25 Jahre Berliner Bäder-Betriebe
SO POOL IST NUR BERLIN: Die Berliner Bäder-Betriebe sind 25 Jahre alt geworden. Ein Grund die Menschen und die Bäder vorzustellen.
SO POOL IST NUR BERLIN:
Die Berliner Bäder-Betriebe sind 25 Jahre alt geworden.
Ein Grund die Menschen und die Bäder vorzustellen.
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LIEBE LESERIN,<br />
LIEBER LESER,<br />
Inhalt<br />
S<br />
chwimmbäder sind besondere Orte. Im Becken sind alle gleich. Statussymbole,<br />
wie Hubraum oder Geldbeutel – nichts von alledem spielt dort eine Rolle. Stattdessen<br />
sind sie Orte der Freiheit und Gleichberechtigung. Wo waren Frauen<br />
und Männer im damaligen Preußen erstmals gleichberechtigt? Beim Baden im<br />
Wannsee, 1907. Dies ist eine von vielen Geschichten, die das <strong>Berliner</strong> Badewesen<br />
bietet. Der Anlass, sie zusammenzutragen, ist erfreulich. Die <strong>Berliner</strong> <strong>Bäder</strong>-<br />
<strong>Betriebe</strong> sind <strong>25</strong> <strong>Jahre</strong> alt geworden. Sie sind ein junges Landesunternehmen, aber<br />
eines, das viele Geschichten erzählen kann. Die schönsten, interessantesten und aufschlussreichsten<br />
finden Sie hier versammelt.<br />
Es ist wunderbar zu lesen, wieviel Engagement und Leidenschaft mit den <strong>Berliner</strong> <strong>Bäder</strong>n<br />
verbunden ist. Von den Kolleginnen und Kollegen, die den Betrieb in den <strong>Bäder</strong>n<br />
tagtäglich am Laufen halten. Von den Kundinnen und Kunden, die emsig ihre Bahnen<br />
ziehen. Von den Vereinen, die mit ihren Mitgliedern trainieren. Und von allen, die den<br />
obligatorischen Schwimmunterricht organisieren.<br />
Die Schwimmbäder sind aber auch besondere Orte in ihrer Unterschiedlichkeit. Berlin<br />
hat große <strong>Bäder</strong>, wie die Schwimm- und Sprunghalle im Europasportpark, in der<br />
wichtige Meisterschaften und Wettbewerbe stattfinden. Und besonders kleine, wie das<br />
Kinderbad Platsch in Marzahn, wo unsere Jüngsten ihre ersten Erfahrungen mit dem<br />
Wasser machen.<br />
Die nächsten <strong>Jahre</strong> werden spannend. Die <strong>Berliner</strong> <strong>Bäder</strong>-<strong>Betriebe</strong> haben viel vor und<br />
müssen viel erreichen, damit die <strong>Bäder</strong> so attraktiv und beliebt bleiben, wie sie es in<br />
den letzten <strong>25</strong> <strong>Jahre</strong>n waren. Es werden neue Geschichten hinzukommen; einige davon<br />
werden hier bereits angerissen.<br />
Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre.<br />
Ihr<br />
DR. JOHANNES KLEINSORG<br />
Eine von uns<br />
Badleiterin Britta Wulf 2<br />
Wie alles begann<br />
Die Anfänge der BBB 5<br />
Ohne sie wären wir nicht(s) I<br />
Unsere Stammschwimmer 8<br />
Echte Hingucker<br />
Unsere schönsten <strong>Bäder</strong> 12<br />
Einer von uns<br />
Techniker Frank Fischer 18<br />
Berlin macht sich frei<br />
Die Geschichte des Badens 21<br />
Die BBB in Zahlen<br />
Fakten aus <strong>25</strong> <strong>Jahre</strong>n 24<br />
Große Erwartungen<br />
Die Vorstände der BBB 26<br />
Neue Arbeitsgrundlage<br />
Der <strong>Bäder</strong>vertrag 30<br />
Ohne sie wären wir nicht(s) II<br />
Unsere Schulkinder 31<br />
Verpachtete <strong>Bäder</strong><br />
Das Strandbad Orankesee 35<br />
Großer Auftritt<br />
Prominente Badegäste 38<br />
Fundsachen<br />
Was bei uns liegen bleibt 40<br />
Eine von uns<br />
Auszubildende Julie Amari 42<br />
Nicht kleckern – klotzen!<br />
Die <strong>Bäder</strong> als Baustelle 44<br />
Der große Überblick<br />
Alle <strong>Bäder</strong> auf einer Karte 48<br />
Eine von uns<br />
Kursleiterin Susanna Zischek 50<br />
Party am Pool<br />
Feiern und Feste in den <strong>Bäder</strong>n 52<br />
Eine von uns<br />
Anke Höppner, Kundenzentrum 56<br />
Jeder Baum hat eine Nummer<br />
Über die Pflanzen in den <strong>Bäder</strong>n 59<br />
Lass uns was einkaufen<br />
Einkaufbilanz eines <strong>Jahre</strong>s 62<br />
Ohne sie wären wir nicht(s) III<br />
Unsere Vereine 64<br />
Klamme Kassen<br />
Die <strong>Bäder</strong>schließungen 2002 68<br />
Tom Cruise im Stadtbad Neukölln<br />
Die <strong>Bäder</strong> als Kulissen<br />
für Film & Co 70<br />
Große Projekte, große Ideen<br />
Das bringen die nächsten <strong>Jahre</strong> 74<br />
Visionen für die Zukunft<br />
Die BBB machen sich fit 78<br />
Impressum 80<br />
Seite 1
Seite 2
Eine von uns:<br />
BRITTA WULF – LEITERIN KOMBIBAD MARIENDORF<br />
„EIN GUTES MITEIN-<br />
ANDER IST MIR SEHR<br />
WICHTIG. NUR WENN<br />
SICH ALLE WOHL-<br />
FÜHLEN, KOMMEN<br />
SIE AUCH GERNE ZUR<br />
ARBEIT.“<br />
D<br />
er Beruf wurde BRITTA WULF<br />
quasi in die Wiege gelegt: Ihr<br />
Vater war Schwimmmeister, ihre<br />
Mutter Schwimmlehrerin. Kein<br />
Wunder, dass Britta und ihre beiden<br />
Geschwister früh schwimmen lernten.<br />
Und die kleine Britta schien dafür ein<br />
besonderes Talent zu haben: Die damals<br />
Zweijährige brauchte nicht einmal 15<br />
Unterrichtsstunden, um schwimmen zu<br />
lernen – und bis heute ist sie dem Wasser<br />
immer noch treu: Britta Wulf, heute 52<br />
<strong>Jahre</strong> alt, ist Leiterin des Kombibades<br />
Mariendorf und damit eine von 40 Frauen<br />
und Männern bei den BBB, die ein Bad<br />
leiten.<br />
Mit neun <strong>Jahre</strong>n war sie eine der Schnellsten<br />
und wurde <strong>Berliner</strong> Jahrgangsmeisterin in<br />
200 m Freistil.<br />
Britta Wulf packt auch gerne selbst mit an: Neben ihren Verwaltungsaufgaben als Badleiterin führt sie<br />
auch mal mit Aufsicht am Beckenrand.<br />
Anfangs sah es allerdings eher nach<br />
einer sportlichen Karriere aus: Bereits<br />
mit drei <strong>Jahre</strong>n machte Britta Wulf ihren<br />
Fahrtenschwimmer, wozu unter anderem<br />
30 Minuten schwimmen in tiefem Wasser<br />
zählte. „An die Prüfung kann ich mich<br />
sogar noch erinnern“, erzählt sie, „allerdings<br />
vor allem, weil ich mich so dabei<br />
gelangweilt habe, ich sollte immer nur<br />
schwimmen und durfte nicht anhalten.“<br />
Sie habe während des Schwimmens<br />
nicht mal reden dürfen. „Und als ich es<br />
dann geschafft hatte, haben alle geklatscht<br />
– und ich habe nicht verstanden,<br />
warum die sich alle freuen.“ Britta Wulf<br />
war nicht nur früh dran, sondern auch<br />
eine der Schnellsten: Mit neun <strong>Jahre</strong>n<br />
wurde sie <strong>Berliner</strong> Jahrgangsmeisterin<br />
in 200 m Freistil. Bis zur Pubertät war<br />
sie erfolgreiche Leistungsschwimmerin,<br />
bis sie nach einer Erkrankung mit dem<br />
Schwimmsport aufhörte.<br />
Trotz ihrer Vorliebe für das Wasser hatte<br />
ihr erster Berufswunsch nichts damit zu<br />
tun. „Ursprünglich wollte ich Hundeführerin<br />
bei der Polizei werden“, erklärt sie.<br />
Aber für Frauen sei das damals schwierig<br />
gewesen, erst recht mit einem Schulabschluss<br />
mit 16 <strong>Jahre</strong>n. „Bei der Polizei<br />
konnte man damals erst mit 18 <strong>Jahre</strong>n<br />
eine Ausbildung starten“, sagt Britta Wulf.<br />
Also entschied sie sich 1985 zu einer<br />
Ausbildung zur Schwimmmeistergehilfin<br />
(heute Fachangestellte für <strong>Bäder</strong>betriebe).<br />
Hierfür kam ihr Schulabschluss gerade<br />
zur rechten Zeit, denn von den damals<br />
für die <strong>Bäder</strong> zuständigen Bezirksämtern<br />
wurde zu dieser Zeit nur alle drei <strong>Jahre</strong><br />
eine Berufsschulklasse gebildet. Letztlich<br />
sei das genau die richtige Entscheidung<br />
gewesen, sagt Britta Wulf. „Seitdem wollte<br />
ich nie wieder etwas anderes machen.“<br />
Schon in ihrer Ausbildung, die sie wegen<br />
sehr guter Leistungen schon nach zwei<br />
<strong>Jahre</strong>n abschließen konnte, lernte sie,<br />
sich als Frau in einer Männerdomäne<br />
durchzusetzen. Zunächst arbeitete sie im<br />
Stadtbad Tempelhof, dann im Kombibad<br />
Mariendorf. Anschließend bildete sie<br />
sich zur Geprüften Schwimmmeisterin<br />
weiter und eignete sich dabei auch das<br />
notwendige kaufmännische, arbeitsorganisatorische<br />
und technische Wissen an,<br />
um irgendwann ein Bad leiten zu können.<br />
Nach mehreren <strong>Jahre</strong>n als stellvertretende<br />
Badleiterin und Ausbilderin übernahm<br />
sie 2008 die Leitung des Kombibades<br />
Mariendorf.<br />
Seite 3
nutze beispielsweise den Schichtwechsel<br />
für Gespräche. Und auch als Badleiterin<br />
mache es ihr nichts aus, selbst mit anzupacken:<br />
Neben der Verwaltungsarbeit,<br />
der Personalplanung und der Kontrolle<br />
des Badbetriebes führt sie auch mal<br />
selbst mit Aufsicht am Beckenrand oder<br />
löst Konflikte mit Badegästen. „Ich sehe<br />
dabei nie auf die Uhr“, sagt sie von sich<br />
selbst, „wichtig ist, dass die Arbeit gemacht<br />
ist, erst dann kann ich beruhigt in<br />
den Feierabend gehen.“<br />
Im Kombibad Mariendorf, das mitten in<br />
einem Wohngebiet liegt, schwimmen<br />
vor allem viele Stammgäste aus der<br />
Umgebung; nach all den <strong>Jahre</strong>n im Bad<br />
kennt Britta Wulf viele beim Namen. Es<br />
Drei Auszubildende werden derzeit im<br />
Bad betreut. „Das hält jung“, meint Britta<br />
Wulf. Dadurch werde sie außerdem<br />
immer wieder in die Zeit zurückversetzt,<br />
als sie selbst ihre Ausbildungsjahre in<br />
diesem Bad absolviert hat.<br />
Während die <strong>Berliner</strong> <strong>Bäder</strong>-<strong>Betriebe</strong><br />
ihr <strong>25</strong>-jähriges Bestehen begehen, kann<br />
Britta Wulf ein 50-Jähriges feiern: So lange<br />
kann sie mittlerweile schwimmen. Die<br />
Entscheidung, in den <strong>Bäder</strong>n zu arbeiten,<br />
hat sie nie bereut: Die abwechslungsreiche<br />
Arbeit mit Menschen mache ihr nach<br />
wie vor großen Spaß, sagt sie. Besonders<br />
schön sei, dass sie seit geraumer Zeit<br />
neben dem Kombibad Mariendorf auch<br />
für das Stadtbad Tempelhof zuständig ist.<br />
Heute trägt sie Verantwortung für rund<br />
20 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter,<br />
von denen die meisten im Schichtdienst<br />
arbeiten, um die langen Öffnungszeiten<br />
des Bades abzudecken. Im Sommer,<br />
wenn die Schwimmhalle und das Sommerbad<br />
parallel geöffnet sind, sind es<br />
bis zu 28 Beschäftigte. „Wir haben hier<br />
im Bad ein wirklich gutes Miteinander<br />
in unserem Team“, sagt Britta Wulf. Das<br />
sei nicht immer so gewesen. Ihr sei eine<br />
gute Zusammenarbeit sehr wichtig, denn<br />
„nur, wenn sich alle wohlfühlen, kommen<br />
die Kolleginnen und Kollegen auch gerne<br />
und mit Freude zur Arbeit“. Deshalb<br />
nehme sie sich viel Zeit für ihr Team und<br />
Der Beruf wurde ihr quasi in die Wiege gelegt.<br />
Nachdem Britta Wulf mit nur zwei <strong>Jahre</strong>n<br />
schwimmen lernte, hat sie das Element Wasser<br />
nicht mehr losgelassen.<br />
gibt aber auch Kundinnen und Kunden,<br />
die gerne das 50-Meter-Becken in der<br />
Schwimmhalle und die geleinte Sportschwimmerbahn<br />
nutzen und dafür auch<br />
extra von weiter her anreisen. „Durch<br />
das große 50-Meter-Becken und das<br />
separate Lehrschwimmbecken haben wir<br />
den Vorteil, sowohl sportliches Schwimmen<br />
als auch Gesundheitsschwimmen<br />
anbieten zu können“, sagt Britta Wulf.<br />
Damit schließe sich ein Kreis für sie: In<br />
Tempelhof ist sie aufgewachsen, hier hat<br />
sie ihre Ausbildung gemacht, ihre ersten<br />
Berufsjahre als Schwimmmeistergehilfin<br />
absolviert, und hier hat sie selber Nachwuchskräfte<br />
ausgebildet. Und wie es sich<br />
gehört, haben auch ihre beiden Söhne<br />
schon früh – mit drei <strong>Jahre</strong>n – schwimmen<br />
gelernt. Das Talent liegt eben in der<br />
Familie.<br />
Seite 4
Wie alles BEGANN<br />
Wie in alten Zeiten: Dagmar Erbert (links) und Ines Blau vor dem Gebäude in Hohenschönhausen, in dem vor <strong>25</strong> <strong>Jahre</strong>n alles anfing.<br />
PIONIERARBEIT: DIE BERLINER BÄDER-BETRIEBE STARTETEN<br />
ZUNÄCHST ALS PROJEKTGRUPPE IN HOHENSCHÖNHAUSEN<br />
E<br />
in Schreibtisch, ein Stuhl, ein<br />
Telefon, mehr gab es nicht.“ DAG-<br />
MAR ERBERT muss heute noch<br />
lachen, wenn sie daran denkt,<br />
unter welchen Bedingungen sie<br />
in den Anfangszeiten der Gründung der<br />
<strong>Berliner</strong> <strong>Bäder</strong>-<strong>Betriebe</strong> (BBB) gearbeitet<br />
hat. Die heute 67-jährige Rentnerin war<br />
eine der ersten Mitarbeiterinnen in einer<br />
der neu gebildeten Regionalleitungen<br />
für die <strong>Bäder</strong>. „Das war richtige Pionierarbeit,“<br />
sagt auch INES BLAU, die heute<br />
als Teamleiterin in der Abteilung Recht<br />
und Grundstückswesen der BBB arbeitet.<br />
Die beiden späteren BBB-Mitarbeiterinnen<br />
wirkten in einer 1996 von der<br />
Senatsverwaltung für Schule, Berufsbildung<br />
und Sport geführten Projektgruppe<br />
mit, die schon einmal die Grundlagen für<br />
die Anstalt öffentlichen Rechts schaffte,<br />
bevor der erste Vorstand bestellt wurde.<br />
Sitz der Projektgruppe war ein Verwaltungsgebäude<br />
im Sportforum Hohenschönhausen.<br />
Bevor die BBB ihre Arbeit aufnahmen,<br />
war eine mehrjährige Vorbereitungsphase<br />
vorausgegangen. Bereits im März 1994<br />
hatte der Senat von Berlin beschlossen,<br />
dass eine Gesetzesvorlage für die Errichtung<br />
eines landeseigenen Unternehmens<br />
für den Betrieb der öffentlichen <strong>Bäder</strong> erstellt<br />
werden sollte. Die damals 77 <strong>Berliner</strong><br />
<strong>Bäder</strong>, die von 23 eigenverantwortlich<br />
agierenden <strong>Bäder</strong>ämtern innerhalb der<br />
Bezirke verwaltet wurden, sollten unter<br />
einer wirtschaftlich arbeitenden Dachinstitution<br />
zusammengefasst werden.<br />
Man wollte Synergien schaffen, Prozesse<br />
vereinheitlichen und Kosten senken, um<br />
dem immer weiter steigenden Zuschussbedarf<br />
der <strong>Bäder</strong> entgegenzuwirken.<br />
Ein gewisses Maß an Subventionen<br />
sollte jedoch beibehalten werden, um<br />
sicherzustellen, dass Schulen, Kitas und<br />
Vereine die <strong>Bäder</strong> weiter unentgeltlich<br />
nutzen konnten und gleichzeitig die<br />
Öffentlichkeit ein attraktives Angebot<br />
zu sozial verträglichen Preisen erhielt<br />
– eine große Herausforderung bei den<br />
stark sanierungsbedürftigen und meist<br />
rein funktionalen Sportbädern, die von<br />
einem attraktiven Angebot für die breite<br />
Öffentlichkeit oder gar Wellness-Oasen<br />
mit Spaßfaktor weit entfernt waren.<br />
Am <strong>25</strong>.September 1995, eineinhalb<br />
<strong>Jahre</strong> nach der ersten Idee, wurde das<br />
Gesetz zur Errichtung der „Anstalt<br />
öffentlichen Rechts <strong>Berliner</strong> <strong>Bäder</strong>-<strong>Betriebe</strong>“<br />
beschlossen. Vertreterinnen und<br />
Vertreter der Bezirke, der Senatsverwaltungen<br />
für Finanzen und Inneres, des<br />
Hauptpersonalrats und des Landessportbundes<br />
waren an der Entwicklung des<br />
Gesetzes beteiligt. Schließlich musste<br />
ein Vorhaben mit so großer Tragweite gut<br />
vorbereitet werden.<br />
Am 01.01.1996 sollte die Anstalt öffentlichen<br />
Rechts ihre Arbeit aufnehmen.<br />
Aber bis zur Bestellung eines Vorstandes<br />
dauerte es noch ein weiteres Jahr. Um<br />
die Verwaltung der <strong>Bäder</strong> schon einmal<br />
zusammenzuführen, die neue Struktur<br />
vorzubereiten und die ersten Synergien<br />
zu schaffen, gründete die Senatsverwaltung<br />
für Schule, Berufsbildung und Sport<br />
zunächst eine Projektgruppe. Die <strong>Bäder</strong><br />
wurden in vier, später in fünf Regionen<br />
aufgeteilt. Damit folgte die Gesetzesvorlage<br />
der Studie von einer Unternehmensberatung<br />
zum wirtschaftlichen Betreiben<br />
von <strong>Bäder</strong>n.<br />
Seite 5
Dagmar Erbert war von ihrer Arbeit im<br />
Sporthotel des Sportforums Hohenschönhausen<br />
abgezogen worden, um<br />
die Projektgruppe zu unterstützen.<br />
„Ursprünglich für drei Monate“, erzählt<br />
sie, „schließlich wurde ein ganzes Jahr<br />
daraus“.<br />
„Man kann sich heute gar nicht mehr vorstellen,<br />
wie wir damals gearbeitet haben“,<br />
sagt sie. Es habe keine Schreibmaschine,<br />
keine Rechenmaschinen, kein Faxgerät<br />
und schon gar keine Computer gegeben.<br />
Trotzdem musste jede Region die Verwaltungsaufgaben<br />
für die ihr zugeteilten<br />
<strong>Bäder</strong> erledigen. Alles wurde telefonisch<br />
und handschriftlich abgewickelt – ein un-<br />
glaublicher Arbeitsaufwand. Für allgemeinen<br />
Schriftverkehr konnte auf ein zentrales<br />
Schreibbüro der Senatsverwaltung<br />
zurückgegriffen werden. „Abends waren<br />
wir meistens fix und fertig“, erinnert sich<br />
Dagmar Erbert. Aber alle im Projektteam<br />
seien von einem Pioniergeist getragen<br />
worden. „Wir wollten gemeinsam etwas<br />
schaffen, etwas Neues aufbauen. Das<br />
tolle Miteinander hat uns für die Mühen<br />
entschädigt“, schwärmt sie.<br />
Auch Ines Blau hat gute Erinnerungen<br />
an die Anfangszeit der BBB. Sie arbeitete<br />
vor der Wende im Sportstättenbetrieb<br />
Berlin, wo zu DDR-Zeiten alle<br />
Sportstätten Ostberlins – inklusive der<br />
<strong>Bäder</strong> – zentral verwaltet wurden (im<br />
Gegensatz zur dezentralen Verwaltung<br />
durch die Bezirke in West-Berlin). „Im<br />
Prinzip war das bereits die Vorlage für<br />
die spätere Idee, die <strong>Bäder</strong> unter einer<br />
Führung zusammenzufassen“, erklärt<br />
Ines Blau. Nach der Wende wurde jedoch<br />
zunächst einmal auch im Ostteil Berlins<br />
die Verwaltungsstruktur aus dem Westteil<br />
übernommen: Die <strong>Bäder</strong> wurden den<br />
Bezirken zugeordnet und Ines Blau in<br />
die Senatssportverwaltung übernommen.<br />
Ihre Erfahrungen aus der zentralen<br />
Sportstättenverwaltung konnte sie in der<br />
Projektgruppe gut gebrauchen. Zu ihren<br />
Aufgaben gehörte es, alle Verträge, die<br />
das Land Berlin für die <strong>Bäder</strong> geschlossen<br />
hatte, auf die <strong>Berliner</strong> <strong>Bäder</strong>-<strong>Betriebe</strong><br />
überzuleiten und den Abschluss neuer<br />
Verträge zum Beispiel für Vermietungen<br />
und Verpachtungen vorzubereiten.<br />
„Wir waren ein bunt zusammengewürfelter<br />
Haufen“, erzählt sie. Beschäftigte<br />
aus der Senatssportverwaltung sowie<br />
Sporteinrichtungen seien extra für dieses<br />
Projekt zeitlich begrenzt von ihren Posten<br />
abgezogen und in die Projektgruppe abgeordnet<br />
worden. „Das Ziel, gemeinsam<br />
etwas aufzubauen, hat uns alle zusammengeschweißt“,<br />
erinnert auch sie sich.<br />
Die Schwimmhalle Helene-Weigel-Platz in Marzahn wurde 1986 in Betrieb genommen.<br />
Das Sommerbad Humboldthain befindet sich im gleichnamigen Volkspark in Wedding.<br />
„Das Schöne war“, sagt Dagmar Erbert,<br />
„dass sich wirklich alle einbringen<br />
konnten und auch angehört wurden,<br />
egal welche Position jemand innehatte.“<br />
Regelmäßig hätten sich morgens alle zusammengesetzt<br />
und ausgetauscht. Und<br />
anschließend seien die eingebrachten<br />
Ideen auch umgesetzt worden. „Eigentlich<br />
war die Arbeit der Projektgruppe das<br />
beste Beispiel für eine gute Zusammenarbeit<br />
über alle Abteilungen und alle<br />
Hierarchien hinweg“, meint Ines Blau.<br />
Nach und nach wurden durch die Senatsverwaltung<br />
die ersten Stellen für die BBB<br />
ausgeschrieben. So stieß auch Hans-Joachim<br />
Sell im Oktober 1996 zur Projektgruppe.<br />
Er hatte bereits als Vorstand<br />
eines Wilmersdorfer Schwimmvereins die<br />
Gründung der BBB seitens der Vereine<br />
begleitet. Als die Stelle einer Regionalleitung<br />
ausgeschrieben wurde, bewarb er<br />
sich. „Es wurden ausdrücklich Leute mit<br />
Erfahrung im kundenorientierten Arbeiten<br />
gesucht“, erzählt er. Und die habe er<br />
als Assistent der Geschäftsleitung eines<br />
Autohauses definitiv gehabt. Also legte er<br />
seine Vereinsämter nieder und übernahm<br />
die Leitung einer der fünf Regionen. „Ich<br />
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hatte das Glück, von meinem Vorgänger,<br />
der zu seinem Posten in der Senatsverwaltung<br />
zurückkehrte, eingearbeitet zu<br />
werden“, sagt Hans-Joachim Sell. „Für<br />
mich war es toll, mitzuerleben, wie eine<br />
Anstalt öffentlichen Rechts Schritt für<br />
Schritt entsteht, und selber daran mitzuwirken.“<br />
Die Struktur der Regionen war bereits<br />
aufgebaut. Die Aufgabe der Regionalleitungen<br />
bestand nun darin, ihre Abteilungen<br />
für die Verwaltung der <strong>Bäder</strong><br />
aufzubauen, die organisatorischen Abläufe<br />
zu vereinheitlichen und eine engere<br />
Zusammenarbeit zwischen den <strong>Bäder</strong>n<br />
zu koordinieren. „Dafür gab es in den<br />
jeweiligen Regionen regelmäßig Treffen<br />
mit allen Badleitungen. So konnten auch<br />
diese sich untereinander austauschen“,<br />
erzählt Hans-Joachim Sell.<br />
Der nächste Schritt war die Unterteilung<br />
der <strong>Bäder</strong> in drei Gruppen: reine Schulund<br />
Vereinsbäder, Öffentlichkeitsbäder<br />
mit möglichst einheitlichen Öffnungszeiten<br />
und sogenannte Mischbäder mit<br />
Parallelbetrieb aller drei Nutzergruppen.<br />
Dafür mussten die <strong>Bäder</strong> umstrukturiert<br />
und Personal umgesetzt werden. „Wir<br />
wollten alle etwas bewegen und dafür<br />
mussten wir die Badleitungen ins Boot<br />
holen“, erklärt er. Die meisten Badleitungen<br />
hätten jedoch selber Veränderungen<br />
gewollt und seien offen für die Neuerungen<br />
gewesen.<br />
Nach Auflösung der Projektgruppe und<br />
Start der Anstalt öffentlichen Rechts<br />
blieben einige aus dem Projektteam<br />
bei den BBB. So auch Ines Blau, die<br />
nach wie vor in der Abteilung Recht und<br />
Grundstückswesen über die vertraglichen<br />
Angelegenheiten der BBB wacht, und<br />
Regionalleiter Hans-Joachim Sell, bis er<br />
Ende 2014 in Rente ging. Andere kehrten<br />
an ihre ursprünglichen Arbeitsstellen<br />
zurück. Das tat zunächst auch Dagmar<br />
Erbert. Sie kam über Umwege zurück zu<br />
den BBB: Ein Jahr nach ihrer Rückkehr<br />
wurde das Sporthotel geschlossen und<br />
sie wechselte zum SEZ, das 1999 bei<br />
den BBB eingegliedert wurde. So kam<br />
sie wieder als Mitarbeiterin in eine der<br />
Regionalleitungen, wo sie schon bei der<br />
Projektgruppe gearbeitet hatte.<br />
Alle drei erinnern sich gerne an die<br />
Aufbruchsstimmung in den Anfängen<br />
der BBB und freuen sich, dass sie daran<br />
mitwirken konnten.<br />
In der Regie der Bezirke: Das Stadtbad Schöneberg (eine Aufnahme aus den 1950ern)<br />
wurde viele <strong>Jahre</strong> lang vom Sport- und <strong>Bäder</strong>amt Schöneberg geführt.<br />
KLEINE VERWALTUNGSGESCHICHTE<br />
DER BERLINER BÄDER<br />
Mit den <strong>Berliner</strong> <strong>Bäder</strong>-<strong>Betriebe</strong>n sind die meisten öffentlichen <strong>Bäder</strong> der<br />
Stadt erstmals unter einem Dach organisiert. Ausnahmen gibt es noch heute:<br />
Die <strong>Bäder</strong> im Freizeit- und Erholungszentrum (FEZ) oder im Freizeitforum<br />
Marzahn sind zwar kommunal, gehören aber nicht zu den BBB.<br />
Mit Gründung Berlins im Jahr 1920 waren die Bezirke der Stadt für den Betrieb<br />
der <strong>Bäder</strong> zuständig. Ausnahme: Das Strandbad Wannsee wurde von<br />
einer städtischen GmbH gemanagt. Mit dem Stadtamt für Leibesübungen<br />
z. B. gab es zumindest zeitweilig noch eine Oberhoheit des Magistrats.<br />
Nach Krieg und Teilung der Stadt unterschied sich auch die Verwaltung der<br />
<strong>Bäder</strong>. Im Westen waren weiterhin die Bezirke verantwortlich (die Wannsee-<br />
GmbH gab es nicht mehr), im Osten der Sportstättenbetrieb Berlin. Nach dem<br />
Fall der Mauer und der Wiederherstellung der Einheit kamen die <strong>Bäder</strong> in der<br />
ganzen Stadt in die Verwaltung der Bezirke. Auch gab es Ausnahmen: Das<br />
SEZ wurde von einer separaten Betriebsgesellschaft geführt.<br />
Nach dem Vorbild von Hamburg und anderen Großstädten sollten die <strong>Berliner</strong><br />
<strong>Bäder</strong> schließlich in eine eigene Betriebsgesellschaft überführt werden, die<br />
die <strong>Bäder</strong> der ganzen Stadt zentral führt. Die Debatten im Abgeordnetenhaus<br />
begannen 1994 und dauerten fast zwei <strong>Jahre</strong>.<br />
Zwingend wurde die Gründung einer Landesgesellschaft für die <strong>Bäder</strong> aus<br />
Sicht des Senats auch durch die immer schwieriger werdende Haushaltslage<br />
Berlins. Der landeseigenen Gesellschaft <strong>Berliner</strong> <strong>Bäder</strong>-<strong>Betriebe</strong> wurde der<br />
Auftrag, vor allem die Betriebskosten zu senken, in die Wiege gelegt.<br />
Eine Liste von 77 <strong>Bäder</strong>n umfasste das <strong>Bäder</strong>-Anstaltsgesetz, das die Rechtsgrundlage<br />
der BBB darstellt, in seiner ersten Fassung. Einige davon waren<br />
schon damals nicht mehr in einem betriebsfähigen Zustand: die Stadtbäder<br />
Lichtenberg und Prenzlauer Berg zum Beispiel.<br />
Seite 7
Ohne Sie wären wir nicht(s) – Teil I<br />
STAMM-BAD, STAMM-BAHN UND STAMM-<br />
GARDEROBENSCHRANK: DIE STAMMGÄSTE SIND<br />
DAS RÜCKGRAT DER BERLINER BÄDER<br />
D<br />
ie Nutzerinnen und Nutzer der<br />
<strong>Berliner</strong> <strong>Bäder</strong> lassen sich in drei<br />
Gruppen einteilen: Schulkinder,<br />
die wöchentlich zum Schwimmunterricht<br />
kommen; Vereinssportlerinnen<br />
und -sportler, die oft mehrmals<br />
wöchentlich in unseren Schwimmhallen<br />
trainieren, und die allgemeine Öffentlichkeit.<br />
Während die ersten beiden Gruppen<br />
die <strong>Bäder</strong> entgeltfrei nutzen können –<br />
das Land Berlin trägt die Kosten ihrer<br />
Nutzung zu 100 Prozent – ist die Öffentlichkeit<br />
sozusagen das Rückgrat der<br />
<strong>Bäder</strong>-<strong>Betriebe</strong>. Ohne ihre Eintrittsgelder<br />
und Kursgebühren könnten die BBB<br />
nicht existieren.<br />
Die Gruppe der Öffentlichkeit ist nicht<br />
homogen. Viele Gäste wollen sportlich<br />
schwimmen, andere mit Kindern<br />
Seite 8<br />
planschen oder sich erholen und wieder<br />
andere gemütlich baden und mit ihren<br />
Bekannten eine gute Zeit verbringen. Alle<br />
Altersgruppen gehören dazu. Vor den Beschränkungen<br />
infolge der Corona-Pandemie<br />
zählten die <strong>Berliner</strong> <strong>Bäder</strong> pro Jahr<br />
mehr als vier Millionen Besuche durch<br />
die allgemeine Öffentlichkeit. Im ersten<br />
Corona-Jahr 2020 waren es 1,9 Millionen<br />
Besuche.<br />
Viele dieser Kundinnen und Kunden<br />
sind außerordentlich treu. Sie kommen<br />
mehrfach pro Woche – einige sogar<br />
täglich. Sie haben Lieblingsbäder, die sie<br />
seit vielen <strong>Jahre</strong>n kennen, und reagieren<br />
auf Veränderungen sehr aufmerksam<br />
und nicht selten sehr kritisch. Drei dieser<br />
Stammgäste stellen wir auf den folgenden<br />
Seiten vor.<br />
Die persönlichen Gegenstände der<br />
Gäste liegen bevorzugt auf Bänken<br />
am Rand des Schwimmbeckens,<br />
Schuhe bleiben am Beckenrand<br />
stehen.
Ein schöner Start<br />
in den Tag<br />
GÜNTER SCHNEIDER ist schon als<br />
Kind gern geschwommen. Heute ist er<br />
66 <strong>Jahre</strong> alt und schwimmt seit seinem<br />
Ruhestand fast täglich. Das Kombibad<br />
Mariendorf ist sein morgendliches Ziel<br />
– im Winter noch vor Sonnenaufgang.<br />
„Ich bin ohnehin Frühaufsteher, das ist<br />
doch ein schöner Tagesanfang“, findet er.<br />
Weit hat es Schneider nicht. Er wohnt in<br />
Alt-Mariendorf und fährt mit dem Fahrrad<br />
nur wenige Minuten bis zum Bad.<br />
Genau eine halbe Stunde zieht Schneider<br />
seine Bahnen im Hallenbad am Ankogelweg,<br />
etwa 1.100 Meter schafft er in der<br />
Zeit. „Ich setze mich nicht unter Druck,<br />
das Schwimmen soll ja Spaß machen.<br />
Ich schwimme Rücken, Brust und Kraul.<br />
Je nach Tagesform mal langsamer, mal<br />
kräftiger. Schwimmen ist entspannend,<br />
meditativ, die Gedanken können schweifen“,<br />
so Schneider.<br />
Der Wahl-<strong>Berliner</strong> ist 1973 wegen seiner<br />
Fotografen-Ausbildung von Niedersachsen<br />
in die Mauerstadt gezogen. Weil<br />
Schneider als freiberuflicher Fotograf<br />
während des Berufslebens viel unterwegs<br />
war, konnte er sein Hobby nicht immer<br />
so pflegen wie jetzt. Die Regelmäßigkeit<br />
begann jedoch 1991, als Schneider einen<br />
Bandscheibenvorfall hatte. Sein Arzt<br />
habe ihm damals den Rat gegeben, so<br />
oft wie möglich schwimmen zu gehen. Es<br />
gebe nichts Besseres, um den Rücken zu<br />
stärken.<br />
„Schwimmen ist entspannend,<br />
meditativ,<br />
die Gedanken können<br />
schweifen.“<br />
Dass die Schwimmhallen wegen der<br />
Corona-Pandemie im Winter 20 / 21<br />
geschlossen waren, traf den leidenschaftlichen<br />
Schwimmer hart. „Zum Ausgleich<br />
bin ich sehr viel Rad gefahren, und zur<br />
Freude meiner Frau sind wir auch öfter<br />
spazieren gegangen“, erinnert er sich.<br />
An der frischen Luft ist Günter Schneider<br />
ohnehin gerne. Sobald die ersten Sommerbäder<br />
im Frühjahr öffnen, wechselt er<br />
ins Freie. Meistens zunächst zum Kreuzberger<br />
Prinzenbad, weil das Bad eines ist,<br />
das mit als erstes öffnet. Die längere Radstrecke<br />
mit etwa acht Kilometern nimmt<br />
er gern in Kauf. Doch sobald das Freibad<br />
am Ankogelweg mit seinem 50-Meter-Becken<br />
öffnet, wechselt er dorthin. „Die Anlage<br />
ist doch traumhaft. Hoffentlich bleibt<br />
sie uns nach dem geplanten Neubau der<br />
Schwimmhalle erhalten“, schwärmt er. So<br />
spricht ein echter Fan.<br />
Seit einem Bandscheibenvorfall vor<br />
30 <strong>Jahre</strong>n geht Günter Schneider<br />
regelmäßig schwimmen. Im Sommer<br />
radelt er ins Sommerbad Kreuzberg.<br />
Seite 9
Am liebsten in geleinten Bahnen<br />
„Yoga allein reicht nicht<br />
zum Runterkommen,<br />
beim Schwimmen geht<br />
das wie von selbst.“<br />
Ihr Stammbad ist das Stadtbad Schöneberg<br />
„Hans Rosenthal“ an der Hauptstraße.<br />
Besonders angetan haben es ihr<br />
die hohe Halle, die Solebecken und der<br />
Außenbereich mit dem Strömungskanal.<br />
Gern schwimmt sie auch im Wellenbad<br />
am Spreewaldplatz in Kreuzberg, wo es –<br />
anders als in Schöneberg – geleinte Bahnen<br />
gibt. 40 Bahnen Brustschwimmen,<br />
also 1.000 Meter, sind für Anna Cafetzakis<br />
Pflichtprogramm, 35 bis 40 Minuten<br />
braucht sie dafür. „Ich habe mich schon<br />
verbessert, bin schneller geworden“, freut<br />
sie sich. Die <strong>Bäder</strong>Card, die <strong>Jahre</strong>skarte<br />
der BBB, motiviere sie zusätzlich, regelmäßig<br />
schwimmen zu gehen. „Bewegung<br />
brauche ich“, sagt sie, denn ihre Arbeit im<br />
Modeatelier verrichte sie ausschließlich<br />
im Sitzen oder im Stehen.<br />
Eltern, ein griechisches Gastarbeiter-<br />
Paar, haben sich in Berlin kennengelernt,<br />
obwohl sie beide aus Kreta stammen.<br />
„Meine Mutter lebte in Kreta im Westen,<br />
mein Vater im Osten. Wenn sie ihre Insel<br />
nicht verlassen hätten, würde es mich<br />
nicht geben“, lacht sie. Ihre Wasserverbundenheit<br />
ist ihr wohl in die Wiege<br />
gelegt – auch im Namen ihres Mode-<br />
Labels „annAmare“ ist ihre Liebe zum<br />
Meer erkennbar.<br />
ANNA CAFETZAKIS muss gut organisiert<br />
sein: Sie führt am Kreuzberger<br />
Mehringdamm ein eigenes Atelier. Sie<br />
entwirft Kollektionen, schneidert oder<br />
wertet Kleidungsstücke auf, indem sie<br />
sie umarbeitet. Dazu kommen Kind und<br />
ein ebenfalls selbstständiger Mann – das<br />
hält auf Trab und lässt wenig Zeit für<br />
andere Beschäftigungen. Eines aber lässt<br />
sich Anna Cafetzakis nicht nehmen: möglichst<br />
dreimal die Woche zu schwimmen.<br />
„Schwimmen ist zum Stressabbau optimal.<br />
Man konzentriert sich auf die Bahn,<br />
taucht innerlich ab, fokussiert sich“, sagt<br />
die 52-Jährige. „Yoga allein reicht bei mir<br />
nicht zum Runterkommen, aber beim<br />
Schwimmen geht das wie von selbst.“<br />
Mit dem Fahrrad kommt die Kreuzbergerin<br />
schnell vom Bergmannkiez zum Stadtbad<br />
an der Hauptstraße. Zu Schöneberg<br />
hat sie ohnehin eine enge Beziehung.<br />
Dort verlebte sie ihre ersten fünf Lebensjahre<br />
und machte beim Lette Verein ihre<br />
Ausbildung zur Modedesignerin. Ihre<br />
Schwimmen ist für sie Ausgleich<br />
und Stressabbau: Drei Mal pro<br />
Woche zieht Anna Cafetzakis ihre<br />
Bahnen, am liebsten im Stadtbad<br />
Schöneberg.<br />
Seite 10
Ein Kampf gegen den inneren Schweinehund<br />
THILO MISCHKE hat ein spannendes,<br />
aber auch stressiges Berufsleben. Als<br />
Journalist und Dokumentarfilmer ist er<br />
oft im Ausland unterwegs, berichtet unter<br />
anderem aus Kriegs- und Krisengebieten.<br />
Zum Runterkommen geht der 40-jährige<br />
<strong>Berliner</strong> deshalb seit vier <strong>Jahre</strong>n regelmäßig<br />
schwimmen, möglichst dreimal die<br />
Woche.<br />
Sein Lieblingsbad ist die Schwimm- und<br />
Sprunghalle im Europasportpark (SSE) in<br />
Prenzlauer Berg. „Ein richtig cooles Bad.<br />
Modern, sauber und vor allem: Das Publikum<br />
ist gemischt. Hier schwimmen alle<br />
von jung bis alt, vom Leistungssportler<br />
bis zur bleiernen Ente“, sagt Mischke. Er<br />
selbst schwimmt alle Stile außer Schmetterling,<br />
also Brust, Kraul und Rücken,<br />
und das auch so kraftvoll, dass er in 40<br />
Minuten etwa zwei Kilometer schafft.<br />
Doch die Anzahl der Bahnen ist nicht die<br />
Hauptsache. „Es soll doch auch Spaß<br />
machen“, so Mischkes Devise.<br />
Thilo Mischke, der sich mit seiner Firma<br />
in Prenzlauer Berg angesiedelt hat, gefällt<br />
besonders gut, dass die Schwimmer<br />
und Schwimmerinnen in der SSE einen<br />
rücksichtsvollen Umgang miteinander<br />
pflegen. Letztlich aber unterschieden<br />
sich Schwimmhallen und Schwimmerlebnisse<br />
auf der ganzen Welt nicht<br />
allzu sehr: „Die Schwimmer sind auf der<br />
Suche nach Ruhe, auch nach innerer<br />
Ruhe, schwimmen ist wie Meditation. Das<br />
wird auf der ganzen Welt ähnlich wahrgenommen.<br />
Deshalb ist Schwimmen so<br />
beliebt und hält einen auch geistig fit“, ist<br />
Mischke überzeugt. Das sei in Bagdad,<br />
Tokio und Mexiko-Stadt genauso wie in<br />
Berlin, Prenzlauer Berg.<br />
Früher empfand er Schwimmen als<br />
freudlos, heute ist er mit großem<br />
Eifer dabei: Thilo Mischke schwimmt<br />
gern in der SSE in Prenzlauer Berg.<br />
„Schwimmer sind auf<br />
der Suche nach Ruhe.<br />
Das wird auf der ganzen<br />
Welt ähnlich wahrgenommen.“<br />
Als Kind hat er Sport als ziemlich freudlose<br />
Angelegenheit erlebt. Sein Sportlehrer<br />
in der Lichtenberger Grundschule habe<br />
ihm damals Schwimmen empfohlen.<br />
Aber Leistungsschwimmer zu werden,<br />
habe er abgelehnt, erinnert sich Mischke.<br />
Manchmal müsse er sich noch immer<br />
zwingen, zum Schwimmen zu gehen –<br />
auch wenn er sich hinterher sehr gut<br />
fühle: „Der innere Schweinehund ist bei<br />
dieser Sportart doch besonders groß. Der<br />
Weg dorthin, das Umziehen...“, da helfe<br />
es ihm, dass ein alter Schulfreund zweimal<br />
die Woche mitmache.<br />
Seite 11
Echte Hingucker<br />
KEINE STADT HAT SO VIELE DENKMAL-<br />
GESCHÜTZTE BÄDER WIE BERLIN. ABER AUCH<br />
OHNE DIESES SIEGEL GIBT ES ECHTE PERLEN<br />
D<br />
ie <strong>Berliner</strong> <strong>Bäder</strong>-<strong>Betriebe</strong> sind<br />
Europas größter kommunaler<br />
Badbetreiber: 60 <strong>Bäder</strong> liegen in<br />
unserer Verantwortung, und der<br />
größte Teil von ihnen – genau<br />
37 – sind Hallenbäder. Das älteste dieser<br />
<strong>Bäder</strong> ist das STADTBAD CHARLOT-<br />
TENBURG, die Alte Halle, die bereits<br />
1899 ihren Betrieb aufnahm, also vor<br />
mehr als 120 <strong>Jahre</strong>n. Etliche andere Bä-<br />
der entstanden zu Beginn des 20. Jahrhunderts,<br />
viele allerdings auch nach dem<br />
Zweiten Weltkrieg. Wer einen Blick hat<br />
für Architektur und für Stile, wer Details<br />
liebt und Einzigartiges, wird überall etwas<br />
Besonderes entdecken.<br />
Einige unserer <strong>Bäder</strong> sind echte Highlights:<br />
Auf den kommenden Seiten zeigen<br />
wir einige unserer schönsten.<br />
Seite 12
Schwimmhalle<br />
Finckensteinallee<br />
Die Elitäre<br />
Die SCHWIMMHALLE FINCKEN-<br />
STEINALLEE in Lichterfelde wurde<br />
1938 von den Nazis als modernstes<br />
Bad Europas gebaut: Während der<br />
NS-Zeit stand sie nur Hitlers Leibstandarte<br />
zur Verfügung. Nach dem<br />
Krieg nutzten die Amerikanischen<br />
Alliierten die Halle bis 1994, dann<br />
ging sie in den Besitz des Bezirks<br />
Steglitz über. Zunächst fand dort nur<br />
Schulschwimmen statt. Ab 2006<br />
wurde sie umfassend saniert, seit<br />
2014 ist sie für alle nutzbar.<br />
Seite 13
Schwimmhalle<br />
Buch<br />
Die Farbenfrohe<br />
Die SCHWIMMHALLE BUCH im<br />
Nordosten Berlins ist ein Paradebeispiel<br />
dafür, was eine Sanierung<br />
leisten kann: In nur 18 Monaten<br />
wurde 2019/20 aus einer kühl gestalteten<br />
DDR-Volksschwimmhalle<br />
ein farbenfroher Hingucker, der die<br />
Farben aus dem Fliesenmosaik in<br />
der Schwimmhalle aufgreift. Die<br />
Halle war die letzte, die noch in der<br />
DDR konzipiert und geplant wurde,<br />
sie war 1991 eröffnet worden – also<br />
nach der Deutschen Einheit.<br />
Seite 14
Stadtbad<br />
Mitte<br />
Das Große<br />
Erbaut bis 1930, zeugt das lichtdurchflutete<br />
STADTBAD MITTE<br />
mit seinem 50-Meter-Becken von<br />
den Bemühungen des damaligen<br />
<strong>Berliner</strong> Magistrats, etwas für die<br />
Gesundheit der <strong>Berliner</strong> zu tun. Trotz<br />
eines Bombenschadens konnte das<br />
Bad nach dem Zweiten Weltkrieg<br />
schnell wieder öffnen; 1993 wurde<br />
es von Grund auf saniert. Der Namenszusatz<br />
James Simon erinnert<br />
an den <strong>Berliner</strong> Mäzen, der 1888<br />
den Vorgängerbau gestiftet hatte.<br />
Seite 15
Stadtbad<br />
Neukölln<br />
Das Antike<br />
Nach Geschlechtern getrennt badeten<br />
Männer und Frauen ab 1914<br />
im STADTBAD NEUKÖLLN. Die<br />
Architekten des neoklassizistischen<br />
Baus mit zwei opulenten Schwimmhallen<br />
hatten sich bei der Planung<br />
an römischen Thermen orientiert;<br />
noch heute ist das Bad mit seinen<br />
Wandelgängen, Säulen und Mosaiken<br />
eines der ungewöhnlichsten<br />
Deutschlands. 2009 wurde das Bad<br />
saniert und auch der Saunabereich<br />
instandgesetzt.<br />
Seite 16
Stadtbad<br />
Spandau Nord<br />
Das Kleine<br />
Mit 112 <strong>Jahre</strong>n ist das STADTBAD<br />
SPANDAU NORD nach dem Stadtbad<br />
Charlottenburg Berlins zweitältestes<br />
noch genutztes Hallenbad.<br />
Mit einer Besonderheit: Das Becken<br />
ist 27 Meter lang. Bei der Inbetriebnahme<br />
1910 war das allerdings<br />
nichts Ungewöhnliches. Damals gab<br />
es weder Streckenschwimmen noch<br />
einheitliche Schwimmbecken-Längen.<br />
Während andernorts bei Sanierungen<br />
das Maß angepasst wurde,<br />
geschah das in Spandau nicht.<br />
Seite 17
Seite 18
EINER VON UNS: FRANK FISCHER –<br />
TECHNIKER IM STADTBAD NEUKÖLLN<br />
SEIT 23 JAHREN<br />
WACHT ER HINTER<br />
DEN KULISSEN ÜBER<br />
DIE TECHNISCHEN<br />
ANLAGEN IN EINEM<br />
DER ÄLTESTEN BÄDER<br />
BERLINS<br />
F<br />
RANK FISCHER ist zurück von<br />
seinem morgendlichen Rundgang<br />
durch die Technik im Keller des<br />
Stadtbades Neukölln. Gerade hat<br />
er die Wasserwerte gemessen und<br />
stellt seine Lampe und seinen Messkoffer<br />
wieder in der Werkstatt ab.<br />
Wenn er Frühdienst hat, beginnt sein<br />
Dienst um 7 Uhr. Noch bevor die große<br />
Halle des Bades für das Schulschwimmen<br />
geöffnet wird und die ersten Schulklassen<br />
kommen, muss geprüft werden, ob alles im<br />
grünen Bereich ist. Als erstes werden an<br />
den jeweiligen Messstellen für die beiden<br />
Schwimmbecken und die Sauna im Keller<br />
der Chlor-, der pH- und der Ozonwert des<br />
Beckenwassers gemessen. Anschließend<br />
geht der Kontrollgang weiter durch die<br />
technischen Anlagen, um sicherzustellen,<br />
dass Lüftung, Umwälzung, Filteranlage<br />
und Heizung reibungslos funktionieren.<br />
Schließlich werden auch noch die beiden<br />
Schwimmhallen und die Sauna überprüft.<br />
„Mit dem kompletten Rundgang ist man<br />
morgens schon gut zwei Stunden beschäftigt“,<br />
sagt Frank Fischer.<br />
In seinem Büro steht auch ein Computer.<br />
„Das ist die computergesteuerte Gebäudeleittechnik“,<br />
erklärt er. „Auch hier kann<br />
ich die Werte im Auge behalten. Aber das<br />
System sei noch im Aufbau und noch<br />
sind die Rückmeldungen am Computer<br />
nicht immer verlässlich.<br />
Frank Fischer bei der Arbeit im Keller des Stadbades Neukölln.<br />
unterstand zu DDR-Zeiten als Elitesportstätte<br />
direkt dem Ministerium des Innern<br />
und suchte für die Besetzung freier Stellen<br />
nach Polizei- und Armeemitarbeitern.<br />
Zuvor hatte der gebürtige Stralsunder<br />
nach dem Abitur eine Ausbildung zum Instandhaltungsmechaniker<br />
für Land- und<br />
Baumaschinen absolviert. „Zu diesem<br />
Beruf bin ich gekommen wie die Jungfrau<br />
zum Kind“, erzählt Frank Fischer. Er<br />
wollte nach dem Abitur nicht studieren,<br />
sondern lieber einen Lehrberuf erlernen.<br />
„Da habe ich einfach das genommen,<br />
was gerade frei war“, sagt er.<br />
der Armeezeit waren die Berufsaussichten<br />
in Stralsund nicht so gut und so<br />
folgte er der Einladung nach Berlin, wo er<br />
1986 mit <strong>25</strong> <strong>Jahre</strong>n als Techniker in der<br />
Schwimmhalle des Sportforums Hohenschönhausen<br />
anfing.<br />
Mit der Überleitung der <strong>Bäder</strong> zu den<br />
<strong>Berliner</strong> <strong>Bäder</strong>-<strong>Betriebe</strong>n 1996 wechselte<br />
Frank Fischer in das Sommerbad<br />
Neukölln. Und seit 1998 ist er zusammen<br />
mit zwei Kollegen sowohl für das Stadtbad<br />
als auch für das Sommerbad Neukölln<br />
zuständig. Die computergesteuerte<br />
„Das ist ein altes Schwimmbad, es wurde<br />
1914 gebaut. Hier ist in der Technik einiges<br />
sehr spezifisch und auch umständlicher als<br />
in moderneren <strong>Bäder</strong>n.“<br />
Frank Fischer arbeitet seit 1986 als<br />
Schwimmbadtechniker. Damals kam er<br />
nach seinem Dienst bei der Marine auf<br />
Einladung des Sportforums Hohenschönhausen<br />
nach Berlin. Das Sportforum<br />
Nach der Ausbildung ging er für vier <strong>Jahre</strong><br />
zur Marine. „Ich dachte, das kann ich<br />
eventuell als Sprungbrett zur Handelsmarine<br />
oder zur Fischereiflotte nutzen“,<br />
erinnert sich Frank Fischer. Doch nach<br />
Gebäudeleittechnik wurde 1998 / 1999<br />
eingebaut. Es war eine Maßnahme, um<br />
die Technik zu modernisieren und die Abläufe<br />
in den <strong>Bäder</strong>n zu vereinheitlichen.<br />
Vorher wurde alles komplett manuell<br />
Seite 19
gemacht. Frank Fischer macht es deshalb<br />
nichts aus, die technischen Anlagen<br />
täglich persönlich in seinen Rundgängen<br />
zu überprüfen.<br />
„Das wichtigste Gerät in meinem Büro<br />
ist das Chlorgas-Warngerät“, erklärt er.<br />
Die Chlorgaswerte müssen immer überwacht<br />
werden. Wenn hier zu hohe Werte<br />
angezeigt werden, bedeutet das, dass es<br />
irgendwo in der Anlage einen Defekt gibt<br />
und womöglich Chlorgas austritt. Dann<br />
muss die zuständige Dienstleistungsfirma<br />
geholt werden, die den Defekt repariert.<br />
Die Fachangestellten, die in der Schwimmhalle<br />
die Aufsicht führen, können im<br />
Schwimmmeisterraum die Chlorgaswerte<br />
ebenfalls auf einem Monitor beobachten,<br />
falls mal kein Techniker da ist.<br />
Auch die Ozonwerte<br />
müssen regelmäßig<br />
überprüft werden.<br />
In Zukunft sei ohnehin geplant, die<br />
Badtechnik ausschließlich über die<br />
Gebäudeleittechnik in einer Zentrale in<br />
der Technikabteilung der Verwaltung der<br />
BBB zu überprüfen, statt in jedem Bad<br />
eigene Techniker zu beschäftigen, erzählt<br />
Frank Fischer. Dafür werden die Fachangestellten<br />
für <strong>Bäder</strong>betriebe in ihrer Ausbildung<br />
auch in der Schwimmbadtechnik<br />
geschult, so dass sie die Kontrollen mit<br />
übernehmen könnten. Die Techniker und<br />
Technikerinnen sollen dann als Teams<br />
mehrere Standorte betreuen. „Wir Techniker,<br />
die fest in einem Bad arbeiten, sind<br />
also eine aussterbende Spezies“, sagt<br />
Frank Fischer etwas wehmütig.<br />
Aber noch gibt es im Stadtbad Neukölln<br />
drei Techniker, die in Schichten arbeiten,<br />
so dass während der Öffnungszeit von<br />
8 Uhr bis 22 Uhr immer ein Techniker<br />
vor Ort ist. „Das ist ja auch ein altes<br />
Schwimmbad, es wurde 1914 gebaut“,<br />
erzählt er. „Hier ist in der Technik einiges<br />
sehr spezifisch und auch umständlicher<br />
als in moderneren <strong>Bäder</strong>n.“ Aber das<br />
mache seine Arbeit abwechslungsreich.<br />
Auch im Keller, wo die technischen Anlagen<br />
sind, zeigt sich das Alter des Bades.<br />
Hier ist alles sehr eng und zum Teil so<br />
niedrig, dass Frank Fischer sich auf seinen<br />
Kontrollgängen bücken muss.<br />
Zu seiner Arbeit im Bad gehören auch<br />
kleinere Reparaturen. Für größere werden<br />
Fremdfirmen beauftragt. Seine Entscheidung,<br />
als Techniker im Schwimmbad zu<br />
arbeiten bereut er nicht. „Ich möchte<br />
nichts anderes mehr machen“, sagt er.<br />
In seiner Freizeit schwimmt er regelmäßig<br />
im Stadtbad oder im Sommerbad<br />
Neukölln „Ich schwimme dann so meine<br />
1.000 Meter, um mich auf das Sundschwimmen<br />
vorzubereiten“, verrät Frank<br />
Fischer. An dem jährlich im Juli stattfindenden<br />
Sundschwimmen, bei dem eine<br />
2,3 km lange Strecke von Rügen nach<br />
Stralsund geschwommen wird, habe er in<br />
jungen <strong>Jahre</strong>n schon mal teilgenommen.<br />
Vor sechs <strong>Jahre</strong>n habe seine Schwester<br />
dann die Teilnahme quasi als Familienevent<br />
wieder ins Leben gerufen. Seitdem<br />
schwimmt Frank Fischer zusammen<br />
mit seinen beiden Geschwistern wieder<br />
regelmäßig bei dieser Veranstaltung mit.<br />
Zum Teil sind die Gänge im Keller so niedrig, dass man sich bücken muss.<br />
Seite 20
Berlin macht sich frei<br />
REVOLUTIONÄR UND BIEDER, STEIF UND<br />
SPASSIG: DIE BÄDERGESCHICHTE BERLINS<br />
IST SO VIELFÄLTIG WIE DIE STADT SELBST<br />
A<br />
m Anfang waren Keime. „Unzählbare<br />
Keime von ungeahnter<br />
Bösartigkeit“, schrieb Oscar<br />
Lassar 1889. Sie „schmarotzen<br />
auf unserem eigenen Leibe.“ Der<br />
Hygieniker und Dermatologe arbeitete an<br />
der Charité. Und wie kein anderer seiner<br />
Zunft trat er für ein Gegenmittel ein, das<br />
den meisten Menschen damals verwehrt<br />
war: baden. „Jedem Deutschen wöchentlich<br />
ein Bad“, postulierte Lassar und<br />
machte sich mit dieser Losung zu einem<br />
Vorreiter des öffentlichen Badewesens.<br />
Der Erfinder des öffentlichen Badens<br />
war er natürlich nicht: Bereits zu Beginn<br />
des 19. Jahrhunderts begab sich Friedrich<br />
Karl Friesen mit seinen sportlichen<br />
Recken wagemutig in die Spree. Am<br />
Unterbaum, unweit der Stelle, an der<br />
heute der Reichstag steht, führte er<br />
etwas vor, dass sich „Wasserturnen“<br />
nannte. Heute heißt das Schwimmen.<br />
Damals war es zu exotisch für die breite<br />
Masse der Bevölkerung. Wenig später<br />
errichtete General Ernst von Pfuel 1817<br />
eine Militär-Schwimmanstalt in der<br />
Spree, damit seine Soldaten, allesamt<br />
Nichtschwimmer, nicht mehr jämmerlich<br />
im Kriegsgeschehen starben, nur weil sie<br />
einen Fluss durchqueren mussten und<br />
dabei ertranken.<br />
Aber auch die ein- oder andere Badegelegenheit,<br />
wie das Welpersche Badeschiff<br />
zum Beispiel, das seiner Kundschaft in<br />
der Innenstadt ein Bad im Fluss ermöglichte,<br />
konnten nicht darüber hinwegtäuschen:<br />
Berlin hatte die gleichen Probleme<br />
wie alle großen Städte am Ende des<br />
19. Jahrhunderts. Die Menschen litten<br />
unter der mangelnden Hygiene, vor allem<br />
Ganz oben: Faszination Freibad. Heinrich Zille<br />
malte diese Szene vom Strandbad Wannsee.<br />
Auf einmal war möglich, was bisher undenkbar<br />
war: Alle gehen gleichzeitig und gemeinsam<br />
baden.<br />
Oben: Oscar Lassar war nicht nur engagierter<br />
Dermatologe, sondern auch ein Pionier des<br />
Volksbadewesens.<br />
Seite 21
jene, die in ebenso ärmlichen wie engen<br />
Behausungen lebten: die Arbeiter und<br />
ihre Familien.<br />
Anders als andere Städte verstand Berlin<br />
das Baden lange nicht als kommunalen<br />
Versorgungsauftrag. Die Stadt überließ<br />
die Aufgabe den Besitzern privater<br />
Badeanstalten und Flussbädern, doch<br />
deren Dienstleistungen konnten sich nur<br />
wenige leisten. Oscar Lassar sah die Not<br />
und fand mit seinen Streitern im von ihm<br />
gegründeten „Verein für Volksbäder“ eine<br />
praktikable Lösung: das Volksbrausebad.<br />
Das war eine einfache Wellblechkonstruktion<br />
mit Douchen, wie Duschen<br />
damals geschrieben wurden. Die „Volksbrause“<br />
präsentierte Lassar auf der<br />
<strong>Berliner</strong> Hygieneausstellung 1883. Nach<br />
diesem Vorbild errichtete der Verein zwei<br />
weitere <strong>Bäder</strong> in massiver Bauweise.<br />
Eines davon entstand an der Gartenstraße<br />
in Mitte.<br />
1892 zog der <strong>Berliner</strong> Magistrat nach und<br />
baute seine ersten beiden Stadtbäder in<br />
Friedrichshain und Moabit. Mit Brauseund<br />
Wannenbädern, aber auch jeweils<br />
mit einem Schwimmbecken. So etablierte<br />
sich nach und nach neben der Hygiene<br />
ein zweiter Auftrag der städtischen <strong>Bäder</strong>:<br />
die sportliche Bewegung im Wasser,<br />
die die Gesundheit fördert. Parallel dazu<br />
entstanden zahlreiche Flussbäder in der<br />
Innenstadt.<br />
In einem Rutsch: Baden wurde in den 1920ern zum Volksvergnügen.<br />
Es ist also kein Wunder, dass der erste<br />
Schwimmverein Deutschlands in Berlin<br />
entstand. Auch die Dachorganisation, der<br />
Deutsche Schwimm-Verband, wurde hier<br />
aus der Taufe gehoben. Nach dem Volksbäder-Verein<br />
von Lassar wuchs so eine<br />
zweite Interessenorganisation für das<br />
öffentliche Schwimmbad heran.<br />
Weit über die Grenzen der Stadt bekannt<br />
wurden die <strong>Bäder</strong>bauten des unermüdlich<br />
arbeitenden und planenden Stadtbaurats<br />
Ludwig Hoffmann, mit prächtiger<br />
Fassade (wie in der Kreuzberger Baerwaldstraße)<br />
und kathedralenähnlicher<br />
Hallendecke (wie in der Oderberger<br />
Straße in Prenzlauer Berg). Auch die damals<br />
selbstständigen Städte im Umland<br />
standen dem nicht nach. Charlottenburgs<br />
Stadtbad öffnete 1899, das in Steglitz<br />
1908 und in Spandau 1911.<br />
Wie keine andere Stadt verstand jedoch<br />
Neukölln das öffentliche Schwimmbad<br />
als Aushängeschild. Ihr Stadtbad sollte<br />
Werbung sein und ebenso vermögende<br />
wie steuerzahlende Menschen bewegen,<br />
sich in Neukölln niederzulassen. Die<br />
Stadt war schon damals arm. Kommunale<br />
Steuern zahlten die wenigsten. Das 1914<br />
eröffnete Stadtbad in der Ganghoferstraße<br />
war das erste mit zwei Schwimmbecken<br />
im Großraum Berlin. Und eines,<br />
das mit seinen Säulen und Mosaiken<br />
schwelgerisch die römische Antike und<br />
ihre Badetradition zitiert.<br />
Wenn es aber darum ging, aus dem<br />
Baden eine Volksbewegung zu machen,<br />
brauchten die Menschen in und um Berlin<br />
schon damals kein großes Aufheben.<br />
Kleine Schilder mit der Aufschrift „Öffentliche<br />
Badestelle“ reichten im Mai 1907<br />
aus, um kurze Zeit später Zehntausende<br />
aus der Innenstadt an die Ufer des Wannsees<br />
zu locken. Dort war möglich, was<br />
bisher ein Skandal war: Baden in aller<br />
Öffentlichkeit und gemeinsam mit allen<br />
anderen – egal, aus welchen Schichten,<br />
Altersgruppen und Geschlechtern.<br />
Die Baderevolution am Wannsee begründete<br />
den Nimbus einer legendären<br />
Badestelle, aus der das Strandbad<br />
Wannsee erwuchs. Seinen Zeichnungen<br />
vom Badeleben widmete Heinrich<br />
Zille ein Buch, das zum Besteller wurde.<br />
„Rund um’s Freibad“ lautete der Titel<br />
und trug wesentlich zum Ruf des Malers<br />
bei. Zugleich wurde die bauliche Anlage<br />
des Strandbads Wannsee mit ihren<br />
kubischen Gebäuden und dem Wandelgang<br />
aus gelblichem Ziegel zu Ikonen der<br />
<strong>Bäder</strong>architektur.<br />
Es war das Jahr 1930, als Berlin, das<br />
einst dem öffentlichen Baden nicht<br />
viel Beachtung schenkte, national wie<br />
international Maßstäbe setzte für das<br />
<strong>Bäder</strong>wesen: nicht nur mit den in diesem<br />
Jahr eröffneten Gebäuden am Wannsee,<br />
sondern auch dem Stadtbad Schöneberg<br />
und vor allem dem Stadtbad Mitte.<br />
Letzteres entstand genau dort, wo knapp<br />
50 <strong>Jahre</strong> zuvor Oscar Lassars <strong>Bäder</strong>verein<br />
eine der ersten Volksbadeanstalten<br />
eröffnete.<br />
In den Zeiten der Weimarer Republik wurde<br />
das Schwimmen als obligatorisches<br />
Schulfach eingeführt. Zeit wurde es. Die<br />
preußische Regierung bezifferte die Zahl<br />
derer, die Schwimmen konnten, seinerzeit<br />
auf gerade einmal zwei Prozent.<br />
Jahr für Jahr ertranken damals 3.000<br />
Menschen.<br />
Die <strong>Bäder</strong>bauten, die im Nationalsozialismus<br />
entstanden, waren zwar die<br />
prächtigsten und aufwendigsten ihrer<br />
Art. Für die Allgemeinheit waren sie<br />
jedoch nicht gedacht. Im Sommerbad am<br />
Olympiastadion wurden die Wettbewerbe<br />
der Spiele von 1936 ausgetragen. Und<br />
die Schwimmhalle Finckensteinallee,<br />
die 1938 öffnete, wurde errichtet für die<br />
sogenannte Elite der Leibstandarte SS<br />
Adolf Hitler.<br />
Seite 22
Wasserlandschaft: Das Sommerbad Pankow wurde in den 1960ern zu der Schwimmbadadresse Ost-Berlins schlechthin.<br />
Dass dieses Bad nicht den Intentionen<br />
folgte, die beispielsweise der Volksbäder-<br />
Verein von Oscar Lassar postulierte, ist<br />
leicht an den monumentalen Figuren zu<br />
sehen, die bis heute die Eingänge der<br />
Schwimmhalle flankieren. Schwimmen<br />
sollte in der Ideologie dazu beitragen,<br />
Männer wehrfähig und Frauen gebärfähig<br />
zu machen. Im Nationalsozialismus<br />
war aus der Versorgungseinrichtung<br />
Schwimmbad eine Erziehungsanstalt<br />
geworden.<br />
Nach Krieg und Kapitulation baute Berlin<br />
erst einmal Sommerbäder. Sie waren<br />
vergleichsweise billig zu errichten, und<br />
der von den Nazis entfesselte Krieg hatte<br />
in der Stadt ja Platz genug geschaffen. In<br />
Wilmersdorf und Kreuzberg entstanden<br />
sie auf den Ruinen alter Gasanstalten,<br />
in Wedding im Volkspark Humboldthain<br />
und in Neukölln am Rand des Feldes<br />
vom Flughafen Tempelhof. Im Osten der<br />
geteilten Stadt entstand in Pankow eine<br />
Anlage, die Maßstäbe setzen sollte.<br />
Bei den Hallenbädern konzentrierte man<br />
sich auf das dezentrale Konzept einer<br />
wohnortnahen Versorgung – also viele,<br />
aber dafür kleinere <strong>Bäder</strong>. Zur Perfektion<br />
in Sachen Zweckmäßigkeit und Sparsamkeit<br />
auf der einen Seite und zeitloser<br />
Sachlichkeit auf der anderen Seite brachten<br />
es die Volksschwimmhallen Ost-Berlins.<br />
Vor allem der „Typ Berlin C“, wie die<br />
Planer ihren Entwurf nannten. Es gibt<br />
sie bis heute, auf der Fischerinsel, am<br />
Anton-Saefkow-Platz und in der Thomas-<br />
Mann-Straße.<br />
Maßstäbe setzte Berlin in der Weiterentwicklung<br />
des Badewesens in<br />
Deutschland allerdings nicht mit<br />
einem Beschluss von Magistrat oder<br />
Senat, sondern auf einen gemeinsamen<br />
Beschluss des Zentralkomitees<br />
der SED und des Ministerrats<br />
der DDR. In Friedrichshain sollte<br />
ein Sport- und Erholungszentrum<br />
errichtet werden, kurz SEZ, das<br />
nachhaltig dazu beitragen sollte, so<br />
der ZK-Beschluss im Wortlaut, das<br />
„Streben der Bürger der Hauptstadt<br />
nach Gesundheit, Lebensfreude,<br />
Bildung, Erholung und Leistungsfähigkeit<br />
(...) durch die weitere<br />
Entwicklung von Körperkultur und<br />
Sport in allen Bereichen des gesellschaftlichen<br />
Lebens umfassend zu<br />
fördern.“<br />
Was steif klang, führte zu einem<br />
großen Wurf. Mit dem SEZ entstand an<br />
zentraler Stelle ein Vergnügungs- und<br />
Erholungstempel rund um das Thema<br />
Sport: Schwimmen, Baden, Saunieren,<br />
Eislaufen, Fitness, Kegeln, Volleyball...<br />
nichts war unmöglich im SEZ. Nachdem<br />
Erich Honecker den Bau 1981 eröffnete,<br />
entwickelte es sich in nullkommanichts<br />
zu dem Anlaufpunkt, der er auch sein<br />
sollte, mit jährlich mehreren hunderttausend<br />
Besuchern.<br />
Der letzte Neubau eines Schwimmbades<br />
in Berlin öffnete 1999. Am S-Bahnhof<br />
Landsberger Allee entstand die<br />
Schwimm- und Sprunghalle im Europasportpark<br />
(SSE), die der Senat plante für<br />
Schulschwimmen anno 1931: Diese Klasse<br />
erschien vollzählig zum Unterricht im damals<br />
neuen Stadtbad Mitte.<br />
die Bewerbung Berlins um die Ausrichtung<br />
der Olympischen Spiele im Jahr<br />
2000. Die Spiele fanden in Sydney statt,<br />
doch das Bad wurde – in kleinerer Form<br />
– weitgehend fertiggestellt. Heute ist es<br />
eines der beliebtesten der Stadt.<br />
Oscar Lassar hätte die Entwicklung des<br />
Badewesens gewiss bestaunt. Allein, er<br />
konnte die Geschichte nicht lange verfolgen.<br />
Er starb 1907 mit 58 <strong>Jahre</strong>n an den<br />
Folgen eines Autounfalls.<br />
Seite 23
Die BBB in Zahlen<br />
Die <strong>Bäder</strong> sind Berlin eine Menge wert. Und es steckt ein großer Aufwand dahinter, alles am Laufen zu<br />
halten. Das zeigen die nüchternen Zahlen. Das Prinzip lautet: Das Land trägt einen großen Teil der Kosten<br />
für die Nutzung. Um noch mehr Planungssicherheit zu schaffen, schließen das Land und das Unternehmen<br />
in Kürze den <strong>Bäder</strong>vertrag (siehe S. 30). Er sichert die Zukunft der <strong>Bäder</strong>landschaft und bringt ihren<br />
besonderen Wert für die Stadt zum Ausdruck. Hier sehen Sie einige der wichtigsten Unternehmensdaten<br />
der vergangenen <strong>25</strong> <strong>Jahre</strong>.<br />
Zuschuss<br />
Die Zuweisungen aus dem Landesetat zeigen, was das Land Berlin in den Betrieb der<br />
<strong>Bäder</strong> investiert. Im Gegenzug zahlen Schulen und Vereine keinen Eintritt, alle anderen<br />
freuen sich über sozial verträgliche Eintrittspreise.<br />
55,8<br />
Mio. <br />
39,5<br />
Mio. <br />
39,8<br />
Mio. <br />
50<br />
Mio. <br />
49<br />
Mio. <br />
64,7<br />
Mio. <br />
2000 2004 2008 2012<br />
2016<br />
2020<br />
Instandhaltung<br />
Diese Summen zeigen den<br />
Aufwand für die laufende<br />
Instandhaltung und<br />
allgemeine Investitionen in<br />
die <strong>Berliner</strong> <strong>Bäder</strong>. Und sie<br />
zeigen: Es gibt immer etwas<br />
zu tun, denn die Mehrheit der<br />
<strong>Bäder</strong> ist älter als 50 <strong>Jahre</strong>.<br />
13,4 Mio. <br />
9,8 Mio. <br />
6,8 Mio. <br />
2000 2004 2008<br />
7,8 Mio. <br />
12,9 Mio. <br />
20,8 Mio. <br />
2012 2016<br />
2020<br />
Anzahl der <strong>Bäder</strong><br />
Seit 1996 hat sich die Zahl der <strong>Bäder</strong> um mehr als ein Viertel<br />
reduziert. Grund war die Schließung mehrerer Einrichtungen als<br />
Folge einer angespannten Haushaltslage und die hohe Anzahl<br />
maroder Stadtbäder, in die lange nicht investiert worden war.<br />
1996: 77<br />
2000: 83<br />
2004: 64<br />
2008: 63<br />
2012: 63<br />
2016: 62<br />
2020: 60<br />
Seite 24
Besucher<br />
Die Schließung von <strong>Bäder</strong>n im Jahr 2002 (s. Seite 68/69) schlägt<br />
sich deutlich im Rückgang der Besuchszahlen nieder. Seither sind<br />
die Zahlen im langjährigen Mittel stabil. Den größten Einbruch<br />
bedeutete die Corona-Pandemie im Jahr 2020.<br />
10 Mio.<br />
9 Mio.<br />
8 Mio.<br />
7 Mio.<br />
6 Mio.<br />
5 Mio.<br />
4 Mio.<br />
3 Mio.<br />
2 Mio.<br />
1 Mio.<br />
0<br />
2.7<br />
6.5<br />
Schulen und Vereine<br />
Öffentlicher Badebetrieb<br />
2.7<br />
4<br />
2.3 2.0 2.1<br />
3.8<br />
2000 2004 2008 2012 2016 2020<br />
BERICHTE AN DIE ÖFFENTLICHKEIT<br />
Als landeseigenes Unternehmen sind die <strong>Berliner</strong> <strong>Bäder</strong>-<strong>Betriebe</strong><br />
in ihrem Handeln und Tun sehr transparent. Sie haben die Pflicht,<br />
ihre WIRTSCHAFTLICHEN ERGEBNISSE einer interessierten<br />
Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Jahr für Jahr geschieht das durch<br />
einen GESCHÄFTSBERICHT, in dem Eckpunkte der <strong>Jahre</strong>sbilanz<br />
vermerkt sind. Die Zahl der Beschäftigten im Unternehmen gehört ebenso<br />
dazu wie Zuwendungen aus dem Landeshaushalt, Einnahmen durch<br />
die Verpachtung von <strong>Bäder</strong>n sowie die Ausgaben für Medien. Seit 2007<br />
können sämtliche Geschäftsberichte der BBB auch auf der Homepage<br />
nachgelesen werden unter www.berlinerbaeder.de.<br />
4.1<br />
Kosten für Strom, Heizung,<br />
Gas und Fernwärme<br />
3.9<br />
1.1<br />
1.9<br />
Seit vielen <strong>Jahre</strong>n investieren die<br />
BBB in die energetische Sanierung<br />
der <strong>Bäder</strong>. Das lässt sich an den<br />
Kosten für Strom, Wasser, Fernwärme<br />
und Gas ablesen. Trotz stark<br />
steigender Preise bleiben die Ausgaben<br />
annähernd gleich – zwischen<br />
11 und 12 Millionen Euro jährlich.<br />
Beschäftigte<br />
Auch bei der Zahl der Beschäftigten<br />
gibt es Bewegung: Vor allem<br />
in den Anfangsjahren mussten<br />
die BBB als Folge der <strong>Bäder</strong>schließungen<br />
die Personalkosten<br />
reduzieren. Betriebsbedingte<br />
Entlassungen gab es aber nie.<br />
1996:<br />
921<br />
2000:<br />
1.140<br />
2004:<br />
835<br />
2008:<br />
734<br />
2012:<br />
790<br />
2016:<br />
736<br />
2020:<br />
795<br />
Seite <strong>25</strong>
Seite 26
GROSSE<br />
ERWARTUNGEN<br />
WIE IST ES, CHEF<br />
DER BERLINER BÄDER-<br />
BETRIEBE ZU SEIN?<br />
ZWEI, DIE ES WISSEN,<br />
PLAUDERN DARÜBER<br />
S<br />
ie sprechen über den gleichen<br />
Job: Günter Kube war der erste,<br />
Dr. Johannes Kleinsorg ist der<br />
amtierende Vorstandsvorsitzende<br />
der <strong>Berliner</strong> <strong>Bäder</strong>-<strong>Betriebe</strong>.<br />
Anlässlich des Jubiläums trafen sich die<br />
beiden im Wellenbad am Spreewaldplatz,<br />
in Kreuzberg.<br />
JOHANNES KLEINSORG (JK):<br />
Willkommen in einem unserer größten<br />
Sanierungsprojekte. Das Wellenbad muss<br />
dringend instandgesetzt werden.<br />
GÜNTER KUBE (GK): Das Thema<br />
kommt mir bekannt vor. Als ich anfing,<br />
hatten wir jede Menge große Sanierungsprojekte.<br />
Aber das waren nicht die einzigen<br />
Baustellen.<br />
JK: Im übertragenen oder im wörtlichen<br />
Sinne?<br />
GK: Sowohl als auch. Die <strong>Bäder</strong>landschaft<br />
war auch vor <strong>25</strong> <strong>Jahre</strong>n schon<br />
überaltert, nicht die modernste und<br />
sanierungsbedürftig. Ich erinnere mich<br />
noch an meinen ersten Besuch im Stadtbad<br />
Prenzlauer Berg, an der Oderberger<br />
Straße. Die Schwimmhalle war ohnehin<br />
wegen Baufälligkeit nicht mehr in Betrieb;<br />
es gab nur noch die Reinigungsbäder<br />
und die Sauna. Im Keller traf ich<br />
Heizer an, die wie auf einer Dampflok<br />
Koks in Öfen schippten, damit es oben<br />
warm war...<br />
JK: Du liebe Zeit! Ich erinnere mich zwar<br />
an die vielen Wohnungen, die in den<br />
1990ern noch mit Kohle beheizt wurden.<br />
Man roch das vor allem im Winter in den<br />
Straßen von Wedding und anderen Altbauquartieren.<br />
Was haben Sie mit dem<br />
Bad gemacht?<br />
Planschen ist prima, so wie im Bild auf der linke Seite, die <strong>Berliner</strong> <strong>Bäder</strong>-<strong>Betriebe</strong> zu führen auch.<br />
Darin waren sich Dr. Johannes Kleinsorg (li.) und Günter Kube sofort einig.<br />
GK: Ich habe entschieden, dass wir<br />
es schließen. Na, da war ja vielleicht<br />
etwas los! Das Stadtbad war ja ein sehr<br />
geschichtsträchtiger Standort, denkmalgeschützt<br />
schon damals, aber völlig<br />
marode. Und dennoch hingen die Herzen<br />
der Menschen daran. Mir war jedoch<br />
sofort klar: In diesem Zustand können wir<br />
das nicht betreiben.<br />
JK: Ein heikler Punkt. Die Reaktionen<br />
sind ja auch verständlich, denn <strong>Bäder</strong><br />
sind ein sehr emotionales Thema. Vor<br />
allem, wenn sie schon so viele <strong>Jahre</strong> da<br />
sind. Da haben womöglich ganze Generationen<br />
das Schwimmen gelernt oder sich<br />
einmal die Woche gebadet und dann soll<br />
auf einmal Schluss sein. Es ist dann auch<br />
nicht wichtig, ob das Bad noch modern<br />
oder intakt ist; es sind traditionelle Orte,<br />
auf die niemand verzichten möchte.<br />
GK: Die erste Mammutaufgabe bestand<br />
jedoch darin, die <strong>Bäder</strong> aus den Bezirksverwaltungen<br />
herauszulösen. Wir hatten<br />
den Auftrag, aus den <strong>Bäder</strong>n ein Unternehmen<br />
zu machen. Das Ziel sollte sein,<br />
den Auftrag abzusichern, der sich aus der<br />
Daseinsvorsorge ableitet, und gleichzeitig<br />
den Landeshaushalt zu entlasten und vor<br />
allem andere Finanzierungsquellen zu<br />
erschließen.<br />
JK: Das ist heute im Prinzip immer noch<br />
so. Allerdings glaube ich, dass wir heute<br />
eine viel komfortablere Ausgangslage<br />
haben. Abgeordnetenhaus und Senat<br />
haben erkannt, dass es mehr Zuschüsse<br />
aus dem Landeshaushalt braucht, um die<br />
<strong>Bäder</strong>landschaft Berlins zu erhalten und<br />
moderat auszubauen.<br />
GK: Dieser Ansatz war in den 1990ern<br />
undenkbar. Berlin war klamm, es musste<br />
gespart werden. Und gleichzeitig war<br />
Berlin durch die Wiedervereinigung weltweit<br />
im Fokus. Wir hatten Investoren gefunden,<br />
die bereit waren, große Beträge<br />
in die Sanierung der <strong>Berliner</strong> <strong>Bäder</strong> zu<br />
stecken. Das wäre aber auf eine Art Private-Public-Partnership<br />
hinausgelaufen.<br />
Aber das war trotz schwieriger Haushaltslage<br />
unpopulär.<br />
JK: Wie passt das zusammen?<br />
GK: Aus meiner Sicht gar nicht. Und das<br />
habe ich damals auch gesagt. Damit<br />
machte man sich natürlich nicht unbedingt<br />
beliebt.<br />
JK: Ich würde immer erstmal ergebnisoffen<br />
sprechen und versuchen, Wege<br />
und Lösungen zu finden: Wenn Berlin<br />
private Investoren findet, die helfen, den<br />
Seite 27
Die <strong>Berliner</strong> <strong>Bäder</strong>-<strong>Betriebe</strong> werden mit<br />
einer Leistung beauftragt, für die sie auch<br />
bezahlt werden. Ich erhoffe mir unter<br />
anderem davon, dass diese stärker als<br />
leistungsfähiges Unternehmen denn als<br />
ein Subventionsempfänger wahrgenommen<br />
werden.<br />
Günter Kube: „Ich habe für den Job gebrannt,<br />
auch weil die Kolleginnen und Kollegen dafür<br />
brannten.“<br />
Zur Person<br />
GÜNTER KUBE, 71, arbeitete für<br />
die Kaufhauskonzerne Hertie und<br />
Karstadt u. a. als Personalleiter,<br />
als Organisationsleiter und war Geschäftsführer<br />
in unterschiedlichen<br />
Filialen – zuletzt bei Wertheim (heute:<br />
Karstadt) am Kurfürstendamm.<br />
Er engagierte sich im <strong>Berliner</strong> Fußballverband<br />
und war im Präsidium<br />
des Landessportbundes zuständig<br />
für die Sport-Infrastruktur und damit<br />
auch für die <strong>Bäder</strong> der Stadt. In dieser<br />
Funktion wurde er 1996 in den<br />
Aufsichtsrat der sich gründenden<br />
<strong>Berliner</strong> <strong>Bäder</strong>-<strong>Betriebe</strong> berufen.<br />
Im Oktober 1996 wurde er ihr erster<br />
Vorstandsvorsitzender. Kube gelang<br />
es zusammen mit seinem etwas<br />
später berufenen Vorstandskollegen<br />
Dietmar Ranz u. a. mehr Aufmerksamkeit<br />
für die <strong>Bäder</strong> zu schaffen.<br />
So durch große Veranstaltungen am<br />
Wannsee oder das rituelle Anbaden<br />
mit prominenten Gästen im Kreuzberger<br />
Prinzenbad.<br />
Seite 28<br />
Auftrag der <strong>Bäder</strong> zur Daseinsvorsorge zu<br />
erfüllen, würde ich das zumindest prüfen<br />
wollen.<br />
GK: Die Startbedingungen der <strong>Berliner</strong><br />
<strong>Bäder</strong>-<strong>Betriebe</strong> sind sehr typisch für die<br />
damalige Zeit. Der Koalition aus SPD und<br />
CDU war klar, dass man konsolidieren<br />
und die <strong>Bäder</strong> in einem Unternehmen<br />
zusammenführen muss, um Synergien zu<br />
nutzen, Angebote abzustimmen und zu<br />
erweitern, um am Ende auch die Kosten<br />
im Griff zu behalten. Die Bezirke gaben<br />
die <strong>Bäder</strong> jedoch nicht gerne her. Und<br />
die Opposition im Parlament nutzte jede<br />
Gelegenheit, um den Senat wegen seiner<br />
Entscheidung, die <strong>Bäder</strong>-<strong>Betriebe</strong> zu<br />
gründen, anzugreifen. Da ging es das einoder<br />
andere Mal hoch her im Parlament.<br />
JK: Das erlebe ich heute erfreulicherweise<br />
anders. Der Auftrag der <strong>Bäder</strong> wird<br />
über die Fraktionsgrenzen geteilt und<br />
auch, dass die <strong>Bäder</strong> Geld benötigen,<br />
um die Infrastruktur und ihre Angebote<br />
aufrecht zu erhalten. Das führte auch<br />
zu einer neuen Geschäftsgrundlage zwischen<br />
dem Land und dem Unternehmen:<br />
Wir werden hoffentlich bald den <strong>Bäder</strong>vertrag<br />
unterzeichnen.<br />
GK: Aha, klingt interessant. Was darf ich<br />
mir darunter vorstellen?<br />
JK: Der Vertrag basiert auf einer ähnlichen<br />
Idee wie der Verkehrsvertrag,<br />
den das Land mit der BVG abschließt.<br />
GK: Sehr interessant. Dass die <strong>Bäder</strong><br />
eine Dienstleistung erbringen, für die sie<br />
bezahlt werden, war auch schon unsere<br />
Denke. Wir haben die Öffnungszeiten erweitert<br />
und Veranstaltungen angeboten,<br />
immer mit dem Ziel, mehr Kundinnen<br />
und Kunden zu gewinnen. Toll war, dass<br />
die Kolleginnen und Kollegen mitgezogen<br />
haben. Der Gedanke, Dienstleister<br />
zu sein, war unter ihnen glücklicherweise<br />
schon weit verbreitet. Ich hatte<br />
einen sehr guten Draht zu allen in der<br />
Firma. Auch mit dem Personalrat und<br />
den Gewerkschaften kam ich gut aus;<br />
wir konnten über alles reden. Das war in<br />
dieser gewaltigen Umbruchsituation sehr<br />
wichtig.<br />
JK: Ohne das Engagement der Kolleginnen<br />
und Kollegen geht nichts. Ich bin froh,<br />
dass wir bei den <strong>Berliner</strong> <strong>Bäder</strong>-<strong>Betriebe</strong>n<br />
so viele hoch motivierte Menschen haben,<br />
die sich leidenschaftlich einbringen,<br />
auch, weil sie selber leidenschaftliche<br />
Nutzerinnen und Nutzer der <strong>Bäder</strong> sind.<br />
GK: Das kann ich von mir nicht gerade<br />
behaupten...<br />
JK: ...Sie auch nicht? Mir geht es so: Ich<br />
schwimme zwar ab und zu mal gerne,<br />
aber zu einer großen Leistung oder Leidenschaft<br />
hat es nie gereicht.<br />
GK: So ging es mir auch. Schwimmen<br />
ab und zu mal ja, aber kein persönlicher<br />
Ehrgeiz. Das war bei meiner Aufgabe als<br />
Vorstand hingegen anders. Ich habe für<br />
den Job gebrannt, weil auch die Kolleginnen<br />
und Kollegen dafür brannten. Das<br />
hat mich immer angetrieben und neu<br />
motiviert.<br />
JK: Wie kamen Sie dann zu diesem Job?<br />
GK: Ingrid Stahmer, die damalige<br />
Bildungssenatorin und Aufsichtsratsvorsitzende,<br />
hat mich irgendwann im<br />
Urlaub angerufen und gefragt, ob ich<br />
das machen würde. Ich war damals für<br />
den Landessportbund Mitglied des Aufsichtsrates<br />
der sich gründenden <strong>Berliner</strong><br />
<strong>Bäder</strong>-<strong>Betriebe</strong>, daher kannten wir uns.
Zuvor hatte es zwar eine Ausschreibung<br />
für die Stelle gegeben, aber keiner der<br />
Bewerber hat den Job angenommen.<br />
JK: Das war bei mir etwas anders. Ich<br />
hatte mich in einem Bewerbungsverfahren<br />
durchgesetzt. Für mich sind<br />
die <strong>Bäder</strong> eine reizvolle Führungs- und<br />
Managementaufgabe, mit den gesetzten<br />
Rahmenbedingungen des Bestmögliche<br />
zu erreichen. Und vor allem, die Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeiter in einen Prozess<br />
für noch mehr und bessere Angebote<br />
für die Kundinnen und Kunden mitzunehmen.<br />
GK: So sind wir an die Aufgabe auch<br />
herangegangen. Wir haben nicht lange<br />
gefragt, sondern uns den Gestaltungsspielraum<br />
einfach genommen, denn den<br />
gab ja auch das <strong>Berliner</strong>-<strong>Bäder</strong>-<strong>Betriebe</strong>-<br />
Gesetz her. Wir sollten die <strong>Bäder</strong> unter<br />
unternehmerischen Gesichtspunkten<br />
führen. Das Problem war nur: Diese<br />
Denke war für die Stadt total neu. Und es<br />
gab eine ganze Reihe Leute, die dachten,<br />
ich sei eher ein Verwalter als ein Gestalter.<br />
Aber da waren sie bei mir an der völlig<br />
falschen Adresse.<br />
JK: Ich bin auch nicht der Typ Bestandsverwalter.<br />
Und glücklicherweise ist die<br />
Auffassung in Bezug auf die <strong>Bäder</strong>-<strong>Betriebe</strong><br />
heute anders. Die Ziele sind immer<br />
noch dieselben, aber von der Führung<br />
des Unternehmens werden Ideen und<br />
Strategien erwartet, wie die <strong>Bäder</strong>landschaft<br />
in den nächsten <strong>Jahre</strong>n weiterentwickelt<br />
werden kann.<br />
GK: Und wie sieht diese Vision aus?<br />
JK: Wir haben dazu gerade ein Strategiekonzept<br />
fertiggestellt und Szenarien<br />
aufgemacht. Berlin wächst moderat und<br />
damit wir unseren gesetzlichen Auftrag<br />
auch in naher Zukunft voll erfüllen können,<br />
müssen wir nicht nur die bestehenden<br />
<strong>Bäder</strong> sanieren und modernisieren,<br />
sondern auch hier und da neu bauen, um<br />
zusätzliche Kapazitäten zu schaffen.<br />
GK: Das klingt, als wäre das sehr teuer...<br />
JK: Ja, wir reden von einem dreistelligen<br />
Millionenbetrag, der für Investitionen in<br />
den nächsten zehn <strong>Jahre</strong>n nötig ist.<br />
GK: Große Summen. Die wollten wir zusammen<br />
mit Investoren aufbringen und<br />
waren nach ersten Gesprächen auch gu-<br />
ter Dinge, dass das klappen könnte: Eine<br />
Fitnessstudiokette wollte in zahlreiche<br />
<strong>Bäder</strong>-Standorte investieren, oder ein<br />
kanadischer Investor, der große Wasserparks<br />
baut und betreibt, wollte unbedingt<br />
in Berlin bauen. Das war aber damals<br />
nicht durchzusetzen.<br />
JK: ... weil?<br />
GK: Weil die Auffassung in Berlin in Bezug<br />
auf die Schwimmbäder noch sehr stark<br />
geprägt war vom Versorgungsgedanken:<br />
von Badeanstalten aus der Kaiserzeit, in<br />
denen man seiner Körperhygiene nachkam.<br />
Das sollte und durfte nicht in Verbindung<br />
gebracht werden mit etwas, dass<br />
in irgendeiner Weise mit einem kommerziellen<br />
Angebot zu tun hatte.<br />
JK: Das ist nach wie vor ein schmaler<br />
Grat. Alle wissen, dass die sozialverträglichen<br />
Entgelte bei den Schwimmbädern<br />
in keiner Relation zu den tatsächlichen<br />
Kosten stehen. Aber schon wenn Sie versuchen,<br />
Gebühren für die Parkplätze vor<br />
den Schwimmbädern zu erheben, gibt es<br />
bis heute noch kritische Nachfragen in<br />
dem Tenor: Muss denn das sein?<br />
GK: Und trotzdem: es war eine spannende,<br />
lehrreiche und aufregende Zeit. Ich<br />
habe den Job sehr gerne gemacht.<br />
JK: Und ich bin gespannt darauf, wie es<br />
uns gelingt, die <strong>Bäder</strong>landschaft Berlin<br />
weiterzuentwickeln.<br />
Dr. Johannes Kleinsorg: „Ich bin froh, dass<br />
bei den <strong>Berliner</strong> <strong>Bäder</strong>-<strong>Betriebe</strong>n so viele<br />
hoch motivierte Menschen arbeiten.“<br />
Zur Person<br />
DR. JOHANNES KLEINSORG,<br />
59, ist seit 2019 Vorstandsvorsitzender<br />
der <strong>Berliner</strong> <strong>Bäder</strong>-<strong>Betriebe</strong>.<br />
Nach Management-Stationen, u. a.<br />
bei unterschiedlichen Energieversorgern<br />
und Stadtwerken, übernahm<br />
er diese Position. Aufmerksam<br />
gemacht auf diesen Job hat<br />
ihn ein Personalberater, der für den<br />
Senat beauftragt war, geeignete<br />
Personen zu finden, um diese Position<br />
zu besetzen. Kleinsorg schob<br />
Veränderungen bei den <strong>Berliner</strong><br />
<strong>Bäder</strong>-<strong>Betriebe</strong>n in allen Teilen des<br />
Unternehmens an. Die Handlungsfelder<br />
des Programmes erfassen<br />
sowohl die Organisation wie die<br />
Strategie und die Unternehmenskultur.<br />
Zusammen mit dem <strong>Bäder</strong>vertrag<br />
soll es dazu beitragen, die<br />
BBB auf ein neues Fundament zu<br />
stellen. Mit den <strong>Berliner</strong> <strong>Bäder</strong>n verband<br />
Kleinsorg bisher eher Privates:<br />
Seine beiden Söhne haben hier das<br />
Schwimmen gelernt.<br />
Seite 29
WÜNSCH-DIR-WAS WAR GESTERN<br />
MIT DEM BÄDERVERTRAG ÄNDERT SICH FÜR DIE BERLINER<br />
BÄDER-BETRIEBE VIEL; MANCHE SAGEN: FAST ALLES<br />
E<br />
in großer Entwicklungsschritt.<br />
Wenn so ein Fazit im Abgeordnetenhaus<br />
geäußert wird, muss<br />
sich etwas grundsätzlich geändert<br />
haben. Das hat es für die <strong>Berliner</strong><br />
<strong>Bäder</strong>-<strong>Betriebe</strong> auch. Denn das Parlament<br />
hat den <strong>Bäder</strong>vertrag auf den Weg<br />
gebracht.<br />
Schon die parlamentarischen Beratungen<br />
zum Vertrag waren von einem breiten<br />
Konsens getragen und so sind sich fast<br />
alle Parteien – auch die der Opposition<br />
– weitgehend einig: der <strong>Bäder</strong>vertrag ist<br />
ein Paradigmenwechsel.<br />
Was ändert sich?<br />
Statt wie bisher dem Unternehmen<br />
<strong>Berliner</strong> <strong>Bäder</strong>-<strong>Betriebe</strong> (BBB) eine<br />
Pauschalsumme aus dem Landeshaushalt<br />
zuzuweisen, werden mit dem Vertrag<br />
konkrete Leistungen beschrieben und<br />
Preise dafür festgelegt. Diese konkreten<br />
Leistungen werden künftig quasi bestellt<br />
und müssen im Anschluss auch entsprechend<br />
vergütet werden.<br />
Auch das Spaßbaden in den Sommerbädern<br />
soll nicht zu kurz kommen.<br />
Vereinstraining (wie hier von der SG Neukölln) ist eine wichtige Säule im <strong>Bäder</strong>vertrag.<br />
Das ist die Grundlage für eine ganz andere<br />
Sicht auf das Landesunternehmen.<br />
Statt wie bisher vor allem eine Zuschussempfängerin<br />
und ein Problemkind zu<br />
sehen, mausert sich die Firma durch den<br />
Vertrag zu einer Leistungserbringerin, die<br />
für ihre gute Arbeit auch angemessen<br />
bezahlt wird. Das ist eine wesentliche<br />
Kurskorrektur. So stellt das Parlament die<br />
BBB auf die gleiche Ebene wie BVG, BSR<br />
oder die Wasserbetriebe – alles selbstbewusste<br />
Leistungserbringerinnen, die<br />
wissen, was sie für das Leben in der Stadt<br />
tun und auch, was diese Leistung dem<br />
Land wert sein sollte.<br />
Noch ein Zitat aus den Parlamentsdebatten<br />
zum <strong>Bäder</strong>vertrag: „Wünschdir-was“<br />
ist nun vorbei. Diese Formel<br />
hat die Debatten über die BBB <strong>25</strong> <strong>Jahre</strong><br />
lang geprägt. Da eine konkrete Leistung<br />
der BBB nie beschrieben, aber eine –<br />
jedenfalls aus Sicht der Abgeordneten<br />
– vollumfängliche Finanzierung des<br />
Badebetriebs gewährleistet war, gab es<br />
immer Debatten, denn: Irgendwer beschwerte<br />
sich immer bei der Politik, wenn<br />
er mit der Leistung nicht einverstanden<br />
war. Und oft genug wurden diese Klagen<br />
pauschal als berechtigt angesehen.<br />
Mit dem <strong>Bäder</strong>vertrag sind im Supermarkt<br />
BBB nun jedoch dauerhaft die<br />
Kassen besetzt. Alle müssen für ihre<br />
Produkte, die sie sich in den Warenkorb<br />
gelegt haben, bezahlen. Die allgemeine<br />
Öffentlichkeit tut das sowieso über die<br />
Eintrittsgelder, die vom Land bezuschusst<br />
werden. Schulen und Vereine lösen an<br />
den Kassen – um im Bild zu bleiben –<br />
künftig eine virtuelle Eintrittskarte ein,<br />
die vom Land bezahlt wird. So bleibt das<br />
Unternehmen flüssig und die Regale im<br />
Supermarkt gefüllt.<br />
Der <strong>Bäder</strong>vertrag ist der Grundstein, damit<br />
aus den BBB ein Unternehmen wird,<br />
das seine Leistungen der Daseinsvorsorge<br />
gut und verlässlich erbringt. Und das<br />
Abgeordnetenhaus wird gebunden, die<br />
Leistungen, die es von den BBB verlangt,<br />
auch auskömmlich zu bezahlen. Diese<br />
Feststellung ist kein Passus aus dem<br />
Vertrag, sondern sie stammt von Dennis<br />
Buchner (SPD). Er ist nun Präsident des<br />
hohen Hauses.<br />
Seite 30
Ohne Sie wären wir nicht(s) – Teil II<br />
SIE KOMMEN IN GRUPPEN UND WERDEN MEIST MIT DEM BUS<br />
GEBRACHT: AUCH BERLINS SCHULKINDER GEHEN REGELMÄSSIG<br />
MIT IHREN KLASSEN SCHWIMMEN<br />
W<br />
ährend Tiere von Geburt an<br />
schwimmen können, ist das bei<br />
Menschen nicht so: Kein Wunder<br />
also, dass das Schwimmenlernen<br />
bei uns seit vielen <strong>Jahre</strong>n<br />
fester Bestandteil des Schulunterrichts<br />
ist. In Berlin steht das Fach spätestens<br />
in der 3. Klasse auf dem Stundenplan,<br />
in einigen Schulen sogar schon in der<br />
2. Klasse.<br />
In diesem Schuljahr erhalten rund<br />
30.000 Kinder in Berlin Schwimmunterricht.<br />
Ziel ist es, möglichst jedes Kind<br />
schwimmfähig zu machen. Das gelingt<br />
nur durch eine Vielzahl an Beteiligten –<br />
und durch die Kinder selbst. Auf den<br />
folgenden Seiten stellen wir drei Menschen<br />
vor, die stellvertretend für das<br />
Schulschwimmen stehen.<br />
In Berlin ist Schwimmunterricht spätestens in der 3. Klasse verpflichtend. Diese Kinder aus einer<br />
Grundschule in Friedrichshain nutzen die Schwimmhalle Fischerinsel.<br />
Seite 31
Abtauchen<br />
im Unterricht<br />
D<br />
er achtjährige FINN ist einer von<br />
34.000 Drittklässlern und hat<br />
Schwimmen als Schulfach.<br />
Mit voller Kraft stößt sich Finn<br />
vom Beckenrand ab und macht<br />
einen langen Schwimmzug. Vollständig<br />
verschwindet sein Kopf unter Wasser und<br />
taucht erst nach zwei Metern wieder auf.<br />
Finn nimmt einen tiefen Atemzug und<br />
taucht erneut unter. 16 Bahnen zieht er<br />
so an diesem Vormittag in der Schwimmhalle<br />
Fischerinsel – unter aufmerksamer<br />
Beobachtung seiner Lehrerin, die am<br />
Beckenrand steht. Finn ist Drittklässler,<br />
das Fach heißt Schwimmunterricht<br />
und steht immer donnerstags auf dem<br />
Stundenplan.<br />
„In der Schule ist<br />
Schwimmen mein<br />
Lieblingsfach.“<br />
Der Achtjährige ist eines von etwa 34.000<br />
<strong>Berliner</strong> Kindern, das in diesem Schuljahr<br />
mit seiner Klasse wöchentlich schwimmen<br />
geht. Finn, der mit seinen Eltern<br />
und seinem Bruder in Friedrichshain<br />
lebt, liebt schwimmen. „In der Schule ist<br />
das mein Lieblingsfach.“ Warum? Finn<br />
muss nicht lange nachdenken: „Weil<br />
man sich so schwerelos im Wasser fühlt.<br />
Aber nicht, wenn der Kopf noch rausguckt<br />
aus dem Wasser, dann zieht einen<br />
die Schwerkraft nach unten.“ Finn kann<br />
einen Kopfsprung, ist schon vom Drei-<br />
Meter-Brett gesprungen, und die zehn<br />
Meter Streckentauchen für das silberne<br />
Schwimmabzeichen hat er locker<br />
geschafft. Dass er so gut schwimmen<br />
kann, ist schnell erklärt: Seine Mutter<br />
hatte ihn noch vor Schulantritt bei einem<br />
Schwimmverein angemeldet, wie vorher<br />
den großen Bruder auch. „Ich wollte,<br />
dass die Kinder vor dem Schulanfang<br />
schwimmen können, das war mir wichtig“,<br />
sagt sie. So ist Finns Begeisterung<br />
fürs Wasser entstanden – und geblieben.<br />
Bis heute schwimmt er im Verein.<br />
Finn und seine Mitschüler werden –<br />
wie viele Drittklässler in Berlin – zur<br />
Schwimmhalle mit dem Bus gebracht.<br />
Fahrzeit insgesamt: fast eine Stunde.<br />
„Der Busfahrer ist sehr streng“, erzählt<br />
Finn, „und wir müssen uns auch immer<br />
anschnallen.“<br />
Oben: Finn ist acht <strong>Jahre</strong> alt und Schwimmunterricht<br />
ist sein Lieblingsfach.<br />
Rechts: Er hat vor drei <strong>Jahre</strong>n in einem Verein<br />
schwimmen gelernt. Dort ist er bis heute aktiv.<br />
Der Freude am Schulschwimmen tut das<br />
keinen Abbruch. „Schön finde ich, dass<br />
wir am Anfang der Stunde und am Ende<br />
der Doppelstunde immer zehn Minuten<br />
im Wasser spielen können“, sagt er. Nur<br />
eines fände er nicht so gut: „Dass die<br />
Lehrer nie mit im Wasser sind. Sonst<br />
könnten sie nämlich mal vormachen, was<br />
wir noch lernen sollen.“<br />
Seite 32
Unterricht<br />
in Badelatschen<br />
D<br />
as Schuljahr startet für JANA<br />
KRÜGER immer gleich: Sie wird<br />
heiser. „Ich muss die Kinder in<br />
der Schwimmhalle übertönen“,<br />
sagt die 54-Jährige. „Daran muss<br />
sich meine Stimme erst wieder gewöhnen.“<br />
Jana Krüger ist Schwimmlehrerin<br />
in Berlin-Pankow, 27 Unterrichtsstunden<br />
gibt sie derzeit pro Woche in drei verschiedenen<br />
Schwimmhallen. Dort gibt<br />
es fast immer fliegenden Wechsel: Eine<br />
Klasse verlässt das Wasser, die nächste<br />
geht rein, hin und wieder gibt’s eine Freistunde<br />
für die Lehrerin.<br />
„Wenn ein ängstliches<br />
Kind schwimmen gelernt<br />
hat, freut mich das.“<br />
An diesem Vormittag steht die 54-Jährige<br />
in der Schwimmhalle Thomas-Mann-<br />
Straße, vier Klassen sind nach ihrem<br />
Kenntnisstand aufgeteilt; Jana Krüger hat<br />
die Nichtschwimmer unter ihrer Obhut.<br />
Die Aufgabe: Hinein ins große Becken,<br />
am Rand festhalten und die <strong>25</strong> Meter<br />
bis zum<br />
Ausstieg<br />
entlanghangeln.<br />
„Wer<br />
nicht schwimmen<br />
kann, muss erstmal ein<br />
Gefühl für das tiefe Wasser<br />
bekommen “, erklärt sie.<br />
Wie alle 17 Schwimmlehrerinnen und<br />
-lehrer in Pankow ist Jana Krüger bei<br />
einer einzigen Schule angestellt – einzigartig<br />
für Berlin. Während in den anderen<br />
Bezirken jede Schule eigene Stundenpläne<br />
erstellt und in den Schwimmhallen<br />
bisweilen Bahnen frei bleiben, machen<br />
die Pankower einen Stundenplan für alle<br />
drei Hallen, sie können einander vertreten<br />
und Ausfälle kompensieren.<br />
Studiert hat Jana Krüger Oberstufenlehrerin<br />
für Sport und Geografie, doch in<br />
den 1990er-<strong>Jahre</strong>n wird sie gefragt, ob<br />
sie auch Schulschwimmen unterrichten<br />
würde. Schnell sagt sie ja: „Ich war früher<br />
im Schwimmverein, das lag mir.“ Bis<br />
heute liebt sie ihre Arbeit sehr. „Anders<br />
als in der Schule sehe ich den Erfolg viel<br />
besser. Und wenn ein ängstliches Kind<br />
schwimmen gelernt hat, freut mich das.“<br />
Schwimmen zu lernen sei allerdings<br />
fordernd: „Arme und Beine müssen<br />
verschiedene Bewegungen ausführen.“<br />
Hinzu komme die Wassertemperatur von<br />
26 Grad. „Es gibt Kinder, die so frieren,<br />
dass wir den Eltern empfehlen, für sie<br />
einen Neoprenanzug zu kaufen“, sagt die<br />
Lehrerin.<br />
Selbst im Wasser ist sie nur dann, wenn<br />
es Einzelförderung gibt. Ihr Platz ist der<br />
Beckenrand. „Ich muss ja alle Kinder<br />
sehen können.“<br />
Nicht ohne meine Nudel: Poolnudeln<br />
gehören zur Grundausstattung im<br />
Schwimmunterricht. Sie halten die<br />
Oberkörper der Kinder oben und<br />
ermöglichen es ihnen, sich auf die<br />
Beinbewegung zu konzentrieren.<br />
Seite 33
Tillman Wormuth hat selbst Schulschwimmen in der Schule gehabt und dort auch schwimmen gelernt.<br />
Herr des Schulschwimmens<br />
D<br />
en Schwimmunterricht an den<br />
<strong>Berliner</strong> Schulen zu organisieren,<br />
ist eine logistische Meisterleistung.<br />
Nicht genug, dass in<br />
diesem Schuljahr etwa 30.000<br />
Grundschulkinder in ihren schätzungsweise<br />
1.200 Klassen jede Woche auf<br />
rund 35 Hallenbäder verteilt werden<br />
müssen – die <strong>Bäder</strong> sind zudem für die<br />
Kinder selten fußläufig erreichbar. Daher<br />
pendeln jeden Tag, organisiert von den<br />
Bezirken, mehr als 100 Busse zwischen<br />
Schulen und Schwimmhallen. Allein das<br />
verursacht pro Jahr mehr als 1,5 Millionen<br />
Euro Kosten.<br />
Den Hut auf beim Schulschwimmen<br />
haben die Bezirke und die Senatsverwaltung<br />
für Bildung, Jugend und Familie.<br />
Logisch, denn Schulschwimmen ist Teil<br />
des Unterrichts. Aber noch gibt es Verbesserungsbedarf.<br />
„Um die Qualität des<br />
Unterrichts zu erhöhen, wurde 2017 das<br />
Seite 34<br />
Netzwerk Schulschwimmen ins Leben<br />
gerufen“, sagt TILLMAN WORMUTH,<br />
Leiter des Fachbereiches Schulsport und<br />
Bewegungserziehung bei der Bildungsverwaltung.<br />
Beteiligt an diesem Bündnis<br />
seien neben der Senatsverwaltung und<br />
Schulen auch die <strong>Bäder</strong>-<strong>Betriebe</strong> und<br />
Expertinnen und Experten des organisierten<br />
Sports. „Dabei werden neue Projekte<br />
entwickelt und auch erprobt“, sagt Wormuth.<br />
Ziel sei es, dass mehr Kinder sicher<br />
schwimmen lernen.<br />
Denn noch immer kann fast jedes fünfte<br />
<strong>Berliner</strong> Kind – rund 19 Prozent – auch<br />
nach dem Schwimmunterricht in der 3.<br />
Klasse nicht schwimmen. „Die Quote<br />
war bis zum Jahr 2019 auf 16 Prozent<br />
gesunken“, sagt Tillman Wormuth. Dann<br />
kam Corona, und als Folge sei sehr viel<br />
Unterricht ausgefallen. Daher habe das<br />
Land Berlin bereits mehrfach Intensivschwimmkurse<br />
in den Ferien angeboten.<br />
Doch nicht nur Corona erschwert die<br />
Bedingungen. „Es mangelt auch an Fachkräften,<br />
Wasserfläche und Geld.“ Schon<br />
länger bereitet Berlin daher den Aufbau<br />
bezirklicher Schulschwimmzentren vor,<br />
in denen Lehrkräfte Hand in Hand mit<br />
„Die Quote der Nichtschwimmer<br />
nach dem<br />
Schwimmunterricht war<br />
2019 auf 16 Prozent<br />
gesunken. Doch dann<br />
kam Corona.“<br />
Trainerinnen und Trainern des <strong>Berliner</strong><br />
Schwimmverbandes arbeiten und so<br />
den Schwimmunterricht verbessern. Im<br />
Bezirk Mitte ist dazu 2019 bereits ein<br />
Modellprojekt gestartet worden.
Nach dem Sommer ist vor dem Sommer<br />
VOR 19 JAHREN ÜBERNAHMEN<br />
ALEXANDRA BARNEWSKI UND<br />
IHR MANN DAS STRANDBAD<br />
ORANKESEE. MITTLERWEILE<br />
ARBEITET AUCH EIN SOHN HIER<br />
A<br />
m Ufer des Orankesees ist von<br />
der Großstadt wenig zu spüren.<br />
Der kleine See in Alt-Hohenschönhausen<br />
glitzert in der Morgensonne,<br />
ein Reiher schwebt auf<br />
weiten Schwingen heran und landet sanft<br />
im Wasser. Wie ein Teppich haben sich<br />
bunte Blätter über das kleine Strandbad<br />
gelegt, hinter den Bäumen am anderen<br />
Ufer des Sees lugen Dächer der umliegenden<br />
Villen hervor. Nur ein einsamer<br />
Laubbläser stört die Idylle. „Der gehört<br />
zu uns“, sagt ALEXANDRA BARNEW-<br />
SKI fast entschuldigend und nimmt die<br />
Sonnenbrille ab. Ihr Blick schweift über<br />
den <strong>25</strong>0 Meter breiten Sandstrand. Dann<br />
lächelt sie. „Ich mag diesen Ort. Der Anblick<br />
der Natur beruhigt.“<br />
Alexandra Barnewski, 61 <strong>Jahre</strong> alt und<br />
aufgewachsen in Köpenick, ist Pächterin<br />
des Strandbades, das eigentlich den<br />
<strong>Berliner</strong> <strong>Bäder</strong>-<strong>Betriebe</strong>n gehört. Fast<br />
die Hälfte ihres Lebens schon ist sie mit<br />
dem Bad verbunden: 1993 übernahm<br />
Sie arbeiten, wenn<br />
andere sich erholen:<br />
Pächterin Alexandra<br />
Barnewski und Sohn<br />
Brian in „ihrem“ Bad.<br />
ihr Mann Bernd die Gastronomie im Bad,<br />
1998 stieg auch sie mit ein, 2002 wurden<br />
sie die Betreiber. Seitdem bestimmt das<br />
Strandbad Orankesee ihr Leben.<br />
Dass Freibäder der BBB überhaupt<br />
von Pächtern geführt werden, ist dem<br />
Kostendruck geschuldet, unter dem die<br />
<strong>Bäder</strong>-<strong>Betriebe</strong> zu Beginn der Jahrtausendwende<br />
stehen. Um Personalkosten<br />
zu reduzieren, werden zehn Strandbäder<br />
in private Hände gegeben – bis auf das<br />
größte am Wannsee, das die BBB nach<br />
wie vor selbst betreiben.<br />
Alexandra Barnewski<br />
deutet<br />
mit der Hand<br />
auf ein kleines<br />
Schild, das an<br />
der Fassade des<br />
Hauptgebäudes<br />
hängt. „10,4 Grad“, hat jemand mit<br />
Kreide darauf geschrieben – ein Hinweis<br />
für die Vereinsmitglieder der „<strong>Berliner</strong><br />
Seehunde“, die das Bad zwischen September<br />
und April jeweils sonntags nutzen.<br />
„Die Mitglieder gehen auch ins Wasser,<br />
wenn eine Eisschicht drauf ist“, sagt die<br />
Pächterin. „Dann hacken sie ein Loch<br />
ins Eis und gehen baden. Für uns ist das<br />
gut, dadurch ist der See auch im Winter<br />
immer gut belüftet.“<br />
Als der Betrieb des Strandbades Orankesee<br />
im Jahr 2001 ausgeschrieben wird,<br />
überlegen die Barnewskis nicht lange.<br />
Zwar ist die Bewerbung „bürokratisch<br />
und kompliziert“, aber sie ist erfolgreich.<br />
Und so werden die Gastronomen plötzlich<br />
Badbetreiber. „Leicht war das nicht, eingearbeitet<br />
wurden wir ja nicht“, erinnert<br />
sich die Pächterin. „Aber wir haben<br />
Seite 35
einfach das gemacht, was wir uns vorher<br />
von den Angestellten im Bad abgeschaut<br />
hatten.“<br />
Mit dem Strandbad übernehmen die Barnewskis<br />
ein historisch interessantes Gelände.<br />
Die Gegend um den See, der in der<br />
Eiszeit entstand, wird erst um 1890 besiedelt;<br />
es entstehen vor allem Villen, und<br />
die Bewohner sind wohlhabend. Schnell<br />
gibt es einen Biergarten am Seeufer<br />
Oben: Diese kleinen Stiere aus Stein zieren<br />
die Liegewiese im Strandbad. Woher sie<br />
stammen, wissen die Barnewskis nicht.<br />
Unten: Den Steg gibt es seit der Eröffnung<br />
des Bades 1929. Hier sitzen im Sommer die<br />
Rettungsschwimmer und passen auf.<br />
und eine wilde Badestelle. Als in Berlin<br />
die ersten Strandbäder gebaut werden,<br />
wird auch in Alt-Hohenschönhausen der<br />
Ruf nach einem eigenen Freibad laut.<br />
150.000 Reichsmark werden damals für<br />
den Bau veranschlagt – aber so viel Geld<br />
hat der <strong>Berliner</strong> Magistrat nicht. Da bewirbt<br />
sich ein Weißenseer Theaterbetreiber<br />
für den Betrieb des Biergartens am<br />
See und verspricht im Gegenzug den Bau<br />
eines neuen Bades. Und so kommt es:<br />
1929 wird das Strandbad eröffnet – mit<br />
feinstem Sandstrand direkt von der Ostsee,<br />
wie gemunkelt wird. Die tatsächliche<br />
Herkunft ist nicht minder interessant: Er<br />
stammt aus einer Baugrube am Alexanderplatz.<br />
Natürlich liegt längst anderer Sand im<br />
Bad. „Wir kaufen regelmäßig neuen ein“<br />
sagt BRIAN BARNEWSKI, 33 <strong>Jahre</strong><br />
alt und Sohn von Pächterin Alexandra.<br />
„Unser Sand verschwindet nämlich regelmäßig.“<br />
Wohin? Brian Barnewski lacht.<br />
„Den tragen unsere Gäste nach Hause.“<br />
Etliches wehe auch der Wind davon oder<br />
werde von den Gästen ins Wasser getragen.<br />
Erst 2020 haben die Barnewskis<br />
neuen Sand gekauft; <strong>25</strong>0 Kubikmeter<br />
„Spielplatz-Qualität“, zehn Laster voll. „Es<br />
hat lange gedauert, das alles am Strand zu<br />
verteilen“, erinnert sich Brian Barnewski.<br />
Als Bernd und Alexandra Barnewski das<br />
Bad mit der Sommersaison 2002 übernehmen,<br />
ändert sich das Leben der Familie<br />
grundlegend: Um schneller vor Ort zu<br />
sein, suchen sie sich eine neue Wohnung<br />
fußläufig vom Strandbad entfernt,<br />
und Sohn Brian, damals 13, verbringt<br />
seine Freizeit oft im Bad. Von nun an<br />
gehört nicht mehr nur der Sommer dem<br />
Strandbad Orankesee, sondern irgendwie<br />
das ganze Jahr. „Vor dem Sommer<br />
ist nach dem Sommer“, sagt Alexandra<br />
Barnewski. Dabei haben sie Glück: Noch<br />
1993/94 hatte der Bezirk Hohenschönhausen<br />
870.000 Mark investiert, auch<br />
die 52 Meter lange Ringelrutsche „Elsa“<br />
stammt aus dieser Zeit.<br />
Gut zehn <strong>Jahre</strong> lang managen Bernd und<br />
Alexandra Barnewski „ihr“ Bad, dann<br />
stirbt Bernd Barnewski völlig überraschend<br />
im Winter 2012. Zum Glück ist<br />
das Bad gerade zu – das gibt seiner Frau<br />
die Möglichkeit, sich Zeit zu nehmen<br />
zum Trauern und für eine Entscheidung,<br />
wie es weitergehen könnte. „In der Zeit<br />
habe ich nur funktioniert“, erinnert sie<br />
sich. Dann beschließt sie, weiterzumachen<br />
– gemeinsam mit Sohn Brian, der<br />
mittlerweile Ingenieurswissenschaften<br />
studiert, und längst auch seinen Rettungsschwimmer-Schein<br />
hat. Heute sind<br />
Seite 36
Strandbad<br />
Jungfernheide<br />
Strandbad<br />
Tegeler See<br />
Strandbad<br />
Halensee<br />
Strandbad<br />
Lübars<br />
Strandbad<br />
Plötzensee<br />
Strandbad<br />
Weißensee<br />
Strandbad<br />
Orankesee<br />
Strandbad<br />
Friedrichshagen<br />
Strandbad<br />
Wendenschloß<br />
Strandbad<br />
Grünau<br />
VERPACHTETE<br />
STRANDBÄDER<br />
Von elf Strandbädern der BBB sind<br />
aktuell zehn an Pächter vergeben.<br />
Sie sind verpflichtet, zwischen<br />
dem 1. Mai und dem 31. August<br />
öffentliches Baden anzubieten;<br />
im Gegenzug dürfen sie die <strong>Bäder</strong><br />
während der anderen Zeit als Ort<br />
für Veranstaltungen nutzen, um<br />
zusätzliche Einnahmen zu generieren.<br />
Die Pächter gestalten die<br />
Eintrittspreise selbst.<br />
Mutter und Sohn auch Geschäftspartner:<br />
Der 33-Jährige ist der Geschäftsführer<br />
des Bades.<br />
Zwei Corona-Saisons liegen jetzt hinter<br />
ihnen; das hat noch mal geschlaucht.<br />
Vieles, das eingespielt ist, ist jetzt plötzlich<br />
anders – auch für die Gäste: Statt<br />
zwei Ein- und Ausgängen geht es bei dem<br />
einen nur rein und beim anderen nur<br />
raus; die Leute stehen lange an, bei einigen<br />
liegen die Nerven blank. „Da gab es<br />
schon Konfliktpotential, auch zwischen<br />
den Gästen“, sagt Brian. Mutter und Sohn<br />
hoffen sehr, dass es keine dritte Corona-<br />
Saison geben wird, auch aus wirtschaftlichen<br />
Erwägungen.<br />
Das Bad ist beliebt in der Gegend, es<br />
lebt von Stammkunden – viele 60+,<br />
aber auch Eltern mit Kindern, und nicht<br />
wenige kommen auch von weiter her.<br />
Alkohol wird grundsätzlich nicht verkauft<br />
im Bad, zum Schutz vor Rangeleien, aber<br />
auch, um Badeunfälle zu vermeiden.<br />
„Bis heute hatte wir nie Ausschreitungen<br />
bei uns“, sagt Brian Barnewski. 3.000<br />
Gäste kommen an guten Tagen, „und die<br />
brauchen wir auch“. Anders als andere<br />
Strandbäder in Berlin haben die Pächter<br />
am Orankesee keine Möglichkeit, ihre<br />
Einnahmen durch Veranstaltungen aufzubessern:<br />
Das Bad liegt direkt in einem<br />
Wohngebiet.<br />
Wenn der Sommer vorbei ist, das Bad zu<br />
und die Strandkörbe weggeräumt, macht<br />
der Herbst erstmal jede Menge Arbeit:<br />
Die Bäume, die dem Bad im Sommer<br />
sein unverwechselbares Aussehen<br />
geben und viele Instagram-Motive zieren,<br />
werfen ihre Blätter ab und bedecken<br />
Rasen, Sandstrand und Wege im Bad.<br />
„Das nimmt kein Ende“, sagt die Pächterin.<br />
„Der Sommer steckt uns noch in<br />
den Knochen – und dann das.“ Mehrmals<br />
pro Woche wird das Laub zusammengesammelt<br />
und verladen, nicht nur im<br />
Bad, sondern auch auf den Wegen rund<br />
herum. „Das Laub muss weg sein, bevor<br />
der Schnee kommt, sonst liegt es bis zum<br />
Frühjahr da“, sagt Alexandra Barnewski.<br />
Wenn der Winter endlich da ist und die<br />
Eisbader im See schwimmen, beginnt die<br />
ruhige Zeit für die Pächter – der eigene<br />
Urlaub. „Am liebsten am Wasser“, sagt<br />
Alexandra Barnewski und lächelt. „Aber<br />
weit weg und dort, wo es dann warm ist.“<br />
Ganz oben: Der erste Sand an dem <strong>25</strong>0<br />
Meter langen Strand stammte aus einer<br />
Baugrube am Alexanderplatz. Heute wird<br />
er eingekauft.<br />
Oben: Die Bäume und Büsche geben<br />
dem Strandbad sein unverwechselbares<br />
Aussehen und sorgen besonders im Herbst<br />
für Farbe.<br />
Seite 37
Richard von Weizsäcker, Bundespräsident a.D., startete im Frühjahr 2000 im Prinzenbad anlässlich der Eröffnung der Freibadsaison beim Wettschwimmen.<br />
Promis am Start<br />
GROSSER AUFTRITT GEFÄLLIG? BERLINS SCHWIMMBÄDER<br />
SIND DAFÜR PERFEKTE BÜHNEN<br />
B<br />
äder sind nicht nur Orte der Erholung,<br />
des Sports oder des Vergnügens,<br />
<strong>Bäder</strong> sind auch große<br />
Bühnen. Es ist also kein Wunder,<br />
wenn sich in Berlins Hallen- und<br />
Freibädern immer wieder prominente<br />
Gäste einfinden.<br />
Richard von Weizsäcker (1920 - 2015)<br />
zum Beispiel, einst Regierender Bürgermeister<br />
von Berlin und späterer Bundespräsident,<br />
war ein ausgewiesener<br />
Freibadfan. Ihn mussten die <strong>Berliner</strong><br />
<strong>Bäder</strong>-<strong>Betriebe</strong> nicht lange bitten, um im<br />
Jahr 2000 beim Anbaden im Sommerbad<br />
Kreuzberg („Prinzenbad“) dabei zu sein.<br />
Der Frühstart, den er auslöste, hatte von<br />
Weizsäcker jedoch nichts genutzt. Das<br />
kleine Wettschwimmen gewann ein anderer<br />
prominenter Gast, der Kunstturner<br />
Andreas Wecker.<br />
Im Jahr 1999 war die<br />
erste Aufsichtsratsvorsitzende<br />
der BBB,<br />
Sportsenatorin Ingrid<br />
Stahmer, Promi-Gast<br />
beim Anbaden im<br />
Prinzenbad –<br />
gemeinsam mit<br />
BBB-Vorstand<br />
Dietmar Ranz.<br />
Seite 38
Die internationale Formation 12 Tenors posierte<br />
im Strandbad Wannsee.<br />
Schauspielerin Maren Kroymann planschte 2019 als<br />
Chef-Schwimmpatin im Wellenbad.<br />
Eine große Bühne bietet auch die<br />
Schwimm- und Sprunghalle am Europasportpark<br />
den zahlreichen Sport-Stars.<br />
Hier trainieren beispielsweise Kunst- und<br />
Turmspringer Patrick Hausding, gab einst<br />
Olympiasiegerin Britta Steffen den feierlichen<br />
Starschuss für ein 24-Stunden-<br />
Schwimmevent. Die SSE ist seit vielen<br />
<strong>Jahre</strong>n Austragungsort der Deutschen<br />
Meisterschaften im Schwimmen und des<br />
Weltcups vom internationalen Schwimmverband<br />
FINA.<br />
Seit einigen <strong>Jahre</strong>n werben <strong>Berliner</strong><br />
Prominente als Chef-Schwimmpatinnen<br />
oder -paten dafür, dass andere es ihnen<br />
gleichtun und Plätze in der Schwimmschule<br />
der <strong>Berliner</strong> <strong>Bäder</strong>-<strong>Betriebe</strong><br />
spendieren: die Schauspielerin Maren<br />
Kroymann oder Ulrich Matthes beispielsweise.<br />
Alle verbindet eine Leidenschaft; gemeint<br />
ist nicht die große Bühne; gemeint ist die<br />
Leidenschaft fürs Schwimmen.<br />
Schauspieler Ursli Pfister (aka Christoph Marti) poolnudelte<br />
2018 als Schwimmpate im Stadtbad Schöneberg.<br />
Schauspieler<br />
Ulrich Matthes,<br />
Schwimmpate<br />
2021, plauderte<br />
im Sommerbad<br />
Wilmersdorf.<br />
Schwimm-Olympiasiegerin Britta Steffen und der damalige<br />
Senator Ehrhart Körting gaben 2010 den Startschuss zum<br />
24-Stunden-Schwimmen in der SSE.<br />
Wasserspringer<br />
und Olympia-<br />
Medailliengewinner<br />
Patrick Hausding<br />
trainiert seit vielen<br />
<strong>Jahre</strong>n in der SSE.<br />
Show-Star Dagmar Frederic verausgabte sich 2000<br />
auf einem Wasserfahrrad in der Schwimmhalle<br />
Fischerinsel.<br />
Seite 39
„Handtücher und Badesachen sucht keiner“<br />
JEDEN TAG BLEIBT<br />
ETWAS IN DEN<br />
BÄDERN LIEGEN. EIN<br />
GESPRÄCH ÜBER<br />
GEBISSE, VERLORENE<br />
SCHLÜSSEL UND DAS<br />
BAUCHGEFÜHL<br />
Herr Czaya, was ist das Absurdeste,<br />
das Sie jemals in einem Bad gefunden<br />
haben?<br />
RENÉ CZAYA: Mal nachdenken ...<br />
Das war ein Gebiss – im Wasser. Mir ist<br />
bis heute schleierhaft, wie das verloren<br />
gehen konnte.<br />
So ein Verlust fällt doch auf. Können Sie<br />
sich erinnern, wie die Sache ausging?<br />
Nein. Aber wenn jemand noch im<br />
Schwimmbad merkt, dass etwas fehlt,<br />
werden wir angesprochen und können<br />
mitsuchen. Manchmal werden wir auch<br />
später angerufen.<br />
Was bleibt am häufigsten liegen?<br />
Klamotten aller Art: Handtücher, Badesachen<br />
– aber auch Regenschirme, Duschbäder<br />
und so. In den Sommerbädern<br />
kontrollieren wir an besucherstarken<br />
Tagen zwei Mal täglich die Wiese.<br />
Wie viele Leute melden sich, wenn sie<br />
was vergessen oder verloren haben?<br />
Ganz wenige. Bei Schlüsseln und Handys<br />
sind es 50 Prozent, aber Handtücher,<br />
Badelatschen, Badekappen – die sucht<br />
keiner.<br />
Was verlieren die Gäste in den Hallenund<br />
Freibädern?<br />
In den Freibädern bleibt vieles auf der<br />
Wiese liegen. Zum Beispiel Schlüssel aller<br />
Art – Autoschlüssel, Wohnungsschlüssel,<br />
Fahrradschlüssel.<br />
Weil Sie gerade Fahrradschlüssel sagten:<br />
Vergessen die Leute auch mal ein<br />
ganzes Rad?<br />
Sie meinen vor dem Bad? Ja, sowas<br />
kommt 3-4 Mal im Jahr vor. Problematischer<br />
sind Fälle, in denen jemand zu uns<br />
kommt mit der Ansage, dass der Schlüssel<br />
weg und wir sollen dann das Fahrradschloss<br />
knacken. Da verlasse ich mich<br />
auf mein Bauchgefühl, notfalls muss die<br />
Person einen Nachweis holen.<br />
Heben Sie alles auf, was liegen bleibt?<br />
Erstmal ja. Wir führen Buch darüber,<br />
wann was gefunden wurde. Es bleiben ja<br />
auch Reisepässe liegen oder Krankenkassen-Karten<br />
oder Führerscheine –<br />
sowas bringen wir am Ende der jeweiligen<br />
Saison zur Polizei.<br />
Warum bleibt überhaupt so viel liegen?<br />
Manches kann ich mir erklären: Wenn<br />
es plötzlich regnet und die Leute schnell<br />
aufbrechen – da kommt sowas vor. Bei<br />
anderen Sachen bin ich überfragt – bei<br />
Straßenschuhen zum Beispiel oder<br />
Hörgeräten. Bei einigen Leuten habe ich<br />
sogar den Eindruck, dass sie Handtücher<br />
oder Liegen absichtlich auf der Wiese<br />
zurücklassen, weil sie am nächsten Tag<br />
wiederkommen wollen. Aber wir sammeln<br />
alles ein. Auch in den Schwimmhallen<br />
gibt es extra Rundgänge.<br />
Zur Person<br />
Was machen Sie damit?<br />
Was nass ist, wird von uns gewaschen<br />
und getrocknet, Badelatschen werden<br />
desinfiziert. Dann heben wir die Sachen<br />
sechs Monate in extra Boxen auf. Einiges<br />
geben wir an Einrichtungen für Bedürftige<br />
ab, anderes wird in Sammelcontainern<br />
entsorgt. Das regelt jedes Bad selbst.<br />
Haben Sie selbst schon mal was bei<br />
einem Badbesuch vergessen?<br />
Was ich zum Baden mitnehme, kommt<br />
auch wieder mit nach Hause.<br />
RENÉ CZAYA ist 52 <strong>Jahre</strong> alt und seit 1994 bei den <strong>Bäder</strong>n beschäftigt. Gelernt<br />
hat er drei Berufe: Industrieschneider, Glas- und Gebäudereiniger und schließlich<br />
Schwimmmeister-Gehilfe – heute heißt diese Ausbildung Fachangestellter für<br />
<strong>Bäder</strong>betriebe. Als bei den BBB ein Lehrgang zum Ausbilder angeboten wird, absolviert<br />
er auch diesen – und kümmert sich nun insbesondere um die Betreuung<br />
der Azubis in „seiner“ Schwimmhalle in der Zingster Straße in Hohenschönhausen.<br />
René Czaja ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder.<br />
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Eine von uns:<br />
Auszubildende Julie Amari<br />
JULIE AMARI WOLLTE NUR URLAUB<br />
IN BERLIN MACHEN. HEUTE IST DIE<br />
43-JÄHRIGE FRANZÖSIN DIE ÄLTESTE<br />
AUSZUBILDENDE BEI DEN BBB<br />
E<br />
in bisschen unsicher war JULIE<br />
AMARI vor ihrer Bewerbung<br />
dann doch. „Ich habe extra angerufen,<br />
ob sie auch so alte Auszubildende<br />
nehmen“, erzählt sie<br />
lachend. „Sehr gern“, habe die Antwort<br />
gelautet und die gebürtige Französin in<br />
ihrem Wunsch bestärkt, noch einmal neu<br />
anzufangen und eine Ausbildung bei den<br />
BBB zu machen.<br />
Seit dem Sommer 2021 geht die 43-Jährige<br />
wieder zur Schule: Gemeinsam mit<br />
13 anderen Azubis, die mehrheitlich so<br />
alt sind wie ihr Sohn, lernt sie, was Fachangestellte<br />
für <strong>Bäder</strong>-<strong>Betriebe</strong> wissen<br />
müssen; drei Tage pro Woche ist sie in<br />
einer Schwimmhalle, an zwei Tagen wird<br />
im Klassenverband gelernt. Das Lernen<br />
selbst, erzählt die Germanistin, falle ihr<br />
nicht schwer. „Aber die technischen<br />
Sachen waren eine ganz neue Welt für<br />
mich.“<br />
Als Julie Amari 2016 mit ihrem Freund<br />
und dem damals 16 <strong>Jahre</strong> alten Sohn<br />
nach Berlin kam, sollten es nur drei Wochen<br />
Urlaub werden. Die kleine Familie,<br />
die damals im französischen Straßburg<br />
zu Hause war, lebte in einer Ferienwohnung,<br />
erkundete die Stadt – und verliebte<br />
sich prompt. Aus dem Flirt wurden<br />
Monate, und wie das so ist mit der Liebe,<br />
muss sie irgendwann auf ein festes<br />
Fundament gestellt werden – Julie Amari<br />
Verbindet das Hobby mit der<br />
Arbeit: Julie Amari ist leidenschaftliche<br />
Schwimmerin<br />
und seit dem Sommer 2021<br />
Auszubildende bei den BBB.<br />
brauchte eine Arbeit. Sie fing in einem<br />
Touristen-Shop an und überlegte parallel<br />
dazu, wie sie ihr Hobby – das Schwimmen<br />
– beruflich nutzen kann. „Also habe<br />
ich einen Rettungsschwimmerschein<br />
gemacht“, erzählt sie. Dann kam Corona,<br />
sämtliche Läden schließen. „Warum nicht<br />
Schwimmmeisterin werden?“, fragte sich<br />
Julie Amari. So entstand die Idee, eine<br />
Ausbildung bei den BBB zu machen.<br />
In ihrer Klasse ist Julie Amari die älteste<br />
– aber nicht die einzige ältere. Und auch<br />
„Früher bin ich vor oder nach der Arbeit schwimmen<br />
gegangen, jetzt gehört das zur Ausbildung dazu. Und<br />
ich bekomme sogar Geld dafür.“<br />
in anderen Jahrgängen finden sich immer<br />
wieder Männer und Frauen, die zuvor<br />
andere Berufe hatten. In den <strong>Bäder</strong>n sind<br />
sie gern gesehen. „Wir haben sehr gute<br />
Erfahrungen gemacht mit älteren Auszubildenden“,<br />
sagt Ali Obeid, kommissarischer<br />
Leiter des Kombibades Seestraße,<br />
wo Julie Amari zurzeit eingesetzt ist.<br />
„Man merkt, dass sie schon gearbeitet<br />
haben, und sie wissen auch die Ausbildung<br />
sehr zu schätzen.“<br />
So geht es auch der Französin. Sie sei<br />
sehr erleichtert, für die kommenden <strong>Jahre</strong><br />
eine Perspektive zu haben. „Ich freue<br />
mich, dass ich schwimmen kann, das<br />
macht mir am meisten Spaß.“ Früher sei<br />
sie vor oder nach der Arbeit schwimmen<br />
gegangen, jetzt gehöre das zur Ausbildung<br />
dazu. „Und ich bekomme sogar<br />
Geld dafür.“<br />
Im August 2024 wird Julie Amari ihre<br />
Ausbildung beenden und darf sich Fachangestellte<br />
für <strong>Bäder</strong>betriebe nennen.<br />
Sie freut sich darauf. „Gern würde ich der<br />
Schwimm- und Sprunghalle im Europasportpark<br />
arbeiten“, sagt sie. Im Sommer<br />
wird es ja ganz sicher ein Freibad.<br />
Welches, sei ihr egal – oder nein: „Ein<br />
50-Meter-Becken wäre schon toll.“<br />
Seite 43
Nicht kleckern – klotzen!<br />
WENN BÄDER SANIERT WERDEN, IST DAS<br />
LAUT UND STAUBIG. ABER OFT GENUG AUCH<br />
SEHR SPEKTAKULÄR<br />
W<br />
er in einem Zimmer die Decke<br />
streichen muss, nimmt eine Leiter<br />
und steigt hinauf. Wenn sich<br />
die Decke in einer Schwimmhalle<br />
befindet, reicht keine<br />
Leiter: Dann muss – wie hier im Stadtbad<br />
Neukölln (Foto oben) – zunächst ein<br />
Raumgerüst gebaut werden, um Zugang<br />
zur Schwimmhallendecke zu haben.<br />
Nicht selten muss das Becken erstmal<br />
komplett mit Holz ausgekleidet werden,<br />
damit das Baugerüst das Becken nicht<br />
beschädigt.<br />
Eine der größten technischen Herausforderungen<br />
bei <strong>Bäder</strong>n sind die hohen<br />
Temperaturschwankungen, denen die<br />
Gebäude ausgesetzt sind: Während im<br />
Inneren fast gleichbleibend etwa 27 Grad<br />
und hohe Feuchtigkeit herrschen, muss<br />
die Gebäudehülle zugleich dem Wandel<br />
der <strong>Jahre</strong>szeiten trotzen. Eine Faustregel<br />
sagt, dass die Bausubstanz im Schnitt 30<br />
<strong>Jahre</strong> hält, dann ist die nächste Komplettsanierung<br />
nötig.<br />
Kein Wunder, dass unsere Bauabteilung<br />
groß ist. 22 Männer und 5 Frauen – die<br />
meisten von ihnen in der Verwaltung angesiedelt<br />
– sind zurzeit für den technischen<br />
Betrieb und Instandsetzungen in<br />
den <strong>Bäder</strong>n verantwortlich. Einige von<br />
ihnen verantworten millionenschwere<br />
Bauvorhaben.<br />
<strong>Bäder</strong> zu sanieren, ist enorm aufwändig,<br />
macht außerdem viel Krach und wirbelt<br />
dazu noch ordentlich Staub auf – aber es<br />
sieht bisweilen auch beeindruckend aus,<br />
wie die folgenden Seiten belegen.<br />
Raumgreifende Gerüste sind oft nötig, um die<br />
Decke der Schwimmhalle zu sanieren (ganz<br />
oben) und sehr oft geht‘s den Becken an die<br />
Fliesen (unten).<br />
Seite 44
Alles muss raus: In Marzahn musste das<br />
große Schwimmbecken zurückgebaut<br />
werden (oben). An der Finckensteinallee<br />
in Lichterfelde konnte der Sprungturm<br />
nicht stehenbleiben und es mussten alle<br />
Sanitärobjekte ersetzt werden.<br />
Seite 45
Rückbau im großen Stil: Wenn die Hallenbäder im Inneren entkernt werden, ist der Aufwand riesig, wie die Beispiele von den Stadtbädern Schöneberg (oben)<br />
und Tiergarten (unten) zeigen. Ohne aufwändige Schutzanzüge kann in der Regel nicht gearbeitet werden.<br />
Seite 46
Im Paracelsus-Bad wurde das Schwimmbecken mit Holz geschützt, um die Edelstahlauskleidung des Schwimmbeckens nicht zu beschädigen (oben).<br />
In der Schwimmhalle Finckensteinallee wurde mit großen Baggern gearbeitet (unten).<br />
SANIERuNGSFÄLLE<br />
Berlins <strong>Bäder</strong> müssen dringend<br />
weiter saniert werden. Aktuell ist<br />
die Neue Halle des Stadtbades<br />
Charlottenburg geschlossen, weil<br />
die Bausubstanz mittlerweile zu<br />
marode ist.<br />
Eine Grundinstandsetzung eines<br />
knapp 50 <strong>Jahre</strong>n alten Hallenbades<br />
schlägt – je nach Aufwand –<br />
mit einem zweistelligen Millionenbetrag<br />
zu Buche.<br />
Seite 47
Hier sind wir<br />
Strandbad<br />
Lübars*<br />
Strandbad<br />
Tegel*<br />
Stadtbad<br />
Märkisches Viertel<br />
Paracelsus-Bad<br />
Sommerbad<br />
Pankow<br />
Sommerbad<br />
Staaken-West<br />
Kombibad<br />
Spandau Süd<br />
Stadtbad<br />
Spandau-Nord<br />
Forumbad<br />
Olympiastadion<br />
Sommerbad<br />
Olympiastadion<br />
Strandbad<br />
Halensee*<br />
Strandbad<br />
Jungfernheide*<br />
Strandbad<br />
Plötzensee*<br />
Stadtbad<br />
Charlottenburg<br />
(Alte Halle)<br />
Sommerbad<br />
Wilmersdorf<br />
Stadtbad<br />
Charlottenburg<br />
(Neue Halle)<br />
Stadtbad<br />
Wilmersdorf II<br />
Stadtbad<br />
Wilmersdorf I<br />
Stadtbad<br />
Tiergarten<br />
Kombibad<br />
Seestraße<br />
Sommerbad<br />
Humboldthain<br />
Schwimmhalle<br />
Fischerinsel<br />
Stadtbad<br />
Schöneberg<br />
Sport- und Lehrschwimmhalle<br />
Schöneberg<br />
Stadtbad<br />
Mitte<br />
Schw<br />
Thom<br />
Schwimmhalle<br />
Ernst-Thälmann-<br />
Park<br />
Schwimmhalle<br />
Kreuzberg<br />
Kindersommerbad<br />
Monbijou<br />
Sommerbad<br />
Kreuzberg<br />
Sommerbad<br />
Neukölln<br />
Schwimmhalle<br />
Hüttenweg<br />
Sommerbad<br />
Am Insulaner<br />
Stadtbad<br />
Tempelhof<br />
Strandbad<br />
Wannsee<br />
Schwimmhalle<br />
Finckensteinallee<br />
Sommerbad<br />
Lichterfelde<br />
Stadtbad<br />
Lankwitz<br />
Sommerbad<br />
Mariendorf<br />
Kombibad<br />
Mariendorf<br />
* diese Standorte gehören zu den <strong>Berliner</strong> <strong>Bäder</strong>-<strong>Betriebe</strong>n<br />
und sind verpachtet<br />
Seite 48
Stadtbad Charlottenburg<br />
Geschlossen, Grundsanierung notwendig<br />
Schwimmhalle<br />
Buch<br />
Schwimmhalle Ernst-Thälmann-Park<br />
Bauarbeiten<br />
Paracelsus-Bad<br />
Grundsanierung<br />
Stadtbad Tiergarten<br />
Grundsanierung<br />
Strandbad<br />
Weißensee*<br />
Schwimmhalle<br />
Zingster Straße<br />
immhalle<br />
as-Mann-<br />
Straße<br />
Strandbad<br />
Orankesee*<br />
Kindersommerbad<br />
Platsch<br />
Wellenbad am<br />
Spreewaldplatz<br />
Sportforum<br />
Berlin<br />
Schwimmhalle<br />
Anton-Saefkow-<br />
Schwimm- Platz<br />
und Sprunghalle<br />
Europasportpark<br />
Schwimmhalle<br />
Sewanstraße<br />
Schwimmhalle<br />
Helene-Weigel-Platz<br />
Schwimmhalle<br />
Kaulsdorf<br />
Stadtbad<br />
Neukölln<br />
Schwimmhalle<br />
Baumschulenweg<br />
Sommerbad<br />
Wuhlheide<br />
Kl. Schwimmhalle<br />
Wuhlheide<br />
Strandbad<br />
Friedrichshagen*<br />
Sportbad<br />
Britz<br />
Kombibad<br />
Gropiusstadt<br />
Schwimmhalle<br />
Allendeviertel<br />
Strandbad<br />
Wendenschloß*<br />
Strandbad<br />
Grünau*<br />
Seite 49
Eine von uns: SUSANNA ZISCHEK GIBT SEIT <strong>25</strong> JAHREN<br />
Aqua-Fitness-Kurse IM KOMBIBAD SPANDAU SÜD<br />
„MEIN ANLIEGEN IST ES, MIT DEN KURSEN LEUTE<br />
INS SCHWIMMBAD ZU BRINGEN, DIE NICHT<br />
UNBEDINGT GERNE SCHWIMMEN.“<br />
D<br />
ie Halle des Kombibades Spandau<br />
Süd ist erfüllt von lateinamerikanischen<br />
Rhythmen. Im Becken wogt<br />
das Wasser. Etwa 40 Personen, die<br />
meisten von ihnen Frauen im Rentenalter,<br />
blicken konzentriert zu Aqua-Fitness-Trainerin<br />
SUSANNA ZISCHEK, die<br />
am Beckenrand Bewegungen vormacht.<br />
Wie ein Spiegelbild werden die Bewegungen<br />
im Becken wiederholt, es wird viel<br />
gelacht. Offensichtlich sind hier alle mit<br />
großem Spaß bei der Sache.<br />
Für die Kursteilnehmerinnen und Kursteilnehmer<br />
ist die Frau da vorn einfach<br />
nur „Susanna“ – doch für jene, die sich<br />
mit Aqua Fitness auskennen, ist sie<br />
schon fast eine Koryphäe: Die heute 62<br />
<strong>Jahre</strong> alte Susanna Zischek gibt nicht nur<br />
Kurse, sondern hat auch mehrere Trainingsgeräte<br />
für Aqua Fitness entwickelt.<br />
Zu den Geräten, die von einem Sportartikelhersteller<br />
serienmäßig produziert<br />
werden, gehören die Aqua Disks – Scheiben<br />
aus Kunststoff, die an den Händen<br />
getragen werden, den Wasserwiderstand<br />
erhöhen und somit die Muskulatur stärker<br />
beanspruchen. Erfunden hat sie auch<br />
Aqua Nordic Jets, die beim Aqua Nordic<br />
Walking oder als Hantel genutzt werden,<br />
und Aqua Twins, ein Auftriebsgerät, das<br />
an den Füßen getragen und beim Aqua<br />
Jogging eingesetzt wird.<br />
„Mein Anliegen war es immer, Leute<br />
ins Schwimmbad zu bringen, die nicht<br />
unbedingt gern schwimmen gehen“, sagt<br />
Susanna Zischek. Ihr Ziel sei es, bei den<br />
Kursen immer den ganzen Körper anzusprechen,<br />
damit die Frauen und Männer<br />
bis ins hohe Alter beweglich bleiben.<br />
Wichtig sei aber auch der soziale Aspekt.<br />
„Die gemeinsamen Kurse bringen die<br />
Leute ins Gespräch. Hier wurden schon<br />
einige Freundschaften gebildet“, erklärt<br />
sie und lacht.<br />
An ihren allerersten Kurs kann sie sich<br />
noch genau erinnern: Zur Schnupperstunde<br />
am 27. Mai 1997 kamen 20<br />
Leute, dann wurden es von Woche zu<br />
Woche mehr. „Damals schwappte gerade<br />
die Aqua-Fitness-Welle von Amerika nach<br />
Europa“, sagt Susanna Zischek. Da habe<br />
sie überlegt, ob so etwas auch in „ihrem“<br />
Bad möglich sei. Und sie war nicht die<br />
Einzige, die so dachte: Zwei Kolleginnen<br />
aus den Stadtbädern Charlottenburg und<br />
Wilmersdorf spezialisierten sich ebenfalls<br />
auf Aqua Fitness; schließlich stellten<br />
An ihren allerersten Kurs kann Susanna Zischek sich<br />
noch gut erinnern: Zur Schnupperstunde kamen<br />
20 Leute, dann wurden es von Woche zu Woche mehr.<br />
Seite 50
Jede der drei Aqua-Fitness-Pionierinnen<br />
der BBB hat sich mittlerweile spezialisiert:<br />
Während eine Kollegin vorrangig<br />
Kurse für Schwangere gibt, bildet die<br />
nächste die BBB-Azubis aus und bringt<br />
ihnen bei, wie man selbst Kurse leitet.<br />
„Und ich war immer die Bastlerin“, sagt<br />
Susanna Zischek. Zusammen mit einer<br />
Kollegin nahm sie mehrmals an Aqua-<br />
Fitness-Kongressen in Karlsruhe teil, sie<br />
vertraten dabei auch die <strong>Berliner</strong> <strong>Bäder</strong>-<br />
<strong>Betriebe</strong> und gaben selber Workshops.<br />
„So konnten wir uns mit Aqua-Fitness-<br />
Profis aus der ganzen Welt austauschen“,<br />
erzählt Susanna Zischek stolz. „Das war<br />
eine spannende Zeit.“<br />
Nach vielen Fortbildungen besitzt Susanna<br />
Zischek mittlerweile mehrere Trainer-<br />
Lizenzen. „Ich wollte verstehen, welchen<br />
Effekt die Übungen auf den Körper<br />
haben, um einer bestimmten Zielgruppe<br />
ein passendes Training anzubieten“, erklärt<br />
sie.<br />
Gute Stimmung garantiert: Susanna Zischek macht ihren Job mit Leib und Seele.<br />
die BBB kurzerhand mehrere Aqua-Fitness-Trainer<br />
ein sowie einen Mitarbeiter,<br />
der das Kursprogramm für das gesamte<br />
Unternehmen koordinierte.<br />
Dabei hat die 62-jährige gebürtige Siebenbürgerin<br />
vergleichsweise spät zu ihrer<br />
Berufung gefunden: Erst mit 29 <strong>Jahre</strong>n<br />
hat sie schwimmen gelernt, im Stadtbad<br />
Spandau Nord. „In den Karpaten, wo ich<br />
aufgewachsen bin, hatte ich keine Möglichkeit<br />
zu schwimmen“, erzählt sie. Mit<br />
Anfang 30 bewarb sie sich als Kassiererin<br />
im Kombibad Spandau Süd; kurze Zeit<br />
später machte sie eine Ausbildung zur<br />
Rettungsschwimmerin.<br />
Die Kursgäste danken ihr das Engagement<br />
mit jahrelanger Treue: Einige der<br />
Teilnehmerinnen und Teilnehmer kommen<br />
schon seit dem ersten Kurstag vor<br />
fast <strong>25</strong> <strong>Jahre</strong>n in ihren Kurs. „Mir graut<br />
schon davor, wenn Susanna mal in Rente<br />
geht“, sagt eine langjährige Kursteilnehmerin.<br />
Kursleiterin Susanna Zischek hat<br />
mal nachgerechnet: Zwischen Mai 1997<br />
und November 2021 hat sie in ihren Kursen<br />
<strong>25</strong>0.118 Menschen unterrichtet. Im<br />
kommenden Jahr geht sie in Rente. Einen<br />
großen Wunsch hat sie noch bis dahin:<br />
„Ich hoffe, ich kann noch eine Nachfolgerin<br />
oder einen Nachfolger einarbeiten.“<br />
Seite 51
PARTY AM POOL<br />
BÄDER STEHEN FÜR SPORT UND ERHOLUNG.<br />
ABER MANCHMAL AUCH FÜR AUSGELASSENE FESTE<br />
D<br />
ie <strong>Berliner</strong> <strong>Bäder</strong> sind einmalige<br />
Veranstaltungsorte, nicht nur für<br />
den Spitzensport. In Schöneberg<br />
z. B. wird hochklassiger Wasserball<br />
geboten; die Schwimmund<br />
Sprunghalle (SSE) ist seit <strong>Jahre</strong>n<br />
Austragungsort Deutscher Schwimmmeisterschaften<br />
oder des Weltcups des<br />
Schwimm-Weltverbandes FINA.<br />
Aber auch das geben die <strong>Bäder</strong> her:<br />
Kino am Pool, Faschingevents, Konzerte,<br />
Buchlesungen, Partys oder auch das<br />
jährliche Betriebsfest. „Theoretisch<br />
stehen alle <strong>Bäder</strong> für Veranstaltungen zur<br />
Verfügung, aber unser Auftrag mit dem<br />
öffentlichen Schwimmen auch für die<br />
Schulen und Vereine darf natürlich nicht<br />
zu sehr beeinträchtigt werden“, erklärt<br />
André Thiesing, Teamleiter beim Marketing<br />
der <strong>Berliner</strong> <strong>Bäder</strong>-<strong>Betriebe</strong>.<br />
Spektakulär sind insbesondere die Großveranstaltungen<br />
im Strandbad Wannsee.<br />
Zum Jubiläum „50 <strong>Jahre</strong> Luftbrücke“<br />
im August 1998 verwandelte sich der<br />
Wannsee vor dem 1,2 Kilometer langen<br />
Sandstrand zu einem Landeplatz für Wasserflugzeuge.<br />
Mehr als 10.000 Besucher<br />
kamen am Veranstaltungswochenende<br />
zu „Seaport Wannsee“. Gleich 100.000<br />
Schaulustige bestaunten am 14. September<br />
2003 die waghalsige Flugshow<br />
beim 4. Red Bull Flugtag. Die Hobby-Piloten<br />
von 38 Teams stürzten sich in selbst<br />
gebastelten Fluggeräten von einer sechs<br />
Meter hohen Rampe ins Wasser. Den<br />
Wettbewerb um die weiteste Flugstrecke<br />
und das kreativste Fluggerät gewann am<br />
Ende ein Team aus Potsdam.<br />
2003 bis 2014 fand im Strandbad Wannsee<br />
im Sommer die Konzertreihe „Energy<br />
in the Park“ des Hörfunksenders Radio<br />
Energy Berlin statt: Auf einer schwimmenden<br />
Bühne vor rund 30.000 Besuchern<br />
traten nationale und internationale<br />
Popstars auf und sorgten für Party-Stimmung<br />
am Strand. Schließlich wurde das<br />
Strandbad auch Veranstaltungsort für<br />
zwei Opern-Events: Im Jahr 2011 inszenierte<br />
Katharina Thalbach mit großem<br />
Erfolg Mozarts Zauberflöte. 40.000<br />
Besucher kamen, obwohl die Bühne<br />
vom Wasser aufs Land verlegt werden<br />
musste. 2012 war es Volker Schlöndorff,<br />
der dort Bizets Oper Carmen inszenierte.<br />
Danach war allerdings Schluss mit den<br />
Seefestspielen. Weil es immer wieder<br />
Schwierigkeiten mit der Genehmigungsbehörde<br />
gab, verlegte Veranstalter Peter<br />
Schwenkow seine Opern-Aufführungen<br />
im dritten Jahr in die Waldbühne.<br />
In den beiden zurückliegenden <strong>Jahre</strong>n<br />
fielen die meisten Veranstaltungen, bedingt<br />
durch die Auswirkungen der Pandemie,<br />
leider aus. Das traf auch noch junge<br />
Traditionen, wie den „Queer Summer<br />
Splash“ im Kreuzberger Prinzenbad. Das<br />
wird sich hoffentlich wieder ändern, wenn<br />
die <strong>Bäder</strong> und damit die Veranstaltungen,<br />
wieder in den Normal-Modus zurückkehren<br />
können.<br />
Ein Wasserfeuerwerk guter Laune:<br />
Bei Partys im Freibad (wie hier im<br />
Sommerbad Wuhlheide) machen<br />
alle gerne mit.<br />
Seite 52
Große Kulisse: Das Strandbad Wannsee<br />
(oben) war immer schon Anziehungspunkt<br />
für verschiedene Veranstaltungsformate,<br />
darunter auch der Red-Bull-Flugtag, der<br />
mehrere Auflagen erlebte. Ende der 90er-<br />
<strong>Jahre</strong> startete dort auch BBB-Vorstand Günter<br />
Kube (rechts). Schnell ins Wasser wollten<br />
die Teilnehmer und Teilnehmerinnen des<br />
Triathlon-Wettbewerbs der Finals im Jahr<br />
2019 (unten).<br />
Seite 53
Seite 54<br />
Die Schwimm- und Sprunghalle im Europasportpark – kurz SSE – war oft Austragungsort besonderer<br />
Veranstaltungen. Volle Ränge bescherten ihr Großveranstaltungen, darunter die Deutschen Schwimmmeisterschaften<br />
oder der FINA Weltcup. Für Stimmung sorgten das BBB-Drachenbootrennen (oben)<br />
oder Kinoveranstaltungen (Mitte) und Show-Einlagen bei der Springergala (unten).
In Kreuzberg sind nicht nur die Nächte lang: Viel Zeit zum Feiern<br />
am Tage hatten Kinder im Wellenbad am Spreewaldplatz (oben);<br />
für Erwachsene stieg im Sommerbad Kreuzberg alljährlich der<br />
Queer-Summer-Splash (Mitte und rechts). Der kam im Sommerregen<br />
besonders gut an und nahm dann schon mal Woodstock-Charakter<br />
an (unten links).<br />
Seite 55
Seite 56
Eine von uns: Anke Höppner,<br />
Leiterin Kundenzentrum<br />
OHNE EMPATHIE GEHT<br />
ES NICHT, SAGT ANKE<br />
HÖPPNER. SIE HILFT<br />
KUNDINNEN UND<br />
KUNDEN BEI FRAGEN<br />
UND REKLAMATIONEN<br />
S<br />
chlechte Laune kennt ANKE<br />
HÖPPNER nicht – jedenfalls<br />
nicht, wenn sie ans Telefon geht.<br />
„<strong>Berliner</strong> <strong>Bäder</strong>-<strong>Betriebe</strong>, das<br />
Kundenzentrum, Frau Höppner,<br />
wie kann ich Ihnen helfen?“, fragt sie<br />
jedes Mal ausnehmend freundlich, wenn<br />
sie einen Anruf entgegennimmt. Und<br />
das tut sie vielmals am Tag. Seit 2014<br />
ist die heute 62-Jährige die Leiterin<br />
des Kundenzentrums. Sie und ihr Team<br />
helfen, wenn Gäste Fragen haben, etwas<br />
reklamieren oder sich beschweren möchten.<br />
„Ich gehe gern zur Arbeit“, sagt sie<br />
und lächelt.<br />
Das Kundenzentrum der <strong>Berliner</strong> <strong>Bäder</strong>-<br />
<strong>Betriebe</strong> hat seinen Sitz seit 2016 in einem<br />
separaten Bereich in der Schwimmhalle<br />
Fischerinsel in Berlin-Mitte; Anke<br />
Höppner sitzt sozusagen mittendrin im<br />
Geschehen: Das Fenster ihres Büros zeigt<br />
direkt auf den Gang, den die Badegäste<br />
auf dem Weg zu ihren Umkleiden passieren.<br />
Gerade läuft eine Schulklasse vorbei,<br />
Kinderlachen ist zu hören. Anke Höppner<br />
schaut aus dem Fenster. „Entweder liegt<br />
einem so eine Arbeit oder nicht“, sagt sie.<br />
„Natürlich gibt es in bestimmten Abläufen<br />
auch Routine, aber die Herausforderungen<br />
sind immer neu – auch durch die<br />
Veränderungen bei den BBB.“<br />
Seit 2016 hat das Kundenzentrum der <strong>Berliner</strong> <strong>Bäder</strong>-<strong>Betriebe</strong> seinen Sitz in der Schwimmhalle<br />
Fischerinsel. Drei Frauen und ein Mann gehören zum Team.<br />
Seit Beginn ihrer beruflichen Tätigkeit<br />
arbeitet Anke Höppner im Service: Im<br />
Interhotel am Alexanderplatz – einem<br />
Vorzeigehotel der DDR – lernte sie<br />
Kellnerin. Danach studierte sie Ökonomie<br />
für das Gaststätten- und Hotelwesen<br />
in Leipzig und arbeitete ab 1983 im<br />
Sport- und Erholungszentrum, kurz SEZ,<br />
dem damals modernsten Freizeitzentrum<br />
Europas. Zwölf <strong>Jahre</strong> lang, bis zur<br />
Schließung, leitete sie die Gastronomie<br />
im Haus mit ihren sechs Einrichtungen<br />
– darunter eine Bowling-Bahn, Restaurants<br />
und Cafés. „Das SEZ war wie eine<br />
kleine Stadt“, erinnert sie sich. Neben<br />
dem großen Schwimmbad mit Wellenbecken,<br />
Wasserkaskade und Außenbereich<br />
gab es unter anderem eine Eisbahn,<br />
Fitnessräume, eine Sporthalle, eine<br />
Sauna und sogar einen Sportkindergarten;<br />
es gab eigene Techniker, eine Veranstaltungsabteilung,<br />
Sportlehrer und<br />
eine Kantine für die Beschäftigten – und<br />
riesige Feiern für bis zu 15.000 Gäste.<br />
Die gastronomischen Einrichtungen<br />
versorgten aber auch externe Veranstaltungen<br />
mit bis zu 3.000 Personen. „Die<br />
Arbeit ging dann schon mal bis morgens<br />
um 6 Uhr“, sagt sie.<br />
Das SEZ übersteht sogar die Wende und<br />
die Wiedervereinigung, wird 1999 den<br />
<strong>Berliner</strong> <strong>Bäder</strong>-<strong>Betriebe</strong>n angegliedert –<br />
„Zu unserer Arbeit gehört auch, Empathie zu<br />
zeigen. Das bedeutet aber nicht, jemandem<br />
automatisch recht zu geben.“<br />
und Ende 2002 vom Senat geschlossen.<br />
Anke Höppner landet im Überhang, sie<br />
ist sozusagen überflüssig. „Für mich und<br />
meine Kollegen war der Wechsel zur den<br />
Seite 57
BBB ein großes Glück“, sagt sie rückblickend.<br />
„Obwohl es unseren Betrieb nicht<br />
mehr gab, wurden wir nicht arbeitslos<br />
und die Dienstjahre anerkannt.“<br />
Schnell wird Anke Höppner bei den BBB<br />
in neuen Projekten beschäftigt – zuerst<br />
bei der Verpachtung von Freibädern,<br />
dann mit dem Aufbau eines einheitlichen<br />
Beschwerdemanagements. „Das gab es<br />
zu der Zeit nicht“, erinnert sie sich. „Anfragen<br />
von den Gästen wurden meist von<br />
den Regionalleitern beantwortet – und<br />
jeder hat das auf seine Weise gemacht.“<br />
Heute arbeiten im Kundenzentrum drei<br />
Frauen und ein Mann, und Anke Höppner<br />
ist des Lobes voll für ihr Team. „Alle sind<br />
engagiert und fleißig und suchen nach<br />
Lösungen für Probleme“, sagt sie. Für die<br />
Arbeit hat das Kundenzentrum ein Credo:<br />
„Wir versuchen immer, das Problem des<br />
Kunden zu lösen – und wenn wir das<br />
nicht können, muss der Kunde verstehen,<br />
warum.“ Wichtig sei auch, dass sich<br />
jene Person um das Anliegen kümmert,<br />
die es entgegengenommen hat. Es sei<br />
denn, das Verhältnis zum Gast sei extrem<br />
angespannt – dann werde es schon mal<br />
abgegeben.<br />
Durchschnittlich 600 bis 700 Anfragen,<br />
Beschwerden und Hinweise landen pro<br />
Quartal beim Kundenzentrum, das meiste<br />
davon per Mail. Seit Corona ist allerdings<br />
vieles anders. „Wir haben jetzt mehr<br />
Anfragen und weniger Beschwerden“,<br />
erzählt sie. Als die Pandemie losging<br />
und die <strong>Bäder</strong> nach dem 1.Lockdown<br />
mit ganz neuen Bedingungen wieder<br />
Anke Höppner<br />
weiß auch, wie mit<br />
komplizierten Fällen<br />
und Situationen<br />
umgegangen werden<br />
kann. In jedem Fall<br />
sei Empathie nötig,<br />
sagt sie.<br />
starteten, seien täglich bis zu 600 Emails<br />
eingegangen. Ursache waren die sich<br />
ändernden Regelungen. Aber längst nicht<br />
nur: „Anfragen kommen auch zum Ticketkauf,<br />
zum Preis, zu den Tests – aber<br />
auch, ob es Wickeltische in den <strong>Bäder</strong>n<br />
gibt oder wie warm das Wasser ist- alles<br />
querbeet.“ Es habe aber auch viel Lob<br />
für die Öffnung der Sommerbäder unter<br />
Pandemiebedingungen gegeben.<br />
Wer sich im Kundenzentrum beschwert,<br />
ist oft sauer, sagt die Leiterin. Sie findet<br />
das verständlich, und das auszuhalten<br />
gehöre zur Arbeit dazu. „Wer sich<br />
beschwert, ist ja nicht unbedingt ein<br />
unangenehmer Mensch“, sagt Anke<br />
Höppner. Und die Beschwerden seien<br />
zum Teil ja auch berechtigt. „Zu unserer<br />
Arbeit gehört auch, Empathie zu zeigen.<br />
Das bedeutet aber nicht, jemandem<br />
automatisch recht zu geben.“ Wichtig sei<br />
natürlich auch, dass sich etwas in den<br />
<strong>Bäder</strong>n ändert, wenn eine Beschwerde<br />
berechtigt war. „Darauf nehmen wir<br />
soweit es geht Einfluss.“<br />
Manchmal – selten – gibt es auch<br />
Kundinnen oder Kunden, die einfach nur<br />
recht haben wollen. Auch solche Fälle<br />
kennt Anke Höppner. Sie greift in solchen<br />
Momenten auf das Wissen aus einer<br />
Fortbildung zurück, die sie eigentlich<br />
BBB-intern gemacht hat: Sie ist „kollegiale<br />
Beraterin für Suchtfragen“. Da habe sie<br />
gelernt, auch mit „schwierigen Menschen<br />
in schwierigen Situationen“ zu kommunizieren.<br />
Und daher bittet sie bei Beschwerden<br />
auch darum, die Situation vor Ort im<br />
jeweiligen Bad zu beachten. „Viele Leute<br />
sehen nur ihr persönliches“, sagt sie.<br />
„Dabei habe jede Medaille zwei Seiten.“<br />
Seite 58
„Jeder Baum hat bei uns eine Nummer“<br />
IN DEN BÄDERN GIBT’S<br />
NICHT NUR WASSER,<br />
SONDERN AUCH VIELE<br />
PFLANZEN<br />
Im Freibad ist das Becken meist das auffälligste,<br />
es leuchtet ja so schön. Wohin<br />
schauen Sie als erstes?<br />
KATRIN SILBERBACH: Wohin ich<br />
schaue? ... Nach den Bäumen.<br />
Warum nach den Bäumen?<br />
Ich schaue, ob das Bad einladend wirkt.<br />
Und Bäume spielen dabei eine wichtige<br />
Rolle. Der Anteil der Sonnenanbeter ist<br />
gesunken, die Leute lieben den Schatten<br />
viel mehr als früher. Die Stadt erwärmt<br />
sich stärker, und wer sich im Sommer<br />
nach draußen begibt, sucht eher nach<br />
Schatten. Und deshalb sind auch in den<br />
<strong>Bäder</strong>n schattige Plätze mehr angesagt.<br />
Sie sind Angestellte bei den <strong>Bäder</strong>-<br />
<strong>Betriebe</strong>n. Was genau machen Sie?<br />
Gemeinsam mit einem Kollegen bin ich<br />
verantwortlich für alle Außenanlagen in<br />
den <strong>Bäder</strong>n – also Sträucher, Rasen,<br />
Spielplätze, Wege und Zäune. Und die<br />
Bäume natürlich.<br />
Wissen Sie, wie viele Bäume in den<br />
<strong>Bäder</strong>n stehen?<br />
Natürlich. Es sind mehr als 10.000,<br />
darunter so seltene wie Zedern, Amberund<br />
Mammutbäume. Allein im Strandbad<br />
Wannsee stehen 1.593 Bäume. Und wir<br />
kennen jeden; wir führen ein Kataster,<br />
in dem jeder Baum eine Nummer hat.<br />
In diesem Jahr haben wir sogar 45 neue<br />
Bäume gepflanzt, das freut mich ganz<br />
besonders.<br />
Machen die Bäume auch die meiste<br />
Arbeit?<br />
Nein. Das Zeitaufwändigste ist die Kontrolle<br />
der Pflegefirmen, die wir beschäftigen.<br />
Wir zupfen ja nicht selbst Unkraut<br />
oder mähen den Rasen, das machen<br />
Oben: Amberbäume färben sich im Herbst<br />
leuchtend rot, hier der im Sommerbad Kreuzberg.<br />
Unten: Das Sommerbad Wilmersdorf gehört zu<br />
den baumreichsten Freibädern Berlins.<br />
Seite 59
Grüne <strong>Bäder</strong>: Mehr als<br />
10.000 Bäume stehen in den<br />
<strong>Berliner</strong> <strong>Bäder</strong>n, unter ihnen<br />
auch zahlreiche Raritäten wie<br />
Flügelnuss (kleines Foto S. 60) und<br />
Mammutbaum (kleines Foto S. 61)<br />
Rechte Seite: Mit einem Kollegen<br />
ist Katrin Silberbach für sämtliche<br />
Außenanlagen in den <strong>Bäder</strong>n<br />
verantwortlich.<br />
Fremdfirmen. Wir sind in diesen Fällen<br />
die Überwacher und Verwalter. Das<br />
betrifft im Übrigen auch die Hallenbäder,<br />
da stehen ja auch Pflanzen, und<br />
Hecken oder Bäume müssen beschnitten<br />
werden. Wir haben Gutachter für<br />
Bäume und Gutachter für Spielgeräte.<br />
Wir entscheiden dann, was getan werden<br />
muss.<br />
Haben Sie ein Lieblingsbad?<br />
Ich finde an jedem Bad etwas schön. Die<br />
sind wirklich alle unterschiedlich ...<br />
Was mögen Sie zum Beispiel am Sommerbad<br />
Humboldthain?<br />
Es ist eingebettet in einen Park und<br />
glänzt durch die Wasserfläche. In allen<br />
Sichtachsen sieht man das Wasser. Im<br />
Sommerbad Pankow ist erstmal viel Wiese<br />
– und dann irgendwann kommt man<br />
zum Wasser. Das ist ein Park mit Wasserfläche<br />
und halbhistorischen, verfallenen<br />
Gebäuden. Das Sommerbad Olympiastadion<br />
wiederum ist eine Ruine mit Wasser<br />
– und altem Baumbestand. Da denkt<br />
man, hier beginnt gleich ein historischer<br />
Film. So ist jedes Bad anders.<br />
Bekommen Sie manchmal Rückmeldung<br />
von Badegästen?<br />
Nein, eher nicht. Aber manchmal werden<br />
Fragen an uns über das Kundenzentrum<br />
herangetragen. Als wir am Spreewaldbad<br />
Flächen gerodet haben, gab es zum<br />
Seite 60
Beispiel Fragen wegen der Spatzenpopulation.<br />
Spatzen? Ich dachte, Sie sind für die<br />
Pflanzen zuständig?<br />
Wenn es Probleme gibt, dann kümmern<br />
wir uns auch um Tiere. Im Sommerbad<br />
Pankow zum Beispiel lebt ein Fuchs, der<br />
klaut im Sommer ab und zu Schuhe von<br />
Badegästen. Verjagen dürfen wir den<br />
nicht, der soll ja nicht in seinem Lebensraum<br />
gestört werden.<br />
Und was machen Sie denn dann mit<br />
dem Fuchs?<br />
In Absprache mit dem Tierschutz dürfen<br />
wir Füchse vergrämen – also vergraulen.<br />
Wir hatten mal einen Fuchs, der hatte auf<br />
einem Spielplatz im Sandkasten einen<br />
Bau angelegt. Als die Jungtiere raus waren,<br />
haben wir den Bau zugeschüttet, um<br />
das Gelände für den Fuchs unattraktiv zu<br />
machen.<br />
Gibt es viele Tiere in den <strong>Bäder</strong>n?<br />
Ja, sehr sogar. Wir haben in mehreren<br />
Sommerbädern eine Kaninchenplage<br />
– im Sommerbad Wilmersdorf, auch im<br />
Prinzenbad und im Kinderbad Monbijou.<br />
Dort sind Teile der Liegewiese stark<br />
unterhöhlt, die besteht fast nur noch<br />
aus Gängen. Im Prinzenbad gibt es auch<br />
einen Fuchs, der aber keine Kaninchen<br />
jagt. Wir haben aber auch Mäusebussarde,<br />
Habichte und in zwei <strong>Bäder</strong>n sogar<br />
mehrere Waschbären. Im Sommerbad<br />
Humboldthain haben wir auch Wildbienen,<br />
das ist die größte Population in ganz<br />
Berlin-Mitte.<br />
Sie klingen ja so richtig begeistert! Was<br />
fasziniert Sie an Ihrer Arbeit?<br />
Meine Arbeit ist total abwechslungsreich.<br />
Und ich kann hoffentlich etwas Gutes tun<br />
und das Augenmerk auf die Pflanzen in<br />
den <strong>Bäder</strong>n lenken. Wir wässern ja den<br />
Boden in den <strong>Bäder</strong>n nicht nur um des<br />
Rasens willen. Wir wässern auch wegen<br />
der Bäume, denn die brauchen ebenfalls<br />
Wasser. Außerdem engagiere ich mich<br />
dafür, dass die Spiel-Angebote für die<br />
Kinder in den <strong>Bäder</strong>n besser werden. Wir<br />
müssen die <strong>Bäder</strong> attraktiver machen,<br />
das gehört für mich dazu – im Übrigen<br />
auch Blumen. 2020 haben wir mehr als<br />
8.000 Narzissen gepflanzt und mehr als<br />
10.000 Krokusse in den <strong>Bäder</strong>n.<br />
Merken Sie den Klimawandel an den<br />
Pflanzen?<br />
Ja, sehr stark. Die Pappeln schmeißen<br />
große Äste gab, und auch die Birken<br />
leiden. Wir mussten auch schon Bäume<br />
deswegen fällen. Mir tut das immer sehr<br />
leid. Leider müssen wir nur dann neue<br />
Bäume pflanzen, wenn gesunde Bäume<br />
wegen Bauarbeiten gefällt werden mussten.<br />
Wenn ein Baum krank war, ist das<br />
nicht vorgeschrieben. Wir müssten mehr<br />
Bäume pflanzen.<br />
Zur Person<br />
KATRIN SILBERBACH ist 57<br />
<strong>Jahre</strong> alt und seit zwei <strong>Jahre</strong>n bei<br />
den <strong>Berliner</strong> <strong>Bäder</strong>-<strong>Betriebe</strong>n beschäftigt.<br />
Zuvor war die studierte<br />
Landschaftsarchitektin mehr als 20<br />
<strong>Jahre</strong> lang selbstständig tätig und<br />
arbeitete unter anderem bei der<br />
Gestaltung von Wohnanlagen, Spielund<br />
Sportplätzen in Berlin und<br />
Brandenburg sowie bei Gewerbeflächen<br />
mit. Sie hat ihr Büro in der<br />
Verwaltung am Sachsendamm, ist<br />
aber fast täglich in den Frei- und<br />
Hallenbädern unterwegs. Katrin<br />
Silberbach ist verheiratet und hat<br />
einen erwachsenen Sohn.<br />
Seite 61
Lass uns was einkaufen<br />
Wer öfter zu Besuch im Schwimmbad ist, weiß genau: Um ein Bad zu betreiben, reicht Wasser allein nicht<br />
aus. Ob Chlorgas für die Wasseraufbereitung, Dienstkleidung für die Angestellten, Druckerpapier für<br />
Aushänge oder Strom für sämtliche Gebäude – lang ist die Liste der Dinge, die die <strong>Berliner</strong> <strong>Bäder</strong>-<strong>Betriebe</strong><br />
Jahr für Jahr benötigen und verbrauchen. Und fast alles wird von einer einzigen Abteilung bestellt: dem<br />
Einkauf. Nachfolgend eine Übersicht, was bei den BBB im Jahr 2020 im Schnitt eingekauft beziehungsweise<br />
verbraucht wurde.<br />
CO 2<br />
9.451 t CO 2<br />
Der Co 2<br />
-Ausstoß war 2020 eher<br />
gering, da die <strong>Bäder</strong> mehrere<br />
Monate geschlossen waren.<br />
Spitzenreiter bei den Werten<br />
ist aufgrund ihrer Größe stets<br />
die SSE – kein anderes Bad<br />
verbraucht so viel Energie.<br />
676.000 m 3<br />
Wasser<br />
Viele Becken, viel<br />
Wasser: Jeder Badegast<br />
verbraucht im Schnitt<br />
145 Liter Wasser pro<br />
Besuch. Da 2020 wegen<br />
Corona weniger Besucher<br />
kamen, war der Wasserverbrauch<br />
vergleichsweise<br />
gering. Er lag um fast<br />
50 Prozent unter dem<br />
Wert von 2019.<br />
26.779 MWh<br />
Strom<br />
Der Stromverbrauch bei<br />
den BBB ist erwartungsgemäß<br />
hoch – Strom wird<br />
unter anderem für die<br />
Wasseraufbereitung und<br />
die Beleuchtung in den<br />
<strong>Bäder</strong>n benötigt. Sämtliche<br />
Zählerstände in den<br />
<strong>Bäder</strong>n werden monatlich<br />
abgelesen und der<br />
Verwaltung gemeldet.<br />
Die Einkaufsabteilung<br />
Statistisch gesehen wurden bei den <strong>Berliner</strong> <strong>Bäder</strong>-<strong>Betriebe</strong>n AN JEDEM<br />
ARBEITSTAG DES JAHRES 2020 GENAU 18 MATERIAL-BESTELLUN-<br />
GEN AUFGEGEBEN mit jeweils vier Positionen – also vier verschiedenen<br />
Artikeln. Macht pro Arbeitstag 72 Positionen und 2020 insgesamt 4.646 Bestellungen<br />
mit 18.319 Positionen. GESAMTWERT: RUND 9,2 MILLIONEN<br />
EURO. Ein Jahr zuvor waren es 9,4 Millionen Euro. ZEHN MITARBEITERIN-<br />
NEN UND MITARBEITER hat die Einkaufsabteilung der BBB. Die Männer und<br />
Frauen kümmern sich um Einkäufe, aber auch um die Vergabe von Aufträgen für<br />
die Instandsetzung oder Sanierung von <strong>Bäder</strong>n. Die Einkaufsabteilung ist Teil der<br />
BBB-Verwaltung und hat ihren Sitz am Sachsendamm in Berlin-Schöneberg.<br />
4.530<br />
Bestellungen für Lieferungen und<br />
Leistungen<br />
3.429<br />
Bestellungen für Bau- und<br />
Planungsleistungen<br />
190<br />
Vergabeverfahren für Lieferungen/<br />
Leistungen sowie Bau- und<br />
Planungsleistungen<br />
Heizung<br />
63.000 MWh<br />
Mindestens 26 bis 28 Grad warm ist es<br />
in Hallenbädern. Der Bedarf an Heizwärme<br />
ist daher vergleichsweise hoch.<br />
22.000 MWh Gas<br />
Viele Becken werden mit Fernund<br />
Nahwärme erwärmt, einige<br />
aber auch mit Gas – im Stadtbad<br />
Mitte oder im Sommerbad<br />
Kreuzberg.<br />
247 Heiztage<br />
Um den Betrieb nach dem<br />
Lockdown möglichst zügig<br />
starten zu können, wurden die<br />
<strong>Bäder</strong> im Standby gehalten.<br />
Das erklärt die vielen Heiztage.<br />
Seite 62
Cl 500 kg<br />
140 Fässer<br />
Chlorgas<br />
Zur Desinfektion des Wassers<br />
wird Chlorgas zugesetzt. In<br />
Freibädern ist der Bedarf<br />
höher, da Chlor durch Sonneneinstrahlung<br />
abgebaut wird.<br />
Cl<br />
65<br />
kg<br />
457 Chlorgas-<br />
Flaschen<br />
Chlorgas-Flaschen werden<br />
vor allem in Schwimmhallen<br />
benötigt. Der typische<br />
Geruch entsteht übrigens<br />
erst durch Verunreinigung<br />
des Wassers.<br />
NaHCO₃<br />
Wer in einem Bad arbeitet,<br />
hat zu Beginn Anspruch<br />
auf eine Grundausstattung<br />
an Dienstbekleidung; alle<br />
18 Monate kann dann aus<br />
einem festgelegten Budget<br />
neue Kleidung ausgewählt<br />
werden. In jedem Bad gibt<br />
es die blauen Überziehschuhe;<br />
sie sind Pflicht<br />
für Besucher, damit diese<br />
nicht mit schmutzigen<br />
Straßenschuhen durch das<br />
Bad laufen.<br />
Cl<br />
15.120 kg<br />
Chlorbleichlauge ist<br />
flüssiges Chlorgas und<br />
wird dort benötigt, wo<br />
Wasser ohne Aufbereitungsanlage<br />
zugeführt<br />
wird – wie in kleinen<br />
Saunatauchbecken.<br />
114.390 kg<br />
Natronlauge<br />
Chlorgas macht aus Wasser eine<br />
säurehaltige Flüssigkeit – um den<br />
pH-Wert zu neutralisieren, muss<br />
Natronlauge zugesetzt werden.<br />
963 Stück<br />
A3<br />
1.821 Stück<br />
1.455 Stück<br />
Aktenordner<br />
Papierloses Büro: Der Verbrauch<br />
von Aktenordnern<br />
ist stark rückläufig, vor<br />
allem Bau- und Finanzabteilung<br />
benötigen sie noch.<br />
A4<br />
97.500 Blatt<br />
Recyclingkopierpapier<br />
A3<br />
Darf’s ein bisschen größer<br />
sein? – Aushänge für die<br />
Kundinnen und Kunden<br />
sowie Dienstpläne werden<br />
auf A3-Papier gedruckt<br />
oder kopiert.<br />
771 Stück<br />
16.600 Stück<br />
Büroklammern<br />
Wo ein Schreibtisch ist, sind<br />
Büroklammern nicht weit.<br />
Hier sinkt der Bedarf<br />
spürbar. Manchmal werden<br />
sie auch verbogen.<br />
770.000 Blatt Recyclingkopierpapier<br />
A4<br />
Der Bedarf an A4-Kopier-Papier ist in<br />
den vergangenen <strong>Jahre</strong>n spürbar gesunken<br />
– unter anderem, weil kaum<br />
noch Faxgeräte benutzt werden.<br />
574 Stück<br />
8.500 Stück<br />
Seite 63
Ohne Sie wären wir nicht(s) – Teil III<br />
SIE BIETEN HOCHLEISTUNGSSPORT, RETTEN LEBEN<br />
ODER BRINGEN ANDEREN DAS SCHWIMMEN BEI: DIE<br />
SCHWIMMVEREINE SIND SO VIELFÄLTIG WIE ZAHLREICH<br />
E<br />
twa 2.100 Sportvereine sind von<br />
der <strong>Berliner</strong> Senatsverwaltung<br />
für Inneres und Sport als förderungswürdig<br />
anerkannt – ihre<br />
Mitglieder dürfen <strong>Berliner</strong> Sportplätze,<br />
Turnhallen und <strong>Bäder</strong> kostenfrei<br />
nutzen. Etwa 220 Vereine mit mehreren<br />
tausend Mitgliedern trainieren derzeit<br />
in den <strong>Berliner</strong> <strong>Bäder</strong>n. Darunter finden<br />
sich reine Schwimmvereine, aber auch<br />
Taucher, Wasserballer und Unterwassersportler.<br />
Sehr erfolgreich sind die WASSER-<br />
FREUNDE SPANDAU 04, die mehrfach<br />
Deutsche Wasserballmeister wurden<br />
und in der Lehrschwimmhalle Schöneberg<br />
trainieren. Auf den nachfolgenden<br />
Seiten stellen wir drei Vereine vor, die in<br />
den Schwimmhallen der BBB trainieren.<br />
Die Sport- und Lehrschwimmhalle<br />
Schöneberg am Sachsendamm ist<br />
die Heimstatt der Wasserfreunde<br />
Spandau 04.<br />
Allein 72 Vereine mit insgesamt fast<br />
<strong>25</strong>.000 Mitgliedern sind beim <strong>Berliner</strong><br />
Schwimm-Verband gemeldet. In den<br />
<strong>Bäder</strong>n trainieren aber auch die ehrenamtlich<br />
tätigen Rettungsschwimmer der<br />
gemeinnützigen Organisationen Arbeiter-Samariter-Bund<br />
(ASB), Deutsche-Lebens-Rettungs-Gesellschaft<br />
(DLRG) und<br />
Deutsches Rotes Kreuz (DRK) – allerdings<br />
nur während der kalten <strong>Jahre</strong>szeit.<br />
In den Sommermonaten sorgen sie an<br />
den <strong>Berliner</strong> Seen und Flüssen für die<br />
Sicherheit der Badenden.<br />
Seite 64
Urlaub für die Beine<br />
Einer der Tauchvereine, die in Berlins <strong>Bäder</strong>n<br />
üben, ist der 1. BERLINER INKLU-<br />
SIONS-TAUCHCLUB E. V., gegründet<br />
2015 von Alfred-Georg Anlauf. Als erster<br />
und bislang einziger Club ermöglicht<br />
er es Menschen mit Behinderungen zu<br />
tauchen. Trainiert wird immer samstags<br />
im Stadtbad Wilmersdorf II und dienstags<br />
im Kombibad Seestraße in Wedding.<br />
„Unter Wasser sieht man<br />
die Behinderung nicht.“<br />
Um das Zusammenspiel von Atmung, Bewegung<br />
und Technik zu erlernen, eignet<br />
sich das Becken besser als ein Freigewässer.<br />
Unterstützung benötigen die behinderten<br />
Mitglieder vor allem beim An- und<br />
Ausziehen der schweren Ausrüstung.<br />
Gerald Scholl (41), der nach einem Unfall<br />
seine Beine nicht mehr bewegen kann<br />
und im Rollstuhl sitzt, stieß im Internet auf<br />
den Verein. Ihm war sofort klar, dass das<br />
fehlende Gewicht im Wasser befreiend<br />
wirkt. Die Beine werden ohne besonderen<br />
Kraftaufwand hinterhergezogen, sie<br />
sind „wie auf Urlaub“. So beschreibt er<br />
das Gefühl, das er unter Wasser hat. Das<br />
bestätigt auch Andreas Pergande (65),<br />
der ebenfalls im Rollstuhl sitzt: „Man fühlt<br />
sich wie nicht behindert, weil man die Behinderung<br />
unter Wasser nicht sieht. Dort<br />
sind wir alle gleichberechtigt.“ Mit einem<br />
Tauchscooter, einem kleinen motorbetriebenen<br />
Unterwasserfahrzeug, mache<br />
Rechts: Im Wasser<br />
wirkt das fehlende<br />
Gewicht regelrecht<br />
befreiend auf den<br />
Querschnittsgelähmten.<br />
Unten: Der Inklusionstauchklub<br />
wurde 2015<br />
gegründet, trainiert<br />
wird im Stadtbad<br />
Wilmersdorf.<br />
es richtig Spaß, freut sich Gerald Scholl<br />
über die Neuanschaffung, die die „Aktion<br />
Mensch“ ermöglicht hat.<br />
Ein weiteres Vereinsmitglied ist die<br />
Internistin Yasmin-Isabelle Kelnar. Für<br />
die 49-jährige <strong>Berliner</strong>in ist das Tauchen<br />
nach ihrer stressigen Arbeit eine Art<br />
Tiefenentspannung, ihr Yoga. Nebenbei<br />
ist sie auch Tauchmedizinerin und Tauch-<br />
lehrerin, mit einer Zusatzausbildung für<br />
Kinder und Behinderte.<br />
Für Lydia Möller (56) war Inklusion ebenfalls<br />
ein Grund, sich dem Verein anzuschließen.<br />
Die Berufsschullehrerin für Agrarwissenschaft:<br />
„Wir sind alle ebenbürtig.<br />
Die Behinderung spielt beim Tauchen nur<br />
eine untergeordnete Rolle. Wir spielen<br />
unter Wasser sogar Frisbee oder Jenga.“<br />
Seite 65
Hohe Anforderung für Lebensretter<br />
Nach 1,5 Stunden im Wettkampfbecken<br />
der Schwimm- und Sprunghalle im Europasportpark<br />
(SSE) ist Doro Schürmann<br />
die Erleichterung anzumerken: „Ich hab’<br />
Tieftauchen geschafft und Strecke — die<br />
Welt ist in Ordnung.“ Zusammen mit zehn<br />
weiteren Schwimmerinnen und Schwimmern<br />
hat sie jetzt bereits einen Teil der<br />
für die Rettungsschwimmer-Prüfung vorgeschriebenen<br />
Aufgaben gemeistert. Nun<br />
kommen die Befreiungsgriffe an die Reihe.<br />
Rettungsschwimmer und Rettungsschwimmerinnen<br />
müssen nämlich nicht<br />
nur Kraul-, Brust- und Rückenschwimmen<br />
beherrschen, sondern sich auch<br />
mit Griffen aus einer Umklammerung<br />
befreien können. Ertrinkende klammern<br />
sich in Panik oft an ihre Rettenden oder<br />
würgen sie sogar. Trainiert werden auch<br />
das Schwimmen mit Kleidung sowie der<br />
„Kreuzhebegriff“, mit dem ein Mensch<br />
aus dem Becken gezogen werden kann.<br />
Ausbildungsleiter Mike Deckert, der an<br />
diesem Montagabend die Prüflinge betreut,<br />
verfolgt alle Übungen mit strengem<br />
Blick. „Am Ende sollen die Teilnehmenden<br />
Menschen aus brenzligen Situationen<br />
retten können. Da müssen auch<br />
die Befreiungsgriffe kraftvoll und sicher<br />
beherrscht werden“, erläutert er. Der<br />
38-jährige Wirtschaftsinformatiker kam<br />
schon als Jugendlicher zum ARBEITER-<br />
SAMARITER-BUND (ASB). Seit mehr<br />
als 23 <strong>Jahre</strong>n engagiert er sich dort als<br />
ehrenamtlicher Rettungsschwimmer. Seit<br />
2016 ist er auch Ausbilder beim ASB.<br />
„Am Ende sollen Menschen<br />
aus brenzligen<br />
Situationen gerettet<br />
werden können.“<br />
Wer Menschen retten<br />
will, muss üben:<br />
Dazu gehören die<br />
Herzdruckmassage<br />
(oben links), das<br />
Heraufholen schwerer<br />
Gegenstände<br />
(oben rechts) und<br />
der Kreuzhebegriff<br />
(unten).<br />
Jonathan Krainhöfner, Referendar mit<br />
den Fächern Sport und Physik an einem<br />
Gymnasium in Lichtenberg, schafft an<br />
diesem Abend sein Rettungsschwimmer-Abzeichen<br />
in Silber. Magdalena<br />
Freischlad hatte mit dem ersten Teil der<br />
Prüfung bereits im Jahr 2020 gestartet.<br />
Dann kam Corona dazwischen, und die<br />
<strong>Bäder</strong> waren monatelang geschlossen.<br />
Jetzt hat die Doktorandin die Prüfung<br />
komplett absolviert und ebenfalls ihren<br />
Rettungsschwimmpass mit dem Rettungsschwimmabzeichen<br />
Silber erhalten:<br />
„Wer viel Wassersport macht, sollte auch<br />
wissen, wie man Menschen im Notfall<br />
rettet“, sagt sie.<br />
Seite 66
Gutes Schwimmen will gelernt sein<br />
In der großen Halle des Stadtbades<br />
Neukölln läuft der Kurs Stilverbesserung.<br />
Daniela von Hoerschelmann steht am<br />
Beckenrand und dirigiert ihre Schützlinge<br />
im Wasser. Sie ist ehrenamtliche Trainerin<br />
der SCHWIMMGEMEINSCHAFT<br />
(SG) NEUKÖLLN. Mit schnellem Blick<br />
erkennt sie, wenn zum Beispiel beim<br />
Brustschwimmen die Beine zu weit unten<br />
sind oder der Kopf zu starr über dem<br />
Wasser gehalten wird. Lautstark und mit<br />
vollem Körpereinsatz zeigt sie, was die<br />
Teilnehmerinnen und Teilnehmer anders<br />
machen sollen. – Gutes Schwimmen will<br />
gelernt sein. Ziel ist es, mit möglichst<br />
wenig Kraftverlust schnell vorwärts zu<br />
kommen. „Mir ist vor allem wichtig, dass<br />
die Schwimmer nichts lernen, was ihrer<br />
Gesundheit schadet“, sagt die 54-jährige<br />
Trainerin. Einige hätten versucht, sich<br />
über YouTube-Videos das Kraulen beizubringen.<br />
Oft würden dabei aber falsche<br />
Bewegungsabläufe einstudiert.<br />
Für Martina Jacob hat das wöchentliche<br />
Üben schon viel gebracht: „Rückenschwimmen<br />
konnte ich vorher nur kaulquappenartig“,<br />
sagt die 61-Jährige. „Und<br />
beim Brustschwimmen habe ich gelernt,<br />
wie toll man im Wasser gleiten kann.“ Sie<br />
ist vor eineinhalb <strong>Jahre</strong>n der SG Neukölln<br />
beigetreten, dem mit mehr als 4.400 Mitgliedern<br />
größten Schwimmverein Berlins.<br />
Der Verein nutzt im Sommer das Sportbad<br />
Britz, im Winter wird hauptsächlich<br />
im Kombibad Gropiusstadt trainiert.<br />
Etwa drei Viertel der Vereinsmitglieder<br />
sind Breitensportler, ein Viertel Leistungssportler.<br />
Daniela von Hoerschelmann ist<br />
schon lange dabei. Die gebürtige Britzerin<br />
hat das Schwimmen bereits vor ihrer<br />
Schulzeit gelernt, damals im Stadtbad<br />
„Manche haben versucht,<br />
sich über YouTube-<br />
Videos das Kraulen<br />
beizubringen.“<br />
Neukölln und beim Verein für Körperkultur<br />
Berlin Südwest in Lichterfelde, wo<br />
ihr Vater Schwimmwart war. Heute hat sie<br />
allerdings nur noch wenig Zeit, selbst zu<br />
schwimmen. Neben den Kursen für den<br />
Verein unterstützt sie an zwei Tagen pro<br />
Woche das Schulschwimmen. Mit ihrem<br />
Verein „Neuköllner Schwimmbär“, einem<br />
Projekt zur Wassergewöhnung, nimmt<br />
sie seit 2014 vor allem Zweitklässlern die<br />
Angst vor dem Wasser und bereitet sie<br />
auf das Schulschwimmen in der 3. Klasse<br />
vor. Dadurch konnte die Nichtschwimmer-Quote<br />
an den Neuköllner Schulen<br />
deutlich gesenkt werden.<br />
Beim Kurs Stilverbesserung geht es<br />
um das richtige Schwimmen. Trainerin<br />
Daniela von Hoerschelmann zeigt, wie<br />
es gemacht wird.<br />
Seite 67
KLAMME KASSEN<br />
LIEB UND TEUER. DAS SAGT SICH SO LEICHT. BEI DEN BERLINER<br />
BÄDERN GING ES IMMER AUCH DARUM, WER AM ENDE DIE RECHNUNG<br />
BEZAHLT. 2002 KAM ES BESONDERS DICKE<br />
H<br />
aushaltsnotstand. Für das, was<br />
im Behördendeutsch schon unschön<br />
klingt, fand der damalige<br />
Regierende Bürgermeister Klaus<br />
Wowereit eine griffige Übersetzung:<br />
„Sparen, bis es quietscht.“ 2002<br />
verabschiedeten Senat und Abgeordnetenhaus<br />
das erste Gesetz zum Haushaltsnotstand.<br />
Das Ziel: Die leeren Kassen Berlins nicht<br />
noch leerer werden zu lassen durch<br />
immer höhere Ausgaben für Zinsen und<br />
Tilgung für die Schulden der Stadt. Denn<br />
diese Last drohte, Berlin zu erdrücken.<br />
Die Stadt hatte schwer zu kämpfen in<br />
den Nachwendejahren und sich an der<br />
eigenen Landesbank finanziell verhoben.<br />
Um die Jahrtausendwende war Berlin im<br />
Grunde genommen pleite. Die Folge war<br />
das Gesetz.<br />
Kaum ein Bereich in Berlin blieb verschont.<br />
Senat, Bezirke und auch die Landesunternehmen<br />
mussten ihre Beiträge<br />
leisten. Für die gerade einmal fünf <strong>Jahre</strong><br />
alten <strong>Berliner</strong> <strong>Bäder</strong>-<strong>Betriebe</strong> bedeutete<br />
es einen gravierenden Einschnitt. Elf <strong>Bäder</strong><br />
mussten schließen, vom Hallenbad in<br />
Adlershof bis zum Stadtbad Zehlendorf.<br />
Auch Traditionsstandorte, wie die Stadtbäder<br />
Steglitz, Wedding und Kreuzberg,<br />
fielen darunter. Und auch für das erste<br />
Sommerbad Berlins im Poststadion war<br />
die Zeit abgelaufen.<br />
Vier Messlatten in Frageform hatte das<br />
Unternehmen an alle <strong>Bäder</strong>standorte gelegt,<br />
um diejenigen herauszusuchen, die<br />
geschlossen werden mussten. Die Fragen<br />
lauteten:<br />
• Ist der Instandhaltungsstau größer als<br />
eine Million Euro?<br />
• Kann eine regionale Versorgung der<br />
Nutzungsgruppen gewährleistet<br />
werden?<br />
• Beliefen sich die zwischen 1996 und<br />
2000 getätigten Investitionen auf<br />
mehr als 200.000 Euro?<br />
• Gibt es liegenschaftsspezifische<br />
Kriterien, die einer Schließung entgegenstehen?<br />
Liegenschaftsspezifische Kriterien, die<br />
eine Schließung verhinderten, waren zum<br />
Beispiel so genannte Energie-Contracting-Verträge,<br />
die das Unternehmen an<br />
den jeweiligen Standort banden. Wurden<br />
die ersten beiden Fragen mit ja und die<br />
beiden anderen mit nein beantwortet,<br />
war der Schließungskandidat gefunden.<br />
Aus heutiger Sicht mutet dieser Katalog<br />
kurios an. Denn Kriterien wie Erreichbarkeit<br />
(also Lage) oder Entwicklungschancen<br />
spielten keine Rolle. Vermutlich hat<br />
vor dem Hintergrund der damaligen Kri-<br />
senlage Berlins niemand geglaubt, dass<br />
die <strong>Berliner</strong> <strong>Bäder</strong> auch eine Perspektive<br />
haben können, etwa, weil die Wirtschaft<br />
sich erholt oder die Einwohnerzahl steigt.<br />
So hinterließ die Schließung des Hallenbades<br />
an der Wolfshagener Straße,<br />
auf dem Gelände des Sommerbades<br />
Pankow, eine große Lücke: Zwischen der<br />
Schwimmhalle am Ernst-Thälmann-Park<br />
und der Schwimmhalle in Buch gab es<br />
plötzlich kein Hallenbad mehr. Nun soll<br />
die Lücke wieder geschlossen werden<br />
mit einem Schwimmbad-Neubau, größer<br />
und aufwendiger als es das alte Hallenbad<br />
war.<br />
Das Sommerbad Poststadion befand sich<br />
in direkter Nachbarschaft zum Stadtbad<br />
Tiergarten. Auf dem zentralen Standort<br />
in Laufweite zum Hauptbahnhof betreibt<br />
heute ein privater Thermenanbieter<br />
äußerst erfolgreich das Wellness-Dorado<br />
„Vabali Spa“. Dem Potenzial des verbliebenen<br />
Stadtbads Tiergarten trägt die<br />
aktuelle Sanierung des Bauwerks Rechnung.<br />
Es soll auch wieder ein Außenbecken<br />
erhalten.<br />
Anstelle des Stadtbads Zehlendorf<br />
entstand die „Zehlendorfer Welle“, ein<br />
Einkaufszentrum mit Fitness-Center und<br />
einem <strong>25</strong>-Meter-Schwimmbecken. Das<br />
Becken sollte unter der Woche zu den Ta-<br />
Blick in die historische Halle des Stadtbades Kreuzberg.<br />
Wurde geschlossen: das Stadtbad Zehlendorf.<br />
Seite 68
ifen der <strong>Berliner</strong> <strong>Bäder</strong>-<strong>Betriebe</strong> nutzbar<br />
sein. Zuletzt war das jedoch nicht mehr<br />
sichergestellt.<br />
Noch schwerwiegender für die BBB war<br />
die Schließung des Sport- und Erholungszentrum<br />
(SEZ), das zusätzlich zu den elf<br />
<strong>Bäder</strong>n seinen Betrieb einstellen musste.<br />
Im Sommer 2002 erfuhren die Beschäftigten<br />
und die <strong>Berliner</strong>innen und <strong>Berliner</strong>,<br />
dass das beliebte Freizeitzentrum zum<br />
31. Dezember seine Pforten schließen<br />
wird.<br />
Andererseits lagen <strong>Bäder</strong>schließungen,<br />
so schmerzhaft sie im Einzelfall waren,<br />
auch auf der Hand: Mit der 1999 eröffneten<br />
Schwimm- und Sprunghalle<br />
an der Landesberger Allee hatte Berlin<br />
in ein hochmodernes Sport-Schwimmbad<br />
investiert. Die Wasserfläche in dem<br />
Neubau ist so groß wie die in acht Volksschwimmhallen.<br />
Die in der Nachbarschaft<br />
gelegene Schwimmhalle Rudolf-<br />
Seiffert-Straße musste demzufolge den<br />
Betrieb einstellen.<br />
Öffnete 1928 als erstes Sommerbad in der Mitte Berlins: das Poststadion.<br />
Und auch das SEZ war für das Land Berlin<br />
zu einer damals schwer zu nehmenden<br />
Hürde geworden. Die Sanierungskosten<br />
wurden auf rund 35 Millionen DM (ca.<br />
18 Millionen Euro) taxiert und der Betrieb<br />
musste mit gut neun Millionen DM (ca.<br />
4,5 Millionen Euro) jährlich bezuschusst<br />
werden. Das war aufgrund der Kassenlage<br />
des Landes und aus Sicht der Haushaltspolitiker<br />
nicht mehr zu stemmen.<br />
Konsolidierung lautete die Formel für die<br />
<strong>Berliner</strong> <strong>Bäder</strong>-<strong>Betriebe</strong> in dieser Situa-<br />
tion – mit weniger Standorten, aber auch<br />
weniger Besucherinnen und Besuchern.<br />
Weil gleichzeitig die Eintrittsentgelte um<br />
bis zu 41 Prozent angehoben wurden auf<br />
ein Niveau, das in etwa im Bundesdurchschnitt<br />
lag, hielt sich der Umsatzrückgang<br />
hingegen in Grenzen.<br />
Und dennoch: Es quietschte gewaltig bei<br />
den <strong>Berliner</strong> <strong>Bäder</strong>-<strong>Betriebe</strong>n, ganz so,<br />
wie von Klaus Wowereit angekündigt.<br />
Attraktion Wasserkaskade und gläserne Brücke: Schon kurz nach der Eröffnung 1981 war das SEZ ein Mekka der Freizeitgestaltung.<br />
Seite 69
Mit Tom Cruise im Stadtbad Neukölln<br />
SPIELFILM, WERBUNG, FERNSEHSHOW: FAST JEDEN TAG<br />
WERDEN BERLINER BÄDER ALS DREHKULISSE ANGEFRAGT –<br />
UND MANCHMAL SIND AUCH PROMIS DABEI<br />
W<br />
ie schön und außergewöhnlich<br />
die <strong>Berliner</strong> <strong>Bäder</strong> sind, wissen<br />
nicht nur unsere Badegäste,<br />
sondern auch die Locationscouts.<br />
So nennen sich jene<br />
Fachleute, die für Film und Fernsehen<br />
nach geeigneten Motiven und Drehorten<br />
suchen. Und eben jene Locationscouts<br />
wissen augenscheinlich auch, welch<br />
Juwel sich hinter den bisweilen recht<br />
unscheinbaren Fassaden der <strong>Berliner</strong><br />
Hallenbäder verbirgt: Durchschnittlich<br />
500 Mal pro Jahr werden die BBB<br />
angefragt, ob sie ein bestimmtes Hallenoder<br />
Freibad für Film-, Videoaufnahmen<br />
oder Fotoshootings zur Verfügung stellen<br />
können.<br />
Wenn Anfragen kommen, ob ein bestimmtes<br />
Bad für einen Film oder ein<br />
Foto als Kulisse gemietet werden kann,<br />
stellen wir zuerst die Gegenfrage: Was<br />
genau wird das? Worum geht es? – Mit<br />
diesen Fragen möchten wir sicherstellen,<br />
dass die <strong>Bäder</strong> nur für Motive verwendet<br />
werden, die mit unserer Unternehmenspolitik<br />
vereinbar sind. Meist ist das der<br />
Fall und auch schnell geklärt. Dann wird<br />
ein Vertrag geschlossen, nach dessen<br />
Unterzeichnung ein Filmteam, Fotografen<br />
oder andere Profis ins Bad dürfen. Im<br />
Gegenzug erhalten die BBB ein Entgelt<br />
von der Produktionsfirma, denn schließlich<br />
muss das Bad ja für diesen oder auch<br />
mehrere Tage geschlossen bleiben. Auch<br />
Strom- und andere Verbrauchskosten<br />
werden abgerechnet.<br />
im Gegenteil: Wir hatten Anfragen von<br />
Künstlern, die geschlossene <strong>Bäder</strong> als<br />
Teil einer Performance zeigen wollten; im<br />
Jahr 2020 drehte die Staatskapelle Berlin<br />
im Prinzenbad Teile ihres Jubiläumsfilms<br />
zum 450. Jahr ihres Bestehens, der Bezirk<br />
Steglitz-Zehlendorf nutzte Aufnahmen<br />
aus dem Strandbad Wannsee für<br />
einen Imagefilm – und eine Designerin<br />
setzte von ihr entworfene Möbel in einem<br />
Hallenbad in Szene.<br />
Ob als Motiv für Zeitschriften-Cover,<br />
Fernsehshows, Werbung oder auch<br />
internationale Filmproduktionen – es gibt<br />
kaum ein Bad, das nicht schon für Filmoder<br />
sonstige Aufnahmen genutzt wurde.<br />
Welche prominenten Schauspieler in<br />
welchem Bad gedreht haben, zeigen wir<br />
auf den nächsten Seiten.<br />
In den vergangenen <strong>Jahre</strong>n wurden zahlreiche<br />
Szenen für Kino- und Fernsehfilme<br />
in den <strong>Berliner</strong> <strong>Bäder</strong>n gedreht – darunter<br />
prominent besetzte Produktionen<br />
wie Operation Walküre mit Tom Cruise<br />
in der Hauptrolle oder Colonia Dignidad,<br />
aber auch für deutschsprachige Kinofilme<br />
wie Kokowääh, Herr Lehmann oder<br />
Fack ju Göhte.<br />
Selbst Corona hat dem Run auf unsere<br />
<strong>Bäder</strong> keinen Abbruch getan, ganz<br />
Seite 70
Tom Cruise war der wohl bekannteste<br />
Schauspieler, der bei den BBB gedreht<br />
hat. Der Kinofilm Operation Walküre über<br />
das Hitler-Attentat entstand 2007 unter<br />
anderem im Stadtbad Neukölln.<br />
2005 wurde die SSE zum Austragungsort<br />
des TV Total Turmspringens (ProSieben)<br />
von und mit Stefan Raab, bei dem sich<br />
Prominente vom Sprungturm stürzten.<br />
Seite 71
Daniel Brühl und Emma<br />
Watson drehten 2015<br />
im Stadtbad Tiergarten<br />
Szenen des überfluteten<br />
Tunnels für den Kinofilm<br />
Colonia Dignidad, der<br />
von einer Sekte in Chile<br />
handelt.<br />
Mehr als sieben<br />
Millionen Kinobesucher<br />
hatte Fack ju Göhte, eine<br />
deutsche Produktion<br />
mit Karoline Herfurth<br />
und Elyas M’Barek,<br />
die unter anderem<br />
in der Sport- und<br />
Lehrschwimmhalle<br />
Schöneberg entstand.<br />
Heidi Klum und ihre Topmodel-Bewerberinnen<br />
liefen 2010 für die Sendung<br />
Germanys Next Topmodel auf dem<br />
Laufsteg, der extra über dem Becken im<br />
Stadtbad Neukölln errichtet worden war.<br />
Seite 72
Im Sommerbad<br />
Olympiastadion<br />
entstanden Szenen<br />
für die erfolgreiche<br />
Kinokomödie Kokowääh<br />
von und mit Till<br />
Schweiger, der 2011 zur<br />
Kinopremiere mit seiner<br />
damaligen Freundin<br />
Svenja Holtmann<br />
erschien.<br />
Christian Ulmen und Detlev Buck<br />
waren 2003 die Hauptdarsteller im<br />
Kinofilm Herr Lehmann, der nach<br />
dem gleichnamigen Roman von<br />
Sven Regener unter anderem im<br />
Sommerbad Kreuzberg gedreht wurde.<br />
Barbara Schöneberger<br />
hatte im Jahr 2021 ein<br />
Fotoshooting für ihre<br />
Zeitschrift Barbara im<br />
Strandbad Wannsee.<br />
Seite 73
GROSSE PROJEKTE, GROSSE IDEEN<br />
ABGEORDNETENHAUS UND SENAT STELLEN NUN MEHR GELD ZUR<br />
VERFÜGUNG FÜR DIE BERLINER BÄDER. DAMIT KÖNNEN GROSSE<br />
PROJEKTE REALISIERT WERDEN. VIER BEISPIELE<br />
INTERIMSBÄDER<br />
Die Traglufthalle an der Weddinger Seestraße<br />
(oben) überspannt zwei 50-Meter-Becken.<br />
Die Schwimmhalle Kreuzberg (unten) ist ein<br />
Interimsbauwerk, das irgendwann wieder<br />
zurückgebaut werden soll.<br />
In Wedding steht eine der größten Traglufthallen<br />
Deutschlands. Sie überspannt<br />
die beiden 50 Meter langen Schwimmbecken<br />
des Freibadteils im Kombibad<br />
an der Seestraße. So entsteht ein Ersatz<br />
für den Wegfall der Wasserflächen im<br />
benachbarten Paracelsus-Bad und im<br />
Stadtbad Tiergarten. Dort wird saniert<br />
und modernisiert, deshalb sind beide<br />
<strong>Bäder</strong> geschlossen.<br />
Auf dem Gelände des Sommerbades<br />
Kreuzberg ist ein deutschlandweites Novum<br />
entstanden: eine Interimsschwimmhalle.<br />
Die Leichtbauhalle mit einem<br />
Tragwerk aus Aluminium ist das erste<br />
Schwimmbad, das ohne eine einzige<br />
Fliese auskommt. Das Bad soll in einigen<br />
<strong>Jahre</strong>n wieder zurückgebaut werden,<br />
wenn das benachbarte Wellenbad saniert<br />
und die Schwimmhalle Holzmarktstraße<br />
durch einen Neubau ersetzt worden ist.<br />
Seite 74
SCHWIMMHALLE<br />
HOLZMARKTSTRASSE<br />
Noch ein Novum: An der Holzmarktstraße<br />
in Friedrichshain ist eine neue<br />
Schwimmhalle geplant. Aber nicht nur<br />
das. Auf demselben Grundstück entsteht<br />
über der Schwimmhalle ein großes Wohngebäude<br />
für Studierende sowie Gewerbeflächen<br />
und Platz für ein Café.<br />
Mit diesem hybriden Gebäude wird nicht<br />
nur die dringend benötigte Kapazität an<br />
Hallenbädern in der Innenstadt vergrößert<br />
(die Becken der neuen Schwimmhalle<br />
sind in etwa doppelt so groß wie in der<br />
alten, nicht mehr betriebsfähigen Halle).<br />
Es entsteht auch dringend benötigter<br />
Wohnraum zu bezahlbaren Preisen.<br />
Um dieses Projekt zu realisieren, sind die<br />
<strong>Berliner</strong> <strong>Bäder</strong>-<strong>Betriebe</strong> eine Partnerschaft<br />
mit einem anderen Landesunternehmen<br />
eingegangen. Die Berlinovo hat<br />
unter anderem den Auftrag, Wohnraum<br />
für Studierende zu schaffen. Der zentral<br />
gelegene Neubau wird das größte Projekt<br />
dieser Art sein.<br />
Neue Landmarke an der<br />
Holzmarktstraße. Über<br />
der Schwimmhalle soll<br />
sich ein großer Wohnund<br />
Geschäftsbau<br />
erheben.<br />
Läuft alles nach Plan, werden die Kosten<br />
für den Neubau des Hallenbades ganz<br />
wesentlich getragen durch die gemeinsame<br />
Projektentwicklung von den <strong>Berliner</strong><br />
<strong>Bäder</strong>-<strong>Betriebe</strong>n und Berlinovo. Derzeit<br />
wird das Baurecht geschaffen, damit die<br />
Arbeiten bald beginnen können.<br />
Seite 75
STADTBAD TIERGARTEN<br />
Es ist ein Standort mit großem Potenzial.<br />
Das Stadtbad Tiergarten steht in Laufweite<br />
zum Hauptbahnhof, rundherum<br />
entstehen neue Wohnquartiere. Und<br />
deshalb soll dieses Bad exemplarisch<br />
zeigen, was aus einem Typen-Schwimmbad<br />
der 1980er-<strong>Jahre</strong> alles gemacht<br />
werden kann.<br />
Das Hallenbad war ein dringender<br />
Kandidat für eine Grund-Instandsetzung.<br />
Die Arbeiten begannen 2019. Weil aber<br />
bei Sanierung und Modernisierung auch<br />
Potenziale der <strong>Berliner</strong> <strong>Bäder</strong> stärker<br />
berücksichtigt werden, wird umfassender<br />
gedacht, geplant und gebaut.<br />
Das Stadtbad Tiergarten wird bei der<br />
Wiedereröffnung deutlich attraktiver<br />
sein als vorher. Das fällt dann schon bei<br />
der Schwimmhalle auf, die eine große,<br />
wintergartenähnliche Aufweitung erhält.<br />
Das Besondere: Fenster und Türen lassen<br />
sich öffnen. So wird daraus ein Hallenbad<br />
mit Freibadfeeling. Und ein Außenbecken<br />
soll das Bad auch erhalten.<br />
Das Sprungbecken wird nicht nur<br />
instandgesetzt, sondern gleichzeitig mit<br />
einer Kletterwand ausgestattet. Diese<br />
Idee ist neu für die <strong>Berliner</strong> <strong>Bäder</strong> und<br />
steigert den Nutzwert vor allem für jüngere<br />
Gäste.<br />
Für die jüngsten Badegäste wird ebenfalls<br />
gesorgt, durch ein deutlich schöneres<br />
Kleinkindbecken und einen Extrabereich<br />
in der Schwimmbadgastronomie. Hier<br />
wird Platz geschaffen für ausgelassene<br />
Kindergeburtstage und andere Feste.<br />
Liegestühle und<br />
ein Wintergarten<br />
(oben) ergänzen<br />
die Schwimmhalle.<br />
Das Sprungbecken<br />
(links) erhält eine<br />
Kletterwand für<br />
mehr Spaß im<br />
Stadtbad.<br />
Seite 76
WELLENBAD AM SPREEWALDPLATZ<br />
Ein Unikum ist es schon jetzt, und das<br />
nicht nur wegen seiner Lage in Kreuzberg<br />
am ehemaligen Görlitzer Bahnhof. Einzigartig<br />
ist das Bad am Spreewaldplatz, weil<br />
es das mit dem einzigen Wellenbecken<br />
Berlins ist. So bildet das Wellenbad wie<br />
kein zweites das Segment des Freizeitbadens<br />
unter den <strong>Berliner</strong> Hallenbädern ab.<br />
Ein Unikum soll es bleiben. Auch wenn<br />
die Fotos anderes suggerieren: das Bad<br />
ist ein schwerer Sanierungsfall. Seit 1987<br />
ist es ununterbrochen in Betrieb. Es muss<br />
dringend baulich und technisch instandgesetzt<br />
werden, damit es weiter betrieben<br />
werden kann. Das gilt vor allem für<br />
die Abdichtung des Gebäudes, die Badewassertechnik,<br />
die Lüftung und Heizung<br />
– kurz für das gesamte Bauwerk. Auch<br />
die Spiel- und Spaßattraktionen sollen<br />
moderner und zeitgemäßer werden.<br />
Ein Unikum ist die Architektur des<br />
Schwimmbades, das teilweise mit dem<br />
zu einem Hügel aufgetürmten Erdreich<br />
des benachbarten Parks eine Einheit<br />
bildet und so auch architektonisch eine<br />
Verbindung zwischen natürlichem und<br />
gebautem Raum darstellen soll. Die Bauarbeiten<br />
sollen 2022 beginnen und werden<br />
mindestens drei <strong>Jahre</strong> dauern. Ein<br />
Unikum komplett zu sanieren, braucht<br />
eben auch Zeit.<br />
Volles Haus. Damit das Wellenbad so<br />
beliebt bleibt wie auf diesen Fotos,<br />
muss es dringend grundsaniert und<br />
modernisiert werden.<br />
Seite 77
VISIONEN FÜR DIE NÄCHSTEN <strong>25</strong> JAHRE<br />
DA STECKT VIEL DRIN: MIT IHRER STRATEGIE ENTWERFEN<br />
DIE BERLINER BÄDER-BETRIEBE EINEN WEG FÜR DIE<br />
BÄDERLANDSCHAFT DER ZUKUNFT<br />
W<br />
ie keine andere Stadt in<br />
Deutschland entwickelt sich<br />
Berlin dynamisch. In den<br />
Nachwendejahren zeigte die<br />
Kurve nach unten – weniger<br />
Einwohner, weniger Arbeitsplätze,<br />
schwierige Haushaltslage. Seit einigen<br />
<strong>Jahre</strong>n hat sich der Trend völlig umgekehrt<br />
– es ziehen mehr Menschen<br />
zu, Arbeitsplätze entstehen in zukunftsfähigen<br />
Branchen und die Stadt braucht<br />
Perspektiven: nicht nur visionär, sondern<br />
auch infrastrukturell. Das bezieht auch<br />
die <strong>Berliner</strong> <strong>Bäder</strong> ein.<br />
Landauf, landab haben deutsche Städte<br />
spätestens in den 1950er-<strong>Jahre</strong>n damit<br />
begonnen, sogenannte <strong>Bäder</strong>pläne zu<br />
entwerfen bzw. fortzuschreiben: Wo<br />
entsteht zusätzlicher Bedarf? Wo ist die<br />
Verkehrsanbindung besonders günstig,<br />
um <strong>Bäder</strong> auszubauen oder neu zu errichten?<br />
In Berlin gab es einen solchen <strong>Bäder</strong>plan<br />
für die gesamte Stadt nicht. Das ist eine<br />
Seite 78<br />
logische Folge der Teilung, aber auch<br />
der Tatsache geschuldet, dass für die<br />
<strong>Bäder</strong> im Westteil der Stadt die Bezirke<br />
verantwortlich zeichneten. Diese planten<br />
die Versorgung innerhalb ihrer Bezirksgrenzen<br />
und meldeten ihren Bedarf für<br />
die Investitionsplanung des Landes an.<br />
Seit der Gründung der <strong>Berliner</strong> <strong>Bäder</strong>-<strong>Betriebe</strong><br />
ist wieder eine gesamtstädtische<br />
Sicht auf die <strong>Bäder</strong>entwicklung gesichert.<br />
2015 erstellten die BBB unter der Überschrift<br />
„<strong>Bäder</strong>konzept 20<strong>25</strong>“ erstmals<br />
eine Vision für eine verbesserte Versorgung<br />
durch moderaten Neubau von<br />
<strong>Bäder</strong>n und verfolgten dafür das Konzept<br />
sogenannter Multifunktionsbäder.<br />
Jetzt haben die BBB dieses Konzept<br />
weiterentwickelt und eine Strategie für<br />
die <strong>Bäder</strong> entworfen. Das ist nötig, um<br />
das Unternehmen organisatorisch auszurichten<br />
und um die skizzierte Entwicklung<br />
auch stemmen zu können. Außerdem ist<br />
die Strategie nötig, damit die BBB ihrem<br />
Versorgungsauftrag auch in Zukunft ge-<br />
Oben: In Spandau ist die Erweiterung des<br />
Kombibades um eine wasserballtaugliche<br />
Mehrzweck-Schwimmhalle geplant.<br />
Unten: Das Kinderbad Platsch in Marzahn<br />
soll nicht mehr das einzige Freibad in dem<br />
Bezirk bleiben.
echt werden können. Denn: die Unternehmensstrategie<br />
hat gezeigt: Ohne eine<br />
Weiterentwicklung der <strong>Bäder</strong>landschaft<br />
Berlins ist dieser Versorgungsauftrag<br />
in Gefahr. Und mögliche Potenziale für<br />
das Unternehmen können nicht ausgeschöpft<br />
werden.<br />
Ein Beispiel: Die Zahl der Kundinnen<br />
und Kunden, die ihren Eintritt bezahlen,<br />
stagniert seit einigen <strong>Jahre</strong>n bei etwa<br />
vier Millionen pro Jahr. Möglich und<br />
realistisch sind aber sechs Millionen. Das<br />
haben Marktforschungen im Auftrag der<br />
BBB ergeben. Die Weiterentwicklung<br />
der <strong>Bäder</strong>landschaft ist also nötig und<br />
wichtig. Das sieht auch die Landespolitik<br />
so und unterstützt diesen Kurs. Die neue<br />
Koalition bekennt sich in ihrem Koalitionsvertrag<br />
zu den Zielen der Strategie<br />
und damit zum Ausbau der <strong>Bäder</strong>.<br />
Eckpunkte der Strategie lassen erkennen:<br />
Die BBB haben noch viel vor. In Pankow<br />
und Mariendorf sollen die geplanten Multifunktionsbäder<br />
vorangetrieben werden.<br />
Das sind <strong>Bäder</strong>, die nach dem Prinzip<br />
funktionieren: unterschiedliche Becken<br />
für unterschiedliche Nutzungen. Statt<br />
also eines großen Schwimmbeckens für<br />
alle, wird es mehrere geben: für Schwimmerinnen<br />
und Schwimmer; für fröhliches<br />
Familienbaden; für Gäste, die an einem<br />
Das Kombibad Mariendorf soll durch den Neubau eines Multifunktionsbades ersetzt werden.<br />
Kurs teilnehmen etc. Das Prinzip Multifunktionsbad<br />
sichert eine höhere Zufriedenheit<br />
der Kundinnen und Kunden, weil<br />
alle ihren Platz im Bad finden, ohne sich<br />
von anderen gestört zu fühlen.<br />
Perspektivisch soll es auch eine Erweiterung<br />
des Kombibades Spandau-Süd<br />
geben. Hier entsteht eine Schwimmhalle,<br />
die auch für Profi-Wasserballspiele<br />
geeignet ist und neue Heimstatt für die<br />
„Wasserfreunde Spandau 04“ sein wird.<br />
Und in Hellersdorf, am Kienberg, ist<br />
ebenfalls ein Kombibad, bzw. ein Multifunktionsbad<br />
geplant. Damit soll nicht<br />
nur dem Wunsch der Menschen in Marzahn<br />
und Hellersdorf nach einem Freibad<br />
entsprochen werden, sondern auch die<br />
Synergieeffekte zu der Seilbahn und den<br />
Anlagen der benachbarten Gärten der<br />
Welt nutzen.<br />
Der Kurs ist klar: Nach den <strong>Jahre</strong>n der<br />
Konsolidierung sollen die <strong>Bäder</strong> sich<br />
Stück für Stück weiterentwickeln. Zum<br />
ersten Mal seit der Gründung der BBB<br />
gibt es eine Vision für die <strong>Berliner</strong> <strong>Bäder</strong>,<br />
die weit trägt; mindestens noch einmal<br />
<strong>25</strong> <strong>Jahre</strong>.<br />
Ein zweites Multifunktionsbad ist als Erweiterung des Angebots im Sommerbad Pankow vorgesehen.<br />
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IMPRESSUM<br />
Hausgeberin:<br />
<strong>Berliner</strong> <strong>Bäder</strong>-<strong>Betriebe</strong><br />
Anstalt öffentlichen Rechts<br />
Sachsendamm 2-4<br />
10829 Berlin<br />
www.berlinerbaeder.de<br />
V.i.S.d.P.:<br />
Dr. Matthias Oloew<br />
Redaktion:<br />
Claudia Blankennagel<br />
Martina van der Wehr<br />
Layout und Grafik:<br />
Goscha Nowak<br />
Texte:<br />
Claudia Blankennagel<br />
Matthias Oloew<br />
Brigitte Schmiemann<br />
Martina van der Wehr<br />
Seite 80<br />
Korrektorat:<br />
Kristina Pomplun<br />
Karin Reinemann<br />
Fotonachweise:<br />
Adobe Stock, Spectral-Design: S. 70<br />
Alamy Stock Foto: Frank Hempel<br />
(S. 71 unten); All Star Picture Library<br />
(S. 71 oben); Majestic/Iris Productions<br />
(S. 72 oben), Mathias Bothor Assmann<br />
(S. 72 Mitte), WENN (S. 72 unten), Peter<br />
Röther (S. 73 oben), Archives du 7e Art<br />
Collection (S. 73 Mitte), Peter Röther<br />
(S. 73 unten<br />
Andreas Labes: Cover, S. 2, 3, 4, 5,<br />
8, 9, 10, 11, 18, 19, 20, 27, 28, 29, 30<br />
oben, 31, 32, 33, 34, 35, 36, 37, 40 41,<br />
42, 43, 50, 51, 56, 57, 58, 59, 60, 61,<br />
65, 66, 67<br />
BBB: S. 7, 23, 38 unten, 39 ganz unten<br />
rechts, 45 oben, 45 unten rechts, 46<br />
unten rechts, 53 oben, 53 Mitte, 68<br />
rechts, 69 oben<br />
bpk/Lutz Braun S. 21 oben<br />
Bundesarchiv, 183-Z0318-032, Zentralbild:<br />
S. 69 unten<br />
David Heerde: S. 39 unten links, 46<br />
oben, 46 unten links, 54 Mitte<br />
Elke Jung-Wolff: S. 6, 12, 13, 14, 15,<br />
16, 17, 26, 30 unten, 39 unten rechts,<br />
39 ganz unten links, 44, 45 unten links,<br />
47, 52, 53 unten, 54 Mitte, 55 oben, 55<br />
unten, 55 links, <strong>Bäder</strong>motive S. 71-73,<br />
74, 77, 78 unten, 79<br />
Eller+Eller Architekten: S. 75<br />
Heimatmuseum Zehlendorf: S. 22<br />
Imago Images/Camera 4: S. 38 oben<br />
Jackie Baier: S. 55 Mitte<br />
Oliver Wolff: S. 1, 39 ganz oben rechts,<br />
39 oben, 54 Mitte<br />
Planteam Ruhr: S. 78 oben<br />
Studio Gollwitzer Architekten: S. 76<br />
Tipi am Kanzleramt: S. 39 ganz oben<br />
links<br />
Wasserfreunde Spandau 04: S. 64<br />
Wikipedia: S. 21 unten<br />
Wikipedia/Klamueller: S. 68 links