong>in</strong>anz-Modelle stellen jedoch ke<strong>in</strong>e Entwicklungshilfe<br />
dar, sondern s<strong>in</strong>d vor allem Investments. Und so gibt es auch hier neben Licht<br />
auch Schatten.<br />
Von Sebastian Henkes<br />
Foto: © Roger Richter<br />
www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />
43
THEMEN | GELD UND INVESTMENT<br />
Schon ger<strong>in</strong>ge Investitionen – zum Beispiel <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Nähmasch<strong>in</strong>e, Bildung oder e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>es Ladengeschäft – können Menschen <strong>in</strong><br />
Entwicklungsländern dabei helfen, die Armutsspirale aus eigener Kraft zu verlassen.<br />
Primetime im deutschen Fernsehen. E<strong>in</strong> klassischer Werbespot<br />
ersche<strong>in</strong>t. E<strong>in</strong>e Bank <strong>wir</strong>bt für ihren Ratenkredit. Die<br />
Story: E<strong>in</strong> junger Mann möchte se<strong>in</strong>e Freunde zum Fußballschauen<br />
e<strong>in</strong>laden und dafür e<strong>in</strong>en neuen Flachbildfernseher<br />
kaufen. Den f<strong>in</strong>anziert er ganz unproblematisch über den<br />
Ratenkredit dieser Bank. Was für <strong>uns</strong> wenig spektakulär<br />
ersche<strong>in</strong>t, ist für viele Menschen <strong>in</strong> der dritten Welt unvorstellbar.<br />
Nur etwa die Hälfte der Erwachsenen weltweit hat<br />
laut Erhebungen des Kapitalentwicklungsfonds der Vere<strong>in</strong>ten<br />
Nationen (UNCDF) Zugang zu formalen Bankdienstleistungen.<br />
Diese Lücke versuchen Mikrof<strong>in</strong>anz-Projekte zu schließen.<br />
Nobelpreisverdächtiger Ansatz<br />
Die Idee dah<strong>in</strong>ter ist ebenso e<strong>in</strong>fach wie genial: Kle<strong>in</strong>kredite<br />
sollen mittellosen Menschen, die e<strong>in</strong>e Geschäftsidee haben,<br />
den Sprung <strong>in</strong> die Selbstständigkeit ermöglichen. So können<br />
sie sich und ihre Familien <strong>ernähren</strong>. Sie sollen dadurch ebenfalls<br />
Zugang zu f<strong>in</strong>anziellen Basisdienstleistungen wie der<br />
Führung e<strong>in</strong>es Bankkontos erhalten. Prom<strong>in</strong>entester Verfechter<br />
dieser Idee ist der Wirtschaftswissenschaftler Muhammad<br />
Yunus. Schon vor 40 Jahren verteilte er <strong>in</strong> Bangladesch<br />
Kle<strong>in</strong>kredite an Menschen, die außer ihrem Überlebenswillen<br />
und ihrer Arbeitskraft ke<strong>in</strong>erlei Sicherheiten anzubieten hatten.<br />
Vor allem setzte er auf Frauen mit e<strong>in</strong>em E<strong>in</strong>kommen<br />
von weniger als e<strong>in</strong>em US-Dollar am Tag. Se<strong>in</strong>e Idee: Hilft<br />
man Frauen, ihre <strong>wir</strong>tschaftliche Situation zu verbessern,<br />
hilft man nicht nur ihnen selbst, sondern auch ihren Familien.<br />
Der Erfolg gab ihm Recht. Speziell Frauen zeigten e<strong>in</strong><br />
sehr starkes unternehmerisches Engagement und e<strong>in</strong>e hohe<br />
Zuverlässigkeit bei der Rückzahlung der Kle<strong>in</strong>kredite. 1983<br />
gründete Yunus die Grameen Bank und professionalisierte<br />
so e<strong>in</strong> Modell, das seitdem die F<strong>in</strong>anzierungssituation <strong>in</strong><br />
Schwellen- und Entwicklungsländern revolutioniert hat. 2006<br />
wurde Yunus dafür mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet.<br />
Auch <strong>in</strong> anderen Teilen der Welt begannen NGOs wie<br />
ACCION <strong>in</strong> Late<strong>in</strong>amerika und Opportunity International <strong>in</strong><br />
Asien mit der Vergabe von Mikrokrediten.<br />
Traumhafte Rückzahlungsraten<br />
Mit der Vergabe von Kle<strong>in</strong>krediten <strong>in</strong> Höhe von e<strong>in</strong>em bis e<strong>in</strong>tausend<br />
Euro haben die Ärmsten der Armen die Möglichkeit,<br />
aus eigener Kraft die Armutsspirale zu verlassen. Aber Kredite<br />
an Menschen vergeben ohne Sicherheiten? Das mutet zunächst<br />
wie e<strong>in</strong> großes Wagnis an. Doch die Zahlen geben dem Mikrof<strong>in</strong>anz-Ansatz<br />
Recht: Von e<strong>in</strong>er 98-prozentigen Rückzahlungsrate<br />
können Kreditbanken <strong>in</strong> Industrieländern nur träumen. Diese<br />
hohe Quote ergibt sich, da nicht nur Kredite vergeben, sondern<br />
Menschen auch beraten werden – zum Beispiel beim Kauf e<strong>in</strong>er<br />
Nähmasch<strong>in</strong>e oder bei der Eröffnung e<strong>in</strong>es Geschäfts. Durch<br />
diese Begleitung können fast alle Kreditnehmer das Geld für<br />
die Rückzahlung er<strong>wir</strong>tschaften. Kritisiert <strong>wir</strong>d dagegen oft der<br />
hohe Z<strong>in</strong>ssatz von bis zu 20 Prozent pro Jahr. Das ist hoch, doch<br />
der Aufwand für Mikrokredite ist durch die kle<strong>in</strong>en Summen<br />
und die Betreuung immens. Und sie bieten e<strong>in</strong>e Möglichkeit,<br />
den lokalen Geldanbietern, die häufig bis zu 80 Prozent Z<strong>in</strong>sen<br />
pro Jahr nehmen, zu entkommen. Daten der Weltbank zeigen,<br />
dass zwischen 2011 und 2014 rund 700 Millionen Menschen<br />
durch Mikrof<strong>in</strong>anzierung unterstützt wurden.<br />
Von NGOs h<strong>in</strong> zu Großbanken<br />
War dieses F<strong>in</strong>anzierungsmodell lange vorwiegend <strong>in</strong> der<br />
Hand von Non-Profit-Unternehmen und weitgehend nur<br />
<strong>in</strong> Entwicklungs- und Schwellenländern e<strong>in</strong>gesetzt, ist<br />
es <strong>in</strong>zwischen auch für Industrieländer wie Amerika und<br />
Deutschland <strong>in</strong>teressant geworden. Denn das Segment der<br />
Kunden mit ger<strong>in</strong>gem E<strong>in</strong>kommen wurde bis dato von den<br />
klassischen Kredit<strong>in</strong>stituten eher vernachlässigt – obwohl<br />
sich <strong>in</strong> den vergangenen zehn Jahren ihre Kaufkraft und<br />
Kreditwürdigkeit entscheidend verbessert haben. Grund<br />
dafür war aber nicht nur ihre schwache Bonität, sondern<br />
vor allem der hohe Verwaltungsaufwand. Inzwischen gibt<br />
es e<strong>in</strong>ige Best-Practice-Beispiele, wie etwa The Bank for<br />
Agriculture and Agricultural Cooperatives (BAAC) <strong>in</strong> Thailand<br />
oder The Village Banks (United Desas, BRI-DU) of Bank Rakyat<br />
Indonesia (BRI). In Europa war es die italienische Credem,<br />
Fotos v.l.n.r.: © Plan/Jane Hahn | © Tom Bamber | © Nicolas Villaume | Opmeer Reports<br />
44 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>
GELD UND INVESTMENT | THEMEN<br />
Die Kunden bekommen nicht e<strong>in</strong>fach nur e<strong>in</strong>en Kredit, sondern werden auch bei ihrer Existenzgründung beraten. Daher können die<br />
allermeisten das Geld für die Rückzahlung er<strong>wir</strong>tschaften.<br />
die e<strong>in</strong> Kredit-Programm erfolgreich implementieren konnte,<br />
das speziell Kunden mit ger<strong>in</strong>gem E<strong>in</strong>kommen und Migrationsh<strong>in</strong>tergrund<br />
im Blick hat. In Österreich gründete die<br />
Stiftung der Erste Bank der österreichischen Sparkassen<br />
AG im Jahr 2006 gar e<strong>in</strong>e Zweite Sparkasse für genau diese<br />
Zielgruppe und schreibt dazu: „Mit der Gründung der Zweite<br />
Sparkasse hat <strong>uns</strong>ere Stiftung ihr erstes größeres Projekt<br />
ver<strong>wir</strong>klicht und kommt damit <strong>in</strong> besonderer Weise ihrem<br />
Gründungsauftrag nach – nämlich sich sozial zu engagieren<br />
und mit nachhaltigen Projekten aktiv zur Verbesserung der<br />
Lebenssituation möglichst vieler Menschen beizutragen.“<br />
Akteure wie die GLS Bank bespielen das Thema Kle<strong>in</strong>kredite<br />
und Mikrof<strong>in</strong>anz schon lange und auch Großbanken wie die<br />
Deutsche Bank, Credit Suisse oder Citibank sowie Fondsgesellschaften<br />
s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> diese Kredit-Nische und auch <strong>in</strong> das<br />
Mikrof<strong>in</strong>anz-Bus<strong>in</strong>ess e<strong>in</strong>gestiegen.<br />
Der Mikrof<strong>in</strong>anz-Boom<br />
Die Bandbreite der Anbieter und Modelle wächst damit stetig<br />
an. Institute, die direkt Mikrokredite an die Endkunden<br />
vergeben, gibt es im deutschsprachigen Raum aber bisher<br />
nicht. Große Player kommen mittlerweile aus dem Bankenbereich,<br />
aber auch Fondsgesellschaften wie die Schweizer<br />
Blue Orchard, responsAbility Investments AG und Vision<br />
Microf<strong>in</strong>ance aus Österreich s<strong>in</strong>d aktiv am Markt vertreten.<br />
Ihr Pr<strong>in</strong>zip: Sie vergeben Darlehen an ausgewählte Mikrof<strong>in</strong>anz<strong>in</strong>stitute<br />
(MFIs) <strong>in</strong> Entwicklungs- und Schwellenländern.<br />
Diese s<strong>in</strong>d oft aus NGOs entstanden. E<strong>in</strong>ige davon wuchsen<br />
mittlerweile zu eigenständigen Banken heran, die auch<br />
größere Unternehmen f<strong>in</strong>anzieren. Mit dem Run auf den<br />
Mikrof<strong>in</strong>anz-Ansatz stiegen auch die Investitionssummen:<br />
Das mongolische Mikrof<strong>in</strong>anz<strong>in</strong>stitut XAC Bank etwa förderte<br />
im Jahr 2015 rund 103.000 Kreditkunden mit e<strong>in</strong>em<br />
Kreditportfolio von rund 630 Millionen US-Dollar. Auch der<br />
Mikrof<strong>in</strong>anzierungsfonds der GLS Bank ist daran beteiligt.<br />
Die durchschnittliche Kreditsumme bei der XAC Bank: 6.119<br />
US-Dollar. Diese hohen Summen s<strong>in</strong>d ke<strong>in</strong> E<strong>in</strong>zelfall. Laut<br />
Monatsbericht der Schweizer Asset Manager responsAbility<br />
Investments AG vom Februar <strong>2017</strong> betrug das Fondsvolumen<br />
6<strong>02</strong> Millionen Euro (rund 642 Millionen US-Dollar).<br />
Die Beispiele zeigen deutlich: Den K<strong>in</strong>derschuhen ist diese<br />
F<strong>in</strong>anzierungsform entwachsen.<br />
Gute Rendite mit gutem Gewissen<br />
Viele F<strong>in</strong>anz<strong>in</strong>stitute versprechen sich <strong>in</strong> dem Bereich großes<br />
Potenzial, aber vor allem auch dr<strong>in</strong>gend benötigtes gesellschaftliches<br />
Ansehen. „Im Kampf gegen Armut wollen <strong>wir</strong><br />
Menschen <strong>in</strong> unterentwickelten Regionen helfen, sich selbst<br />
zu helfen“, beschreibt beispielsweise die Deutsche Bank auf<br />
ihrer Website den Bereich Mikrof<strong>in</strong>anz. Auch andere Banken<br />
und Fondsgesellschaften werben gerne mit ihrem ethisch<br />
korrekten und sozialen Engagement <strong>in</strong> Sachen Mikrof<strong>in</strong>anz.<br />
Die Frankfurt School F<strong>in</strong>ancial Services schreibt: „Durch<br />
diese Form der sozial nachhaltigen Kreditvergabe <strong>wir</strong>d die<br />
<strong>wir</strong>tschaftliche Entwicklung unterstützt, werden Arbeitsplätze<br />
geschaffen und so die Armut <strong>in</strong> Entwicklungsländern<br />
reduziert.“ Doch es geht neben sozialer Unterstützung auch<br />
– und das ist das Besondere an diesem Ansatz – um Rendite<br />
und Wachstum. Der Asset Manager responsAbility verspricht<br />
auf se<strong>in</strong>er Webseite Investitionserfolg durch das <strong>in</strong> der<br />
Dritten Welt schlummernde Investitionspotenzial: „In Entwicklungs-<br />
und Schwellenländern werden die unbefriedigten<br />
Grundbedürfnisse e<strong>in</strong>kommensschwacher Menschen sowie<br />
kle<strong>in</strong>ster, kle<strong>in</strong>er und mittelgroßer Unternehmen verstärkt<br />
von Unternehmen mit <strong>in</strong>novativen Geschäftsmodellen abgedeckt.<br />
Gezielte Investitionen tragen dazu bei, dass diese Unternehmen<br />
das enorme Marktpotenzial besser und schneller<br />
ausschöpfen können. Der Entwicklungsnutzen ihrer Produkte<br />
und Dienstleistungen ist der Treiber ihres Wachstums – und<br />
legt somit das Fundament für nachhaltigen Investitionserfolg.“<br />
Die Grafik auf der Website von responsAbility zeigt das<br />
Volumen des verwalteten Vermögens. Die Kurve steigt von<br />
rund e<strong>in</strong>er Milliarde US-Dollar im Jahr 2009 stetig an. 2016<br />
liegt der Wert bei drei Milliarden US-Dollar. Die Rendite liegt<br />
www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />
Gedruckt auf Ste<strong>in</strong>beis Charisma Silk – hergestellt aus 100 % Altpapier, ausgezeichnet mit dem Blauen Engel. E<strong>in</strong> Produkt der Ste<strong>in</strong>beis Papier GmbH.<br />
45
THEMEN | GELD UND INVESTMENT<br />
<strong>in</strong> der Branche bei etwa zwei Prozent über dem Euribor, bei<br />
ger<strong>in</strong>gen Schwankungen um 0,5 Prozent.<br />
Schwarze Schafe gefährden die Idee<br />
Der Markt ist groß, das Potenzial noch größer. Experten<br />
zufolge beträgt der weltweite Bedarf an Kle<strong>in</strong>stkrediten<br />
über 300 Milliarden US-Dollar. Bei solchen Zahlen mischen<br />
sich natürlich auch schwarze Schafe unter die weltweit bald<br />
100.000 Mikrof<strong>in</strong>anz-Anbieter und MFIs. Sie sehen <strong>in</strong> den<br />
Mikrokrediten nicht das Social Entrepeneurship und den<br />
W<strong>uns</strong>ch, Missstände zu beseitigen, sondern vor allem e<strong>in</strong>e<br />
lukrative Methode, sich an der Armut anderer zu bereichern.<br />
Hohe Gebühren, undurchsichtige Vertragsklauseln, extrem<br />
kurze Rückzahlungszeiträume oder <strong>uns</strong>eriöses Geschäftsgebaren,<br />
wie das Drängen zur Rückzahlung auch bei Krankheit,<br />
laufen dem geme<strong>in</strong>nützigen Mikrokredit-Ansatz zuwider.<br />
Prüfmöglichkeiten auf Seriosität<br />
Es ist nicht immer leicht, <strong>uns</strong>eriöse Anbieter zu entlarven.<br />
Mittlerweile haben sich aber Prüfverfahren für MFIs am<br />
Markt durchgesetzt, zum Beispiel Auswertungen durch das<br />
Securities Committee der EU (ESC). Grundsätzlich werden<br />
dort nur MFIs ausgewählt, die regelmäßig Geschäftsberichte<br />
veröffentlichen und e<strong>in</strong>er F<strong>in</strong>anzaufsicht unterstehen. Die<br />
Smart Campaign untersucht Mikrof<strong>in</strong>anz<strong>in</strong>stitute vor Ort<br />
und überprüft deren soziale und f<strong>in</strong>anzielle Performance.<br />
Daneben gibt es für die Anbieter von Mikrof<strong>in</strong>anzierungsfonds<br />
Siegel wie beispielsweise das CGAP ESG Transparency<br />
Certificate oder das LuxFLAG-Label. LuxFLAG wurde 2006<br />
<strong>in</strong> Luxemburg <strong>in</strong>s Leben gerufen. Das Label garantiert<br />
Investoren, dass ihre Gelder auch tatsächlich <strong>in</strong> Mikrof<strong>in</strong>anz<br />
fließen. Das 1995 von der Weltbank gegründete<br />
Forschungszentrum Consultative Group to Assist the Poor<br />
(CGAP) zeichnet mit dem CGAP ESG Transparency Certificate<br />
Mikrof<strong>in</strong>anz Asset Manager für ihre Transparenz und<br />
Berichterstattung <strong>in</strong> Bezug auf ökologische, soziale und<br />
Steuerungs-Richtl<strong>in</strong>ien aus.<br />
Digitalisierung auch bei Mikrof<strong>in</strong>anz auf dem Vormarsch<br />
Um im Mikrof<strong>in</strong>anz-Dschungel als Investor nicht den Überblick<br />
zu verlieren, helfen diese Siegel und Zertifikate. Und<br />
sie s<strong>in</strong>d bei dem Wachstum auch nötig. Laut e<strong>in</strong>em Bericht<br />
von responsAbility soll der Mikrof<strong>in</strong>anz-Sektor im Jahr <strong>2017</strong><br />
weltweit um zehn bis 15 Prozent wachsen – besonders stark<br />
„Wir schätzen und fördern <strong>uns</strong>ere<br />
MITARBEITERINNEN und deren Familien“<br />
Familienfreundlichkeit lohnt sich:<br />
Audit berufundfamilie unterstützt und fördert familienbewusste<br />
Personalpolitik. Das steigert die Motivation und Produktivität am<br />
Arbeitsplatz sowie den Unternehmenserfolg und br<strong>in</strong>gt so<br />
MitarbeiterInnen und Unternehmen nachhaltig mehr Gew<strong>in</strong>n.<br />
Infos auf www.familieundberuf.at<br />
Vorstandsvorsitzender<br />
Mag. Markus Zeil<strong>in</strong>ger<br />
46 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>
GELD UND INVESTMENT | THEMEN<br />
<strong>in</strong> Südostasien. Dort werden 25 bis 30 Prozent vorausgesagt.<br />
Das Potenzial des Mikrof<strong>in</strong>anz-Ansatzes für nachhaltige<br />
Entwicklung wurde auf der im vergangenen November<br />
stattf<strong>in</strong>denden European Microf<strong>in</strong>ance Week <strong>in</strong> Luxemburg<br />
diskutiert. Die sozialen Aspekte waren vor allem die<br />
Bildung und die Flüchtl<strong>in</strong>gshilfe. Doch auch Themen wie<br />
Digitalisierung und Digital F<strong>in</strong>ancial Services (DFS) machen<br />
vor der Mikrof<strong>in</strong>anzierung nicht Halt. Papierlose Kreditvergaben<br />
und Antragstellungen sollen Asset Managern und<br />
Mikrof<strong>in</strong>anz<strong>in</strong>stituten die Arbeit erleichtern und den hohen<br />
Aufwand deutlich verm<strong>in</strong>dern. Doch sie bergen Risiken: Auch<br />
MFIs müssen sich um Datensicherheit und Cyber-Attacken<br />
Gedanken machen.<br />
Fazit: Die gesamte Branche <strong>wir</strong>d <strong>in</strong> den nächsten Jahren<br />
weiter boomen. Immer mehr Banken erwägen e<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>stieg<br />
<strong>in</strong> das Mikrof<strong>in</strong>anzierungsgeschäft und diejenigen,<br />
die es schon betreiben, berichten von „enormen Wachstumschancen“.<br />
Gew<strong>in</strong>ne zu machen und das mit gutem<br />
Gewissen und der Hilfe für Mittellose zu verb<strong>in</strong>den, ist<br />
e<strong>in</strong> guter Ansatz, sofern nicht die Renditegier den sozial<br />
nachhaltigen Aspekt auffrisst.<br />
Leadership im Geist des<br />
Franz von Assisi<br />
DIE KRAFT DES<br />
Mitgefühls<br />
BRIGITTE VAN BAREN<br />
ALTOP<br />
Brigitte van Baren<br />
Die Macht des Mitgefühls<br />
Leadership im Geist des Franz<br />
von Assisi<br />
1. Auflage, Altop-Verlag <strong>2017</strong>,<br />
120 Seiten<br />
ISBN 9783925646690<br />
EUR 24,80<br />
<strong>forum</strong> Lesetipp:<br />
Innovative Führungsk<strong>uns</strong>t vere<strong>in</strong>t Kraft und Demut<br />
im Geiste von Franz von Assisi<br />
www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />
47
THEMEN | GELD UND INVESTMENT<br />
Sicher und sozial?<br />
MIKROFINANZ<br />
Mikrof<strong>in</strong>anz kann e<strong>in</strong>e<br />
wunderbare Verb<strong>in</strong>dung<br />
von Investment und<br />
sozialem Engagement<br />
se<strong>in</strong>. Wir fragten Markus<br />
Zeil<strong>in</strong>ger, Gründer und<br />
Vorstandsvorsitzender der<br />
fair-f<strong>in</strong>ance Vorsorgekasse<br />
mit Sitz <strong>in</strong> <strong>Wie</strong>n, welche<br />
Rolle diese Assetklasse<br />
<strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Anlagestrategie<br />
spielt und wo aus se<strong>in</strong>er<br />
Sicht Chancen und<br />
Risiken liegen.<br />
Herr Zeil<strong>in</strong>ger, spielt für fair-f<strong>in</strong>ance die Anlage<br />
<strong>in</strong> Mikrof<strong>in</strong>anz e<strong>in</strong>e Rolle?<br />
Gemäß <strong>uns</strong>erem Leitbild soll <strong>uns</strong>er Handeln<br />
und somit auch <strong>uns</strong>ere Investitionstätigkeit<br />
die Lebenschancen heutiger und zukünftiger<br />
Generationen verbessern. Mikrof<strong>in</strong>anz stellt<br />
im S<strong>in</strong>ne <strong>uns</strong>erer Zielsetzung e<strong>in</strong> wesentliches<br />
Instrument dazu dar.<br />
<strong>Wie</strong>viel haben Sie <strong>in</strong> dieser Assetklasse <strong>in</strong>vestiert<br />
und mit welchen Erfahrungen?<br />
Die fair-f<strong>in</strong>ance Vorsorgekasse hat als e<strong>in</strong>er<br />
von wenigen Investoren Mikrof<strong>in</strong>anz als strategische<br />
Assetklasse def<strong>in</strong>iert und 8 Prozent<br />
des Gesamtportfolios, also rund 32 Millionen<br />
<strong>in</strong> Mikrof<strong>in</strong>anz angelegt. Mangels geeigneter<br />
Investitionsmöglichkeiten konnten <strong>wir</strong> die 10<br />
Prozent Zielallokation noch nicht erreichen,<br />
aber <strong>wir</strong> arbeiten <strong>in</strong>tensiv an e<strong>in</strong>er Steigerung.<br />
Neben dem S<strong>in</strong>naspekt, der für <strong>uns</strong> als nachhaltiger<br />
und sozialverantwortlicher Investor<br />
außer Zweifel steht, gibt es dafür auch starke<br />
<strong>wir</strong>tschaftliche Gründe. In <strong>2017</strong> erwarten <strong>wir</strong><br />
e<strong>in</strong>en Ertrag von 1,5 Prozent und sehen das<br />
Risiko im schlechtesten Fall mit null Prozent<br />
Ertrag begrenzt. Von Anleihen erwarten <strong>wir</strong><br />
<strong>in</strong> <strong>2017</strong> zwar ebenfalls 1,5 Prozent Ertrag,<br />
sehen das Risiko aber bei m<strong>in</strong>us 2,9 Prozent.<br />
<strong>Wie</strong> stellen Sie sicher, dass nicht nur f<strong>in</strong>anzielle,<br />
sondern auch soziale und ökologische<br />
Belange bei den von Ihnen <strong>in</strong>vestierten Fonds<br />
ausreichend berücksichtigt werden?<br />
Wir haben bei der Auswahl von Mikrof<strong>in</strong>anzierungsfonds<br />
klare Richtl<strong>in</strong>ien. Ke<strong>in</strong>e Fonds,<br />
deren Geschäftsgebarung <strong>in</strong>transparent ist,<br />
die e<strong>in</strong>e unangemessen hohe Vergebührung<br />
von Betreibern und Management vorsehen<br />
oder die <strong>in</strong> irgende<strong>in</strong>er Weise e<strong>in</strong> gesellschaftlich<br />
schädliches Verhalten zeigen. Bevorzugt<br />
werden Fonds, die vor allem arme Haushalte<br />
<strong>in</strong> Entwicklungs- und Schwellenländern f<strong>in</strong>anzieren,<br />
nachhaltige Geschäftsmodelle forcieren<br />
und e<strong>in</strong>e angemessene Kundenanalyse<br />
betreiben. Wir favorisieren Fonds, die mehr<br />
als 50 Prozent ihres Kreditvolumens an Frauen<br />
ausgeben und e<strong>in</strong>en fairen Umgang mit<br />
Kund<strong>in</strong>nen und Kunden bei entsprechender<br />
Beratung gewährleisten.<br />
Das kl<strong>in</strong>gt alles zu schön um wahr zu se<strong>in</strong>:<br />
sichere Renditen und dabei Gutes tun …<br />
Natürlich muss man genau h<strong>in</strong>sehen und<br />
darf sich nicht nur auf Zertifizierungen und<br />
Factsheets verlassen. E<strong>in</strong>es <strong>uns</strong>erer ersten<br />
und erfreulicherweise kle<strong>in</strong>eren Investments<br />
läuft leider auch nicht so gut, wie <strong>wir</strong> <strong>uns</strong> das<br />
wünschen würden. Hier hat der Manager<br />
bei der Auswahl der Investments zu wenig<br />
diversifiziert und ist e<strong>in</strong> hohes Länderrisiko<br />
und auch e<strong>in</strong> entsprechendes Währungsrisiko<br />
e<strong>in</strong>gegangen.<br />
In welche Fonds werden Sie <strong>in</strong> nächster Zeit<br />
<strong>in</strong>vestieren?<br />
Wir prüfen e<strong>in</strong> Investment <strong>in</strong> den Green for<br />
Growth Fund. Das ist e<strong>in</strong> PPP (Public Private<br />
Partnership)-Modell, das von f<strong>in</strong>ance <strong>in</strong> motion<br />
betreut <strong>wir</strong>d und <strong>in</strong> erneuerbare Energie<br />
und Energieeffizienzprojekte <strong>in</strong> Schwellenländern<br />
<strong>in</strong>vestiert, wobei die KfW Bank und<br />
die Europäische Entwicklungsbank (EIB) das<br />
primäre Risiko des Investments tragen.<br />
Kann man als Privater <strong>in</strong> dieses oder ähnliche<br />
Produkte <strong>in</strong>vestieren?<br />
In den Green for Growth Fund können Sie als<br />
Privater derzeit de facto nicht <strong>in</strong>vestieren.<br />
Gleiches gilt für viele andere Mikrof<strong>in</strong>anzierungsfonds.<br />
E<strong>in</strong>erseits gibt es hohe M<strong>in</strong>dest<strong>in</strong>vestitionssummen<br />
von fünf Millionen<br />
Euro oder mehr und andererseits ersche<strong>in</strong>t<br />
die Öffnung der Fonds für Private auch<br />
gefährlich. Die Mittelzuflüsse und -abflüsse<br />
s<strong>in</strong>d schwer steuerbar, was zu Verzerrungen<br />
der Rendite und des Risikos führt. Zudem<br />
würde e<strong>in</strong> Wettbewerbsdruck entstehen,<br />
der den S<strong>in</strong>n von Mikrof<strong>in</strong>anz<strong>in</strong>vestments<br />
konterkarieren könnte. E<strong>in</strong>e Öffnung von<br />
Mikrof<strong>in</strong>anzfonds für Private und kle<strong>in</strong>e<br />
Investitionssummen müsste sehr behutsam<br />
und verantwortungsvoll gemanagt werden.<br />
In Deutschland ist man da bereits e<strong>in</strong>en<br />
Schritt weiter und <strong>wir</strong> beobachten das sehr<br />
aufmerksam.<br />
Herr Zeil<strong>in</strong>ger, <strong>wir</strong> bedanken <strong>uns</strong> für das<br />
Gespräch und wünschen Ihnen für Ihre Investitionen<br />
alles Gute.<br />
48 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>
GELD UND INVESTMENT | THEMEN<br />
Jetzt auch für Privatkunden<br />
MIKROFINANZ<br />
Sie s<strong>in</strong>d mit Ihrem Mikrof<strong>in</strong>anzfonds vor<br />
e<strong>in</strong>em Jahr <strong>in</strong> das Privatkundengeschäft<br />
e<strong>in</strong>gestiegen. Mit welchem Ziel?<br />
Wir wollten damit auch Privatanlegern die<br />
Möglichkeit bieten, <strong>in</strong> Mikrof<strong>in</strong>anzen zu<br />
<strong>in</strong>vestieren. Davor waren Investments <strong>in</strong><br />
<strong>uns</strong>ere Mikrof<strong>in</strong>anzprodukte nur für <strong>in</strong>stitutionelle<br />
Investoren wie Family Offices und<br />
Pensionskassen möglich. Jetzt kommen Stiftungen<br />
und Privatkunden mit den passenden<br />
Kooperationspartnern wie Sparkassen oder<br />
Genossenschaftsbanken dazu.<br />
Kann man das Potenzial dieses Schrittes<br />
quantifizieren?<br />
Vor e<strong>in</strong>em Jahr hatten <strong>wir</strong> Fondsvolum<strong>in</strong>a von<br />
etwa 250 Millionen Euro. E<strong>in</strong> Jahr nach der<br />
Zulassung für das Privatkundengeschäft <strong>in</strong><br />
Deutschland s<strong>in</strong>d es etwa 500 Millionen Euro.<br />
Insgesamt ist die weitere Entwicklung bei diesem<br />
Produkt aber schwer zu prognostizieren,<br />
weil es eigentlich nicht skalierbar ist. Will man<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em anderen Bereich das Volumen vergrößern,<br />
könnte man e<strong>in</strong>fach größere Darlehen<br />
vergeben. Das geht im Bereich Mikrof<strong>in</strong>anz<br />
nicht, weil es ja dem S<strong>in</strong>n des Investments<br />
widersprechen würde. Wir müssten also viel<br />
mehr Darlehen vergeben statt größere – das ist<br />
natürlich e<strong>in</strong> schwierigeres Geschäft, welches<br />
auch e<strong>in</strong>e gewisse Zeit <strong>in</strong> Anspruch nimmt. Viel<br />
Platz für Sozialromantik bleibt da nicht.<br />
Im Vergleich zur Konkurrenz – wie wollen<br />
Sie sich im deutschen Markt hervorheben?<br />
Wir verfügen über e<strong>in</strong>e Historie, die mittlerweile<br />
elf Jahre zurückreicht. Deshalb<br />
ist Vision Microf<strong>in</strong>ance e<strong>in</strong>e starke Marke<br />
und entsprechend bekannt. Das Ertrags-Risiko-Verhältnis<br />
ist aus <strong>uns</strong>erer Sicht auch<br />
besser als bei vergleichbaren Produkten. Wir<br />
haben das Produkt außerdem von Anfang an<br />
als Dual Return Fund angelegt, bieten also<br />
nicht nur e<strong>in</strong>en f<strong>in</strong>anziellen, sondern auch<br />
e<strong>in</strong>en sozialen Ertrag. Im H<strong>in</strong>blick auf die<br />
Rendite-Möglichkeiten ist das jetzt besonders<br />
<strong>in</strong>teressant, da die Ertragschancen <strong>in</strong> vielen<br />
anderen Bereichen momentan nicht besonders<br />
vielversprechend s<strong>in</strong>d – zum<strong>in</strong>dest <strong>in</strong> den<br />
Bereichen Anleihen und Geldmarkt.<br />
Und <strong>wir</strong> wählen die Mikrof<strong>in</strong>anz-Institute, <strong>in</strong><br />
die <strong>wir</strong> <strong>in</strong>vestieren, so aus, dass sie die Philosophie<br />
der Sparkassen und Genossenschaften<br />
auch umsetzen. Eigene Tools wie e<strong>in</strong> Social<br />
Rat<strong>in</strong>g, das <strong>wir</strong> neben den F<strong>in</strong>ancial Rat<strong>in</strong>gs<br />
e<strong>in</strong>geführt haben, sollen das gewährleisten.<br />
Das ist etwas, das andere Marktteilnehmer <strong>in</strong><br />
dem Umfang so nicht machen.<br />
<strong>Wie</strong> funktioniert Social Rat<strong>in</strong>g? Das kl<strong>in</strong>gt<br />
e<strong>in</strong> wenig soft.<br />
Im Gegenteil. Der soziale Aspekt <strong>wir</strong>d auf sieben<br />
Achsen analysiert. Das reicht vom Arbeitsklima<br />
vor Ort über Weiterbildungsmöglichkeiten oder<br />
ökologische Fragen vor allem im Bereich Energieeffizienz,<br />
Spar- oder Versicherungsmöglichkeiten<br />
bis h<strong>in</strong> zur Frage, <strong>in</strong>wieweit die Produkte<br />
an die Kreditnehmer angepasst werden.<br />
Was ist den Investoren derzeit wichtiger? Die<br />
Frage nach dem sozialen oder die nach dem<br />
f<strong>in</strong>anziellen Ertrag?<br />
Das ist ganz unterschiedlich. Im Moment, da<br />
Geldmarkt- und Anleiheerträge sehr niedrig<br />
s<strong>in</strong>d, gehen die Fragen schon wieder verstärkt<br />
<strong>in</strong> Richtung Ertrag. Vor zehn Jahren, als<br />
beispielsweise Sparbücher vier, fünf Prozent<br />
Z<strong>in</strong>sen gebracht haben, lag das Interesse der<br />
Anleger vorwiegend auf dem sozialen Nutzen.<br />
Mikrof<strong>in</strong>anz stehen medial immer wieder <strong>in</strong><br />
der Kritik …<br />
Der Markt weist e<strong>in</strong> Volumen von 100 Milliar den<br />
Euro aus, was <strong>in</strong> etwa 100 Millionen Darlehen<br />
entspricht. Bei e<strong>in</strong>er Ausfallrate von e<strong>in</strong>em<br />
Prozent f<strong>in</strong>det man natürlich e<strong>in</strong>e Million Menschen,<br />
bei denen es nicht geklappt hat. Dem<br />
gegenüber stehen aber 99 Millionen Menschen,<br />
bei denen Mikrof<strong>in</strong>anz funktioniert.<br />
Bei e<strong>in</strong>em Markt von 100 Millionen Kreditnehmern<br />
– wie wählen Sie diese aus?<br />
Unser erfahrenes Investment-Team arbeitet<br />
seit vielen Jahren mit dem Genfer Research<br />
House Symbiotics zusammen. Die verstehen<br />
ihr Geschäft.<br />
Herr Kastner, <strong>wir</strong> bedanken <strong>uns</strong> für das Gespräch<br />
und wünschen viel Erfolg <strong>in</strong> Deutschland.<br />
Günther Kastner, österreichischer<br />
Initiator<br />
von Vision Microf<strong>in</strong>ance<br />
sprach mit <strong>forum</strong> über die<br />
Chancen des Dual Return<br />
Fund, Vision Microf<strong>in</strong>ance<br />
im deutschen Privatkundengeschäft<br />
und<br />
warum Mikrof<strong>in</strong>anz als<br />
Assetklasse für Langzeit-<br />
Investments e<strong>in</strong>e<br />
s<strong>in</strong>nvolle Alternative<br />
ist.<br />
www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />
49
SONDERVERÖFFENTLICHUNG<br />
Die Sedus Stoll AG ist e<strong>in</strong>er der führenden<br />
Komplettanbieter für Büroe<strong>in</strong>richtungen<br />
und Arbeitsplatzkonzepte. Sedus entwickelt,<br />
produziert und vertreibt hochwertige<br />
Qualitätsmöbel „Made <strong>in</strong> Germany“<br />
und ist mit acht Tochtergesellschaften<br />
<strong>in</strong> Europa und weltweit <strong>in</strong> über 50 Ländern<br />
vertreten. Die Sedus Stoll Gruppe<br />
beschäftigt rund 900 Mitarbeiter und hat<br />
das Geschäftsjahr 2015 mit e<strong>in</strong>em Umsatz<br />
von rund 180 Millionen € abgeschlossen.<br />
SEDUS STOLL AG –<br />
Zwei Stiftungen leisten geme<strong>in</strong>nützige Dienste<br />
Als Büromöbelexperte und Technikpionier<br />
hat Sedus <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er über 145-jährigen Firmengeschichte<br />
immer wieder Maß stäbe gesetzt<br />
– vor allem <strong>in</strong> den Bereichen Ergonomie,<br />
Design und <strong>Nachhaltig</strong>keit. Dabei wurden<br />
Standards entwickelt, die weltweite Bedeutung<br />
erlangten. Sedus steht als Synonym für<br />
Innovation, Technik und Ästhetik und bereichert<br />
die „Lebens welt Büro” immer wieder<br />
mit neuen Produktideen und zeitgemäßen<br />
Konzepten. Besonderes Augenmerk richtet<br />
Sedus auf die aktuellen Trends und Veränderungen<br />
<strong>in</strong> der Bürowelt. Neue Arbeitsformen<br />
und Organisationsstrukturen verlangen<br />
nach flexiblen, ästhetischen E<strong>in</strong>richtungen<br />
und maßgeschneiderten Lösungen, die die<br />
Bewegung und Kommunikation fördern.<br />
Die Gesundheit der Mitarbeiter steht dabei<br />
besonders im Fokus.<br />
Als letzte Nachfahren des Familienbetriebes<br />
Stoll <strong>in</strong> Waldshut übertrugen Christof und<br />
Emma Stoll ihr Vermögen im Jahr 1985 auf<br />
die Stoll VITA Stiftung, im Jahr 20<strong>02</strong> kam die<br />
Karl Bröcker Stiftung durch den Zukauf der<br />
Gesika Büromöbelwerk GmbH (heute Sedus<br />
Systems GmbH) als zweite Stiftung h<strong>in</strong>zu.<br />
Die beiden geme<strong>in</strong>nützigen Stiftungen halten<br />
die Mehrheitsanteile an der seit 1995<br />
bestehenden und nicht börsennotierten<br />
Sedus Stoll Aktiengesellschaft: die Stoll<br />
VITA Stiftung mit 59,09 Prozent und die<br />
Karl Bröcker Stiftung mit 31,47 Prozent. Die<br />
restlichen Aktien (9,44 Prozent) bef<strong>in</strong>den<br />
sich im Streubesitz ehemaliger und aktiver<br />
Führungskräfte.<br />
Innovation ist <strong>in</strong> der DNA verankert<br />
Sedus hat e<strong>in</strong>e ganz besondere „DNA“, die<br />
<strong>in</strong> der Branche e<strong>in</strong>zigartig ist. Schon der<br />
Firmengründer Albert Stoll I entwickelte<br />
Ende des 18. Jahrhunderts die ersten<br />
Büro arbeitsstühle, se<strong>in</strong> Sohn Albert Stoll II<br />
kon zentrierte sich auf das Thema Büroergonomie,<br />
zu e<strong>in</strong>er Zeit, als es den Begriff noch<br />
gar nicht gab. Im Jahr 1926 präsentierte er<br />
den „Federdreh“, der heute als Urvater des<br />
modernen Bürostuhls gilt.<br />
Auch dem Enkel Christof Stoll wurde der Erf<strong>in</strong>dergeist<br />
<strong>in</strong> die <strong>Wie</strong>ge gelegt. Er entwickelte<br />
<strong>in</strong> den 1970er Jahren die Similarmechanik,<br />
die heute zum weltweiten Standard zählt.<br />
Aber auch <strong>in</strong> anderer H<strong>in</strong>sicht war Christof<br />
Stoll e<strong>in</strong> Visionär: Schon seit den 50er Jahren<br />
werden die Mitarbeiter am Betriebsergebnis<br />
beteiligt, aktiv <strong>in</strong> Umweltschutzmaßnahmen<br />
e<strong>in</strong>bezogen und mittags <strong>in</strong> der Kant<strong>in</strong>e mit<br />
gesunder Vollwertkost versorgt.<br />
Die Stoll VITA Stiftung<br />
Zum Stiftungszweck der Stoll VITA Stiftung<br />
gehören die Förderung der Bildung,<br />
der öffentlichen Gesundheitspflege, der<br />
wissenschaftlichen Forschung sowie die<br />
Der Stoll Garten ist e<strong>in</strong>e grüne Oase für Jung und Alt <strong>in</strong>mitten der Stadt Waldshut<br />
Geschäftsstelle<br />
Brückenstraße 15, 79761 Waldshut<br />
www.stollvitastiftung.de<br />
Stiftungsgründer<br />
Emma Stoll (†2010) und Christof Stoll (†2003)<br />
Gründungsdatum<br />
8. März 1985<br />
Stiftungsvorstand<br />
Adelheid Kummle (Vorstandsvorsitzende)<br />
He<strong>in</strong>rich Lachenmaier (stellv. Vorsitzender)<br />
Dr. Klaus Eisele<br />
50 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>
SONDERVERÖFFENTLICHUNG<br />
DOPPELT HÄLT BESSER<br />
liches Leben, auf Sicherheit, Gesundheit<br />
und Bildung. Ihnen zu helfen ist Ziel und<br />
Aufgabe der Karl Bröcker Stiftung. Seit ihrer<br />
Gründung 1999 hat die Stiftung mit Sitz <strong>in</strong><br />
Lippstadt <strong>in</strong> der Region, im In- und Ausland<br />
Förderung des Umwelt- und Naturschutzes,<br />
der Landschaftspflege und der Tierund<br />
Pflanzenzucht. Die Stiftung ist <strong>in</strong> den<br />
Waldshuter Gebäuden aus der Gründerzeit<br />
untergebracht, ebenso wie das „Stoll Stuhl<br />
Museum“, <strong>in</strong> dem die wichtigsten Modelle<br />
aus der Firmengeschichte ausgestellt s<strong>in</strong>d.<br />
Der Stoll Garten <strong>in</strong>mitten der Waldshuter<br />
Innenstadt ist willkommener Treffpunkt für<br />
Groß und Kle<strong>in</strong>, zahlreiche Ausstellungen,<br />
Vorträge und Veranstaltungen werden im<br />
S<strong>in</strong>ne des Stiftungszwecks über das ganze<br />
Jahr durchgeführt und s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> wesentlicher<br />
Bestandteil des Erwachsenenbildungsangebotes<br />
<strong>in</strong> der Region.<br />
Mit der Stiftungsgründung beabsichtigten<br />
Emma und Christof Stoll, zum e<strong>in</strong>en die<br />
Unternehmensnachfolge der heutigen<br />
Sedus Stoll AG zu regeln, zum anderen sollten<br />
die Schwerpunkte ihres lebenslangen<br />
Engagements und ihrer Lebense<strong>in</strong>stellung<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er organisatorisch eigenständigen<br />
und geme<strong>in</strong>nützigen E<strong>in</strong>richtung fortgeführt<br />
werden. Das Vermögen der Stiftung<br />
besteht im Wesentlichen aus der Mehrheitsbeteiligung<br />
an der Sedus Stoll AG, aus<br />
deren Beteiligungserträgen die Stiftung ihre<br />
Tätigkeit f<strong>in</strong>anziert.<br />
Die Karl Bröcker Stiftung<br />
„<strong>Zukunft</strong> für K<strong>in</strong>der“ ist der Leitsatz der im<br />
Jahr 1999 gegründeten Karl Bröcker Stiftung.<br />
Renate Bröcker, damalige Inhaber<strong>in</strong><br />
der Firma Gesika, starb bei e<strong>in</strong>em Verkehrsunfall.<br />
In ihrem Testament verfügte sie,<br />
dass ihr Vermögen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Stiftung fließt,<br />
die den Namen ihres verstorbenen Vaters<br />
tragen soll. Diese Stiftung ist e<strong>in</strong>e Herzensangelegenheit.<br />
K<strong>in</strong>der s<strong>in</strong>d die <strong>Zukunft</strong><br />
– und dennoch gibt es viele K<strong>in</strong>der und<br />
Jugendliche ohne Chancen auf e<strong>in</strong> glückzahl<br />
reiche Projekte und E<strong>in</strong>richtungen gefördert<br />
und <strong>in</strong>s Leben gerufen. Die Stiftung<br />
unterstützt K<strong>in</strong>dergärten, Schulen, mediz<strong>in</strong>ische<br />
und therapeutische E<strong>in</strong>richtungen.<br />
Den Schwerpunkt legt sie auf Bildungs- und<br />
Gesundheitsprojekte. Sie ist da, wo K<strong>in</strong>der<br />
und Jugendliche Unterstützung brauchen.<br />
Sie schenkt K<strong>in</strong>dern und jungen Menschen<br />
mit Beh<strong>in</strong>derung Selbstvertrauen – oder<br />
e<strong>in</strong>fach nur e<strong>in</strong>en wunderschönen Tag. Sie<br />
fördert die wissenschaftliche Erforschung<br />
von Krankheiten, unter denen K<strong>in</strong>der leiden<br />
– auch <strong>in</strong> Deutschland.<br />
Das Stiftungsvermögen besteht aus der<br />
Beteiligung an der Sedus Stoll AG sowie<br />
aus diversen Vermögensanlagen.<br />
www.sedus.com<br />
Geschäftsstelle<br />
Lipperoder Straße 11<br />
59555 Lippstadt<br />
www.karl-broecker-stiftung.de<br />
Stiftungsgründer<strong>in</strong><br />
Renate Bröcker (†1998)<br />
Gründungsdatum<br />
26. Januar 1999<br />
Stiftungsvorstand<br />
Axel Bohnhorst<br />
Susanne Brandherm<br />
Beirat<br />
Werner Blanke, Carsten Walter, Andrea Wisk<br />
Patenschaften für K<strong>in</strong>der psychisch kranker Eltern<br />
Seilbahnfahrt im Rollstuhl<br />
Hilfsprojekt <strong>in</strong> Eritrea<br />
www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />
51
BLOCKCHAIN<br />
FÜR NICHTINFORMATIKER<br />
Nach dem Besuch des Global Summit on Blockcha<strong>in</strong> Technology <strong>in</strong> the Energy Sector <strong>in</strong> <strong>Wie</strong>n<br />
ist mir klar: Diese Technologie kann und <strong>wir</strong>d die Welt verändern. Grund genug, sie näher zu<br />
beleuchten und sich auf e<strong>in</strong>e neue <strong>in</strong>dustrielle und gesellschaftliche Revolution vorzubereiten.<br />
Von Ludwig Karg<br />
Me<strong>in</strong>e Eltern haben mir e<strong>in</strong> Grundstück vermacht. 1.000 m 2 ,<br />
gute Lage, im Allgäu. Im Grundbuch <strong>wir</strong>d beim Grundstück<br />
mit der Flurnummer 2204 e<strong>in</strong>getragen, dass es mir gehört.<br />
Das kostet 635 EUR. Die auf dem Grundstück lastende<br />
Grundschuld <strong>wir</strong>d gestrichen. Früher g<strong>in</strong>g das noch mit<br />
Kugelschreiber und L<strong>in</strong>eal, heute machen das die Leute im<br />
Grundbuchamt mit dem Computer. Die Leute s<strong>in</strong>d Beamte.<br />
Da kann nichts schiefgehen!<br />
Bergsteiger und Bus<strong>in</strong>ess<br />
Vieles <strong>in</strong> <strong>uns</strong>rer Gesellschaft und <strong>in</strong> <strong>uns</strong>erem Wirtschaftssystem erfordert Vertrauen, schafft aber<br />
auch Abhängigkeiten. Ist e<strong>in</strong> System denkbar, <strong>in</strong> dem ich nicht von anderen abhängig b<strong>in</strong>?<br />
Illustration: © iStock, bitontawan<br />
52 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>
STRATEGIE UND UNTERNEHMENSFÜHRUNG | THEMEN<br />
Vertrauen ist die Basis<br />
Wir vertrauen drauf, dass sie das richtig machen. Und sie<br />
vertrauen dem Computer, dass er das richtig und auf Dauer<br />
speichert. Und ich kann drauf vertrauen, dass ke<strong>in</strong> Unberechtigter<br />
Zugriff auf diesen E<strong>in</strong>trag hat. Mit den Leuten im<br />
Grundbuchamt habe ich dabei ke<strong>in</strong>en Kontakt. Das macht der<br />
Notar für 531 EUR. Dem Notar darf ich aber auch vertrauen.<br />
Nun baue ich e<strong>in</strong> Haus auf dem Grundstück, die andere Hälfte<br />
verkaufe ich. Im Grundbuch <strong>wir</strong>d das Grundstück <strong>in</strong> 2204/1<br />
und 2204/2 geteilt. Die Kosten von Notar und Grundbuchamt<br />
trägt <strong>in</strong> dem Fall der Käufer. Was der und se<strong>in</strong>e K<strong>in</strong>der mit<br />
der anderen Hälfte machen, geht mich nichts an. Ich sehe<br />
die zukünftigen E<strong>in</strong>träge im Grundbuch dazu nicht. Aber<br />
bei ihm und bei mir steht dr<strong>in</strong>, dass me<strong>in</strong> Großvater vor 60<br />
Jahren e<strong>in</strong>e Grunddienstbarkeit hat e<strong>in</strong>tragen lassen und<br />
deshalb die Telekom immer an das Kabel darf, das unter<br />
dem Grundstück liegt. Um genau zu erfahren, was da e<strong>in</strong>getragen<br />
ist, lasse ich mir e<strong>in</strong>en Grundbuchauszug kommen.<br />
Das kostet 18 EUR. Das gibt auf die Dauer e<strong>in</strong>e lange, auch<br />
recht unübersichtliche Kette von Vorgängen rund um me<strong>in</strong><br />
Grundstück. Kette heißt auf Englisch „cha<strong>in</strong>“.<br />
Die virtuelle Transaktionskette<br />
Nun haben schlaue Informatiker etwas<br />
ausgedacht, mit dem sich solche Ketten<br />
von Transaktionen auch anders realisieren<br />
lassen. Für jede Transaktion<br />
<strong>wir</strong>d e<strong>in</strong>e Art elektronisches Zertifikat<br />
angelegt. Im Fall me<strong>in</strong>es<br />
Grundstücks erhalte ich e<strong>in</strong><br />
solches, wenn me<strong>in</strong>e Eltern es<br />
mir schenken. Ich vergebe e<strong>in</strong><br />
nur mir bekanntes Passwort<br />
und schreibe mir die Nummer<br />
des Zertifikats auf. Wenn das<br />
Grundstück geteilt <strong>wir</strong>d, entstehen<br />
zwei solche Zertifikate.<br />
Me<strong>in</strong> altes kann ich vergessen.<br />
Wenn ich oder me<strong>in</strong><br />
Käufer später mal etwas zur<br />
Historie wissen müssen,<br />
gehen <strong>wir</strong> an den Computer,<br />
öffnen mit <strong>uns</strong>erem Passwort<br />
<strong>uns</strong>er Zertifikat und geben<br />
quasi e<strong>in</strong>en Suchauftrag.<br />
Da das Zertifikat e<strong>in</strong> Block <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>er Kette von Transaktionen<br />
ist, kann es sich entlang<br />
der Kette zurückhangeln, bis<br />
es zum Beispiel zu dem Block<br />
kommt, wo me<strong>in</strong> Großvater der<br />
Telekom versprochen hat, dass die<br />
auf Dauer an das Kabel darf. Was<br />
me<strong>in</strong> Großvater dafür bekommen<br />
hat, erfahre weder ich noch der Käufer<br />
der anderen Grundstückshälfte. An me<strong>in</strong>e Zertifikate komme<br />
ich immer, auch am Sonntagabend oder wenn ich im Hotel <strong>in</strong><br />
Pek<strong>in</strong>g b<strong>in</strong>. Welche Rolle <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em solchen System dann die<br />
Leute vom Grundbuchamt spielen und die Notare – darüber<br />
muss man sicher noch diskutieren. Sicherlich würd es aber<br />
Aus<strong>wir</strong>kungen auf ihr Geschäftsfeld haben.<br />
Technisch ist das alles heute schon möglich. Die Technologie<br />
heißt Blockcha<strong>in</strong> und <strong>wir</strong>d vermutlich sehr viele Lebens- und<br />
Geschäftsbereiche revolutionieren. Beim Grundbuch <strong>wir</strong>d<br />
es wohl noch sehr lange dauern. Das hat ja schließlich sehr<br />
viel mit Vertrauen zu tun. Und ich möchte da schon sicher<br />
se<strong>in</strong>, dass auf Dauer alle wissen, dass dieses tolle Grundstück<br />
mir gehört!<br />
Im F<strong>in</strong>anzsystem ist Blockcha<strong>in</strong> schon angekommen<br />
Die virtuelle Währung Bitco<strong>in</strong> ist e<strong>in</strong>e der ersten kommerziellen<br />
Anwendungen von Blockcha<strong>in</strong>. Der Nachweis, dass ich<br />
e<strong>in</strong>e Bitco<strong>in</strong> besitze, ist weder e<strong>in</strong>e Münze noch e<strong>in</strong> E<strong>in</strong>trag<br />
auf e<strong>in</strong>em Computer e<strong>in</strong>er Bank. Anders als im herkömmlichen<br />
Bankverkehr gibt es ke<strong>in</strong>e zentrale Abwicklungsstelle<br />
für Überweisungen. Jedes Mal wenn e<strong>in</strong>er dem anderen<br />
e<strong>in</strong>e Menge Bitco<strong>in</strong>s gibt, werden entsprechende E<strong>in</strong>träge<br />
<strong>in</strong> der Blockcha<strong>in</strong> gemacht. Mit Hilfe von hochsicheren Mechanismen<br />
im verteilten System <strong>wir</strong>d sichergestellt, dass<br />
Transaktionen mit Bitco<strong>in</strong>s nur vom jeweiligen Eigentümer<br />
vorgenommen und die Bitco<strong>in</strong>s nicht mehrfach ausgegeben<br />
werden können. Auch das unberechtigte Schaffen von Bitco<strong>in</strong>s<br />
ist ausgeschlossen: Falschgeld kann es nicht mehr geben.<br />
Im Kern funktioniert das so, dass alle Transaktionen bei<br />
allen an das System angeschlossenen Rechner gespeichert<br />
s<strong>in</strong>d. Würde man betrügen wollen, müsste man absolut zeitgleich<br />
auf allen Rechnern die Kette verfälschen – sonst würde<br />
der Betrug sofort auffallen. Den Zugang zu me<strong>in</strong>en Bitco<strong>in</strong>s<br />
erhalte ich über e<strong>in</strong>e elektronische Geldbörse (wallet), e<strong>in</strong>e<br />
passwortgeschützte App auf me<strong>in</strong>em Smartphone oder e<strong>in</strong><br />
Programm auf me<strong>in</strong>em PC. Inzwischen akzeptieren viele<br />
Unternehmen das Bezahlen mit Bitco<strong>in</strong>s, von der Pizzeria bis<br />
zum Onl<strong>in</strong>e-Dienst Threema. Ohne Geld, ohne Karte, ohne<br />
Bank dazwischen. Allerd<strong>in</strong>gs können Bitco<strong>in</strong>s bei Onl<strong>in</strong>e-Börsen<br />
gegen andere virtuelle Währungen getauscht werden.<br />
Auch e<strong>in</strong> Tausch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e „echte“ Währung ist möglich.<br />
Leider werden Bitco<strong>in</strong>s wegen der Anonymität der Transaktionen<br />
heute auch als Zahlmittel für Waffen sowie zur<br />
Abwicklung illegaler Drogengeschäfte genutzt. E<strong>in</strong> H<strong>in</strong>weis<br />
darauf, dass man auch im Fall der Blockcha<strong>in</strong> wie bei anderen<br />
Technologien e<strong>in</strong>e Nutzung für gesellschaftlich unerwünschte<br />
Anwendungen nicht ausschließen kann. Bei neueren<br />
Systemen <strong>wir</strong>d deshalb die Nachvollziehbarkeit e<strong>in</strong>zelner<br />
Transaktionen verbessert um sie bei e<strong>in</strong>em Verdacht zu<br />
nutzen. Natürlich unter Wahrung aller Datenschutz- und<br />
Persönlichkeitsrechte.<br />
Blockcha<strong>in</strong> macht vor dem Energiesystem nicht Halt<br />
Im Energiebereich s<strong>in</strong>d große Veränderungen im Gange.<br />
Früher war es normal, dass Strom <strong>in</strong> wenigen großen Kraft-<br />
www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />
53
THEMEN | STRATEGIE UND UNTERNEHMENSFÜHRUNG<br />
werken produziert wurde. Noch heute habe ich e<strong>in</strong>en Vertrag<br />
mit me<strong>in</strong>em Stadtwerk. Dieser regelt, dass die Stadtwerke<br />
e<strong>in</strong>en Teil des <strong>in</strong> Europa erzeugten Stroms kaufen und mir<br />
dann <strong>in</strong> der von mir benötigten Menge weiterverkaufen. Da<br />
der Strom e<strong>in</strong>e der wenigen Sachen ist, die ich mir nicht per<br />
Paketdienst liefern lassen kann, schickt ihn mir das Stadtwerk<br />
über das Netz. Dass das funktioniert, dafür sorgt e<strong>in</strong><br />
Netzbetreiber. In Rahmen der sogenannten Liberalisierung<br />
des Strommarkts wurde festgelegt, dass der Stromversorger<br />
und der Netzbetreiber nicht der Gleiche s<strong>in</strong>d. Aber ich<br />
darf darauf vertrauen, dass die das schon richtigmachen.<br />
Und drum zahle ich mit der Stromrechnung nicht nur gern<br />
den Strom, sondern auch e<strong>in</strong>e Gebühr für die Nutzung des<br />
Netzes. Ich zahle mit der Stromrechnung auch ziemlich viel<br />
Steuern, e<strong>in</strong>en Beitrag zur Energiewende und e<strong>in</strong> paar andere<br />
Sachen. Dass das alles se<strong>in</strong>e Ordnung hat, darüber wacht<br />
e<strong>in</strong>e Regulierungsbehörde.<br />
Stirbt der Stromhändler?<br />
Nun gibt es heute ganz viele Stromerzeugungsanlagen. Me<strong>in</strong><br />
Nachbar hat e<strong>in</strong>e auf dem Hausdach, mir gehört e<strong>in</strong> Teil e<strong>in</strong>er<br />
großen PV-Anlage auf e<strong>in</strong>em Feld. Andere Leute <strong>in</strong> <strong>uns</strong>erem<br />
Viertel haben sich schon Batterien gekauft, um auch <strong>in</strong> der<br />
Nacht den selbsterzeugten Strom zu nutzen. Andere haben<br />
e<strong>in</strong> sogenanntes Blockheizkraftwerk im Keller, mit dem sie<br />
gleichzeitig das Haus heizen und Strom erzeugen. Da fängt<br />
der Ärger aber schon an: die wollen heizen, brauchen aber<br />
den Strom nicht, der dabei zwangsläufig entsteht. Ich könnte<br />
den Strom aber gut brauchen, um me<strong>in</strong> Elektroauto zu laden.<br />
Das jetzige System hat dafür e<strong>in</strong>e funktionierende, aber doch<br />
etwas unbefriedigende Lösung: Wer Strom überhat, kippt ihn<br />
gewissermaßen <strong>in</strong> den großen Strom-See zu dem anderen<br />
Strom von den Großanlagen. Und wer grad zu wenig hat,<br />
kauft Strom vom Stadtwerk, das ihn letztlich aus diesem<br />
großen See entnimmt.<br />
Die Blockcha<strong>in</strong>-Leute würden das anders machen. Wenn<br />
ich zu wenig Strom habe, liefert ihn mir me<strong>in</strong> Nachbar. Der<br />
bekommt dafür e<strong>in</strong> Zertifikat darüber, dass er e<strong>in</strong>e bestimmte<br />
Menge Strom geliefert hat. Hat er dann selbst e<strong>in</strong>mal zu<br />
wenig, bekommt er ihn von e<strong>in</strong>em anderen Nachbarn aus<br />
<strong>uns</strong>erem Viertel. Nun erhält der e<strong>in</strong> Zertifikat. Wenn es zufällig<br />
die gleiche Menge Strom war, steht me<strong>in</strong> Nachbar damit<br />
quasi auf Null und ich schulde se<strong>in</strong>em anderen Nachbarn die<br />
Lieferung der entsprechenden Menge Strom. Dass das so ist,<br />
kann se<strong>in</strong> Nachbar mit se<strong>in</strong>em Zertifikat beweisen, denn es<br />
ist e<strong>in</strong> Block am Ende e<strong>in</strong>er zurück verfolgbaren Kette von<br />
Transaktionen. Nachdem es aber selten so ist, dass es zufällig<br />
um die gleiche Menge Strom geht, ist es wie bei me<strong>in</strong>em<br />
Grundstück: das Zertifikat <strong>wir</strong>d geteilt. In der Blockcha<strong>in</strong><br />
ist damit zu jedem Zeitpunkt klar, wer wieviel geliefert hat<br />
und wer noch zu liefern hat. Geld ist dabei nicht im Spiel. Es<br />
ist eher e<strong>in</strong> permanenter Austausch von Werten zwischen<br />
gleichberechtigten Partnern. Darum nennt man das auch<br />
Peer-to-Peer System. Es gibt ke<strong>in</strong>en, der als Händler dazwischensteht,<br />
ke<strong>in</strong>en der e<strong>in</strong>e Stromrechnung erstellt und<br />
ke<strong>in</strong>en der an e<strong>in</strong>er Geldüberweisung verdient. Gedanken<br />
muss man sich noch machen, wie zu verfahren ist, wenn<br />
die Bilanz e<strong>in</strong>iger Teilnehmer nie ausgeglichen werden kann.<br />
Gedanken muss man sich auch machen, ob die Lieferung<br />
von Strom zu jeder Tageszeit gleich viel Wert hat. Im e<strong>in</strong>en<br />
Fall kann man mehr Teilnehmer aufnehmen, im anderen so<br />
etwas wie Wertfaktoren e<strong>in</strong>bauen. Und wenn es gar nicht<br />
aufgeht, muss halt vorerst e<strong>in</strong> Ausgleich durch Aufnahme von<br />
Geldtransfers <strong>in</strong> die Blockcha<strong>in</strong> geschaffen werden.<br />
Die Blockcha<strong>in</strong> kann ke<strong>in</strong>e Energie transportieren<br />
Schwieriger zu lösen ist e<strong>in</strong> anderes Problem: auch ich kann<br />
den Strom nicht im Eimer zum Nachbarn tragen. Es geht nicht<br />
ohne Stromnetz und ohne Netzbetreiber. Ob sich das wohl<br />
auch über e<strong>in</strong>e Blockcha<strong>in</strong> lösen lässt? Vielleicht so, dass der<br />
Netzbetreiber e<strong>in</strong> Block-Zertifikat bekommt, wenn er me<strong>in</strong>en<br />
Strom zum Nachbarn durchlässt? Und mit diesem Zertifikat<br />
bezahlt, wenn er auf die Batterie me<strong>in</strong>es Nachbarn zugreift,<br />
damit die anfängt zu laden, wenn sonst das Netz mit zu viel<br />
Strom überlastet würde?<br />
Bis das alles funktioniert, ist es noch e<strong>in</strong> weiter Weg. Aber viele<br />
glauben, dass die Blockcha<strong>in</strong>-Technologie auch im Energiebereich<br />
e<strong>in</strong>e Rolle spielen <strong>wir</strong>d. Nicht nur e<strong>in</strong> paar technikverliebte<br />
Informatiker, sondern auch die ersten Stromversorger<br />
und Netzbetreiber schauen sich die Sache an. Jedenfalls ist<br />
das alles so <strong>in</strong>teressant, dass sich fast 500 Menschen aus<br />
aller Welt <strong>in</strong> <strong>Wie</strong>n versammelt haben, um die Chancen und<br />
Herausforderungen zu diskutieren. Auffallend jung war die<br />
Gruppe von Informatikern, Energie<strong>wir</strong>tschaftlern und Investoren.<br />
In der Pause gab‘s grüne Smoothies und Powerdr<strong>in</strong>ks,<br />
frische Äpfel und vegane Suppe. Entsprechend spürbar war<br />
die Aufbruchsstimmung. Fast wie <strong>in</strong> Silicon Valley.<br />
Es funktioniert schon ganz gut<br />
Zuerst e<strong>in</strong>mal war da die Frage, wie die riesig große Menge<br />
von Transaktionen abgewickelt werden soll. Hier entwickelt<br />
die Blockcha<strong>in</strong>-Technologie e<strong>in</strong>e ihrer größten Stärken. Die<br />
Abwicklung können „Autonome Agenten“ übernehmen. Das<br />
s<strong>in</strong>d kle<strong>in</strong>e Computer oder Computerprogramme auf größeren<br />
Computern, die <strong>in</strong> me<strong>in</strong>em Namen handeln, wenn ich<br />
sie dazu autorisiert habe. Sie s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> der Lage untere<strong>in</strong>ander<br />
Verträge über kle<strong>in</strong>ste Transaktionen abzuschließen und<br />
kommunizieren dazu über sichere Kommunikationsschnittstellen.<br />
E<strong>in</strong>drucksvoll gezeigt wurde das von bankymoon,<br />
e<strong>in</strong>er Firma, die Bezahlsysteme ohne Geld für Afrika entwickelt.<br />
E<strong>in</strong>e Schule <strong>in</strong> Zimbabwe hat meist zu wenig Geld<br />
um die K<strong>in</strong>der zu verköstigen und auch noch Strom für die<br />
Klassenzimmerbeleuchtung zu kaufen. Sie ist über e<strong>in</strong>en<br />
Agenten an e<strong>in</strong>e Blockcha<strong>in</strong> mit Sponsoren angeschlossen.<br />
Bei e<strong>in</strong>er Konferenz <strong>in</strong> Berkley wurde für die Beleuchtung<br />
der Schule gespendet. Der Agent <strong>in</strong> Berkley <strong>in</strong>formierte den<br />
elektronischen Kollegen <strong>in</strong> Afrika und schon nach wenigen<br />
Sekunden g<strong>in</strong>g das Licht im Klassenzimmer an. Könnte man<br />
sich vorstellen, dass so e<strong>in</strong> Licht-anmach-und-bezahl-Agent<br />
auf me<strong>in</strong>em Smartphone wäre? Wenn ich dann durch e<strong>in</strong>e<br />
54 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>
TEXT | THEMEN<br />
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<strong>Nachhaltig</strong>keit auf ganzer L<strong>in</strong>ie.<br />
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55
THEMEN | STRATEGIE UND UNTERNEHMENSFÜHRUNG<br />
dunkle Straße gehe und mich ängstige, kann der den Kollegen<br />
<strong>in</strong> der Straßenlaterne veranlassen, das Licht anzumachen.<br />
Wenn die Straßenlaterne zur gleichen Blockcha<strong>in</strong> gehört wie<br />
die Batterie me<strong>in</strong>es Nachbarn, kann me<strong>in</strong> Agent mit dem<br />
Zertifikat zahlen, das ich bekommen habe, als ich gestern<br />
bei Sonnensche<strong>in</strong> den Überschuss von me<strong>in</strong>er Solaranlage<br />
<strong>in</strong> se<strong>in</strong>e Batterie gegeben habe. Und irgendwie brennt jetzt<br />
doch die Straßenlaterne mitten <strong>in</strong> der Nacht mit me<strong>in</strong>em<br />
Solarstrom, oder? Und ke<strong>in</strong>er schickt mir e<strong>in</strong>e Rechnung.<br />
Fortschrittliche Stromversorger s<strong>in</strong>d schon dabei<br />
<strong>Wie</strong> man die Sache mit dem Zusammenspiel e<strong>in</strong>er<br />
Strom-Blockcha<strong>in</strong> mit dem wie gesagt notwendigen Netzbetreiber<br />
gestalten kann, dazu berichtete Éric Larchevêque<br />
vom Australischen Unternehmen Ledger. Dort gel<strong>in</strong>gt es mit<br />
PowerLedger schon, dass private Stromerzeuger ihren Strom<br />
mittels e<strong>in</strong>er Blockcha<strong>in</strong> und unter Nutzung des vorhandenen<br />
Netzes direkt an spezielle Abnehmer vertreiben. Auch <strong>in</strong><br />
Europa tut sich schon E<strong>in</strong>iges. VUB <strong>in</strong> Belgien hat NRGCo<strong>in</strong><br />
entwickelt, e<strong>in</strong>e Währung für Erneuerbare Energien, mit der<br />
man sogar die Netzdurchleitungsgebühr bezahlen kann. <strong>Wie</strong>n<br />
Energie testet die Lösungen der kanadischen Firma BTL, RWE<br />
b<strong>in</strong>det se<strong>in</strong>e E-Fahrzeug-Ladestationen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Blockcha<strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>. Dass man sogar e<strong>in</strong>en sogenannten Kapazitätsmarkt<br />
und Realzeit-Marktplätze für das Handeln von Flexibilitäten<br />
im Stromverbrauch mit Blockcha<strong>in</strong>s bauen kann – davon<br />
ist auch Manuel Sánchez Jimenéz von der EU Kommission<br />
überzeugt. Genauso wie die junge EU-Parlamentarier<strong>in</strong> Eva<br />
Kaili, die dafür sorgt, dass solche Ansätze auch von der EU<br />
gefördert werden.<br />
Erste reale E<strong>in</strong>sätze im Energiebereich könnte die Blockcha<strong>in</strong>-Technologie<br />
wohl im Bereich der Versorgung von mehreren<br />
Parteien <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Haus mit Strom vom geme<strong>in</strong>samen<br />
Dach erhalten. Ob Mieterstrom oder Inhouse-Flatrate – die<br />
Blockcha<strong>in</strong> ist e<strong>in</strong> sicheres Medium um die e<strong>in</strong>zelnen Verbräuche<br />
zu erfassen und gegene<strong>in</strong>ander zu verrechnen. Geld<br />
muss dabei nicht im Spiel se<strong>in</strong>. Das erleichtert den Betrieb<br />
e<strong>in</strong>es solchen Systems auch bei den gegebenen Restriktionen<br />
seitens der Regulierungsbehörden. An dieser Stelle setzt e<strong>in</strong>e<br />
ganze Reihe deutscher Startups an, z. B. slock.it oder freell.io.<br />
Blockcha<strong>in</strong>s für die <strong>Nachhaltig</strong>keit des Energiesystems<br />
<strong>Wie</strong> könnte nun so e<strong>in</strong>e schöne neue Energiewelt mit<br />
Blockcha<strong>in</strong>s entstehen? Zuerst e<strong>in</strong>mal muss sichergestellt<br />
se<strong>in</strong>, dass die zugrundeliegende Hardware und Software<br />
ordnungsgemäß funktioniert. Da es ke<strong>in</strong>en Zentralrechner<br />
gibt, über den alle Agenten zusammengeschlossen s<strong>in</strong>d, gibt<br />
es schon mal nicht diesen e<strong>in</strong>en Ort, bei dessen Ausfall das<br />
gesamte System zusammenbrechen würde. Alle Agenten<br />
zusammen bilden gewissermaßen das Betriebssystem für<br />
die Blockcha<strong>in</strong>, also so etwas wie W<strong>in</strong>dows oder Android,<br />
aber komplett verteilt auf Tausende von Computer. Ob die<br />
App auf diesem Betriebssystem dann e<strong>in</strong>e Grundbuch-Kette<br />
aufbaut oder e<strong>in</strong>e Peer-to-Peer-Stromversorgung, das ist fast<br />
egal. Hauptsache die verteilte Blockcha<strong>in</strong>-Plattform erfüllt<br />
die 5-T-Anforderung: trustable, traceable, time-stamped,<br />
transparent transactions. Die Programmierer von Anwendungen<br />
werden dadurch quasi geh<strong>in</strong>dert, Anwendungen<br />
zu realisieren, bei denen die Teilnehmer betrogen werden.<br />
Spätestens wegen der Anforderung „traceable“ (komplett<br />
rückverfolgbar) wäre jeder Betrug schnell aufzuklären.<br />
Trotzdem bleibt die Frage: wer stellt sicher, dass die Blockcha<strong>in</strong>-Plattform<br />
den Anforderungen genügt? Wer setzt sie<br />
erstmals auf, bevor sich dann viele Teilnehmer nach klaren<br />
Spielregeln anschließen können? Wer hat noch e<strong>in</strong>e Lösung,<br />
wenn sich die Energiebilanz <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Strom-Blockcha<strong>in</strong> nicht<br />
ausgleichen lässt? Wird es noch e<strong>in</strong>e Regulierungsbehörde<br />
geben und wenn ja, was s<strong>in</strong>d ihre Aufgaben?<br />
Um hier zu befriedigenden Antworten zu kommen, hat sich<br />
die Energy Web Foundation, e<strong>in</strong>e weltweit operierende,<br />
non-for-profit NGO, gegründet (www.energyweb.org). Federführend<br />
war dabei das Rocky Mounta<strong>in</strong> Institute, dessen<br />
Leiter Amory Lov<strong>in</strong>s ja schon so weitblickende Werke wie<br />
„Faktor 4“ oder „Natural Capitalism - Creat<strong>in</strong>g the Next<br />
Industrial Revolution“ veröffentlich hat. Maßgeblich dabei<br />
auch die Firma GridS<strong>in</strong>gularity, deren Gründer Ewald Hesse<br />
und Gav<strong>in</strong> Wood als zentrale Köpfe bei der Entwicklung von<br />
Energy Blockcha<strong>in</strong>s gelten.<br />
Es geht dabei um nicht mehr und nicht weniger als die Frage,<br />
ob und wie sich <strong>uns</strong>er gesamtes System der Energieversorgung<br />
– im Bereich Technik wie im Bereich Markt – anders<br />
gestalten lässt als bisher. Natürlich <strong>wir</strong>d es weiterh<strong>in</strong> Leitungen<br />
zum Transportieren von Strom geben. Aber die werden<br />
wohl nicht mehr e<strong>in</strong> hierarchisches E<strong>in</strong>sammel- und Verteilungssystem<br />
se<strong>in</strong>. Mit der Blockcha<strong>in</strong> lassen sich zellulare<br />
Systeme bauen (wie z. B. im Projekt c/sells) oder ganz neue<br />
Konzepte wie das Holare Modell (im Projekt PolyEnergyNet).<br />
Zuverlässig, transparent und kostengünstig.<br />
Die Energy Web Foundation denkt nun wie auch viele <strong>in</strong>novative<br />
Kräfte <strong>in</strong> Deutschland und Europa bereits über die<br />
Veränderungen <strong>in</strong> den Rollen der bisherigen Akteure nach.<br />
<strong>Wie</strong> die virtuelle Bitco<strong>in</strong>-Währung derzeit die F<strong>in</strong>anzwelt<br />
durchrüttelt, so fragen sich nun auch die Akteure im Energiebereich,<br />
was mit den vielen <strong>in</strong>novativen Startups auf sie<br />
zukommt. Es <strong>wir</strong>d noch e<strong>in</strong>e Zeit dauern, bis <strong>wir</strong> zum neuen<br />
Transaktionssystem so viel Vertrauen haben wie bisher zu<br />
den Banken, Rechtsanwälten, Notaren, Stadtwerken und<br />
Regulierern. Aber die Menschen auf dem Kongress <strong>in</strong> <strong>Wie</strong>n<br />
haben so viel Energie ausgestrahlt, dass man gern glaubt,<br />
dass sie <strong>in</strong> den nächsten Jahren alles auf den Kopf stellen.<br />
Energie 4.0 steht vor den Toren – auch wenn e<strong>in</strong>ige es nicht<br />
glauben. So etwas gab es schon e<strong>in</strong>mal und es g<strong>in</strong>g schnell,<br />
wie diese beiden Bilder vom Aufkommen des Automobils<br />
beweisen.<br />
LUDWIG KARG<br />
ist Gesellschafter-Geschäftsführer der B.A.U.M. Consult GmbH<br />
Müchen/Berl<strong>in</strong> und Chairman von INEM. Mit se<strong>in</strong>em Team berät<br />
er Unternehmen und entwickelt <strong>in</strong> großen Projekten Lösungen für<br />
e<strong>in</strong>e nachhaltige Versorgung mit Material, Mobilität und Energie.<br />
56 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>
STRATEGIE UND UNTERNEHMENSFÜHRUNG | THEMEN<br />
Auf den Menschen kommt es an: Die Arbeitsweise des Design Th<strong>in</strong>k<strong>in</strong>g-Ansatzes fördert kreative, <strong>in</strong>novative Ideen und macht Spaß.<br />
DESIGN THINKING<br />
Innovation auf dem Siegeszug<br />
Aus dem Zusammenspiel von Kreativitätstechniken, positivem Arbeitsklima und strukturiertem Prozess<br />
entstehen mit Design Th<strong>in</strong>k<strong>in</strong>g <strong>in</strong>novative und nutzerzentrierte Lösungen. Was liegt näher, als diesen<br />
Ansatz im Bereich <strong>Nachhaltig</strong>keit gezielt zu nutzen.<br />
Von Fritz Lietsch<br />
Foto: © Jan von der Heyde<br />
Der Ansatz Design Th<strong>in</strong>k<strong>in</strong>g ist e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d des Silicon Valley. Als<br />
Eltern gelten die Design-Agentur IDEO und die renommierte<br />
Stanford University. E<strong>in</strong> wichtiger Geburtshelfer: Hasso<br />
Plattner, der die Entwicklung der Idee nach Kräften fördert.<br />
Seit 2005 <strong>wir</strong>d <strong>in</strong> Stanford an der d.school unter der Leitung<br />
des IDEO-Gründers David Kelley Design Th<strong>in</strong>k<strong>in</strong>g gelehrt und<br />
munter geforscht. Seit 2007 auch am Schwester<strong>in</strong>stitut <strong>in</strong><br />
Deutschland, der HPI D-School <strong>in</strong> Potsdam unter Leitung von<br />
Professor Ulrich We<strong>in</strong>berg und Dr. Claudia Nicolai. Maßgeblich<br />
verantwortlich dafür ist die Stiftung des SAP-Gründers<br />
Hasso Plattner. Die <strong>in</strong>zwischen dritte von ihm f<strong>in</strong>anzierte<br />
School of Design Th<strong>in</strong>k<strong>in</strong>g öffnete erst kürzlich Anfang <strong>2017</strong><br />
<strong>in</strong> Kapstadt ihre Pforten.<br />
Das Ausbildungsprogramm zum Design Th<strong>in</strong>k<strong>in</strong>g f<strong>in</strong>det <strong>in</strong> der<br />
Wirtschaft großen Anklang. Über die Hälfte der DAX30-Unternehmen<br />
hatten bereits Projekte mit der Potsdamer<br />
Innovationsschmiede. Neben dem Angebot für Studenten<br />
etablierte sich <strong>in</strong> Potsdam e<strong>in</strong>e Ausbildungsakademie für<br />
Professionals, die die Universität schon vor mehr als e<strong>in</strong>em<br />
Jahr verlassen haben. Immer mehr Unternehmen lassen<br />
ihre Mitarbeiter nun auch direkt am Hasso-Plattner-Institut<br />
Lehrgänge besuchen.<br />
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57
THEMEN | STRATEGIE UND UNTERNEHMENSFÜHRUNG<br />
Schritt für Schritt: E<strong>in</strong> mehrstufiges Verfahren sorgt dafür, dass nicht am Nutzer vorbei entwickelt <strong>wir</strong>d. Durch den Bau von Prototypen <strong>wir</strong>d<br />
der Projektfortschritt laufend getestet.<br />
Inzwischen f<strong>in</strong>den sich Ausbildungsangebote für Design<br />
Th<strong>in</strong>k<strong>in</strong>g auch bei e<strong>in</strong>er Vielzahl privater und universitärer<br />
Institutionen, zum Beispiel <strong>in</strong> Karlsruhe, St. Gallen, Paris und<br />
Moskau. Ebenso gibt es offene Onl<strong>in</strong>e-Kurse zum nutzerzentrierten<br />
Design. In Potsdam, dem europäischen Epizentrum<br />
der Design Th<strong>in</strong>k<strong>in</strong>g-Bewegung, treffen sich im Sommer<br />
<strong>2017</strong> viele der Experten beim d.confestival. Zur Feier des<br />
zehnjährigen Bestehens der Potsdamer HPI School of Design<br />
Th<strong>in</strong>k<strong>in</strong>g werden dort mehr als 1.000 Teilnehmer erwartet.<br />
Vielfalt als Schlüssel zum Erfolg<br />
Die Vielfalt ist e<strong>in</strong> wichtiger Schlüssel zum Erfolg des Design<br />
Th<strong>in</strong>k<strong>in</strong>g. Die Methoden und die Arbeitsweise bedienen<br />
sich aus den verschiedensten Bereichen. An agiles Management<br />
er<strong>in</strong>nern zum Beispiel die kurzen Entwicklungszyklen<br />
sowie die schnelle Anpassung an Veränderungen und neue<br />
Erkenntnisse. Die verwendeten Kreativitätstechniken und<br />
Bra<strong>in</strong>storm<strong>in</strong>g-Methoden s<strong>in</strong>d teilweise auch Designern<br />
bekannt, die mit Design Th<strong>in</strong>k<strong>in</strong>g bisher nichts zu tun hatten.<br />
Ansätze der ethnografischen Forschung f<strong>in</strong>den E<strong>in</strong>satz bei der<br />
Suche nach dem Verständnis für die Bedürfnisse der Nutzer.<br />
Die Kultur der Zusammenarbeit ist bee<strong>in</strong>druckend positiv<br />
und er<strong>in</strong>nert an die Ansätze von Marshall B. Rosenberg zur<br />
gewaltfreien Kommunikation. Und last but not least werden<br />
im Design Th<strong>in</strong>k<strong>in</strong>g Teams zusammengestellt, die <strong>in</strong> Alter,<br />
Fachrichtung und Kultur so divers wie möglich s<strong>in</strong>d. Erst<br />
durch das Zusammenkommen von verschiedenem Wissen<br />
und unterschiedlichen Denkweisen entsteht e<strong>in</strong> vernetztes,<br />
vielfältiges Denken, welches <strong>in</strong>novative<br />
Problemlösungen hervorbr<strong>in</strong>gen<br />
soll.<br />
Die Zutaten für Innovation:<br />
People – Place – Process<br />
Diese heterogenen Teams suchen<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em mehrstufigen Prozess<br />
von bis zu sechs Phasen Lösungen<br />
für komplexe Aufgabenstellungen.<br />
In der Verstehensphase <strong>wir</strong>d das<br />
notwendige Verständnis für die Aufgabenstellung, das Thema<br />
und den Kontext, <strong>in</strong> den die Aufgabenstellung e<strong>in</strong>gebettet ist,<br />
geschaffen. Da der Nutzer im Zentrum steht, <strong>wir</strong>d dieser <strong>in</strong><br />
der Beobachtungsphase befragt und beobachtet. Verständnis<br />
für den Nutzer und se<strong>in</strong>e Bedürfnisse kann auch aufgebaut<br />
werden, <strong>in</strong>dem dessen Per spektive e<strong>in</strong>genommen <strong>wir</strong>d – die<br />
Design Th<strong>in</strong>ker versetzen sich dabei buchstäblich „<strong>in</strong> die<br />
Schuhe“ des Nutzers, werden damit emotional zum Nutzer.<br />
Die Synthesephase trägt die gewonnenen Erkenntnisse<br />
zusammen, es entsteht e<strong>in</strong> Bild vom großen Ganzen. In<br />
diesem Schritt <strong>wir</strong>d e<strong>in</strong>e sogenannte „Persona“ geschaffen,<br />
e<strong>in</strong> fiktiver oder realer Nutzer, der fortan im Zentrum aller<br />
weiteren Überlegungen steht. Für diese Persona werden<br />
die weiteren Lösungen entwickelt. In e<strong>in</strong>er Mischung aus<br />
wilder Kreativität und strukturiertem Arbeiten werden <strong>in</strong> der<br />
Ideenphase Lösungen erzeugt. Die Inspirationen kommen<br />
aus analogen Kontexten, aus dem Alltag des Nutzers und<br />
manchmal auch aus der Natur.<br />
Die Ideen werden zum Leben erweckt und auf e<strong>in</strong>fachste<br />
Art und Weise als Prototypen aus Materialen wie Pappe,<br />
Knete und Lego-Bauste<strong>in</strong>en gebaut. Durch dieses „Denken<br />
mit den Händen“ s<strong>in</strong>d die Ideen tast-, test- und erlebbar und<br />
entwickeln sich beim Bauen weiter.<br />
Und damit ist man bei der letzten und damit oftmals auch<br />
wieder ersten Phase im 2. Zyklus des Entwicklungsprozesses,<br />
dem Testen: Die prototypisch umgesetzten Ideen werden<br />
von Nutzern getestet. Das Feedback entscheidet meist darüber,<br />
wie viele Phasen man „zurückgehen“ muss und<br />
bei welcher Phase im Design-Prozess wieder<br />
e<strong>in</strong>gesetzt und damit fortgesetzt <strong>wir</strong>d:<br />
Verbesserung oder Verwerfen<br />
des Prototypen, erneutes<br />
Befragen von Nutzern oder<br />
Schaffen e<strong>in</strong>er neuen Persona.<br />
Der Ort des Geschehens <strong>wir</strong>d<br />
ebenfalls als Schlüssel zum erfolgreichen<br />
Innovieren gesehen.<br />
E<strong>in</strong> angenehmes Arbeitsklima, flexi-<br />
Illustrationen: © Protellus<br />
58 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>
Stelldiche<strong>in</strong> der Design Th<strong>in</strong>k<strong>in</strong>g-Bewegung: Beim d.confestival <strong>in</strong> Potsdam werden dieses Jahr mehr als 1.000 Besucher erwartet. Zu feiern<br />
gibt es das zehnjährige Bestehen der Potsdamer HPI School of Design Th<strong>in</strong>k<strong>in</strong>g.<br />
Fotos: © HPI School of Design Th<strong>in</strong>k<strong>in</strong>g, Kay Herschelmann | unten rechts: © Jan von der Heyde<br />
bles Mobiliar wie Whiteboards auf Rollen, Post-Its und e<strong>in</strong>e<br />
kreativitätsfördernde und menschenfreundliche Umgebung<br />
s<strong>in</strong>d die physikalische Grundlage für erfolgreiches Arbeiten,<br />
wenn nötig auch abgelöst von Exkursionen <strong>in</strong> die Praxis.<br />
Aufgabenstellungen aus allen Bereichen des Lebens<br />
Design Th<strong>in</strong>k<strong>in</strong>g präsentiert sich damit als ausgesprochene<br />
Universalmethode: Software-Lösungen, und physische<br />
Produkte können ebenso entwickelt werden wie<br />
Dienstleistungen und Prozessabläufe. Auch komplexe<br />
Fragestellungen, wie: „<strong>Wie</strong> kann jungen Flüchtl<strong>in</strong>gen das<br />
nicht gerade selbsterklärende deutsche Müllsystem näher<br />
gebracht werden?“ werden mit der Methode leichter<br />
lösbar. E<strong>in</strong> Design Th<strong>in</strong>k<strong>in</strong>g-Team bekam die Aufgabe, auf<br />
diese Frage e<strong>in</strong>e Antwort zu f<strong>in</strong>den. Projektpartner war<br />
e<strong>in</strong>e Flüchtl<strong>in</strong>gsunterkunft <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>, der dortige Umgang<br />
mit Müll e<strong>in</strong> großes Problem. Entwickelt wurden unter<br />
anderem Mülleimer <strong>in</strong> Gestalt freundlicher Müllmonster,<br />
um spielerisch das Trennen von Müll attraktiv zu machen.<br />
Allerd<strong>in</strong>gs war das Spielen mit den Müll-Monster derart<br />
anziehend, dass von den K<strong>in</strong>dern sogar absichtlich mehr<br />
Müll produziert wurde. So etwas fällt normalerweise<br />
erst auf, wenn das Produkt im Alltag getestet <strong>wir</strong>d. Im<br />
Design Th<strong>in</strong>k<strong>in</strong>g erfolgt dieser Schritt schon sehr früh<br />
unter Nutzung des funktionalen Prototypen. Genau diese<br />
e<strong>in</strong>fachen Prototypen und mehrere kurze Zyklen der Weiterentwicklung<br />
helfen, dem perfekten Produkt schneller<br />
nahezukommen. Aber hätte es hier nicht auch ohne Design<br />
Th<strong>in</strong>k<strong>in</strong>g ähnliche Ergebnisse geben können?<br />
Gut möglich. Dieses Projektbeispiel ist allerd<strong>in</strong>gs vor allem<br />
aus e<strong>in</strong>em anderen Grund spannend. Das Projektteam hatte<br />
<strong>in</strong> diesem Fall e<strong>in</strong> besonderes H<strong>in</strong>dernis zu überw<strong>in</strong>den: Es<br />
ist nicht leicht, sich <strong>in</strong> junge Flüchtl<strong>in</strong>ge h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>zuversetzen.<br />
Durchaus e<strong>in</strong>e große Herausforderung, wenn eben nutzerzentriert<br />
gestaltet werden soll. Das Design Th<strong>in</strong>k<strong>in</strong>g-Team<br />
führte viele Gespräche mit den Bewohnern der E<strong>in</strong>richtung.<br />
Auch verbrachte es selbst nicht nur e<strong>in</strong>ige Tage, sondern<br />
auch Nächte <strong>in</strong> der Unterkunft, um zu verstehen, wie sich<br />
die jungen Flüchtl<strong>in</strong>ge dort fühlten. Resultat war die E<strong>in</strong>sicht,<br />
dass fehlendes Wissen über e<strong>in</strong> Mülltrennungssystem noch<br />
das ger<strong>in</strong>gste Problem war. Vielmehr waren es der Mangel<br />
an Privatsphäre und die unklare <strong>Zukunft</strong>sperspektive, die<br />
die Bewohner so sehr beschäftigten, dass das Thema Müll<br />
kaum Beachtung fand. Entwickelt wurde daraufh<strong>in</strong> e<strong>in</strong> Trennwandsystem,<br />
das Rückzugsmöglichkeiten, Schallschutz und<br />
Privatsphäre <strong>in</strong> der großen Halle bieten sollte. Dies erwies<br />
sich als e<strong>in</strong> wichtiger Schritt h<strong>in</strong> zur Lösung des ursprünglichen<br />
Müllproblems. Erst der Blick auf das große Ganze und<br />
auf die tatsächlichen Bedürfnisse der Nutzer verh<strong>in</strong>dert, dass<br />
mit bester Absicht <strong>wir</strong>kungslose Innovationen geschaffen<br />
werden.<br />
Design Th<strong>in</strong>k<strong>in</strong>g für nachhaltige Entwicklung<br />
Véronique Hillen, die Leiter<strong>in</strong> der Paris Est d.school, legt<br />
besondere Hoffnung <strong>in</strong> Design Th<strong>in</strong>k<strong>in</strong>g, wenn es um <strong>Nachhaltig</strong>keit<br />
geht. In Paris spezialisierte sich ihre Institution<br />
auf bestimmte Exzellenzfelder, darunter unter anderem<br />
<strong>in</strong>klusives Design sowie partizipatives Design für nachhaltige<br />
Stadtentwicklung. Deshalb sieht die Stanford Gast-Professor<strong>in</strong><br />
Design Th<strong>in</strong>k<strong>in</strong>g noch nicht am Ende se<strong>in</strong>er Entwicklung:<br />
„Es muss <strong>uns</strong> gel<strong>in</strong>gen, Design Th<strong>in</strong>k<strong>in</strong>g so zu gestalten, dass<br />
<strong>wir</strong> damit neue Aufgaben, etwa <strong>in</strong> Fragen der <strong>Nachhaltig</strong>keit<br />
und der globalen Entwicklung, lösen können. Das s<strong>in</strong>d große<br />
Aufgaben, denen <strong>wir</strong> <strong>uns</strong> stellen sollten“. Auch die Berl<strong>in</strong>er<br />
Agentur Protellus ist begeistert von der Idee, <strong>Nachhaltig</strong>keit<br />
und Design Th<strong>in</strong>k<strong>in</strong>g so zu verb<strong>in</strong>den, dass damit Ideen,<br />
Problemlösungen, Dienstleistungen und Produkte entstehen,<br />
die gut s<strong>in</strong>d für people, planet, profit.<br />
Siehe dazu das <strong>forum</strong> Interview auf der nächsten Seite.<br />
www.schoolofdesignth<strong>in</strong>k<strong>in</strong>g.de<br />
www.dschool.stanford.edu<br />
www.ideo.com<br />
www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />
59
THEMEN | STRATEGIE UND UNTERNEHMENSFÜHRUNG<br />
DESIGN THINKING<br />
E<strong>in</strong> Schlüssel zur <strong>Nachhaltig</strong>keit?<br />
Design Th<strong>in</strong>k<strong>in</strong>g erobert die <strong>in</strong>ternationale Geschäftswelt: AirBNB, Telekom, Deutsche Bahn und Bayer –<br />
sie alle setzen schon auf den <strong>in</strong>novativen Ansatz. Doch kann diese Methode auch e<strong>in</strong>en Beitrag zur nachhaltigen<br />
Entwicklung <strong>in</strong> Unternehmen leisten? <strong>forum</strong> befragte dazu Design Th<strong>in</strong>k<strong>in</strong>g Spezialist Kilian Karg.<br />
Herr Karg, alle Welt redet von<br />
Design Th<strong>in</strong>k<strong>in</strong>g (DT). Was macht<br />
diese Methode so besonders?<br />
Das Besondere ist für mich die klare<br />
Ausrichtung auf den Nutzer bei<br />
der Produktentwicklung. Ebenso<br />
die kreative Arbeitsweise und die<br />
starke Teamorientierung. Statt im<br />
Büro herumzusitzen, nutzen <strong>wir</strong> e<strong>in</strong><br />
flexibles Arbeitsumfeld: Tische und<br />
Whiteboards auf Rollen, visuelles<br />
Arbeiten im Stehen, viel Freiraum für eigene und <strong>in</strong>novative<br />
Ideen. Idealerweise arbeitet im Team die<br />
italienische Ingenieur<strong>in</strong> neben dem ch<strong>in</strong>esischen<br />
Designer, dem deutschen Ökonomen<br />
und der <strong>in</strong>dischen Psycholog<strong>in</strong>.<br />
Um Ideen besser greifbar zu machen,<br />
<strong>wir</strong>d auch schon mal mit Lego oder<br />
Plastil<strong>in</strong> gebaut. Das Arbeiten mit DT<br />
macht ausgesprochen Spaß.<br />
Ihre Agentur ist auf das Thema<br />
<strong>Nachhaltig</strong>keit spezialisiert – welche<br />
Chancen bietet DT dafür?<br />
Im klassischen Design Th<strong>in</strong>k<strong>in</strong>g entsteht<br />
e<strong>in</strong>e Innovation <strong>in</strong> der Schnittmenge<br />
von menschlicher<br />
Erwünschtheit, technischer<br />
Machbarkeit und <strong>wir</strong>tschaftlicher<br />
Rentabilität. Wenn <strong>wir</strong><br />
hier noch die Umwelt- und<br />
Design Th<strong>in</strong>k<strong>in</strong>g (DT) fördert <strong>Nachhaltig</strong>keit<br />
Denn es kann – nach Ansicht der Experten von Protellus:<br />
1. Design-Desaster verh<strong>in</strong>dern<br />
2. Generationengerechtigkeit fördern<br />
3. Rebound-Effekte verh<strong>in</strong>dern<br />
4. Ressourcen schonen<br />
5. alle Arten von Unternehmen zu <strong>in</strong>novativem, nachhaltigem<br />
Handeln führen<br />
www.protellus.de<br />
Sozialverträglichkeit berücksichtigen, bieten sich mit DT<br />
großartige Chancen für nachhaltige Innovationen. DT zieht<br />
viele kluge, offene und kreative Menschen <strong>in</strong>sbesondere<br />
aus der Startup-Szene an. Und diese Generation stellt sich<br />
immer öfter auch die Frage: ‚Welche Aus<strong>wir</strong>kungen hat e<strong>in</strong><br />
Produkt auf Umwelt und Gesellschaft?‘<br />
Ist Design Th<strong>in</strong>k<strong>in</strong>g also e<strong>in</strong>e Methode, die zu besonders<br />
nachhaltigen Lösungen führt?<br />
Ich b<strong>in</strong> davon überzeugt, dass DT eigentlich wie dafür geschaffen<br />
ist. In Methode und M<strong>in</strong>dset steckt alles, was man<br />
braucht, um gezielt nachhaltige Lösungen zu entwickeln.<br />
Man muss dieses Potential aber bewusst<br />
heben.<br />
Können Sie <strong>uns</strong> e<strong>in</strong> Beispiel für e<strong>in</strong>e<br />
aus dem Design Th<strong>in</strong>k<strong>in</strong>g-Ansatz<br />
hervorgegangene nachhaltige Innovation<br />
nennen?<br />
Studenten der Stanford d.school<br />
haben mit d.light e<strong>in</strong>e Solarlampe<br />
für den E<strong>in</strong>satz <strong>in</strong> ärmeren Ländern<br />
entwickelt, um die dort üblichen<br />
Keros<strong>in</strong>lampen zu ersetzen. Die Frage<br />
lautete hier: ‚<strong>Wie</strong> kann man Menschen<br />
<strong>in</strong> ländlichen Gegenden ohne<br />
Stromanschluss mit preisgünstigen<br />
und ökologisch verträglichen Strom- und<br />
Lichtquellen ausstatten?‘ Die Antwort war e<strong>in</strong><br />
Produkt, das überall e<strong>in</strong>setzbar, transportabel, sicher<br />
und für alle erschw<strong>in</strong>glich ist – und dabei noch die Umwelt<br />
schont. Gleichzeitig ist d.light auch e<strong>in</strong>e soziale Innovation,<br />
denn es schafft unglaublich vielen Menschen Zugang zu e<strong>in</strong>er<br />
verlässlichen Lichtquelle und wurde mittlerweile schon<br />
über 12 Millionen mal <strong>in</strong> Afrika, Ch<strong>in</strong>a, Südostasien und den<br />
USA verkauft.<br />
Herr Karg, <strong>wir</strong> danken für das Gespräch<br />
Die ausführliche Version <strong>uns</strong>eres Interviews<br />
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Der Konzern erzielte 2016 mit se<strong>in</strong>en fünf Divisionen<br />
Chassis & Safety, Interior, Powertra<strong>in</strong>, Reifen und ContiTech<br />
e<strong>in</strong>en Umsatz von 40,5 Milliarden Euro und beschäftigt<br />
aktuell mehr als 220.000 Mitarbeiter <strong>in</strong> 56 Ländern.<br />
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61
THEMEN | STRATEGIE UND UNTERNEHMENSFÜHRUNG<br />
MONEY MAKES THE WORLD<br />
GO ROUND – ODER?<br />
Wenn ich Geschäftsführer frage, was der S<strong>in</strong>n ihres Unternehmens ist, kommt meist wie aus der Pistole<br />
geschossen die Antwort: „Profit er<strong>wir</strong>tschaften!“ Vielleicht <strong>wir</strong>d noch das Argument h<strong>in</strong>terhergeschoben,<br />
den Kunden qualitativ hochwertige Produkte anbieten zu wollen. Danach herrscht großes Schweigen.<br />
Von Jürgen Schöntauf<br />
Manchmal treffe ich jedoch auf e<strong>in</strong>en Unternehmer, der e<strong>in</strong>e<br />
andere Antwort gibt. <strong>Wie</strong> zum Beispiel Dirk Müller-Remus<br />
vom IT-Unternehmen auticon, dessen erste Antwort lautet,<br />
er möchte mit se<strong>in</strong>em Unternehmen so vielen Asperger-Autisten<br />
wie möglich e<strong>in</strong> selbstbestimmtes Leben ermöglichen.<br />
Oder Boris Thomas vom Lattenrost-Erf<strong>in</strong>der Lattoflex, der<br />
sagt, se<strong>in</strong> Unternehmen stehe für rückenschmerzfreies Leben<br />
und gesunden Schlaf. Und fragt man Uwe Lübbermann von<br />
Premium Cola, bekommt man ganz viele Antworten, wie beispielsweise<br />
„Premium will e<strong>in</strong> faires, ökologisches und sozial<br />
tragfähiges Wirtschaftsmodell <strong>in</strong> hoher Qualität vorleben<br />
und verbreiten“. Im Gespräch mit ihm erfahre ich viel über<br />
S<strong>in</strong>nstiften und Profit machen stehen nicht im Widerspruch<br />
Dabei geht es gar nicht um die Frage, ob e<strong>in</strong> Unternehmen<br />
Gew<strong>in</strong>n machen muss. Ohne Ertrag kann es nicht lange<br />
existieren, ke<strong>in</strong>e Güter produzieren, ke<strong>in</strong>e Dienstleistungen<br />
anbieten, ke<strong>in</strong>e Arbeitsplätze schaffen, ke<strong>in</strong>en Nutzen<br />
br<strong>in</strong>gen und auch ke<strong>in</strong>e sozialen oder ökologischen Projekte<br />
unterstützen.<br />
S<strong>in</strong>nstiftendes Handeln und Profit schließen e<strong>in</strong>ander also<br />
nicht aus. E<strong>in</strong>e vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung<br />
zusammen mit der Hochschule Augsburg durchgeführte<br />
Studie zeigt sogar, dass Unternehmen, die ihre<br />
Prozesse nachhaltig gestalten, e<strong>in</strong> höheres Beschäftigungswachstum<br />
aufweisen als Unternehmen, die ihre Prozesse<br />
ohne Rücksicht auf <strong>Nachhaltig</strong>keit und Umwelt modernisieren.<br />
Besonders deutlich ist der Effekt bei Unternehmen, die<br />
durch Umwelt<strong>in</strong>novationen Material und Energie e<strong>in</strong>sparen.<br />
In der Studie wurde außerdem festgestellt, dass sich im<br />
Rahmen des <strong>Nachhaltig</strong>keitsengagements auch die Qualität<br />
der Produkte verbesserte. Beide Effekte sorgten dafür, dass<br />
die Wettbewerbsfähigkeit der <strong>in</strong>novierenden Unternehmen<br />
anstieg, ihr Umsatz zunahm und durch die steigende Nachfrage<br />
mehr Personal benötigt wurde.<br />
S<strong>in</strong>nstiftendes Handeln und Profit schließen e<strong>in</strong>ander nicht aus.<br />
das Pr<strong>in</strong>zip der Konsensdemokratie, über ungewöhnliche<br />
Führungsmodelle oder wie Wirtschaft aus se<strong>in</strong>er Sicht neu<br />
gedacht werden kann. Das Wort Profit taucht dabei nicht<br />
auf. Dabei wächst das Unternehmen – oder das Kollektiv,<br />
wie sie sich selbst bezeichnen – jedes Jahr um m<strong>in</strong>destens<br />
10 Prozent. Es könnten 30 Prozent se<strong>in</strong>, aber das verh<strong>in</strong>dert<br />
Uwe Lübbermann bewusst, da so e<strong>in</strong> starkes Wachstum<br />
Abhängigkeiten bedeuten würde, die er nicht will.<br />
Erfolgreich durch soziale Verantwortung<br />
Praxis-Beispiele zeigen: Auch für etablierte Unternehmen<br />
ist es möglich, verantwortliches Unternehmertum zu leben<br />
und dabei durchaus profitabel zu bleiben. Das Mönchengladbacher<br />
Atelier Gardeur verkauft bereits seit 2007 Fairtrade-zertifizierte<br />
Hosen. Der Wasserverbrauch wurde durch<br />
Optimierung der Produktionsprozesse erheblich verr<strong>in</strong>gert.<br />
In den Produktionsstätten <strong>in</strong> Tunesien zahlt Gardeur Löhne<br />
über dem dortigen Marktdurchschnitt und übertrifft auch<br />
sonst soziale und ökologische Standards. Der Geschäftsführer<br />
Gerhard Kränzle, der das Unternehmen 2013 kaufte, <strong>in</strong>vestiert<br />
zusätzlich Zeit und Geld <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e gut funktionierende Unternehmens-<br />
und Wertekultur und der E<strong>in</strong>satz zahlt sich aus.<br />
Andere Unternehmen starten als Social Bus<strong>in</strong>ess. Dirk Müller-Remus<br />
etwa gründete das IT Unternehmen auticon, um<br />
Asperger-Autisten e<strong>in</strong>e Möglichkeit zu geben, ihre speziellen<br />
Talente im Arbeitsmarkt zu beweisen und e<strong>in</strong> selbstbestimmtes<br />
Leben zu führen. E<strong>in</strong>ige der Mitarbeiter kamen als<br />
Frührentner <strong>in</strong> das Unternehmen oder lebten <strong>in</strong> betreuten<br />
62 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>
STRATEGIE UND UNTERNEHMENSFÜHRUNG | THEMEN<br />
Wohne<strong>in</strong>heiten und benötigten die Hilfe e<strong>in</strong>es oder sogar<br />
mehrerer Betreuer. Heute s<strong>in</strong>d sie <strong>in</strong> der Lage, ihr Leben<br />
selbst zu gestalten und <strong>in</strong> ihren eigenen Wohnungen zu leben.<br />
Damit nicht genug: Die IT-Spezialisten von auticon s<strong>in</strong>d<br />
Umweltbewusstse<strong>in</strong> und soziales<br />
Verhalten fangen bei <strong>uns</strong> selber an.<br />
sehr gefragt und die Zahlen sprechen für sich: Nur fünf Jahre<br />
nach se<strong>in</strong>er Gründung im Jahr 2011 beschäftigt auticon 100<br />
Mitarbeiter <strong>in</strong> sieben deutschen Niederlassungen und hat<br />
zwei Tochtergesellschaften <strong>in</strong> London und Paris. Dabei war<br />
dieses Wachstum nie erklärtes Unternehmensziel, sondern<br />
Asperger-Autisten e<strong>in</strong> selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen.<br />
Und deswegen hat Müller Remus nun auch noch e<strong>in</strong>e<br />
Arbeitsvermittlung für Asperger-Autisten gegründet.<br />
E<strong>in</strong> jeder fasse sich an die eigene Nase<br />
Es ist e<strong>in</strong> wenig wohlfeil, von Unternehmen ständig zu<br />
fordern, sich gefälligst sozial und ökologisch zu verhalten.<br />
Wir sollten <strong>uns</strong> als Konsumenten lieber auch h<strong>in</strong> und<br />
wieder an die eigene Nase fassen. In e<strong>in</strong>er Befragung zum<br />
Thema Geme<strong>in</strong>wohl gaben zwar 88 Prozent der Befragten<br />
an, geme<strong>in</strong>wohlförderliche Produkte zu bevorzugen und<br />
dafür „tendenziell“ mehr ausgeben zu wollen. Aber nur 17<br />
Prozent waren – theoretisch – bereit, e<strong>in</strong>en um 10 Prozent<br />
höheren Preis für entsprechende Produkte zu bezahlen.<br />
Umweltbewusstse<strong>in</strong> und soziales Verhalten fangen bei<br />
jedem E<strong>in</strong>zelnen an. Versuchen Sie zum Beispiel mal, ohne<br />
Plastik auszukommen. Jährlich werden rund 240 Millionen<br />
Tonnen Plastik produziert, die nicht verrotten und auf ganz<br />
unterschiedliche Art schädlich für Umwelt, Menschen und<br />
Tiere s<strong>in</strong>d. Oder gehören Sie bereits zu den Konsumenten,<br />
die <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em verpackungsfreien Supermarkt e<strong>in</strong>kaufen, wie<br />
beispielsweise <strong>in</strong> der Maß-Greißlerei von Andrea Lunzer <strong>in</strong><br />
<strong>Wie</strong>n oder bei Orig<strong>in</strong>al unverpackt <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>? Bei Bioäpfeln<br />
ist die Lösung noch recht e<strong>in</strong>fach, aber wie sieht es bei Spülmittel,<br />
Zahnpasta, Shampoo und Duschgel aus? Bereits heute<br />
könnten Wasch- und Re<strong>in</strong>igungsmittel und viele Kosmetika<br />
zum Nachfüllen angeboten werden. Doch gerade bei teuren<br />
Produkten wünschen sich die Verbraucher neben Wirkung<br />
auch Image durch hochwertig aussehende Verpackungen. Es<br />
gibt also noch viel zu tun – bei den Unternehmen genauso<br />
wie bei <strong>uns</strong> Konsumenten.<br />
JÜRGEN SCHÖNTAUF<br />
arbeitet als Berater und Inhaber e<strong>in</strong>er Kommunikationsagentur seit<br />
über 20 Jahren mit Unternehmern und Führungskräften, die ihren<br />
Erfolg nicht von „den Märkten“ abhängig machen, sondern ihre<br />
<strong>Zukunft</strong> selbst <strong>in</strong> die Hand nehmen wollen.<br />
Jürgen Schöntauf<br />
S<strong>in</strong>nstifter<br />
<strong>Wie</strong> Unternehmen davon profitieren,<br />
soziale Verantwortung zu übernehmen<br />
Nur noch kurz die Welt retten … Lohnt<br />
sich tatsächlich! Jürgen Schöntauf<br />
zeigt, dass Firmen, die S<strong>in</strong>n stiften<br />
– für ihre Belegschaft und die Gesellschaft<br />
–, langfristig erfolgreicher<br />
s<strong>in</strong>d. E<strong>in</strong> Blick auf globale Megatrends<br />
beweist, dass sich vieles zum Guten<br />
verändert, und dass gerade der Mittelstand<br />
von dieser Entwicklung profitieren kann. Zahlreiche Beispiele,<br />
wie auticon <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>, Atelier Gardeur <strong>in</strong> Mönchengladbach<br />
oder Lattoflex <strong>in</strong> Bremervörde, untermauern, wie sehr es sich fü r<br />
Fü hrungskräfte lohnt, ihre Unternehmen von Grund auf neu auszurichten.<br />
Mit frischen Unternehmenswerten und gesellschaftlich<br />
orientierten Zielen werden sie für Mitarbeiter und Kunden unwiderstehlich!<br />
“Das Buch bietet mit e<strong>in</strong>er Fülle von praxiserprobten<br />
Beispielen den Beweis, dass am Ende doch sehr viel mehr funktioniert,<br />
als man anfangs dachte.” (Faktor C)<br />
2016, Hardcover gebunden, 262 Seiten, 39,95 Euro<br />
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THEMEN | STRATEGIE UND UNTERNEHMENSFÜHRUNG<br />
ANGESCHMIERT<br />
Apu Gosalia ist gebürtiger<br />
Mannheimer und hat<br />
se<strong>in</strong>en MBA-Abschluss<br />
<strong>in</strong> den USA gemacht.<br />
Heute ist er Bereichsleiter<br />
für <strong>Nachhaltig</strong>keit und<br />
Strategie bei der FUCHS<br />
PETROLUB SE, die im<br />
letzten Jahr zahlreiche<br />
Awards gewonnen hat,<br />
darunter den Deutschen<br />
<strong>Nachhaltig</strong>keitspreis.<br />
Gegenwärtig bemüht sich<br />
Gosalia darum, <strong>in</strong> deutschen<br />
und europäischen<br />
Branchenverbänden das<br />
Gedankengut der <strong>Nachhaltig</strong>keit<br />
tiefer <strong>in</strong> die<br />
Schmierstoff<strong>in</strong>dustrie zu<br />
tragen. Dies tut er mit<br />
unglaublichem Elan und<br />
ist <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Begeisterung<br />
schwer zu bremsen …<br />
Schmierstoffe auf Basis nachwachsender<br />
Rohstoffe sowie synthetische Produkte<br />
leisten e<strong>in</strong>en entscheidenden Beitrag zur<br />
Verm<strong>in</strong>derung von Reibung, Verschleiß<br />
und Korrosion. Herstellung und Betrieb<br />
moderner Masch<strong>in</strong>en aller Art wären ohne<br />
Schmierstoffe nicht möglich. Im <strong>forum</strong> Interview<br />
wären <strong>wir</strong> be<strong>in</strong>ahe <strong>in</strong> den Tiefen der<br />
Tribologie abgeschmiert ...<br />
Als beim deutschen <strong>Nachhaltig</strong>keitspreis im<br />
November letzten Jahres e<strong>in</strong> Schmierstoffhersteller<br />
unter den ausgezeichneten Firmen<br />
auf der Bühne stand, gab es e<strong>in</strong> Raunen<br />
im Saal. Öl, Schmiere und <strong>Nachhaltig</strong>keit,<br />
das erschien den Festgästen denn doch<br />
als e<strong>in</strong>e seltsame Komb<strong>in</strong>ation. Doch der<br />
<strong>Nachhaltig</strong>keitschef der Firma FUCHS, Apu<br />
Gosalia, erklärte mit tiefster Überzeugung,<br />
wie stark das Engagement und wie wichtig<br />
die Produkte se<strong>in</strong>er Firma für Umwelt und<br />
Gesellschaft seien. Für <strong>uns</strong> Grund genug, bei<br />
Herrn Gosalia nachzufragen, warum er sich<br />
für Schmierstoffe so begeistern kann.<br />
Herr Gosalia, warum s<strong>in</strong>d Schmierstoffe so<br />
wichtig?<br />
Alle<strong>in</strong> die Schäden, die auf Reibung und<br />
Verschleiß zurückgeführt werden können,<br />
werden <strong>in</strong> Deutschland auf über 30 Mrd.<br />
Euro geschätzt. Schäden durch Korrosion<br />
können noch größere Summen erreichen.<br />
Untersuchungen <strong>in</strong> den 60er-Jahren des<br />
letzten Jahrhunderts, die von vielen weiteren<br />
<strong>in</strong> den Folgejahren gestützt wurden,<br />
erbrachten, dass jährlich ca. 1 – 1,5 Prozent<br />
des Brutto<strong>in</strong>landsprodukts durch Reibungsund<br />
Verschleißvorgänge verschwendet<br />
werden. Zudem werden ca. 30 Prozent des<br />
gesamten weltweiten Energieaufwands <strong>in</strong><br />
Reibungs- und Verschleißvorgängen verzehrt.<br />
Die Verm<strong>in</strong>derung dieser Verluste ist die<br />
s<strong>in</strong>nvolle und wichtige Aufgabe der Schmierstoff<strong>in</strong>dustrie.<br />
Und wie können diese Verluste verh<strong>in</strong>dert<br />
werden?<br />
Die Schmierstoffe s<strong>in</strong>d Mittler zwischen Reibpartnern.<br />
Sie trennen, schützen, konservieren,<br />
vermeiden Verschleiß, transportieren Wärme<br />
und führen Verschleißpartikel ab. Der<br />
dah<strong>in</strong>ter stehende Wissenschaftszweig ist<br />
die Tribo logie (griechisch tríbe<strong>in</strong> = reiben),<br />
die Lehre von Technik und Wirkflächen <strong>in</strong><br />
Relativ bewegung. Diese Wissenschaft, die<br />
sich mit dem Phänomen der Reibung und des<br />
Verschleißes befasst, hat eigentlich e<strong>in</strong>e lange<br />
Tradition. Schon ca. 2000 v. Chr. benutzten<br />
die Ägypter Olivenöl als Schmierstoff, um<br />
größere Lasten durch Verr<strong>in</strong>gerung der Gleitreibung<br />
mit weniger Aufwand zu bewegen.<br />
Noch heute gibt es e<strong>in</strong>fachste tribologische<br />
Systeme, z.B. e<strong>in</strong>e quietschende Tür, aber<br />
auch hochkomplexe Tribosysteme wie e<strong>in</strong><br />
Automobil mit se<strong>in</strong>en Lagern, Wellen, Getrieben,<br />
Kolben und Zyl<strong>in</strong>dern. Bei ersterem<br />
hilft vielleicht immer noch etwas Olivenöl, bei<br />
letzterem sicher nicht mehr.<br />
Na ja, man muss halt e<strong>in</strong>fach schmieren und<br />
ölen – was ist daran so besonders?<br />
Heute läuft nicht e<strong>in</strong>e Masch<strong>in</strong>e ohne Schmierstoffe.<br />
Überall, wo Kräfte <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Antriebsstrang<br />
übertragen werden, entsteht Reibung.<br />
Schmierstoffe haben primär die Aufgabe der<br />
Reibungsverm<strong>in</strong>derung. Zudem s<strong>in</strong>d heutige<br />
Masch<strong>in</strong>en, Lager und Getriebe ungleich<br />
komplizierter und aus den verschiedensten<br />
Materialien aufgebaut. Damit s<strong>in</strong>d die Anforderungen<br />
an den Schmierstoff vielfältiger<br />
und anspruchsvoller geworden. Die Tribologie<br />
muss sich der Physik, Chemie, der Materialwissenschaften,<br />
Ingenieurwissenschaften,<br />
der Biochemie und Elektrotechnik bedienen.<br />
Es lässt sich schon erahnen, dass die Beschreibung<br />
von Tribosystemen hochkomplex und bis<br />
heute kaum vollständig möglich ist.<br />
Halt, <strong>wir</strong> wollen hier nicht <strong>in</strong> die Tiefen der<br />
Tribologie e<strong>in</strong>tauchen!<br />
Na gut, reden <strong>wir</strong> dann über den Korrosionsschutz,<br />
der gesellschaftlich gesehen<br />
ungeheure Werte erhalten muss. Korrosionsschutzflüssigkeiten<br />
bilden e<strong>in</strong>en dünnen Film<br />
aus Wachs (auch e<strong>in</strong> Rohölprodukt) bzw. Öl<br />
auf den Bauteilen und verh<strong>in</strong>dern so den Zutritt<br />
von Luft, Wasser und Chemikalien an die<br />
Metalloberfläche, die dann zu Rost und Korrosion<br />
führen würden. Mit solchen Produkten<br />
werden z.B. Bauteile während Lagerung<br />
64 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>
STRATEGIE UND UNTERNEHMENSFÜHRUNG | THEMEN<br />
und Transport geschützt. Gleichzeitig lässt sich e<strong>in</strong> solcher<br />
temporärer Korrosionsschutz wieder schnell und gründlich<br />
mit Re<strong>in</strong>igern entfernen und recyceln, im Gegensatz z.B. zu<br />
Lackierungen, wenn das Bauteil weiter verarbeitet <strong>wir</strong>d.<br />
Sie s<strong>in</strong>d ja nicht mehr zu bremsen…<br />
Tja, da fehlt mir wohl das richtige „Bremsöl“. Damit zur Produktwelt<br />
der Schmierstoffe. Diese werden nach den jeweiligen<br />
Hauptanwendungen gegliedert. Im Industriebereich s<strong>in</strong>d<br />
dies Fette (relativ feste „pastöse“ Schmierstoffe für Lager,<br />
etc.), Hydrauliköle (übertragen Kräfte, z.B. <strong>in</strong> Baumasch<strong>in</strong>en),<br />
Turb<strong>in</strong>enöle (Lagerschmierung z.B. von Gas- und Dampfturb<strong>in</strong>en),<br />
Formöle (Bau<strong>in</strong>dustrie), Kompressorenöle (Schmierung<br />
von Kolben <strong>in</strong> Kompressoren), Umlauföle (Schmierung von<br />
Lagern <strong>in</strong> Industrieanlagen), Getriebeöle (Schmierung von<br />
Zahnrädern und Lagern <strong>in</strong> Getrieben, z.B. <strong>in</strong> W<strong>in</strong>dkraftanlagen),<br />
Kühlschmierstoffe (zur Kühlung und Schmierung bei der<br />
Metallbearbeitung), Walzöle (Schmierung beim Walzen von<br />
Metall zu Blechen und Folien), Gleitbahnöle (Schmierung <strong>in</strong><br />
Werkzeugmasch<strong>in</strong>en), usw. und <strong>in</strong>nerhalb dieser Gruppen<br />
gibt es noch zahllose Spezialflüssigkeiten, je nach genauer<br />
Anwendungsbed<strong>in</strong>gung.<br />
Herr Gosalia, <strong>wir</strong> sehen, Ihre Begeisterung für Öle kennt<br />
ke<strong>in</strong>e Grenzen. Uns bleibt nichts anderes übrig, als Ihre<br />
weiteren Erklärungen ausführlich im Internet vorstellen.<br />
Aber lassen Sie mich bitte noch das Thema Recycl<strong>in</strong>g ansprechen.<br />
Viele Schmierstoffe können (und werden) heute<br />
nach Gebrauch gesammelt und e<strong>in</strong>er <strong>Wie</strong>derverwertung<br />
zugeführt. Diese kann zum e<strong>in</strong>en „thermisch“ se<strong>in</strong>, d.h.<br />
die Schmierstoffe werden z.B. <strong>in</strong> der Zement<strong>in</strong>dustrie als<br />
Ergänzung zu konventionellen Brennstoffen wie Öl und Gas<br />
zur Energiegew<strong>in</strong>nung verbrannt.<br />
Na ja, Verbrennen, das kann doch nicht die Lösung se<strong>in</strong> …<br />
Deswegen werden die gebrauchten Schmierstoffe auch<br />
immer öfter <strong>in</strong> speziellen Raff<strong>in</strong>erien zu „frischen“ Basisölen<br />
recycelt. Dies <strong>wir</strong>d der „thermischen“ Verwertung<br />
vorgezogen, u.a., weil immer mehr hochwertige, oft<br />
synthetische, Basisöle für die Schmierstoffproduktion<br />
verwendet werden. Durch den Gebrauch werden diese<br />
chemisch oft nur wenig verändert und s<strong>in</strong>d zu wertvoll,<br />
um verbrannt zu werden, ganz unabhängig vom Umweltgedanken.<br />
Die recycelten Öle stehen „frischen“ Ölen <strong>in</strong><br />
der Qualität nicht nach. Daher s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> Deutschland und<br />
Europa <strong>in</strong> den letzten Jahren große Anlagen zum Recycl<strong>in</strong>g<br />
von Ölen entstanden.<br />
Herr Gosalia, <strong>wir</strong> danken für das Gespräch und<br />
führen <strong>uns</strong>ere Leser gerne unter folgendem<br />
QR-Code noch tiefer <strong>in</strong> Ihre Welt des Gleitens<br />
und Schmierens e<strong>in</strong>.<br />
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65
Serie<br />
THEMEN | STRATEGIE UND UNTERNEHMENSFÜHRUNG<br />
Serie: Der CSR-Manager<br />
ERFOLGREICHES<br />
CSR-MANAGEMENT<br />
Der 13. Teil der <strong>forum</strong> Serie „Der CSR-Manager“ führt Sie <strong>in</strong> den<br />
Umgang mit der CSR-Scorecard e<strong>in</strong>.<br />
In den letzten <strong>forum</strong>-Ausgaben haben <strong>wir</strong> Ihnen die die<br />
Balanced Scorecard allgeme<strong>in</strong> und die CSR-Scorecard als<br />
spezielles Multitool zur erfolgreichen Steuerung Ihres<br />
CSR-Managements vorgestellt. Daran anknüpfend zeigen <strong>wir</strong><br />
<strong>in</strong> dieser Ausgabe die Anwendung der Scorecard <strong>in</strong> der Praxis.<br />
Die CSR-Scorecard ist e<strong>in</strong> Tool, das Sie sowohl bei der Umsetzung<br />
und Steuerung, wie auch bei der Organisation,<br />
Kommunikation und Erfolgskontrolle Ihres CSR Managements<br />
unterstützen <strong>wir</strong>d. Sie basiert auf der Idee der Balanced Scorecard<br />
(BSC), die <strong>in</strong> den 1990er Jahren entwickelt wurde und<br />
die dazu dient, systematisch die Vision und Strategie Ihres<br />
Unternehmens <strong>in</strong> konkrete Ziele, Kennzahlen und Maßnahmen<br />
zu übersetzen. Die BSC umfasst die vier Perspektiven<br />
„F<strong>in</strong>anzen“, „Kunden“, „Lernen & Entwicklung“ sowie „Interne<br />
Prozesse“, welche stets <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Ursache-Wirkungs-Zusammenhang<br />
zu sehen s<strong>in</strong>d.<br />
Total ausgeglichen<br />
Die Ausgewogenheit (Balance) des Tools bezieht sich auf:<br />
• die gleichzeitige Berücksichtigung der externen Interessen<br />
von Anteilseignern und Kunden wie auch unternehmens<strong>in</strong>ternen<br />
Erfolgsfaktoren.<br />
• die Integration vergangenheitsorientierter Messgrößen<br />
sowie zukunftsgerichteter Leistungstreiber, die diese<br />
Messgrößen bee<strong>in</strong>flussen.<br />
• die Verwendung sowohl re<strong>in</strong> f<strong>in</strong>anzieller wie auch nichtf<strong>in</strong>anzieller<br />
Kennzahlen.<br />
L<strong>in</strong>ks: Strategische Ziele im Zusammenspiel – die Strategy Map visualisiert den Ursache-Wirkungs Zusammenhang.<br />
Rechts: Die CSR-Scorecard und ihre vier Perspektiven<br />
66 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>
STRATEGIE UND UNTERNEHMENSFÜHRUNG | THEMEN<br />
All diese Eigenschaften tragen dazu bei, dass die BSC zur Steuerung, Umsetzung<br />
und Erfolgskontrolle der CSR-Strategie besonders geeignet ist und deshalb <strong>in</strong> der<br />
verfe<strong>in</strong>erten Form der CSR Scorecard Anwendung f<strong>in</strong>det. Die vielfältigen Vorteile<br />
dieses Herangehensweise haben <strong>wir</strong> <strong>in</strong> der zwölften Folge des CSR Managers<br />
ausführlich dargestellt. Im Folgenden zeigen <strong>wir</strong> deshalb die Anwendung <strong>in</strong> der<br />
Praxis.<br />
Der richtige Umgang – So erstellen Sie Ihre CSR-Scorecard.<br />
Die Umsetzung der CSR-Strategie mit Hilfe der CSR-Scorecard verläuft analog zur<br />
Verwendung der BSC – der Balanced Score card: Ebenso wie bei der BSC müssen<br />
Sie zunächst die Ziele mittels der Strategy Map <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Ursache-Wirkungs-Zusammenhang<br />
br<strong>in</strong>gen und dann die Scorecard erstellen. Dies erklärt sich am<br />
besten anhand e<strong>in</strong>es Beispiels.<br />
Das Unternehmen U hat anhand des Strategieprozesses das Thema „Vere<strong>in</strong>barkeit<br />
von Familie und Beruf“ als e<strong>in</strong>es se<strong>in</strong>er <strong>in</strong>dividuellen Leitthemen<br />
ermittelt.<br />
Das Ziel der Stakeholderperspektive liegt <strong>in</strong>sbesondere <strong>in</strong> der Verbesserung der<br />
Vere<strong>in</strong>barkeit von Familie und Beruf für berufstätige Mütter, denn viele hochqualifizierte<br />
junge Frauen arbeiten im Unternehmen. Dieses Ziel kann zum e<strong>in</strong>en durch<br />
e<strong>in</strong>e Betreuung der K<strong>in</strong>der am Arbeitsplatz erreicht werden, aber auch durch die<br />
konstante E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung der Mütter <strong>in</strong> das Unternehmen während der Elternzeit.<br />
Verfolgt man den Ast der E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung werdender Mütter weiter, so müssen auf<br />
Prozessebene Strukturen geschaffen werden, die die momentane Integration<br />
verbessern.<br />
Als Innovation kann dann zum Beispiel e<strong>in</strong> „Patenmodell“ <strong>in</strong>s Leben gerufen werden,<br />
bei dem die Mütter e<strong>in</strong>en abteilungs<strong>in</strong>ternen Paten zur Verfügung gestellt<br />
bekommen, der sie während der Elternzeit auf dem Laufenden hält und, wenn<br />
möglich, mit kle<strong>in</strong>en Aufgaben betraut.<br />
Ausschnitt aus der Strategy Map <strong>uns</strong>eres Beispielunternehmens U<br />
www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />
67
THEMEN | STRATEGIE UND UNTERNEHMENSFÜHRUNG<br />
Serie: Der CSR-Manager<br />
Auf Lern- und Entwicklungsebene gilt es die zukünftigen<br />
Paten zu schulen und vor allem auch die Mütter nach Ende<br />
der Elternzeit mittels E<strong>in</strong>arbeitungsphasen wieder <strong>in</strong> den<br />
Arbeitsalltag zu <strong>in</strong>tegrieren.<br />
Aus F<strong>in</strong>anzperspektive betrachtet br<strong>in</strong>gt das Patenmodell<br />
zunächst Kosten mit sich. Andererseits können jedoch hochqualifizierte<br />
Mitarbeiter<strong>in</strong>nen im Unternehmen gehalten<br />
werden. Dadurch werden Kosten e<strong>in</strong>gespart, die sonst bei<br />
der Rekrutierung, Schulung und E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung neuer Mitarbeiter<br />
sowie bei langen Babypausen der Mütter entstehen würden.<br />
Langfristig ist somit e<strong>in</strong> positives F<strong>in</strong>anzergebnis zu erwarten.<br />
In der Abbildung sehen Sie e<strong>in</strong>en Ausschnitt aus der Strategy<br />
Map des Unternehmens U.<br />
Die Ziele messbar machen<br />
Im nächsten Schritt müssen den Zielen nun Kennzahlen<br />
zugeordnet werden. Es ist wichtig, zwei verschiedene Arten<br />
von Kennzahlen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em ausgeglichenen Verhältnis zu verwenden.<br />
Zum e<strong>in</strong>en s<strong>in</strong>d Ergebniszahlen (Spät<strong>in</strong>dikatoren)<br />
– wie beispielsweise e<strong>in</strong> Zufriedenheits<strong>in</strong>dex – wichtig. Diese<br />
werden häufig für Scorecards unterschiedlicher Unternehmen<br />
verwendet und verglichen. Darüber h<strong>in</strong>aus müssen Sie<br />
aber auch Leistungstreiber (Früh<strong>in</strong>dikatoren) identifizieren,<br />
die darüber Aufschluss geben, was getan werden muss,<br />
um die angestrebten Ergebniszahlen zu erreichen. Diese<br />
Leistungstreiber müssen für jedes Unternehmen <strong>in</strong>dividuell<br />
erarbeitet werden.<br />
Die geme<strong>in</strong>same Veranstaltung könnte <strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>es „Elternzeit-Cafés“<br />
mit geme<strong>in</strong>samem Frühstück und anschließender<br />
Besprechung mit dem Paten stattf<strong>in</strong>den. Die Organisation<br />
übernimmt e<strong>in</strong> Mitarbeiter der Personal-Abteilung.<br />
Und noch e<strong>in</strong> Beispiel im Bereich Ressourcen<br />
Das Unternehmen M hat als strategisches Leitthema den<br />
nachhaltigen Umgang mit natürlichen Ressourcen ermittelt.<br />
Auf Stakeholder-Ebene werden die Ziele Recycl<strong>in</strong>g, Reduktion<br />
von Materialverbrauch und Vermeidung von Emissionen<br />
festgelegt. Verfolgt man letzteres Ziel weiter, so kann als<br />
Kennzahl der Treibstoffverbrauch <strong>in</strong> Tonnen gelten, der um<br />
23 Prozent gesenkt werden soll.<br />
Auf Prozessebene muss also der Logistik-Prozess verbessert<br />
werden, beispielsweise durch E<strong>in</strong>führung e<strong>in</strong>er Logistik-Software,<br />
die die Transportrate optimiert und somit e<strong>in</strong>en unnötigen<br />
Treibstoffverbrauch vermeidet. Die Anzahl der Transporte<br />
soll um 14 Prozent verm<strong>in</strong>dert werden.<br />
Auf Lern- und Entwicklungsebene müssen die Logistik-Mitarbeiter<br />
mit der neuen Software umgehen können. Schulungen<br />
sowie die Erstellung e<strong>in</strong>es Mitarbeiterhandbuchs s<strong>in</strong>d mögliche<br />
E<strong>in</strong>zelmaßnahmen <strong>in</strong> diesem Bereich.<br />
Auf F<strong>in</strong>anzebene sollen durch diese Maßnahmen die Transportkosten<br />
um sieben Prozent gesenkt werden.<br />
Im Unternehmen U kann als Ergebniskennzahl für das Ziel<br />
der Vere<strong>in</strong>barkeit von Familie und Beruf die Anzahl der berufstätigen<br />
Mütter im Unternehmen gewählt werden. Die<br />
<strong>in</strong>dividuellen Leistungstreiber liegen <strong>in</strong> der E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung der<br />
Mütter <strong>in</strong> das Unternehmen während der Elternzeit und <strong>in</strong><br />
der Betreuung der K<strong>in</strong>der nach der Elternzeit.<br />
Als Kennzahlen auf Prozessebene könnte die Anzahl geme<strong>in</strong>samer<br />
Veranstaltungen zur Integration der Mütter während<br />
der Elternzeit oder die Kontaktrate zwischen Pate/Unternehmen<br />
und Mutter gelten.<br />
Die Messlatte festlegen<br />
Im nächsten Schritt müssen Sie die Kennzahlen mit Vorgaben<br />
versehen, die erfüllbar, aber dennoch anspruchsvoll s<strong>in</strong>d.<br />
Auf Stakeholder-Ebene soll die Anzahl der berufstätigen<br />
Mütter im Unternehmen U <strong>in</strong> den nächsten drei Jahren um 30<br />
Prozent erhöht werden. E<strong>in</strong>mal pro Monat soll e<strong>in</strong>e geme<strong>in</strong>same<br />
Veranstaltung von Müttern und Unternehmen stattf<strong>in</strong>den.<br />
Der Sprung über die Messlatte<br />
Am Ende ist es Ihre Aufgabe, s<strong>in</strong>nvolle E<strong>in</strong>zelmaßnahmen<br />
abzuleiten, mit denen die Vorgaben erreicht werden können.<br />
Das Fachbuch „Der CSR-Manager“<br />
Das Fachbuch „Der CSR-Manager – Unternehmensverantwortung<br />
<strong>in</strong> der Praxis“<br />
hilft Unternehmen, <strong>Nachhaltig</strong>keit als<br />
neue Denkhaltung und ganzheitlichen<br />
Managementansatz zu gestalten und<br />
davon zu profitieren. Der Praxisbezug,<br />
die anschaulichen Tipps und der kompakte<br />
Inhalt mit zahlreichen Checklisten<br />
erleichtern den E<strong>in</strong>stieg <strong>in</strong> das<br />
Thema. Nicht zuletzt deshalb ist das<br />
Buch bereits <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er dritten, aktualisierten<br />
Auflage erschienen.<br />
Sie können „Der CSR-Manager. Unternehmensverantwortung <strong>in</strong><br />
der Praxis“, 3. Auflage, ALTOP Verlag 2014, 236 Seiten, EUR 24,90<br />
ISBN 978-3-925646-54-6 im Buchhandel oder direkt unter<br />
www.<strong>forum</strong>-csr.net/csr-manager bestellen.<br />
Die Autoren<br />
DR. DENNIS LOTTER und JEROME BRAUN<br />
begleiten mit ihrer Agentur Benefit Identity Unternehmen und<br />
Organisationen seit mehr als zehn Jahren bei der Gestaltung ihrer<br />
Marken <strong>in</strong>tegrität durch e<strong>in</strong>e verantwortliche Betriebsführung.<br />
Darüber h<strong>in</strong>aus s<strong>in</strong>d sie gefragte Fachautoren und Vortragsredner.<br />
www.benefitidentity.com<br />
68 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>
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NEUES WERKZEUG IM KAMPF<br />
GEGEN KORRUPTION<br />
Internationaler und unabhängig zertifizierbarer Standard: die ISO 37001<br />
Foto: © fotolia.de, mdaros<br />
Die Bekämpfung von Korruption und Bestechung<br />
steht derzeit – häufig leider aus<br />
gegebenem Anlass – im Fokus der Medien.<br />
Das hat u. a. zur Folge, dass Deutschland <strong>in</strong><br />
der <strong>in</strong>ternationalen Wahrnehmung nur auf<br />
Platz 10 des Corruption Perception Index*<br />
steht. Mit der Ende letzten Jahres vorgestellten<br />
ISO 37001 erhalten Unternehmen nun<br />
e<strong>in</strong> Werkzeug an die Hand, um dieses Thema<br />
im eigenen Haus <strong>wir</strong>kungsvoll anzugehen.<br />
E<strong>in</strong> <strong>in</strong>ternationales Team, bestehend aus Fachexperten<br />
aus 28 Ländern sowie weiteren<br />
Beobachtern und Liaison-Organisationen,<br />
hat mit der ISO 37001 e<strong>in</strong>en Standard entwickelt,<br />
der für e<strong>in</strong> geme<strong>in</strong>sames Verständnis<br />
und richtungsweisende Maßstäbe beim<br />
Aufbau e<strong>in</strong>es effektiven Anti-Korruptionsmanagementsystems<br />
sorgen soll. Internationale<br />
„Best Practice“-Beispiele lieferten<br />
hier die Vorlage für e<strong>in</strong> System, das u.a.<br />
auf den Aspekten Risikobeurteilung und<br />
Due-Diligence aufbaut.<br />
* vgl. Transparency International „Corruption<br />
Perceptions Index 2016“: www.transparency.org<br />
Flexibilität dank „Pr<strong>in</strong>zip der<br />
Angemessenheit“<br />
Im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er größtmöglichen Anwendbarkeit<br />
wurde der Standard flexibel gehalten:<br />
Getreu dem „Pr<strong>in</strong>zip der Angemessenheit“<br />
eignet er sich somit für große, <strong>in</strong>ternationale<br />
Konzerne, aber eben auch für mittelständische<br />
und kle<strong>in</strong>e Unternehmen, Stiftungen,<br />
Verbände und Behörden. Wer dabei bereits<br />
Erfahrungen mit anderen ISO Standards<br />
hat, ist zusätzlich im Vorteil, denn sowohl<br />
sprachlich als auch <strong>in</strong>haltlich lehnt sich die<br />
ISO 37001 an bereits etablierte Normen wie<br />
z. B. die Qualitätsmanagement-ISO 9001 an.<br />
Wettbewerbsvorteile durch Zertifizierung<br />
Im Gegensatz zu anderen Normen, wie<br />
z.B. der ISO 26000 ist die ISO 37001 ke<strong>in</strong><br />
Leitfaden, sondern e<strong>in</strong> Anforderungsstandard<br />
und somit unabhängig zertifizierbar.<br />
Unternehmen können hier e<strong>in</strong> starkes<br />
Zeichen <strong>in</strong> der <strong>in</strong>ternen wie <strong>in</strong> der externen<br />
Kommunikation setzen: Durch die nachgewiesene<br />
Implementierung e<strong>in</strong>es Anti-<br />
Korruptions managementsystems liegt e<strong>in</strong><br />
objektiver Beleg vor, dass dieses wichtige<br />
Compliance-Thema gelebter Teil der Unternehmenskultur<br />
ist. Das stärkt die eigene<br />
Reputation und kann wichtige Wettbewerbsvorteile<br />
bedeuten.<br />
Unterstützung bei Anti-Korruptionsaktivitäten<br />
Kompetente Unterstützung bei allen Anti-<br />
Korruptionsaktivitäten auf dem Weg zur<br />
Zertifizierung nach ISO 37001:2016 leistet<br />
DNV GL zum Beispiel <strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>er externen<br />
Risikobewertung im H<strong>in</strong>blick auf Betrugsund<br />
Korruptionsszenarien oder durch<br />
maß geschneiderte Assessments und Mitarbeiterschulungen.<br />
Darüber h<strong>in</strong>aus ist<br />
derzeit die <strong>in</strong>ternationale Akkreditierung<br />
für die ISO 37001 <strong>in</strong> Bearbeitung, so dass<br />
zukünftig auch akkreditierte Zertifikate<br />
ausgestellt werden können.<br />
Weitere Informationen:<br />
www.dnvgl.de/anti-korruption<br />
www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />
69
THEMEN | STRATEGIE UND UNTERNEHMENSFÜHRUNG<br />
NACHHALTIGKEIT<br />
IST MESSBAR!<br />
<strong>Nachhaltig</strong>keit trägt zum Unternehmenserfolg bei – und das lässt sich nachweisen. Es gibt heute zahlreiche<br />
Ansätze, die helfen, entsprechende Kennzahlen zu gew<strong>in</strong>nen. Sie können dazu dienen, <strong>Nachhaltig</strong>keitsstrategien<br />
<strong>in</strong> Unternehmen zu untermauern.<br />
Von Maximilian Gege<br />
Stellen <strong>wir</strong> die Gretchenfrage: <strong>Wie</strong> halten Sie‘s mit der <strong>Nachhaltig</strong>keit?<br />
Immer mehr Unternehmen richten <strong>in</strong>zwischen<br />
ihre Geschäftstätigkeit an <strong>Nachhaltig</strong>keit aus und berichten<br />
darüber. Die Motivationen s<strong>in</strong>d vielfältig: <strong>Nachhaltig</strong>keit ist<br />
zu e<strong>in</strong>em Thema geworden, mit dem sich Unternehmen positionieren<br />
können. Sowohl Anleger und Verbraucher als auch<br />
potenzielle Bewerber <strong>in</strong>teressieren sich zunehmend dafür,<br />
wie e<strong>in</strong> Unternehmen se<strong>in</strong>e gesellschaftliche Verantwortung<br />
wahrnimmt. Auch bei Ausschreibungen <strong>wir</strong>d nach <strong>Nachhaltig</strong>keitsaspekten<br />
gefragt; Zulieferer müssen entsprechende<br />
Anforderungen ihrer Kunden erfüllen. Zahlreiche <strong>Nachhaltig</strong>keitsmaßnahmen,<br />
besonders im Bereich Energie- und<br />
Ressourceneffizienz sowie beim Klimaschutz, br<strong>in</strong>gen zudem<br />
handfeste f<strong>in</strong>anzielle E<strong>in</strong>sparungen. Ganz aktuell führt die<br />
neue EU-Berichtspflicht über nicht-f<strong>in</strong>anzielle Informationen<br />
dazu, dass Umwelt- und Sozialbelange von zahlreichen Unternehmen<br />
jetzt noch stärker <strong>in</strong> den Blick genommen werden.<br />
Der Bundesdeutsche Arbeitskreis für Umweltbewusstes<br />
Management (B.A.U.M.) e.V. arbeitet seit über 30 Jahren<br />
im Themenfeld <strong>Nachhaltig</strong>keit und kann zeigen, dass sich<br />
e<strong>in</strong> Engagement <strong>in</strong> Sachen <strong>Nachhaltig</strong>keit lohnt. Die ersten<br />
Mitglieder des Netzwerks waren hochmotivierte Vorreiter:<br />
Unternehmer, die sich ihrer gesellschaftlichen Verantwortung<br />
stellen wollten, denen Umweltschutz und soziale<br />
Fragen am Herzen lagen. Antrieb waren oft Naturverbundenheit<br />
oder e<strong>in</strong> ausgeprägtes Gerechtigkeitsgefühl. Über<br />
die Jahre wurde dann deutlich: <strong>Nachhaltig</strong>keit trägt erheblich<br />
zum Unternehmenserfolg bei – e<strong>in</strong>e Beobachtung, die<br />
auch durch wissenschaftliche Studien belegt <strong>wir</strong>d (vgl. die<br />
Metastudie von Alexander Bassen u.a. von 2015).<br />
Nur was sich messen lässt, lässt sich auch steuern<br />
Ohne Werte steht das <strong>Nachhaltig</strong>keitsengagement von<br />
Unternehmen auf tönernen Füßen. Um <strong>Nachhaltig</strong>keit<br />
aber tatsächlich <strong>in</strong> Prozesse und Managementsysteme zu<br />
<strong>in</strong>tegrieren, s<strong>in</strong>d Kennzahlen notwendig, die nicht nur die<br />
ökonomischen, sondern auch die ökologischen und sozialen<br />
Aus<strong>wir</strong>kungen der Unternehmenstätigkeit sichtbar machen.<br />
Hierzu gibt es zahlreiche Ansätze, die vor allem bei Anja<br />
Grothe (Bewertung unternehmerischer <strong>Nachhaltig</strong>keit.<br />
Berl<strong>in</strong>, 2016) sowie bei Edeltraud Günther und Karl-He<strong>in</strong>z<br />
Ste<strong>in</strong>ke (CSR und Controll<strong>in</strong>g. Berl<strong>in</strong>, Heidelberg, 2016) gut<br />
und praxisnah dargestellt werden.<br />
E<strong>in</strong> erfahrener Manager weiß, dass sich nur steuern lässt,<br />
was sich auch messen lässt. Bei der <strong>Nachhaltig</strong>keit besteht<br />
die Herausforderung dar<strong>in</strong>, geeignete Indikatoren zu identifizieren.<br />
E<strong>in</strong> qualitatives Controll<strong>in</strong>g ist zwar möglich und<br />
br<strong>in</strong>gt durchaus Erkenntnisgew<strong>in</strong>n, doch nur quantitative<br />
Indikatoren führen zu tatsächlicher Vergleichbarkeit. Dabei<br />
sollte CSR-Controll<strong>in</strong>g nicht nur f<strong>in</strong>anzorientiert erfolgen:<br />
e<strong>in</strong>e Fokussierung alle<strong>in</strong> auf monetäre Aspekte <strong>wir</strong>d dem<br />
komplexen Themenfeld <strong>Nachhaltig</strong>keit nicht gerecht.<br />
Die Susta<strong>in</strong>ability Balanced Scorecard beispielsweise<br />
umfasst neben der F<strong>in</strong>anzperspektive noch vier weitere<br />
Perspek tiven, darunter auch e<strong>in</strong>e außermarktliche, die<br />
„Maßnahmen zur Legitimitätssicherung, Reputationssteigerung<br />
und gesellschaftlichen Akzeptanz des Unternehmens<br />
steuert, <strong>in</strong>dem Beziehungen mit gesellschaftlichen<br />
Stakeholdern fruchtbar ausgestaltet und Beiträge zur<br />
Entwicklung von <strong>Nachhaltig</strong>keits<strong>in</strong>novationen sichergestellt<br />
werden“ (Schaltegger <strong>in</strong> Günther & Ste<strong>in</strong>ke 2016:66 – vgl.<br />
dazu <strong>in</strong> diesem Heft auch den Beitrag „Erfolgreiches CSR<br />
Fortsetzung auf Seite 72<br />
70 Gedruckt auf Ste<strong>in</strong>beis Charisma Silk – hergestellt aus 100 % Altpapier, ausgezeichnet mit dem Blauen Engel. <strong>forum</strong> E<strong>in</strong> Produkt <strong>Nachhaltig</strong> der Ste<strong>in</strong>beis <strong>Wirtschaften</strong><br />
Papier GmbH.
www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />
71
THEMEN | STRATEGIE UND UNTERNEHMENSFÜHRUNG<br />
Fortsetzung von Seite 70<br />
Management“ als Auszug aus dem Standardwerk „Der CSR<br />
Manager“, 3. Auflage).<br />
Das Kriterien- und Indikatorenmodell (KIM) zur Bewertung<br />
von <strong>Nachhaltig</strong>keit, das von Prof. Dr. Anja Grothe im Rahmen<br />
verschiedener Forschungsprojekte der Hochschule für Wirtschaft<br />
und Recht Berl<strong>in</strong> (HWR) entwickelt wurde, quantifiziert<br />
die abgefragten <strong>Nachhaltig</strong>keits<strong>in</strong>dikatoren mit Hilfe von fünf<br />
Realisierungsgraden. Das Tool zur Selbstbewertung hat e<strong>in</strong>en<br />
„didaktisch partizipativen Anspruch“ (vgl. Grothe & Teller <strong>in</strong><br />
Grothe 2016:103ff) und umfasst <strong>in</strong> den vier Bereichen Ökonomie,<br />
Ökologie, Soziales und Governance unter 31 Aspekten<br />
<strong>in</strong>sgesamt 239 Indikatoren.<br />
<strong>Nachhaltig</strong>keit muss raus aus der CSR-Abteilung.<br />
Nach der Def<strong>in</strong>ition der International Group of Controll<strong>in</strong>g<br />
(IGC) ist „Controll<strong>in</strong>g […] der gesamte Prozess der Zielfestlegung,<br />
der Planung und der Steuerung im f<strong>in</strong>anz- und im<br />
leistungs<strong>wir</strong>tschaftlichen Bereich“. Diesem Zweck dienen<br />
die erhobenen Kennzahlen zu <strong>Nachhaltig</strong>keitsaspekten idealerweise<br />
ebenso wie klassische F<strong>in</strong>anzkennzahlen. Damit<br />
ökologische und soziale Belange <strong>in</strong> der Unternehmensführung<br />
gleichberechtigt neben ökonomischen Faktoren stehen,<br />
muss die <strong>Nachhaltig</strong>keit allerd<strong>in</strong>gs raus aus der CSR-Abteilung.<br />
<strong>Nachhaltig</strong>keit ist für alle Unternehmensbereiche<br />
relevant. Hierfür fehlt jedoch oft noch das Bewusstse<strong>in</strong>. Bei<br />
der Ausbildung von künftigen Führungskräften muss daher<br />
verstärkt darauf geachtet werden, dass, unabhängig vom<br />
Studienschwerpunkt, <strong>Nachhaltig</strong>keitswissen vermittelt <strong>wir</strong>d.<br />
Dem <strong>Nachhaltig</strong>keitsmanager kommt dann die Rolle e<strong>in</strong>es<br />
Koord<strong>in</strong>ators und Moderators zu.<br />
Eng mit dem Controll<strong>in</strong>g verbunden ist das Report<strong>in</strong>g, das<br />
auf den gewonnenen Kennzahlen basiert. Bei Großunternehmen,<br />
aber auch bei KMU s<strong>in</strong>d <strong>Nachhaltig</strong>keitsberichte<br />
heute nichts Ungewöhnliches. Die Qualität der Berichte ist<br />
jedoch sehr unterschiedlich, wie das Rank<strong>in</strong>g von IÖW und<br />
future alljährlich zeigt. Der Trend geht seit Neustem zum<br />
<strong>in</strong>tegrierten Report<strong>in</strong>g, zu e<strong>in</strong>er Integration von <strong>Nachhaltig</strong>keitsthemen<br />
<strong>in</strong> den Geschäftsbericht. So können nicht<br />
nur Synergien genutzt werden, sondern es <strong>wir</strong>d auch hier<br />
deutlich, dass <strong>Nachhaltig</strong>keit ke<strong>in</strong> Randthema, sondern e<strong>in</strong><br />
Querschnittsthema ist.<br />
Am Thema dran bleiben<br />
<strong>Nachhaltig</strong>keit macht Unternehmen messbar erfolgreicher.<br />
Da CSR-Controll<strong>in</strong>g und konsequent darauf basierendes Report<strong>in</strong>g<br />
für viele Unternehmen noch Neuland s<strong>in</strong>d, widmet<br />
B.A.U.M. auf se<strong>in</strong>er Jahrestagung zum Thema „#Erfolgsfaktor<strong>Nachhaltig</strong>keit“<br />
am 17./18. Mai <strong>in</strong> Frankfurt a. M. e<strong>in</strong>en<br />
ganzen Veranstaltungsblock der „Erfolgsmessung von <strong>Nachhaltig</strong>keit“.<br />
Als Referenten konnte das Netzwerk nachhaltig<br />
<strong>wir</strong>tschaftender Unternehmen u. a. Joachim Schöpfer, den<br />
Gründer von Serviceplan Corporate Reputation, gew<strong>in</strong>nen.<br />
Se<strong>in</strong> Unternehmen hat den Susta<strong>in</strong>ability Value Score mit<br />
entwickelt (<strong>forum</strong> berichtete darüber <strong>in</strong> Ausgabe 3/2016),<br />
der zeigt, dass <strong>Nachhaltig</strong>keit als wesentlicher Aspekt von<br />
Reputation zum wertvollsten Kapital von Unternehmen<br />
gehört.<br />
PROF. DR. MAXIMILIAN GEGE<br />
ist Vorsitzender von B.A.U.M. e.V., Mitglied <strong>in</strong> zahlreichen Jurys und<br />
Beiräten sowie Autor von Fachbüchern wie "Erfolgsfaktor Energieeffizienz"<br />
und "Unterwegs zu e<strong>in</strong>em ökologischen Wirtschaftswunder".<br />
Se<strong>in</strong> besonderes Interesse gilt gegenwärtig nachhaltigen Geldanlagen<br />
als Treiber nachhaltigen <strong>Wirtschaften</strong>s. Für se<strong>in</strong>e erfolgreichen<br />
Projekte wurde er mit vielen nationalen und <strong>in</strong>ternationalen Preisen<br />
ausgezeichnet.<br />
Jahrestagung und Preisverleihung <strong>2017</strong><br />
#Erfolgsfaktor<strong>Nachhaltig</strong>keit<br />
Konkrete Lösungen und deren Umsetzung <strong>in</strong> Unternehmen<br />
Treffpunkt der <strong>Nachhaltig</strong>keitsakteure aus Wirtschaft, Wissenschaft, Medien und Politik<br />
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17./18. Mai <strong>2017</strong><br />
<strong>in</strong> der Commerzbank-Arena, Frankfurt am Ma<strong>in</strong><br />
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72 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>
STRATEGIE UND UNTERNEHMENSFÜHRUNG | THEMEN<br />
<strong>Nachhaltig</strong>keitspolitik noch auf Kurs?<br />
In diesem Jahr „feiern“ <strong>wir</strong> 30 Jahre Brundtland-Bericht und 25 Jahre Rio-Konferenz. Wir haben im Jahr 2015 die UN SDG vere<strong>in</strong>bart, 2016<br />
den Pariser Weltklimavertrag <strong>in</strong> Kraft gesetzt und <strong>2017</strong> die CSR-Berichtspflicht für größere Unternehmen e<strong>in</strong>geführt. Aber s<strong>in</strong>d <strong>wir</strong> <strong>wir</strong>klich<br />
auf e<strong>in</strong>em nachhaltigen Kurs? Haben <strong>wir</strong> <strong>in</strong> den vergangenen Jahren den Raubbau an der Natur verr<strong>in</strong>gert und <strong>wir</strong>klich entscheidende<br />
Veränderungen e<strong>in</strong>geleitet?<br />
E<strong>in</strong> Kommentar von Mart<strong>in</strong> Oldeland<br />
Die Weltbevölkerung wächst weiterh<strong>in</strong>, und mit ihr wachsen auch die Konsumansprüche, das heißt weiter zunehmende Inanspruchnahme<br />
von Ressourcen sowie Zunahme an Emissionen, Abfällen, Schädigungen von Ökosystemen etc. S<strong>in</strong>d <strong>wir</strong> global überhaupt <strong>in</strong> der Lage, diesen<br />
Prozess aufzuhalten oder so deutlich zu verändern, dass <strong>wir</strong> den großen Herausforderungen <strong>uns</strong>erer Zeit gerecht werden?<br />
Schauen <strong>wir</strong> <strong>uns</strong> alle<strong>in</strong> das Klimaziel 2050 an: mit e<strong>in</strong>er Reduzierung der CO 2<br />
-Emissionen <strong>in</strong> Deutschland von 10 auf 1,5 Tonnen pro Person und<br />
Jahr heißt dies doch nichts anderes als sehr massive Veränderungen bei Produkten und Produktionsprozessen, aber auch bei Konsum- und<br />
Lebensstilen. Die notwendigen, tiefgreifenden Veränderungen würden bedeuten, fast jedes Produkt und jede <strong>uns</strong>erer bisherigen Kaufentscheidungen<br />
auf den Prüfstand zu stellen. S<strong>in</strong>d <strong>wir</strong> <strong>uns</strong> dessen <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Dimension überhaupt bewusst?<br />
Wir werden völlig neue Geschäftsmodelle und Produkte benötigen, aus anderen Materialien und durch andere Produktionsprozesse hergestellt,<br />
um die Belastungen <strong>uns</strong>eres Planeten <strong>in</strong> absoluten und nicht nur relativen Zahlen zu reduzieren. Und zwar deutlich, ohne dass <strong>wir</strong> den<br />
Konsumenten zurück <strong>in</strong> die Höhle schicken oder e<strong>in</strong>em Unternehmen e<strong>in</strong>e Weiterentwicklung untersagen wollen.<br />
Nur wenn <strong>Nachhaltig</strong>keit sehr viel mehr zum Kern des unternehmerischen Handelns und zum Kompass für die täglichen E<strong>in</strong>kaufsentscheidungen<br />
von <strong>uns</strong> Konsumenten <strong>wir</strong>d, kann es <strong>uns</strong> gel<strong>in</strong>gen, die Herausforderungen zu meistern. Dabei s<strong>in</strong>d Kopf und Herz gefordert. Umdenken<br />
und „Umhandeln“. Alle<strong>in</strong> mit technischer Effizienz und neuen technischen Lösungen erreichen <strong>wir</strong> die Ziele nicht. Wir brauchen die Gesellschaft<br />
2.0 und nicht nur die Industrie 4.0. Auch das Thema Suffizienz <strong>wir</strong>d <strong>in</strong> <strong>Zukunft</strong> mehr an Bedeutung gew<strong>in</strong>nen, wenn <strong>uns</strong>ere Ziele erreicht<br />
werden sollen.<br />
In der aktuellen geopolitischen Situation hat das Thema <strong>Nachhaltig</strong>keit offensichtlich ke<strong>in</strong>e oberste Priorität. Lassen Sie <strong>uns</strong> deswegen erfolgreich<br />
realisierte Praxisbeispiele, nachhaltige Produkte und Lösungen sowie die Vorbilder e<strong>in</strong>er nachhaltigen Entwicklung immer wieder aufzeigen<br />
und damit deutlich machen: E<strong>in</strong>e nachhaltige Gesellschaft ist möglich. Viele Unternehmen zeigen bereits seit Langem, dass nachhaltiges<br />
<strong>Wirtschaften</strong> e<strong>in</strong> wichtiger Wettbewerbs- und Erfolgsfaktor für die <strong>Zukunft</strong>ssicherung des Unternehmens ist. Die Forderung an e<strong>in</strong>en neu<br />
gewählten Bundestag und e<strong>in</strong>e neue Bundesregierung lautet, sehr viel stärker und mit deutlich mehr Mut das Thema <strong>Nachhaltig</strong>keit aufzugreifen<br />
und die Potenziale zu nutzen. Wir dürfen nicht mehr so sehr auf Bremser hören, sondern müssen viel konsequenter die Chancen e<strong>in</strong>er<br />
nachhaltigen Entwicklung nutzen. Nur das ist e<strong>in</strong>e zukunftsgerichtete, verantwortungsvolle und enkeltaugliche Politik.<br />
Dipl.-Kfm. Mart<strong>in</strong> Oldeland<br />
ist Mitglied des Vorstands von B.A.U.M. e. V. Er engagiert sich seit zwei Jahrzehnten für nachhaltiges <strong>Wirtschaften</strong> und ist u. a. Mitglied der Jury<br />
der GreenTec Awards und des Deutschen CSR-Preises.<br />
Bildung und <strong>Nachhaltig</strong>keit<br />
E<strong>in</strong> berufsbegleitender Masterstudiengang<br />
Abschluss: Master of Arts<br />
Beg<strong>in</strong>n: 1. Oktober<br />
Kosten: 1.470 € pro Semester<br />
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www.uni-rostock.de/weiterbildung<br />
73
THEMEN | STRATEGIE UND UNTERNEHMENSFÜHRUNG<br />
MASSIVHOLZ<br />
Treuer Begleiter im Büro<br />
Der Markt der Büromöbel <strong>wir</strong>d dom<strong>in</strong>iert von Möbeln aus Spanplatten, meist beschichtet mit Dekoren aus<br />
Melam<strong>in</strong>harz und Kanten aus ABS, Acryl oder anderen K<strong>uns</strong>tstoffen. Die Anfangs<strong>in</strong>vestitionen halten sich <strong>in</strong><br />
Grenzen, die Möbel versprechen zunächst genügend Haltbarkeit. Doch das dicke Ende kommt danach ...<br />
Von Fritz Lietsch<br />
… denn bei genauerer Betrachtungsweise zeigen sich<br />
deutliche Nachteile: Der Energieaufwand bei der Herstellung<br />
der Spanplatten ist <strong>in</strong> etwa drei Mal so hoch wie bei<br />
Massivholz. Das Holz muss mit enormer Wärmezufuhr<br />
getrocknet, zu kle<strong>in</strong>en Spänen zermahlen und mit viel<br />
Hitze, Druck und formaldehydhaltigem Leim zu Platten<br />
verpresst werden. Beim anschließenden Beschichten<br />
mit den Dekoren und Kanten <strong>wir</strong>d wieder viel Hitze und<br />
Druck benötigt. Ist während der Nutzung der Möbel die<br />
Beschichtung e<strong>in</strong>mal beschädigt, an der Kante e<strong>in</strong> Stückchen<br />
abgeplatzt oder durch e<strong>in</strong>en spitzen Gegenstand<br />
verkratzt, muss der Nutzer damit leben, bis e<strong>in</strong> neues<br />
Möbelstück angeschafft <strong>wir</strong>d. Dies gilt ganz besonders<br />
für Schreib- und Arbeitstische. Und auch Umzüge nehmen<br />
Möbel aus Spanplatten häufig krumm: Schrauben halten<br />
<strong>in</strong> den verklebten Holzbröseln der Platten schlecht, e<strong>in</strong><br />
mehrmaliges Umbauen der Möbel <strong>wir</strong>d schwierig. Da<br />
bleibt nur die kostenpflichtige Entsorgung.<br />
Foto: © Picasa<br />
74 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>
STRATEGIE UND UNTERNEHMENSFÜHRUNG | THEMEN<br />
Büromöbel aus Massivholz s<strong>in</strong>d zwar teuer, bieten aber viele Vorteile: sie überstehen kle<strong>in</strong>e Zusammenstöße im (Arbeits-) Alltag sowie bei<br />
Umzügen mit Auf- und Abbau. Bei ihrer Produktion <strong>wir</strong>d im Vergleich zu Spanplatten wenig Energie benötigt und sie haben das Zeug zum<br />
dauerhaften Klassiker.<br />
Foto: © ACD Systems Digital Imag<strong>in</strong>g<br />
Langlebig und e<strong>in</strong> treuer Begleiter<br />
Aus diesem Grund fiel bei <strong>uns</strong> im ALTOP Verlag schon vor<br />
25 Jahren trotz knapper Budgets die klare Entscheidung<br />
für Vollholzmöbel diverser Hersteller, darunter Wasa und<br />
Bergmann. Und nach über zwei Jahrzehnten Nutzung kann<br />
man sagen: Die Investition hat sich gelohnt. Die Möbel s<strong>in</strong>d<br />
nach e<strong>in</strong>er Auffrischung noch immer im E<strong>in</strong>satz. Auch <strong>in</strong><br />
<strong>uns</strong>erem Ausstellungs- und Kongresszentrum „Öko-Partner-Haus“<br />
setzten <strong>wir</strong> auf Vollholzschränke und -regale.<br />
Hier fiel die Wahl auf das durchdachte und ökologisch<br />
vorbildliche System von Trend, e<strong>in</strong>er Manufaktur aus dem<br />
Odenwald, da es e<strong>in</strong>e schier unbegrenzte Möglichkeit zur<br />
Komb<strong>in</strong>ation erlaubt.<br />
Dieses Regal- und Schranksystem konnte nach Abbau des<br />
Ausstellungshauses problemlos im Verlagsbüro weiterverwendet<br />
werden und ist somit trotz vielfältiger Auf-, Ab- und<br />
Umbauten seit über 25 Jahren im E<strong>in</strong>satz. Der große Vorteil:<br />
www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />
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75
THEMEN | STRATEGIE UND UNTERNEHMENSFÜHRUNG<br />
neu<br />
Die Systemkomponenten können immer wieder anders komb<strong>in</strong>iert, ergänzt und auf<br />
die jeweils neuen Bedürfnisse angepasst werden. Dies ist möglich, weil das modulare<br />
Grundsystem seit über dreißig Jahren unverändert und das Naturholz nahezu<br />
unverwüstlich ist. Da die Oberflächen jederzeit geschliffen und damit überall partiell<br />
repariert werden können, ist <strong>uns</strong>ere Büroausstattung mit <strong>uns</strong> durch dick und dünn<br />
gegangen. Und wenn dann tatsächlich irgendwann ke<strong>in</strong>e Verwendung mehr im Büro<br />
für Schreibtische, Schränke und Regale se<strong>in</strong> sollte, können sie immer noch als äußerst<br />
stabile Lagerregale genutzt oder letztendlich verbrannt werden und damit fossile<br />
Brennstoffe ersetzen. Ke<strong>in</strong> Aufwand mit der teuren Entsorgung von Sondermüll,<br />
sondern e<strong>in</strong> stimmungsvolles Lagerfeuer als Abschied für die langjährigen Begleiter.<br />
Doch von Abschied ist bei <strong>uns</strong> selbst nach dreißig Jahren Engagement noch ke<strong>in</strong>e<br />
Rede, im Gegenteil.<br />
In Holz <strong>in</strong>vestiert<br />
Auch die UmweltBank AG <strong>in</strong> Nürnberg hat <strong>in</strong> Schreibtische, Büroschränke und sonstige<br />
Möbel dieses Herstellers aus dem Odenwald <strong>in</strong>vestiert. Ke<strong>in</strong> Wunder, denn die Bank<br />
hat das Ziel, durch ihre Geschäftstätigkeit <strong>in</strong> jeder H<strong>in</strong>sicht zum Schutz der Umwelt<br />
beizutragen, <strong>in</strong> ihrer Satzung verankert. Sie f<strong>in</strong>anziert mit ihren Kundene<strong>in</strong>lagen ausschließlich<br />
ökologische Kreditprojekte <strong>in</strong> den Bereichen Photovoltaik, ökologische<br />
Bauf<strong>in</strong>anzierungen, W<strong>in</strong>d- und Wasserkraftprojekte, Biomasseprojekte und ökologische<br />
Land<strong>wir</strong>tschaft. Die ältesten Möbel des F<strong>in</strong>anz<strong>in</strong>stitutes s<strong>in</strong>d über zwanzig Jahre alt.<br />
Nach über zehn Jahren <strong>in</strong>tensiver Nutzung wurden erstmals 2006 alle Tischplatten von<br />
den Schre<strong>in</strong>ern aus dem Odenwald abgeholt und überarbeitet. Da die Platten e<strong>in</strong>e<br />
Stärke von 30 Millimetern haben, kann ihre Erneuerung noch e<strong>in</strong>ige Male wiederholt<br />
werden und sie können noch <strong>in</strong> hundert Jahren im dann schon traditionsreichen<br />
Bankhaus verwendet werden. Dank dieser Beschaffungspolitik konnten <strong>in</strong> diesem Jahr<br />
die festen Gestelle der Schreibtische gegen höhenverstellbare Gestelle ausgetauscht<br />
werden. Das ist e<strong>in</strong>e wichtige ergonomische Maßnahme, um Rückenbeschwerden,<br />
e<strong>in</strong>e der häufigsten Krankheitsursachen von Arbeitnehmern mit vorwiegend sitzenden<br />
Tätigkeiten, zu vermeiden. Denn neben nachhaltigen und <strong>wir</strong>tschaftlichen Aspekten<br />
s<strong>in</strong>d natürlich auch soziale und gesundheitliche Betrachtungsweisen beim Kauf von<br />
Büromöbeln wichtig. E<strong>in</strong> Mitarbeiter, der an e<strong>in</strong>em höhenverstellbaren Schreitisch,<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Umgebung ohne Schadstoffe, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em ausgeglichenen Raumklima und an<br />
Kugelschreiber Satellite<br />
FSC®-zertifizierte<br />
heimische Buche<br />
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Checkliste für den Möbelkauf<br />
Lassen Sie nachfolgende Kriterien bei der Anschaffung von<br />
Möbeln <strong>in</strong> Ihre Kaufentscheidung mit e<strong>in</strong>fließen:<br />
<strong>Nachhaltig</strong>e Aspekte<br />
• Verbrauch von fossilen Rohstoffen bei Herstellung und Transport<br />
• Haltbarkeit der Möbel<br />
• Modularer Aufbau<br />
• Ist e<strong>in</strong>e zweite oder weitere Nutzung nach der ersten möglich?<br />
• Können die Oberflächen erneuert werden?<br />
• <strong>Wie</strong> werden die Wälder, aus denen das Holz stammt, be<strong>wir</strong>tschaftet (FSC, PEFC)?<br />
Soziale Aspekte<br />
• Ergonomie<br />
• Gesundes Raumklima<br />
• Haptik der Oberflächen<br />
• Schadstoffe, die aus dem Möbelstück emittieren<br />
• Standort der Produktion, Arbeitsplätze <strong>in</strong> Deutschland?<br />
Betriebs<strong>wir</strong>tschaftliche Aspekte<br />
• Haltbarkeit der Möbel und Beschläge<br />
• Modularer Aufbau, wie oft kann umgebaut, ergänzt oder erweitert werden?<br />
• Renovierbarkeit<br />
76 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>
STRATEGIE UND UNTERNEHMENSFÜHRUNG | THEMEN<br />
Bei folgenden ÖkoControl- Partnern erhalten<br />
Sie das „grüne Büro“ der Fa. Trend<br />
haptisch angenehmen Oberflächen arbeitet, ist vitaler und leistungsfähiger. Die<br />
flexible Nutzung von modularen Möbeln und die damit verbundenen Gestaltungsmöglichkeiten<br />
erhöhen Arbeitsmotivation und Zufriedenheit.<br />
Auch die Firma Naturata AG aus Marbach, e<strong>in</strong> Pionier und führender Anbieter<br />
von Lebensmitteln aus biologisch-dynamischer und biologischer Erzeugung,<br />
lässt se<strong>in</strong>e Schreibtische „runderneuern“. Die Massivholztischplatten von verschiedenen<br />
Anbietern werden demontiert und <strong>in</strong>s Werk gefahren, abgeschliffen<br />
und neu geölt. Die Mitarbeiter freuen sich schon auf ihre neuen „alten“ Tische.<br />
Knock on Wood<br />
Auch bei Holz gibt es E<strong>in</strong>kaufsregeln zu beachten. Bevorzugen Sie bei der Auswahl<br />
und Anschaffung neuer Möbel geprüfte Hersteller mit e<strong>in</strong>er nachvollziehbaren<br />
Lieferkette. Ladene<strong>in</strong>richtungen sowie Büro- und Wohnmöbel aus Naturholz<br />
sollten aus europäischen, FSC-zertifizierten Wäldern stammen und die Holzoberflächen<br />
offenporig mit Naturölen behandelt se<strong>in</strong>. Achten Sie auch auf e<strong>in</strong>e<br />
handwerklich anspruchsvolle Verarbeitung und prüfen Sie, ob die verwendeten<br />
Beschläge hochwertig s<strong>in</strong>d. Um Innenraumbelastungen zu vermeiden, sollten<br />
Möbel auf Schadstoffe geprüft und baubiologisch empfohlen se<strong>in</strong>.<br />
Bei der E<strong>in</strong>schätzung der <strong>Nachhaltig</strong>keit von Möbeln s<strong>in</strong>d viele Aspekte wichtig.<br />
E<strong>in</strong>er davon ist, wie viele fossile Rohstoffe bei der Herstellung oder beim<br />
Transport verbraucht und ob wertvolle Regenwälder abgeholzt werden. Noch<br />
wichtiger ist die Langlebigkeit der Produkte und damit, wie lange das im Holz<br />
gebundene CO 2<br />
im Möbel bleibt und somit der Luft entzogen ist. Denn bei der<br />
Verbrennung oder Kompostierung der Althölzer entweicht das CO 2<br />
wieder <strong>in</strong> die<br />
Luft und belastet <strong>uns</strong>ere Atmosphäre – mit allen bekannten Aus<strong>wir</strong>kungen. Und<br />
es gilt noch mehr zu beachten (siehe Checkliste), doch grundsätzlich hat Massivholz<br />
viele Vorteile auf se<strong>in</strong>er Seite. Lediglich <strong>in</strong> der Höhe der Erst<strong>in</strong>vestition<br />
haben Spanplattenmöbel die Nase vorne. Leider ist der Anschaffungspreis <strong>in</strong><br />
den allermeisten Fällen das wichtigste Kriterium für den Kunden. In nahezu allen<br />
Ausschreibungen werden daher ausschließlich Möbel aus Spanplatten ausgeschrieben.<br />
Hochwertige, nachhaltige Möbel haben hier ke<strong>in</strong>e Chance. Hier wäre<br />
e<strong>in</strong> Umdenken <strong>in</strong> Richtung ökologischer Nutzen, Mehrwert für die Mitarbeiter<br />
und langfristige Wirtschaftlichkeit nötig. Unternehmen oder Institutionen mit<br />
konsequentem Anspruch an Ökologie und schlüssigem Umweltmanagement<br />
entscheiden sich immer häufiger für Massivholzmöbel. E<strong>in</strong>e Investition, die sich<br />
für alle Beteiligten rechnet. Und denken Sie daran: Hochwertige Möbelklassiker<br />
von heute s<strong>in</strong>d die werterhaltenden Antiquitäten von morgen.<br />
Das „grüne“ Büro<br />
mit dem ÖkoControl-Siegel<br />
Die Mitglieder des Europäischen Verbandes ökologischer E<strong>in</strong>richtungshäuser e.V. verpflichten<br />
sich zu besonders verantwortungsvollem Umgang mit Umwelt und Gesundheit.<br />
Deswegen haben sie mit der ÖkoControl-Gesellschaft für Qualitätsstandards ökologischer<br />
E<strong>in</strong>richtungshäuser e<strong>in</strong>e Institution <strong>in</strong>s Leben gerufen, die Standards festlegt, wie e<strong>in</strong> Möbel<br />
beschaffen se<strong>in</strong> sollte, um ökologisch zu se<strong>in</strong>. Die Möbelhersteller, mit denen die Verbandshändler<br />
zusammenarbeiten, verzichten auf Tropenholz und beziehen Holz zumeist<br />
aus europäischer Forst<strong>wir</strong>tschaft. Sie produzieren <strong>in</strong> der DACH-Region oder <strong>in</strong> anderen<br />
europäischen Ländern mit hohen Umweltauflagen. Das bedeutet nicht zuletzt e<strong>in</strong>e Reduzierung<br />
schädlicher CO 2<br />
-Emissionen durch verr<strong>in</strong>gerte Transportwege. Gleichzeitig ist die<br />
ÖkoControl bestrebt, so viele Möbel wie machbar nach den verbandseigenen strengen<br />
Parametern bei akkreditierten Prüflaboren auf eventuelle Schadstoffe testen zu lassen.<br />
E<strong>in</strong> Holzmöbel mit dem ÖkoControl-Siegel besteht nur aus Hölzern aus nachhaltiger Forst<strong>wir</strong>tschaft<br />
und ist größtmöglich frei von Schadstoffen.<br />
www.oekocontrol.com<br />
www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />
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4<br />
5<br />
6<br />
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8<br />
9<br />
01099 Dresden | Trollhus Dresden<br />
Königsbrücker Str. 45 | www.trollhus-dresden.de<br />
09119 Chemnitz | Möbelgalerie Tuffner<br />
Am Walkgraben 3 | www.tuffner.de<br />
10625 Berl<strong>in</strong> | Wohn-Opposition – Rolf Amann<br />
Schlüterstraße 17 | www.wohnopposition.de<br />
24103 Kiel | sitl<strong>in</strong>e<br />
Fleethörn 59 | www.sitl<strong>in</strong>e.de<br />
26121 Oldenburg | Trendwende – natürlich<br />
e<strong>in</strong>richten | Alexanderstr. 19<br />
www.trendwende-e<strong>in</strong>richten.de<br />
30539 Hannover | Concept Naturhaus<br />
Brabeckstraße 169 | www.concept-naturhaus.de<br />
38106 Bra<strong>uns</strong>chweig | Eula E<strong>in</strong>richtungen GmbH<br />
L<strong>in</strong>nestr. 2, Am Botanischen Garten | www.eula.de<br />
42699 Sol<strong>in</strong>gen | Wohnstudio Haussels<br />
Merscheider Str. 3 | www.wohnstudio-haussels.de<br />
44809 Bochum | Baum im Raum<br />
Hedwigstraße 5-9 | www.baum-im-raum.de<br />
44867 Bochum | arcus – Natürlich Wohnen<br />
Berl<strong>in</strong>er Str. 107 | www.arcus-natur.de<br />
48163 Münster | Eckhart Bald Naturmöbel<br />
Weseler Str. 628 | www.e-bald.de<br />
50823 Köln | Biomöbel Genske<br />
Subbelrather Str. 24 | www.biomoebel.de<br />
53117 Bonn | Bio-Möbel-Bonn<br />
An der Margarethenkirche 31<br />
www.biomoebelbonn.de<br />
57271 Hilchenbach | Bensberg Wohnen<br />
Hauptstr. 73 | www.bensbergwohnen.de<br />
61440 Oberursel | Schre<strong>in</strong>erei Kunz GmbH<br />
Weilstraße 4-6 | www.massivmoebel-kunz.de<br />
64283 Darmstadt | Böhm Natur – Wohnart<br />
E<strong>in</strong>richtungsges. mbH<br />
Grafenstraße 39 | www.boehm-natur.de<br />
66994 Dahn | Möbel Naab GmbH & Co.KG<br />
Hasenbergstraße 9 + 13 | www.moebel-naab.de<br />
76133 Karlsruhe | Ergonomie & Wohnen<br />
Waldstraße 44 | www.ergonomie-und-wohnen.de<br />
77656 Offenburg | Schneckenhaus GmbH<br />
Wilhelm-Röntgen-Str. 25<br />
www.schneckenhaus-moebel.de<br />
78467 Konstanz | Naturkonzept Frank Jahnel e.K.<br />
Rudolf-Diesel-Straße 1A<br />
www.naturkonzept-konstanz.de<br />
79713 Bad Säck<strong>in</strong>gen | Die RuheInsel M. & C.<br />
Müller | Rhe<strong>in</strong>brückstraße 8 | www.ruhe-<strong>in</strong>sel.de<br />
79822 Titisee-Neustadt | Helmle Wohnfühlen<br />
Wilhelm-Stahl-Straße 3<br />
www.helmle-wohnfuehlen.de<br />
83278 Tra<strong>uns</strong>te<strong>in</strong> | NATURHAUS e.K.<br />
Wasserburger Str. 29<br />
www.naturhaus-tra<strong>uns</strong>te<strong>in</strong>.de<br />
85049 Ingolstadt / Ridder²<br />
Gerolf<strong>in</strong>ger Straße 1<strong>02</strong> | www.ridder2.de<br />
88453 Erolzheim | Kohler – natürlich E<strong>in</strong>richten<br />
GmbH & Co.KG | Keplerstraße 26<br />
www.kohler-naturmoebel.de<br />
91792 Ell<strong>in</strong>gen | Wohnwiese – Jette Schlund e.K.<br />
Birkenweg 10 | www.team7wohnwiese.de<br />
92318 Neumarkt i.d. Oberpfalz | SIGnatura<br />
Natur-E<strong>in</strong>richtungshaus | Schwen<strong>in</strong>gerstraße 51<br />
www.wohnen-sie-wohl.de<br />
94032 Passau | Natur & Design – Otto Bauer 77<br />
Bahnhofstr. 31 | www.natur-design-passau.de
THEMEN | NATUR- UND KLIMASCHUTZ<br />
STARKE<br />
FRAUEN<br />
Fotos: l<strong>in</strong>ks: © Euler | rechts: © Thomas Trutschel, Photothek, BMUB<br />
78 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>
NATUR- UND KLIMASCHUTZ | THEMEN<br />
Prof. Dr. Beate Jessel<br />
NATURSCHUTZ<br />
Viel mehr als „Viecherl“ und „Pflänzerl“<br />
Wenn Beate Jessel über den Naturschutz spricht, <strong>wir</strong>d e<strong>in</strong>es deutlich: Naturschutz lässt sich nicht auf<br />
seltene oder gefährdete Pflanzen und Tiere e<strong>in</strong>grenzen, sondern ist wesentlich weiter zu fassen. <strong>Wie</strong> weit,<br />
das zeigen die vielfältigen Aufgaben „ihres“ Amtes, des Bundesamtes für Naturschutz (BfN).<br />
Von Ruth Schedlbauer<br />
Sie lieben die Natur: Umweltm<strong>in</strong>ister<strong>in</strong> Barbara Hendricks und BfN-Chef<strong>in</strong> Beate Jessel im Gespräch.<br />
www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />
79
Diplomatisch versteht es Beate Jessel, Menschen für den Naturschutz zu begeistern. Aufklärungsarbeit und starke Publikationen helfen, auch<br />
Kritiker mit starken Argumenten den W<strong>in</strong>d aus den Segeln zu nehmen.<br />
Seit nunmehr neun Jahren leitet die gebürtige Stuttgarter<strong>in</strong><br />
und Professor<strong>in</strong> die e<strong>in</strong>zige wissenschaftliche Behörde<br />
für den Naturschutz auf Bundesebene. Sie ist Chef<strong>in</strong> von<br />
rund 370 Mitarbeiter<strong>in</strong>nen und Mitarbeitern, deren Alltag<br />
von der wissenschaftlichen Forschung, der Beratung des<br />
Bundesumweltm<strong>in</strong>isteriums <strong>in</strong> allen Fragen des Naturschutzes<br />
sowie dem Vollzug verschiedener nationaler und<br />
<strong>in</strong>ternationaler Abkommen geprägt ist. So ist das BfN unter<br />
anderem Vollzugsbehörde für den Meeresnaturschutz <strong>in</strong><br />
der ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) der Vere<strong>in</strong>ten<br />
Nationen und für das <strong>in</strong>ternationale Artenschutzübere<strong>in</strong>kommen<br />
CITES. Das BfN fördert aber auch zahlreiche<br />
andere Vorhaben, darunter Projekte mit der Wirtschaft im<br />
Rahmen des Bundesprogramms zur Biologischen Vielfalt.<br />
Hier ist das Projekt „Naturnahe Firmengelände“ besonders<br />
erfolgreich, ebenso wie die vom BfN unterstützte Dialogund<br />
Aktionsplattform „Unternehmen Biologische Vielfalt<br />
2<strong>02</strong>0“, die Organisationen aus Wirtschaft und Naturschutz<br />
zusammenbr<strong>in</strong>gt.<br />
M<strong>in</strong>destens genauso breit gefächert wie die Vollzugsaufgaben<br />
und die geförderten Projekte s<strong>in</strong>d die Themenfelder,<br />
die das BfN <strong>in</strong> der wissenschaftlichen Forschung besetzt.<br />
Sie reichen von den „Viecherln“ und „Pflänzerln“, also dem<br />
zoologischen und botanischen Artenschutz, über die nachhaltige<br />
Nutzung von Flächen zu Lande und zu Wasser bis h<strong>in</strong><br />
zu rechtlichen, ökonomischen und auch gesellschaftlichen<br />
Fragestellungen. Darüber h<strong>in</strong>aus werden Daten und Literatur<br />
vom Meeresnaturschutz bis h<strong>in</strong> zur Landschaftsplanung und<br />
-gestaltung bereitgestellt.<br />
E<strong>in</strong>e Präsident<strong>in</strong> aus der Praxis<br />
Gerade wenn es um Fragen der Landschaftsentwicklung geht,<br />
macht der BfN-Präsident<strong>in</strong> so schnell niemand etwas vor.<br />
Denn Beate Jessel ist mit der Praxis e<strong>in</strong>es Planungsbüros genauso<br />
vertraut wie mit der wissenschaftlichen Forschung und<br />
Lehre. Bevor sie im Herbst 2007 auf Vorschlag des damaligen<br />
Bundesumweltm<strong>in</strong>isters Sigmar Gabriel an das BfN berufen<br />
wurde, hat sie ihr „Handwerk“ von der Pike auf gelernt:<br />
Dem Studium der Landespflege an der TU München <strong>in</strong> Freis<strong>in</strong>g-Weihenstephan<br />
folgten praktische, wissenschaftliche<br />
und leitende Tätigkeiten, unter anderem an der Bayerischen<br />
Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege (ANL) <strong>in</strong><br />
Laufen an der Salzach. Nach ihrer Promotion zum Dr. agr. und<br />
vor ihrem Wechsel zum BfN hatte Beate Jessel den Lehrstuhl<br />
für Strategie und Management der Landschaftsentwicklung<br />
an der Technischen Universität München <strong>in</strong>ne und war Professor<strong>in</strong><br />
für Landschaftsplanung am Institut für Geoökologie<br />
der Universität Potsdam.<br />
Diplomatie ist gefragt<br />
Ihre beruflichen Erfahrungen und ihr profundes Fachwissen<br />
erleichtern es der BfN-Präsident<strong>in</strong>, auch <strong>in</strong> schwierigen<br />
Situationen die oftmals nicht unumstrittene Position des<br />
Naturschutzes souverän zu vertreten. Sie ist schon von Amts<br />
wegen weniger e<strong>in</strong>e Kämpfer<strong>in</strong>, eher e<strong>in</strong>e Diplomat<strong>in</strong> für den<br />
Naturschutz. Sie agiert klug und überzeugt mit Argumenten.<br />
Sie versteht es, dem e<strong>in</strong>en oder anderen, der dem Naturschutz<br />
partiell oder sogar per se kritisch gegenübersteht,<br />
den sprichwörtlichen W<strong>in</strong>d aus den Segeln zu nehmen.<br />
Fotos v.l.n.r.: © BMUB, Ursula Euler, Sascha Hilgers<br />
80 Gedruckt auf Ste<strong>in</strong>beis Charisma Silk – hergestellt aus 100 % Altpapier, ausgezeichnet mit dem Blauen Engel. <strong>forum</strong> E<strong>in</strong> Produkt <strong>Nachhaltig</strong> der Ste<strong>in</strong>beis <strong>Wirtschaften</strong><br />
Papier GmbH.
NATUR- UND KLIMASCHUTZ | THEMEN<br />
Denn letztlich ist – so ihr Verständnis – Naturschutz e<strong>in</strong>e<br />
Querschnittsaufgabe, die <strong>in</strong> viele gesellschaftliche Sektoren<br />
und Politikbereiche h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>reicht und hier Überzeugungsarbeit<br />
erfordert: Ob es nun um Anforderungen an e<strong>in</strong>e naturverträgliche<br />
Land- und Forst<strong>wir</strong>tschaft oder die nachhaltige<br />
Nutzung der Meere und deren Schutz vor Überfischung geht.<br />
Sei es die Abschätzung von Risiken, die von der Ausbr<strong>in</strong>gung<br />
gentechnisch veränderter Organismen <strong>in</strong> der Landschaft<br />
ausgehen, oder e<strong>in</strong>e Siedlungsentwicklung, die neben flächensparenden<br />
Bauweisen auch im Auge behält, dass dabei<br />
Lebensqualität und Möglichkeiten zur Naturerfahrung für<br />
die dort lebenden Menschen erhalten bleiben. Beate Jessel<br />
versteht es mit Kompetenz und Charme für die Sache und<br />
ihre Anliegen zu kämpfen.<br />
Alles hat zwei Seiten<br />
So ist die Rückkehr des Wolfes nach Deutschland e<strong>in</strong> Beispiel<br />
dafür, wie kontrovers sich Naturschutz und Nutzerverbände<br />
oder auch Naturschutz und ver<strong>uns</strong>icherte Bürger<strong>in</strong>nen und<br />
Bürger gegenüberstehen können. Für die BfN-Präsident<strong>in</strong><br />
zeigt der Wolf vor allem e<strong>in</strong>es: So wie der Mensch e<strong>in</strong>st<br />
den Wolf <strong>in</strong> Deutschland ausgerottet hat, so ist er heute<br />
dazu angehalten, sich wieder an dessen Anwesenheit zu<br />
gewöhnen. Angst- und Panikmache s<strong>in</strong>d hier fehl am Platz.<br />
E<strong>in</strong> anderes Beispiel, das die enge Verzahnung, ja Abhängigkeit<br />
von Mensch und Natur verdeutlicht, aber auch großes<br />
Konfliktpotenzial aufzeigt, ist der Hochwasserschutz. Technische<br />
Maßnahmen s<strong>in</strong>d hier zwar unabd<strong>in</strong>gbar, können<br />
aber nicht die alle<strong>in</strong>ige Lösung se<strong>in</strong>. Vielmehr gilt es, den<br />
Flüssen wieder mehr Raum zu geben, und daher kommt der<br />
Renaturierung von Auen und Fließgewässern große Bedeutung<br />
zu, nicht nur mit Blick auf die Natur, sondern auch aus<br />
ökonomischen Gesichtspunkten. Denn selbst wenn vielleicht<br />
baulicher Hochwasserschutz viel mehr „wert“ zu se<strong>in</strong> sche<strong>in</strong>t<br />
als e<strong>in</strong> Konzept, das auf naturnahe Gestaltung setzt, hat e<strong>in</strong>e<br />
Studie des BfN gezeigt: Durch die Renaturierung von Auen<br />
und Fließgewässern lassen sich auf lange Sicht Summen <strong>in</strong><br />
Millionenhöhe e<strong>in</strong>sparen. Für die BfN-Präsident<strong>in</strong> e<strong>in</strong> Zeichen<br />
dafür, dass hier nicht nur Aufklärungsarbeit nötig ist, sondern<br />
auch die Politik verstärkt tätig werden muss. An den beiden<br />
Beispielen zeigt sich e<strong>in</strong>mal mehr, wie treffend die Worte von<br />
Beate Jessel s<strong>in</strong>d: Naturschutz ist zwar auch „Pflänzerl“ und<br />
„Viecherl“ – reicht aber weit darüber h<strong>in</strong>aus!<br />
RUTH SCHEDLBAUER<br />
hat Geschichte und Germanistik studiert. Vor ihrer Tätigkeit im BfN<br />
war sie u.a. als Pressereferent<strong>in</strong> für den Deutschen Alpenvere<strong>in</strong><br />
tätig. Ihr besonderes Engagement gilt den „Viecherl“ und „Pflänzerl“.<br />
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der Schöpfung? +++ <strong>Wie</strong> sehen das die gläubigen<br />
Politiker Kretschmann, Dreyer, Gör<strong>in</strong>g-Eckardt?<br />
+++ Waren Sie jemals so ratlos wie im Moment,<br />
Eva Menasse? +++ Was s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> diesem<br />
Frühjahr die besten Bücher mit <strong>Zukunft</strong>? +++ Wen<br />
trifft Trumps Klimapolitik am härtesten? +++ Ist der<br />
Vegan-Boom schon am Ende? +++ S<strong>in</strong>d fanatische<br />
Veganer e<strong>in</strong>e Gefahr für die Demokratie? +++ Ist<br />
die sozialökologische Politik vorbei, bevor sie begonnen<br />
hat? +++ Kann man als Normalmensch<br />
ohne Plastik leben? +++ Warum <strong>wir</strong>d die Schriftsteller<strong>in</strong><br />
Kathr<strong>in</strong> Röggla im Zug fast verrückt? +++ Was<br />
ist <strong>wir</strong>klich wichtig? Tatortkommisssar Dietmar Bär<br />
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T (0 30) 2 59 <strong>02</strong>-200<br />
taz.<br />
81
THEMEN | NATUR- UND KLIMASCHUTZ<br />
Die wichtigste Grafik der<br />
KLIMAWISSENSCHAFT<br />
Der Klimawandel ver<strong>wir</strong>rt und ver<strong>uns</strong>ichert durch viele Informationen, viele Me<strong>in</strong>ungen und komplexe<br />
Zusammenhänge. Zwischen der Diskussion um Kipp-Elemente und statistische Wahrsche<strong>in</strong>lichkeiten geht<br />
dabei oft das Verständnis über die wesentlichen Fakten der Klimawissenschaft verloren. E<strong>in</strong>e 2016 <strong>in</strong><br />
Nature Climate Change veröffentlichte Grafik fasst die wichtigsten Ergebnisse jahrzehntelanger Forschung<br />
zusammen.<br />
Von Maiken W<strong>in</strong>ter und Andreas Wolfste<strong>in</strong>er<br />
Das Klimasystem reagiert auf die Erderwärmung ab bestimmten<br />
Größenordnungen mit starken Veränderungen. Diese<br />
Veränderungen können abrupt e<strong>in</strong>treten oder über lange Zeit<br />
ablaufen. Oft s<strong>in</strong>d diese Prozesse aus Sicht der Menschheit<br />
unumkehrbar und teilweise auch noch selbstverstärkend.<br />
E<strong>in</strong> Beispiel für sich selbst verstärkende Prozesse ist das<br />
Auftauen der Permafrostböden. Durch das Tauen werden<br />
Treibhausgase freigesetzt, die wiederum den Temperaturanstieg<br />
beschleunigen. Den Temperaturbereich, <strong>in</strong> dem e<strong>in</strong><br />
solcher Prozess angestoßen <strong>wir</strong>d, nennt man den Kipp-Punkt.<br />
Das System, <strong>in</strong> dem e<strong>in</strong> Kipp-Punkt existiert, nennt man e<strong>in</strong><br />
Kipp-Element (Abbildung 1).<br />
Im Juli 2016 veröffentlichte Hans Joachim Schellnhuber<br />
zusammen mit Stefan Rahmstorf und Ricarda W<strong>in</strong>kelmann<br />
e<strong>in</strong>en viel beachteten Artikel <strong>in</strong> Nature Climate Change. 2 Dar<strong>in</strong><br />
ist e<strong>in</strong>e Grafik enthalten, die e<strong>in</strong> Journalist der Wash<strong>in</strong>gton<br />
Post, Christopher Mooney, als „e<strong>in</strong>e der wichtigsten Grafiken<br />
Abbildung 1:<br />
Kipp-Elemente des Klimasystems<br />
Aus: T.M. Lenton<br />
et al. 2008. 1 Nachgedruckt mit<br />
Erlaubnis der National Academy<br />
of Sciences, U.S.A.<br />
1) T.M. Lenton et al. 2008. Tipp<strong>in</strong>g elements <strong>in</strong> the Earth‘s climate system. PNAS 105 (6): 1786-1793.<br />
82 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>
NATUR- UND KLIMASCHUTZ | THEMEN<br />
der Klimageschichte“ bezeichnet (Abbildung 2). Diese Grafik<br />
fasst das gesamte Wissen über Kipp-Elemente und deren<br />
Kipp-Punkte zusammen: Sie zeigt die historische Temperaturveränderung<br />
der letzten 20.000 Jahre sowie die IPCC<br />
Szenarien 3 der zukünftigen Temperaturentwicklung bis zum<br />
Jahr 2500 und verdeutlicht, wie sich die Gefahren des Klimawandels<br />
<strong>in</strong> drei Bereiche staffeln lassen: E<strong>in</strong>e Erderwärmung<br />
zwischen 1 und 2° C (Bereich des Pariser Abkommens), e<strong>in</strong>e<br />
Erwärmung zwischen 4 und 6° C und darüber h<strong>in</strong>aus. Die<br />
Grafik zeigt anschaulich, <strong>in</strong> welch gefährlichem Bereich sich<br />
die Menschheit heute schon bef<strong>in</strong>det und was <strong>wir</strong> <strong>in</strong> <strong>Zukunft</strong><br />
erwarten müssen, wenn <strong>wir</strong> nicht sofort handeln. Aufgrund<br />
der langen Bremsspur des Klimas entscheiden <strong>wir</strong> heute über<br />
den Temperaturanstieg <strong>in</strong> den nächsten Jahrhunderten mit<br />
möglichen katastrophalen Folgen für die Menschheit.<br />
In der Grafik werden Temperaturbereiche für Kipp-Elemente<br />
angegeben, <strong>in</strong>nerhalb derer die Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit steigt,<br />
dass ihr Kipp-Punkt überschritten <strong>wir</strong>d. Die Verfärbung von<br />
blassgelb zu dunkelrot gibt das Ansteigen dieser Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit<br />
wieder. Dunkelrot bedeutet: Der Kipp-Punkt <strong>wir</strong>d sehr<br />
wahrsche<strong>in</strong>lich überschritten.<br />
Drei Beispiele für Kipp-Elemente und deren Kipp-Punkte<br />
• West-Antarktisches Eisschild: Es gibt H<strong>in</strong>weise, dass das<br />
West-Antarktische Eisschild heute schon gekippt se<strong>in</strong><br />
könnte; auch wenn die Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit dafür laut Abbildung<br />
2 bei 1° C – der globalen Erwärmung, die heute<br />
schon e<strong>in</strong>getreten ist – relativ ger<strong>in</strong>g ist.<br />
• Korallenriffe: Die meisten Korallenriffe werden sehr wahrsche<strong>in</strong>lich<br />
bei e<strong>in</strong>er Erwärmung um 1,5° C absterben.<br />
Hier ist der Kipp-Punkt relativ e<strong>in</strong>fach zu ermitteln,<br />
da bekannt ist, bei welcher Temperatur Korallen ihre<br />
symbiotischen Algen ausstoßen. Natürlich gibt es die<br />
Möglichkeit, dass sich Korallen rechtzeitig anpassen.<br />
Aber das ist bei der Geschw<strong>in</strong>digkeit der Erwärmung<br />
sehr unwahrsche<strong>in</strong>lich. Daher ist bei den Korallenriffen<br />
die Unsicherheitsmarge sehr kle<strong>in</strong>. Bestätigt <strong>wir</strong>d dieser<br />
Kipp-Punkt durch das dramatische Absterben des Great<br />
Barrier Reefs.<br />
• Thermohal<strong>in</strong>e Zirkulation: Die Meeresströmungen, die<br />
vier der fünf Ozeane verb<strong>in</strong>den, basieren auf Unterschieden<br />
<strong>in</strong> Temperatur und Salzgehalt des Meerwassers und<br />
s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> starkem Maße für die Temperaturverhältnisse<br />
und Wetterbed<strong>in</strong>gungen auf der Erde verantwortlich. So<br />
ist zum Beispiel der Golfstrom die Ursache für die relativ<br />
warmen Temperaturen im Norden Europas. Kippen diese<br />
Strömungen (e<strong>in</strong> Kippen würde <strong>in</strong> diesem Fall bedeuten,<br />
dass die Ströme sich verlagern oder abbrechen) durch<br />
e<strong>in</strong>e Veränderung des Salzgehaltes des Wassers – z.B.<br />
durch das Abschmelzen der Polkappen – drohen Veränderungen<br />
der Lebensbed<strong>in</strong>gungen „auf der Erde“.<br />
Die Folgen des Überschreitens von Kipp-Punkten s<strong>in</strong>d im<br />
Zeitraum der menschlichen Zivilisation schwer oder gar nicht<br />
rückgängig zu machen. Daher sollten <strong>wir</strong> alles daransetzen,<br />
die globale Erwärmung bei 1,5° C zu stabilisieren, wie dies<br />
auch <strong>in</strong> Paris beschlossen wurde.<br />
Abbildung 2: Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit<br />
von Kipp-Punkten <strong>in</strong><br />
Bezug zur Veränderung der<br />
globalen Mitteltemperatur. 4<br />
Abkürzungen: WAIS: West-<br />
Antarktisches Eisschild; THC:<br />
thermohal<strong>in</strong>e Zirkulation;<br />
ENSO: El Niño-Southern Oscillation;<br />
EAIS: Ost-Antarktisches<br />
Eisschild. Aus: Schellnhuber<br />
et al. 2016. 2 Nachgedruckt mit<br />
Erlaubnis von Macmillan Publishers<br />
Ltd.<br />
2) Schellnhuber, Rahmstorf & W<strong>in</strong>kelmann. 2016. Why the right climate target was agreed <strong>in</strong> Paris. Nature Climate Change 6: 649-653.<br />
3) E<strong>in</strong>en Überblick über die Szenarien gibt das Deutsche Klimarechenzentrum: www.dkrz.de/Klimaforschung/konsortial/ipcc-ar5/die-szenarien.<br />
4) Basierend auf paläoklimatischen Daten (L<strong>in</strong>ien mit purpurroter und blauer Schattierung), <strong>in</strong>strumentale Messungen seit 1750 (schwarze L<strong>in</strong>ie)<br />
und verschiedene Erwärmungs- Szenarien des IPCC (grün, orangene und rote L<strong>in</strong>ien).<br />
www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />
83
THEMEN | NATUR- UND KLIMASCHUTZ<br />
WIR SIND SCHON IM<br />
HOCHRISIKOBEREICH<br />
Prof. Dr. Dr. h.c. Hans-<br />
Joachim Schellnhuber<br />
ist seit Gründung des<br />
Instituts im Jahr 1992<br />
Direktor des Potsdam-Instituts<br />
für Klimafolgenforschung.<br />
Er ist außerdem<br />
Co-Vorsitzender im<br />
Wissenschaftlichen Beirat<br />
der Bundesregierung für<br />
Globale Umweltveränderungen.<br />
Im zweiten Teil des <strong>forum</strong> Interviews von<br />
Maiken W<strong>in</strong>ter (siehe auch <strong>forum</strong> 4/16 zum<br />
Thema Klima wandel als Fluchtursache) erklärt<br />
Prof. Hans Joachim Schellnhuber vom<br />
Potsdam Institut für Klimafolgenforschung<br />
(PIK), was die neuesten Zahlen und Ergebnisse<br />
der Klimaforschung für ihn persönlich<br />
bedeuten und warum sie nicht deutlicher<br />
kommuniziert werden.<br />
Herr Schellnhuber, Ihre Grafik (siehe vorigen<br />
Beitrag) fasst sehr bee<strong>in</strong>druckend alle<br />
wesentlichen Fakten der neuesten Klimawissenschaft<br />
zusammen. E<strong>in</strong>es zeigt sie nicht:<br />
<strong>Wie</strong> viel CO 2<br />
<strong>wir</strong> noch emittieren dürfen, um<br />
unterhalb von 1,5 O C bzw. 2 O C zu bleiben.<br />
Man sagt, <strong>wir</strong> dürfen nur noch 200 Giga tonnen<br />
(Gt) CO 2<br />
emittieren, um e<strong>in</strong>e 66- prozentige<br />
Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit zu haben, unter e<strong>in</strong>em<br />
globalen Temperaturanstieg von 1,5 O C zu<br />
bleiben. Jährlich emittiert die Menschheit<br />
im Moment fast 40 Gt CO 2<br />
. Wir haben diese<br />
200 Gt also <strong>in</strong> 5 Jahren erreicht. Um unterhalb<br />
von 2 O C zu bleiben, dürfen <strong>wir</strong> noch etwa 800<br />
Gt emittieren – wenn man me<strong>in</strong>t, e<strong>in</strong>e Zwei-<br />
Drittel-Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit sei akzeptabel.<br />
Aber das s<strong>in</strong>d doch die Wissenschaftler, die<br />
diese Wahrsche<strong>in</strong>lichkeiten errechnen und<br />
anwenden, oder?<br />
Ne<strong>in</strong>, die spielen das nur durch. Die sagen<br />
„Wenn die Öffentlichkeit mit e<strong>in</strong>er Zwei-Drittel-Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit<br />
zufrieden ist, dann geben<br />
<strong>wir</strong> Euch die Zahlen, was dafür nötig wäre.“<br />
Aber die meisten Leute verstehen doch diese<br />
Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit gar nicht!<br />
Erstens das. Und dann s<strong>in</strong>d Zwei-Drittel natürlich<br />
nicht akzeptabel. Die Grafik zeigt: Wir<br />
sitzen bei der derzeitigen Erwärmung um 1 O C<br />
schon mitten dr<strong>in</strong> im Schlamassel. Viele me<strong>in</strong>en<br />
aber, <strong>wir</strong> wären noch außerhalb der Gefahrenzone<br />
und <strong>wir</strong> könnten außerhalb dieser<br />
Zone bleiben. Dabei haben <strong>wir</strong> wahrsche<strong>in</strong>lich<br />
e<strong>in</strong>ige Kipp-Punkte schon überschritten. Die<br />
meisten tropischen Korallenriffe werden <strong>wir</strong><br />
wahrsche<strong>in</strong>lich verlieren.<br />
Das ist das Schreckliche daran – bei großen<br />
Gefahren, wie z.B. beim Brandschutz <strong>wir</strong>d<br />
e<strong>in</strong>e 99-prozentige Sicherung gefordert. Über<br />
e<strong>in</strong>e derartige Sicherheit können <strong>wir</strong> beim<br />
Klimawandel gar nicht mehr reden. Wir s<strong>in</strong>d<br />
schon im Hochrisikobereich.<br />
Wer bestimmt denn diese Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit?<br />
Niemand! Wenn es um die Sicherheit <strong>uns</strong>erer<br />
K<strong>in</strong>der g<strong>in</strong>ge, dann wäre e<strong>in</strong>e Zwei-Drittel-<br />
Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit undenkbar. Da möchte ich<br />
e<strong>in</strong>e 99,9999-prozentige Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit<br />
haben! Doch wenn es um die <strong>Zukunft</strong> der ganzen<br />
Menschheit geht, dann ist Zwei-Drittel ok.<br />
Würde es eher lähmen, wenn man das so<br />
kommunizieren würde? Oder warum <strong>wir</strong>d<br />
kommuniziert, dass <strong>wir</strong> noch e<strong>in</strong>e Menge von<br />
CO 2<br />
emittieren dürften, die <strong>wir</strong> eigentlich gar<br />
nicht mehr emittieren dürfen?<br />
Weil man den Leuten ke<strong>in</strong>e unbequeme<br />
Wahrheit erzählen will. Das ist mir ja selbst<br />
beim Budgetansatz so gegangen, also dem<br />
Foto: © PIK-Batier<br />
84 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>
NATUR- UND KLIMASCHUTZ | THEMEN<br />
Ansatz, dass jeder e<strong>in</strong>zelne<br />
Mensch der Welt e<strong>in</strong> Budget für<br />
die Menge CO 2<br />
hat, die er pro<br />
Jahr emittieren darf. Diesen Ansatz habe ich <strong>in</strong> die politische<br />
Debatte e<strong>in</strong>gebracht. Doch mir wurde zunächst gesagt, dass<br />
man diesen Ansatz nicht so kommunizieren dürfe, weil die<br />
Leute sonst erschrecken würden. Das würde zur Blockade<br />
führen. Der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung<br />
(WBGU) brachte dann doch die Studie heraus: „Kassensturz<br />
für den Weltklimavertrag – Der Budgetansatz“, im Jahr 2009.<br />
Dar<strong>in</strong> sagen <strong>wir</strong>: Wenn <strong>wir</strong> e<strong>in</strong> endliches CO 2<br />
-Budget haben,<br />
dann muss das <strong>in</strong> gleichen Teilen auf alle Bürger der Welt<br />
aufgeteilt werden. Dabei kommt heraus, dass Deutschland <strong>in</strong>nerhalb<br />
von 20 Jahren komplett dekarbonisiert se<strong>in</strong> muss; die<br />
USA noch früher. Und da hieß es zunächst auch unter me<strong>in</strong>en<br />
Kollegen: „Das können <strong>wir</strong> nicht veröffentlichen! Das können<br />
<strong>wir</strong> niemandem zumuten!“ Aber <strong>wir</strong> dürfen den heute noch<br />
nicht Geborenen zumuten, dass sie <strong>in</strong> so e<strong>in</strong>e Welt gestoßen<br />
werden. Das ist e<strong>in</strong> Verbrechen an der Menschheit. Die Hoffnung,<br />
dass es am Ende immer gut ausgeht, können <strong>wir</strong> nach<br />
Auschwitz und Hiroshima vergessen.<br />
<strong>Wie</strong> könnte denn die <strong>Zukunft</strong> aussehen, wenn die Kipp-<br />
Punkte überschritten s<strong>in</strong>d? Gibt es e<strong>in</strong>e Obergrenze der<br />
Erwärmung?<br />
In <strong>uns</strong>erer Grafik blicken <strong>wir</strong> ja schon bis <strong>in</strong>s Jahr 2500 und da<br />
sieht man, dass e<strong>in</strong>e Erwärmung bis zu 8-10 O C möglich ist. Es<br />
weiß niemand, wie weit sich die Erde aufwärmen könnte. E<strong>in</strong><br />
„Runaway Greenhouse Effect“ würde noch weitergehen. Dabei<br />
käme es zum Verdampfen der Ozeane; der zusätzliche Wasserdampf<br />
würde dann e<strong>in</strong>e sehr starke Erwärmung be<strong>wir</strong>ken. Auf<br />
dem Planet Venus hat so e<strong>in</strong> Runaway-Prozess stattgefunden.<br />
Dort herrschen 450 O C bei e<strong>in</strong>er Atmosphäre, die hauptsächlich<br />
aus CO 2<br />
besteht. Es ist wichtig, über solche Szenarien<br />
nachzudenken. Aber es forscht niemand darüber, weil niemand<br />
diese Kartoffel anfassen<br />
will. Wer darüber forscht, <strong>wir</strong>d<br />
sofort als Alarmist e<strong>in</strong>gestuft;<br />
und ke<strong>in</strong> Wissenschaftler will<br />
als Alarmist gelten.<br />
Es reicht ja auch, was Sie dargestellt haben.<br />
Ja. Aktuell untersuchen <strong>wir</strong> nun die Wechsel<strong>wir</strong>kungen<br />
zwischen den Kipp-Elementen. Was bedeutet es für die thermohal<strong>in</strong>e<br />
Zirkulation, also die wichtigsten globalen Meeresströmungen,<br />
die durch Temperatur- und Salzkonzentrationsunterschiede<br />
<strong>in</strong>nerhalb der Weltmeere hervorgerufen werden,<br />
wenn das Grönland-Eis schmilzt? Was bedeutet es <strong>in</strong> der Folge<br />
für die Antarktis usw. Damit arbeiten <strong>wir</strong> <strong>uns</strong> langsam wissenschaftlich<br />
und absolut solide auf die Frage h<strong>in</strong>: Kann das ganze<br />
System e<strong>in</strong>en Kaskadeneffekt haben, e<strong>in</strong>e Dom<strong>in</strong>o-Dynamik<br />
entwickeln, die <strong>uns</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong> völlig anderes Regime stoßen könnte?<br />
Bisher können <strong>wir</strong> e<strong>in</strong>e solche Möglichkeit nicht nachweisen,<br />
Das können <strong>wir</strong> nicht veröffentlichen!<br />
Das können <strong>wir</strong> niemandem zumuten!<br />
Das Dr<strong>in</strong>glichste von allem<br />
ist im Augenblick der Kohleausstieg.<br />
aber auch nicht ausschließen.<br />
Das ist schlimm genug.<br />
Gibt es denn irgende<strong>in</strong>en Rückkopplungsprozess, der die Erwärmung<br />
aufhalten oder zum<strong>in</strong>dest verlangsamen könnte?<br />
Der Anstieg der CO 2<br />
-Emissionen be<strong>wir</strong>kt – für sich alle<strong>in</strong>e betrachtet<br />
– dass Pflanzen besser gedeihen. Dieser Effekt ist aber<br />
schon längst e<strong>in</strong>gepreist, denn sonst wäre viel mehr CO 2<br />
<strong>in</strong><br />
der Atmosphäre. Es <strong>wir</strong>d ja enorm viel CO 2<br />
von der Biosphäre<br />
aufgenommen. Mit anderen Worten – <strong>wir</strong> s<strong>in</strong>d schon längst<br />
der Nutznießer dieser negativen Rückkopplung.<br />
Angesichts dieser Dramatik – wie sieht da die Verantwortung<br />
e<strong>in</strong>es Wissenschaftlers aus?<br />
Dazu gibt es e<strong>in</strong> sehr schönes Beispiel aus jüngster Zeit: 375<br />
Mitglieder der National Academy of Sciences – wo auch ich<br />
Mitglied b<strong>in</strong> – haben im September 2016 e<strong>in</strong>en offenen Brief 1<br />
geschrieben. Dieser Brief ist kurz und klar und nimmt <strong>in</strong> vollem<br />
Maße die wissenschaftliche Verantwortung wahr. So weit<br />
ist die wissenschaftliche Geme<strong>in</strong>schaft <strong>in</strong> den USA noch nie<br />
gegangen. Ich glaube, soweit kann man als Wissenschaftler<br />
gehen – d.h. e<strong>in</strong>e Klarstellung machen, woh<strong>in</strong> <strong>uns</strong>er jetziges<br />
Handeln führen würde, basierend auf wissenschaftlichen<br />
Fakten. Aber ich schließe es überhaupt nicht aus, dass ich als<br />
Privatbürger auch an Demonstrationen teilnehme.<br />
Noch e<strong>in</strong>e letzte Frage: Was denken Sie, wie die Zivilgesellschaft<br />
am effektivsten agieren kann? Sollten <strong>wir</strong> <strong>uns</strong> mehr<br />
zusammenschließen, um <strong>uns</strong>ere Schlagkraft zu erhöhen?<br />
Die Zivilgesellschaft ist e<strong>in</strong> überaus kompliziertes Gebilde.<br />
Ich glaube, es gibt da ke<strong>in</strong>en Masterplan. Die Zeit sollte man<br />
gar nicht damit verschwenden, über die perfekte Strategie<br />
nachzudenken. Stattdessen sollte man lieber zwei bis drei<br />
konkrete D<strong>in</strong>ge tun und zusehen, dass man dafür genügend<br />
Unterstützer bekommt. Und dann sieht man weiter.<br />
Das Dr<strong>in</strong>glichste von allem<br />
ist im Augenblick der Kohleausstieg.<br />
Dabei sollte man<br />
nicht gleichzeitig jammern,<br />
dass dabei viele andere Emissionen<br />
nicht erfasst werden. Der Fe<strong>in</strong>d des Guten ist das<br />
Beste. Wenn man komplexe Systeme versteht, dann <strong>wir</strong>d<br />
man extrem demütig. Zu glauben, komplexe Systeme mit<br />
e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>zigen großartigen Plan beherrschen zu können,<br />
ist Nonsens.<br />
Das Interview führte Dr. Maiken W<strong>in</strong>ter, <strong>forum</strong> Redakteur<strong>in</strong><br />
und Vorsitzende von WissenLeben e.V.<br />
PROF. DR. HANS JOACHIM SCHELLNHUBER<br />
ist seit Gründung des Instituts im Jahr 1992 Direktor des Potsdamer<br />
Instituts für Klimafolgenforschung. Er ist Mitglied <strong>in</strong> vielen wissenschaftlichen<br />
Gremien und berät die Bundesregierung <strong>in</strong> Klimafragen.<br />
1) responsiblescientists.org<br />
www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />
Gedruckt auf Ste<strong>in</strong>beis Charisma Silk – hergestellt aus 100 % Altpapier, ausgezeichnet mit dem Blauen Engel. E<strong>in</strong> Produkt der Ste<strong>in</strong>beis Papier GmbH.<br />
85
THEMEN | NATUR- UND KLIMASCHUTZ<br />
DIE ENERGIEWENDE<br />
SPIELERISCH ERFAHREN<br />
Was hat e<strong>in</strong> jodelnder Flam<strong>in</strong>go mit der Energiewende zu tun? Und wie sieht eigentlich e<strong>in</strong>e Supraleitung<br />
aus? Das können Besucher des Deutschen Museums <strong>in</strong> München bei der aktuellen Sonderausstellung<br />
energie.wenden erfahren. Das Besondere: Sie schlüpfen dabei <strong>in</strong> die Rolle e<strong>in</strong>es Politikers – mit dem<br />
Auftrag, es <strong>in</strong> puncto Energiewende allen recht zu machen. Und das ist gar nicht so e<strong>in</strong>fach …<br />
Von Sebastian Henkes<br />
Von den rund 2.800 Besuchern der Museums<strong>in</strong>sel betreten<br />
täglich rund 1.000 e<strong>in</strong>en dämmrigen und futuristischen<br />
Tunnel. Er schlängelt sich an der Außenwand des Deutschen<br />
Museums entlang. Darauf ist <strong>in</strong> großen Lettern ‚Auf zu großen<br />
Zielen‘ zu lesen. Am Ende des Tunnels: viel Licht, e<strong>in</strong> helles<br />
Gelb – und e<strong>in</strong> Blick <strong>in</strong> die <strong>Zukunft</strong>. energie.wenden, die<br />
aktuelle Sonderausstellung des Museums, bricht mit alten<br />
Traditionen. Hier erhält der Besucher nicht nur e<strong>in</strong>en Blick<br />
<strong>in</strong> die <strong>Zukunft</strong> der Energienutzung, sondern erlebt auch<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong> neues Ausstellungskonzept. Dieses verspricht mehr<br />
Interaktivität, e<strong>in</strong>e stärkere politische Ausrichtung und e<strong>in</strong>e<br />
attraktivere Gestaltung.<br />
Fotos: © Sebastian Henkes | © Deutsches Museum<br />
86 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>
NATUR- UND KLIMASCHUTZ | THEMEN<br />
Das <strong>in</strong>teraktive politische Parkett: Hier schlüpfen Besucher der Ausstellung<br />
energie.wenden <strong>in</strong> die Rolle von Entscheidungsträgern, um<br />
die Energiewende mit allen damit verbundenen Herausforderungen<br />
voranzutreiben.<br />
S<strong>in</strong>nbild für die Atom-Euphorie der 50er jahre: das „Atomic-Energy Lab“ von 1952,<br />
das amerikanische K<strong>in</strong>der mit radioaktiven Substanzen experimentieren ließ.<br />
www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />
87
THEMEN | NATUR- UND KLIMASCHUTZ<br />
<strong>Wie</strong> lange muss man Kurbeln, bis e<strong>in</strong>e Glühbirne leuchtet? Das<br />
können Jung und Alt hier erfahren.<br />
E<strong>in</strong>e ganze Region mit Energie versorgen, ohne dass Nutzungsengpässe entstehen.<br />
Auch diese Herausforderung kann im Spiel gemeistert werden.<br />
Zeitreise durch die Energienutzung<br />
Auf etwa 1.200 Quadratmetern erwarten den Besucher der<br />
Sonderausstellung 150 Exponate und neun Themenfelder<br />
zu wichtigen Bereichen der Energiewende. E<strong>in</strong>e Zeitreise<br />
führt zu Beg<strong>in</strong>n entlang der zentralen Stationen der<br />
Energienutzung: Von den Anfängen mit Dampfmasch<strong>in</strong>en<br />
und fossilen Energieträgern geht es über die Hoffnung<br />
der 1960er-Jahre, die Kernkraft, bis h<strong>in</strong> zu den „grünen“<br />
Alternativen Solar-, W<strong>in</strong>d- und Wasserkraft. Doch da hört<br />
die Reise nicht auf. Auch Techniken der <strong>Zukunft</strong>, wie der<br />
Fusionsreaktor, werden gezeigt.<br />
Ebenso vielfältig wie die immensen Herausforderungen<br />
der Energiewende s<strong>in</strong>d die Exponate: Vom Tesla, mit dem<br />
Rafael del Mestre e<strong>in</strong>e Erdumrundung gelang, e<strong>in</strong>em<br />
Wärmetauscher für Abwärme von Industrieanlagen, bis<br />
h<strong>in</strong> zu e<strong>in</strong>em mobilen Wasserkraftwerk oder der von<br />
amerikanischen Ölfeldern bekannten Pferdekopfpumpe ist<br />
alles vertreten. Dabei macht die Ausstellung Aspekte der<br />
Energiewende sichtbar, die sonst verborgen bleiben: <strong>Wie</strong><br />
sieht e<strong>in</strong>e Fernwärmeleitung aus? <strong>Wie</strong> e<strong>in</strong>e Supraleitung<br />
im Vergleich zu e<strong>in</strong>em herkömmlichen Erdkabel? <strong>Wie</strong> das<br />
Seekabel e<strong>in</strong>er Offshore-W<strong>in</strong>dkraftanlage? <strong>Wie</strong> unterscheiden<br />
sich verschiedene Solarzellen unter dem Elektronenmikroskop?<br />
Auf all diese Fragen geben bee<strong>in</strong>druckende<br />
Exponate mit detaillierten H<strong>in</strong>tergrund<strong>in</strong>formationen e<strong>in</strong>e<br />
Antwort. Die Vielfalt macht deutlich: Die Energiewende<br />
ist e<strong>in</strong> Mammutprojekt globaler Dimension, das <strong>in</strong> vielen<br />
Bereichen der Gesellschaft vollzogen werden muss – es<br />
bieten sich aber auch <strong>in</strong> fast allen Bereichen des alltäglichen<br />
Lebens vielfältige Chancen für Innovationen und um<br />
Energie zu sparen.<br />
Interaktivität steht im Vordergrund<br />
Mit jährlich rund 1,5 Millionen Besuchern ist das Deutsche<br />
Museum e<strong>in</strong> Dauerbrenner für Jung und Alt. Das Neue<br />
an der von den Kurator<strong>in</strong>nen Sab<strong>in</strong>e Gerber und Sarah<br />
Kellberg gestalteten Ausstellung energie.wenden ist die<br />
Interaktivität, mit der die Besucher zum Mitspieler der<br />
Ausstellung werden. An fast allen Stationen f<strong>in</strong>den sich<br />
Elemente zum Anfassen, Ansehen, Anhören. Da gibt es<br />
sprechende Mülleimer, die über Recycl<strong>in</strong>g und den Cradle<br />
to Cradle-Ansatz <strong>in</strong>formieren. E<strong>in</strong>e Modell-Stadt will vom<br />
Besucher per Dreh-Regler mit Energie versorgt werden<br />
– auf e<strong>in</strong>em Bildschirm kann nachvollzogen werden, ob<br />
dabei Nutzungsengpässe entstehen. Deutsche Braunkohle<br />
oder kanadischer Ölsand erzählen dem Besucher, wie sie<br />
vor langer Zeit entstanden s<strong>in</strong>d. E<strong>in</strong> per Kurbel angetriebener<br />
Dynamo macht direkt erfahrbar, wie viel Energie<br />
nötig ist, um e<strong>in</strong>e Energiesparlampe im Vergleich zu e<strong>in</strong>er<br />
herkömmlichen Glühbirne zum Leuchten zu br<strong>in</strong>gen.<br />
Diese <strong>in</strong>teraktiven Elemente werden von den Besuchern<br />
gut angenommen – zu gut….. „Wir haben e<strong>in</strong>e sehr aktive<br />
Ausstellung und sehr aktive Besucher. Dementsprechend<br />
geht schon mal was kaputt“, erklärt dazu Kurator<strong>in</strong> Sarah<br />
Kellberg.<br />
Besucher agieren als Politiker<br />
Das Herzstück der Ausstellung und e<strong>in</strong>e <strong>wir</strong>kliche Innovation<br />
ist e<strong>in</strong> <strong>in</strong>teraktives Spiel, bei dem die Besucher <strong>in</strong> die Rolle<br />
e<strong>in</strong>es Politikers schlüpfen können. Dazu bekommen sie<br />
e<strong>in</strong>e Lochkarte <strong>in</strong> die Hand gedrückt – mit dem Auftrag, die<br />
„Energie zu wenden“. Nun betreten sie e<strong>in</strong>en Gang <strong>in</strong>mitten<br />
der Ausstellung, das „politische Parkett.“ Dort begegnen<br />
sie – auf Bildschirmen -- Menschen aus verschiedensten<br />
Bereichen der Energiebranche. Das Spektrum ist vielfältig:<br />
der Vertreter e<strong>in</strong>es Autokonzerns, der Elektroautos<br />
verkaufen möchte; das Hausmeisterehepaar, das sich bei<br />
der energetischen Sanierung von Mietwohnungen alle<strong>in</strong>e<br />
gelassen fühlt; bis h<strong>in</strong> zu e<strong>in</strong>em Land<strong>wir</strong>t, der beim Anbau<br />
von Energiepflanzen unterstützt werden möchte. Tritt der<br />
Besucher <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Rolle als Politiker an den jeweiligen<br />
Bildschirm heran, erwachen die Akteure zum Leben – und<br />
versuchen nun das Gegenüber von ihrem Standpunkt zu<br />
überzeugen. Danach geht es an den „Wahlautomaten“. Hier<br />
hat der „Politiker“ nun drei Alternativen und muss schwere<br />
Entscheidungen fällen. Beispiel Elektromobilität: Er kann<br />
e<strong>in</strong>e bestimmte Quote an Elektroautos bei den Neuzulassungen<br />
festlegen, den Kauf von Elektroautos mit e<strong>in</strong>er<br />
Prämie fördern oder aber stattdessen den ÖPNV ausbauen.<br />
Se<strong>in</strong>e Entscheidung <strong>wir</strong>d auf der Lochkarte vermerkt und<br />
anschließend von Interessensgruppen kommentiert. Nun<br />
heißt es „Lasse ich mich davon bee<strong>in</strong>flussen oder bleibe<br />
ich bei me<strong>in</strong>em Standpunkt?“ Das Beispiel Elektromobilität<br />
zeigt: Nie werden alle zufrieden se<strong>in</strong>. Fördere ich E-Mobilität,<br />
freuen sich die Chemiker<strong>in</strong>, die an Batterien forscht<br />
und der Vertreter des Autokonzerns. Fördere ich h<strong>in</strong>gegen<br />
den ÖPNV, s<strong>in</strong>d beide wenig begeistert. Dafür freut sich<br />
dann das Hausmeisterehepaar.<br />
Fotos: © Sebastian Henkes<br />
88 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>
NATUR- UND KLIMASCHUTZ | THEMEN<br />
Die Ausstellung ist für das Deutsche Museum ungewohnt<br />
politisch<br />
Dass dieses Rollenspiel zentraler Punkt der Ausstellung<br />
ist, <strong>wir</strong>d auch bei der Gestaltung deutlich: Der lange Gang,<br />
<strong>in</strong> dem Monitore und Automaten zum Stempeln stehen,<br />
trennt die Fläche <strong>in</strong> zwei Hälften. Von diesem Gang aus<br />
können die Besucher <strong>in</strong> die angrenzenden Ausstellungsräume<br />
gehen, um sich zum entsprechenden Thema weiter zu<br />
<strong>in</strong>formieren. Denn die übergeordnete Aussage lautet: Es<br />
gibt bei dem Versuch, die Energie zu wenden, ke<strong>in</strong>e richtige<br />
Entscheidung, da das Thema so komplex ist. Vielmehr soll<br />
sich der Besucher auf Grundlage der Informationen e<strong>in</strong>e<br />
eigene Me<strong>in</strong>ung bilden. Die Lochkarte gibt e<strong>in</strong>en Überblick<br />
über die getroffenen Entscheidungen – diese werden bei<br />
der Auswertung <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Gesamtbild, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e politische Ges<strong>in</strong>nung<br />
e<strong>in</strong>geordnet. Überhaupt ist die Ausstellung für das<br />
Deutsche Museum sehr politisch. Als S<strong>in</strong>nbild dafür kann<br />
die Wand am Ende des politischen Parketts angesehen<br />
werden, wo auf gelbem H<strong>in</strong>tergrund großflächig Aussagen<br />
wie „Kernenergie ist e<strong>in</strong> Verbrechen!“, „Energiewende <strong>in</strong><br />
die Hände der Bürger“ oder „Mehr Verkehr – aber öffentlich“<br />
abgebildet s<strong>in</strong>d.<br />
Kuriositäten<br />
Neben allem gegebenen Ernst schafft es die Ausstellung,<br />
die Thematik anschaulich, attraktiv und humorvoll zu<br />
vermitteln. Dafür sorgt neben der angesprochenen Interaktivität<br />
das freundliche Gelb, das die Gestaltung der<br />
Ausstellungsräume dom<strong>in</strong>iert. Zwischen den Exponaten<br />
f<strong>in</strong>den sich immer wieder Kuriositäten, die den Besucher<br />
zum Schmunzeln br<strong>in</strong>gen. An der Station „Gekauftes Glück“<br />
werden Gegenstände ausgestellt, die Besucher mitgebracht<br />
haben. Die dort gezeigten Gegenstände s<strong>in</strong>d zwar<br />
charmant – aber vor allem s<strong>in</strong>nlos und damit im Grunde<br />
e<strong>in</strong> S<strong>in</strong>nbild für die Verschwendung von Ressourcen. Wer<br />
braucht schon e<strong>in</strong>en jodelnden Flam<strong>in</strong>go oder die batteriebetriebene<br />
M<strong>in</strong>iatur e<strong>in</strong>er w<strong>in</strong>kenden Queen Elizabeth?<br />
Skurril mutet auch die letzte Station des Rundgangs an, die<br />
Energieforschung aus dem Jahr 3049. Aus der Perspektive<br />
e<strong>in</strong>es Archäologen der fernen <strong>Zukunft</strong> werden hier mit<br />
e<strong>in</strong>em Augenzw<strong>in</strong>kern für <strong>uns</strong> ganz alltägliche Gegenstände<br />
gezeigt. Zum Beispiel e<strong>in</strong>e Lederhose. Der Begleittext<br />
dazu erklärt, dass das Oktoberfest bis 2052 als das größte<br />
Volksfest der Welt galt – obwohl Fernreisen nur bis <strong>in</strong> die<br />
2030er-Jahre üblich waren. Oder etwa E<strong>in</strong>schlüsse im sogenannten<br />
Ethylen-Tetrafluorethylen-Copolymer (EFTE),<br />
e<strong>in</strong>em durchsichtigen K<strong>uns</strong>tstoff, der gewissermaßen als<br />
Bernste<strong>in</strong> der <strong>Zukunft</strong> den Forschern im 31. Jahrhundert<br />
<strong>uns</strong>ere versunkene Epoche nahebr<strong>in</strong>gt.<br />
So geht der Besucher am Ende nicht nur <strong>in</strong>formiert aus<br />
der Ausstellung heraus, sondern mit dem Gefühl, dass <strong>in</strong><br />
Sachen Energiewende noch nicht alles verloren ist. Er muss<br />
das Schicksal nur selbst <strong>in</strong> die Hand nehmen.<br />
www.deutsches-museum.de<br />
Dieses gesunde<br />
Öko-Haus wächst <strong>in</strong><br />
deutschen Wäldern <strong>in</strong><br />
nur 5 M<strong>in</strong>uten nach.<br />
NACHHALTIG BRAUCHT NUR<br />
FÜNF MINUTEN: NOTE 1 FÜR<br />
DEN KLIMASCHUTZ<br />
Wir bauen klimaschützende, wohngesunde<br />
W<strong>uns</strong>chhäuser aus dem nachhaltigsten Werkstoff<br />
der Welt: Holz. Denn <strong>in</strong> nur fünf M<strong>in</strong>uten<br />
wächst das gesamte Holz für e<strong>in</strong> ökologisch<br />
wertvolles Baufritz-Haus <strong>in</strong> deutschen Wäldern<br />
nach und entzieht der Atmosphäre langfristig<br />
mehr als 40Tonnen CO 2 für e<strong>in</strong> besseres Klima.<br />
www.baufritz-nw.de<br />
120 JAHRE<br />
GESUNDES BAUEN<br />
www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />
89
THEMEN | NATUR- UND KLIMASCHUTZ<br />
Mr Social und Mrs Bus<strong>in</strong>ess<br />
MIT DEM BAMBUSFAHRRAD<br />
GEGEN ARMUT IN AFRIKA<br />
Das Kieler Start-up my Boo stellt <strong>in</strong> Kooperation mit e<strong>in</strong>em sozialen Projekt <strong>in</strong> Ghana Fahrräder her.<br />
Der Rohstoff für die Rahmen: Bambus. Mit ihrem Vorhaben werden Arbeitsplätze geschaffen und K<strong>in</strong>dern<br />
das Lernen ermöglicht.<br />
Von Sebastian Henkes<br />
Mr Social freut sich schon auf die Fahrradsaison. Zusammen<br />
mit Mrs Bus<strong>in</strong>ess möchte er e<strong>in</strong>e längere Radtour unternehmen.<br />
Nun, wo sich die ersten Frühl<strong>in</strong>gsboten ankündigen und<br />
die Tage länger werden, juckt es besonders <strong>in</strong> den Be<strong>in</strong>en.<br />
E<strong>in</strong>zig e<strong>in</strong> Fahrrad fehlt noch. Er möchte e<strong>in</strong> gebrauchtes<br />
Fahrrad kaufen, um die Umwelt nicht zusätzlich zu belasten.<br />
Am liebsten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er sozialen Fahrradwerkstatt. Mrs Bus<strong>in</strong>ess<br />
ist skeptisch: „Mit e<strong>in</strong>em Neurad s<strong>in</strong>d <strong>wir</strong> auf der sicheren<br />
Seite. Was, wenn das Gebrauchte zwischendr<strong>in</strong> doch e<strong>in</strong>e<br />
Macke hat, die <strong>wir</strong> übersehen haben?“ Mr Social möchte mit<br />
dem Radkauf aber auch etwas Gutes tun. Da stoßen sie auf<br />
das Social Start-up my Boo – und beide s<strong>in</strong>d sofort glücklich.<br />
Mr Social verliebt sich sofort <strong>in</strong> das schicke Bambus-Rennrad<br />
und Mrs Bus<strong>in</strong>ess <strong>in</strong> den City-Flitzer. Die Räder entsprechen<br />
nicht nur anspruchsvollen europäischen Standards, ihr Verkauf<br />
f<strong>in</strong>anziert zudem K<strong>in</strong>dern <strong>in</strong> Ghana e<strong>in</strong>e bessere <strong>Zukunft</strong>.<br />
Dezember 2012<br />
Die Gründer Maximilian Schay und Jonas Stolzke haben<br />
gerade mit ihrem BWL-Studium begonnen und s<strong>in</strong>d voller<br />
Tatendrang. Da zeigt ihnen e<strong>in</strong> Freund e<strong>in</strong> Foto von se<strong>in</strong>em<br />
Aufenthalt <strong>in</strong> Ghana.<br />
Darauf zu sehen:<br />
e<strong>in</strong> Bambusfahrrad.<br />
Schay und<br />
Stolzke beg<strong>in</strong>nen<br />
über dieses Material<br />
zu recherchieren.<br />
Das Gehölz ist durch e<strong>in</strong>zelne Kammern und e<strong>in</strong>e dicke Außenwand<br />
extrem stabil und steif, dabei aber auch noch sehr<br />
leicht. Alles Eigenschaften, die es als Material für Fahrradrahmen<br />
perfekt machen. Über Umwege stoßen sie schließlich<br />
auf das Yonso-Projekt <strong>in</strong> Ghana. Das von Kwabena Danso<br />
2005 gegründete soziale Projekt soll vor allem Schulstipendien,<br />
Schulrenovierungen, Büchereien und Mikrokredite<br />
f<strong>in</strong>anzieren. Dafür s<strong>in</strong>d sie auf Spenden angewiesen. Um<br />
davon unabhängig zu werden, beg<strong>in</strong>nen sie mit dem Verkauf<br />
von Bambusfahrrädern.<br />
Frühjahr 2013<br />
Als Schay und Stolzke auf das Yonso-Projekt aufmerksam werden,<br />
steht es kurz vor dem Aus. Es fehlt an Spendengeldern.<br />
Der Verkauf der Bambusfahrräder läuft nicht besonders gut.<br />
Das wollen Schay und Stolzke ändern, <strong>in</strong>dem sie die Rahmen<br />
<strong>in</strong> Deutschland vertreiben. Sie bestellen e<strong>in</strong>ige Testrahmen.<br />
Und müssen feststellen: Sie s<strong>in</strong>d für den europäischen Markt<br />
vollkommen ungeeignet. Zu hohe Fertigungstoleranzen und<br />
fehlerhafte Konstruktionen machen sie unverkäuflich. Der<br />
sche<strong>in</strong>bare Rückschlag ist für alle Beteiligten im Nachh<strong>in</strong>e<strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong> großes Glück. Nun können sie bei Null anfangen und<br />
zusammen mit Ingenieuren e<strong>in</strong> Produkt entwickeln, das<br />
europäischen Standards entspricht – davon profitieren am<br />
Ende auch die Ghanaer. Zunächst aber reisen Schay und<br />
Stotzke nach Afrika, um sich vor Ort mit Vertretern des<br />
Yonso-Projektes auszutauschen. Sie fassen geme<strong>in</strong>sam den<br />
Plan, Fahrradrahmen aus Bambus <strong>in</strong> Ghana zu produzieren<br />
und diese für den deutschen Markt <strong>in</strong> Kiel zu Fahrrädern<br />
aufzubauen. Später soll auch noch der europäische Markt<br />
h<strong>in</strong>zukommen.<br />
Sommer 2013<br />
Zurück <strong>in</strong> Deutschland haben Schay und Stolzke zwar e<strong>in</strong>en<br />
Plan <strong>in</strong> der Tasche – aber sonst mangelt es an allem. Sie<br />
haben ke<strong>in</strong> Geld, ke<strong>in</strong>e Werkstatt, nicht e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong> Büro.<br />
Um die F<strong>in</strong>anzierung für das Projekt zu stemmen, brauchen<br />
Illustration: © Norbert Stanczak | Foto: © my Boo<br />
90 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>
Gute Zusammenarbeit: Die Rahmen werden <strong>in</strong> Ghana montiert und auf Herz und Nieren geprüft, bevor sie <strong>in</strong> Kiel zu fertigen Fahrrädern<br />
zusammengebaut werden – so wie das Modell „my Densu“, dass Gründer Stolzke hier stolz präsentiert.<br />
Fotos: © my Boo<br />
sie e<strong>in</strong>en Investor. Den f<strong>in</strong>den die Gründer von my Boo mit<br />
Hans-Helmut Schramm. Diesen kennt Maximilian Schay aus<br />
se<strong>in</strong>em privaten Umfeld. Er kommt aus der Region und leitet<br />
e<strong>in</strong> mittelständisches Unternehmen im maritimen Bereich.<br />
Dezember 2013<br />
Mit dem Kapital ihres Bus<strong>in</strong>ess Angels gründen Schay<br />
und Stolzke e<strong>in</strong>e GmbH <strong>in</strong> Kiel. Ihr Büro haben sie vorerst<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Cowork<strong>in</strong>g-Space. In Ghana entsteht durch die<br />
F<strong>in</strong>anzierung des Investors e<strong>in</strong>e Werkstatt, <strong>in</strong> der die Bambusrahmen<br />
produziert werden.<br />
Anfang 2014<br />
my Boo steckt noch <strong>in</strong> den K<strong>in</strong>derschuhen. Aber h<strong>in</strong>ter<br />
den Kulissen passiert viel: Modelle werden entwickelt,<br />
Lieferketten und Vertriebswege organisiert. Im April ist es<br />
schließlich soweit: Mit vier Modellen, zwei Herren- und<br />
zwei Damenräder, geht my Boo <strong>in</strong> den Verkauf. Die Rahmen<br />
werden vor Ort <strong>in</strong> Ghana komplett produziert, <strong>in</strong> Kiel<br />
werden sie dann mit Anbauteilen zu fertigen Fahrrädern<br />
aufgebaut.<br />
Ende 2014<br />
my Boo steht nun auf eigenen Füßen. Im ersten Jahr verkauft<br />
das Social Start-up etwa 150 Räder. Es <strong>wir</strong>d Zeit, die<br />
bisher genutzten Räumlichkeiten im Cowork<strong>in</strong>g-Space zu<br />
verlassen. Ende 2014 zieht my Boo <strong>in</strong> die erste eigene Immobilie<br />
um. Es handelt sich dabei – wie könnte es anders<br />
se<strong>in</strong> – um e<strong>in</strong>en alte<strong>in</strong>gesessenen Radladen <strong>in</strong> Kiel.<br />
2015<br />
Das junge Unternehmen wächst stetig. Das Jahr 2015 <strong>wir</strong>d<br />
vor allem genutzt, um sich e<strong>in</strong>en Namen zu machen. Das Ziel<br />
der Market<strong>in</strong>g-Maßnahmen ist ambitioniert: Bambus soll<br />
neben Alum<strong>in</strong>ium, Stahl und Carbon als Material für Fahrradrahmen<br />
am Markt etabliert werden. Zudem möchten<br />
die Kieler ihren Absatz an Fahrrädern jährlich verdoppeln.<br />
2016<br />
my Boo errichtet <strong>in</strong> Ghana e<strong>in</strong>e zusätzliche Lackierwerkstatt<br />
– so werden vor Ort neue Arbeitsplätze geschaffen und e<strong>in</strong><br />
weiterer Produktionsschritt kann an Ort und Stelle verrichtet<br />
werden. Zusammen mit UNICEF, dem K<strong>in</strong>derhilfswerk der<br />
Vere<strong>in</strong>ten Nationen, <strong>wir</strong>d zudem e<strong>in</strong> weiteres soziales Projekt<br />
ver<strong>wir</strong>klicht: 150 Bambusfahrräder werden an ghanaische<br />
K<strong>in</strong>der gespendet. Denn die Schulwege <strong>in</strong> Ghana s<strong>in</strong>d lang –<br />
e<strong>in</strong> Fahrrad erleichtert so das Lernen. Hierzulande verkaufen<br />
die Kieler 350 Fahrräder. Auch e<strong>in</strong> erneuter Umzug steht an,<br />
die alte Immobilie ist zu kle<strong>in</strong> geworden. Am neuen Standort<br />
hat my Boo alles an e<strong>in</strong>em Platz – Büro und Werkstatt, <strong>in</strong><br />
der die Rahmen zu fertigen Fahrrädern aufgebaut werden.<br />
<strong>2017</strong><br />
Mit mittlerweile zehn Modellen startet my Boo <strong>in</strong> die neue<br />
Fahrradsaison. Dabei haben die Kieler e<strong>in</strong> echtes Highlight<br />
im Angebot: das weltweit erste Bambus-Pedelec. Der<br />
Mittelmotor ist formschön im Tretlagerbereich <strong>in</strong>tegriert.<br />
Nicht nur die Modellpalette ist stetig gewachsen: In Ghana<br />
s<strong>in</strong>d mittlerweile über 30 junge Menschen beschäftigt – zu<br />
Beg<strong>in</strong>n des Projektes waren es drei. Zudem sammeln die<br />
Kieler Spenden für den Neubau e<strong>in</strong>er Schule <strong>in</strong> Ghana. 25.000<br />
Euro kommen zusammen, e<strong>in</strong> Großteil davon <strong>wir</strong>d von der<br />
Umweltbank gestiftet. Die neue Schule entsteht <strong>in</strong> Zusammenarbeit<br />
mit dem Yonso-Projekt und soll im Spätsommer<br />
<strong>2017</strong> eröffnet werden. Auch der Absatzmarkt der Räder<br />
von my Boo wächst. Sie werden mittlerweile von rund 100<br />
Händlern <strong>in</strong> ganz Europa vertrieben, die meisten davon <strong>in</strong><br />
Deutschland, Österreich und der Schweiz. Das erklärte Ziel<br />
für das Geschäftsjahr <strong>2017</strong> lautet: 500 bis 600 Räder sollen<br />
verkauft werden – so viele, wie das Unternehmen bislang<br />
seit der Gründung abgesetzt hat. Vielleicht gehen ja davon<br />
zwei Modelle an Mr Social und Mrs Bus<strong>in</strong>ess und sie können<br />
guten Gewissens auf ihre Radtour gehen.<br />
www.my-boo.de<br />
www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />
91
<strong>forum</strong> JUNIOR<br />
Wälder,DIE DIE<br />
WELT RETTEN<br />
Erwachsene reden viel davon, etwas gegen die Klimakrise zu tun. Die K<strong>in</strong>der und Jugendlichen von Plantfor-the-Planet<br />
handeln: In Mexiko pflanzt die Initiative auf e<strong>in</strong>er Fläche von 3.200 Hektar Bäume für die<br />
<strong>Zukunft</strong> aller Menschen.<br />
Von Lisa Kohn<br />
E<strong>in</strong>e holprige Straße, l<strong>in</strong>ks und rechts nichts als Dschungel.<br />
Pumas schleichen durchs Unterholz, Affen hüpfen <strong>in</strong> den Bäumen,<br />
e<strong>in</strong> Alligator taucht <strong>in</strong>s Wasser der Lagune, Schlangen<br />
gleiten lautlos über den Boden.<br />
Wir s<strong>in</strong>d im Bundesland Campeche, Mexiko, <strong>in</strong> der Nähe des<br />
kle<strong>in</strong>en Dorfes Constitución. Hier pflanzt Plant-for-the-Planet<br />
Bäume gegen die Klimakrise. Und das kam so: Vor zehn<br />
Jahren hielt Felix, e<strong>in</strong> neunjähriger Junge aus Deutschland,<br />
<strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Klasse e<strong>in</strong> Referat. Die Frage war: Warum <strong>wir</strong>d die<br />
Erde immer wärmer? Warum verändert sich <strong>uns</strong>er Klima?<br />
Felix fand heraus, dass die Klimakrise für viele Menschen<br />
schlimme Folgen hat: Sie hungern, verlieren ihr Land und<br />
müssen fliehen.<br />
Felix fand aber auch heraus, dass jeder etwas gegen die<br />
Klimakrise tun kann: Bäume pflanzen. Denn die Erde heizt<br />
sich auf, weil zu viele Treibhausgase <strong>in</strong> der Atmosphäre s<strong>in</strong>d.<br />
<strong>Wie</strong> e<strong>in</strong>e Hülle legt sich diese Atmosphäre um die Erde und<br />
hält <strong>uns</strong>eren Planeten warm. Das ist erst e<strong>in</strong>mal gut, weil<br />
<strong>wir</strong> sonst auf der Erde nicht leben könnten – es wäre eiskalt.<br />
Aber wenn die Hülle zu dicht <strong>wir</strong>d, dann <strong>wir</strong>d es auf der Erde<br />
immer wärmer – zu warm.<br />
Lasst <strong>uns</strong> <strong>in</strong> jedem Land der Erde<br />
e<strong>in</strong>e Million Bäume pflanzen!<br />
Treibhausgase, vor allem CO 2<br />
, also das Kohlendioxid, verändern<br />
die Atmosphäre. So gelangen immer mehr Sonnenstrahlen<br />
nicht mehr zurück <strong>in</strong> den Weltraum, sondern bleiben<br />
<strong>in</strong>nerhalb dieser Hülle. Je mehr CO 2<br />
<strong>in</strong> der Luft, desto mehr<br />
heizt sich die Erde auf. Wenn aber Bäume wachsen, nehmen<br />
sie CO 2<br />
aus der Luft auf, spalten das „C“, also den Kohlenstoff,<br />
ab und verwenden ihn, um neues Holz aufzubauen.<br />
Der Kohlenstoff <strong>wir</strong>d somit im Holz gespeichert, und damit<br />
bedeuten mehr Bäume weniger CO 2<br />
. Deshalb sagte Felix zu<br />
se<strong>in</strong>en Mitschülern: „Lasst <strong>uns</strong> <strong>in</strong> jedem Land der Erde e<strong>in</strong>e<br />
Million Bäume pflanzen!“ Se<strong>in</strong>en Vortrag hielt er dann vor<br />
anderen Klassen, an anderen Schulen, und irgendwann auf<br />
e<strong>in</strong>er Konferenz vor K<strong>in</strong>dern aus der ganzen Welt. Immer<br />
mehr K<strong>in</strong>der waren begeistert. So entstand die K<strong>in</strong>der- und<br />
Jugend<strong>in</strong>itiative Plant-for-the-Planet.<br />
Illustrationen: © Plant-for-the-Planet<br />
92
<strong>forum</strong> JUNIOR<br />
Zurück nach Mexiko. Es ist früh am Morgen, die Arbeiter haben<br />
gefrühstückt und brechen nun auf. Sie nehmen Setzl<strong>in</strong>ge<br />
mit, das s<strong>in</strong>d kle<strong>in</strong>e Bäume. Außerdem Werkzeug: Spaten,<br />
Pflöcke und Hammer, Messer und Schnur. Mit der Schnur<br />
spannen sie e<strong>in</strong>e L<strong>in</strong>ie. Dann pflanzen sie immer im Abstand<br />
von drei Metern entlang der L<strong>in</strong>ie die kle<strong>in</strong>en Bäume an.<br />
E<strong>in</strong>en nach dem anderen. Über 5.000 am Tag!<br />
E<strong>in</strong>ige Kollegen gehen zu e<strong>in</strong>er Fläche, wo sie vor e<strong>in</strong>er Woche<br />
neue Bäume gepflanzt haben. Damit die nicht von Schl<strong>in</strong>gpflanzen<br />
überwuchert werden, schneiden sie das Gestrüpp<br />
rundherum weg. Die kle<strong>in</strong>en Bäume brauchen jetzt viel Licht,<br />
damit sie nicht sterben. Dank der Pflege überleben fast alle<br />
Bäume, die Plant-for-the-Planet pflanzt. Von 100 Bäumen<br />
s<strong>in</strong>d nach e<strong>in</strong>em Jahr noch 94 gesund! Für junge Bäume ist<br />
das e<strong>in</strong> sehr guter Wert, denn <strong>in</strong> dieser Region werden sonst<br />
<strong>in</strong> freier Natur von 100 kle<strong>in</strong>en Bäumen nur 23 groß.<br />
Endlich beg<strong>in</strong>nt hier wieder e<strong>in</strong> Wald zu wachsen. Das war<br />
vor e<strong>in</strong> paar Jahren noch anders. Die K<strong>in</strong>der von Plant-forthe-Planet<br />
waren auf die Suche gegangen nach e<strong>in</strong>em Platz,<br />
wo sie viele Bäume pflanzen können. Je mehr Bäume, desto<br />
besser! Sie fanden diese Fläche <strong>in</strong> Mexiko <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em traurigen<br />
Zustand: Der Investor, der das Land vorher gekauft hatte, hatte<br />
fast alle Bäume fällen lassen.<br />
Und dann... gar nichts<br />
gemacht. Er hat e<strong>in</strong>fach<br />
den bestehenden Wald, der<br />
für viele Tiere e<strong>in</strong> Zuhause<br />
war, kaputtgemacht. Solche<br />
Brachflächen gibt es<br />
viele auf der Welt. Dort <strong>wir</strong>d<br />
nichts zu essen angebaut, dort<br />
wohnen ke<strong>in</strong>e Menschen, es ist<br />
auch ke<strong>in</strong>e Wüste. Auf all diesen<br />
Flächen ist Platz für Bäume. E<strong>in</strong> Wissenschaftler<br />
von der Yale-Universität <strong>in</strong><br />
Amerika hat ausgerechnet: 1.000 Milliarden Bäume<br />
haben noch Platz auf der Welt. Das ist e<strong>in</strong>e riesige Menge:<br />
1.000.000.000.000 Bäume!<br />
Jetzt gehört das Stück Land <strong>in</strong> Mexiko der K<strong>in</strong>der- und<br />
Jugend<strong>in</strong>itiative Plant-for-the-Planet. Die 78 Männer und<br />
Frauen, die dort arbeiten, kommen aus der Umgebung. Sie<br />
können sich und ihre Familien mit dem Gehalt von Plant-forthe-Planet<br />
versorgen. Das geht nur, weil Menschen überall<br />
auf der Welt Geld spenden, damit die Forstarbeiter bezahlt<br />
werden können.<br />
Fotos: © Plant-for-the-Planet<br />
Über 14 Milliarden Bäume hat Plant-for-the-Planet weltweit schon gepflanzt – so wie hier <strong>in</strong> Mexiko. Dort stehen seit 2016 e<strong>in</strong>e Million<br />
von der Initiative gesetzte Bäume.<br />
93
<strong>forum</strong> JUNIOR<br />
Jeder e<strong>in</strong>zelne Baum hilft dabei, das Klima und damit <strong>uns</strong>er Leben auf der Erde zu schützen.<br />
Aber warum pflanzt Plant-for-the-Planet ausgerechnet <strong>in</strong><br />
Mexiko? Weil es dort wärmer und auch sonst das Klima besser<br />
für die Bäume ist. Sie wachsen dort zwei bis vier Mal so<br />
schnell wie <strong>in</strong> Deutschland. Je schneller sie wachsen, desto<br />
schneller b<strong>in</strong>den sie viel CO 2<br />
und desto besser <strong>wir</strong>ken sie<br />
gegen die Klimakrise. Natürlich setzen die Arbeiter dort <strong>in</strong><br />
Mexiko ke<strong>in</strong>e Eichen, Fichten und Buchen <strong>in</strong> die Erde, sondern<br />
Baumarten, die <strong>in</strong> Mexiko heimisch s<strong>in</strong>d. Sie heißen zum<br />
Beispiel Schwarze Sapote, Trompetenbaum oder Mahagoni.<br />
Nach nur e<strong>in</strong>em Jahr s<strong>in</strong>d die Bäume schon größer als die<br />
Arbeiter. Wenn e<strong>in</strong> Baum groß ist, nimmt er irgendwann<br />
nicht mehr ganz so viel CO 2<br />
auf wie beim Wachsen. <strong>Wie</strong> e<strong>in</strong><br />
Mensch hört auch e<strong>in</strong> Baum e<strong>in</strong>mal auf zu wachsen. Wenn<br />
der Baum jetzt zum Beispiel krank <strong>wir</strong>d oder bei e<strong>in</strong>em Sturm<br />
umgeworfen <strong>wir</strong>d, dann verrottet er. E<strong>in</strong> Teil des gespeicherten<br />
„C“ verb<strong>in</strong>det sich mit dem Sauerstoff (O 2<br />
) aus der Luft<br />
und es entsteht wieder CO 2<br />
.<br />
Deshalb haben die K<strong>in</strong>der die Idee, die Bäume zu „ernten“,<br />
also das Holz zu nutzen, wenn sie groß s<strong>in</strong>d. Vorsichtig,<br />
sodass der Wald als Lebensraum der Tiere nicht kaputtgeht.<br />
Aus dem Holz können die Menschen vor Ort, wie zum<br />
Beispiel hier <strong>in</strong> Mexiko, etwas bauen: e<strong>in</strong> Holzhaus, Möbel<br />
oder andere D<strong>in</strong>ge, die sie brauchen. Dadurch bleibt das<br />
„C“ gespeichert. Das Holz verrottet eben nicht, sondern<br />
<strong>wir</strong>d genutzt und bleibt erhalten. So kann sich aus diesem<br />
„C“ ke<strong>in</strong> CO 2<br />
bilden und <strong>uns</strong>ere Luft belasten. Außerdem<br />
hat das Holzhaus noch e<strong>in</strong>en Vorteil. Die meisten Häuser<br />
bauen die Menschen heute aus Beton. Für Beton braucht<br />
man Zement. Wenn Zement hergestellt <strong>wir</strong>d, geht viel<br />
CO 2<br />
<strong>in</strong> die Atmosphäre. Drei Mal so viel wie durch den<br />
Flugverkehr auf der ganzen Welt. Und das ist natürlich<br />
schlecht fürs Klima. Wer e<strong>in</strong> Holzhaus baut, verwendet<br />
eben ke<strong>in</strong>en Beton. Also ke<strong>in</strong> zusätzliches CO 2<br />
<strong>in</strong> der Luft,<br />
sondern sogar „C“ im Holz gespeichert – das ist dann<br />
sozusagen doppelt gut!<br />
Bis sie zu Holzhäusern werden, müssen die Bäume <strong>in</strong> Mexiko<br />
aber erst e<strong>in</strong>mal wachsen und groß werden. Über e<strong>in</strong>e Million<br />
dieser CO 2<br />
-Speicher haben die Arbeiter <strong>in</strong> Campeche nun<br />
schon gepflanzt. Aber jetzt ist erst e<strong>in</strong>mal Schluss für heute,<br />
es ist Abend geworden. Die Männer kommen zusammen, um<br />
zu essen. E<strong>in</strong> paar Hütten stehen zwischen den Bäumen. Hier<br />
schlafen die Arbeiter, die von weiter her kommen, nachts <strong>in</strong><br />
Hängematten. Sie haben noch viel vor: Bis 2<strong>02</strong>0 sollen auf<br />
der Pflanzfläche 10 Millionen Bäume stehen! 10 Millionen<br />
für die <strong>Zukunft</strong> von <strong>uns</strong> allen.<br />
Und nun das Beste: Auch Du kannst <strong>in</strong> Mexiko Bäume pflanzen<br />
lassen, das werden dann sozusagen De<strong>in</strong>e Bäume.<br />
www.plant-for-the-planet.org<br />
LISA KOHN<br />
26 Jahre alt, stammt aus e<strong>in</strong>er bayerischen Familie, die schon seit<br />
150 Jahren mit Holz handelt, regional und nachhaltig. Zuletzt war sie<br />
an e<strong>in</strong>em K<strong>in</strong>o-Filmprojekt über die Energiewende beteiligt, und unterstützt<br />
nun die K<strong>in</strong>der und Jugendlichen von Plant-for-the-Planet.<br />
Und das kannst Du tun<br />
• Auf www.baumgutsche<strong>in</strong>.org kannst du Bäume verschenken.<br />
Oder du wünschst dir welche zum nächsten Geburtstag!<br />
• Die Gute Schokolade, von K<strong>in</strong>dern erfunden, pflanzt Bäume!<br />
Für fünf verkaufte Tafeln <strong>wir</strong>d e<strong>in</strong> neuer Baum <strong>in</strong> Mexiko<br />
gepflanzt. Kaufen kannst Du die Gute Schokolade <strong>in</strong> vielen<br />
Supermärkten oder unter www.plant-for-the-planet.org<br />
• Mach mit de<strong>in</strong>er Schule mit beim weltweiten Baumpflanz-<br />
Wettbewerb! Welche Schule pflanzt die meisten Bäume?<br />
Geh auf www.baumzaehler.de/schule und nimm die Herausforderung<br />
an!<br />
• Werde Botschafter für Klimagerechtigkeit! Auf Akademien<br />
bilden dich andere K<strong>in</strong>der und Jugendliche kostenlos dazu aus.<br />
E<strong>in</strong>e Akademie <strong>in</strong> de<strong>in</strong>er Nähe f<strong>in</strong>dest du unter<br />
www.plant-for-the-planet.org/mitmachen<br />
sozusagen doppelt gut! www.plant-for-the-planet.org/mitmachen<br />
Foto: © Plant-for-the-Planet<br />
94 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>
<strong>forum</strong> JUNIOR<br />
WARUM MENSCHEN<br />
WIRKLICH FLIEHEN<br />
E<strong>in</strong> Kommentar von Felix F<strong>in</strong>kbe<strong>in</strong>er<br />
Foro: © Plant-for-the-Planet<br />
Mohammed ist neun, er kommt aus Syrien. Nun lebt er weit<br />
von zu Hause entfernt, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Flüchtl<strong>in</strong>gslager <strong>in</strong> Deutschland.<br />
Fremdes Land, fremde Sprache. <strong>Wie</strong> Mohammed<br />
mussten viele Mädchen und Jungen fliehen, manche sogar<br />
ohne ihre Eltern und Geschwister.<br />
In Europa diskutieren Menschen seit Monaten: Wer nimmt<br />
wie viele Flüchtl<strong>in</strong>ge auf? <strong>Wie</strong> viel Geld kostet das? Was<br />
niemand sagt: Der Bürgerkrieg <strong>in</strong> Syrien wurde auch von<br />
der Klimakrise ausgelöst. Bevor der Krieg ausbrach, litten die<br />
Menschen <strong>in</strong> Syrien unter e<strong>in</strong>er besonders schweren Dürre,<br />
die sehr wahrsche<strong>in</strong>lich mit der Klimakrise zusammenhängt<br />
– dafür sprechen zum<strong>in</strong>dest viele Zahlen und Fakten.<br />
Für die Menschen bedeutete die monatelange Trockenheit:<br />
Getreide war plötzlich doppelt so teuer wie sonst, Viehherden<br />
verdursteten und starben, K<strong>in</strong>der bekamen zu wenig zu<br />
essen. Die Menschen zogen <strong>in</strong> die Städte, <strong>in</strong> der Hoffnung<br />
auf Arbeit und dadurch mehr Geld. Der Herrscher Assad<br />
unternahm aber nichts gegen das Chaos – auch deshalb<br />
wollten ihn die Bürger stürzen. Daraus ist e<strong>in</strong> Bürgerkrieg<br />
geworden, dreihunderttausend Menschen s<strong>in</strong>d gestorben,<br />
fast fünf Millionen mussten aus dem Land fliehen.<br />
Warum redet man bei <strong>uns</strong> nicht darüber? Menschen hungern<br />
wegen der Klimakrise.<br />
Menschen dursten wegen der Klimakrise. Menschen bekämpfen<br />
sich untere<strong>in</strong>ander wegen der Klimakrise. Menschen<br />
verlieren ihre Heimat wegen der Klimakrise. Mehr als jeder<br />
dritte Mensch lebt an e<strong>in</strong>er Küste. Wenn der Meeresspiegel<br />
steigt, ist der Lebensraum dieser Menschen direkt bedroht.<br />
Die Erwachsenen heute <strong>in</strong> Europa und auch anderswo tun so,<br />
als wären die Flüchtl<strong>in</strong>ge e<strong>in</strong> lästiges Problem. Aber Flüchtl<strong>in</strong>ge<br />
s<strong>in</strong>d Menschen! E<strong>in</strong> echtes Problem ist, dass Bürger<br />
der westlichen Welt, also zum Beispiel hier <strong>in</strong> Deutschland,<br />
mit ihrem Lebensstil jeden Tag die Klimakrise anheizen. Sie<br />
verbrennen Kohle und Gas, um Strom zu erzeugen. Sie verbrauchen<br />
Benz<strong>in</strong>, um Auto zu fahren. Sie betreiben <strong>in</strong>tensive<br />
Land<strong>wir</strong>tschaft, die große Mengen Treibhausgase freisetzt.<br />
Sie essen Fleisch, obwohl die Herstellung sehr viel CO2 verursacht.<br />
Unter den Folgen dieser Lebensweise, nämlich unter<br />
der Klimakrise, leiden aktuell aber vor allem Menschen <strong>in</strong><br />
ärmeren Ländern. Denn es entwickeln sich, wie <strong>in</strong> Syrien zum<br />
Beispiel, Bürgerkriege und die Menschen müssen aus ihrer<br />
Heimat fliehen. Gleichzeitig s<strong>in</strong>d die Folgen der Klimakrise<br />
nicht als Grund anerkannt, diesen Menschen die Erlaubnis<br />
zu geben, sicher <strong>in</strong> Deutschland zu leben. Wir müssen jetzt<br />
handeln! Wir müssen den CO 2<br />
-Ausstoß senken. Wir müssen<br />
Bäume pflanzen, denn sie b<strong>in</strong>den CO 2<br />
und helfen so gegen<br />
die Klimakrise.<br />
Geme<strong>in</strong>sam mit vielen Erwachsenen, Regierungen und Unternehmen<br />
konnten <strong>wir</strong> K<strong>in</strong>der und Jugendliche von Plantfor-the-Planet<br />
schon 14 Milliarden Bäume pflanzen. Aber<br />
das ist viel zu wenig. Wir brauchen 1.000 Milliarden weitere<br />
Bäume. Wir brauchen jede Hilfe, um dieses Ziel zu erreichen.<br />
Jeder Baum bedeutet Hoffnung für die Menschen, die am<br />
meisten unter der Klimakrise leiden werden. Hoffnung, dass<br />
ihr Land nicht im Meer vers<strong>in</strong>kt, nicht austrocknet und nicht<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>en grausamen Krieg stürzt. Hoffnung, zu überleben.<br />
Felix F<strong>in</strong>kbe<strong>in</strong>er<br />
Botschafter für Klimagerechtigkeit<br />
Der heute 19-Jährige hielt mit neun<br />
Jahren e<strong>in</strong> Referat über die Klimakrise.<br />
Am Ende sagte er zu se<strong>in</strong>en<br />
Mitschülern: „Lasst <strong>uns</strong> <strong>in</strong> jedem<br />
Land der Erde e<strong>in</strong>e Million Bäume<br />
pflanzen!“ K<strong>in</strong>der aus über 100 Ländern<br />
gründeten die K<strong>in</strong>der- und Jugend<strong>in</strong>itiative<br />
Plant-for-the-Planet. In<br />
e<strong>in</strong>tägigen Akademien bilden K<strong>in</strong>der<br />
andere K<strong>in</strong>der zu „Botschaftern für<br />
Klimagerechtigkeit“ aus. Ziele bis<br />
2<strong>02</strong>0 s<strong>in</strong>d: e<strong>in</strong>e Million Botschafter<br />
und 1.000 Milliarden neue Bäume,<br />
also 150 je Mensch.<br />
Die UNEP übergab den K<strong>in</strong>dern die<br />
Verantwortung für den Welt-Baumzähler,<br />
der schon 14 Milliarden Bäume<br />
umfasst. Mehr dazu erfährst du<br />
auf www.plant-for-the-planet.org<br />
www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />
95
<strong>forum</strong> JUNIOR<br />
Gute Nachrichten nicht nur für K<strong>in</strong>der<br />
E<strong>in</strong>mal um die ganze Welt. Auf e<strong>in</strong>em selbstgebauten Fahrrad<br />
E<strong>in</strong> selbstgebautes Fahrrad? Aus Bambus? Und damit e<strong>in</strong>mal um die ganze Welt fahren?<br />
Genau das hat Basti vor. Er ist 25 Jahre alt und wohnt <strong>in</strong> München. Am 28. Mai will er sich<br />
auf se<strong>in</strong> Bambusrad schw<strong>in</strong>gen und losfahren. 40.075 Kilometer! E<strong>in</strong>mal um die ganze<br />
Welt. Unterwegs pflanzt er Bäume. Bambus ist übrigens ke<strong>in</strong> Holz, sondern Gras. Aber<br />
ganz schön festes Gras. E<strong>in</strong> Bambusrohr ist <strong>in</strong>nen hohl und geht dadurch fast nicht kaputt.<br />
Nicht quatschen. Bäume pflanzen!<br />
Mit dem Präsidenten von Sambia haben 12 Botschafter für Klimagerechtigkeit e<strong>in</strong> Foto<br />
gemacht. Auf dem Foto halten die K<strong>in</strong>der dem Präsidenten den Mund zu. Denn: Die<br />
Erwachsenen sollen nicht immer nur reden, sondern endlich etwas tun. Vor dem Foto<br />
hielt Mika aus Japan e<strong>in</strong>e Rede: „Leider ist Sambia e<strong>in</strong>es der am meisten von der Klimakrise<br />
betroffenen Länder. Ich will me<strong>in</strong>e Freunde und me<strong>in</strong>e Familie nicht verlieren.“<br />
Das Foto mit dem Präsidenten war übrigens am nächsten Tag auf dem Titelblatt der<br />
Sambischen Zeitung „Daily Mail“.<br />
Onl<strong>in</strong>e-Akademie zur Klimakrise<br />
Wer mehr darüber lernen will, wie die Klimakrise <strong>uns</strong>er Leben bee<strong>in</strong>trächtigt und <strong>in</strong> <strong>Zukunft</strong><br />
noch viel mehr bee<strong>in</strong>trächtigen <strong>wir</strong>d, kann sich zur kostenlosen Onl<strong>in</strong>e-Akademie anmelden:<br />
Unter www.moo<strong>in</strong>.oncampus.de im Kurs „KlimaMOOC #klimauni“ beantworten<br />
führende Wissenschaftler unter anderem folgende Fragen: <strong>Wie</strong> s<strong>in</strong>d extreme Wetterbed<strong>in</strong>gungen<br />
und das Schmelzen des arktischen Eises e<strong>in</strong>zuordnen? Können <strong>wir</strong> <strong>uns</strong><br />
auf die Folgen der Klimakrise e<strong>in</strong>stellen? Welche Ursachen haben die Veränderungen,<br />
die <strong>wir</strong> heute schon spüren? Was kann jeder persönlich tun? Die Anmeldung erfolgt mit<br />
E-Mail-Adresse und Name, am Ende des Kurses hat der Teilnehmer die Möglichkeit, e<strong>in</strong><br />
Zertifikat zu erhalten.<br />
Schokoladen-Selfies zum Welt retten<br />
Die Gute Schokolade haben die K<strong>in</strong>der von Plant-for-the-Planet erfunden. Das Gute an der<br />
Guten Schokolade ist: Sie ist klimaneutral produziert. Das heißt, dass durch die Produktion<br />
ke<strong>in</strong> zusätzliches, gefährliches CO2 <strong>in</strong> die Luft gelangt ist, weil z.B. Bäume gepflanzt<br />
wurden, um dieses direkt wieder aufzunehmen. Die Gute Schokolade kann aber noch<br />
mehr: Sie sorgt dafür, dass die K<strong>in</strong>der der Kakaobauern <strong>in</strong> die Schule gehen können.<br />
Wenn die Arbeiter, die den Kakao für die Schokolade anbauen, nur ganz wenig Geld<br />
bekommen, müssen oft auch ihre K<strong>in</strong>der arbeiten. Deshalb bekommen die Erzeuger<br />
der Zutaten für die Gute Schokolade e<strong>in</strong>en fairen Preis bezahlt. Für fünf verkaufte Ta-<br />
feln pflanzt Plant-for-the-Planet außerdem e<strong>in</strong>en Baum gegen die Klimakrise. Hilf mit,<br />
dass die Gute Schokolade noch bekannter <strong>wir</strong>d und noch mehr Bäume gepflanzt werden<br />
können: Mach e<strong>in</strong> Schokoladen-Selfie und poste es z.B. auf Facebook!<br />
Fotos: © Plant-for-the-Planet<br />
96 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>
Schenna Resort <strong>in</strong> Südtirol<br />
E<strong>in</strong>treten <strong>in</strong> die Quelle des Lichts<br />
Es gibt Orte, an denen das Glück sofort spürbar <strong>wir</strong>d. In herrlicher Panoramalage,<br />
umgeben von der kraftvollen Bergwelt und e<strong>in</strong>gebettet im schönen<br />
Meraner Land, empfangen Sie die Familien Pföstl und Wörndle und ihr<br />
sympathisches Mitarbeiterteam im Schenna Resort.<br />
Die drei familiengeführten Hotels bieten den Gästen e<strong>in</strong> Refugium der Ruhe<br />
und Entspannung, <strong>in</strong> dem Genuss und Wohlbef<strong>in</strong>den an erster Stelle stehen.<br />
Urlaub im Schenna Resort heißt, se<strong>in</strong>em Körper, se<strong>in</strong>em Geist und se<strong>in</strong>er<br />
Seele etwas Gutes zu tun und die <strong>in</strong>tensive Freude am Leben zu spüren.<br />
Das Schenna Resort – die Quelle des Lichts, lässt die Gäste von <strong>in</strong>nen und<br />
von außen strahlen und so die Freude am eigenen Leben ausdrücken.<br />
Es erwartet Sie e<strong>in</strong> buntes Angebot:<br />
• Yoga, geführte Meditationen, Bewusstse<strong>in</strong>sabende und Pilates<br />
• Ganzheitliches Spa-Programm<br />
• Großzügige Wellnessbereiche mit 4 Pools, 9 Saunen und vielen Ruhe<strong>in</strong>seln<br />
• Events, Sem<strong>in</strong>are und Coach<strong>in</strong>gs<br />
• Geführte Wanderungen und Fitnessprogramm<br />
• Gesunde und kul<strong>in</strong>arische Köstlichkeiten<br />
• Sem<strong>in</strong>arräume für Ihren Bedarf<br />
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97 1
THEMEN | KUNST UND NACHHALTIGKEIT<br />
Mbongeni Buthelezi<br />
DER PLASTIKMALER<br />
AUS SÜDAFRIKA<br />
Plastikabfälle s<strong>in</strong>d hässlich, verschandeln <strong>uns</strong>ere Umwelt und gefährden die Weltmeere. Aber sie können<br />
auch e<strong>in</strong>e politische, ökologische und ästhetische Funktion übernehmen. Der südafrikanische Künstler<br />
Mbongeni Buthelezi verwandelt die Abfälle e<strong>in</strong>fach <strong>in</strong> großformatige und aussagekräftige „Gemälde".<br />
Von Carsten Baumgarth<br />
„Ich nutze die Heizpistole als P<strong>in</strong>sel und Plastikabfall als<br />
Farbe“, so skizziert der südafrikanische Künstler Mbongeni<br />
Buthelezi selbst se<strong>in</strong>e K<strong>uns</strong>t. Der 1965 <strong>in</strong> Newcastle (Südafrika)<br />
geborene Künstler studierte K<strong>uns</strong>t <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Heimatland.<br />
Im Jahre 1986 begann er, <strong>in</strong>spiriert durch e<strong>in</strong>en Workshop<br />
mit dem Schweizer Künstler Luca Ganser, die Entwicklung<br />
se<strong>in</strong>er eigenen Technik. Zu Beg<strong>in</strong>n se<strong>in</strong>er Karriere fehlte ihm<br />
schlichtweg das Geld, um sich teure Le<strong>in</strong>wände, P<strong>in</strong>sel und<br />
Ölfarben zu kaufen. Daher sammelte er <strong>in</strong> den Townships<br />
von Johannisburg bunte Plastikabfälle. Dabei war und ist<br />
er nicht auf der Suche nach Plastikmüll mit deutlichen Gebrauchsspuren,<br />
sondern nach möglichst unbenutzten Tüten<br />
und Planen. Diese Abfälle ergänzt er durch Industriefolien,<br />
wenn er bestimmte Farben <strong>in</strong> den Abfällen nicht f<strong>in</strong>den kann.<br />
Mithilfe e<strong>in</strong>er Heizpistole, die für ihn den P<strong>in</strong>sel darstellt,<br />
trägt er den <strong>in</strong> kle<strong>in</strong>e Streifen zerkle<strong>in</strong>erten Plastikabfall<br />
auf die Le<strong>in</strong>wand auf. Se<strong>in</strong>e Technik lässt sich am besten als<br />
e<strong>in</strong>e Komb<strong>in</strong>ation aus Collage und Mosaik charakterisieren.<br />
Fotos: © Mbongeni Buthelezi<br />
98 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>
KUNST UND NACHHALTIGKEIT | THEMEN<br />
www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />
99
THEMEN | KUNST UND NACHHALTIGKEIT<br />
„Ölgemälde“ im wahrsten S<strong>in</strong>ne des Wortes: Für se<strong>in</strong>e K<strong>uns</strong>twerke nutzt Burthelezis aus dem fossilen Rohstoff hergestellte<br />
Folien und Plastikteile.<br />
Buthelezis überwiegend großformatige<br />
Bilder bestehen<br />
häufig aus 5.000 und mehr<br />
Plastikteilen, die <strong>in</strong> mehreren<br />
Schichten übere<strong>in</strong>andergelegt<br />
werden. Durch die Wärmebehandlung<br />
mit der Heizpistole<br />
werden die Plastikteile nicht<br />
nur aufgetragen, sondern<br />
lassen sich auch <strong>in</strong> ihrer Form verändern. Das Endergebnis<br />
sieht nicht nur so aus, sondern ist im wahrsten S<strong>in</strong>ne des<br />
Wortes e<strong>in</strong> echtes „Ölgemälde“. Diese Grundtechnik variiert<br />
der Künstler immer wieder und schafft damit völlig neuartige<br />
und unterschiedliche Ausdrucksformen. Während er zu<br />
Beg<strong>in</strong>n se<strong>in</strong>er Karriere mit größeren Flächen und sehr farbig<br />
arbeitete, experimentierte er später mit verschiedenen Farbmustern<br />
wie Schwarz-weiß oder Sepia und mit dünnen L<strong>in</strong>ien<br />
und Punkten. Aktuell beschäftigt er sich stark mit Gesichtern<br />
und dem gezielten E<strong>in</strong>satz weniger Farben.<br />
I collect rubbish and create someth<strong>in</strong>g<br />
beautiful from it. I collect someth<strong>in</strong>g<br />
that has no value and give it new life.<br />
That’s what we can do with ourselves<br />
and our lives.<br />
auch für Mbongeni Buthelezi.<br />
<strong>Wie</strong> viele schwarze Künstler<br />
Südafrikas wuchs Mbongeni<br />
Buthelezi <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Township<br />
auf und g<strong>in</strong>g dort zur Schule.<br />
Da es schwarzen Künstlern<br />
jahrzehntelang verboten war,<br />
e<strong>in</strong>e künstlerische Ausbildung<br />
zu machen, waren se<strong>in</strong>e Lehrjahre<br />
schwierig. Doch nach und nach entwickelten sich <strong>in</strong><br />
Südafrika ab den 70er und 80er Jahren des letzten Jahrhunderts<br />
kommunale K<strong>uns</strong>tzentren. Trotz häufigen Geldmangels<br />
bildeten diese junge, überwiegend schwarze Künstler sehr<br />
umfassend <strong>in</strong> bildender und darstellender K<strong>uns</strong>t aus.<br />
Auch Mbongeni Buthelezi begann Mitte der 80er Jahre am<br />
Funda Art Center <strong>in</strong> Soweto se<strong>in</strong>e künstlerische Ausbildung<br />
und lehrte dort später auch als K<strong>uns</strong>tdozent. Von 1997 bis<br />
1998 vervollständigte er se<strong>in</strong>e künstlerische Ausbildung an<br />
der University of Witwatersrand <strong>in</strong> Johannesburg.<br />
Interdependenz von Künstler und Umgebung<br />
Die Techniken und die Philosophie von Künstlern resultieren<br />
häufig aus ihrem unmittelbaren Umfeld. Gleichzeitig<br />
bee<strong>in</strong>flussen Künstler <strong>in</strong>direkt und direkt wiederum diese<br />
lokalen und sozialen Umfelder. Diese starke Interpendenz gilt<br />
Künstler als Aufklärer und Erzieher der Gesellschaft<br />
Die Motive se<strong>in</strong>er K<strong>uns</strong>t beschäftigen sich bis heute mit dem<br />
Leben der „kle<strong>in</strong>en Leute“ <strong>in</strong> den Townships. Die häufig sehr<br />
farbenfrohen Arbeiten bilden Menschen und Tiere aus se<strong>in</strong>er<br />
direkten Umgebung ab und erzählen Geschichten über das<br />
100 Gedruckt auf Ste<strong>in</strong>beis Charisma Silk – hergestellt aus 100 % Altpapier, ausgezeichnet mit dem Blauen Engel. <strong>forum</strong> E<strong>in</strong> Produkt <strong>Nachhaltig</strong> der Ste<strong>in</strong>beis <strong>Wirtschaften</strong><br />
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KUNST UND NACHHALTIGKEIT | THEMEN<br />
Mit se<strong>in</strong>er K<strong>uns</strong>t verfolgt Burthelezis zwei Ziele: der Jugend zeigen, dass man sich mit Kreativität und Beharrlichkeit aus der Armut befreien<br />
kann und auf das Problem Plastikmüll h<strong>in</strong>weisen.<br />
Leben und se<strong>in</strong>e Schwierigkeiten <strong>in</strong> Südafrika. Neben diesem<br />
direkten Abbild der sozialen, politischen und ökonomischen<br />
Missstände möchte Mbongeni Buthelezi aber auch der<br />
Jugend Hoffnung geben, <strong>in</strong>dem er aufzeigt, dass es möglich<br />
ist, sich mit Kreativität und Beharrlichkeit aus der Armut der<br />
Townships zu befreien und se<strong>in</strong>e Träume zu ver<strong>wir</strong>klichen<br />
und zu leben. Daneben versteht er se<strong>in</strong>e K<strong>uns</strong>t und <strong>in</strong>sbesondere<br />
die von ihm angewandte Technik als Appell, sich<br />
mit Müll und speziell mit Plastikmüll ause<strong>in</strong>anderzusetzen.<br />
Erfolg und <strong>Zukunft</strong><br />
Mbongeni Buthelezi ist mittlerweile e<strong>in</strong>er der erfolgreichsten<br />
Künstler <strong>in</strong> Südafrika und auch <strong>in</strong>ternational anerkannt. Se<strong>in</strong>e<br />
K<strong>uns</strong>twerke werden u. a. von Museen (z. B. Museum for<br />
African Art, New York, Johannesburg Art Gallery, Oliwenhuis<br />
Museum, Pretoria Museum), Unternehmenssammlungen<br />
(z. B. Daimler AG) und privaten Sammlern erworben. Auch <strong>in</strong><br />
Deutschland hat er mehrfach <strong>in</strong> Artist-<strong>in</strong>-Residence-Programmen<br />
gearbeitet und ausgestellt (z. B. 2005 und 2011: Galerie<br />
Seippel, Köln, 2005: K<strong>uns</strong>t: Raum Sylt-Quelle, Rantum; 2004:<br />
Museum Goch, Goch).<br />
Für die <strong>Zukunft</strong> wünscht er sich e<strong>in</strong> größeres Studio, welches<br />
nicht nur als Arbeits- und Ausstellungsplatz für se<strong>in</strong>e K<strong>uns</strong>t,<br />
sondern auch als Ort für Workshops mit K<strong>in</strong>dern aus sozial<br />
und ökonomisch benachteiligten Umfeldern dienen kann. Er<br />
möchte diesen K<strong>in</strong>dern nicht nur Wissen über die K<strong>uns</strong>t und<br />
künstlerische Fähigkeiten vermitteln, sondern ihnen durch<br />
se<strong>in</strong>e K<strong>uns</strong>t Inspiration und Hoffnung schenken.<br />
Wir danken Mbongeni Buthelezi ganz herzlich für die Unterstützung<br />
und H<strong>in</strong>tergrund<strong>in</strong>formationen.<br />
PROF. DR. CARSTEN BAUMGARTH<br />
ist Professor für Market<strong>in</strong>g, <strong>in</strong>sbesondere Markenführung an der<br />
Hochschule für Wirtschaft und Recht Berl<strong>in</strong>. Er beschäftigt sich seit<br />
Jahren mit der Verb<strong>in</strong>dung von Marke und <strong>Nachhaltig</strong>keit sowie den<br />
Verknüpfungen zur K<strong>uns</strong>t. Speziell die Kooperation von K<strong>uns</strong>t und<br />
Unternehmen ist ihm e<strong>in</strong> Anliegen.<br />
www.arts-push-bus<strong>in</strong>ess.de<br />
Die Serie „<strong>Nachhaltig</strong>K<strong>uns</strong>t“ stellt <strong>in</strong> jeder Ausgabe e<strong>in</strong>en Künstler,<br />
e<strong>in</strong>e Künstlergruppe und/oder e<strong>in</strong> K<strong>uns</strong>twerk vor, welche die Sphären<br />
<strong>Nachhaltig</strong>keit und K<strong>uns</strong>t <strong>in</strong>teressant verb<strong>in</strong>den. Das soll Sie als<br />
Leser berühren und für K<strong>uns</strong>t begeistern. Es darf aber auch als Inspiration<br />
für Unternehmen, Institutionen und NGOs dienen, sich mit<br />
den Potentialen von K<strong>uns</strong>t für die <strong>Nachhaltig</strong>keitskommunikation<br />
ause<strong>in</strong>anderzusetzen.<br />
www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />
101
Das blaue Wunder<br />
auf der großen Le<strong>in</strong>wand<br />
Abenteuer. Action. Unterwasserwelt. Jedes Jahr im Frühl<strong>in</strong>g br<strong>in</strong>gt die International Ocean<br />
Film Tour die besten Meeresabenteuer und Wassersportfilme der Welt <strong>in</strong> die K<strong>in</strong>osäle.<br />
In diesem Jahr setzt die International Ocean Film Tour bereits<br />
zum vierten Mal die Segel und macht dabei auf ihrer großen<br />
(Welt-)Reise Halt <strong>in</strong> über 100 Städten. Insgesamt sieben Filme<br />
br<strong>in</strong>gen die blauen Facetten des Planeten zum Leuchten und<br />
regen gleichzeitig zum Nachdenken an.<br />
In THE WEEKEND SAILOR werden die Anfänge des Volvo Ocean<br />
Race erzählt und damit auch die sagenhafte Geschichte e<strong>in</strong>es<br />
Mannes, den die Segelwelt unterschätzt hatte. SHOREBREAK<br />
erzählt von dem Hawaiianer Clark Little, der se<strong>in</strong>e Leidenschaft<br />
für die perfekte Welle zum Beruf gemacht hat. Auch Johanna<br />
Nordblad – „JOHANNA UNDER THE ICE“ – entdeckt ihre Liebe zu<br />
Wasser und <strong>in</strong>sbesondere der glasklaren Stille unter dem Eis. Der<br />
Film beleuchtet, wie die f<strong>in</strong>nische Freediver<strong>in</strong> nach e<strong>in</strong>em schweren<br />
Mounta<strong>in</strong>bike-Unfall <strong>in</strong> diese beklemmende und zugleich<br />
extrem befreiende Welt entflieht. Sagenhaft <strong>wir</strong>d es auch <strong>in</strong> THE<br />
ACCORD. Mit viel schwarzem Humor bieten die hart gesottenen<br />
Surfer Heiðar Logi Elíasson und Erlendur Magnusson dem eiskalten<br />
Nordatlantik die Stirn und zeigen spektakuläre Rides vor<br />
der rauhen Naturkulisse Islands, während CHAPTER ONE den<br />
Zuschauer zu azurblauen Kiteboard<strong>in</strong>g- Spots mitnimmt.<br />
In der Umweltdokumentation A PLASTIC OCEAN <strong>wir</strong>d es ernst:<br />
Abenteurer und Filmemacher Craig Leeson ist vier Jahre lang der<br />
Spur des Plastiks gefolgt und zeigt die unfassbare Verschmutzung<br />
der Weltmeere durch sichtbaren und <strong>uns</strong>ichtbaren Plastikmüll.<br />
E<strong>in</strong>e Dokumentation, die dem wahren Ausmaß der Bedrohung<br />
auf den Grund geht und e<strong>in</strong> Bewusstse<strong>in</strong> für die Konsequenzen<br />
des eigenen Konsumverhaltens schafft. Auch THE LEGACY widmet<br />
sich der Meeresverschmutzung und der Überfischung, durch<br />
die <strong>wir</strong> <strong>in</strong> nur 50 Jahren blühende und gesunde Ökosysteme<br />
zerstört haben. Der Kurzfilm zeigt mit e<strong>in</strong>drucksvollen Unterwasserbildern,<br />
wie sich bedrohte Arten regenerieren, wenn ihr<br />
Lebensraum zur Schutzzone erklärt <strong>wir</strong>d.<br />
Schönheit und Vielfalt<br />
Die International Ocean Film Tour ist weit mehr als K<strong>in</strong>o – Das<br />
jährlich wechselnde Filmprogramm zeigt die Schönheit und die<br />
Vielfalt des Meeres auf der großen Le<strong>in</strong>wand und fordert das<br />
Publikum auf, diese zu erhalten. Der Schwerpunkt der diesjährigen<br />
Tour liegt auf dem Thema Plastik und der damit e<strong>in</strong>hergehenden<br />
Zerstörung des ökologischen Gleichgewichts <strong>uns</strong>erer<br />
Ozeane. Die Organisatoren der Tour unterstützen verschiedene<br />
Umweltschutzorganisationen wie die Surfrider Foundation, Sea<br />
Shephard, Viva con Agua, Ocean Care oder die Plastic Bank. Im<br />
Rahmen der Tour bekommen sie e<strong>in</strong> Forum, die K<strong>in</strong>obesucher<br />
auf ihre Arbeit aufmerksam zu machen.<br />
Die International Ocean Film Tour<br />
Das abendfüllende Filmprogramm dieser Festival Tour besticht<br />
jedes Jahr aufs Neue mit e<strong>in</strong>em Programm aus jeweils<br />
sechs bis acht bildgewaltigen Dokumentationen, die den<br />
Zuschauer <strong>in</strong> den wunderbaren Kosmos der Ozeane entführen.<br />
Die Protagonisten tummeln sich auf und unter Wasser,<br />
zeigen was mit e<strong>in</strong>em Brett unter den Füßen alles möglich<br />
ist, trotzen waghalsig den Naturgewalten – und<br />
wecken die Lust nach Meer.<br />
Weitere Informationen zu den e<strong>in</strong>zelnen<br />
Filmen gibt es auf der <strong>forum</strong>-Website:<br />
Fotos: © Ocean Film Tour<br />
1<strong>02</strong><br />
<strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>
MEDIENTIPPS | SERVICE<br />
Der „Freund der Rochen“<br />
Erick Higuera hat auf dem Archipel Revillagigego se<strong>in</strong> Paradies<br />
gefunden. Dort taucht er mit Hammerhaien und Mantarochen.<br />
Die Rochen liegen Higuera besonders am Herzen,<br />
weil er sie e<strong>in</strong>st im Golf von Kalifornien verschw<strong>in</strong>den sah.<br />
Im Kurzfilm THE LEGACY, e<strong>in</strong>em der Highlights der International<br />
Ocean Film Tour, zeigt er, wie der pazifische Riesen-<br />
Mantarochen im mexikanischen Archipel e<strong>in</strong>e neue Heimat<br />
fand, nachdem dieses zum Weltkulturerbe erklärt wurde.<br />
<strong>forum</strong> wollte mehr von dem Filmemacher erfahren.<br />
<strong>Wie</strong> bist du zum Tauchen und Filmen gekommen?<br />
Schon als ich sechs Jahre alt war, wollte ich <strong>in</strong>s Wasser und<br />
die Unterwasserwelt entdecken. Ich wollte alles über die<br />
Meeresbewohner wissen, sie erforschen und filmen. Als ich<br />
noch e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d war habe ich mir immer die Dokumentationen<br />
von Costeau, von National Geographic und der BBC angesehen.<br />
Während me<strong>in</strong>em Studium der Meeresbiologie habe ich<br />
mich zum Tauchlehrer ausbilden lassen und legte mir e<strong>in</strong>e<br />
Kamera-Ausrüstung zu. Je mehr ich fotografierte und filmte,<br />
desto mehr verliebte ich mich <strong>in</strong> diese Arbeit. Ich will me<strong>in</strong>e<br />
Erlebnisse unter Wasser mit den Menschen teilen – ich will<br />
ihnen zeigen, was es „dort draußen” gibt.<br />
Der Mantarochen liegt dir besonders am Herzen – warum?<br />
Seit den späten Neunzigern tauche ich im Golf von Kalifornien<br />
und musste live miterleben, wie die Populationen von<br />
Hammer haien und Mantarochen dort dramatisch sanken. Die<br />
lokale Fisch<strong>in</strong>dustrie befischte das Gebiet so lange, bis 20<strong>02</strong><br />
die Bestände komplett verschwanden. Als ich 2006 begann, im<br />
Archipel von Revillegigedo zu tauchen, wo auch THE LEGACY<br />
entstand, entdeckte ich e<strong>in</strong>en großen Bestand von gesunden<br />
Mantarochen. Niemand erforschte diese Inselgruppe, also<br />
begann ich selbst zu forschen.<br />
Es zeigte sich, dass die Mantas <strong>wir</strong>klich um dieses Archipel<br />
leben, dort genügend Nahrung f<strong>in</strong>den, sich dort paaren und<br />
es lediglich verlassen, um ihre Jungen zur Welt zu br<strong>in</strong>gen. Wir<br />
wollen diesen gesunden Bestand schützen, denn die Mantas<br />
s<strong>in</strong>d so unglaublich sanfte, majestätische Tiere.<br />
<strong>Wie</strong> kam es, dass das Archipel Revillagigedo unter Schutz<br />
gestellt wurde?<br />
Am Valent<strong>in</strong>stag 1993 hielt sich e<strong>in</strong>e Gruppe Taucher vor<br />
der Insel San Benedicto auf, um mit Mantas zu tauchen. Am<br />
Ende des Tages entdeckten die Taucher e<strong>in</strong> Fischerboot <strong>in</strong> der<br />
Nähe. Die Fischer begannen, e<strong>in</strong>en Mantarochen nach dem<br />
anderen aus dem Wasser zu ziehen und an Bord zu schlachten<br />
– genau die Tiere, mit denen die Taucher wenige Stunden<br />
zuvor getaucht waren. Sie machten Filmaufnahmen und<br />
schickten sie direkt an die Behörden. Die Aufnahmen sorgten<br />
für e<strong>in</strong>e große Kontroverse. 1994 erklärte die mexikanische<br />
Regierung das Archipel zu e<strong>in</strong>er geschützten Biosphäre. Die<br />
Forschung entdeckte das Archipel für sich und bald war klar,<br />
dass die Inseln e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>zigartiger Ort auf dem Planeten s<strong>in</strong>d.<br />
2008 reichte man e<strong>in</strong> Gesuch bei der UNESCO e<strong>in</strong>, doch es<br />
sollte noch acht Jahre und viel Arbeit kosten, bis das Gebiet<br />
anerkannt wurde: Am 17. Juli 2016 wurde das Archipel von<br />
Revillagigedo zum UNESCO Weltkulturerbe erklärt. Diese Anerkennung<br />
hilft <strong>uns</strong>, den Druck auf die Regierung zu erhöhen,<br />
Schutzpatrouillen gegen Wilderer e<strong>in</strong>zusetzen.<br />
Inzwischen floriert der Eco-Tourismus auf dem Archipel – e<strong>in</strong><br />
zweischneidiges Schwert?<br />
Ja, def<strong>in</strong>itiv. Zum e<strong>in</strong>en helfen <strong>uns</strong> die Tauchtouristen, die<br />
Wilderer fern zu halten. Sie s<strong>in</strong>d quasi die Augen aufs Meer.<br />
Zum anderen müssen <strong>wir</strong> die Anzahl der touristischen Boote<br />
e<strong>in</strong>grenzen, um die Meeresbewohner nicht zu stören. Bisher<br />
zeigt sich die Manta-Population ungestört. Im Gegenteil,<br />
die Rochen schwimmen von selbst auf die Taucher zu und<br />
schweben über ihnen, weil sie die Blubberblasen der Taucher<br />
irgendwie toll f<strong>in</strong>den.<br />
www.oceanfilmtour.com<br />
www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />
103
SERVICE | MEDIENTIPPS<br />
Filmtipps<br />
Planet Erde 2<br />
Vor 10 Jahren setzte “Planet Erde”<br />
e<strong>in</strong>en neuen Maßstab für Naturfilme.<br />
Zehn Jahre später ermöglicht<br />
der Fortschritt der Filmtechnik, die<br />
Natur aus völlig neuartigen Blickw<strong>in</strong>keln<br />
zu erleben. Die sechs Episoden<br />
von “Planet Erde II” nehmen <strong>uns</strong><br />
näher mit ran als jemals zuvor. Der Zuschauer<br />
taucht <strong>in</strong> die spektakulärsten<br />
Landschaften und Lebensräume e<strong>in</strong><br />
und begibt sich auf Augenhöhe mit den dort angesiedelten Tieren.<br />
Zusätzlich widmet sich die Serie e<strong>in</strong>em neuen Lebensraum:<br />
Zum ersten Mal legt e<strong>in</strong>e richtungsweisende Naturdokumentation<br />
ihr Augenmerk auf die Großstadt und die verblüffenden<br />
Überlebensstrategien von Tieren im Großstadtdschungel.<br />
Jetzt neu im K<strong>in</strong>o! – Bauer <strong>uns</strong>er<br />
„Wachse oder weiche“ – Über Jahrzehnte<br />
war Österreichs Land<strong>wir</strong>tschaft<br />
geprägt von diesem Leitspruch. Der Film<br />
zeigt, wie es auf Österreichs Bauernhöfen<br />
zugeht mit dem Fazit: so <strong>wir</strong>d es<br />
nicht weitergehen. Es läuft etwas falsch.<br />
Das Mantra der Industrie – schneller,<br />
billiger, mehr – stellen die meisten Bauern<br />
<strong>in</strong> Frage. Laut der Ernährungs- und<br />
Land<strong>wir</strong>tschaftsorganisation der Vere<strong>in</strong>ten<br />
Nationen ließen sich derzeit global 12 Milliarden Menschen<br />
<strong>ernähren</strong> – ohne radikale Umstellungen. E<strong>in</strong>fach nur durch e<strong>in</strong>e<br />
nachhaltigere Verteilung und Nutzung der Nahrungsmittel. „Bauer<br />
<strong>uns</strong>er“ ist e<strong>in</strong> Film, der Lust macht, dem Bauern ums Eck e<strong>in</strong>en<br />
Besuch abzustatten.<br />
Disruption<br />
Warum tun <strong>wir</strong> so wenig, wenn es um<br />
den Klimawandel geht, wenn <strong>wir</strong> so viel<br />
darüber wissen? Wir s<strong>in</strong>d die erste Generation,<br />
die die Aus<strong>wir</strong>kungen der Klimaunterbrechung<br />
spüren kann, und die<br />
letzte, die etwas dagegen unternehmen<br />
kann. Der Film vergrössert das Thema<br />
über die Klimaaus<strong>wir</strong>kung h<strong>in</strong>aus und<br />
macht e<strong>in</strong>e zw<strong>in</strong>gende Forderung nach<br />
kühner Aktion, die stark genug ist, den<br />
Ausschlag zu geben e<strong>in</strong>e saubere Energiezukunft aufzubauen.<br />
La Buena Vida<br />
„La Buena Vida – das gute Leben“<br />
erzählt die Geschichte der kolumbianischen<br />
Dorfgeme<strong>in</strong>schaft Tamaquito.<br />
Das Dorf lebt <strong>in</strong> den Wäldern im Norden<br />
Kolumbiens und die Natur gibt<br />
den Menschen dort alles, was sie zum<br />
Leben brauchen. Seit Jahrhunderten<br />
gehen sie <strong>in</strong> den Bergen auf die Jagd,<br />
sammeln Früchte und halten Hühner,<br />
Schafe und R<strong>in</strong>der. Doch die Lebensgrundlage<br />
der Geme<strong>in</strong>schaft <strong>wir</strong>d durch den Kohleabbau zerstört.<br />
Mit 700 Quadratkilometern ist es der größte Kohletagebau<br />
der Welt und breitet sich immer tiefer <strong>in</strong> die e<strong>in</strong>st unberührte<br />
Landschaft aus. Jairo Fuentes, der Anführer der Dorfgeme<strong>in</strong>schaft,<br />
ist entschlossen die gewaltsame Vertreibung se<strong>in</strong>er<br />
Geme<strong>in</strong>schaft zu verh<strong>in</strong>dern und beg<strong>in</strong>nt Verhandlungen mit<br />
den großen Rohstoffkonzernen.<br />
Jetzt neu im K<strong>in</strong>o! – Code of Survival<br />
Es ist die Geschichte vom Ende der<br />
Gentechnik. Millionen Tonnen von<br />
Monsantos Roundup, mit se<strong>in</strong>em<br />
Haupt<strong>wir</strong>kstoff Glyphosat, werden<br />
Jahr für Jahr weltweit auf Felder<br />
verteilt. Diese Giftwaffe <strong>wir</strong>d jedoch<br />
stumpf, denn die Natur bildet resistente<br />
Unkräuter, die nun e<strong>in</strong> Superwachstum<br />
an den Tag legen, das<br />
Nutzpflanzen überwuchert und abtötet.<br />
“Code of Survival” stellt als fast e<strong>in</strong>ziger Film die Themen<br />
Bodenfruchtbarkeit, biodynamische Land<strong>wir</strong>tschaft, lokale<br />
Wirtschaft und Unterstützung der Bevölkerung den Themen<br />
wie Bodenzerstörung, superresistente Unkräuter und Tierkrankheiten<br />
durch Gentech-Anbau gegenüber.<br />
Seed of Time<br />
Die Rettung des Saatguts hat begonnen.<br />
Saatgutbanken auf der ganzen<br />
Welt zerfallen, Missernten führen<br />
zu Hungersnöten und Unruhen und<br />
weltweit leiden Bauern unter den<br />
zunehmenden Aus<strong>wir</strong>kungen des<br />
Klimawandels. Bereits heute s<strong>in</strong>d<br />
Geme<strong>in</strong>schaften peruanischer Bauern<br />
von diesen Aus<strong>wir</strong>kungen betroffen.<br />
Sie versuchen verzweifelt, über 1500<br />
e<strong>in</strong>heimische Kartoffel-Sorten auf ihren Feldern zu erhalten.<br />
Ohne viel Zeit verlieren zu können, gehen die Bauern auf e<strong>in</strong>e<br />
passionierte und persönliche Reise, um diese e<strong>in</strong>e Ressource zu<br />
retten, ohne die <strong>wir</strong> nicht leben können: <strong>uns</strong>ere Samen.<br />
Weitere Informationen zu den Filmen auf www.FILMEfürdieERDE.org. Diese Website ist weltweit die grösste Übersicht zu Film<br />
und <strong>Nachhaltig</strong>keit, mit über 100 Filmen, die direkt onl<strong>in</strong>e angeschaut werden können.<br />
104 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>
MEDIENTIPPS | SERVICE<br />
Bücher<br />
Adolf Rötzel,<br />
Iris Rötzel-Schwunk<br />
Instandhaltung<br />
E<strong>in</strong>e betriebliche Herausforderung<br />
Die wachsenden strukturellen und<br />
technologischen Veränderungen der<br />
heutigen Industriebetriebe stellen<br />
immer höhere Anforderungen<br />
an die Instandhaltung. Ziel e<strong>in</strong>er<br />
optimierten Instandhaltung ist es,<br />
Personen- und Sachschäden zu<br />
verh<strong>in</strong>dern, den Nutzungsvorrat<br />
der Betriebsmittel, Masch<strong>in</strong>en und<br />
Anlagen zu erhalten und gleichzeitig deren Zuverlässigkeit unter <strong>wir</strong>tschaftlichen<br />
Gesichtspunkten dauerhaft zu gewährleisten. Das Fachbuch<br />
beschreibt Methoden, Techniken und Aufgaben der Instandhalter. Zahlreiche<br />
praktische Beispiele sowie Abbildungen und Tabellen runden das<br />
gelungene Nachschlagewerk ab.<br />
5. überarbeitete und erweiterte Auflage <strong>2017</strong><br />
380 Seiten, DIN A5, Feste<strong>in</strong>band, 49,- Euro<br />
ISBN 978-3-8007-4003-1<br />
www.vde-verlag.de/buecher/604003<br />
Bea Johnson<br />
Zero Waste Home – "Glücklich leben<br />
ohne Müll!“<br />
Reduziere de<strong>in</strong>en Müll und vere<strong>in</strong>fache<br />
de<strong>in</strong> Leben<br />
Bea Johnson erzählt <strong>in</strong> diesem Buch, wie<br />
sie ihr Leben vere<strong>in</strong>fachte, <strong>in</strong>dem sie ihren<br />
Müll zu Hause drastisch reduzierte. Heute<br />
produzieren Bea, ihr Ehemann und ihre<br />
zwei Söhne nur noch e<strong>in</strong> Glas voll Abfall<br />
im Jahr, und ihr Leben hat sich positiv<br />
verändert: Sie haben mehr Zeit zusammen,<br />
ihre jährlichen Ausgaben haben sich um<br />
bemerkenswerte 40 Prozent verr<strong>in</strong>gert, und sie s<strong>in</strong>d gesünder, als sie<br />
es je waren. Dieses Buch ist der ultimative Ratgeber für e<strong>in</strong>en neuen<br />
Lebensstil, der Stufe für Stufe zeigt, wie man durch das Reduzieren des<br />
Mülls se<strong>in</strong> Leben neu gestaltet und positiv verändert, se<strong>in</strong>e Gesundheit<br />
schützt, Geld spart und e<strong>in</strong>e bessere <strong>Zukunft</strong> für sich, se<strong>in</strong>e Familie und<br />
den gesamten Planeten schafft.<br />
Der Bestseller von Bea Johnson jetzt auch auf Deutsch!<br />
Broschur, 360 Seiten, 19,90 Euro<br />
ISBN: 978-3-86935-292-3, www.verlag-ludwig.de<br />
Hans-Hermann Albers, Felix Hartenste<strong>in</strong><br />
(Hrsg.)<br />
CSR und Stadtentwicklung<br />
Unternehmen als Partner für e<strong>in</strong>e nachhaltige<br />
Stadtentwicklung<br />
Dieses Buch zeigt auf, wie verschiedene<br />
Formen des unternehmerischen Engagements<br />
als bereichernde Komponenten <strong>in</strong><br />
die Stadtentwicklung e<strong>in</strong>fließen können.<br />
Es benennt die Potentiale und Chancen,<br />
die sich für Kommunen und die beteiligten<br />
Unternehmen durch die stadtbezogene<br />
Anwendung der Instrumente von Coporate<br />
Social Resonsibility und Corporate Citizenship eröffnen. Renommierte<br />
Experten aus Wissenschaft und Praxis stellen aktuelle CSR-Projekte und<br />
-Instrumente vor, die für e<strong>in</strong>e nachhaltige Stadtentwicklung e<strong>in</strong>gesetzt<br />
werden und analysieren deren Wirkungen auf Stadt- oder Quartiersebene.<br />
<strong>2017</strong>, ISBN 978-3-662-50312-6, 29,99 EUR, www.spr<strong>in</strong>ger.com<br />
Harald Lesch, Klaus Kamphausen<br />
Die Menschheit schafft sich ab<br />
Die Erde im Griff des Anthropozän<br />
Wir zerstören <strong>uns</strong>eren Planeten mit großer<br />
Geschw<strong>in</strong>digkeit. Wirtschaft, Wissenschaft<br />
und Technik haben die Erde fest im Griff. Sei<br />
es bei der Ausbeutung der Bodenschätze,<br />
bei der Erwärmung und Verpestung der<br />
Lufthülle oder der Verschmutzung der<br />
Weltmeere. Energiehunger und virtuelles<br />
Kapital treiben e<strong>in</strong>en zerstörerischen<br />
Kreislauf an. Schaffen <strong>wir</strong> <strong>uns</strong> selbst ab,<br />
wenn <strong>wir</strong> so weiter machen?<br />
Noch leben <strong>wir</strong> im Holozän, das vor ca. 11.700 Jahren mit der Erwärmung<br />
des Klimas begann. Seit e<strong>in</strong>igen Jahren erörtern Wissenschaftler allerd<strong>in</strong>gs<br />
die Frage, ob der E<strong>in</strong>griff des Menschen die Def<strong>in</strong>ition e<strong>in</strong>es neuen Zeitalters<br />
rechtfertigt. Geologen, Biologen, Meteorologen und Philosophen<br />
stellen die These auf, dass <strong>wir</strong> bereits im Menschzeitalter – dem sog.<br />
Anthropozän – angekommen s<strong>in</strong>d. E<strong>in</strong>es steht fest: Noch nie – außer bei<br />
Asteroidene<strong>in</strong>schlägen und Ausbrüchen von Supervulkanen – hat e<strong>in</strong> Ereignis<br />
das Leben auf dem Planeten Erde so stark bee<strong>in</strong>flusst wie der Mensch.<br />
511 Seiten, 29,95Euro, ISBN: 978-3-8312-0424-3, www.komplett-media.de<br />
Klaus-Michael Ahrend<br />
Geschäftsmodell <strong>Nachhaltig</strong>keit<br />
Ökologische und soziale Innova tionen als<br />
unternehmerische Chance<br />
Dieses Praxishandbuch vermittelt, neben<br />
den theoretischen Grundlagen für die Bewertung<br />
von <strong>Nachhaltig</strong>keit, e<strong>in</strong>e positive<br />
Haltung zu ökologischen und sozialen Geschäftsmodellen.<br />
<strong>Nachhaltig</strong>keit ist dabei<br />
mehr als e<strong>in</strong>e gesellschaftliche Anforderung<br />
oder e<strong>in</strong>e philanthropische Erwägung.<br />
Sie ist e<strong>in</strong>e unternehmerische Chance für<br />
Gründer und für etablierte Unternehmen.<br />
Für beide Zielgruppen stellt dieses Buch e<strong>in</strong>en <strong>in</strong>tegrierten Ansatz für die<br />
Entwicklung von nachhaltigen Geschäftsmodellen bei Neugründungen<br />
und bei etablierten Unternehmen zur Verfügung – mit rund 800 aktuellen<br />
Beispielen nachhaltiger Geschäftsmodelle aus verschiedenen Branchen.<br />
2016, ISBN 978-3-662-52879-2, 49,99 EUR, www.spr<strong>in</strong>ger.com<br />
Friedrich Schmidt-Bleek<br />
Die 10 Gebote der Ökologie<br />
Dicke Bücher über die Zerstörung <strong>uns</strong>erer<br />
Umwelt s<strong>in</strong>d genug geschrieben worden,<br />
doch be<strong>wir</strong>kt haben sie so gut wie nichts.<br />
Ungehemmt vergeuden <strong>wir</strong> natürliche<br />
Grundstoffe aller Art und konzentrieren<br />
zugleich alle Kraft darauf, die Erderwärmung<br />
zu stoppen – s<strong>in</strong>d aber bl<strong>in</strong>d für<br />
den großen Zusammenhang: Die e<strong>in</strong>seitige<br />
Fixierung auf die Treibhausgase verstellt<br />
<strong>uns</strong> den Blick für die dr<strong>in</strong>gend notwendige<br />
radikale Reduzierung des Rohstoffverbrauchs.<br />
Dabei ist e<strong>in</strong> <strong>in</strong>telligenter und <strong>wir</strong>klich nachhaltiger Umgang<br />
mit den Ressourcen <strong>uns</strong>eres Planeten längst möglich, sagt Friedrich<br />
Schmidt-Bleek, der große alte Mann der Umweltforschung. Soll ke<strong>in</strong>er<br />
behaupten, er habe nichts gewusst! Die 10 Gebote der Ökologie s<strong>in</strong>d 10<br />
e<strong>in</strong>fache und klare Regeln, die für alle gelten – für jeden E<strong>in</strong>zelnen wie<br />
für Wirtschaft und Politik. E<strong>in</strong>dr<strong>in</strong>glich und verständlich, <strong>in</strong> bestechender<br />
Logik und unabweisbarer Klarheit.<br />
2016, gebunden, 272 Seiten, ISBN: 978-3-453-28086-1, 19,99 Euro<br />
www.randomhouse.de<br />
www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />
Gedruckt auf Ste<strong>in</strong>beis Charisma Silk – hergestellt aus 100 % Altpapier, ausgezeichnet mit dem Blauen Engel. E<strong>in</strong> Produkt der Ste<strong>in</strong>beis Papier GmbH.<br />
105
SERVICE | TAGEN UND TOURISMUS<br />
Gut Sonnenhausen – historisches Ambiente mit fe<strong>in</strong>em Inhalt<br />
© Gut Sonnenhausen<br />
Nur 33 km südöstlich von München liegt e<strong>in</strong>e Oase der Ruhe,<br />
umgeben von <strong>Wie</strong>sen und Wäldern, die Berge zum Greifen nahe.<br />
Im Garten wachsen Obst, Gemüse und Kräuter, die <strong>in</strong> der biozertifizierten<br />
Küche erntefrisch verarbeitet werden. Der denkmalgeschützte<br />
Gutshof verzaubert mit se<strong>in</strong>em außergewöhnlich<br />
schönen Ambiente und der Nähe zu unverfälschter Natur. Aber<br />
er überrascht auch mit zeitgenössischer und provokativer K<strong>uns</strong>t,<br />
die für Georg Schweisfurth e<strong>in</strong>e tragende Rolle im Haus spielt.<br />
Was spricht gegen e<strong>in</strong> außergewöhnliches Zusammenspiel von<br />
Architektur, K<strong>uns</strong>t und Ökologie mit lässigem Touch, um erfolgreich<br />
zu tagen oder e<strong>in</strong> rundum gelungenes Fest auszurichten?<br />
Nichts! Gut Sonnenhausen bietet verschiedene Räumlichkeiten<br />
von 10 bis 400 Personen, Technik auf dem neuesten Stand, aufmerksamen<br />
Service, hervorragende Bio-Küche und 33 <strong>in</strong>dividuelle<br />
Gästezimmer für den erholsamen Schlaf. Zum kul<strong>in</strong>arischen<br />
Konzept gehört, dass die Lebensmittel ökologisch und zu e<strong>in</strong>em<br />
großen Teil <strong>in</strong> der eigenen Bio-Land<strong>wir</strong>tschaft erzeugt werden.<br />
Neben dem Restaurant ist mit dem neu eröffneten Kochstall e<strong>in</strong>e<br />
weitere Genuss Location <strong>in</strong> Sonnenhausen entstanden, die gerne<br />
auch für Teamevents und Kochworkshops genutzt <strong>wir</strong>d. Weitere<br />
Inspirationen f<strong>in</strong>den Sie auf der <strong>in</strong>formativen Homepage.<br />
www.sonnenhausen.de<br />
Das vitale (Natur)Paradies<br />
© Panorama-Landauer<br />
„Die Natur muss gefühlt werden“, zitierte der Naturforscher<br />
Alexander von Humboldt bereits vor Jahrhunderten. Wäre er<br />
heute zu Gast im Vitalen Landauerhof, so würde er sich verstanden<br />
fühlen. Idyllisch gelegen mit 1001 Möglichkeiten – so<br />
lässt sich der „Vitale Landauerhof“ im Naturparadies Untertal <strong>in</strong><br />
Schladm<strong>in</strong>g beschreiben. Beim Rundgang durch das großzügige<br />
Hotelareal gibt es E<strong>in</strong>iges zu entdecken. Vom Außenpool zum<br />
K<strong>in</strong>derspielplatz und den Sandtennisplätzen, über die große<br />
Liegewiese zum Fußballplatz, bis man schließlich am „Vitalplatz“<br />
landet. „E<strong>in</strong> ganz spezieller Ort, wo sich <strong>uns</strong>ere Gäste<br />
am Schnitzbaum verewigen können und die mystische Kraft der<br />
Energieste<strong>in</strong>e erleben“, erzählt die Familie Landauer.<br />
Tennisplatz, Bergerlebnis und Vital-Yoga<br />
Das Hotel bietet ideale Bed<strong>in</strong>gungen für e<strong>in</strong>en Urlaub mit<br />
der Familie oder Freunden unter dem Motto „Die Freiheit<br />
genießen, tun, worauf man Lust hat, und e<strong>in</strong>fach abschalten“.<br />
Wandern, Bergsteigen, Biken, Tennis... Das Aktiv-Angebot ist<br />
schier grenzenlos. Nach e<strong>in</strong>em Tag <strong>in</strong> der Natur geht’s zurück<br />
<strong>in</strong> den Wellness-Bereich mit verschiedenen Saunen, Dampfbad, Solarium und Infrarotkab<strong>in</strong>e. Die Wasserbettmassage und Magnetfeldliegen<br />
tun den strapazierten Muskeln gut, die Edelweiß-Öl–Massage oder e<strong>in</strong>e Gesichtsbehandlung mit der hauseigenen<br />
Naturkosmetik entspannen die Seele. Bei den „Entschleunigungstagen“ erleben die Gäste heilendes Vital-Yoga und <strong>in</strong>dividuelle<br />
Anwendungen aus der Traditionellen Tibetischen Mediz<strong>in</strong>. „Vom Bergwandern bis zum Yoga am Vitalplatz – hier bekomme ich, was<br />
das Herz begehrt“, schwärmt e<strong>in</strong> Stammgast. Der Vitale Landauerhof holt mit se<strong>in</strong>em Vital-Kul<strong>in</strong>arium die Natur auf den Teller: Das<br />
Küchenteam verwendet dazu regionale Zutaten und verfe<strong>in</strong>ert mit hochwertigen Kräutern aus dem eigenen Garten.<br />
www.landauer.cc<br />
106 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>
TAGEN UND TOURISMUS | SERVICE<br />
Hotel Congress Innsbruck: Die Komb<strong>in</strong>ation von Bus<strong>in</strong>ess, Sport und Kultur<br />
© Fotomanufaktur Gruenwald OG<br />
Wer bisher auf dem Weg Richtung Süden Innsbruck l<strong>in</strong>ks liegen gelassen hat, tut gut<br />
daran, zukünftig e<strong>in</strong>en Abstecher vorzunehmen. Wo sonst f<strong>in</strong>det man das Flair e<strong>in</strong>er<br />
modernen Stadt verbunden mit atemberaubender Bergkulisse, Kultur und unglaublichen<br />
Freizeitmöglichkeiten? Was bietet sich neben Urlaub mehr an, als hier Firmenevents<br />
durchzuführen? Das Austria Trend Hotel Congress bietet Rundumservice, e<strong>in</strong><br />
anspruchsvolles Restaurant, Wellness, Sem<strong>in</strong>arräume <strong>in</strong> verschiedenen Größen und<br />
das Kongresszentrum, wie auch die Bahn auf die Gipfel der Nordkette direkt vor der<br />
Hoteltüre. Auch <strong>Nachhaltig</strong>keit rückt <strong>in</strong> den Fokus: Hotelchef<strong>in</strong> Theresa Gollner be<strong>wir</strong>bt<br />
sich gegenwärtig um das Österreichische Umweltzeichen.<br />
www.austria-trend.at<br />
Foto: © www.biohotels.<strong>in</strong>fo/tannerhof<br />
BIO HOTELS – ganz.schön.bunt<br />
Wundern Sie sich ruhig! Bei <strong>uns</strong> geht vieles nicht den gewohnten Gang. Denn die<br />
mehr als 90 BIO HOTELS <strong>in</strong> vielen Ländern stehen für außergewöhnliche Wege. Die<br />
s<strong>in</strong>d manchmal schräg. H<strong>in</strong> und wieder anstrengend. Ab und zu ste<strong>in</strong>ig. Aber immer<br />
schön. E<strong>in</strong>drucksvoll. Meist spannend. Garantiert nachhaltig. Und auf alle Fälle:<br />
ganz. schön. bunt. Die BIO HOTELS s<strong>in</strong>d ke<strong>in</strong>e durchgestylte Hotelkette. Vielmehr<br />
s<strong>in</strong>d <strong>wir</strong> e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong> mit <strong>in</strong>dividuellen Mitgliedsbetrieben: jeder mit se<strong>in</strong>er speziellen<br />
Philosophie, se<strong>in</strong>en eigenen Ideen, se<strong>in</strong>er ganz besonderen Atmosphäre. Was <strong>uns</strong><br />
e<strong>in</strong>t, ist die Überzeugung für 100 Prozent Bio-Lebensmittel und e<strong>in</strong>e nachhaltige<br />
Lebensweise. Außerdem gehören Naturkosmetik und nachhaltiges Ressourcenmanagement<br />
zu den Standards aller Häuser. Wir alle wissen, dass <strong>wir</strong> nur im E<strong>in</strong>klang mit der Natur s<strong>in</strong>nvoll <strong>wir</strong>tschaften<br />
können; deshalb stärken <strong>wir</strong> regionale Kreisläufe und sorgen für faire Wertschöpfungsketten – das gilt ebenso für <strong>uns</strong>ere<br />
Bio-Bauern und Lieferanten wie für <strong>uns</strong>ere Mitarbeiter. Übrigens: Weltweit gibt es ke<strong>in</strong>e Hotel-Vere<strong>in</strong>igung, die im Bereich<br />
<strong>Nachhaltig</strong>keit strengere Regeln hat als die BIO HOTELS. All dies spürt der Gast, der <strong>in</strong> den BIO HOTELS Urlaub macht, feiert<br />
oder bei e<strong>in</strong>er Tagung arbeitet. Dabei ist jedes Hotel anders, so wie die Menschen, die es betreiben, oder der Ort, an dem es<br />
gebaut ist. Vielfältig s<strong>in</strong>d auch <strong>uns</strong>ere Gäste. Deshalb unterteilen <strong>wir</strong> <strong>uns</strong>ere Häuser <strong>in</strong> sieben Themenbereiche, von denen<br />
jedes Haus m<strong>in</strong>destens e<strong>in</strong>en oder eben mehrere abdeckt: Urlaub, Familie, Gesundheit, Wellness, Geschäftsreise, Tagung<br />
sowie Hochzeit und Feier.<br />
Charmante Familienbetriebe mit Charakter und regionalem Bezug unter: www.biohotels.<strong>in</strong>fo<br />
Das Weltnaturerbe Wattenmeer erleben<br />
Erleben Sie das Weltnaturerbe Wattenmeer auf der autofreien Nordsee<strong>in</strong>sel Juist,<br />
Gew<strong>in</strong>ner des Deutschen <strong>Nachhaltig</strong>keitspreises 2015 Kle<strong>in</strong>städte & Geme<strong>in</strong>den.<br />
Spazieren Sie bei e<strong>in</strong>er Wattführung über den Meeresboden und erfahren Sie die<br />
heilsame Wirkung des Watts bei e<strong>in</strong>er Nordseeschlickpackung.<br />
Preis: ab 524,00 € pro Person im DZ / ab 864,00 € für 2 Personen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er FeWo<br />
Weitere Informationen unter: http://bit.ly/2buuDcd<br />
Kurverwaltung Juist<br />
Tel. 04935 809810<br />
E-Mail zv@juist.de<br />
JUIS_4529_K26506_RZ_AZ_Wattenmeer_165x74.<strong>in</strong>dd 1 17.08.16 09:45<br />
www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />
107
SERVICE | EVENTS IN DER VORSCHAU<br />
Events für die große Transformation<br />
Die <strong>forum</strong> Event-Datenbank gibt e<strong>in</strong>e Übersicht wichtiger Events für den Wandel und <strong>wir</strong> empfehlen Ihnen daraus per<br />
Newsletter wöchentlich ausgewählte Veranstaltungen. Nutzen deshalb auch Sie <strong>uns</strong>er kostenloses Newsletter-Abo unter<br />
www.<strong>forum</strong>-csr.net. Nachfolgend f<strong>in</strong>den Sie e<strong>in</strong>e Auswahl besonders <strong>in</strong>teressanter Events und ab dieser Ausgabe ganz neu:<br />
Interviews mit den Machern von neuen oder außergewöhnlichen Veranstaltungen.<br />
Wir wünschen wertvolle Anregungen und Begegnungen und stehen für Fragen jederzeit gerne zur Verfügung.<br />
Wisdom together<br />
E<strong>in</strong>e neue Konferenzreihe mit dem Titel „Wisdom together“ startet im Juni <strong>in</strong> München. <strong>forum</strong> fragte den Initiator Alfred<br />
Tolle, welche Ziele er damit verfolgt und welche Zielgruppen er erreichen will.<br />
Herr Tolle, „Wisdom together“ – was bedeutet das für Sie?<br />
Wisdom together will e<strong>in</strong>e stabile Kultur aufbauen, die geprägt ist von Mite<strong>in</strong>ander,<br />
Vertrauen, Achtsamkeit, <strong>in</strong>neren Werten und e<strong>in</strong>er höheren Qualität von Innovationskompetenzen.<br />
Auf me<strong>in</strong>en Reisen durfte ich vielen Menschen begegnen,<br />
die e<strong>in</strong>en Weg des Herzens gehen. Diesen Weg möchte ich bekannt machen und<br />
damit <strong>in</strong>ternationale Netzwerke schaffen, die lokal <strong>wir</strong>ken. Lasst <strong>uns</strong> geme<strong>in</strong>sam<br />
die <strong>Zukunft</strong> gestalten und Weisheit leben – Wisdom together!<br />
<strong>Wie</strong> können <strong>wir</strong> <strong>Zukunft</strong> gestalten?<br />
Unser nächster Schritt ist die Konferenz <strong>in</strong> München. Wisdom together will Lust<br />
machen auf e<strong>in</strong>en Austausch, der zu <strong>in</strong>novativen Praxismodellen anspornt. E<strong>in</strong><br />
Beispiel: In Spanien wurde vor circa 60 Jahren e<strong>in</strong>e Kooperation namens Mondragon gegründet, um den Menschen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />
Gebiet mit hoher Arbeitslosigkeit e<strong>in</strong>e langfristige und feste Anstellung zu geben. Das Unternehmen ist mittlerweile die größte<br />
Genossenschaft und das siebtgrößte Unternehmen Spaniens. Mondragon hat ke<strong>in</strong>e Mitarbeiter entlassen, auch wenn die Arbeitsplätze<br />
zeitweise subventioniert werden mussten.<br />
Wer s<strong>in</strong>d Ihre Zielgruppen?<br />
• Neugierige und mutige Menschen<br />
• Aufmerksame, verantwortungsbewusste und soziale Menschen<br />
• Führungskräfte, die Intuition als Basis für Kreativität und Innovation verstehen<br />
• Entscheidungsträger und Multiplikatoren, die verstehen, dass Authentizität und Empathie wesentliche Kernkompetenzen<br />
für Erfolg und e<strong>in</strong> erfülltes Leben s<strong>in</strong>d<br />
Sie setzen bei der Konferenz <strong>in</strong> München auf das Thema Intuition. Was hat Intuition mit Wissen und Weisheit zu tun?<br />
Intuition ist der Schlüssel zur Kreativität und Kreativität ist die Grundlage für Wachstum und Erfolg im Leben. Große Teile <strong>uns</strong>eres<br />
Gehirns arbeiten unbewusst. Sich diese unerschlossene Intelligenz zunutze zu machen, ist e<strong>in</strong> wesentlicher Schlüssel für<br />
gute Entscheidungen. Während der Konferenz werden Sie Intuition erleben, Methoden lernen, Erfahrungen austauschen und<br />
Menschen aus der ganzen Welt begegnen.<br />
<strong>Wie</strong> muss sich die Wirtschaft weiterentwickeln, um „zukunftsfähig“ zu se<strong>in</strong>?<br />
Als Google Manager habe ich erlebt, dass sich viele junge Mitarbeiter an äußeren Vorbildern orientieren, statt ihr eigenes Potenzial<br />
zu erforschen und zu nutzen. Nobelpreis-Ideen s<strong>in</strong>d niemals am Computer entstanden. Die Kraft und das Potenzial trägt jeder<br />
Mensch <strong>in</strong> sich selbst. Es gilt, dieses Potenzial zu entdecken und <strong>in</strong> <strong>uns</strong>ere geme<strong>in</strong>same Weisheit e<strong>in</strong>zubr<strong>in</strong>gen.<br />
Was wünschen Sie sich für Ihre kommende Veranstaltung <strong>in</strong> München?<br />
Viele <strong>in</strong>teressierte und offene Menschen, die neugierig s<strong>in</strong>d, Gruppenweisheit erleben und erlernen möchten und<br />
ihre Erfahrungen gerne teilen. Wenn <strong>wir</strong> es schaffen, Menschen zu <strong>in</strong>spirieren und mitzunehmen, s<strong>in</strong>d <strong>wir</strong> erfolgreich.<br />
Herr Tolle, <strong>wir</strong> danken für das Gespräch und wünschen viel Erfolg mit Wisdom together.<br />
www.wisdomtogether.comw<br />
108 <strong>forum</strong> <strong>Nachhaltig</strong> <strong>Wirtschaften</strong>
EVENTS IN DER VORSCHAU | SERVICE<br />
6. und 7. Mai <strong>2017</strong>, Essen<br />
fairgoods & Veggienale<br />
Messen für <strong>Nachhaltig</strong>keit & den pflanzlichen<br />
Lebensstil<br />
Auf <strong>in</strong>s grüne Leben! <strong>Wie</strong> kann ich im<br />
Alltag nachhaltig leben und mich gesund<br />
vegan <strong>ernähren</strong>? Rund 60 Aussteller s<strong>in</strong>d<br />
am 6./7. Mai <strong>in</strong> Essen, der Grünen Hauptstadt<br />
Europas <strong>2017</strong> dabei. Im Herbst f<strong>in</strong>den<br />
die Messen auch <strong>in</strong> Ma<strong>in</strong>z, Hamburg<br />
und Köln statt.<br />
www.veggienale.de | www.fairgoods.<strong>in</strong>fo<br />
29. Mai <strong>2017</strong>, Berl<strong>in</strong><br />
17. Jahreskonferenz des Rates<br />
für <strong>Nachhaltig</strong>e Entwicklung<br />
wissen. wählen. wünschen.<br />
Viele Menschen, Verbände und Unternehmen<br />
arbeiten derzeit bereits daran,<br />
die <strong>in</strong> der Agenda 2030 formulierten<br />
globalen <strong>Nachhaltig</strong>keitsziele geme<strong>in</strong>sam<br />
umzusetzen. Sie setzen unterschiedliche<br />
Schwerpunkte. E<strong>in</strong> geme<strong>in</strong>samer Punkt<br />
dabei ist jedoch: <strong>Wie</strong> übersetzen <strong>wir</strong> Wissen<br />
<strong>in</strong>s Handeln, und mit welchen Visionen<br />
kommen <strong>wir</strong> geme<strong>in</strong>sam voran.<br />
www.nachhaltigkeitsrat.de/jahreskonferenz<br />
7. und 10. September <strong>2017</strong>, Dortmund<br />
FAIR FRIENDS<br />
Messe für nachhaltige Lebensstile, fairen<br />
Handel und gesellschaftliche Verantwortung<br />
Die FAIR FRIENDS ist die starke Kommunikationsplattform,<br />
um Kunden, Händler,<br />
Jung- und Kle<strong>in</strong>unternehmer, Hersteller,<br />
Produzenten und Verbände sowie Fachbesucher<br />
wie auch Konsumenten zur<br />
gleichen Zeit an e<strong>in</strong>em Ort zusammenzubr<strong>in</strong>gen.<br />
Sie schafft Awareness für<br />
nachhaltige Themen und präsentiert e<strong>in</strong>e<br />
große Auswahl an Produkten und Dienstleistungen,<br />
um fair, sozial und nachhaltig<br />
leben und arbeiten zu können.<br />
www.fair-friends.de<br />
17. und 18. Mai <strong>2017</strong>, Frankfurt am Ma<strong>in</strong><br />
# Erfolgsfaktor <strong>Nachhaltig</strong>keit<br />
B.A.U.M.-Jahrestagung und<br />
Preisverleihung <strong>2017</strong><br />
Erfolg durch <strong>Nachhaltig</strong>keit ist messbar.<br />
Diskutiert <strong>wir</strong>d, wie sich entsprechende<br />
Kennzahlen gew<strong>in</strong>nen lassen<br />
und wie sie dazu dienen können,<br />
<strong>Nachhaltig</strong>keitsstrate gien <strong>in</strong> Unternehmen<br />
zu untermauern. Dass <strong>Nachhaltig</strong>keit<br />
e<strong>in</strong> Erfolgsfaktor ist, zeigen auch <strong>in</strong><br />
diesem Jahr wieder die Preisträger des<br />
B.A.U.M.-Umweltpreises und des Internationalen<br />
B.A.U.M.-Sonder preises.<br />
www.baumev.de<br />
22. Mai <strong>2017</strong>, Berl<strong>in</strong><br />
Berl<strong>in</strong>er Forum <strong>2017</strong><br />
<strong>Nachhaltig</strong>keit 4.0 – Digitalisierung als<br />
Chance für die SDGs?<br />
Im Rahmen der 3. Auflage der Impulse<br />
für <strong>Nachhaltig</strong>keit – Berl<strong>in</strong>er Forum diskutieren<br />
hochrangige Redner aus Politik,<br />
Wirtschaft und Zivilgesellschaft, <strong>in</strong>wieweit<br />
die Wirtschaft – vor allem mit digitalen<br />
Lösungen – die Umsetzung der Agenda<br />
2030 beschleunigen kann.<br />
www.econsense.de/berl<strong>in</strong>er<strong>forum</strong><strong>2017</strong><br />
31. Mai bis 2. Juni <strong>2017</strong>, München<br />
ees Europe<br />
Europas größte Fachmesse für Batterien<br />
und Energiespeichersysteme<br />
Die ees Europe ist die größte und besucherstärkste<br />
Fachmesse für Batterien und<br />
Energiespeichersysteme <strong>in</strong> Europa. Mit der<br />
ees North America <strong>in</strong> San Francisco, der ees<br />
South America <strong>in</strong> Sao Paolo und der ees India<br />
<strong>in</strong> Mumbai ist die weltweite Messeserie<br />
auf <strong>in</strong>sgesamt vier Kont<strong>in</strong>enten vertreten.<br />
www.ees-europe.com<br />
WISDOM TOGETHER<br />
Geme<strong>in</strong>sam <strong>Zukunft</strong> gestalten.<br />
13. und 14. Juni <strong>2017</strong>, München<br />
WISDOM together Conference<br />
München <strong>2017</strong><br />
Intuition & Kreativität – für Unternehmen,<br />
Gesellschaft und Leben<br />
Entscheidungen treffen - <strong>Zukunft</strong> planen -<br />
auf aktuelle Herausforderungen reagieren.<br />
Intuition ist der Schlüssel zu Kreativität.<br />
Kreativität ist die Quelle für Wachstum und<br />
Erfolg. E<strong>in</strong>e Konferenz mit <strong>in</strong>ternationalen Pionieren<br />
aus Wissenschaft, Wirtschaft, K<strong>uns</strong>t<br />
und Kultur: Intuition erleben, Methoden<br />
kennen lernen, Erfahrungen austauschen.<br />
www.wisdomtogether.com<br />
9. und 10. September <strong>2017</strong>, Düsseldorf<br />
VeggieWorld & Heldenmarkt<br />
Die Messe für den pflanzlichen Lebensstil<br />
& die Messe für nachhaltigen Konsum<br />
Auf dem Heldenmarkt, Deutschlands<br />
führender Verbrauchermesse für nachhaltigen<br />
Konsum, präsentieren Aussteller<br />
ökologische und sozial verträgliche Alternativen<br />
zum konventionellen Angebot, die<br />
vor Ort (aus-)probiert und gekauft werden<br />
können. E<strong>in</strong> Rahmenprogramm aus Bühnenshows,<br />
Vorträgen und Mitmachaktionen<br />
runden das Angebot ab.<br />
www.heldenmarkt.de<br />
14. und 15. September <strong>2017</strong>, Bad Nauheim<br />
Deutscher Umwelt-Kongress<br />
<strong>2017</strong><br />
Das Fach<strong>forum</strong> für nachhaltigen Umweltschutz<br />
Es erwartet Sie erneut e<strong>in</strong> spannender<br />
Mix aus Praxis- und Fachwissen aus erster<br />
Hand. Das garantiert nicht zuletzt die<br />
hervorragende Expertise der Referenten.<br />
In 35 Vorträgen <strong>in</strong> 4 unterschiedlichen<br />
www.<strong>forum</strong>-csr.net<br />
109
SERVICE | EVENTS IN DER VORSCHAU<br />
Green World Tour<br />
Mit der Mission „<strong>Nachhaltig</strong>keit für alle“ startet e<strong>in</strong>e neue Messereihe im Oktober <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>.<br />
<strong>forum</strong> fragte den Initiator Michael Lülf, wie er se<strong>in</strong>e Mission erreichen will.<br />
Herr Lülf, woher stammt Ihre Motivation zur Gründung und Gestaltung e<strong>in</strong>er neuen Messereihe?<br />
Ich b<strong>in</strong> der Me<strong>in</strong>ung, dass <strong>Nachhaltig</strong>keit e<strong>in</strong> Ma<strong>in</strong>stream-Thema werden muss. <strong>Nachhaltig</strong>e<br />
Produkte, Dienstleistungen und Technologien führen <strong>in</strong> <strong>uns</strong>erer Gesellschaft noch zu oft e<strong>in</strong><br />
Nischendase<strong>in</strong>. Es <strong>wir</strong>d höchste Zeit, diese Nische zu verlassen, denn Engagement für mehr<br />
<strong>Nachhaltig</strong>keit betrifft jeden verantwortungsbewussten Bürger und Unternehmer. Unser Ziel ist<br />
es, entsprechenden Produkten und Dienstleistungen den Weg <strong>in</strong> den Ma<strong>in</strong>stream zu ebnen. Die<br />
Green World Tour Messen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> diesem Zusammenhang also ke<strong>in</strong>e weiteren Messen für die<br />
<strong>Nachhaltig</strong>keitsszene, sondern vielmehr Messen für die Mitte der Gesellschaft. <strong>Nachhaltig</strong>keit<br />
hat für <strong>uns</strong> mit positiven Werten wie Qualität, Unabhängigkeit, <strong>Zukunft</strong>sfähigkeit, Schönheit,<br />
Genuss, Vitalität, Komfortgew<strong>in</strong>n und Sicherheit zu tun. Diese Werte wollen <strong>wir</strong> zusammen mit<br />
<strong>uns</strong>eren Ausstellern vermitteln.<br />
Sie blicken auf 13 Jahre Geschäftsführung <strong>in</strong> der border concepts GmbH zurück, mit der Sie Bildungsmessen <strong>in</strong> Deutschland<br />
und Europa organisierten. Jetzt widmen Sie sich dem Thema <strong>Nachhaltig</strong>keit. Woher der Stimmungswandel?<br />
Für <strong>Nachhaltig</strong>keit und nachhaltige Produkte <strong>in</strong>teressiere und engagiere ich mich schon seit me<strong>in</strong>er Jugend, beispielsweise <strong>in</strong><br />
der Jugendgruppe des BUND <strong>in</strong> me<strong>in</strong>er Heimatgeme<strong>in</strong>de Havixbeck im Münsterland. Helden me<strong>in</strong>er Jugend waren die Regenbogenkämpfer<br />
von Greenpeace, die sich mit ihren Schlauchbooten den Walfängern und Atommüllschiffen <strong>in</strong> den Weg stellten.<br />
Nach e<strong>in</strong>er Berufsausbildung g<strong>in</strong>g‘s zum Studium der Verfahrenstechnik <strong>in</strong> die Niederlande. Allerd<strong>in</strong>gs änderte ich nach dem<br />
Grundstudium me<strong>in</strong>e Studienrichtung und schloss mit dem Unternehmerstudiengang „Small Bus<strong>in</strong>ess & Retail Management“ ab.<br />
Die Abschlussarbeit war zugleich der Bus<strong>in</strong>essplan für die border concepts GmbH, die ich mit zwei Kommilitonen 2003 gründete.<br />
Im neuen Start-up br<strong>in</strong>ge ich nun me<strong>in</strong>e berufliche Erfahrung als Unternehmer und Messeveranstalter mit der Passion für das<br />
Thema <strong>Nachhaltig</strong>keit zusammen.<br />
Was ist das Besondere an den Green World Tour Messen?<br />
Die Messen nutzen e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>novative Match<strong>in</strong>g-Technologie für Aussteller und Besucher. Damit kommen <strong>wir</strong> mit <strong>uns</strong>erem <strong>Nachhaltig</strong>keitsevent<br />
im digitalen Zeitalter an – verbunden mit dem Versprechen e<strong>in</strong>er hohen Wirksamkeit. Wir