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Narrenschiff - Info-DIREKT Ausgabe 41

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Interview

Weißrusslands Sichtweise auf

die aktuelle Migrationskrise

an der Grenze zu Polen

Fotos aus dem Archiv von Konstantin Pridybailo, Russia Today (RT)

Perspektivenwechsel: Dieses Info-DIREKT-Interview mit dem

weißrussischen Politologen Alexander Schpakowski zeigt, wie

das Vorgehen der EU in Weißrussland wahrgenommen wird

Bilder: Blick von

Weißrussland aus über

die mit Stacheldraht

bewehrte, von

Sicherheitskräften

bewachte und mit

Wasserwerfern verteidigte

Grenze nach Polen.

Es kann

doch nicht von

uns verlangt

werden, die

Außengrenze

jener EU zu

schützen, die

mit Sanktionen

versucht, unsere

Wirtschaft zu

zerstören.

Seit dem Sommer 2021 haben sich die illegalen Grenzübertritte von Migranten aus

Krisenregionen wie Irak, Afghanistan und Syrien über Weißrussland in die EU vervielfacht.

Beinahe alle Politiker und Medien sprechen seither davon, dass Weißrussland

Flüchtlinge instrumentalisiere, um sich an der EU zu rächen und den Westen zu erpressen. Um

eine weitere Perspektive in die einseitig geführte Diskussion einzubringen, hat Info-DIREKT in

der weißrussischen Hauptstadt Minsk bei Alexander Schpakowski nachgefragt, wie der aktuelle

Konflikt in Weißrussland gesehen wird. Das Interview mit Alexander Schpakowski haben

wir per E-Mail geführt und aus dem Russischen ins Deutsche übersetzt.

Info-DIREKT: Herr Schpakowski, wie stellt

sich die Migrationskrise zwischen der EU und

Weißrussland aus Ihrer Sicht dar?

Alexander Schpakowski: An der Grenze von

Belarus zur EU ist eine gefährliche Zuspitzung

zu beobachten. Anstatt wie früher gemeinsam

mit Weißrussland den Grenzschutz umzusetzen,

ziehen westliche Staaten entlang der

Grenze Truppen und Spezialstreitkräfte zusammen

und unterlassen jegliche Kommunikation

mit der weißrussischen Seite. Seit den weißrussischen

Präsidentschaftswahlen im August

2020, deren Resultat die EU nicht anerkennt,

hat die EU auf Initiative Litauens einseitig alle

Kontakte zur weißrussischen Grenzschutzbehörde

unterbrochen und alle gemeinsamen

Programme eingestellt.

Info-DIREKT: Das heißt, es gab ein Abkommen

zwischen Weißrussland und der EU zum

Schutz der EU-Außengrenzen?

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Schpakowski: Ja, die Zusammenarbeit im

Grenzschutz war bisher immer ein Grundpfeiler

der

weißrussissch-europäischen Beziehungen.

Selbst in Zeiten von verstärkten

Spannungen zwischen Weißrussland und der

EU, beispielsweise als die EU Sanktionen gegen

Minsk verhängte, wurde die Zusammenarbeit

im Grenzschutz immer aufrechterhalten.

Während über die Mittelmeerroute und

die Balkanroute Millionen von Migranten in

die EU strömten, war die „weißrussische Route”

geschlossen. In der Tat beschützten weißrussische

Grenzwächter die Außengrenze

der Europäischen Union. Zudem appellierte

Minsk seit April 2021 über diplomatische Kanäle

wiederholt, aber vergeblich, an die „europäischen

Partner”, die Zusammenarbeit im

Grenzschutz wieder aufzunehmen. Nachdem

die Appelle unbeantwortet blieben, setzte die

Republik Belarus schließlich das Abkommen

zur Wiederaufnahme von Migranten mit der

Europäischen Union aus und entsagte sich

damit der Verpflichtung, Migranten aus der

EU aufzunehmen und in ihre Herkunftsländer

zurückzuführen. Ein zusätzlicher Faktor waren

auch die Wirtschaftssanktionen der EU gegen

Weißrussland, welche zum Ziel haben, die

Schlüsselindustrien des Landes zu schädigen.

Der weißrussischen Fluglinie Belavia wurden

sogar die Überflugrechte für die EU entzogen.

Klarerweise stieg unter diesen Bedingungen

die Bedeutung von Flugverbindungen nach

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Istanbul und in andere Destinationen des Nahen

Ostens, von wo aus verstärkt Migranten

und Flüchtlinge nach Minsk reisten, um weiter

in die Europäische Union zu gelangen. Selbstverständlich

ist Weißrussland unter diesen

Umständen weder moralisch noch rechtlich

verpflichtet, die Außengrenze der EU zu schützen.

Es kann doch nicht ernsthaft von unseren

Sicherheitsdiensten und unserer Grenzpolizei

verlangt werden, die Außengrenze genau jener

EU zu schützen, die sich unverschämt in die

inneren politischen Angelegenheiten unseres

Landes einmischt, und mit seinen Sanktionen

versucht, unsere Wirtschaft zu zerstören und

unser Volk mit Armut zu bestrafen.

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