6_2021 Leseprobe
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www.biogas.org Fachverband Biogas e.V. | ZKZ 50073 | 24. Jahrgang<br />
6_<strong>2021</strong><br />
BI<br />
GAS Journal<br />
Das Fachmagazin der Biogas-Branche<br />
Gasmarkt: Asien treibt<br />
die Preise S. 46<br />
Biomethan-Südausschrei bung –<br />
ein Meinungsbild S. 80<br />
Belgien: Gasaufbe reitung<br />
mit Tankstelle S. 104<br />
Ab Seite 52<br />
TECHNIK &<br />
INNOVATION
INHALT<br />
BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
Alles aus einer Hand -<br />
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BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
EDITORIAL<br />
Wir dämpfen die<br />
Preise bei Strom, Gas<br />
und Nährstoffen<br />
Liebe Leserinnen und Leser,<br />
die aktuellen Branchenzahlen, siehe auch<br />
Artikel ab Seite 86, lassen Licht und Schatten<br />
erkennen. Allgemein sind sie unbefriedigend,<br />
weil der Anlagenzubau seit Jahren<br />
stag niert. Ein richtiger Leistungszubau –<br />
außer im Rahmen der Flexibilisierung der<br />
Stromerzeugung – findet nicht statt. Diese<br />
Situation ist angesichts der klimapolitischen<br />
Herausforderungen nicht hinnehmbar.<br />
Der positive Lichtblick ist, dass in 2020 fast<br />
400 Megawatt flexible Leistung neu installiert<br />
worden sind. Für <strong>2021</strong> müssen wir aber<br />
einen starken Einbruch bei der zugebauten<br />
flexiblen Leistung feststellen. Dieser Einbruch<br />
lässt sich mit mangelnder Rechtssicherheit<br />
erklären. Denn wir wissen immer<br />
noch nicht, ob der neue Flexzuschlag von<br />
der EU-Kommission genehmigt wird oder<br />
nicht.<br />
Diese Situation ist sehr bedauerlich, weil<br />
der Strommarkt aktuell zeigt, dass die Flexibilität<br />
der Biogasanlagen gebraucht wird.<br />
Momentan (zu Redaktionsschluss Mitte Oktober)<br />
senken die flexiblen Biogasanlagen<br />
den Strompreis in den teuersten Stunden<br />
um rund 200 Euro pro Megawattstunde.<br />
Unsere Biogasanlagen sind zurzeit die<br />
Preissenker. Wir würden gerne noch mehr<br />
in die flexible Stromproduktion investieren,<br />
dafür benötigen wir aber wiederum Rechtssicherheit.<br />
Im Bundesverband Erneuerbare Energie<br />
e.V. haben wir eine Studie zum zukünftigen<br />
Strommarktdesign beauftragt, deren Ergebnisse<br />
im November veröffentlich werden.<br />
Darin werden Flexibilisierungsoptionen der<br />
Biogasanlagen auch in Kombination mit<br />
dem Gasnetz berücksichtigt. Erste Ergebnisse<br />
zeigen: Biogasanlagen werden für die<br />
Energiemärkte eine wichtige Rolle spielen.<br />
Wir verzeichnen aber nicht nur hohe Strom-,<br />
sondern auch Gaspreise. Durch neue Rahmenbedingungen<br />
der EU wie die RED II,<br />
die das Vergären von Gülle, Mist und Stroh<br />
begünstigt, können wir davon profitieren.<br />
Denn die konventionellen Gaspreise sind<br />
derzeit höher, als wir sie bei Biomethan je<br />
gesehen haben. Biomethan ist der Preissenker<br />
und der Einsatz von Gülle und Mist<br />
rechnet sich auch über die CO 2<br />
-Preise einmal<br />
mehr.<br />
Die Branchenakteure zeigen daher ein<br />
starkes Interesse, Biomethananlagen neu<br />
zu bauen. Wir schätzen, dass es etwa 40<br />
neue Vorhaben gibt, die sich mit der Planung<br />
beschäftigen. Im Verhältnis zu den<br />
am Netz befindlichen 235 Einspeiseanlagen<br />
und den lediglich sechs in diesem Jahr<br />
neu angeschlossenen Anlagen ist das eine<br />
beachtliche Zahl. Die Rahmenbedingungen<br />
für die Biomethanproduktion waren noch<br />
nie so gut wie heute. Wenn der vor etwa 10<br />
Jahren ursprünglich eingeschlagene Weg,<br />
100 Terawattstunden bis 2030 zu errichten,<br />
gegangen worden wäre, dann wären die<br />
aktuellen Gasmarktprobleme nicht so groß.<br />
Schatten wirft auch die letzte Biomasseausschreibung<br />
mit ihren Ergebnissen auf<br />
die Biogasproduktion.<br />
Wieder wurde die ausgeschriebene Menge<br />
nicht komplett beboten. Dadurch hat die<br />
endogene Mengensteuerung gegriffen, sodass<br />
die teuersten 20 Prozent der Gebote<br />
nicht bezuschlagt worden sind. Es wird<br />
immer deutlicher: Unter den Anlagenbetreibern<br />
herrscht eine große Unsicherheit<br />
darüber, ob wir mit dem Flexzuschlag rechnen<br />
können. Wenn wir nicht wissen, wie<br />
das EEG auszulegen ist, kann auch kein<br />
Betreiber ein Gebot abgeben. Die endogene<br />
Mengensteuerung passt überhaupt nicht<br />
ins System.<br />
Nicht nur unser Strom und unser Biomethan<br />
erfreuen sich einer regen Nachfrage, sondern<br />
auch unser Gärdünger. Der gewinnt<br />
tatsächlich aktuell auch massiv an Wert.<br />
Grund: Industrielle Stickstoffproduzenten<br />
haben infolge der massiv gestiegenen<br />
Erdgaspreise ihre Produktion gedrosselt<br />
beziehungsweise gestoppt. Industriell hergestellter<br />
Stickstoff ist teilweise gar nicht<br />
mehr zu kaufen. Nun zeigt sich, dass wir mit<br />
unserem Gärdünger ein Produkt im Betrieb<br />
haben, das sich sehr gut vermarkten lässt.<br />
Wir können Nährstoffe liefern und die Krise<br />
etwas entschärfen.<br />
Und auch im Wärmeberich wird unsere Perspektive<br />
besser. Die auf fossilen Energieträgern<br />
beruhende Wärmeversorgung wird<br />
teurer – aufgrund des Brennstoff-Emissionshandelsgesetzes<br />
und der Marktgeschehnisse.<br />
Wir können eine preiswertere Wärmeversorgung<br />
sicherstellen. Darum plädiere<br />
ich zum Beispiel im Zusammenhang mit<br />
der Biomethan-Südausschreibung dafür,<br />
in den nächsten Jahren die Mindestlaufzeit<br />
der Blockheizkraftwerke etwas anzuheben,<br />
um die Wärmeversorgung abzusichern.<br />
Angesichts der jetzigen Situation wäre das<br />
ratsam.<br />
Herzlichst Ihr<br />
Horst Seide,<br />
Präsident des Fachverbandes Biogas e.V.<br />
3
INHALT<br />
BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
18<br />
EDITORIAL<br />
3 Wir dämpfen die Preise bei Strom,<br />
Gas und Nährstoffen<br />
Von Horst Seide<br />
Präsident des<br />
Fachverbandes Biogas e.V.<br />
Beilagenhinweis: Das Biogas Journal<br />
enthält Beilagen der Firmen agrikomp und<br />
HR-Energiemanagement sowie den<br />
Ausstellerkatalog der Biogas Trade Fair<br />
vom Fachverband Biogas.<br />
AKTUELLES<br />
6 Meldungen<br />
8 Bücher & Termine<br />
10 Biogas-Kids<br />
12 Strohpellets durch die Uni Göttingen<br />
getestet<br />
Von Dipl.-Ing. agr. (FH) Martin Bensmann<br />
18 Gute Perspektiven für Biomethan und CO 2<br />
Von Dipl.-Ing. agr. (FH) Martin Bensmann<br />
22 Biogas: Ein Baustein der Dekarbonisierung<br />
Von Dierk Jensen<br />
26 Brennpunkt Düngung – Jetzt können<br />
wir Ihnen mit einer Beratung zur Seite<br />
stehen!<br />
Von M.Sc. Sophia Heinze und<br />
M.Sc. Florian Strippel<br />
30 Der neue Gas-Schlepper ist da!<br />
Von Dierk Jensen<br />
36 BIOGAS Convention & Trade Fair <strong>2021</strong><br />
MESSENEUHEITEN<br />
38 Biogas Convention_Special<br />
POLITIK<br />
46 Erdgaspreise explodieren –<br />
unter anderem wegen Asien<br />
Von Bernward Janzing<br />
50 Ampel-Koalition in spe: Grüne<br />
Welle für Biogas?<br />
Von Sandra Rostek und<br />
Dr. Guido Ehrhardt<br />
4
BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
INHALT<br />
Technik &<br />
Innovation<br />
52 Papier und Blumentöpfe<br />
aus Gärresten<br />
Von Thomas Gaul<br />
62 Für die Hautpflege: Wachse aus<br />
biogenen Reststoffen<br />
Von Dipl.-Journ. Wolfgang Rudolph<br />
68 Nährstoffspritze unters Wurzelwerk<br />
Von Wolfgang Rudolph<br />
TITELFOTO: JÖRG BÖTHLING I FOTOS: ADOBE STOCK_NORDRODEN, JÖRG BÖTHLING, MARIE-LUISE SCHALLER<br />
52 104<br />
96 Zertifizierung von Biogasanlagen<br />
Von Berenika Lewicka<br />
98 Anlagen des Monats September<br />
und Oktober<br />
VERBAND<br />
Aus der Geschäftsstelle<br />
114 „Knebelfristen“ bei der Umsetzung<br />
der Nachhaltigkeitsverordnung<br />
Von Dr. Stefan Rauh und<br />
Dipl.-Ing. agr. (FH) Manuel Maciejczyk<br />
PRAXIS<br />
76 Neue ergänzende LAI-Vollzugshinweise<br />
zum Erhalt des Formaldehydbonus<br />
veröffentlicht<br />
Von Dipl.-Ing. agr. (FH) Manuel Maciejczyk<br />
80 Biomethan-Südausschreibung<br />
Restriktiv und doch attraktiv?<br />
Von Christian Dany<br />
86 Branchenzahlen 2020 und Prognose <strong>2021</strong><br />
Biogas wird immer flexibler<br />
Von Dipl.-Ing. agr. (FH) Manuel Maciejczyk<br />
90 Von der Investruine zum Vorzeigeprojekt<br />
Von Dipl.-Journ. Wolfgang Rudolph<br />
WISSENSCHAFT<br />
100 Stroh zur Produktion von Kraftstoff<br />
Von Maria Braune, Karin Naumann<br />
und Kati Görsch<br />
INTERNATIONAL<br />
Belgien<br />
104 Erste Biogas-Hoftankstelle im Land<br />
Von EUR ING Marie-Luise Schaller<br />
Westafrika<br />
110 Biogasbranche braucht<br />
Entwicklungsschub<br />
Von Michel Peudré Digbeu<br />
120 Aus den Regionalbüros<br />
124 Deutschland braucht einen echten<br />
Aufbruch im Bereich erneuerbarer<br />
Wärme<br />
Von Dr. Simone Peter, BEE<br />
126 Erfahrungsaustausch der §29b-BIm-<br />
SchG-Sachverständigen<br />
Von Dipl.-Ing. agr. (FH) Manuel Maciejczyk<br />
128 Rückblick: Aktionswoche Biogas2Drive<br />
130 Impressum<br />
5
AKTUELLES<br />
BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
Abschlussbericht dena-Leitstudie Aufbruch<br />
Klimaneutralität veröffentlicht<br />
7. – 9. Dezember <strong>2021</strong> Nürnberg<br />
Please find the english version of this catalog on<br />
www.biogas-convention.com/en/exhibition/exhibitorcatalogue/<br />
Die digitale Version des Kataloges finden Sie unter<br />
www.biogas-convention.com/de/ausste lung/ausste lerkatalog/<br />
Hauptveranstalter:<br />
Mitveranstalter:<br />
22. – 26. November <strong>2021</strong><br />
Digital<br />
Hier geht‘s<br />
zum Ausstellerkatalog.<br />
Scannen<br />
Sie den QR-Code.<br />
7. – 9. Dezember <strong>2021</strong><br />
NCC Mitte & Halle 9, Messegelände Nürnberg<br />
AUSSTELLERKATALOG<br />
Berlin – Nach 17 Monaten intensiver Arbeit<br />
mit einem breiten Kreis von Akteuren<br />
hat die Deutsche Energie-Agentur (dena)<br />
Anfang Oktober den Abschlussbericht der<br />
dena-Leitstudie Aufbruch Klimaneutralität<br />
veröffentlicht. Zehn wissenschaftliche<br />
Institute haben dazu ihre Expertise eingebracht<br />
und mehr als 70 Unternehmen ihre<br />
Branchenerfahrungen und Markteinschätzungen<br />
gegeben, ebenso ein 45-köpfiger<br />
Beirat mit hochrangigen Expertinnen und<br />
Experten aus Wissenschaft, Politik und<br />
Gesellschaft. Sie haben gemeinsam untersucht,<br />
welche Technologiepfade aus heutiger<br />
Perspektive realistisch sind und welche<br />
Rahmenbedingungen es braucht, um diese<br />
bis 2045 in einem integrierten klimaneutralen<br />
Energiesystem in Deutschland zu<br />
realisieren.<br />
Die dena-Leitstudie zeigt anhand eines<br />
zentralen Szenarios (Szenario Klimaneutralität<br />
100, KN100), wie die Sektorziele<br />
im Jahr 2030 und Klimaneutralität im<br />
Jahr 2045 erreicht werden können – welche<br />
Energieträger und Technologien in<br />
welchen Mengen benötigt werden sowie<br />
die dafür notwendigen transformatorischen<br />
Veränderungen. Um Klimaneutralität<br />
zu erreichen, ist aus technologischer<br />
Betrachtung eine Vier-Säulen-Strategie<br />
erforderlich: Die Erhöhung der Energieeffizienz<br />
ist eine wesentliche Maßnahme in<br />
allen Verbrauchssektoren, insbesondere<br />
in der Industrie und im Gebäudesektor.<br />
Für den umfassenden direkten Einsatz<br />
von erneuerbaren Energien ist in vielen<br />
Anwendungsbereichen neben der Energieeffizienzverbesserung<br />
eine breite und<br />
deutlich beschleunigte Elektrifizierung<br />
eine Grundvoraussetzung. Neben Strom<br />
werden erneuerbare gasförmige und flüssige<br />
Energieträger und Rohstoffe benötigt.<br />
Als vierte Säule braucht es technische und<br />
natürliche CO 2<br />
-Senken.<br />
Massive Anstrengungen in allen<br />
Sektoren notwendig<br />
Die Energieversorgung ist aktuell der größte<br />
CO 2<br />
-Emittent. Reduktionen müssen hier<br />
am stärksten und am schnellsten erfolgen,<br />
so die Studie (von 308 Mio. Tonnen CO 2<br />
ä in<br />
2018 auf 104 Mio. t CO 2<br />
ä in 2030 und auf<br />
-8 Mio. t CO 2<br />
ä in 2045). Zentral ist dabei,<br />
dass sich die erneuerbaren Stromkapazitäten<br />
bereits bis 2030 mehr als verdoppeln<br />
müssen. Die installierte Leistung von Solarenergie<br />
zum Beispiel steigt von 45 Gigawatt<br />
(GW) auf 131 GW, Windenergie an<br />
Land von 52 GW auf 92 GW.<br />
Die Kohleerzeugung wird 2030 marktgetrieben<br />
kaum noch eine Rolle spielen, die<br />
Nutzung von Erdgas in der Stromerzeugung<br />
nimmt dagegen bis 2030 zu. Bereits<br />
dieser „Fuel Switch“ trägt bis 2030<br />
erheblich zur Emissionsminderung in der<br />
Energiewirtschaft bei. Wasserstoff und<br />
Powerfuels werden bis 2030 nur eine geringe<br />
Rolle spielen. Der Aufbau entsprechender<br />
Infrastruktur und Märkte ist aber<br />
unabdingbar, denn die Rückverstromung<br />
von grünem Wasserstoff wird 2045 nach<br />
Windkraft und Photovoltaik zur drittwichtigsten<br />
Stromerzeugungsquelle. Bis 2035<br />
spielt blauer Wasserstoff eine – wenn auch<br />
geringe – Rolle, danach geht er gemäß Modellierung<br />
der dena-Leitstudie sukzessive<br />
aus dem Markt.<br />
Die Industrie folgt an zweiter Stelle der<br />
höchsten Emissionen. Hier muss der Ausstoß<br />
allein bis 2030 um rund 36 Prozent<br />
sinken. Nach einer relativen Stagnation in<br />
den vergangenen zwei Jahrzehnten bedarf<br />
es zur Erreichung der Minderungsziele im<br />
laufenden Jahrzehnt einer durchschnittlichen<br />
Absenkung von ca. 8 Mio. t CO 2<br />
pro<br />
Jahr. Fast 70 Prozent des Minderungsbeitrags<br />
entfallen auf die energetischen<br />
Emissionen. Die stärksten Veränderungen<br />
werden bis 2030 auf die Branchen Stahl<br />
und Chemie zukommen. Die Industrie ist<br />
bis 2045 und bleibt auch langfristig der<br />
größte Abnehmer von Wasserstoff zur energetischen<br />
und stofflichen Nutzung. Hierfür<br />
müssen die notwendigen Voraussetzungen<br />
zur Umstellung der Prozesstechnologien<br />
sowie zum Aufbau der Infrastrukturen getroffen<br />
werden.<br />
Der Verkehrssektor steht aktuell an dritter<br />
Stelle der Emissionen und hat die größte<br />
Reduktionsaufgabe aller untersuchten Verbrauchssektoren:<br />
Schon bis 2030 muss der<br />
Ausstoß um rund 48 Prozent sinken (von<br />
rund 164 auf 85 Mio. t CO 2<br />
ä). Die stärkste<br />
Minderung muss im Individualverkehr<br />
erfolgen, gefolgt vom Lkw-Verkehr. Dabei<br />
wird im Personenverkehr ein Hochlauf der<br />
Elektromobilität auf 9,1 Millionen vollelektrische<br />
Fahrzeuge (bzw. 14 Mio. Fahrzeuge<br />
inklusive Hybride) bis 2030 als notwendig<br />
erachtet. Wasserstoff wird kaum eine Rolle<br />
spielen. Auch im Gebäudebereich müssen<br />
die CO 2<br />
-Emissionen allein bis 2030 um 44<br />
Prozent sinken (von rund 120 auf rund 67<br />
Mio. t CO 2<br />
ä). Der Großteil der Minderungen<br />
(46,5 Mio. t CO 2<br />
ä) entfällt auf Maßnahmen<br />
an der Gebäudehülle und technische Anlagen.<br />
Der Einsatz von Wärmepumpen, der<br />
Ausbau der Anschlüsse an Wärmenetze<br />
muss massiv vorangetrieben werden. Im<br />
Szenario KN100 werden für das Jahr 2030<br />
bereits 4,1 Millionen Gebäude mit Wärmepumpen<br />
versorgt, im Jahr 2045 sieht die<br />
Studie 9 Millionen Wärmepumpen.<br />
www.biogas-convention.com<br />
Weitere Infos unter https://www.dena.de/dena-leitstudie-aufbruch-klimaneutralitaet<br />
6
BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
AKTUELLES<br />
Blühpflanzen-Projekt der N-ERGIE als „Projekt<br />
Nachhaltigkeit <strong>2021</strong>“ ausgezeichnet<br />
FOTO: N-ERGIE<br />
BioEnergie Park Güstrow: dbds liefert<br />
32 neue Doppelmembranspeicher<br />
Kreuzau – Nachdem die EnviTec Biogas AG seit<br />
Anfang <strong>2021</strong> den BioEnergie Park Güstrow, mit 31<br />
Hektar eine der größten Biogasanlagen Deutschlands,<br />
übernommen hat, beginnen nun ab Herbst<br />
die Sanierungsarbeiten. Ab Ende 2022 soll hier der<br />
klimaneutrale Kraftstoff Bio-LNG (liquefied natural<br />
gas) für einen umweltbewussteren Schwerlastverkehr<br />
her- und bereitgestellt werden.<br />
Im Zuge der Umrüstung der Biogasanlage werden<br />
auch die 25 Fermenter und Nachgärer sowie die<br />
sieben Gärrestspeicher, wovon drei noch zu erstellen<br />
sind, bis Ende 2022 mit neuen Dachsystemen<br />
der dbds – Deutsche Biogas Dach-Systeme GmbH<br />
Nürnberg – Große Anerkennung für die N-<br />
ERGIE Aktiengesellschaft: Der Rat für<br />
Nachhaltige Entwicklung (RNE), der die<br />
deutsche Bundesregierung in Fragen der<br />
Nachhaltigkeit berät, hat die<br />
2020 gestartete Kooperation<br />
für mehr Biodiversität beim<br />
Betrieb von Biogasanlagen<br />
als „Projekt Nachhaltigkeit<br />
<strong>2021</strong>“ ausgezeichnet. Ulrike<br />
Lorenz, Nachhaltigkeitsbeauftragte<br />
der N-ERGIE, nahm<br />
den Preis am Montag, den 20.<br />
September in Augsburg entgegen.<br />
Das Projekt setzt ein<br />
buntes, lebendiges Zeichen<br />
für Energiewende und Naturschutz.<br />
Rainer Kleedörfer, Leiter Unternehmensentwicklung<br />
der<br />
N-ERGIE, hatte das Projekt<br />
initiiert und beschreibt die dahinterliegende<br />
Idee: „Mit unserem längerfristig und<br />
breit angelegten Projekt für mehr Biodiversität<br />
leisten wir wertvolle Forschungsarbeit<br />
und zeigen eine mögliche Perspektive für<br />
Biogas-Anlagen auf. Das Projekt ist Ausdruck<br />
unseres Engagements für eine regionale<br />
Energiewende. Wir wollen die Erneuerbaren<br />
bei uns vor Ort deutlich ausbauen<br />
und dabei gleichzeitig die Artenvielfalt<br />
ausgestattet, was zudem den größten Auftrag in der<br />
10-jährigen Firmengeschichte darstellt.<br />
Mit der Aufrüstung der Behälter mit den Durchmessern<br />
23 Meter, 30 Meter und 50 Meter auf zweischalige<br />
Membransysteme in Form von Drittelkugeln<br />
erreicht der BioEnergie Park Güstrow ein variables<br />
Gasspeichervolumen von insgesamt rund 150.000<br />
Kubikmetern.<br />
Die Membranen, die die Anforderungen der TRAS<br />
120 erfüllen, werden hierbei in unserem bewährten<br />
Parallelzuschnitt konfektioniert und mittels Hochfrequenzschweißtechnik<br />
für maximale Nahtfestigkeiten<br />
gefügt.<br />
Youtube-Film<br />
Biogasbotschafter Georg Hackl ist<br />
ein großer Fan des Biogas Journals.<br />
Er freut sich jedes Mal, wenn das<br />
Heft endlich im Briefkasten liegt –<br />
und ist den Rest des Tages nicht<br />
mehr ansprechbar ...<br />
Hier geht‘s zum Video –<br />
scannen Sie den QR-Code <br />
Die Projektteilnehmer Nina<br />
und Martin Busch aus<br />
Dambach (Ehingen).<br />
fördern: Energiewende und Naturschutz<br />
Hand in Hand.“<br />
Ulrike Lorenz ergänzt: „Das prämierte Projekt<br />
macht deutlich, dass die N-ERGIE nicht<br />
nur in ihrem Kerngeschäft<br />
auf Nachhaltigkeit abzielt,<br />
sondern in verschiedenen Dimensionen<br />
gesellschaftliche<br />
Verantwortung übernimmt.<br />
Nachhaltigkeit ist bei uns<br />
mehr als ein Schlagwort. Sie<br />
ist fester Bestandteil unserer<br />
Strategie und Kultur.“<br />
Untersuchung auf<br />
insgesamt 20 Hektar<br />
in der Region<br />
Die N-ERGIE fördert im Rahmen<br />
des Projekts über drei<br />
Jahre hinweg den Anbau von<br />
alternativen Energiepflanzen<br />
in der Region Nordbayern. Auf insgesamt<br />
20 Hektar bauen seit 2020 neun Landwirte<br />
den durch die Bayerische Landesanstalt<br />
für Weinbau und Gartenbau entwickelten<br />
„Veitshöchheimer Hanfmix“ an, der für<br />
eine mehrjährige Blühfläche mit üppigem<br />
Nahrungsangebot für Insekten sorgt. Ein<br />
zehnter Teilnehmer kam in diesem Jahr im<br />
unterfränkischen Bergrheinfeld hinzu.<br />
Die Mittelfränkische Gesellschaft zur Förderung<br />
erneuerbarer Energien und nachwachsender<br />
Rohstoffe e.V. (MER) und<br />
die Landwirtschaftlichen Lehranstalten<br />
in Triesdorf begleiten das Projekt wissenschaftlich<br />
und beraten die Landwirte von<br />
der Aussaat über die Ernte bis zur energetischen<br />
Verwertung. Untersucht werden<br />
zwei Aspekte: einerseits, wie sich die Blühpflanzen<br />
unter verschiedenen regionalen<br />
Bedingungen idealerweise für die Verwertung<br />
in Biogasanlagen einsetzen lassen,<br />
andererseits, welchen Effekt sie auf die<br />
lokale Population von Insekten, Vögeln und<br />
Kleintieren sowie die Boden- und Grundwasserqualität<br />
haben.<br />
Die Verleihung durch den Rat für Nachhaltige<br />
Entwicklung ist mit einem Preisgeld<br />
von 1.000 Euro verbunden, das die N-ER<br />
GIE – ganz im Sinne der Auszeichnung –<br />
an gemeinnützige Einrichtungen weiterreichen<br />
wird. Diese sollen damit wiederum<br />
nachhaltige Projekte fördern.<br />
7
AKTUELLES BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
BÜCHER<br />
Recht der Energiewirtschaft<br />
Das Handbuch zur<br />
Energiewende bietet<br />
eine praktisch relevante,<br />
inhaltlich fundierte<br />
und gleichwohl auch<br />
für Nichtjuristen gut<br />
verständliche Darstellung<br />
des sich seit der<br />
Liberalisierung immer<br />
dynamischer entwickelnden Rechts der<br />
Strom- und Gasmärkte. Dies garantieren<br />
seine seit vielen Jahren im Energierecht<br />
tätigen Herausgeber und erfahrenen Autoren<br />
aus Wissenschaft und Praxis. Nach<br />
einleitenden Darstellungen der technischwirtschaftlichen,<br />
der nationalen und europäischen<br />
Grundlagen des Energierechts<br />
durch die beiden Herausgeber analysiert<br />
eine Vielzahl weiterer Beiträge im Detail<br />
––<br />
die Regulierung von Marktstrukturen<br />
und Marktakteuren,<br />
––<br />
die Planung und Zulassung von Energieinfrastruktur<br />
und Energieanlagen,<br />
––<br />
Fragen der gemeindlichen Konzessionierung<br />
von Energieversorgungsunternehmen,<br />
––<br />
die Regeln für Energie- und Emissionshandel<br />
sowie Netzbetrieb und Netznutzung,<br />
––<br />
die Energieregulierungsbehörden und<br />
-verfahren,<br />
––<br />
die Förderung von Erneuerbaren Energien,<br />
Kraft-Wärme-Kopplung und Energieeinsparung<br />
sowie Emissionshandel.<br />
Das Werk bezieht durchgehend die relevanten<br />
kartell-, kommunal-, umwelt-, steuer-,<br />
vertrags- und finanzmarktrechtlichen Regelungen<br />
ein und erläutert die wechselseitigen<br />
Verknüpfungen mit dem Energierecht<br />
im engeren Sinne.<br />
Recht der Energiewirtschaft. Praxishandbuch,<br />
Prof. Dr. Jens-Peter Schneider, Universität<br />
Freiburg, und Prof. Dr. Christian<br />
Theobald, Berlin, 5. neu bearbeitete Auflage.<br />
<strong>2021</strong>, 1.405 Seiten. In Leinen.<br />
229,00 Euro. ISBN 978-3-406-73876-0<br />
Schwarz versus Grün<br />
Renate Künast (Grüne)<br />
und Günther<br />
Beckstein (CSU) führen<br />
ein Streitgespräch<br />
über Klima, Landwirtschaft,<br />
Migration,<br />
Wachstum und eine<br />
gute Zukunft – moderiert<br />
von Stefan Reinecke.<br />
Im Vorwort heißt es: „Dieses Buch<br />
ist nicht nur eine Debatte zwischen einem<br />
Vertreter der Union und einer Vertreterin<br />
der Grünen. Es ist ein Gespräch zwischen<br />
zwei Politiker*innen mit individuellen Prägungen<br />
und Leidenschaften, Brüchen und<br />
Biografien.“<br />
Künast und Beckstein haben sich zwischen<br />
September und Dezember 2020<br />
vier Mal zum Gespräch getroffen. Drei Mal<br />
live im Bundestag und einmal per Zoom-<br />
Meeting. Die Gespräche dauerten meist<br />
mehrere Stunden. Das Gespräch zeigt<br />
Annährung, aber auch Unterschiede. Eine<br />
lesenswerte politische Lektüre.<br />
Schwarz vs. Grün. Ein Streitgespräch.<br />
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Energiesteuerrechts an den Betrieb<br />
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8
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BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
Aus Gärresten mehr machen<br />
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Findest du nicht auch, dass wir Menschen viel zu viel<br />
Dinge wegwerfen, statt sie weiter- oder wiederzuverwenden?<br />
Angefangen bei Nahrungsmitteln bis hin zu teurer<br />
Computertechnik. Für deine Zukunft und die Zukunft<br />
unseres Planeten können wir uns das nicht mehr leisten!<br />
Es braucht aber viel Grips, damit auch Schlaues dabei<br />
herausspringt. Vorbildliche Lösungen entstehen nicht<br />
zuletzt bei der Erzeugung von Biogas. Strom, Wärme,<br />
Kraftstoffe – bei diesen Produkten zeigen sich die großen<br />
Vorteile der Erneuerbaren Energien. Aber was ist<br />
mit den Resten, die bei der Vergärung im Fermenter<br />
übrig bleiben? Gärreste sagt man dazu. Stimmt – richtig<br />
Klima-Star der Ostsee<br />
Sie trägt den Namen „Aurora Botnia“ und ist das umweltfreundlichste<br />
Fährschiff der Welt. Seit dem 28. August verkehrt die<br />
Fähre in der Ostsee mehrmals täglich zwischen der finnischen<br />
Stadt Vaasa und Umea in Schweden. Die Aurora Botnia ist mit<br />
modernster Umwelttechnik ausgestattet, wird elektrisch angetrieben<br />
und fährt mit klimafreundlichen erneuerbaren Kraftstoffen. Bei<br />
den Motoren handelt es sich um sogenannte „Multifuel“-Motoren.<br />
Sie können sowohl mit Biogas als auch mit LNG (Flüssigerdgas)<br />
betrieben werden. Recyclingmaterial spielt bei der Ausstattung<br />
ebenfalls eine wichtige Rolle. Tischplatten und Theken sind aus<br />
recyceltem Kunststoff und die Kabinenteppiche enthalten Fasern<br />
aus wiederverwerteten Fischernetzen.<br />
aufbereitet eignen sie sich<br />
wegen ihrer hohen Nährstoffanteile<br />
hervorragend<br />
als Dünger für Wiesen und<br />
Äcker. So schließen sich<br />
natürliche Kreisläufe. Aber<br />
aus Gärrückständen kann<br />
noch mehr entstehen. Weil<br />
sie auch Fasern enthalten,<br />
können ganz andere Stoffe<br />
daraus produziert werden.<br />
Pflanzliche Fasern<br />
sind winzig kleine, länglich<br />
geformte Bausteine mit einer besonderen<br />
Festigkeit. Aus Baumwollfasern wird Kleidung hergestellt,<br />
aus Hanf Seile und aus Cellulose Papier und Karton.<br />
Pflanzenfasern können in speziellen Verfahren auch aus<br />
den Gärresten gewonnen werden, um sie dann weiter<br />
aufzubereiten. Das ist wie ein Kochrezept, bei dem sogar<br />
Roboter mithelfen, besonders ökologische Produkte<br />
daraus entstehen zu lassen: Pflanz- und Anzuchttöpfe<br />
für den Gartenbau gehören dazu, die auch vollständig<br />
kompostierbar sind und so Kunststoffe ersetzen. Auf<br />
einer speziellen Papiermaschine lassen sich damit sogar<br />
faserhaltiges Papier, Mulchvliese oder Kartonpapier<br />
herstellen. Alles in allem also eine höchst ökologische<br />
Verwertung.<br />
Granatäpfel<br />
Granatäpfel kann man<br />
bei uns von September<br />
bis Dezember kaufen.<br />
Der strauchartige Baum<br />
stammt aus dem Mittleren<br />
Osten. Der Granatapfel<br />
selbst ist eine gelb- bis<br />
rotbräunliche Frucht und<br />
hat eine Schale wie aus<br />
Leder. Das Innere ist wie<br />
beim Apfel in Kammern<br />
unterteilt. Beim Granatapfel<br />
sind nur die Fruchtkerne essbar. Sie schmecken säuerlich süß bis<br />
herb, wie Johannisbeeren. Sie sind eine tolle Garnitur für Obst- oder<br />
Blattsalate. Um die Kerne auszulösen, schneidet man einfach am<br />
Kelchansatz einen Keil heraus. Die Frucht bricht mit leichtem Druck<br />
auseinander und die Samenkerne fallen heraus. Sehr erfrischend<br />
ist der Saft. Dazu presst man den Granatapfel einfach wie eine<br />
Orange aus.<br />
commons.wikimedia.org<br />
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10
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11
AKTUELLES BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
Die Produktion von Strohpellets und deren<br />
Vergärung in Biogasanlagen sollte ökonomisch<br />
genau kalkuliert werden. Strohpellets<br />
stellen auf jeden Fall ein interessantes<br />
Gärsubstrat dar. Während die Feldpelletierung<br />
nur in einem gewissen Zeitfenster<br />
möglich ist, ist die stationäre Pelletierung<br />
von Stroh aus Quaderballen – wie hier im<br />
Bild dargestellt – eine Ganzjahresoption.<br />
STROHTAGUNG <strong>2021</strong> DIGITAL<br />
Strohpellets durch die<br />
Uni Göttingen getestet<br />
Ende August fand an zwei Tagen die<br />
diesjährige „Heidener Strohtagung“ in<br />
digitalem Format statt. Vielfältige Themen<br />
wurden erörtert. In diesem Artikel gehen<br />
wir auf drei Vorträge näher ein.<br />
Von Dipl.-Ing. agr. (FH) Martin Bensmann<br />
Dr. Dirk Augustin, Leiter der Versuchswirtschaften<br />
der Georg-August-Universität Göttingen,<br />
berichtete von einem Forschungsprojekt,<br />
in dem die Herstellung und Vergärung<br />
von Getreide-Strohpellets untersucht worden<br />
ist. Es handelte sich um ein Gemeinschaftsprojekt<br />
mit der HAWK Göttingen, das von der Fachagentur<br />
Nachwachsende Rohstoffe gefördert wurde. Das Projekt<br />
wurde auf der Biogasanlage des Versuchsguts Relliehausen<br />
der Uni Göttingen durchgeführt.<br />
Die Biogasanlage hat einen Fermenter mit 1.150 Kubikmeter<br />
Volumen, einen Nachgärer mit 1.500 Kubikmeter<br />
und ein Gärdüngerlager mit 3.200 Kubikmeter<br />
Fassungsvermögen. Die Biogasanlage wurde laut Dr.<br />
Augustin 14 Tage vor und nach Versuchsbeginn konstant<br />
gefüttert. „Wir wollten schauen, wie sehr die Silomaismenge<br />
beim Einsatz von Getreide-Strohpellets<br />
reduziert werden kann“, informierte Dr. Augustin. Die<br />
Untersuchungen wurden in drei Versuchszeiträumen<br />
vorgenommen.<br />
Der erste Versuchszeitraum von November<br />
2019 bis März 2020 sei störungsfrei<br />
vonstattengegangen. Jedoch habe bei<br />
der Einlagerung der Pellets ein Brand<br />
alle Pellets vernichtet. Die Lagerhalle sei<br />
abgebrannt, was aber nicht ursächlich<br />
den Pellets anzulasten war. „So mussten<br />
wir in 2020 weitere Pellets produzieren<br />
und einlagern, wodurch sich unser Erfahrungsschatz<br />
erweitert hat“, berichtete<br />
Dr. Augustin.<br />
Im zweiten Versuchszeitraum machte<br />
Dauerfrost vom 31. Januar bis zum 10.<br />
Februar <strong>2021</strong> mit Temperaturen von bis<br />
zu minus 25 Grad Celsius die Fütterung unmöglich,<br />
sodass der Versuch abgebrochen werden musste. Der<br />
dritte Versuchszeitraum lief vom 1. Mai bis zum 10.<br />
Juni <strong>2021</strong>. Die Pellets wurden sowohl mobil im Feld<br />
als auch stationär mit der Premos-Presse vom Landtechnikhersteller<br />
Krone produziert.<br />
Laut Dr. Augustin hat die Premos:<br />
ffeinen sehr hohen Kraft- beziehungsweise Leistungsbedarf.<br />
So wurde ein Schlepper mit 500 PS<br />
vorgespannt.<br />
ffDie Premos arbeitet mit 100 bar Druck, wodurch<br />
die Pellets auf 110 Grad Celsius erwärmt werden.<br />
Dadurch platzen die Zellen auf, sodass die Cellulose<br />
besser verdaut werden kann.<br />
ffPro Stunde konnten nie mehr als 7 Tonnen<br />
produziert werden. Die durchschnittliche Nettoleistung<br />
hat 5 Tonnen pro Stunde betragen. Werden<br />
die Rüstzeiten und die Pflegezeiten der Maschine<br />
berücksichtigt, konnten nur 3,65 Tonnen Pellets<br />
pro Stunde produziert werden.<br />
ffIst das Stroh zu feucht, bricht die Stundenleistung<br />
ein.<br />
ffBei stationärem Betrieb der Premos wurden<br />
Quaderballen verarbeitet. So kommt die Maschine<br />
zu einer besseren Auslastung.<br />
ffIn der mobilen Anwendung kann die Maschine<br />
rund 550 Stunden pro Jahr eingesetzt werden.<br />
FOTO: RAINER CASARETTO<br />
12
BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
AKTUELLES<br />
clean air is our engine<br />
Werden die Strohpellets im Freien auf einer Betonfläche gelagert,<br />
dann sind sie absolut wasserdicht abzudecken, da sich die<br />
Pellets sonst sehr stark mit Wasser vollsaugen. „Dabei werden<br />
die betroffenen Stellen sehr heiß, was zu einem enormen Energieverlust<br />
führt“, betonte Dr. Augustin. Gefüttert wurden die<br />
Strohpellets über den Feststoffdosierer der Biogasanlage. Aufgrund<br />
eines Vorversuchs in der Biogasanlage konnten anfangs<br />
nur 1,4 Tonnen Pellets pro Tag eingebracht werden. Der Referent<br />
merkte an, dass die Menge auch höher hätte sein können.<br />
Während der Pelletsfütterungsphase lag der Trockensubstanzgehalt<br />
im Fermenter zwischen 8 und 10 Prozent. Auffällig<br />
während des Versuchs sei ein Abfall der TAC-Werte im Hauptfermenter<br />
gewesen. Dr. Augustin vertrat die Auffassung, dass<br />
„Strohpellets einen eventuellen Zusatznutzen haben für Anlagen,<br />
die sich an der Ammoniakgrenze befinden“. Nach 30 Tagen<br />
Versuchsdauer hatten die Strohpellets einen kumulierten<br />
Methanertrag von 250 Normliter pro Kilogramm Frischmasse<br />
erreicht.<br />
Nach 45 Tagen waren es 286 Normliter pro Kilogramm Frischmasse.<br />
Im Batch-Versuch nach VDI 4630 haben die Strohpellets<br />
nach 45 Tagen einen kumulierten Methanertrag von fast<br />
350 Normliter pro Kilogramm organische Trockensubstanz<br />
(oTS) erreicht. Bei einer täglichen Fütterungsmenge von 2,5<br />
Tonnen Strohpellets habe sich die Lastaufnahme der Rührwerke<br />
nur um 10 Prozent erhöht.<br />
Ökonomische Betrachtung<br />
Daten zur Wirtschaftlichkeitsbetrachtung: Es wurden die Pelletierkosten<br />
für die mobile beziehungsweise teilmobile Pelletierung<br />
mit 550 Jahresstunden betrachtet. Wenn im mobilen<br />
Verfahren auf dem Feld pro Stunde 5,57 Tonnen Strohpellets<br />
produziert werden können, dann verursacht das Kosten von 78<br />
Euro pro Tonne. Werden die Rüst- und Pflegezeiten berücksichtigt,<br />
dann sinkt die Stundenleistung und die Kosten steigen auf<br />
92 Euro pro Tonne.<br />
Bei der stationären Pelletierung aus Quaderballen konnten<br />
2,17 Tonnen pro Stunde produziert werden, was Kosten von<br />
166 Euro pro Tonne verursacht. Die Kosten steigen auf 198<br />
Euro pro Tonne in diesem Verfahren an, wenn die Rüst- und<br />
Pflegezeiten in Ansatz gebracht werden. Im Weiteren stellte Dr.<br />
Augustin die Gleichgewichtspreise von Strohpellets vor. Wenn<br />
Silomais zum Beispiel 35 Euro pro Tonne kostet und die Kosten<br />
der Gärrestausbringung 0 Euro betragen, dann beträgt der<br />
Gleichgewichtspreis 76,40 Euro pro Tonne Strohpellets.<br />
Kostet die Maissilage 45 Euro pro Tonne und für die Gärrestausbringung<br />
entstehen keine Kosten, dann beträgt der Gleichgewichtspreis<br />
98,20 Euro pro Tonne Strohpellets. Kostet die<br />
Gärrestausbringung dagegen beispielsweise 10 Euro pro Kubikmeter,<br />
dann beträgt der Gleichgewichtspreis bei 35 Euro pro<br />
Tonne Maissilage 88 Euro pro Tonne Strohpellets. Bei 45 Euro<br />
pro Tonne und 10 Euro pro Kubikmeter für die Gärrestausbringung<br />
steigt der Gleichgewichtspreis auf 109,80 Euro pro Tonne<br />
Strohpellets. Bei den Annahmen wurden nicht berücksichtigt:<br />
Transportkosten, Lagerung, Rührwerksleistung, Kaskadennutzung,<br />
Maisdeckel, CO 2<br />
-Bepreisung etc.<br />
Zu beachten ist, dass bei der Abfuhr von 50 Dezitonnen Stroh<br />
pro Hektar etwa 15 Kilogramm P 2<br />
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13
AKTUELLES BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
und 10 Kilogramm MgO von der Fläche abgefahren<br />
werden. Diese Nährstoffverluste sollten beim Strohverkauf<br />
eingepreist werden. Andererseits könnten die<br />
Nährstoffe über die Gärdüngerrückführung auf die Fläche<br />
zurückgelangen, wobei die Gärdünger auch eine<br />
bessere Humuswirkung haben als der Strohverbleib.<br />
Zuckerrübenblattsilage – Gärsubstrat<br />
mit Potenzial<br />
Über die energetische Verwertung von Zuckerrübenblättern<br />
referierte Bengt Verworner vom Deutschen<br />
Biomasseforschungszentrum (DBFZ). Er informierte,<br />
dass in 2018 Deutschland mit 25,5 Millionen Tonnen<br />
weltweit betrachtet der viertgrößte Zuckerrübenproduzent<br />
war. Die Anbaufläche habe 2018 in Deutschland<br />
334.500 Hektar betragen. In Deutschland würden pro<br />
Jahr durchschnittlich 16 Millionen Tonnen Zuckerrübenblatt<br />
anfallen. Damit könnten rund 152.000 Hektar<br />
Silomais ersetzt werden. Das technisch verfügbare<br />
Potenzial sei allerdings niedriger.<br />
Um die Zuckerrübenblätter energetisch verwerten zu<br />
können, müsse am Rübenroder ein Blattbergeband<br />
montiert werden. Außerdem müssen parallel fahrende<br />
Abfuhrfahrzeuge bereitgehalten werden. „Die Nutzung<br />
der Zuckerrübenblätter könnte in Deutschland eine<br />
Wertschöpfung von 500 bis 600 Euro pro Hektar erzielen,<br />
abzüglich der Kosten für die zusätzliche Erntetechnik“,<br />
erklärte Verworner.<br />
Zuckerrübenblätter ließen sich durch wechsellagige<br />
Co-Silierung zum Beispiel mit Stroh im Fahrsilo gut<br />
konservieren. Für die labortechnische Untersuchung<br />
haben die Wissenschaftler Zuckerrübenblätter in<br />
Spannring-Kunststofffässer abgefüllt und so ins Labor<br />
überführt. Die Blätter wurden anschließend entnommen<br />
und mit einem Fleischwolf zerkleinert. Das<br />
so hergestellte Rübenmus wurde dann für Siliertests<br />
verwendet.<br />
Silierversuche im PVC-Rohr<br />
„Wir haben das Rübenmus in drei transparente, 5 Meter<br />
hohe Versuchssäulen eingebracht. Dabei handelte<br />
es sich um PVC-Rohre mit fünf Probennahmestutzen,<br />
die alle 80 Zentimeter montiert waren. Die Beprobungen<br />
haben wir monatlich vorgenommen. Analysiert<br />
haben wir den pH-Wert, den Trockensubstanz- sowie<br />
den organischen Trockensubstanzgehalt und das Säurespektrum.<br />
Der Versuchszeitraum erstreckte sich über<br />
ein Jahr“, führte Verworner aus.<br />
Durch die Silierung liegt der Trockensubstanzgehalt<br />
bei 15 Prozent, was bei der Solosilierung der Zuckerrübenblätter<br />
in den Säulen zu gewissen Anforderungen<br />
an die Silierbehältnisse führt. Verworner sagte, dass<br />
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14
BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
AKTUELLES<br />
durch die Silierung viel Milchsäure, aber nur geringe<br />
Mengen Essigsäure entsteht. Propion- und Buttersäure<br />
hätten unter der Nachweisgrenze gelegen. Die Gasertragsanalyse<br />
habe ergeben, dass die Zuckerrübenblattsilage<br />
schon nach drei bis fünf Tagen auf hohe Gasausbeuten<br />
kommt. Parallel untersuchte Maissilage habe<br />
sechs Tage länger benötigt, um auf hohe Gaserträge<br />
zu kommen.<br />
„Rübenblattbrei hat eine schnelle Abbaukinetik. Sie ist<br />
somit in Zeiten hoher Spitzenlaststrombedarfe im Vorteil<br />
gegenüber Maissilage. Rübenblatt liefert schnell<br />
Methan, weil darin viele gelöste organische Säuren enthalten<br />
sind. Rübenblattsilage liefert im Schnitt 358<br />
Normliter Methan pro Kilogramm organische Trockensubstanz.<br />
Bei Trockensubstanzgehalten von 15 Prozent<br />
ist die Energiedichte jedoch gering, sodass relativ viel<br />
Substrat benötigt wird. Auf die organische Trockensubstanz<br />
bezogen liegt der Gasertrag im Bereich von Maissilage“,<br />
betonte Verworner abschließend.<br />
Nährwert: neues Projekt gestartet<br />
Sascha Hermus vom 3N Kompetenzzentrum in Niedersachsen<br />
stellte das Projekt Nährwert vor, das am 1.<br />
Juli gestartet ist und bis zum 30. Juni 2024 läuft. Ziel<br />
des Projektes, an dem die FH Münster, das DBFZ und<br />
3N beteiligt sind, „ist die umweltgerechte und kostengünstige<br />
Verbesserung des Gärprodukt-Managements.<br />
Es geht um die Verbesserung der Nährstoffeffizienz und<br />
um die Minderung von Emissionen. Technische Maßnahmen<br />
sollen nur so viel wie nötig, aber so wenig wie<br />
möglich eingesetzt werden“, gab Hermus bekannt.<br />
Denn jedes Anfassen, jede Behandlung von Gärdüngern<br />
verursache Kosten, „und das wollen wir nicht“.<br />
Verschiedene Gärdünger-Aufbereitungsverfahren sollen<br />
a) in der Praxis verglichen und b) Prozessketten<br />
durch innovative Techniken optimiert werden. Die Gärdünger<br />
sollen c) anschließend auf dem Acker verwertet<br />
werden.<br />
Unter a) sollen marktverfügbare Techniken zur Gärdüngeraufbereitung<br />
geprüft werden. „Wir wollen herausarbeiten,<br />
wo Stärken und Schwächen der Techniken<br />
liegen beim Einsatz in unterschiedlichen Gärdüngern.<br />
Wenn möglich, sollen die Techniken optimiert werden.<br />
Zur Ermittlung der Nährstoffgehalte wollen wir die<br />
NIRS-Technologie einsetzen und Daten validieren. Die<br />
NIRS-Analytik scheint uns als geeigneter gegenüber<br />
nasschemischen Verfahren, weil die Datenverfügbarkeit/die<br />
Messdaten schneller vorliegen“, ließ Hermus<br />
einblicken.<br />
Das alles geschehe im Verbund mit Biogasanlagen, die<br />
mit bereits vorhandenen Aufbereitungstechniken ausgestattet<br />
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die Effizienz Ihrer Anlage.<br />
Das modulare System besteht aus dem X-TRACT (Fremdkörperabscheider)<br />
und dem X-CUT (Zerkleinerer), läuft wie geschmiert, scheidet extrem gut<br />
ab und bietet mehr Schutz vor schädigenden Störstoffen wie z.B. Steine.<br />
Die hochbelastbare Heavy-Duty-Dichtung, der Hochleistungs-Zerkleinerer<br />
und der großvolumige Absetzbehälter garantieren den optimalen Einsatz<br />
und die maximale Servicefreundlichkeit.<br />
Qualität entsteht im Detail. Und in WANGEN.<br />
15<br />
WWW.WANGEN.COM
AKTUELLES BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
ausgewählt, an denen mobile Aufbereitungstechniken<br />
getestet und verglichen werden. Die teilnehmenden<br />
Biogasanlagen würden anhand eines Steckbriefs/einer<br />
Checkliste erfasst, sodass Daten über die vorhandenen<br />
Bauwerke, Techniken, Substrate, Gärdüngermengen<br />
etc. als Basis vorliegen.<br />
Vorhandene Technik verbessern<br />
Hinsichtlich des Einsatzes innovativer Techniken kommen<br />
zum Beispiel sogenannte Hydrozyklone, Algen,<br />
biologische Flockungsmittel und andere zum Einsatz.<br />
„Hydrozyklone haben wir bereits an vier Tagen auf einer<br />
Biogasanlage eingesetzt. Die Pilotanlage hatte einen<br />
Durchsatz von 3,5 Kubikmeter Gärrest pro Stunde. Es<br />
sind Systeme verfügbar, die bis zu 120 Kubikmeter<br />
Durchsatz pro Stunde erreichen. In dem Projekt wollen<br />
wir die optimale Größe und Geometrie der Hydrozyklone<br />
für den Gärdüngereinsatz herausfinden. Ebenso<br />
wollen wir die besten Werkstoffmaterialien für die Hydrozyklone<br />
finden und ermitteln, wie die Gärreste im<br />
besten Fall beschaffen sein müssen für einen optimalen<br />
Hydrozyklonbetrieb“, erläuterte Hermus.<br />
Bei der Nutzung der Gärdünger finden sowohl Gefäßversuche<br />
ab 2022 statt als auch Parzellenexakt- und<br />
Praxisversuche. Die Gefäßversuche nimmt die Firma<br />
HGoTECH in Bonn vor. Darin geht es um die Überprüfung<br />
der Nährstoffverfügbarkeit und die Testung<br />
unterschiedlicher Gärprodukte. In diesen Versuchen<br />
werden Weidelgras, Raps, Mais und Weizen verwendet.<br />
Die Landwirtschaftskammer Niedersachsen macht die<br />
Parzellenversuche mit Winterweizen, Zuckerrüben,<br />
Winterroggen und Kartoffeln.<br />
Da insbesondere Kartoffeln, aber auch Winterweizen<br />
sehr stark mineralisch mit Nährstoffen versorgt werden,<br />
kann hier der Frage nachgegangen werden, ob mit Gärdüngereinsatz<br />
gleiche Produktqualitäten erzeugt werden<br />
können, sagte Hermus. Die Praxisversuche sind<br />
in Niedersachsen auf sieben Biogasanlagen geplant,<br />
die insgesamt 19 Praxisflächen (1,5 bis 2 ha Größe)<br />
bereitstellen. Elf verschiedene Kulturpflanzen sollen in<br />
regionstypischen Fruchtfolgen überprüft werden. Darüber<br />
hinaus werden Versuche mit Dauerkulturen wie<br />
Wildpflanzen, Durchwachsene Silphie und Grünland<br />
durchgeführt. Geplant sind auch GPS-gestützte Bodenprobennahmen<br />
zur Nährstoffkontrolle. Ein insgesamt<br />
spannendes Projekt, das interessante Ergebnisse<br />
erwarten lässt.<br />
Autor<br />
Dipl.-Ing. agr. (FH) Martin Bensmann<br />
Redakteur Biogas Journal<br />
Fachverband Biogas e.V.<br />
0 54 09/90 69 426<br />
martin.bensmann@biogas.org<br />
Zuckerrübenblätter sind ein<br />
interessantes Gärsubstrat.<br />
Beim Roden der Rüben<br />
könnten sie mit technischen<br />
Anpassungen am Roder<br />
parallel geerntet werden. In<br />
Deutschland fallen pro Jahr<br />
durchschnittlich 16 Millionen<br />
Tonnen Zuckerrübenblatt an.<br />
Damit könnten rund 152.000<br />
Hektar Silomais ersetzt<br />
werden.<br />
FOTO: LANDPIXEL.EU<br />
16
BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
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17
AKTUELLES BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
Gute Perspektiven<br />
für Biomethan und CO 2<br />
Ende September fand die digitale Biogasfachtagung der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe<br />
e.V. (FNR) und und des Kuratoriums für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft<br />
e.V. (KTBL) statt. Mit 140 Teilnehmer*innen war die Veranstaltung eine voller Erfolg. Von<br />
den zahlreichen Vorträgen werden an dieser Stelle Inhalte von drei Referaten wiedergegeben.<br />
Von Dipl.-Ing. agr. (FH) Martin Bensmann<br />
Michael Beil vom Fraunhofer-Institut für<br />
Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik<br />
in Kassel erläuterte die Möglichkeiten<br />
der CO 2<br />
-Nutzung aus Biogas.<br />
Er berichtete von einem Projekt, in dem<br />
verschiedene CO 2<br />
-Bezugsquellen zusammengetragen<br />
worden sind. Bezugsjahr war damals 2014. Damals<br />
stammten 300 Millionen Tonnen CO 2<br />
pro Jahr aus aus<br />
Verbrennungsprozessen von Kraftwerken. Der Anteil<br />
konventioneller Kraftwerke sei dabei größer als zum<br />
Beispiel der Anteil von Biomasseheizkraftwerken, der<br />
nur 5 Prozent betrug.<br />
„Aktuell emittieren die Biogasaufbereitungsanlagen<br />
aus der Gasreinigung in Deutschland rund 1,9 Millionen<br />
Tonnen CO 2<br />
pro Jahr. Es gibt Aufbereitungsverfahren,<br />
die sich für die spätere CO 2<br />
-Nutzung besser eignen.<br />
Etwa 60 Prozent der in Deutschland errichteten<br />
Aufbereitungskapazität eignet sich gut für die spätere<br />
CO 2<br />
-Nutzung. So bleiben von den 1,9 Millionen Tonnen<br />
noch 1,1 Millionen Tonnen CO 2<br />
pro Jahr übrig“, führte<br />
Beil aus. Die aktuell real emittierten CO 2<br />
-Mengen<br />
sind nach Beils Worten jedoch geringer, da die Anlagen<br />
bisher stärker im Teillastbetrieb gefahren wurden, als<br />
technisch möglich wäre.<br />
In Verbrennungsprozessen liege die CO 2<br />
-Konzentration<br />
zwischen 3 und 15 Volumenprozent. Bei Biogas-Vor-<br />
Ort-Verstromungsanlagen liege die CO 2<br />
-Konzentration<br />
zwischen 8 und 15 Volumenprozent. Bei der industriellen<br />
Ammoniak-Produktion könnten bis zu 100 Volumenprozent<br />
CO 2<br />
enthalten sein. In der Zementindustrie<br />
seien die CO 2<br />
-Mengen im Abgasstrom deutlich niedriger<br />
als bei der Ammoniakproduktion.<br />
Werde Biogas mit der sogenannten physikalischen<br />
Wäsche aufbereitet, könne der Abgasstrom bis 30 Volumenprozent<br />
an CO 2<br />
enthalten. Aminwäsche, Druckwechseladsorption<br />
(PSA) und Membranreinigung erreichten<br />
90 bis 100 Volumenprozent im Outputstrom.<br />
„PSA, Membranverfahren und Aminwäsche sind die<br />
drei Verfahren, die für die CO 2<br />
-Nutzung am besten geeignet<br />
sind“, betonte Beil. Bei der Druckwasserwäsche<br />
führe die Strippluftzufuhr zur Verdünnung der CO 2<br />
-<br />
Konzentration im Schwachgasstrom.<br />
Für die stoffliche Nutzung muss das abgetrennte CO 2<br />
weiter aufbereitet werden. Methanschlupf könne so<br />
abgeschieden und vorne in den Prozess gegeben werden.<br />
Das Gleiche gelte für andere Gaskomponenten wie<br />
Stickstoff und Sauerstoff. Laut Beil ist die Gaszusammensetzung<br />
stark abhängig von den eingesetzten Gär<br />
FOTO: ADOBE STOCK_NORDRODEN<br />
18
BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
AKTUELLES<br />
„PSA, Membranverfahren und<br />
Aminwäsche sind die drei Verfahren,<br />
die für die CO 2<br />
-Nutzung am<br />
besten geeignet sind“<br />
Michael Beil<br />
substraten. Hier geht es um die Bildung von Terpenen und Ketonen,<br />
um die Bildung von Schwefelverbindungen, aber auch<br />
um Mercaptane und andere Spurengase.<br />
Die meisten Stoffe könnten mittels Aktivkohleadsorption entfernt<br />
werden. Bei hohen Ammoniakgehalten sei es jedoch sinnvoll,<br />
Waschprozesse zwischenzuschalten. „Es gibt viele Pilotprojekte<br />
für die stoffliche Nutzung von CO 2<br />
in Europa. So zum<br />
Beispiel in Großbritannien, in Italien und in den Niederlanden.<br />
Springhill farms auf der britischen Insel ist eine Beispielanlage,<br />
die 200 Kubikmeter Biomethan pro Stunde aufbereitet<br />
und pro Jahr 1.000 Tonnen CO 2<br />
abtrennt. Das abgetrennte<br />
Kohlenstoffdioxid wird in ein angegliedertes Gewächshaus eingebracht<br />
und dort von den Pflanzen verwertet“, machte Beil<br />
aufmerksam.<br />
CO 2<br />
für Getränke- und Lebensmittelbranche<br />
In dem Projekt in den Niederlanden werden pflanzliche Abfälle<br />
vergoren. Die Anlage nahm 2011 ihren Betrieb auf. Installiert<br />
ist eine Membranreinigung. Das Methan wird ins Erdgasnetz<br />
eingespeist. 2.500 Tonnen CO 2<br />
kann die Anlage pro Jahr bereitstellen.<br />
Abnehmer des CO 2<br />
sind die Getränke- und Lebensmittelindustrie.<br />
Als drittes Beispiel nannte Beil die Anlage Biogas Wipptal in<br />
Italien, die Ende dieses Jahres in Betrieb gehen soll. Die Biogasanlage<br />
werde mit Gülle und Mist betrieben. Installiert ist<br />
eine elektrische Leistung von einem Megawatt. Die Biogasaufbereitung<br />
plus Gasverflüssigungsanlage (Bio-LNG) befinden<br />
sich im Bau. Die Errichtung der CO 2<br />
-Reinigung ist für 2022<br />
geplant. 18 Tonnen CO 2<br />
soll die Anlage täglich bereitstellen.<br />
Verbraucher in der Getränke- und Lebensmittelindustrie sollen<br />
das CO 2<br />
abnehmen.<br />
Auch in Deutschland tut sich was hinsichtlich der biogenen<br />
CO 2<br />
-Gewinnung. In Krefeld wird an der Kläranlage im ersten<br />
Quartal 2022 eine Biogas- und CO 2<br />
-Aufbereitung ihre Arbeit<br />
aufnehmen. Das Klärgas dient dort als Ausgangsstoff. Die Rohgasaufbereitungskapazität<br />
liegt bei 1.400 Normkubikmetern<br />
pro Stunde. Die CO 2<br />
-Produktionskapazität gab Beil mit 8.000<br />
Tonnen pro Jahr an. Das CO 2<br />
soll in Gewächshäusern oder der<br />
Industrie verwertet werden. Die Investitionskosten bezifferte<br />
der Referent mit rund 6 Millionen Euro für beide Anlagen zusammen.<br />
„In Europa stammen zwei Drittel des CO 2<br />
-Bedarfs der Industrie<br />
aus der chemischen Industrie und der Ammoniakgewinnung,<br />
wobei letztere einen Anteil von 50 Prozent hat. In Großbritannien<br />
fehlt zurzeit CO 2<br />
aus der Ammoniakproduktion, weil diese<br />
wegen der hohen Gaspreise heruntergefahren worden ist.<br />
Der Gesamtmarkt in Deutschland hat etwa ein Volumen von<br />
800.000 Tonnen bis 1 Mio. Tonnen“, informierte Beil.<br />
19
AKTUELLES BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
„Wer heute ein Gaskraftwerk<br />
betreibt und Erdgas ersetzen<br />
muss, kann das am günstigsten<br />
mit Biogas machen“<br />
Friedrich-Wilhelm Knebel<br />
Nur gut 1 Prozent<br />
Biomethan im Netz<br />
Über die Rolle von Biomethan aus<br />
Sicht der Gaswirtschaft sprach<br />
Dr.-Ing. Friedrich-Wilhelm Knebel<br />
von der Erdgas Südwest GmbH. Er<br />
sagte, dass in 2019 alle deutschen<br />
Biogasanlagen energetisch betrachtet 85<br />
Terawattstunden (TWh) produziert haben.<br />
88 Prozent davon würden in Blockheizkraftwerken<br />
verstromt. Der Hauptgrund<br />
dafür sei das Erneuerbare-Energien-Gesetz<br />
(EEG). Nur 12 Prozent würden im Biomethanmarkt<br />
verbraucht.<br />
Der Erdgasverbrauch habe in Deutschland<br />
in 2019 bei 950 TWh gelegen. Lediglich<br />
9,4 TWh seien an Biomethan eingespeist<br />
worden, was weniger als ein Prozent ausmache.<br />
Von diesen also knapp 10 TWh gehen<br />
rund 9 TWh wiederum ins EEG. Das<br />
bedeute, das von den 12 Prozent, die im<br />
Biomethanmarkt eingespeist werden, wiederum<br />
88 Prozent in Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen<br />
zum Einsatz kommen.<br />
„98,6 Prozent des gesamten in Deutschland<br />
produzierten Biogases gehen in die<br />
EEG-Förderung. Biomethan ist im Grunde<br />
Erdgas plus Zertifikat. Die stoffliche Nutzung<br />
in irgendwelchen Prozessen kann<br />
komplett vernachlässigt werden. Die Herkunftsnachweise<br />
der Zertifikate spielen<br />
eine wichtige Rolle“, führte Knebel aus.<br />
Er hält die Verknüpfung mehrerer Biogasanlagen<br />
zu einer Aufbereitungsanlage in<br />
bestimmten Fällen für sinnvoll.<br />
Schaue man sich die Rahmenbedingungen<br />
an, dann sei klar: „2045 ist Schluss<br />
mit Erdgas. Die Menge, die heute im Netz<br />
ist, ist dann gleich null. Daraus ergibt sich<br />
eine enorme Marktchance, denn Erdgas<br />
kann nicht vollständig durch Strom ersetzt<br />
werden.“ Gehe man von einem Rest von 10<br />
Prozent aus, der benötigt wird, dann seien<br />
das immer noch 95 TWh, die durch andere<br />
Gase ersetzt werden müssen. „Das ist<br />
immerhin deutlich mehr als das, was der<br />
Stand heute an Biogasproduktion ist, das<br />
ja meistens in der Vor-Ort-Verstromung Verwendung<br />
findet,“ betonte Knebel.<br />
Er begründete weiter: „Wer heute ein Gaskraftwerk<br />
betreibt und Erdgas ersetzen<br />
muss, kann das am günstigsten mit Biogas<br />
machen, weil keine Umrüstkosten entstehen.<br />
Der Preis von Biomethan ist bekannt,<br />
und die Technologie ebenfalls. Es ist im<br />
Grunde weiter Erdgas, nur auf dem Liefervertrag<br />
steht Biomethan.“ In Süddeutschland<br />
werde Biomethan sich bis 2035 als<br />
Brückentechnologie darstellen müssen,<br />
denn bis jetzt sei keinerlei Planung vorhanden<br />
für eine flächendeckende Wasserstoffversorgung<br />
für diesen Landesteil.<br />
Die Gasaufbereitung ist laut Knebel interessant,<br />
weil das CO 2<br />
abgetrennt wird, das<br />
als Kohlenstoffquelle für alle möglichen<br />
Produkte verwendet werden kann. So zum<br />
Beispiel auch für Power-to-Gas oder Power-to-Liquid<br />
(grüner Diesel). Vorteile auch<br />
hier: „Vorhandene Anwendungstechnologien<br />
können weiter genutzt werden. Es gibt<br />
heute schon Anlagen, die synthetischen<br />
Diesel produzieren.“ An der Stelle verwies<br />
er auf den sogenannten Premiumdiesel bestimmter<br />
Mineralölfirmen.<br />
„Wenn wir das Biomethan produzieren,<br />
haben wir ausblickend die Chance, dass<br />
wir das CO 2<br />
künftig als weiteren Wertstoff<br />
nutzen können. Der Platz, der frei werden<br />
wird, wenn Erdgas künftig weniger eingesetzt<br />
werden darf, ist außerordentlich. Die<br />
Marktaussichten sind sehr, sehr gut“, resümierte<br />
Knebel am Ende seines Vortrages.<br />
Zweistufige Druckfermentation<br />
Dr. Andreas Lemmer von der Uni Hohenheim<br />
in Stuttgart ließ während seines Vortrags<br />
in ein Projekt einblicken, das sich mit<br />
der dezentralen Erzeugung von Bio-LNG in<br />
einer neuartigen Prozesskette befasst. Im<br />
Zentrum des Projektes Pro-bioLNG steht<br />
die zweistufige Druckfermentation. Dabei<br />
wird die eingesetzte Biomasse zunächst<br />
bei Umgebungsdruck und einer Temperatur<br />
von 55 Grad Celsius in einem kontinuierlich<br />
betriebenen Hydrolysereaktor in gelöste<br />
organische Verbindungen überführt.<br />
Diese werden im zweiten Reaktor, dem<br />
sogenannten Hochdruck-Methanreaktor,<br />
zu Methan umgewandelt.<br />
Der Prozess der Versäuerung und der Methanbildung<br />
ist räumlich voneinander<br />
getrennt. Beim Methanreaktor handelt es<br />
sich laut Dr. Lemmer um einen Festbettreaktor,<br />
der mit 40 Grad Celsius und 10 bar<br />
Druck betrieben wird. Einen Reaktor unter<br />
solchen Bedingungen zu betreiben, sei teuer.<br />
„Daher muss die Raumbelastung höher<br />
sein als in klassischen Fermentern.<br />
Es müssen zudem kurze Verweilzeiten<br />
erreicht werden. Nur so kann<br />
das teure Fermentervolumen effizient<br />
genutzt werden“, machte der<br />
Vortragende deutlich.<br />
Zwischen der Hydrolysestufe und<br />
dem Druckmethanreaktor ist eine Membranfiltration<br />
installiert, um ein Verblocken<br />
der mit Mikroorganismen bewachsenen<br />
Füllkörper in der zweiten Stufe zu verhindern.<br />
Zudem soll nicht abgebaute Organik<br />
in die Hydrolyse zurückgeführt werden. Dadurch<br />
wird die Verweilzeit der Biomasse von<br />
der Methanproduktion entkoppelt.<br />
Power-to-Gas und biologische<br />
Methanisierung<br />
„In das Gesamtsystem wurde auch die Sektorenkopplung<br />
integriert. Das heißt, dass<br />
mithilfe eines Elektrolyseurs Wasserstoff<br />
produziert wird, der zwischengespeichert<br />
wird. Über ein Power-to-Gas-Verfahren wird<br />
der Wasserstoff zu Methan synthetisiert.<br />
Außerdem findet eine biologische Methanisierung<br />
statt. Dazu wird das im Produktgas<br />
des Methanreaktors verbleibende CO 2<br />
anschließend in einem Rieselbettreaktor<br />
zu Methan umgesetzt“, führte Dr. Lemmer<br />
aus.<br />
Rieselbettreaktoren würden eine hohe Prozessstabilität<br />
aufweisen. Mit ihnen ließen<br />
sich CH 4<br />
-Konzentrationen von 97 bis 99<br />
Prozent erreichen. Das CH 4<br />
sei weiter zu<br />
reinigen. Schwefel werde mit Aktivkohle<br />
herausgefiltert. Anschließend erfolge die<br />
Gastrocknung mithilfe von Zeolithen mit<br />
automatischer Regeneration der Zeolithe.<br />
Das verbleibende CO 2<br />
werde über eine Wäsche<br />
mit ionischen Fluiden entfernt.<br />
Im Rahmen des Projekts wird das Methan<br />
bei minus 162 Grad Celsius verflüssigt und<br />
in mobilen Tanks gelagert. Dieses flüssige<br />
Bio-LNG ist ein idealer Kraftstoff für den<br />
Schwerlastverkehr. In der Landwirtschaft<br />
gebe es aktuell nur eine kommerzielle Anwendung<br />
für Biomethan als Kraftstoff von<br />
New Holland (CNH) mit monovalentem<br />
CNG-Motor.<br />
Autor<br />
Dipl.-Ing. agr. (FH) Martin Bensmann<br />
Redakteur Biogas Journal<br />
Fachverband Biogas e.V.<br />
0 54 09/90 69 426<br />
martin.bensmann@biogas.org<br />
20
BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
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AKTUELLES BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
Biogas: Ein Baustein der<br />
Dekarbonisierung<br />
Kai Alberding,<br />
Geschäftsführer Carbo-<br />
Force GmbH, erklärt<br />
Besuchern vor Bigbags,<br />
in denen das Resultat<br />
des Karbonisierungsprozesses<br />
aufgefangen<br />
wird, den Verarbeitungsprozess.<br />
Die Themen auf dem 5. Norddeutschen Biogas-Branchentreff in Rendsburg waren breit<br />
gefächert: Sie reichten von der Flexibilisierung über Speicherkraftwerke, Feststoffdünger<br />
aus Gärresten, Redispatch 2.0 und Energieversorgung von Industrien bis hin zur Pflanzenkohle,<br />
zur Bioökonomie und „Böden als CO 2<br />
-Speicher“.<br />
Von Dierk Jensen<br />
Prof. Dr. Conrad<br />
Wiermann, Fachhochschule<br />
Kiel.<br />
Bei derzeit rasant steigenden CO 2<br />
-Preisen<br />
und einer allseits postulierten Dekarbonisierung<br />
rückt die Kohlenstoff-Speicherung<br />
mehr und mehr in den Fokus (wirtschaftlicher)<br />
Interessen. Über Potenziale, aber<br />
auch über die Grenzen dieses Klimaschutz-Instrumentariums<br />
wurde<br />
im Rahmen des Rendsburger Branchentreffs<br />
referiert und diskutiert.<br />
Kurioserweise auf zwei parallel stattfindenden<br />
Foren: zum einen am „ExpertenTisch<br />
Pflanzenkohle“ in der<br />
Ausstellungshalle der Deula und zum<br />
anderen im benachbarten Fachbereich<br />
Agrarwirtschaft der Fachhochschule<br />
Kiel. Wieso die Veranstalter<br />
dies nicht zusammen kompakt unter<br />
einem Hut organisiert haben, bleibt<br />
deren Geheimnis, denn so musste<br />
sich der Besucher wohl oder übel für<br />
eines der Foren entscheiden.<br />
Während nun unter der Ägide des<br />
Biogasberaters Rainer Casaretto<br />
(Biogas-Akademie) über die „Monetarisierung von Umweltdienstleistungen<br />
der Biogasbranche“ diskutiert<br />
wurde, beschäftigten sich die Teilnehmer*innen in der<br />
Fachhochschule mit den Optionen einer CO 2<br />
-Speicherung<br />
in Böden. Dazu trug auch Anton Aschbacher aus<br />
der Region Katschberg im österreichischen Kärnten<br />
bei. Er berichtete über den Einsatz von Pflanzenkohle<br />
in der touristischen Bergwelt Österreichs.<br />
Die von ihm als „Klimaerde“ bezeichnete Pflanzenkohle<br />
biete Schutz vor Erosion, biete eine höhere Wasserhaltefähigkeit<br />
der Böden, diene dem Humusaufbau,<br />
der mikrobiellen Reaktivierung des Bodenlebens und<br />
leiste überdies eine CO 2<br />
-Speicherung über viele Jahrhunderte.<br />
Es geht bei diesem Ansatz auch um nachhaltige<br />
Geschäftsmodelle, bei denen die Akteure im ländlichen<br />
Raum aktiv am Klimaschutz partizipieren können.<br />
Volkswirtschaftliche Werte nicht länger<br />
ungenutzt lassen<br />
Inwieweit Biogas-Anlagenbetreiber in solche Prozesse<br />
integriert werden können, blieb nicht endgültig beantwortet,<br />
doch erörterten Hans J.P. Freiherr von Donop,<br />
Dr. Hans Korte sowie Prof. Dr. Hinrich Uellendahl von<br />
FOTOS: DIERK JENSEN<br />
22
BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
AKTUELLES<br />
Björn Kuntze,<br />
Chefingenieur bei der<br />
Carbo-Force GmbH,<br />
erklärt das Innenleben<br />
der Biochar-Anlage.<br />
der Fachhochschule Flensburg in der Diskussion<br />
weitere Chancen und Optionen,<br />
aus Gärresten zusätzliche Wertschöpfung<br />
zu generieren. Ob nun eine Faserproduktion<br />
oder noch andere Nutzungskaskaden<br />
zukünftig zum Zuge kommen werden, hänge<br />
letztlich davon ab, so Rainer Casaretto<br />
kritisch zuspitzend, ob es Gesellschaft und<br />
Politik endlich bewusst wird, welche volkswirtschaftlichen<br />
Werte bisher auf säumige<br />
Weise ungenutzt vernachlässigt werden.<br />
Zur gleichen Zeit warnte Prof. Dr. Conrad<br />
Wiermann vom Fachbereich Agrarwirtschaft<br />
der Fachhochschule vor allzu großer<br />
Euphorie hinsichtlich der Einlagerung von<br />
Kohlenstoff in landwirtschaftlichen Böden.<br />
Dabei sprach sich Wiermann keineswegs<br />
grundsätzlich gegen eine Karbonisierung<br />
aus. Er hinterfragte aber in seinem<br />
Vortrag kritisch, in welchen Bodentypen<br />
dies eigentlich stattfinden soll und in welcher<br />
Form.<br />
Hinsichtlich der Bodentypen verwies der<br />
Fachmann darauf, dass bei zu großen Mengen<br />
von Pflanzenkohle Sättigungspunkte<br />
in einigen Böden erreicht werden können,<br />
die zu kontraproduktiven Auswaschungen<br />
von Stickstoff etc. führen. Allerdings relativierte<br />
Wiermann dies insofern, als dies erst<br />
bei großen Mengen eintreten würde.<br />
Trockene Moore vernässen,<br />
Dauergrünland wiederherstellen,<br />
Flächen aufforsten<br />
Da es aber beim wirksamen Klimaschutz<br />
am Ende auch um große Dimensionen<br />
geht, hob Wiermann die Vorteile von zwei<br />
anderen Varianten der Kohlenstoffeinspeicherung<br />
hervor: Zum einen ist es die<br />
Wiedervernässung von trockengelegten<br />
Moorgebieten, zum anderen die Umwidmung<br />
von ackerbaulichen Grenzstandorten<br />
in Dauerweide oder in einen wiederaufzuforstenden<br />
Wald. Diese Varianten seien<br />
im Gegensatz zur technisch komplexen<br />
Verkohlung sehr viel einfacher und auch<br />
effizienter.<br />
Sie haben den großen Vorteil, dass sie viel<br />
„natürlicher“ umgesetzt werden können.<br />
Nichtsdestoweniger begrüßt der Dozent an<br />
der Fachhochschule Kiel, dass neue Technologien<br />
vorangebracht werden, die mit der<br />
Behandlung von Biomassefraktionen aus<br />
Klärschlamm, Biotonnen oder eben auch<br />
Gärresten einen Beitrag zum Klimaschutz<br />
leisten können. Über ein Problem müsse<br />
sich man bei der Behandlung von belasteten<br />
Biomassefraktionen jedoch im Klaren<br />
sein, so Wiermann, „je schadbelasteter das<br />
Biomasse-Inputmaterial bei der Karbonisierung<br />
ist, desto vorsichtiger sollte eine<br />
solche Pflanzenkohle im Kontext landwirtschaftlicher<br />
Nutzung zu bewerten sein“.<br />
Das beurteilt auch Malte Graf kaum anders.<br />
Doch betrachtet er als Geschäftsführer<br />
der Carbo-Force GmbH aus dem schleswig-holsteinischen<br />
Preetz, die mittlerweile<br />
eine Karbonisierungsanlage (Biochar) zur<br />
Serienreife entwickelt hat, dies Thema aus<br />
ganz anderer Sicht: verspricht doch deren<br />
Anlage mehr und mehr wirtschaftlich lukrativ<br />
zu werden. Und dies, obwohl – abgesehen<br />
von der jahrelangen Entwicklungsarbeit<br />
– der Bau der ersten Biochar-Anlage<br />
auf dem Gelände der AWR Abfallwirtschaft<br />
Rendsburg-Eckernförde GmbH mit allem<br />
Drum und Dran mit rund 1,1 Millionen<br />
Euro zu Buche steht.<br />
Biokohle ist gefragt<br />
Seit Sommer <strong>2021</strong> verarbeitet die Karbonisierungsanlage<br />
holzige Reststofffraktionen<br />
(geschreddertes Knickholz, das eine<br />
Lohnunternehmung aus der Region liefert)<br />
zu feinkörnigem Kohlenstaub, der am Ende<br />
in BigBags aufgefangen wird. Das Endprodukt<br />
ist wahrlich kein Ladenhüter, es wird<br />
zu unterschiedlichen Kunden, unter<br />
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AKTUELLES BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
Blick auf Siebarbeiten auf der Kompostierungsanlage<br />
auf dem Gelände der AWR, auf der auch<br />
Biogas produziert wird.<br />
Blick auf die Karbonisierungsanlage der<br />
Carbo-Force GmbH auf dem Gelände der<br />
AWR Rendsburg-Eckernförde.<br />
anderem auch an einen Milchviehhalter, vermarktet.<br />
Die Nachfrage sei höher als das Angebot, das Graf mit<br />
einer Jahresproduktion von rund 750 Tonnen angibt.<br />
Als Input liegen dafür rund 2.400 Tonnen holzige Trockenmasse<br />
zugrunde.<br />
Dabei ist die Karbonisierungsanlage in einem 40-Fuß-<br />
Container ziemlich unspektakulär untergebracht. Wer<br />
aber hineingeht, ermisst schnell, wie technisch komplex<br />
eine Verkohlung von frischer Biomasse zu Pflanzenkohle<br />
tatsächlich ist. Und es kann bei hohen Außentemperaturen<br />
im Container schon ziemlich heiß<br />
werden, arbeitet das Verfahren doch mit Prozesstemperaturen<br />
von 750 bis 800 Grad Celsius.<br />
„Wir haben über 15 Jahre Erfahrung in der Entwicklung<br />
innovativer Carbonisierungsverfahren gesammelt. Ausgehend<br />
von der herkömmlichen Pyrolyse haben wir ein<br />
neues Verfahren mit partieller Oxidation entwickelt und<br />
für den Einsatz in der Praxis immer weiter optimiert“,<br />
erklärte Malte Graf vor der Anlage stehend. „Während<br />
die bisher eingesetzten Pyrolyse-Verfahren durch indirekte<br />
Erwärmung über Wärmetauscher enorme Mengen<br />
Energie verbrauchen, ist es mit unserer Technologie<br />
möglich, aus den Reststoffen zusätzlich Energie zu<br />
produzieren.“<br />
So fallen bei einer Anlage mit einer Prozessleistung<br />
von einem Megawatt und einem erstaunlich niedrigen<br />
Strombedarf von rund 8 Kilowatt (kW) Leistung laut<br />
Graf rund 450 kW Abwärme an, die sinnvoll weiterverwertet<br />
wird und bei einem Wärmepreis von 2,5 Cent pro<br />
Kilowattstunde erste Erlöse erzielt. Der größte Umsatz<br />
werde allerdings mit Abstand durch den Verkauf der<br />
Pflanzenkohle erzielt, die der Carbo-Force GmbH regelrecht<br />
aus den Händen gerissen werde.<br />
Die Preise pro Tonne liegen aktuell zwischen 550 und<br />
900 Euro. Darüber hinaus winken mit dem Verkauf von<br />
CO 2<br />
-Zertifikaten weiter Einnahmen, wird doch eine<br />
Tonne karbonisierter Biomasse mit einer CO 2<br />
-Reduzierung<br />
von 3,6 Tonnen bewertet. Bei steigenden Preisen<br />
im Emissionshandel winken durchaus lukrative Perspektiven<br />
für zukünftige Betreiber von Karbonisierungsanlagen.<br />
Weitere Pflanzenkohleanlagen im Bau<br />
Tatsächlich sind zwei weitere Anlagen, eine in Albersdorf<br />
und eine weiter in Schleswig, schon im Bau, verrät<br />
Graf. Es sei das erklärte Ziel, in den nächsten drei<br />
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BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
AKTUELLES<br />
Jahren 15 Anlagen zu bauen und<br />
zu betreiben. Er betrachtet auch<br />
Biogasproduzenten als zukünftige<br />
Kunden. Und wenn es genehmigungsrechtlich<br />
auf dem Weg gebracht<br />
sein sollte, wäre auch die<br />
stoffliche Verwertung von Überlauffraktionen<br />
von Kompostierungsanlagen,<br />
die den Inhalt von Biotonnen<br />
verwerten, denkbar. Auch die<br />
Behandlung von Klärschlämmen<br />
könnte durchaus ein Einsatzgebiet<br />
sein, obgleich die derzeitigen gesetzlichen<br />
Grundlagen dies nicht<br />
erlauben. Für die Landwirtschaft<br />
Malte Graf, Geschäftsführer<br />
Carbo-Force GmbH.<br />
wären Überlauf-Fraktionen und Klärschlämme ohnehin<br />
sicherlich nicht zu empfehlen. Allerdings besteht offenbar<br />
kein Zweifel: Obschon noch viele offene Fragen<br />
hinsichtlich der Pflanzenkohle bestehen, wird dieses<br />
Segment weiter an Bedeutung gewinnen. Genauso wie<br />
die Digitalisierung, an der auch Biogasanlagenbetreiber<br />
nicht vorbeikommen. Dies gilt auch für das Redispatch<br />
2.0, einer gesetzlich forcierten und seit dem 1.<br />
Oktober <strong>2021</strong> scharf geschalteten neuen Datenplattform,<br />
die Verteilnetzbetreiber und alle Energieerzeuger<br />
ab 100 kW Leistung verpflichtet, sich an der „Engpass-<br />
Behebung“ zu beteiligen.<br />
Und von den besagten Engpässen gibt es in Schleswig-<br />
Holstein bekanntlich viele, liegen doch 60 Prozent aller<br />
Abschaltungen im gesamten bundesdeutschen Netz in<br />
Schleswig-Holstein! Deshalb hat der regionale Netzbetreiber<br />
Schleswig-Holstein Netz AG mit diesem Dilemma<br />
reichlich zu tun. Tatsächlich hat ein 20-köpfiges<br />
Team an der Umstellung auf Redispatch 2.0 gearbeitet.<br />
Projektleiterin Stephanie Jacobsen räumte in Rendsburg<br />
zwar ein, dass es bei der Datenübertragung noch<br />
Defizite gebe, „doch sind wir auf<br />
einem guten Wege“. Zudem hätten<br />
sich schon 90 Prozent aller Biogasanlagen-Betreiber<br />
bei der SH Netz<br />
AG zum Redispatch 2.0 gemeldet.<br />
Wenngleich keine Sanktionen für<br />
Nichtmeldungen drohen, appellierte<br />
Jacobsen an die Adresse der<br />
restlichen 10 Prozent, sich am neuen<br />
System zu beteiligen.<br />
„Es geht ja darum, die volkswirtschaftlichen<br />
Folgekosten von Abschaltungen<br />
zu minimieren“, so<br />
Jacobsen. Um volkswirtschaftlich<br />
Relevantes ging es übrigens auch<br />
im Referat „Biogas ermöglicht grüne Versorgung energieintensiver<br />
Industrie“, das Oliver Rein von der Nordgröön<br />
Energie GmbH hielt. Er schilderte am Beispiel<br />
des Chemiekonzerns BASF am Standort Schwarzheide<br />
in Brandenburg, dass die Stromversorgung aus<br />
erneuerbaren Energien durchaus möglich ist. Dort<br />
hatte Nordgröön in einem Probelauf, wenngleich nur<br />
drei Wochen, den Verantwortlichen des Chemieriesen<br />
praktisch zeigen können, wie es funktionieren kann. Es<br />
braucht dafür nur etwas mehr Flexibilität und eine gute<br />
Portion Digitales, wenngleich es zum Stand heute noch<br />
doppelt so teuer wird.<br />
Autor<br />
Dierk Jensen<br />
Freier Journalist<br />
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AKTUELLES BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
Brennpunkt Düngung – Jetzt können wir<br />
Ihnen mit einer Beratung zur Seite stehen!<br />
Was tun, wenn die Anforderungen der Düngeverordnung nicht mehr erfüllt werden können?<br />
Wenn keine Zeit ist, die Aufzeichnungen nach Stoffstrombilanzverordnung zu erstellen<br />
oder wenn man nicht sicher ist, ob die Kennzeichnung des Gärproduktes nach Düngemittelverordnung<br />
ordnungsgemäß erfolgt ist? Um in solchen Situationen die Mitglieder des<br />
Fachverbandes Biogas e.V. unterstützen zu können, bietet die Fachverband Biogas Service<br />
GmbH ab Herbst <strong>2021</strong> eine Düngeberatung an.<br />
Von M.Sc. Sophia Heinze und M.Sc. Florian Strippel<br />
Das neue Dünge-Beratungsangebot zielt<br />
darauf ab, Biogasanlagenbetreiber bei der<br />
Erfüllung der komplexen düngerechtlichen<br />
Anforderungen zu unterstützen. Dabei stehen<br />
die rechtlichen Gegebenheiten im Vordergrund,<br />
und der Fokus liegt dabei auf den folgenden<br />
Gesetzen und Verordnungen:<br />
ffDüngegesetz und -verordnung, inklusive Düngebedarfsermittlung,<br />
ffWirtschaftsdüngerverbringungsverordnung,<br />
ffDüngemittelverordnung,<br />
ffStoffstrombilanzverordnung,<br />
ffBioabfallverordnung.<br />
Modulare Struktur der Düngeberatung<br />
Modul 1: Erstgespräch anhand Checkliste<br />
Pauschalpreis 140 € netto<br />
Modul 2: Detaillierte Einführung anhand von<br />
Vorträgen zu den einzelnen Themenbereichen<br />
Pauschalpreis 210 € netto<br />
Modul 3: Betriebsindividuelle Betrachtung und<br />
Erstellung der Bilanzen / Aufzeichnungspflichten<br />
Stundenpreis 120 € netto<br />
Checkliste<br />
Zwischenbericht<br />
Ergebnisbericht<br />
Die genannten Verordnungen stellen unterschiedliche<br />
Anforderungen an Anlagenbetreiber hinsichtlich der<br />
Aufzeichnung, Kennzeichnung und Bilanzierung sowie<br />
Aufbewahrung und Übermittlung der erforderlichen<br />
Unterlagen. Damit Betreiber bei diesen zahlreichen<br />
Regelwerken einen Überblick erhalten, welche Anforderungen<br />
im Hinblick auf die individuelle Betriebsstruktur<br />
zu berücksichtigen sind, bietet die Fachverband<br />
Biogas Service GmbH eine Düngeberatung an,<br />
die genau auf die Anforderungen der Biogasbranche<br />
zugeschnitten ist.<br />
Modular strukturierte Beratung<br />
Die Beratung ist dabei in mehrere Module aufgeteilt,<br />
wie in der Abbildung dargestellt. In einem Erstgespräch,<br />
das Modul 1 beinhaltet, werden alle düngerechtlichen<br />
Rahmenbedingungen anhand einer Checkliste in einem<br />
bilateralen Gespräch mit dem Betriebsleiter erörtert.<br />
Dabei werden für die jeweilige Biogasanlage und bei<br />
Bedarf auch für den landwirtschaftlichen Betrieb die<br />
einzelnen Anforderungen an Aufzeichnungen, Kennzeichnungen<br />
und Bilanzierungen besprochen.<br />
So ergibt sich ein detailierter Überblick darüber, welche<br />
Dokumente bereits vorliegen, ob diese vollständig<br />
sind, noch nicht erstellt wurden oder fehlerhaft sind. Im<br />
Gespräch werden insbesondere die relevanten Rechtsbereiche<br />
Wirtschaftsdüngerverbringungsverordnung,<br />
Düngemittelverordnung, Stoffstrombilanzverordnung<br />
und Düngeverordnung berücksichtigt.<br />
Ausgehend vom Erstgespräch hat der Beratungsnehmer<br />
die Möglichkeit, ein zweites Modul hinzuzubuchen. In<br />
diesem werden Vorträge zu den einzelnen Rechtsbereichen<br />
angeboten, in denen Nachbesserungsbedarf<br />
besteht. Ziel ist, die im Rahmen der Checkliste identifizierten<br />
Defizite zu erörtern und zu besprechen, wie<br />
diese behoben werden können. Dabei wird mit allgemeingültigen<br />
Unterlagen das Wissen vermittelt, das<br />
der Betreiber benötigt, um die identifizierten Mängel<br />
eigenständig zu beheben.<br />
Modul 2 hat dabei allerdings keinen reinen Vortragscharakter.<br />
Im Rahmen des Gespräches dienen entsprechende<br />
Foliensätze als Leitfaden, der es immer<br />
ermöglicht, auch individuelle Fragen zu diskutieren.<br />
Da jedoch keine Prüfung der Dokumente erfolgt, ist die<br />
Tiefe der Diskussion begrenzt und wird sich in<br />
26
BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
AKTUELLES<br />
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AKTUELLES BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
Joachim und Stefanie<br />
Becker haben positive<br />
Erfahrungen mit der neuen<br />
Düngeberatung durch den<br />
Fachverband Biogas e.V.<br />
gemacht.<br />
der Regel auf<br />
Verständnisfragen<br />
beziehen. Möchte der Betreiber<br />
die identifizierten Mängel nicht<br />
eigenständig, sondern mit Unterstützung<br />
durch die Fachverband Biogas Service<br />
GmbH beheben, kann das Modul 2 auch<br />
übersprungen werden, denn in einem dritten Modul<br />
werden die betriebsindividuellen Gegebenheiten in die<br />
Praxis umgesetzt. In diesem Modul ist es möglich, bereits<br />
vorliegende Aufzeichnungen, Kennzeichnungen<br />
oder Bilanzierungen durch Experten der Service GmbH<br />
überprüfen zu lassen oder diese neu zu erstellen, sollten<br />
diese nur lückenhaft vorliegen. Dabei ist es auch<br />
möglich, diese erforderlichen Dokumente gemeinsam<br />
zu erarbeiten, damit der Beratungsnehmer diese in Zukunft<br />
selbstständig erstellen kann.<br />
Selbstverständlich werden die länderspezifischen<br />
Anforderungen in der Beratung berücksichtigt und es<br />
werden insbesondere für die Kennzeichnung und die<br />
Bilanzierungen die entsprechenden EDV-Programme<br />
der Länder herangezogen. In diesem Rahmen kann<br />
beispielsweise das „Web Modul Düngung“ in Niedersachsen<br />
oder der „LfL Biogasgärrestrechner“ in Bayern<br />
genutzt werden. Zusätzlich wurden interne Musterformulare<br />
und Rechner entwickelt, die im Rahmen der<br />
Beratung eingesetzt werden können.<br />
Vorgesehen ist, dass die Beratung zunächst in Online-<br />
Meetings angeboten wird. Der digitale Charakter erlaubt<br />
es, die Beratungskosten für unsere Mitglieder<br />
zu senken. Auf Wunsch kann selbstverständlich auch<br />
ein Termin vor Ort wahrgenommen werden, doch das<br />
Erstgespräch im Rahmen des ersten Moduls wird ausschließlich<br />
im Rahmen eines Onlinemeetings abgehalten.<br />
Sobald die Beratung allerdings in die betriebsindividuelle<br />
Einzelberatung geht, kann hingegen auch ein<br />
Vor-Ort-Termin sinnvoll und nötig sein.<br />
Nachdem in den vergangenen Monaten die Struktur<br />
und Inhalte des Beratungssystems zusammen mit<br />
Betrieben aus der Mitgliedschaft des Fachverband<br />
Biogas e.V. getestet wurden, bieten wir die Beratungen<br />
nun allen interessierten Verbandsmitgliedern als<br />
kostenpflichtige Zusatzdienstleistung über die Service<br />
GmbH an. Durch das gestaffelte Preissystem behalten<br />
Betreiber die volle Kontrolle über die bei der Beratung<br />
anfallenden Kosten.<br />
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BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
AKTUELLES<br />
Erfolgreich abgeschlossener Testlauf<br />
In den vergangenen Wochen wurde die modulare Struktur<br />
in zwei Testbetrieben erprobt. Bei beiden Betrieben<br />
handelte es sich um flächenlose Biogasanlagen, wobei<br />
jeweils auch ein landwirtschaftlicher Betrieb angegliedert<br />
war. Die Beratung erfolgte größtenteils über digitale<br />
Meetings. Der Betrieb Becker Energie GmbH & Co.<br />
KG befindet sich im Landkreis Harburg (Niedersachen)<br />
und umfasst eine flächenlose Biogasanlage. Angegliedert<br />
ist ein landwirtschaftlicher Betrieb mit Ackerbau<br />
und Sonderkulturanbau im Gewächshaus.<br />
Über die Düngeberatung sagt Stefanie Becker: „Die Beratung<br />
hat mein Verständnis für die Zusammenhänge im<br />
Bereich des Düngerechts mit den umfangreichen Dokumentationspflichten<br />
vertieft. Mehr noch als die vorher<br />
besuchten Seminare, weil die Fragen individuell und<br />
am Beispiel des eigenen Betriebes besprochen werden<br />
konnten. Sie versetzt mich in die Lage, die Dokumentation<br />
zu einem größeren Teil selbst zu erstellen oder<br />
zumindest die für uns erstellten Dokumente besser zu<br />
kontrollieren. Die Beratung war Corona bedingt online.<br />
Das habe ich als Vorteil empfunden, weil sie in den Arbeitsalltag<br />
somit leichter integriert werden konnte.“<br />
Die flächenlose Biogasanlage NatUrenergie Mintraching<br />
GmbH & Co.KG liegt in der Oberpfalz. Vier landwirtschaftliche<br />
Betriebe betreiben gemeinsam eine<br />
Biogasanlage. Sie liefern Substrate und erhalten im<br />
Gegenzug das Gärprodukt. Kurt Langer ist einer der<br />
Geschäftsführer. Er zieht folgendes Fazit aus der Düngeberatung:<br />
„Wir haben uns für eine Düngeberatung<br />
durch den Fachverband entschieden, denn auf die sich<br />
immer schneller ändernden Vorschriften und Verordnungen<br />
muss ich als Biogasanlagenbetreiber reagieren.<br />
Eine Beratung durch den Fachverband ist aus meiner<br />
Sicht nur zu empfehlen. Mit unseren Daten alle Fakten<br />
zu besprechen sowie neue Anregungen und Tipps zu erhalten,<br />
um somit mehr Sicherheit zu erlangen, alle Anforderungen,<br />
die an uns gestellt werden, zu erfüllen.“<br />
Haben wir Ihr Interesse geweckt?<br />
Wenn Sie sich nun angesprochen fühlen und das Angebot<br />
nutzen möchten oder einfach Fragen zu der Düngeberatung<br />
haben, können Sie sich gerne an uns wenden.<br />
Kontakt: Sophia Heinze, Fachberaterin Biogas – Fokus<br />
Düngung, Tel. 0 81 61/98 46 72, sophia.heinze@biogas.org<br />
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29
AKTUELLES BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
Horst Seide ist mit der Leistung und der Umwelt-Performance<br />
seines neuen Schleppers sichtlich zufrieden.<br />
Das Kabineninnere unterscheidet<br />
sich nicht vom Diesel-Bruder. <br />
NEW HOLLAND<br />
Der neue<br />
Gas-Schlepper<br />
ist da!<br />
Biomethan als Kraftstoff für Traktoren:<br />
Darauf hat die Biogasbranche schon lange<br />
gewartet. Jetzt scheint der Durchbruch gelungen<br />
zu sein. Der Hersteller New Holland<br />
geht mit einem neuen Modell nach jahrelangen<br />
Vorarbeiten tatsächlich in Serie.<br />
Das Biogas Journal hat die gasbetriebene<br />
Neuheit getestet.<br />
Von Dierk Jensen<br />
Ernte auf dem Hof von Horst Seide. Es herrscht<br />
ideales Frühherbstwetter Ende September,<br />
es ist trocken, ja, es ist noch spätsommerlich<br />
warm. Mais soll gehäckselt werden. Das<br />
Ernteteam steht bereit, aber ein technisches<br />
Problem macht einen Strich durch die Rechnung; irgendetwas<br />
mit der Antriebsscheibe beim Claas-Häcksler,<br />
Ernte und alle Maschinen ruhen.<br />
Apropos Maschinen: Durch die unfreiwillige Arbeitsunterbrechung<br />
auf dem Hof direkt hinter dem Deich der<br />
Elbe, vor Biogasanlage und Fahrsilo, präsentiert sich<br />
wahrlich ein stattlicher Fuhrpark: Das ist Landtechnik,<br />
geballte PS-Power. Viel Prominenz des „Who is Who“<br />
der Landmaschinenwelt findet sich: Der John Deere<br />
7730, der Claas-Häcksler, ein Vario Favorit Fendt 924<br />
und auch ein Fendt 720 ist dabei, ebenso wie der New<br />
Holland T6.180 Methane Power mit einem 6-Zylinder-<br />
Motor, der über 180 PS Leistung verfügt.<br />
Optisch kaum zu unterscheiden<br />
Der Zusatz Methane ist erst in kurzer Distanz zu lesen,<br />
ist doch das Wort nur in kleiner Schrift an der Motorhaube<br />
platziert. So unterscheidet sich der mit Methan<br />
betriebene Schlepper von seinem Diesel-Bruder mit<br />
identischer PS-Zahl, der ebenso auf dem Hof von Seide<br />
seinen Job macht, auf den ersten Blick fast gar nicht:<br />
Dabei wird der eine klassisch-fossil betankt, während<br />
der andere mit dem klimafreundlichen Kraftstoff Biomethan<br />
angetrieben wird.<br />
Und wie sich die beiden Modelle so im illustren Ensemble<br />
der übrigen Landmaschinen einfügen, so ist eines<br />
zu konstatieren: Der Gasmotor ist auf der Höhe der Zeit.<br />
Dieser Antriebsart mutet nichts Exzeptionelles, Futuristisches<br />
oder gar offenbar Unterscheidbares an, nein<br />
der Methan-Traktor ist mittendrin, gehört dazu: Vielleicht<br />
wird er schon bald Standard – zu hoffen wäre es.<br />
Wer sich jedoch mit der Technik des T6.180 Methane<br />
näher beschäftigt und in die Details eintaucht, der<br />
stellt kleine, feine Unterschiede fest. Dies ist noch<br />
nicht einmal der Fall, wenn man sich ins Cockpit<br />
des Gas-Traktors hineinsetzt. Das zeichnet sich nicht<br />
durch besondere Features aus, es ist in der Leistungsklasse<br />
mittelgroßer Schlepper von 120 bis 200<br />
FOTOS: JÖRG BÖTHLING<br />
30
BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
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anstatt es zur Erzeugung von Wärme oder Strom zu verbrennen.<br />
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31
AKTUELLES BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
„Range-Extender-Tank“ in der Fronthydraulik des Schleppers. Darin befinden<br />
sich drei Gasflaschen, die jeweils 90 Liter Gas aufnehmen können. So sind<br />
maximal 455 Liter beziehungsweise 79 Kilogramm CNG an Bord.<br />
PS, die im Übrigen in Deutschland rund ein Viertel<br />
aller Traktoren ausmacht, eher gewöhnlich. Kurzum:<br />
es fühlt sich auf dem Sitz an wie bei einem normalbetankten<br />
Traktor auch.<br />
Gasspeicher in Fronthydraulik<br />
Lediglich der kleine schwarze Container, der vorne<br />
montiert ist und in der Fachsprache als „Range-Extender-Tank“<br />
bezeichnet wird, macht einen sichtbaren<br />
Unterschied: Darin sind drei 90 Liter CNG fassende<br />
Gasflaschen liegend angeordnet. Wieso eigentlich<br />
90-Liter-Flaschen? Klaus Senghaas, seit vielen Jahren<br />
Kommunikations-Chef von New Holland in Deutschland<br />
und eng eingebunden in die Entwicklungsarbeit<br />
des Methan-Traktors, beantwortet dies kurz und knapp:<br />
„Die sind standardisiert, sind für den Straßenverkehr<br />
zugelassen. Die setzen wir im Mutterunternehmen<br />
auch im Lkw-Bereich seit vielen Jahren ein.“ Neben<br />
den drei Gasflaschen vorne, die der Kunde je nach Bedarf<br />
optional mitbestellen kann, sind standardmäßig<br />
weitere sieben Flaschen im Frontbereich vollkommen<br />
unauffällig im Traktor integriert. So sind maximal 455<br />
Liter beziehungsweise 79 Kilogramm CNG an Bord.<br />
„Die darin getankte Menge reicht für den Einsatz auf<br />
der Straße von bis zu acht Stunden, auf dem Acker, bei<br />
hoher Beanspruchung, rund fünf bis sechs Stunden“,<br />
erläutert Senghaas zur Reichweite.<br />
Wer nun den Motor des T6.180 startet und genauer die<br />
Ohren spitzt, der bemerkt, dass der Sound zum Diesel-<br />
Bruder etwas anders rüberkommt. Er ist tatsächlich<br />
leiser, messtechnisch ermittelt liegt der Wert exakt<br />
fünf Dezibel niedriger, was auf ein niedriges Verdich<br />
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BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
AKTUELLES<br />
tungsverhältnis beim Gasmotor zurückzuführen ist.<br />
Aufgrund dessen hört man als Fahrer plötzlich auch die<br />
höheren Töne des Getriebes mehr als auf einem Dieseltraktor<br />
sitzend, wo der lautere Motor diese überlagern<br />
würde. Allerdings muss der Fahrer seine Ohren schon<br />
genau spitzen, um das wirklich wahrzunehmen.<br />
Motor zieht gut durch<br />
Ansonsten ist die Power des Methantraktors sofort da.<br />
Das merkt man besonders auf dem Acker, im vollen Einsatz.<br />
So auch beim Grubbern auf dem Feld von Horst<br />
Seide, für das ein Grubber mit der Arbeitsbreite von<br />
4,60 Metern gezogen wird. Nach dem Manövrieren auf<br />
dem Vorgewende drücke ich mit dem Fuß bis zum Anschlag<br />
aufs Gaspedal und setze zugleich den Grubber,<br />
der sich mit seinen Zinken rund zwölf Zentimeter in den<br />
schon vorbearbeiteten, aber trotzdem relativ schweren,<br />
tonhaltigen Marschboden (60 Bodenpunkte), wo im<br />
Sommer Kleegras und Welsches Weidelgras stand, hineingräbt.<br />
Die Zugkraft kommt sofort an, der Traktor<br />
zieht stabil durch. „Das liegt am guten Ansprechverhalten<br />
des Gasmotors, was wir durch eine Mehrfacheinspritzung<br />
erreichen“, unterstreicht Klaus Senghaas.<br />
Bei einer Motordrehzahl von 900 Umdrehungen pro<br />
Minute sei nach seinen Worten das Ansprechverhalten<br />
„doppelt so gut“ wie bei einem vergleichbaren Diesel.<br />
Dieses bemerkenswerte Attribut ist letztlich aber zusätzlicher<br />
Entwicklungsarbeit am Gasmotor<br />
Der New Holland T6.180<br />
zieht mit seinem<br />
6-Zylinder-Gasmotor<br />
den 4,60 Meter breiten<br />
Grubber mühelos<br />
durch den schweren<br />
Marschboden.<br />
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33
AKTUELLES BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
Fachjournalist Dierk Jensen<br />
hat beim Grubbern den New<br />
Holland-Gastraktor richtig<br />
rangenommen. Der Motor bringe<br />
die Kraft sehr gut über die Räder<br />
an den Boden.<br />
Tankvorgang unter der<br />
linken Tür zwischen den<br />
Stufen des Einstiegs.<br />
Der Anschluss für<br />
den Zapfhahn ist gut<br />
zugänglich.<br />
geschuldet, so Senghaas weiter. Dafür<br />
habe man aus den Erfahrungen des Vorgängermodells<br />
heraus auf den raschen<br />
Markteintritt verzichtet und stattdessen<br />
vor vier Jahren schweren Herzens<br />
entschieden, noch mal am CNG-Motor<br />
nachzujustieren mit der Konsequenz,<br />
dass auch die Peripherie, ob nun Getriebe, Kühlung,<br />
Lichtmaschine und andere Komponenten, noch mal<br />
neu konfiguriert wurden. Zudem ist ein 3-Wege-Kat,<br />
angeblich wartungsfrei, eingebaut.<br />
„Wenn ein CNG-Traktor, dann richtig“, hebt Senghaas<br />
hervor. Die behutsame und vorsichtige Strategie scheint<br />
sich aber nun auszuzahlen. Denn das Feedback, das<br />
New Holland, eine Tochter von Fiat, auf ihrer Extrarunde<br />
Entwicklungsarbeit vor allem in Turin, aber auch in<br />
Großbritannien und der Schweiz von den Fahrern der<br />
50 Traktoren, die man weltweit vor dem Start der Serienproduktion<br />
am 1. November <strong>2021</strong> für Testzwecke in und<br />
an die Landwirtschaft zur Verfügung stellte, bekommen<br />
hat, sei großartig.<br />
Bei 1.000 Betriebs stunden werden<br />
535 Tonnen CO 2<br />
eingespart<br />
„Wir sind jetzt zum richtigen Zeitpunkt da“, versichert<br />
Senghaas, „es geht jetzt spürbar in Richtung CNG-Gas,<br />
weil wir dadurch im Traktorenbereich mit dem Einsatz<br />
von Biogas einfach am besten CO 2<br />
einsparen können“.<br />
Bei einer jährlichen Auslastung von 1.000 Stunden<br />
pro Jahr und einer Laufzeit von sieben Jahren ergibt<br />
sich nach Berechnungen von Senghaas eine Kohlendioxid-Ersparnis<br />
von 535 Tonnen. Daher sieht Senghaas<br />
überhaupt nicht ein jähes Aus des Verbrennungsmotors<br />
kommen, „denn es geht absehbar gar nicht ohne ihn“.<br />
Tatsächlich freut sich auch Horst Seide – auf dem Beifahrersitz<br />
Platz nehmend – über die gute Performance<br />
des Methantraktors. Hat doch der Präsident des Fachverbandes<br />
Biogas schon so lange auf ihn gewartet.<br />
Denn schon im Herbst 2017 hatte er das Vorgängermodell<br />
von New Holland auf seinem Betrieb für einige Wochen<br />
im Einsatz. Dann war erstmal wieder Sendepause.<br />
Nun ist nach langem Warten das serienreife Modell auf<br />
dem Hof. Als geleastes Fahrzeug soll er dort auch in<br />
Zukunft bleiben.<br />
Eingesetzt werden soll er für Feldarbeiten wie Pflügen<br />
und Grubbern, aber eben auch für Gülle-Transporte und<br />
Zubringerarbeiten. Wenngleich der Traktor rund ein<br />
Drittel teurer ist als sein Diesel-Bruder, liege man bei<br />
den laufenden Kraftstoffkosten mit CNG schon um ein<br />
Drittel unter dem Niveau von Diesel. „Die Preisschere<br />
wird sich in Zukunft noch weiter öffnen“, verweist Seide<br />
auf die Befreiung von Methan im Brennstoffemissionshandelsgesetz,<br />
das fossile Kraftstoffe seit Beginn<br />
des Jahres bekanntlich mit CO 2<br />
-Steuern bepreist.<br />
Geld sparen beim Tanken<br />
Von daher verwundert es nicht sehr, „dass einige Berufskollegen<br />
aus der Umgebung neugierig anfragen,<br />
wie es denn mit dem New Holland so läuft“. Das Interesse<br />
ist da. Auch die Tankstelle ist im Wendland schon<br />
da, nämlich seine eigene in Dannenberg. Dort tanken<br />
die Mitarbeiter von Seide den Schlepper für aktuell<br />
1,12 Euro pro Kilogramm. Und zwar am Ende des Arbeitstages,<br />
auf der Fahrt nach Hause, so geht keine unnötige<br />
Zeit verloren. Dabei dauert das Tanken maximal<br />
4 Minuten, dann geht es weiter.<br />
Zur Orientierung: Ein Kilogramm Gas ersetzt vom<br />
Energiegehalt rund 1,4 Liter Diesel, dabei lag der<br />
Dieselpreis Ende September bei rund 1,50 Euro pro<br />
Liter. Dass jemand wie Horst Seide, der Biogas seit<br />
langem an prominenter Stelle gegenüber Politik und<br />
Öffentlichkeit verteidigen muss und unermüdlich für<br />
Biomethan wirbt, dabei fast diebisch-freudig erwähnt,<br />
dass der Methan betriebene T6.180 Methane auf der<br />
Straße zwei Stundenkilometer sogar schneller ist als<br />
sein Diesel-Bruder, ist ihm anzumerken. Methan auf<br />
der Überholspur, wer hätte das noch vor einigen Jahren<br />
gedacht? Doch scheint die Zeit jetzt dafür endlich reif<br />
zu sein.<br />
Autor<br />
Dierk Jensen<br />
Freier Journalist<br />
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34
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TREFFEN SIE UNS AUF DER<br />
BIOGAS CONVENTION & TRADE FAIR!<br />
Halle 09 | Stand F28
AKTUELLES BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
22. – 26. November <strong>2021</strong> Digital 7. – 9. Dezember <strong>2021</strong> Nürnberg<br />
BIOGAS Convention & Trade Fair <strong>2021</strong><br />
Der Fachverband lädt zur 31. BIOGAS Convention & Trade Fair ein. Der Tagungsteil wird in diesem Jahr<br />
noch einmal online präsentiert (22. bis 26. November <strong>2021</strong>), die Fachmesse findet live in Nürnberg<br />
(7. bis 9. Dezember <strong>2021</strong>) statt. Das verbindende Element sind die BIOGAS Fachforen, in denen digital und<br />
live die ausstellenden Firmen Expertenvorträge halten, Innovationen zeigen und aus der Praxis berichten.<br />
Ein Thema auf beiden Veranstaltungen<br />
und in allen Gesprächen<br />
wird sicherlich die Zukunft von<br />
Biogas unter der neuen Regierung<br />
sein. Je nach Regierungskonstellation<br />
können sich die Möglichkeiten und<br />
Chancen sehr unterschiedlich entwickeln.<br />
Das bedeutet: Die Branche muss weiterhin<br />
flexibel und anpassungsfähig bleiben.<br />
Nicht zu kurz kommen wird der Austausch:<br />
Digital stellt die Eventplattform wieder<br />
Diskussionsräume und Chatfunktionen bereit.<br />
In Nürnberg können sich am Gemeinschaftsstand<br />
vom Fachverband Biogas, im<br />
BIOGAS Treff und auf dem „BIOGAS Gettogether“<br />
am Abend Aussteller und Besucher<br />
treffen und sich die neuesten Informationen<br />
abholen und diskutieren.<br />
Unter www.biogas-convention.com finden<br />
Sie das Programm und den Ticketshop.<br />
Alle Besucher und Teilnehmer müssen sich<br />
vorab online registrieren und beim Einlass<br />
die zum Zeitpunkt der Messe notwendigen<br />
Nachweise im Rahmen der Coronaregeln<br />
vorzeigen. Sichern Sie sich jetzt Ihre Tickets<br />
für beide Veranstaltungen. Der Fachverband<br />
Biogas freut sich auf Ihre Teilnahme!<br />
Teilnehmerpreise<br />
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(Hauptprogramm in Deutsch)<br />
Tagung<br />
Endpreis<br />
(ganze Woche)<br />
Anmerkung<br />
Mitglieder* 240 EUR<br />
Nichtmitglieder* 350 EUR<br />
Behörden* 50 EUR<br />
Studenten* 50 EUR<br />
Besuch der digitalen Plattform<br />
mit BIOGAS Fachforum<br />
Digital<br />
0 EUR<br />
Ohne Hauptprogramm<br />
*Im Ticketpreis für die Tagung enthalten ist der Zugang zur<br />
Eventplattform mit allen Vorträgen im Hauptprogramm und allen<br />
Vorträgen im BIOGAS Fachforum Digital sowie die Nutzung aller<br />
Netzwerkfunktionen, z.B. Chat, Videochat, Interaktive Räume,<br />
Teilnehmerprofil etc.<br />
Der Zugang ist nach der Veranstaltung noch bis Ende Januar<br />
2022 möglich, so dass die Aufzeichnungen der Vorträge und<br />
Unterlagen angesehen bzw. heruntergeladen werden können.<br />
BIOGAS Trade Fair, 07. – 09.12.<strong>2021</strong>, Messe Nürnberg<br />
Messe**<br />
Messeticket Mitglied 1 Tag<br />
Messeticket Nichtmitglied 1 Tag<br />
Messeticket Student / Behörde<br />
0 EUR<br />
21 EUR<br />
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Mit kostenfreiem<br />
Zugang zum<br />
BIOGAS Fachforum<br />
Digital und Live<br />
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BIOGAS Fach forum Live. Zusätzlich erhalten Messebesuchende<br />
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Convention vom 22. – 26.11.<strong>2021</strong>.<br />
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BIOGAS CONVENTION_SPECIAL<br />
Messeneuheiten<br />
7. – 9. Dezember <strong>2021</strong><br />
NCC Mitte, Messegelände Nürnberg<br />
SM-ENERGY GMBH<br />
BIOCONTROL – neue Biogas-App<br />
Kontroll- und Dokumentationspflichten für<br />
Anlagenbetreiber sind umfangreich und<br />
führen oft zu unübersichtlichen Checklisten<br />
und „Papierbergen“. Um dem entgegenzuwirken,<br />
wurde die App BIOCONTROL<br />
entwickelt. Mit dieser können Betreiber<br />
einfach und schnell mittels Handy oder<br />
Tablet Kontrollpunkte und Einsatzstoffe<br />
erfassen.<br />
Die anlagenindividuelle Einrichtung am<br />
Betrieb stellt sicher, dass alle Vorgaben<br />
bezüglich Kontrollpunkten und Einsatzstoffen<br />
gemäß den gesetzlichen Verordnungen,<br />
Versicherungsbedingungen und<br />
Vergütungsrichtlinien zum vorgeschriebenen<br />
Zeitpunkt erfüllt werden.<br />
Die Einrichtung ist<br />
für mehrere Nutzer<br />
möglich. Dabei werden<br />
Daten zwischen<br />
den Geräten synchronisiert<br />
sowie auf<br />
gesicherten Servern<br />
gespeichert. Die erfassten<br />
Daten werden<br />
regelmäßig zusammengefasst,<br />
kontrolliert<br />
und an den Betreiber<br />
versendet. Nutzer der APP erhalten<br />
Benachrichtigungen zu wichtigen Fristen<br />
und anlagenrelevanten gesetzlichen Änderungen.<br />
Die SM-Energy GmbH<br />
finden Sie in Halle 9,<br />
Stand A06.<br />
Blick in die App BIOCONTROL.<br />
GRAFIK: SM-ENERGY GMBH<br />
AGRIKOMP GMBH<br />
Neu: BHKW, Gasaufbereitung<br />
und Gärrestbehandlung<br />
JUGOTIT<br />
Blitzmerker visualisiert<br />
Zündaussetzer<br />
Bei der agriKomp dreht sich dieses Jahr<br />
alles um das Thema Verwertung und<br />
Kreislaufwirtschaft. Das BHKW-Portfolio<br />
wurde weiterentwickelt und überarbeitet.<br />
Pünktlich zur ersten Biomethanausschreibung<br />
haben wir unser Erfolgsmodell, die<br />
BGA136, für den Biomethanmarkt vorbereitet.<br />
Die NGA136 überzeugt im Leistungsbereich<br />
bis 265 kW el<br />
. Die Biogasaufbereitung<br />
agriPure ® erhält ein großes<br />
Update. Die neue agriPure ® Cube schafft<br />
neue Möglichkeiten im Bereich der Flexibilität,<br />
Modularität und Rentabilität.<br />
Das innovative agriKomp Komplettbehandlungsverfahren<br />
agriFer ® Plus bietet<br />
eine wirtschaftliche Lösung für das Nitratproblem<br />
bei gleichzeitiger Volumenreduzierung.<br />
Bis zu -50 % Volumen und -50 %<br />
Ammoniak können realisiert<br />
werden. Mit dem innovativen<br />
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Sie in Halle 9, Stand B71.<br />
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für Gärdünger.<br />
FOTO: AGRIKOMP GMBH<br />
Mit dem Blitzmerker erhalten Sie die Möglichkeit,<br />
die Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit<br />
Ihres Blockheizkraftwerks mit<br />
sehr geringem Aufwand zu steigern. Der<br />
Blitzmerker zeigt Ihnen für jeden Zylinder<br />
des Motors die genaue Anzahl von Zündaussetzern<br />
an, unabhängig von deren Ursache.<br />
So können Sie mit einem kurzen Blick auf<br />
den Bildschirm feststellen, bei welchem<br />
Zylinder ein Problem vorhanden ist.<br />
Ab jetzt müssen Sie nur noch die Komponenten<br />
an den betroffenen Zylindern<br />
tauschen. Dadurch sparen Sie nicht nur<br />
Ersatzteile, sondern auch jede Menge Zeit<br />
bei der Fehlersuche und beim Reparieren.<br />
Darüber hinaus können Sie mit dem Blitzmerker<br />
die defekten Zündkerzen eines Satzes<br />
herausfiltern und so die Nutzungsdauer<br />
der restlichen Kerzen bis zum Dreifachen<br />
steigern. Somit können Sie die Kosten für<br />
Zündkerzen um zwei Drittel reduzieren.<br />
Die Firma jugotit finden Sie in<br />
Halle 9, Stand C40.<br />
38
BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
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39
BIOGAS CONVENTION_SPECIAL BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
BIOPRACT ABT GMBH<br />
Spurenelementprodukte V Trace ® L9 und V Trace ® W6<br />
V Trace L9 und W6.<br />
Bei der Entwicklung der neuen Spurenelementformulierungen standen – neben der Wirksamkeit<br />
und Wirtschaftlichkeit der Anwendung – die Umweltverträglichkeit und Sicherheit<br />
für den Anwender im Vordergrund. Beste Verfügbarkeit der gewählten Grundstoffe<br />
und höchste Prozessstabilität, unter anderem durch den Einsatz von HEEDTA-Komplexen,<br />
sind die Voraussetzung, um dem Anspruch, „Nur so viel wie nötig!“, gerecht zu werden.<br />
––<br />
V Trace ® L9 für NawaRo-Anlagen und<br />
––<br />
V Trace ® W6 für Anlagen mit Wirtschaftsdüngereinsatz<br />
Aufgrund der bedarfsorientierten Dosierungsempfehlungen von nur 25 bis 50 Gramm pro<br />
Tonne oTS stellen beide Produkte einen signifikanten Fortschritt in der Entwicklung zeitgemäßer<br />
Zusatzstoffe für den Biogasprozess dar. Sie sind dazu als Flüssigformulierungen<br />
leicht zu handhaben und weisen die aktuell geringste Gefährdungsklassifikation für den<br />
Anwender auf.<br />
Die Biopract ABT GmbH finden Sie in Halle 9, Stand C50.<br />
FOTO: BIOPRACT ABT GMBH<br />
STEVERDING RÜHRWERKSTECHNIK GMBH<br />
SensoStream – neuer Standard zur Anlagenüberwachung<br />
Die Steverding Rührwerkstechnik GmbH<br />
und die PTM GmbH bringen eine Neuentwicklung<br />
auf den Markt: Der SensoStream<br />
ist eine Sensorik zur Rührwerkssteuerung<br />
und Optimierung des Rührprozesses. Er ermöglicht,<br />
je nach Baukasten, die Messung<br />
der Geschwindigkeit, der Viskosität und<br />
die Erkennung von möglichen Schwimmschichten.<br />
Anlagenbetreiber können ihre<br />
Anlage mithilfe des SensoStream so steuern,<br />
dass eine maximale Gasausbeute möglich<br />
wird.<br />
Bei der Geschwindigkeitsmessung (über<br />
Sensoren, die an mehreren Stellen eingebracht<br />
werden, auch am befüllten Behälter)<br />
gibt der SensoStream ein Signal, sobald ein<br />
bestimmter Wert unter- oder überschritten<br />
wird. So werden Ablagerungen und suboptimale<br />
Substratgeschwindigkeiten vermieden.<br />
Die Schwimmschichtsensoren melden<br />
eine Entstehung von Schwimmschichten,<br />
sodass die Rührwerke entsprechend angepasst<br />
werden können. Der Viskositätsmesser<br />
garantiert die Rührfähigkeit des Substrates.<br />
Die gesamten Messdaten werden<br />
gespeichert und für den Anlagenbetreiber<br />
visualisiert.<br />
Die Steverding Rührwerkstechnik GmbH<br />
finden Sie in Halle 9, Stand F69.<br />
Bild von einer Teilkomponente (da Baukastensystem)<br />
des eingebauten SensoStream – hier um<br />
genau zu sein der Schwimmschichtmesser.<br />
FOTO: STEVERDING<br />
www.kumm-technik.de<br />
40
BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
BIOGAS CONVENTION_SPECIAL<br />
FOTOS: EISELE<br />
FRANZ EISELE U. SÖHNE GMBH & CO. KG<br />
Neues energieeffizientes Eisele-Tauchmotorrührwerk<br />
GTWSB 206-E mit<br />
IE5-Motoren<br />
Eisele hat mit dem GTWSB 206-E<br />
als eines der ersten Unternehmen ein<br />
druckwasserdichtes Tauchmotorrührwerk<br />
mit einem 15-kW-Antrieb gemäß<br />
Energieeffizienzklasse IE5 auf den<br />
Markt gebracht. Die EU-Ökodesign-<br />
Verordnung bezeichnet diese Kategorie<br />
als „Ultra Premium Efficiency“. Der<br />
Energiesparmotor erreicht einen Wirkungsgrad<br />
von über 96 % und bietet<br />
das höchste Einsparpotenzial, das momentan<br />
am Markt möglich ist. Deshalb<br />
können in Deutschland Investitionen<br />
in Bauvorhaben mit dem neuen langlebigen<br />
Tauchmotorrührwerk GTWSB<br />
206-E vom Bundesamt für Wirtschaft<br />
und Ausfuhrkontrolle (BAFA) mit 40 %<br />
bezuschusst werden. Eisele hat den<br />
Breitblattpropeller des Tauchmotorrührwerks<br />
komplett überarbeitet und<br />
strömungstechnisch optimiert. Die<br />
Laufruhe konnte nach umfangreichen<br />
Messungen im hauseigenen Test- und<br />
Versuchszentrum deutlich verbessert<br />
werden. Die überarbeitete Flügelgeometrie<br />
und ein neues Fertigungsverfahren<br />
zur Herstellung der Nabe sorgen zudem<br />
für eine Steigerung der Schubkraft bei<br />
einem deutlich geringeren Leistungsbedarf<br />
sowie für bessere Rührergebnisse<br />
und hohe Standzeiten.<br />
Das GTWSB 206-E ist für<br />
Substrattemperaturen bis zu<br />
65 Grad Celsius und bis zu<br />
Tauchtiefen von 40 Metern<br />
zugelassen und eignet sich somit<br />
für den Einsatz in nahezu<br />
jeder neuen oder bestehenden<br />
Biogasanlage.<br />
Die neuen Edelstahlpropeller werden<br />
in den Tauchmotorrührwerken GTWS,<br />
GTWSB und GTWSI-EX nun serienmäßig<br />
verbaut. Das neue Tauchmotorrührwerk<br />
GTWSB 206-E mischt in Biogasanlagen<br />
auch äußerst dickflüssige<br />
Medien im Dauereinsatz energieeffizient<br />
durch, um eine fließfähige Masse<br />
zu erzeugen.<br />
Die Franz Eisele u. Söhne GmbH & Co.<br />
KG finden Sie in Halle 9, Stand D65.<br />
Neues modulares Zapfwellenrührwerk<br />
ZP 120<br />
Eisele bringt mit dem Zapfwellenrührwerk ZP 120<br />
eine komplett neu entwickelte Ausführung mit<br />
modularem Aufbau und bis zu 8 Metern Rohrlänge<br />
auf den Markt, das neben seiner Langlebigkeit<br />
auch eine hohe Rührleistung bietet. Das ZP 120<br />
wird über die Zapfwelle des Traktors mit mindestens<br />
88 kW (120 PS) angetrieben und eignet sich<br />
für landwirtschaftliche Betriebe und Biogasanlagen<br />
mit großen Behältern und Lagunen.<br />
Die Optimierung der Propellergeometrie resultiert<br />
in einer verbesserten Laufruhe sowie Schubkraft<br />
beziehungsweise Umwälzleistung. Die Anbringung<br />
an die Zugmaschine erfolgt über die übliche<br />
3-Punkt-Aufnahme, gemäß DIN ISO 730-1, Kategorie<br />
3. Mit den beiden Hydraulikzylindern des<br />
Zapfwellenrührwerks ZP 120 ist eine Neigungsverstellung<br />
um bis zu 30 Grad möglich, wodurch<br />
sich die Flexibilität bei der Anwendung erhöht<br />
und der Rührvorgang optimal auf die jeweilige<br />
Umgebungssituation angepasst werden kann.<br />
Für das ZP 120 stehen je nach Leistungseinbringung<br />
verschiedene 2-Blatt-Propeller mit Durchmessern von 600<br />
bis 710 Millimetern und optionalen Schutzvorrichtungen<br />
zur Verfügung.<br />
EEG – WEITERGEDACHT.<br />
Jetzt mit Satelliten-BHKW flexibilisieren und Ihre Biogasanlage<br />
weiterhin hochprofitabel betreiben. Wir beraten Sie!<br />
Sprechen Sie<br />
uns an:<br />
T 02568 9347-0<br />
© PointImages | fotolia.de<br />
41<br />
2G Energy AG | www.2-g.de
BIOGAS CONVENTION_SPECIAL BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
INNIO JENBACHER GMBH & CO OG<br />
myPlant Energiemanagement-Lösung<br />
INNIO Jenbacher bietet eine intelligente Softwarelösung,<br />
die die betrieblichen Anforderungen eines Blockheizkraftwerks<br />
(BHKW) genau versteht. Denn unsere<br />
mit Kund*innen entwickelte „myPlant* Optimierung“<br />
Energiemanagement-Technologie verbindet unsere<br />
langjährige Erfahrung in der Motorenoptimierung mit<br />
einer flexiblen, speicher- und wärmeoptimierten Direktvermarktung.<br />
Die „myPlant Optimierung“ erlernt selbstständig das<br />
Verhalten Ihrer Anlage, so zum Beispiel den Füllstand<br />
Ihres Gas- und/oder Wärmespeichers, und verknüpft<br />
diese Informationen mit dem Betriebsprofil des Jenbacher<br />
Gasmotors sowie den notwendigen Wartungsterminen.<br />
Auf Basis dieser Daten und unserer selbstlernenden<br />
Marktpreisvorhersagen berechnet die Software<br />
einen für Ihre Anlage maßgeschneiderten Jahresplan<br />
und einen konkreten Fahrplan für die kommenden Tage.<br />
Parallel dazu simuliert die Applikation Ihre potenziellen<br />
monatlichen und jährlichen Mehrerlöse sowie die Starts<br />
und Betriebsstunden im Jahresverlauf, damit Sie betriebswirtschaftlich<br />
noch besser planen können.<br />
Die INNIO Jenbacher GmbH & Co OG finden Sie in<br />
Halle 9, Stand C40.<br />
Das innovative Tool<br />
„myPlant Optimierung“<br />
unterstützt die<br />
Kund*innen dabei, den<br />
Betrieb ihrer Anlagen,<br />
die Erzeugung und<br />
Speicherung von<br />
Wärme oder Gas sowie<br />
die Erlöse aus dem<br />
produzierten Strom zu<br />
optimieren.<br />
FOTO: INNIO JENBACHER GMBH & CO OG<br />
DBDS – DEUTSCHE BIOGAS DACH-SYSTEME GMBH<br />
LowE-Technologie für Doppelmembranen<br />
zur Steigerung der Wärmeeffizienz<br />
Das Thema Energie- und Wärmeeffizienz gewinnt auch<br />
im Bereich Biogas weiterhin an Relevanz. Um entscheidende<br />
Einsparungen hinsichtlich des Wärmeheizbedarfs<br />
zu erzielen und somit die Energieeffizienz von<br />
Biogasanlagen zu steigern, setzt die dbds – Deutsche<br />
Biogas Dach-Systeme<br />
GmbH auf die patentierte<br />
Low-Emissivity-<br />
Technologie (LowE).<br />
Hierbei handelt es sich<br />
um eine Beschichtung<br />
aus Aluminiumpartikeln,<br />
die ab Werk auf<br />
PVC-Membranen aufgetragen<br />
wird und auf<br />
der Außenseite der<br />
Innenmembrane oder<br />
Membrane mit LowE-Beschichtung. auf der Innenseite der<br />
Außenmembrane zum Einsatz kommt. Bei einer Potenzialuntersuchung<br />
wurde festgestellt, dass sich durch<br />
eine LowE-Beschichtung der Innenmembrane bei einem<br />
beispielhaften Fermenter mit einem Durchmesser<br />
von 25,50 Meter, ausgestattet mit einer Doppelmembrane<br />
in Form einer Drittelkugel, zwischen 12,6 % und<br />
19,1 % des Jahresheizwärmebedarfs einsparen lassen.<br />
Hierbei wurden die Gesamt-Wärmeverluste des Behälters<br />
berücksichtigt, also neben dem Membrandach<br />
auch die Wärmeverluste über den Behälterboden oder<br />
die Behälterwände. Der U-Wert lässt sich mit etwa 2,21<br />
W/(m²K) bei Doppelmembranen mit LowE-Beschichtung<br />
gegenüber einem U-Wert von zirka 2,75 W/(m²K)<br />
bei Doppelmembranen ohne LowE-Beschichtung ansetzen.<br />
Die Deutsche Biogas Dach-Systeme GmbH finden Sie<br />
in Halle 9, Stand C67.<br />
FOTO:DBDS<br />
42
BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
FOTO: BÖRGER GMBH<br />
BÖRGER GMBH<br />
Separator zur Nährstofftrennung und<br />
zum Eindicken von Dünngülle<br />
Speziell für die Nährstofftrennung und<br />
das Eindicken von Dünngülle hat Börger<br />
den Bioselect BS entwickelt. Im<br />
Separator wird die feste von der flüssigen<br />
Phase getrennt. Die flüssige Phase<br />
macht zum Beispiel 70 Prozent (%) des<br />
Ursprungsmediums aus. Der TS-Gehalt<br />
liegt bei 0,5 bis 3 %. Die Filtratpumpe<br />
fördert die flüssige Phase zur weiteren<br />
Verwendung. Je nach gewünschtem<br />
Eindickgrad sind zum Beispiel<br />
30 % vom Ursprungssubstrat<br />
in der festen Phase.<br />
Mit einem stufenlos einstellbaren<br />
TS-Gehalt zwischen 8<br />
und 16 % bleibt sie pumpfähig<br />
und wird von der Dickstoffpumpe<br />
zur gewünschten<br />
Lagerstätte gefördert. Die feste<br />
Phase hat eine sehr hohe<br />
Energiekonzentration und ist<br />
ideal für die Einspeisung in<br />
eine Biogasanlage geeignet.<br />
Die hohe Phosphorkonzentration<br />
erleichtert das Nährstoffmanagement.<br />
Alternativ kann der Bioselect<br />
BS zur Regulierung der TS-<br />
Menge im Fermenter eingesetzt<br />
werden. Börger bietet<br />
den Bioselect BS in drei Größen an. Die<br />
Steuerungstechnik stimmt den Betrieb<br />
der Pumpen und des Bioselect BS perfekt<br />
aufeinander ab. Alle Komponenten<br />
sind platzsparend auf einer Gestelleinheit<br />
untergebracht.<br />
Die Börger GmbH finden Sie in<br />
Halle 9, Stand B15.<br />
Bioselect BS.<br />
Biogasanlage<br />
SERVICEUNION GMBH<br />
Formprotect ® :<br />
innovative Behältersanierung<br />
Grube<br />
Bei der ServiceUnion steht die Zukunft<br />
der Anlage im Mittelpunkt. Volle<br />
Kontrolle über Anlage und Blockheizkraftwerk<br />
hat der Betreiber mit<br />
der App aK Cockpit. Diese wurde mit<br />
dem Innovspace <strong>2021</strong> in Frankreich<br />
ausgezeichnet. Neben der Erneuerung<br />
des Gasspeichers, dem Austausch des<br />
Rührwerks oder der Erweiterung der Lagerkapazität<br />
haben wir mit dem neuen<br />
Behältersanierungssystem Formprotect<br />
® eine echte Innovation am Stand.<br />
Dieses System bietet die Möglichkeit,<br />
undichte oder erneuerungsbedürftige<br />
Behälter durch chemiebeständige<br />
PVC-Elemente zu sanieren und damit<br />
zu erhalten.<br />
Sagenhafte 43 % Wirkungsgrad bei<br />
265 kW el<br />
Leistung versprechen unsere<br />
cleveren Upgrade-Varianten auf den<br />
neuen SCANIA DC13 ETA. „ETA“ steht<br />
dabei für einen weiterentwickelten<br />
SCANIA DC13 Motor, der in Sachen<br />
Wirkungsgrad keine Kompromisse zulässt.<br />
Die ServiceUnion GmbH finden Sie in<br />
Halle 9, Stand B71.<br />
43
BIOGAS CONVENTION_SPECIAL BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
AEV ENERGY GMBH<br />
Tlow-Verfahren<br />
Das Ziel des Tlow-Verfahrens ist die Vergärung von<br />
stickstoffreichen Substraten, wie Hühnertrockenkot,<br />
ohne zusätzlichen Wasserbedarf. Das Tlow-Verfahren<br />
besteht aus zwei Stufen. In der ersten Stufe wird mit<br />
geringer Temperatur vergoren, um die Stickstoffhemmung<br />
zu verringern. In der zweiten Stufe wird der Gärrest<br />
so weit aufbereitet und entstickt, dass er zum Verdünnen<br />
des Substrates verwendet werden kann.<br />
Bei der Vergärung von Hühnertrockenkot wird mit dem<br />
Tlow-Verfahren zudem erreicht, dass lediglich fester<br />
Gärrest erzeugt wird. Flüssiger Gärrest fällt nicht an.<br />
Das Verfahren eignet sich auch hervorragend zu einer<br />
deutlichen Verringerung des Stickstoff- und des Phosphorgehaltes<br />
bei anderen Gärresten sowie bei Rindergülle<br />
und Schweinegülle. Dabei wird dann nur die zweite<br />
Stufe des Verfahrens eingesetzt. Dies ist besonders<br />
interessant im Hinblick auf die zunehmend strengeren<br />
Auflagen zur Ausbringung von Gülle und Gärrest. Beide<br />
Verfahrensstufen beruhen auf einer ausgereiften und robusten<br />
Anlagentechnik und diese kann im Wesentlichen<br />
durch den Betreiber gewartet und repariert werden.<br />
Die AEV Energy GmbH finden Sie in<br />
Halle 9, Stand B20.<br />
Schematische Darstellung<br />
der Tlow-Verfahrens.<br />
GRAFIK: AEV ENERGY GMBH<br />
44
BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
BIOGAS CONVENTION_SPECIAL<br />
STREISAL GMBH<br />
TSRL-Hybrid-Tauchrührwerk<br />
FOTOS: STREISAL GMBH<br />
Pünktlich zur BIOGAS Trade Fair <strong>2021</strong><br />
stellt streisal ein neues Mitglied in seinem<br />
umfangreichen Baukasten von Tauchrührwerken<br />
vor: Das TSRL-Tauchrührwerk als<br />
goldene Mitte zwischen langsam laufenden<br />
Großflügeltauchrührwerken vom Typ<br />
ATP/BTP und den mittelschnell laufenden<br />
Rührwerken der TSR Baureihe. Die beiden<br />
strömungstechnisch optimierten Propellerprofile<br />
mit Durchmessern von 1.120<br />
und 1.220 Millimetern sorgen für hohe<br />
Wirkungsgrade und eine ausgezeichnete<br />
Mischleistung bei minimalen Strömungsverlusten.<br />
Das zweistufige Planetengetriebe reduziert<br />
die Propellerdrehzahl auf 116 Umdrehungen<br />
pro Minute. Wie alle anderen Tauchmotorrührwerke<br />
von streisal sind die neuen<br />
TSRL für den Einsatz in Explosionsschutzzonen<br />
der Kategorie 1 zugelassen und<br />
können auf Wunsch mit dem international<br />
anerkannten IECEx-Zertifikat ausgeliefert<br />
werden.<br />
Mit dem TSRL-Tauchmotorrührwerk in den<br />
Leistungsklassen 7,5 und 11 kW vervollständigt<br />
die streisal GmbH das umfangreiche<br />
Lieferprogramm und ist damit in der<br />
Lage, für jede Beckengeometrie und Aufgabenstellung<br />
eine optimale Rührtechnik<br />
anzubieten.<br />
Dieses Hybrid-Rührwerk eignet sich<br />
perfekt für die Durchmischung und Strömungserzeugung<br />
in Biogasbehältern mit<br />
höheren TS-Gehalten und Substrattemperaturen<br />
bis zu 60 Grad Celsius.<br />
Gasdichte Kompakt-Verstelleinrichtung<br />
für Tauchrührwerke<br />
Und noch eine zweite Neuheit wird auf der<br />
BIOGAS Trade Fair <strong>2021</strong> mit einem Exponat<br />
vorgestellt. Es handelt sich dabei um<br />
eine kompakte, gasdichte Verstelleinrichtung<br />
für unsere Tauchrührwerke (1,5 bis<br />
18,5 kW). Vom Prinzip her ist es eine „side<br />
entry“-Anwendung, bei der das Rührwerk<br />
jedoch nicht starr ist, sondern leicht über<br />
Gasdichte Verstelleinrichtung für Tauchrührwerke<br />
von 1,5 bis 18,5 kW.<br />
ein Stellgetriebe in Position und Schubrichtung<br />
angepasst werden kann. Die Kompaktverstellung<br />
ist zum Patent angemeldet<br />
und ermöglicht vertikal und horizontal veränderte<br />
Positionen.<br />
Die streisal GmbH finden Sie in<br />
Halle 9, Stand D22.<br />
ORIGINAL UND OEM-ERSATZTEILE<br />
> 120.000 BHKW-TEILE ONLINE<br />
Finden<br />
7 - 9 DEZEMBER <strong>2021</strong><br />
Halle 9 - Stand C23<br />
45
POLITIK<br />
BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
Erdgaspreise explodieren –<br />
unter anderem wegen Asien<br />
Die Spotmarktpreise haben sich in einem<br />
halben Jahr verfünffacht. Die Gasspeicher<br />
in Deutschland sind nur mäßig befüllt. Und<br />
China hat einen immensen Hunger nach<br />
Flüssiggas.<br />
Von Bernward Janzing<br />
Die Erdgasmärkte sind aus den Fugen geraten.<br />
Am Spotmarkt der Energiebörse EEX<br />
wurden Anfang Oktober zeitweise mehr als<br />
110 Euro pro Megawattstunde bezahlt –<br />
das ist fast eine Verdreifachung seit Mitte<br />
August und eine Verfünffachung seit dem Frühjahr. Die<br />
ersten Konsequenzen folgten unmittelbar. In der Industrie,<br />
deren Bezugskonditionen sich in der Regel kurzfristiger<br />
ändern als die Haushaltstarife, wurden erste<br />
Produktionskürzungen bekannt. Im September schon<br />
verkündete zum Beispiel die norwegische Düngemittelfirma<br />
Yara, sie werde die Herstellung von Ammonium<br />
umgehend um 40 Prozent drosseln.<br />
Wenig später musste ein erster Gasversorger kapitulieren.<br />
Die Deutsche Energiepool GmbH aus dem<br />
niedersächsischen Salzbergen verkündete, sie stelle<br />
die bundesweite Belieferung von Kunden mit Erdgas<br />
vollständig ein und begründete dies mit der „rasanten<br />
und nie dagewesenen Entwicklung“ der Gaspreise im<br />
Großhandel. Das Unternehmen sah sich nicht mehr in<br />
der Lage, die hohen Einkaufspreise an die Endkunden<br />
weiterzugeben.<br />
Die Gründe für die Preisentwicklung im Erdgas-Großhandel<br />
sind vielfältig. Ein wesentlicher Grund ist die<br />
große Nachfrage nach Erdgas in Asien. Diese führe<br />
dazu, dass viele Tanker, die verflüssigtes Erdgas (LNG<br />
genannt) transportieren, „nicht Europa ansteuern,<br />
sondern den asiatischen Markt bedienen“, erklärt der<br />
Branchenverband Zukunft Gas e.V. In Asien liege die<br />
Wirtschaftsaktivität bereits über dem Niveau vor der<br />
Krise. „Insbesondere der LNG-Import Chinas ist im ersten<br />
Halbjahr stark angewachsen“, erklärt Timm Kehler,<br />
Vorstand von Zukunft Gas.<br />
China verbraucht deutlich mehr Gas<br />
als im Vorjahr<br />
Friedbert Pflüger von der Beratungsfirma Bingmann<br />
Pflüger International nennt die Zahlen: China habe in<br />
diesem Jahr bisher 15,5 Prozent mehr Gas verbraucht<br />
als im Vorjahr. Auch die großen europäischen Länder<br />
(Deutschland, Frankreich, Niederlande, Italien, Spanien,<br />
UK) lägen im ersten halben Jahr 12 Prozent im<br />
Plus. Zudem sei die europäische Gasförderung deutlich<br />
rückläufig: In den Niederlanden habe der Rückgang im<br />
vergangenen Jahr 17 Prozent betragen, in Großbritannien<br />
22 Prozent. Deutschland deckt nur noch 5 Prozent<br />
seines Bedarfs aus eigener Förderung.<br />
Hinzu kommen aber offenbar auch Spekulationen der<br />
Marktakteure. Angesichts der bereits seit Monaten relativ<br />
hohen Großhandelspreise hatten viele deutsche<br />
Gasversorger im Sommer nur zögerlich Gas beschafft –<br />
wohl in der Hoffnung auf eine Entspannung des Marktes,<br />
die aber ausblieb. Vielmehr verschärfte sich die<br />
Lage. Die Folgen konnte man am Füllstand der deutschen<br />
Erdgasspeicher ablesen. Der nämlich war Ende<br />
September mit nur 66 Prozent sehr gering für diese Jahreszeit;<br />
in den beiden Vorjahren waren die Speicher zum<br />
FOTO: ADOBE STOCK_ WEERAPONG<br />
46
BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
POLITIK<br />
Beginn der Heizperiode bereits<br />
zu mehr als 90 Prozent gefüllt.<br />
Die Initiative Erdgasspeicher<br />
e.V. (Ines), ein Zusammenschluss<br />
von Betreibern deutscher<br />
Gasspeicher, der mehr<br />
als 90 Prozent der Kapazitäten<br />
repräsentiert, wies darauf hin,<br />
dass „die Verantwortung zur<br />
bedarfsgerechten Gas-Beschaffung<br />
bei den versorgenden Marktakteuren“ liege. Die<br />
Gasnetzbetreiber stellen den Gashändlern lediglich die<br />
Infrastruktur bereit und dürfen – von Regelenergiemengen,<br />
die nötig sind, um einen sicheren Gasnetzbetrieb<br />
zu gewährleisten – selbst keinen Gashandel betreiben.<br />
Allerdings versucht der Verband Ines zu beruhigen. In<br />
einer Mitteilung vom 20. September heißt es: „Eine Gefahr<br />
für die Versorgungssicherheit besteht für die erste<br />
Winterhälfte derzeit nicht.“<br />
Ebenso sieht das Bundeswirtschaftsministerium trotz<br />
der niedrigen Füllstände der Gasspeicher Deutschland<br />
gut gerüstet. Schließlich habe es bereits 2015/2016<br />
Füllstände auf ähnlichem Niveau gegeben, und auch<br />
damals kam es im Winter zu keinen Versorgungsengpässen.<br />
„Auch aus heutiger Sicht sehen wir die nicht“, ließ<br />
eine Ministeriumssprecherin Anfang Oktober wissen.<br />
Auch das Ministerium verweist darauf, dass über die<br />
„Eine Gefahr für die<br />
Versorgungssicherheit<br />
besteht für die erste<br />
Winterhälfte derzeit<br />
nicht“<br />
Die Initiative Erdgasspeicher e.V. (Ines)<br />
Frage, „ob und wie Erdgas in<br />
Speicher gefüllt oder ausgespeichert<br />
wird, im liberalisierten<br />
Gasmarkt allein die Händler am<br />
Markt“ entscheiden. Anders als<br />
im Ölmarkt, wo der Erdölbevorratungsverband<br />
über eine strategische<br />
Reserve an Erdöl und<br />
Ölprodukten für 90 Tage wacht,<br />
gebe es im Gasmarkt „keine<br />
gesetzlich vorgesehenen Bevorratungspflichten“. Die<br />
Nutzung der deutschen Gasspeicher unterliegt alleine<br />
privatwirtschaftlichen Entscheidungen, was zum Beispiel<br />
auch zur Folge hatte, dass deren Volumen von<br />
2014 bis <strong>2021</strong> von 24,6 auf 23,9 Milliarden Kubikmeter<br />
reduziert wurde. Allerdings verfügt Deutschland<br />
noch immer über fast ein Viertel der europäischen Kapazitäten<br />
und ist damit die größte Speichernation in<br />
der EU und die viertgrößte weltweit.<br />
Preisniveau entscheidend für Füllstände<br />
der Gasspeicher<br />
Während der Verband Ines im September noch erklärte,<br />
aus technischer Sicht könnten die Speicher bis<br />
Anfang November noch einen Füllstand von mehr als<br />
90 Prozent erreichen, ist fraglich, ob das geschehen<br />
wird. Denn bei den steigenden Gaspreisen am<br />
47
POLITIK<br />
BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
Spotmarkt fällt es den Händlern immer<br />
schwerer, große Mengen an Gas einzulagern.<br />
Somit stieg auch in der ersten Oktoberwoche<br />
der Füllstand nur bescheiden auf<br />
70 Prozent.<br />
Doch nicht alleine der Boom in Asien treibt<br />
die Preise. Auch Ausfälle und Wartungsarbeiten<br />
an der europäischen Gas-Infrastruktur<br />
machten sich jüngst bemerkbar. Ferner<br />
trieb auch der gestiegene CO 2<br />
-Preis im<br />
europäischen Emissionshandel die Erdgasnotierungen:<br />
Weil bei hohen CO 2<br />
-Preisen<br />
Erdgas gegenüber der Kohle attraktiver<br />
wurde, stieg die Nachfrage nach Erdgas –<br />
und damit dessen Preis.<br />
Bald zeigte sich dann aber auch schon die<br />
Gegenreaktion: Mit dem gestiegenen Erdgaspreis<br />
kam auch die Kohle wieder mehr<br />
ins Spiel, wie eine Übersicht des Fraunhofer<br />
ISE in Freiburg zeigt. Diese vergleicht<br />
jeweils die dritten Quartale der vergangenen<br />
Jahre: Nachdem bis 2018 stets weitaus<br />
mehr Strom aus Kohle denn aus Erdgas<br />
erzeugt wurde, drehte sich das Verhältnis<br />
2019 mit steigenden CO 2<br />
-Preisen erstmals<br />
um. Im Corona-Jahr 2020 lag das Erdgas<br />
noch deutlicher vorne, ehe nun im Jahr<br />
<strong>2021</strong> die Kohle wieder die Oberhand gewann.<br />
Wobei in Reaktion darauf dann wiederum<br />
der Kohlepreis nachzog und so die<br />
Komplexität des gesamten Preisgefüges<br />
veranschaulichte.<br />
Bei der Versorgung mit Erdgas spielt inzwischen<br />
natürlich auch Russland und dessen<br />
Gasversorger Gazprom eine entscheidende<br />
Rolle. Gazprom Germania ließ eine Anfrage<br />
zu den Hintergründen der gestiegenen Preise<br />
jedoch unbeantwortet. Aus Zahlen, die<br />
Gazprom selbst veröffentlichte geht aber<br />
hervor, dass die Lieferungen über Weißrussland<br />
und Polen seit Ende September<br />
um zeitweise 70 Prozent zurückgingen.<br />
Erdgaslieferung: Russlands<br />
„Erpressungspotenzial“<br />
Schon zuvor hatte Oliver Krischer, Energieexperte<br />
der Grünen im Bundestag, deutliche<br />
Worte gefunden. Er ließ sich in Medien<br />
mit der Aussage zitieren, die aktuelle Situation<br />
mit leeren Gazprom-Speichern in<br />
Deutschland und Europa (der Gasgigant<br />
besitzt über eine Tochterfirma auch hierzulande<br />
Gasspeicher) sei „bewusst herbeigeführt<br />
worden“. Damit rutsche Deutschland<br />
„in eine Situation mit Erpressungspotenzial“.<br />
Hintergrund könne das Genehmigungsverfahren<br />
für die Ostsee-Pipeline Nord<br />
Stream 2 sein.<br />
Andererseits sagt Gaslobbyist Kehler:<br />
„Nach unserem Kenntnisstand erfüllt Gazprom<br />
alle vertraglichen Verpflichtungen gegenüber<br />
seinen Kunden.“ Branchenkenner<br />
Pflüger, der auch für Infrastrukturprojekte<br />
wie Nord Stream 2 Beratungsleistungen erbringt,<br />
sagt, Gazprom habe seine Gasförderung<br />
<strong>2021</strong> im Vergleich zum Vorjahr sogar<br />
um fast 20 Prozent erhöht: „Die Exporte<br />
erreichen momentan einen historischen<br />
Höchstwert: Ein Plus von 19,4 Prozent<br />
in diesem Jahr, allein die Exporte nach<br />
Deutschland stiegen um 39,3 Prozent.“<br />
Und so bleiben am Ende auch Spekulationen<br />
über manche Hintergründe. Sicher<br />
ist nur, dass der Erdgasmarkt ganz gehörig<br />
in Turbulenzen geraten ist – mit vielfältigen<br />
Folgen. Grundsätzlich attraktiv ist die<br />
Entwicklung natürlich für Biomethan, allerdings<br />
wirken die Erdgaspreise eher langfristig<br />
auf die Konditionen im Biomethanmarkt,<br />
wie die Deutsche Energieagentur<br />
dena weiß. Kurzfristig hätten die Gaspreise<br />
wenig Bedeutung. Ein bedeutenderer<br />
Faktor als die aktuell stark gestiegenen<br />
Gaspreise sei für die Biomethanbranche<br />
ohnehin der CO 2<br />
-Preis, der sich aus dem<br />
Brennstoffemissionshandelsgesetz ergibt.<br />
Betroffen von den steigenden Erdgaspreisen<br />
werden in Kürze auch die Haushalte<br />
sein – auch jene, die gar kein Erdgas nutzen.<br />
Denn der Gaspreis ist ein wichtiger Faktor<br />
im Gefüge der Strompreisbildung im europäischen<br />
Großhandel. Entsprechend ist<br />
dort auch der Strom zuletzt drastisch teurer<br />
geworden. Grundlaststrom zur Lieferung<br />
im Jahr 2022 wurde in der ersten Oktoberwoche<br />
zeitweise zum Preis von mehr als<br />
160 Euro je Megawattstunde gehandelt –<br />
mehr als eine Verdopplung seit Juli. Diese<br />
Preisexplosion wird sich ab Januar auf der<br />
Stromrechnung bemerkbar machen – und<br />
dann vor allem jene Haushalte treffen, die<br />
elektrisch heizen, zum Beispiel mit Wärmepumpe.<br />
Autor<br />
Bernward Janzing<br />
Freier Journalist<br />
Wilhelmstr. 24a · 79098 Freiburg<br />
07 61/202 23 53<br />
bernward.janzing@t-online.de<br />
FOTO: ADOBE STOCK_ VLADSV<br />
In Asien hat sich der<br />
Erdgasverbrauch erheblich<br />
erhöht. Daher<br />
fahren zum Beispiel<br />
Flüssiggastanker<br />
verstärkt asiatische<br />
Häfen an.<br />
48
BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
POLITIK<br />
Arma Mix HYBRID<br />
Schubbodensanierung<br />
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POLITIK<br />
BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
Ampel-Koalition in spe:<br />
Grüne Welle für Biogas?<br />
Die Berliner Republik erfährt nach 16 Jahren unionsgeführter Regierung<br />
eine Zeitenwende. Klimaschutz und Energiewende stehen ganz oben auf<br />
der Agenda der zwischenzeitlich hoch wahrscheinlichen Ampel-Koalition<br />
von SPD, Grünen und FDP. Doch wie passt Biogas ins Bild? Erste Beobachtungen<br />
aus dem Hauptstadtbüro des Fachverbandes Biogas e.V.<br />
Von Sandra Rostek und Dr. Guido Ehrhardt<br />
Spätestens mit Bekanntgabe der<br />
Hochrechnung für die Bundestagswahl<br />
am 26. September um<br />
18.00 Uhr war klar: Spannende<br />
Zeiten kommen auch auf uns,<br />
die politische Speerspitze im Fachverband<br />
Biogas in Berlin, zu. Mit einem weinenden<br />
und einem lachenden Auge beobachten wir<br />
den sich abzeichnenden Machtwechsel.<br />
Weinend, weil unbestritten gerade in der<br />
Union von CDU und CSU einige Fachpolitiker<br />
sind, die sich stets mit vollem Herzblut<br />
und Engagement für Biogas eingesetzt<br />
haben und deren Unterstützung wir auch<br />
dringend gebraucht haben.<br />
Und doch auch lachend, da die vergangenen<br />
Jahre auch allzu oft geprägt waren<br />
von zähen, häufig ins Leere laufenden<br />
Verhandlungen, die den Klimaschutz<br />
und die Energiewende noch immer nicht<br />
so vorangebracht haben, wie wir uns das<br />
wünschen. Die Ampel-Koalition, so sie<br />
denn die Koalitionsverhandlungen positiv<br />
abschließt, tritt nach eigenem Bekunden<br />
an, um als „Fortschrittskoalition“ den<br />
Themen Klimaschutz und Energiewende<br />
oberste Priorität einzuräumen. Nun, das<br />
klingt zumindest ja schon mal vielversprechend.<br />
Und natürlich gibt es auch in<br />
anderen Parteien viele wichtige und engagierte<br />
Unterstützer für Biogas, zu denen<br />
wir ebenfalls langjährige gute Arbeitsbeziehungen<br />
pflegen.<br />
Doch wie genau soll sie denn nun aussehen,<br />
die schöne neue treibhausgasneutrale<br />
Volkswirtschaft? Und wie lässt sich<br />
unser Biogas darin verorten? Erste Rückschlüsse<br />
lassen sich aus dem Ergebnispapier<br />
der Sondierungen ziehen. Zugegeben:<br />
Das Wort „Biogas“ findet sich dort explizit<br />
nicht. Implizit finden sich aber doch jede<br />
Menge Anknüpfungspunkte, die für uns<br />
wichtige Einfallstore darstellen, um für<br />
unsere Technologie, für unsere Anlagen<br />
und für all die vielen positiven Effekte, die<br />
diese mit sich bringen, zu werben.<br />
So freuen wir uns natürlich über das Bekenntnis<br />
der Sondierer, den Ausbau der Erneuerbaren<br />
Energien massiv vorantreiben<br />
zu wollen. Buchstäblich „alle Hemmnisse<br />
und Hürden“, die dem entgegenstehen,<br />
sollen beseitigt werden. Nun, damit können<br />
wir dienen. Die Liste der Hürden für<br />
Biogas – von AwSV über EEG bis hin zur<br />
TA Luft – ist so lang, dass wir allein damit<br />
die neue Regierung vollständig beschäftigen<br />
könnten. Insbesondere dann, wenn die<br />
Verhandler auch ihr zweites Versprechen<br />
wahrmachen, nämlich die Planungs- und<br />
Genehmigungsprozesse zu vereinfachen<br />
und zu beschleunigen. Auch hier nehmen<br />
wir die Autoren natürlich gerne beim Wort<br />
und werden uns mit konstruktiven Hinweisen<br />
und Vorschlägen einbringen.<br />
Vielversprechend klingt auch das Vorhaben,<br />
das „Strommarktdesign“ nochmals<br />
anpacken zu wollen. Die Versorgungsicherheit<br />
ist spätestens seit der sich parallel zu<br />
den Verhandlungen immer mehr verschärfenden<br />
Energiepreiskrise wieder in aller<br />
Munde – und wir werden dafür sorgen, dass<br />
die Vorteile, die Biogas in diesem Zusammenhang<br />
mit sich bringt, auch wieder mehr<br />
Gehör finden. Flexibles Biogas, erneuerbares<br />
grünes Gas im Gasnetz – wir bringen<br />
Verlässlichkeit in alle Sektoren.<br />
Noch ein bisschen unkonkret sind die Vorstellungen<br />
der Verhandler beim Wärmeund<br />
Verkehrsbereich. Doch deutlich wird,<br />
dass natürlich auch hier in der kommenden<br />
Legislatur erheblicher Handlungsbedarf<br />
gesehen wird. Und dass der CO 2<br />
-Preis dabei<br />
eine zentrale Rolle spielen wird, dürfte<br />
kaum überraschen.<br />
Es macht sich also eine zarte Aufbruchstimmung<br />
breit in Berlin. Und wir werden<br />
diesen Schwung nutzen!<br />
Autoren<br />
Sandra Rostek<br />
Leiterin des Berliner Büros<br />
im Fachverband Biogas e.V.<br />
Dr. Guido Ehrhardt<br />
Leiter des Referats Politik<br />
im Fachverband Biogas e.V.<br />
030/2 75 81 79-0<br />
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50
BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
POLITIK<br />
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51
PRAXIS / TITEL BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
Papier und<br />
Blumentöpfe<br />
aus Gärresten<br />
52
BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
PRAXIS / TITEL<br />
Aus Gärrückständen mehr Wert schaffen. Wie das gelingen kann, wird auf einer Biogasanlage<br />
in der Nähe von Bremen erprobt. Dabei geht es nicht um die Düngewirkung, sondern die<br />
Fasern stehen im Fokus. Aus ihnen werden Papier und Fasergussteile hergestellt, die den<br />
Einsatz von Kunststoffen in der Landwirtschaft und im Gartenbau zurückdrängen können.<br />
Von Thomas Gaul<br />
FOTOS: JÖRG BÖTHLING<br />
Was bei der Vergärung im Fermenter<br />
übrig bleibt, wird zu Unrecht als „Gärrest“<br />
bezeichnet. Denn die ausgezeichnete<br />
Düngewirkung ist seit langem<br />
anerkannt. Doch das Gärprodukt<br />
lässt sich auch für die stoffliche Verwendung nutzen.<br />
„Wir haben bereits vor zehn Jahren mit ersten Versuchen<br />
begonnen“, erinnert sich Christoph Heitmann,<br />
Geschäftsführer der Benas Gruppe im niedersächsischen<br />
Ottersberg in der Nähe von Bremen. „Das Ziel<br />
war, einen holzähnlichen Werkstoff zu finden, der wie<br />
MDF in der Industrie verwendet werden kann und sich<br />
für die Produktion von Laminat nutzen lässt.“<br />
Doch Ausgangspunkt der Überlegungen war eigentlich<br />
die Behandlung des Gärproduktes, das mit hohen Nährstofffrachten<br />
versehen war. Die Benas-Biogasanlage<br />
war 2005 in Betrieb gegangen, zunächst als Kofermentationsanlage.<br />
2009 wurde die Anlage auf den Betrieb<br />
mit nachwachsenden Rohstoffen umgestellt. „Wir haben<br />
dann viel Hühnertrockenkot eingesetzt, so um die<br />
50 bis 80 Tonnen am Tag“, sagt Christoph Heitmann.<br />
Auch hier stellte sich die Herausforderung, mit der hohen<br />
Nährstoffkonzentration umzugehen.<br />
Die von der Firma GNS entwickelte und bereits 2007<br />
gebaute Ammoniak-Strippung diente nach der Umstellung<br />
auf NawaRo dem Zweck, den Stickstoff kontinuierlich<br />
auszuschleusen, um das Niveau auf einem<br />
gesunden Level zu halten. „2011 wurden dann erste<br />
Schritte in Richtung stoffliche Nutzung unternommen“,<br />
berichtet Heitmann. „Die GNS war dabei stets der wissenschaftliche<br />
Partner und wir der Praxispartner.“<br />
Für die angedachte Nutzung als Holzwerkstoff musste<br />
das geruchsintensive Ammoniak ohnehin aus dem<br />
Gärprodukt entfernt werden. In den Jahren 2017 und<br />
2018 wurde die Anlage umgebaut und erweitert. Für<br />
die Weiterverarbeitung müssen die Fasern eine bestimmte<br />
Länge haben. „Dafür sind spezielle Zerkleinerungsaggregate<br />
erforderlich“, hat der Benas-Geschäftsführer<br />
festgestellt.<br />
Die Fasern der<br />
Gärreste sind nach<br />
dem Entzug von<br />
Ammoniak geruchsneutral<br />
und werden<br />
zu kompostierbaren<br />
Magaverde-Produkten<br />
weiterverarbeitet.<br />
Mehrwert aus der Biogasanlage: Magaverde –<br />
magisch grün, kompostierbare Verpackungen<br />
und Pflanztöpfe aus Fasern von Gärrückständen.<br />
Dafür gibt es den Biogas Innovationspreis <strong>2021</strong>.<br />
Aufbereitung der Fasern<br />
Die Herausforderung ist, die Fasern, die am Ende des<br />
Gärprozesses übrig bleiben, so aufzubereiten, dass sie<br />
sich für eine Vielzahl von Einsatzmöglichkeiten eignen.<br />
Mit dem sogenannten „Faserplusverfahren“ wird den<br />
Gärprodukten zunächst der Stickstoff entzogen und<br />
werden die Fasern für die weitere Verwendung aufbereitet.<br />
„Es kommt nicht darauf an, die Fasern besonders<br />
kurz zu schneiden“, erläutert Christoph Heit<br />
53
PRAXIS / TITEL<br />
BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
Beginn des Prozesses: Substrat<br />
von den eigenen Feldern für die<br />
Vergärung in der Biogasanlage in<br />
Ottersberg.<br />
+ Der geruchsneutrale Gärrest<br />
wird nach dem Faserplusverfahren<br />
mehreren Separatoren<br />
zugeführt, die einen Teil der<br />
Feststoffe abtrennen.<br />
Ältere BHKW für den Standby-<br />
Betrieb.<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
„Mittlerweile liegen wir bei<br />
75 Prozent Gärprodukt und<br />
25 Prozent Zellulose“<br />
Christoph Heitmann<br />
mann: „Sie müssen vielmehr<br />
schmal geschnitten werden,<br />
damit sie sich besser miteinander<br />
verzahnen.“<br />
Nach 150 Tagen Verweildauer<br />
landen die Fasern aus dem<br />
Gärprozess mit einem TS-<br />
Gehalt von 20 Prozent in der<br />
Faserplusanlage. Das Gärprodukt wird separiert und<br />
abgepresst. In einem modifizierten Stripping-Verfahren<br />
(Faserplusverfahren) wird der Ammonium-Stickstoff<br />
mithilfe von BHKW-Abwärme aus den Gärrückständen<br />
entfernt. Zunächst werden die Gärrückstände in<br />
einem großen Behälter bei Unterdruck gekocht. Rund<br />
70 Prozent der anfallenden BHKW-Abwärme werden so<br />
genutzt.<br />
In einem zweiten Schritt wird das Ammoniak abgezogen.<br />
Der zugesetzte Schwefel stammt aus der Rauchgasentschwefelung<br />
eines<br />
Kraftwerkes. Als Nebenprodukt<br />
im Prozess fällt Ammonium-Sulfat-Lösung<br />
(ASL)<br />
an, die später als Flüssigdünger<br />
genutzt wird. Unter dem<br />
Markennamen „Magaverde“<br />
werden aus den Fasern ökologische<br />
Produkte hergestellt, die vollständig kompostierbar<br />
sind. Der Name „Magaverde“ setzt sich zusammen<br />
aus den Bezeichnungen „magisch“ und „grün“.<br />
Einsatzzwecke der Produkte sind Verpackungsalternativen<br />
und vergängliche Produkte, die im Gartenbau<br />
oder in der Landwirtschaft verwendet werden können.<br />
Der Anteil der Fasern aus dem Gärprozess konnte ständig<br />
gesteigert werden. „Mittlerweile liegen wir bei 75<br />
Prozent Gärprodukt und 25 Prozent Zellulose“, sagt<br />
Heitmann. Bei manchen Produkten ist auch eine<br />
54
BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
PRAXIS / TITEL<br />
Die abgetrennten<br />
Feststoffanteile fallen nach<br />
der Separation nach unten<br />
in die Lagerbox.<br />
Aus dem Lager für die<br />
geruchsneutrale, feste Gärrestfraktion<br />
geht es weiter<br />
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PRAXIS / TITEL<br />
BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
Aus dem flüssigen Gemisch<br />
von Magaverde-Faser, Zellulose<br />
und Wasser werden<br />
in einem Tauchbecken mit<br />
zwei Kuka-Robotern die<br />
verschiedenen Formpressteile<br />
gepresst und<br />
anschließend in der Halle<br />
luftgetrocknet.<br />
Herstellung aus 100 Prozent Magaverdefasern möglich.<br />
Die gewonnenen Fasern sollen auf zwei Linien verarbeitet<br />
werden. Zum einen als Faserguss: In der Produktionshalle<br />
auf dem Firmengelände wurde eine Fasergussanlage<br />
errichtet. Hier können Produkte für den<br />
Gartenbau wie Anzuchttöpfe, Pflanztöpfe, Mulchmatten<br />
oder auch Transporttrays hergestellt werden. Auch<br />
Nierenschalen für den medizinischen Bereich wurden<br />
bereits versuchsweise hergestellt. Die Formen hat sich<br />
Heitmann zunächst noch aus China bestellt, doch erste<br />
Versuche, die Formen auf eigenen 3D-Druckern herzustellen,<br />
verliefen erfolgreich.<br />
So wird eine schnelle Anpassung an die Anforderungen<br />
künftiger Auftraggeber möglich. Die Herstellung<br />
der Fasergussteile erfolgt weitgehend automatisch: Ein<br />
Roboter, der mit der Hohlform bestückt ist, taucht seinen<br />
Arm in das mit den Fasern gefüllte Becken. Nach<br />
einem kurzen Moment taucht der Arm aus dem Becken<br />
auf. Dann kommt ein zweiter Roboter ins Spiel, der mit<br />
seinem Arm die Formteile aus der Form zieht. Die Teile<br />
werden dann zum Trocknen in Gestelle gehängt. Das<br />
Trocknen erfolgt in der Halle, in der bislang die Gärprodukte<br />
getrocknet werden. Die Gestelle werden an<br />
einer Kurvenbahn hängend durch den Raum gefahren.<br />
Die Trocknungshalle wurde dazu eigens noch einmal<br />
isoliert und verkleidet. Die Trocknungszeit für die Formteile<br />
soll etwa zwei Stunden betragen.<br />
Papier auf der Rolle<br />
Die zweite Linie befindet sich in einer weiteren Produktionshalle.<br />
Hier steht eine riesige, 30 Meter lange<br />
56
BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
PRAXIS / TITEL<br />
Biogasfördertechnik<br />
60m³ Feststoffeintrag<br />
Die Roboter-Arme lassen<br />
sich mit unterschiedlichen<br />
Formen für die Herstellung der<br />
Formpressteile bestücken.<br />
Feststoffeintrag in Edelstahlbauweise,<br />
die neue Schubboden-Generation:<br />
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FSE Pico<br />
In der Stripp-Anlage wird den<br />
Gärresten das Ammoniak<br />
entzogen, hier im Schauglas ist<br />
Ammoniak in Wasser aufgelöst.<br />
Den Pico bieten wir in den Größen<br />
12m³ bis 16m³ an.<br />
Er verfügt über eine Austragsschnecke, zwei Auflockerungsschnecken<br />
und überzeugt damit durch<br />
die gering benötigte Gesamtantriebskraft von nur<br />
11,5 KW.<br />
Papiermaschine, die Christoph Heitmann<br />
in der Nähe von Berlin erwerben konnte.<br />
Mit Düsen werden die Fasern auf ein Siebband<br />
gespritzt. Nachdem es über mehrere<br />
Walzen gelaufen ist, wird das Faserpapier<br />
mit einer Rollenbreite von 2,30 Meter am<br />
Ende auf einer großen Rolle aufgewickelt.<br />
Mit Baumärkten haben sich hier bereits<br />
Abnehmer gefunden.<br />
Auf der Papiermaschine können Mulchvliese,<br />
Mulchmatten und Kartonmaterial<br />
produziert werden. Die jährliche Produktionsmenge<br />
von 8.000 Tonnen Biofasern<br />
reicht aus, um daraus 615 Millionen (Mio.)<br />
Fasergussteile oder 44 Mio. Quadratmeter<br />
Biopapier/Mulchvlies zu erzeugen. Erste<br />
Kleinmengen werden bereits produziert.<br />
Versuche im Gartenbau mit den Töpfen<br />
stimmen optimistisch, denn durch die<br />
Düngewirkung aus dem Topf zeigen die<br />
Pflanzen gute Wachstumserfolge. „Durch<br />
die Feuchtigkeit zersetzt sich das Material<br />
langsam, sodass die Düngewirkung<br />
der Gärreste zum Tragen kommt“, erklärt<br />
Christoph Heitmann den Effekt.<br />
Der „Input“ für die Anlage wächst auf rund<br />
1.000 Hektar um Ottersberg – auf eigenen<br />
und gepachteten Flächen. Von einem zweiten<br />
Betrieb im nördlichen Sachsen-Anhalt<br />
wird ein großer Teil des Substrates angeliefert.<br />
Für den Transport sorgen zehn eigene<br />
Lkw-Sattelzüge. Die Kombiliner neh<br />
57<br />
MaCBox<br />
MaCBox Flüssigeintrag:<br />
Mix and Cut in a Box<br />
Dieses reduziert die Bildung von Schwimm- und<br />
Sinkschichten im Fermenter. Selbst schwierige<br />
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PRAXIS / TITEL<br />
BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
Der Leiter der<br />
Papierproduktion,<br />
Philipp Senn, prüft<br />
die Papierqualität<br />
im Labor.<br />
In der Papierhalle steht eine große Papiermaschine<br />
zur Herstellung von Papier, Kartonagen<br />
und Mulchvlies aus den Magaverde-Fasern. <br />
<br />
Zwei Innio Jenbacher<br />
Typ 620 erzeugen die<br />
Energie aus Biogas<br />
u.a. für die Papierherstellung.<br />
<br />
men auf der Rückfahrt die Gärrückstände<br />
wieder mit. In der NawaRo-Biogasanlage<br />
der Benas werden Silomais, Getreide-GPS,<br />
Gras und Getreidekorn als Substrat eingesetzt.<br />
Insgesamt werden 120.000 Tonnen<br />
Biomasse im Jahr aus landwirtschaftlicher<br />
Produktion und von Naturschutzflächen<br />
verarbeitet. Momentan ist eine Anlagenleistung<br />
von 11,35 Megawatt installiert.<br />
Angeschlossen ist auch eine Biogas-Aufbereitungsanlage,<br />
die stündlich 750 m 3 Biomethan<br />
in das Erdgasnetz einspeist.<br />
Die eigene Energie nutzen<br />
Für Flexibilität sorgt ein Gasspeicher mit<br />
einem Volumen von 36.000 m 3 . „Das ist<br />
auch notwendig, da wir in unserer Region<br />
zunehmend mit Anlagen-Abschaltungen zu<br />
tun haben“, betont Christoph Heitmann.<br />
Die Aufteilung der Strom- und Gas<br />
58
BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
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Philipp Senn überwacht das<br />
Papierschöpfen aus Maisfasern<br />
von Gärresten in der Papierhalle.<br />
Christoph Heitmann, Geschäftsführer<br />
der Benas Gruppe, sagt:<br />
„Die jährliche Produktionsmenge<br />
von 8.000 Tonnen Biofasern reicht<br />
aus, um daraus 615 Millionen<br />
Fasergussteile oder 44 Millionen<br />
Quadratmeter Biopapier/Mulchvlies<br />
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PRAXIS / TITEL<br />
BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
„Mit unserer patentierten<br />
Entwicklung<br />
haben wir zudem ein<br />
Monopol“<br />
Christioph Heitmann<br />
Faserplusverfahren: Drei große<br />
Silos mit Gärresten und Wasser<br />
sind Teil der Ammoniak-Stripp-<br />
Anlage.<br />
Viel Betrieb auf der Großbaustelle.<br />
Doch die Benas Biopower GmbH<br />
hat die Zukunft fest im Blick.<br />
Verwaltungsgebäude mit Gaskuppel<br />
und BHKW-Gebäude mit Firmen-<br />
Logo. <br />
produktion beträgt derzeit 60:40. Mit der<br />
neuen Papierverarbeitung soll ein Teil der<br />
Energie selbst genutzt werden.<br />
Da ist zum einen der Biogasbrenner für die<br />
Trocknung der Produkte. 70 Prozent der<br />
Biogaswärme können für den Faserplus-<br />
Prozess genutzt werden. Die größten Stromverbraucher<br />
sind aber die Produktionsanlagen<br />
selbst. Für die Formteile kalkuliert der<br />
Geschäftsführer einen Stromverbrauch von<br />
150 Kilowattstunden (kWh), für die Papiermaschine<br />
450 kWh. Angestrebt wird, die<br />
Produktionsanlagen im Dreischichtbetrieb<br />
laufen zu lassen.<br />
„Damit entfällt der Prozess des Vorheizens,<br />
der besonders energieintensiv ist“, unterstreicht<br />
Heitmann. Mit der Nutzung der<br />
selbst erzeugten Energie läuft die Produktion<br />
praktisch CO 2<br />
-neutral. Fünf Mitarbeiter<br />
je Schicht und Maschine werden dann<br />
hinzukommen. Derzeit sind insgesamt 50<br />
Mitarbeiter bei der Benas Biopower GmbH<br />
angestellt, darunter auch eigene Schweißer<br />
und Elektriker.<br />
60
BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
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Verschiedene Produkte aus Fasern der Gärreste: Pflanztöpfe, Formteile, Papier, Kartonagen.<br />
Alle Produkte sind biologisch abbaubar.<br />
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Wenn die Nachfrage sich gut entwickelt,<br />
wäre es eine Option, andere Biogasanlagen<br />
in Lizenz produzieren zu lassen. Das<br />
könnte ein mögliches Geschäftsfeld für<br />
Biogasanlagen nach der Laufzeit der EEG-<br />
Vergütung sein. Die Marktentwicklung<br />
schätzt Christoph Heitmann optimistisch<br />
ein: „Das Interesse an nachhaltigen Produkten<br />
ist vorhanden und wird noch größer.<br />
Mit unserer patentierten Entwicklung<br />
haben wir zudem ein Monopol.“ Die biologisch<br />
abbaubaren Produkte können Kunststoffe<br />
in der Landwirtschaft und im Gartenbau<br />
ersetzen. Darüber hinaus werden<br />
Nährstoffkreisläufe geschlossen. Das innovative<br />
Verfahren wurde auf dem Biogas-<br />
Innovationskongress <strong>2021</strong> als Preisträger<br />
in der Kategorie Wirtschaft ausgezeichnet<br />
und hat beim Innovationspreis Göttingen<br />
den 2. Platz belegt.<br />
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hergestellten Kohlenwasserstoffe.<br />
Biogas kann mehr als Energie. Immer neue Anwendungsbereiche erobert sich das grüne<br />
Gas auch bei der stofflichen Verwertung. In Sachsen testen Wissenschaftler und Praktiker<br />
auf einer vornehmlich mit biogenen Reststoffen betriebenen Anlage die nachhaltige<br />
Herstellung von hochreinen und zartschmelzenden Biowachsen für die Kosmetikindustrie<br />
aber ebenso für umweltfreundliche Lacke und Schmierstoffe. Gegenwärtig basieren diese<br />
Produkte oft noch auf fossilem Erdöl.<br />
Von Dipl.-Journ. Wolfgang Rudolph<br />
Erfreut hält Dr. Erik Reichelt ein Fläschchen<br />
in die Höhe. Gemeinsam mit Ralf Näke beobachtet<br />
er, wie sich die Flüssigkeit darin in<br />
zwei Phasen auftrennt. „Das sind die ersten<br />
aus Rohbiogas hergestellten Kohlenwasserstoffe“,<br />
erklärt Reichelt. Das Verfahren dafür haben<br />
die beiden Wissenschaftler am Fraunhofer-Institut für<br />
Keramische Technologien und Systeme (IKTS) Dresden<br />
in Kooperation mit anderen Forschungseinrichtungen<br />
und Praxispartnern entwickelt.<br />
Eine entsprechende Demonstrationsanlage ging Mitte<br />
September auf dem Gelände des Anlagenbauers Ökotec<br />
im sächsichen Thallwitz in Betrieb. Das Rohbiogas für<br />
die in einem Container untergebrachten Systemkomponenten<br />
zur Wachsherstellung entsteht in Fermentern,<br />
die überwiegend mit Rest- und Abfallstoffen der regionalen<br />
Lebensmittelindustrie, vornehmlich Fettabscheiderinhalten,<br />
betrieben werden (siehe Steckbrief Abfall-<br />
Biogasanlage Thallwitz).<br />
Durch die verfahrensbedingte Reinheit eigneten sich<br />
die aus Biogas gewonnenen Rohwachse insbesondere<br />
für eine Weiterverarbeitung zu chemischen Erzeugnissen,<br />
die mit hohen Erwartungen an die Produktgüte verknüpft<br />
sind, etwa zu Cremes und anderen Kosmetikartikeln.<br />
Dies hätten Untersuchungen unter Leitung von<br />
Prof. Dr. Sven Kureti an der Technischen Universität<br />
Bergakademie Freiberg bestätigt.<br />
Handelsübliche Cremes basierten gegenwärtig oft noch<br />
auf Erdölderivaten. Bei diesen besteht die Gefahr,<br />
dass sie Verunreinigungen enthalten, beispielsweise<br />
Schwefelverbindungen oder polyzyklische aromatische<br />
Kohlenwasserstoffe (PAK), die Unverträglichkeiten<br />
auslösen können. Darüber hinaus würden synthetisch<br />
erzeugte Biowachse auch beim Einsatz als Schmierstoff,<br />
als Additive in Farben und Lacken oder bei der<br />
Papierherstellung eine Kontinuität bei den Eigenschaften<br />
gewährleisten, die mit erdölbasierten Wachsen<br />
nicht erreichbar ist.<br />
Basis für Cremes und Kosmetika<br />
„Die Herstellung hochwertiger Biowachse ist eine realistische<br />
Option für den förderunabhängigen Betrieb<br />
bestehender und zukünftiger Biogasanlagen“, nennt<br />
der Gruppenleiter Systemverfahrenstechnik als Intention<br />
für die mehrjährige Forschungsarbeit auf diesem<br />
Gebiet am IKTS.<br />
CH 4<br />
- und CO 2<br />
-Nutzung<br />
Neben der gleichbleibenden Qualität sieht Reichelt in<br />
der möglichen Biozertifizierung der Endprodukte einen<br />
Wettbewerbsvorteil bei der Vermarktung von Biowachsen<br />
und verweist in diesem Zusammenhang auf einen<br />
weiteren Aspekt in puncto Nachhaltigkeit. „Im Gegensatz<br />
zur Energiebereitstellung werden bei der stoffli<br />
FOTOS: CARMEN RUDOLPH<br />
62
BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
PRAXIS / TITEL<br />
An der Leitwarte kann in die Steuerung der ansonsten vollautomatisch<br />
arbeitenden Anlage zur Wachsherstellung eingegriffen werden.<br />
Auf der linken Seite der Demonstrationsanlage<br />
zur Wachsherstellung befinden sich die Ventile<br />
zur Regelung und der Reformer zur Erzeugung<br />
des Synthesegases (Hintergrund).<br />
chen Verwertung nicht nur das CH 4<br />
, sondern<br />
auch das CO 2<br />
und damit ein weitaus<br />
größerer Teil des Biogases genutzt“, betont<br />
der Wissenschaftler.<br />
Letztlich würden bei der Technologie, die in<br />
dem Projekt zum Einsatz kommt, hochreine<br />
Kohlenstoffketten gebildet, deren Länge<br />
sich mit unterschiedlichen Stellschrauben<br />
regulieren lasse. Im aktuellen Forschungsvorhaben<br />
liege das Augenmerk zwar auf den<br />
Wachsen. Aber aus dem nachhaltigen Rohstoff<br />
Biogas ließe sich im Verfahrensverlauf<br />
beispielsweise auch Kerosin auskoppeln.<br />
Dies ließe sich sowohl aus den flüssigen<br />
Kohlenwasserstoffen gewinnen, die neben dem Wachs<br />
als eines der Hauptprodukte des Verfahrens entstehen,<br />
als auch aus den Wachsen selbst, wenn sie mittels Hydrocracking<br />
in flüssige Kraftstoffe umgewandelt werden.<br />
Dieser Aspekt habe zu Beginn des Forschungsvorhabens<br />
nur eine untergeordnete Rolle gespielt, gewinne<br />
nun jedoch mit der beschlossenen Nachhaltigkeitsquote<br />
bei Flugbenzin von 0,5 Prozent ab 2026 und 2 Prozent<br />
ab 2030 durchaus an Bedeutung.<br />
Synthesegas – Umwandlung in flüssige<br />
und wachsförmige Produkte<br />
Das Verbundprojekt Wachse aus Biogas startete bereits<br />
2017 mit Unterstützung des Europäischen Fonds für<br />
regionale Entwicklung (EFRE). Dabei projektierte die<br />
DBI Gas- und Umwelttechnik GmbH den Reformer, der<br />
für die Umwandlung des Biogases in Synthesegas benötigt<br />
wird. In dem vom IKTS für die Wachsherstellung<br />
Vom Produktgemisch aus dem Fischer-Tropsch-<br />
Reaktor werden in nachfolgenden Temperaturfallen<br />
die Biowachse abgetrennt.<br />
Im Fischer-Tropsch-Reaktor reagiert das<br />
Synthesegas zu unterschiedlichen Kohlenwasserstoffverbindungen.<br />
modifizierten Fischer-Tropsch-Reaktor, zu dem wiederum<br />
die Professur für Reaktionstechnik an der TU Bergakademie<br />
Freiberg einen neuartigen Katalysator beisteuerte,<br />
erfolgt die Umwandlung des Synthesegases<br />
in flüssige und wachsförmige Produkte. Diese beiden<br />
Aggregate bilden daher den Kern des Prozesses.<br />
Ziel der jetzigen zweiten, aus Mitteln zum Strukturwandel<br />
im mitteldeutschen Kohlerevier geförderten<br />
Projektphase ist, das Biowachsverfahren in einer Demonstrationsanlage<br />
unter praxisnahen Bedingungen<br />
zu testen und deren Wirtschaftlichkeit zu prüfen. Über<br />
einen Bypass von der Gasleitung zu den Blockheizkraftwerken<br />
(BHKW) der Ökotec-Biogasanlage in Thallwitz<br />
(Landkreis Leipzig) werden dafür stündlich 1 bis 1,5<br />
Kubikmeter (m³) Biogas als Input für die Aggregate im<br />
Container abgezweigt.<br />
Nach der absorptiven Entschwefelung gelangt es in den<br />
auf 800 Grad Celsius erhitzten Biogasreformer,<br />
63
PRAXIS / TITEL BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
Am Ende des Prozesses<br />
entstehen flüssige<br />
Kraftstoffe, beispielsweise<br />
Kerosin, und<br />
Biowachs (links), das<br />
eigentliche Zielprodukt.<br />
Von der Biogasanlage<br />
in Thallwitz kommt<br />
das Rohbiogas für die<br />
Demonstrationsanlage<br />
zur Wachsherstellung.<br />
Im Vordergrund die<br />
Annahme für die Fettabscheiderinhalte<br />
und<br />
die Hygienisierung.<br />
wo durch die Zudosierung<br />
von Wasser und<br />
unter Zuhilfenahme<br />
eines Katalysators die<br />
Umwandlung in Synthesegas<br />
erfolgt. Das so<br />
entstandene Gemisch aus Wasserstoff und Kohlenstoffmonoxid<br />
wird abgekühlt und dabei entfeuchtet. Erneut<br />
auf 200 Grad Celsius erhitzt und auf 20 bar verdichtet,<br />
strömt das trockene Synthesegas anschließend in den<br />
Fischer-Tropsch-Reaktor.<br />
IKTS-Wissenschaftler Ralf Näke verfolgt am Bildschirm das Hochfahren der Demonstrationsanlage im<br />
Container in Thallwitz. Dies ist auch per Fernüberwachung vom Institut in Dresden aus möglich.<br />
Reaktion zu unterschiedlichen<br />
Kohlenwasserstoff-Verbindungen<br />
„Der Reaktor ist mit einem speziellen Katalysator befüllt.<br />
An ihm reagiert das Synthesegas zu unterschiedlichen<br />
Kohlenwasserstoffverbindungen. Die Bandbreite<br />
reicht hier vom einfachen CH 4<br />
bis zu sehr langkettigen<br />
Kohlenwasserstoffen, den Hartparaffinen“, beschreibt<br />
Ralf Näke die Arbeitsweise. Der Ingenieur für Elek tround<br />
Automatisierungstechnik hat die Anlagensteuerung<br />
konzipiert.<br />
Verbindungen, die den Fischer-Tropsch-Reaktor in flüssigem<br />
Zustand verlassen, verfestigen sich bei Raumtemperatur<br />
zu Wachsen. Die gasförmigen Bestandteile<br />
werden einem gekühlten Separator zugeführt. Was dort<br />
kondensiert (u.a. Benzin, Dieselöle, Kerosin), bleibt<br />
auch bei Raumtemperatur flüssig. Die verblei<br />
Steckbrief Abfall-Biogasanlage<br />
Thallwitz<br />
Die von der Ökotec Anlagenbau GmbH errichtete und betriebene<br />
Biogasanlage in Thallwitz verarbeitet überwiegend Bioabfälle<br />
der Lebensmittelindustrie aus der Region, vor allem Fettabscheiderinhalte.<br />
Zu den Co-Substraten gehören Gülle und Festmist<br />
aus den Schweineställen des benachbarten Agrarbetriebes,<br />
Rückstände aus der Rapsölproduktion (Schleimstoffe) und im<br />
Sommer Grünschnitt.<br />
Seit der Inbetriebnahme im Jahr 2000 erfolgte zwei Mal ein<br />
umfassendes Repowering. Dabei erhöhte sich die elektrische<br />
Leistung von 160 Kilowatt auf 1 Megawatt und das Gärvolumen<br />
verdoppelte sich auf insgesamt 5.000 m³. Vor der Vergärung wird<br />
der Input in einem 100 m³ fassenden Behälter mindestens eine<br />
Stunde bei 70 Grad Celsius hygienisiert. Die thermische Energie<br />
dafür kommt von den drei BHKW und, wenn diese nicht ausreicht,<br />
von einem mit Biogas betriebenen Dampferzeuger. Um die bei<br />
der Hygienisierung entstehenden starken Geruchsemissionen zu<br />
minimieren, werden die Dämpfe der erhitzten Fettabscheiderinhalte<br />
von einem starken Exhauster abgesaugt und in zwei Stufen<br />
gereinigt.<br />
Text: Wolfgang Rudolph<br />
64
BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
PRAXIS / TITEL<br />
65
PRAXIS / TITEL<br />
BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
Dr.-Ing. Erik Reichelt<br />
entnimmt der<br />
Demonstrationsanlage<br />
erstmals eine Probe<br />
des Gemischs aus<br />
Kohlenwasserstoffen.<br />
Verbindungen,<br />
die den Fischer-<br />
Tropsch-Reaktor<br />
in flüssigem<br />
Zustand verlassen,<br />
verfestigen sich bei<br />
Raumtemperatur zu<br />
Wachsen.<br />
benden gasförmigen Komponenten (u.a. Methan,<br />
Ethan, Propan) fließen entweder zurück zum Startpunkt<br />
des Bioraffineriesystems, der Herstellung des<br />
Synthesegases, oder sie werden als Brennstoff für die<br />
Aufheizung des Reformers genutzt.<br />
„Nach dem erfolgreichen Hochfahren optimieren<br />
wir in den nächsten Monaten die Anlage hinsichtlich<br />
unserer Zielprodukte, den zartschmelzenden Wachsen“,<br />
informiert Reichelt. Beeinflussen ließe sich<br />
dies beispielsweise durch die Zusammensetzung des<br />
Synthesegases oder die Bedingungen im Fischer-<br />
Tropsch-Reaktor. So begünstige Wasserstoffmangel<br />
im Synthesegas oder eine abgesenkte Reaktortemperatur<br />
die Bildung der angestrebten langkettigen<br />
Kohlenwasserstoffe. Die Biowachsanlage fahre im<br />
Testbetrieb weitestgehend vollautomatisch. Parameteränderungen<br />
könnten ferngesteuert vom IKTS in<br />
Dresden aus vorgenommen werden.<br />
Für eine realitätsnahe Wirtschaftlichkeitsbewertung<br />
berücksichtige man in einigen Versuchsreihen die allgemeinen<br />
Durchschnittswerte bei der Zusammensetzung<br />
des Rohbiogases und mische dem der Biogasanlage<br />
entnommenen Rohbiogas, das durch den Einsatz<br />
hochenergetischer Reststoffe 60 bis 70 Prozent Methan<br />
enthält, CO 2<br />
zu, um auch den Einfluss von Biogas<br />
geringer Qualität zu untersuchen.<br />
Außerhalb des<br />
Containers mit der<br />
Demonstrationsanlage<br />
zur Wachsherstellung<br />
befinden sich Flaschen<br />
mit unterschiedlichen<br />
Gasen, unter anderem<br />
zum Spülen von<br />
Messfühlern und zur<br />
Anhebung des CO 2<br />
-<br />
Gehalts im Biogas für<br />
den Input.<br />
66
BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
PRAXIS / TITEL<br />
Aus einem Kubikmeter<br />
Gas entstehen 0,5<br />
Liter Produktmischung<br />
„Aus einem Kubikmeter<br />
Biogas entstehen nach unseren<br />
Berechnungen und<br />
Laborversuchen etwa 0,5<br />
Liter Produktmischung.<br />
Diese enthält in etwa gleichen<br />
Anteilen flüssige Bestandteile<br />
sowie solche, die<br />
sich bei Zimmertemperatur<br />
verfestigen“, nennt der<br />
Wissenschaftler als groben<br />
Anhaltspunkt. Denkbar wäre<br />
eine Anpassung an die Rohbiogasmenge,<br />
die stofflich<br />
verwertet werden soll, durch<br />
einen modularen Aufbau der<br />
Biowachsraffinerie.<br />
Hohe Erwartungen an einen erfolgreichen<br />
Projektabschluss knüpft auch Gerhard<br />
Wilhelm, Inhaber der Ökotec Anlagenbau<br />
GmbH, die die Biogasanlage in Thallwitz<br />
betreibt. „Zum einen kann ich unseren<br />
Kunden mit dieser Technologie zur Herstellung<br />
von nachhaltigen Produkten dann eine<br />
Alternative zur Energieerzeugung anbieten.<br />
Außerdem produzieren wir selbst an einem<br />
anderen Standort kosmetische Produkte<br />
auf Algenbasis. Dort gäbe es für die hochwertigen<br />
Biowachse ein breites Einsatzfeld“,<br />
so Wilhelm.<br />
Markus Wigger (links), Technischer<br />
und Kaufmännischer<br />
Leiter, und Gerhard Wilhelm<br />
(2. von rechts), Geschäftsführer<br />
der Ökotec Anlagenbau<br />
GmbH, sowie die Wissenschaftler<br />
am Fraunhofer IKTS<br />
Dr.-Ing. Erik Reichelt (rechts)<br />
und M.Sc. Ralf Näke (2. von<br />
links) sehen in der Biowachsproduktion<br />
eine Option für<br />
Biogasanlagen.<br />
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67
PRAXIS / TITEL<br />
Nährstoffspritze<br />
unters Wurzelwerk<br />
Lohnunternehmer Uwe Schiller entwickelte ein Verfahren zur Injektionsdüngung in stehenden<br />
Kulturen und auf Grünland. Die Bandablage des Cultan fähigen Gärprodukts aus Reststoffen<br />
der Milchindustrie erfolgt mittels selbst konstruierter Applikationstechnik.<br />
Von Wolfgang Rudolph<br />
Wer sich die Wirkung landwirtschaftlicher<br />
Düngung vor Augen führen will,<br />
dem empfiehlt Uwe Schiller eine regelmäßige<br />
Begutachtung der Schläge<br />
aus der Vogelperspektive. „Drohnenfotos<br />
von Ackerkulturen erinnern immer ein bisschen ans<br />
Malen nach Zahlen“, sagt der Lohnunternehmer. Denn<br />
auf den Luftbildern würden sich sowohl die Wegstrecke<br />
als auch die Arbeitsweise des Düngerfahrzeugs abzeichnen.<br />
Jede Unregelmäßigkeit in der Spurführung<br />
und bei der Dosierung sei nachvollziehbar.<br />
Der gebürtige Niederrheiner ist Inhaber des Unternehmens<br />
DST-Agrar mit Sitz in Pöhsig, einem Ortsteil der<br />
sächsischen Kleinstadt Grimma (Landkreis Leipzig).<br />
Kern seines Dienstleistungsangebotes ist die Düngung.<br />
Darin sieht er mehr als nur die Ausbringung von Pflanzennährstoffen<br />
zum bestmöglichen Zeitpunkt. „Um<br />
den wachsenden Anforderungen beim Umwelt- und<br />
Klimaschutz gerecht zu werden, muss die Düngung<br />
zukünftig eine Reihe weiterer Kriterien erfüllen“, so<br />
Schiller.<br />
Das beginne bereits bei der Bereitstellung von Düngemitteln,<br />
die mit dem geringstmöglichen Einsatz von<br />
Energie und Primärrohstoffen erfolgen sollte. Aber<br />
auch durch das Schließen heute vielfach unterbrochener<br />
Nähr- und Wertstoffkreisläufe ließen sich nach Ansicht<br />
des gelernten Landwirts vorhandene Ressourcen<br />
nachhaltiger und effizienter nutzen.<br />
Ein Reststoff in mehrfacher Hinsicht<br />
Bei der Suche nach Substanzen aus der Lebensmittelverarbeitung,<br />
die sich als Dünger für den Pflanzenbau<br />
eignen, stieß Schiller auf eine milchig-trübe Flüssigkeit,<br />
die gleich in mehrfacher Hinsicht ein Reststoff ist.<br />
FOTOS: CARMEN RUDOLPH<br />
68
BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
PRAXIS / TITEL<br />
BIOGASANALYSE<br />
SSM 6000<br />
PRAXIS / TITEL<br />
der Klassiker für die Analyse<br />
von CH 4<br />
, H 2<br />
S, CO 2<br />
, H 2<br />
und O 2<br />
mit und ohne Gasaufbereitung<br />
für NO x<br />
, CO und O 2<br />
, mehrere<br />
Meßstellen (44. BlmSchV.)<br />
*<br />
SSM 6000 ECO<br />
*<br />
*<br />
Durch die Injektion des Flüssigdüngers entsteht in der Kultur kein bleibender Schaden.<br />
Links: Das Injektionsgerät verfügt über 37 einzeln aufgehängte Schare und hat,<br />
vollständig ausgeklappt, eine Arbeitsbreite von 12 m.<br />
FOS/TAC<br />
automatischer Titrator<br />
zur Bestimmung von<br />
FOS, TAC und<br />
FOS/TAC<br />
TRAS 120<br />
44. BlmSchV.<br />
sprechen<br />
Sie uns an!<br />
Es handelt sich um vergorene und nach der<br />
Biogasproduktion in einem speziellen Verfahren<br />
aufbereitete Dünnschlempe. Dünnschlempe<br />
ist ein Nebenprodukt aus der<br />
Herstellung von Bio-Ethanol, die in diesem<br />
Fall wiederum auf Rückständen der Käseherstellung<br />
basiert (siehe Kasten).<br />
Die wässrige Lösung enthält nur 0,6 Prozent<br />
(%) Stickstoff (nitratfrei, 19 % als<br />
Ammonium) aber 1,7 % Phosphat, mehr<br />
als 4 % Kalium sowie über 14 % organische<br />
Substanz mit den Spurenelementen<br />
Natrium, Schwefel und Magnesium. „Natrium,<br />
von dem die Lösung etwa 14 Kilogramm<br />
pro Tonne (kg/t) enthält, verbessert<br />
die Regulierung des Wasserhaushalts der<br />
Pflanzen und ergänzt dadurch die Wirkung<br />
des Kaliums“, sagt Schiller. Außerdem<br />
zeigten die regelmäßigen Analysen einen<br />
Gehalt von gut 15 kg Kohlenstoff pro Tonne.<br />
Die Applikation von 3 t Flüssigdünger<br />
entspreche somit der Humuswirkung von<br />
1 t eingemischtem Stroh.<br />
Damit eignet sich das in konstanter Zusammensetzung<br />
anfallende Nebenprodukt<br />
als organisches NPK-Düngemittel<br />
zur Pflan zenernährung und Verbesserung<br />
der Bodenfruchtbarkeit. Dies gilt auch für<br />
Ökobetriebe, da der Flüssigdünger als Betriebsmittel<br />
nach den Richtlinien des Forschungsinstituts<br />
für biologischen Landbau<br />
(FiBL) zertifiziert ist. Für den konventionellen<br />
Einsatz stellt die DST-Agrar auf Wunsch<br />
durch Zumischung von Ammoniumsulfat-<br />
Lösung (ASL), das der Dienstleister ebenfalls<br />
als Nebenprodukt bezieht, einen nitratfreien<br />
Flüssigvolldünger bereit.<br />
Nährstoffkreislauf klimaschonend<br />
schließen<br />
„So kann der ermittelte Phosphat- und Kalibedarf<br />
für die gesamte Vegetationsperiode<br />
in einer Gabe ausgebracht und gleichzeitig<br />
die N-Düngermenge ohne Ertragseinbußen<br />
reduziert werden“, merkt der Firmenchef<br />
an. Auch Gülle, Gärreste und Jauche<br />
* proCAL für SSM 6000, ist<br />
die vollautomatische,<br />
prüfgaslose Kalibrierung<br />
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PRAXIS / TITEL<br />
FOTO: UWE SCHILLER<br />
Als Lager für den Flüssigdünger dienen witterungsbeständige Spezialsäcke am Firmenstandort<br />
oder direkt beim Kunden mit einer Kapazität zwischen 100.000 und 300.000 Liter.<br />
Befülltes flexibles Lager für<br />
den Flüssigdünger.<br />
So entsteht NPK-Dünger aus Dünnschlempe<br />
Die milchig-trübe Flüssigkeit entsteht<br />
durch das Vergären von Dünnschlempe<br />
und ist ein wertvoller NPK-Langzeitdünger.<br />
Das Verfahren zur stofflichen und energetischen Nutzung von Dünnschlempe basiert auf Forschungen des Dresdener<br />
Fraunhofer Instituts für keramische Technologien und Systeme IKTS in Kooperation mit der Sachsenmilch Leppersdorf<br />
GmbH. Dünnschlempe, die viele organische Säuren enthält, verbleibt bei der Herstellung von Bioethanol aus Reststoffen<br />
der Molkereiverwertung und wurde früher kostenaufwendig entsorgt.<br />
Die Verarbeitung der Schlempe erfolgt in mehreren Prozessschritten. Zunächst vergären deren organische Bestandteile<br />
in einem nach dem EGSB (Expanded-Granular-Sludge-Bed)-Prinzip arbeitenden Hochleistungsvergärungsreaktor zu<br />
Biogas. In der darauffolgenden Prozessstufe werden die anorganischen Inhaltsstoffe, insbesondere Ammonium und<br />
Phosphat, durch die Zugabe von Reaktorchemikalien abgetrennt. Im Ergebnis entsteht der NPK-Langzeitdünger.<br />
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PRAXIS / TITEL<br />
ließen sich durch die Zugabe des organischen NPK-<br />
Düngers aufwerten und damit ließe sich deren Transportwürdigkeit<br />
erhöhen.<br />
Eine Besonderheit sei der Gehalt an Milchsäurebakterien<br />
(ca. 13 bis 18 kg/t). Sie würden das Bodenleben<br />
aktivieren und so die Mineralisierung der organisch gebundenen<br />
Nährstoffe befördern. Zudem habe man eine<br />
hemmende Wirkung auf pilzliche Erreger festgestellt.<br />
Nicht zuletzt schließe sich - ganz im Sinne der von<br />
Deutschland verfolgten Nachhaltigkeitsstrategie - mit<br />
der nahezu vollständigen Nutzung des Reststoffs aus<br />
der industriellen Herstellung von Lebensmitteln (Kat.3-<br />
Material) als Pflanzendünger ein bislang unterbrochener<br />
Nährstoffkreislauf zwischen Pflanze, Tier und Boden.<br />
Bessere Lockwirkung durch tiefe Ablage<br />
Parallel zur Erschließung von Düngemitteln befasste<br />
sich Schiller mit Technik zur effizienten und umweltgerechten<br />
Ausbringung. Dabei nutzte der 59-Jährige seine<br />
Erfahrungen mit dem Cultanverfahren, bei dem Flüssigdünger<br />
mittels Injektionsrädern in den Boden der Kultur<br />
eingespritzt wird. Dadurch entsteht ein Düngerdepot,<br />
aus dem sich die Pflanzen mit ihren bereits ausgebildeten<br />
Wurzeln über einen längeren Zeitraum mit Nährstoffen,<br />
vornehmlich sofort einlagerungsfähigem und<br />
bodenstabilem Ammonium, versorgen. Angestrebte<br />
Effekte sind die Einsparung von bis zu 20 % Stickstoff<br />
und die Vermeidung von Nitratauswaschungen. „Die<br />
Speichen an den Injektionsrädern dringen aller<br />
Applikation von nitratfreiem<br />
Flüssigdünger<br />
mit dem Reiheninjektor<br />
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71
PRAXIS / TITEL<br />
BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
Auf der verlängerten Deichsel des Reiheninjektors befinden sich die Aggregate<br />
zum Pumpen und Verteilen des Flüssigdüngers.<br />
Mit der Messspitze des Sensorspatens können vor<br />
der Düngerausbringung die wichtigsten Bodenparameter<br />
in Echtzeit ermittelt werden.<br />
Lohnunternehmer Uwe Schiller demonstriert die<br />
Handhabung des „Sensorspatens“ zur schnellen<br />
Ermittlung der Bodenparameter auf Acker und<br />
Grünland.<br />
Martin Kretzschmar, Leiter des Standorts Dahme,<br />
mit einer Drohne für die Kontrolle des Düngeerfolgs<br />
vor dem selbst entwickelten Scheibenrad-Injektionsgerät.<br />
72
BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
PRAXIS / TITEL<br />
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Zusätzliche Hydraulikzylinder drücken das Schlitzgerät auf den Acker,<br />
um eine gleichmäßige Tiefenführung zu gewährleisten.<br />
dings nur etwa 3 bis 5 Zentimeter in den<br />
Boden ein“, benennt Schiller das Problem<br />
bei dieser Technologie. Der obere Bereich<br />
sei aber infolge der Klimaveränderung immer<br />
häufiger ausgetrocknet. Das vermindere<br />
den Düngeeffekt enorm. Als Alternative<br />
entwickelte er ein gezogenes Scheibenrad-<br />
Injektionsgerät. Es legt das Düngerband<br />
in bis zu 15 Zentimeter Tiefe mit einem<br />
Reihenabstand von 32 Zentimeter (cm)<br />
ab. „Dadurch verringert sich nicht nur die<br />
Gefahr, dass die Nährstoffe austrocknen.<br />
Die tiefer abgelegten Nährstoffe, vornehmlich<br />
der immobile Phosphor, intensivieren<br />
durch ihre Lockwirkung außerdem die Ausbildung<br />
der Wurzelsysteme. Wodurch sich<br />
wiederum die Widerstandsfähigkeit der<br />
Pflanzen bei Trockenperioden verbessert“,<br />
merkt Schiller an.<br />
37 Düngerschare auf 12 Meter<br />
Arbeitsbreite<br />
Hauptkomponenten der Innovation sind<br />
das auf einem doppelachsigen Fahrwerk<br />
montierte Fass mit 14.500 Liter Fassungsvermögen<br />
sowie die an der verlängerten<br />
Deichsel angebrachten Aggregate zum Applizieren,<br />
Pumpen und Verteilen des Flüssigdüngers.<br />
In einer zweiten, gezogenen<br />
Variante befindet sich das Fass auf dem<br />
Systemschlepper Claas Xerion.<br />
Das Injektionsgerät verfügt über 37 einzeln<br />
aufgehängte Schare und hat, vollständig<br />
ausgeklappt, eine Arbeitsbreite von 12<br />
Meter. Vor den Düngereinlegescharen, die<br />
sich auf eine Injektion im Bereich zwischen<br />
6 und 15 cm einstellen lassen, läuft eine<br />
Scheibe, die den Boden bis auf eine Tiefe<br />
von 20 cm vorschneidet. Die Scheiben<br />
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PRAXIS / TITEL<br />
BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
Die neueste Variante des Reiheninjektors für eine 20 cm tiefe Ablage des Flüssigdüngers<br />
nach der Ernte wird in der Endversion noch mit einem vorlaufenden<br />
Scheibenrad komplettiert, das den Boden entsprechend vorschneidet.<br />
Interessenvertreter für<br />
Dienstleister im Osten<br />
Das Unternehmen DST-Agrar ist Mitglied im Agroservice & Lohnunternehmerverband<br />
e.V. mit Sitz in Altlandsberg (Brandenburg). Der 1993 gegründete Zusammenschluss,<br />
in dem 97 landwirtschaftliche Dienstleister aus Mecklenburg-Vorpommern,<br />
Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Sachsen sowie Hersteller und Institutionen<br />
aus dem Agrarbereich organisiert sind, ist die größte Interessenvertretung<br />
für diese Branche in den östlichen Bundesländern. Präsident des Verbandes ist<br />
Wolfgang Wildt, Geschäftsführer der Lobensteiner Landhandel- und Dienste GmbH.<br />
Die Geschäfte der Organisation leitet Dr. Marco Rebhann. Informationen zu den<br />
Verbandszielen, aktuellen Veranstaltungen und den Dienstleistungsangeboten der<br />
Mitglieder gibt es auf der Internetseite www.agro-service-verband.de.<br />
Erster Einsatz des modifizierten Reiheninjektors mit 20 cm Ablagetiefe und 6<br />
Meter Arbeitsbreite am Claas Xerion auf einem abgeernteten Getreidefeld.<br />
vor den Düngerscharen zum Durchschneiden des Bodens haben einen<br />
Durchmesser von 55 cm. Bei einer Arbeitsgeschwindigkeit von<br />
8 bis 9 km/h werden 300 PS, in bergigem Gelände 400 PS Zugkraft<br />
benötigt. Das komplette Gespann mit gefülltem Fass wiegt rund 34<br />
t. Das relativ geringe Gewicht ist gut für den Boden, reicht aber nicht,<br />
um die Aggregate bei trockenen Verhältnissen in konstanter Tiefe<br />
zu führen. Dafür sorgen Hydraulikzylinder, die das Schlitzgerät mit<br />
einer zusätzlichen Kraft von 12 t auf den Acker drücken.<br />
Die Regelung der injizierten Flüssigdüngermenge erfolgt über<br />
Durchflussmesser und die entsprechende Steuerung der Ventilöffnung.<br />
Überschüssige Mengen fließen über einen Bypass zurück in<br />
den Tank. „Für die Nährstoffabdeckung reichen in aller Regel 3 t/<br />
ha. Das zeigen die durchgeführten Analysen. Wir müssen bei der Bedarfsermittlung<br />
aufpassen, dass es nicht zu einer Überversorgung<br />
mit Natrium kommt“, berichtet Schiller vom praktischen Einsatz<br />
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BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
PRAXIS / TITEL<br />
der Düngertechnologie auf jährlich rund 4.000 Hektar<br />
in Westsachsen, der Oberlausitz und Südbrandenburg.<br />
Bei einem Mix von organischem NPK-Dünger mit ASL<br />
bestimmt die schlagbezogene Stickstoff- und Phosphorbilanz<br />
das Mischungsverhältnis. „Die Ausbringmenge<br />
an Stickstoff können wir dabei auf 0,8 t/ha – gegebenenfalls<br />
auch weniger – reduzieren, bei gleichzeitiger<br />
Versorgung mit den anderen Pflanzennährstoffen. Das<br />
ist zum Beispiel auf sehr leichten Standorten hilfreich“,<br />
ergänzt Martin Kretzschmar. Der 32-jährige Landwirtschaftsmeister<br />
leitet den Standort der DST-Agrar im<br />
brandenburgischen Dahme.<br />
Auf Wunsch übernimmt das Unternehmen unmittelbar<br />
vor der Applikation eine Analyse der wichtigsten Bodenparameter.<br />
Zum Einsatz kommt dafür ein sogenannter<br />
Sensorspaten, der die Werte praktisch in Echtzeit auf<br />
dem Display anzeigt. Ebenso ist eine Kontrolle des Düngeerfolgs<br />
per Drohnenkamera möglich. Die Saison zur<br />
Einbringung des Flüssigdüngers beginnt für den Dienstleister<br />
am 1. Februar zunächst auf Grünland. Dann folgen<br />
Getreide, anschließend Mais.<br />
„Ich bekomme mehr Aufträge, als ich bewältigen kann.<br />
Lohnunternehmen, die ihren Kunden dieses bislang<br />
einmalige Düngeverfahren anbieten wollen, können<br />
sich gern bei mir melden“, sagt Schiller. Die Kulturen<br />
werden meist schräg zur Saatrille mit dem Scheibenrad-<br />
Injektionsgerät überfahren. Durch die präzise Ablage<br />
von bis zu 3.200 Liter pro Hektar ohne die Gefahr von<br />
Abdrift und Ammoniakverlust ist eine Applikation bis zu<br />
einem Meter an Gewässerrändern zulässig.<br />
Geplant ist eine Impulsdüngung<br />
Als Zwischenlager für beide Düngerkomponenten dienen<br />
witterungsbeständige Spezialsäcke des französischen<br />
Herstellers Labaronne Citaf. Die flexiblen Behälter<br />
mit einer Kapazität zwischen 100.000 und 300.000<br />
Liter befinden sich an den Firmenstandorten oder auch<br />
direkt bei den Kunden. Den Transport zwischen Lebensmittelindustrie,<br />
Lager und Einsatzort übernehmen<br />
Tankfahrzeuge mit Pumptechnik an Bord. Darüber hinaus<br />
stehen zwei – ebenfalls mit eigener Pumptechnik<br />
ausgestattete – Dreiachs-Fässer für die Pufferung am<br />
Feldrand zur Verfügung. Jedes der Scheibenrad-Injektionsgeräte<br />
muss in der Saison täglich mit 125 t Dünger,<br />
also rund fünf Lkw-Ladungen, beliefert werden.<br />
Der Firmenchef knobelt an einer weiteren Verbesserung<br />
des Verfahrens. Kürzlich gelang die Fertigstellung einer<br />
Gerätemodifikation, die eine Injektion des Flüssigdüngers<br />
bis in eine Tiefe von 20 cm ermöglicht. „Dies erfolgt<br />
dann aber nicht in stehenden Kulturen, sondern<br />
beispielsweise in die Ernterückstände vor der Neuaussaat“,<br />
erläutert der Lohnunternehmer.<br />
Damit die Pflanzenwurzeln auf ihrem Weg zum Depot<br />
weiteren Boden und damit Nährstoffe und Wasser erschließen,<br />
arbeitet er gemeinsam mit Forschenden an<br />
der TU Chemnitz an einem System zur Impulsinjektion,<br />
das den Düngerstreifen mit regelmäßigen Unterbrechungen<br />
in den Boden einbringt. „Das wäre dann eine<br />
Ablage wie bei der Cultandüngung mit Injektionsrädern,<br />
nur eben zwei Etagen tiefer und damit deutlich<br />
wirkungsvoller“, meint Schiller.<br />
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PRAXIS<br />
BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
Neue ergänzende LAI-Vollzugshinweise<br />
zum Erhalt des Formaldehydbonus<br />
veröffentlicht<br />
Die Bund-Länder Arbeitsgemeinschaft Immissionsschutz (LAI) hatte im September 2020<br />
ohne große Ankündigung eine Neufassung des LAI-Beschlusses zur Zahlung des Formaldehydbonus<br />
veröffentlicht. Dieser Beschluss bedurfte noch weiterer Konkretisierungen und<br />
Erläuterungen, um eine praktikable Umsetzung sicherzustellen. Aus diesem Grund wurden<br />
im September <strong>2021</strong> ergänzende Vollzugshinweise durch den LAI veröffentlicht.<br />
Von Dipl.-Ing. agr. (FH) Manuel Maciejzcyk<br />
Lange hat es gedauert, bis die LAI die vom<br />
Fachverband Biogas e.V. geforderten Konkretisierungen<br />
und Ergänzungen zum Beschluss<br />
vom September 2020 beschlossen und veröffentlicht<br />
hatte. Immer wieder stand der<br />
Fachverband Biogas im direkten Austausch mit der<br />
LAI und den beteiligten Behörden, um auf die zahlreichen<br />
Interpretationsfragen und -probleme hinzuweisen<br />
beziehungsweise Änderungsvorschläge in die Diskussion<br />
einzubringen. In der Biogasbranche und den<br />
für die Umsetzung zuständigen Behörden herrschte<br />
sehr große Verwirrung, wie die Vorgaben in der Praxis<br />
umzusetzen sind.<br />
Anforderungen und Umsetzungsfristen zu den Vollzugshinweisen<br />
Nr.<br />
Anforderungen für jeden Einzelmotor<br />
Motoren im<br />
Baurecht<br />
Motoren in<br />
44. BImSchV<br />
1. Logbuch gemäß VDMA 6299 5.1 01.01.22 01.01.22<br />
2.<br />
Zugangsbeschränkung Motorsteuerung gemäß<br />
VDMA 6299 5.2.1<br />
01.01.23 01.01.22<br />
3. Verplombung gemäß VDMA 6299 5.3 01.01.22 01.01.22<br />
4.<br />
5.<br />
Temperaturüberwachung Oxidationskatalysator<br />
(ggfs. auch andere Verfahren gemäß Behördenbewertung)<br />
gemäß VDMA 6299 5.4.1<br />
mindestens monatliche H 2<br />
S-Messung im Biogas<br />
gemäß VDMA 5.5<br />
01.01.23 01.01.22<br />
01.01.22 01.01.22<br />
6. NO x -Sensor gemäß VDMA 5.6 - 01.01.22<br />
Mit den jetzt veröffentlichten ergänzenden Vollzugshinweisen<br />
konnten die meisten offenen Fragen geklärt<br />
werden. So ist mit einer zeitnahen Anwendung der neuen<br />
Vorgaben durch die Behörden zu rechnen. In einigen<br />
Ländern werden gerade auch länderspezifische Erlasse<br />
vorbereitet, um die Umsetzung dieser Vorgaben verbindlich<br />
zu machen.<br />
Vollzugshinweise im Detail<br />
Da der Erhalt des Formaldehydbonus sowohl für genehmigungsbedürftige<br />
Motoranlagen [gemäß 44. Bundes-<br />
Immissionsschutzverordnung (BImSchV)] als auch für<br />
nicht genehmigungsbedürftige Motoren möglich ist,<br />
findet in den Vollzugshinweisen eine klare Unterscheidung<br />
der Anforderungen für diese beiden Anlagentypen<br />
statt (siehe Tabelle).<br />
Dokumentation im Logbuch<br />
Alle Motoren müssen spätestens ab dem 1. Januar<br />
2022 ein Logbuch gemäß den Vorgaben des VDMA-<br />
Einheitsblatts 6299 (Kapitel 5.1) führen. Um diese<br />
Vorgaben umzusetzen, hat der Fachverband eine Vorlage<br />
entwickelt (www.biogas.org). Diese Vorlage wird kontinuierlich<br />
an neue Erkenntnisse angepasst. Da diese<br />
Logbücher (können handschriftlich und/oder digital<br />
geführt werden) jetzt auch jährlich von den Messstellen<br />
gemäß Paragraf (§)29 b Bundes-Immissionsschutzgesetz<br />
(BImSchG) geprüft werden, empfehlen wir eine<br />
zeitnahe Abstimmung mit den Messstellen, um den<br />
Arbeitsaufwand für alle Beteiligten zu reduzieren.<br />
Zugangsbeschränkung der Motorsteuerung<br />
In Kapitel 5.2 des VDMA 6299 ist eine Zugangsbeschränkung<br />
der Motorsteuerung gefordert, um keine<br />
unautorisierten Änderungen von Motoreinstellungen<br />
mit gegebenenfalls Auswirkungen auf das Emissionsverhalten<br />
zuzulassen. Bei Biogas-Motoranlagen, die<br />
nicht unter den Anwendungsbereich der 44. BImSchV<br />
fallen und die aufgrund ihres Alters oder ihrer Bauart<br />
noch nicht über eine Zugangsbeschränkung der Steuerung<br />
gemäß VDMA 6299 verfügen, ist die genannte<br />
Zugangsbeschränkung spätestens bis zum 1. Januar<br />
2023 umzusetzen und die fristgerechte Umsetzung<br />
zum Zeitpunkt der Einzelmessung im Vergütungsjahr<br />
entsprechend nachzuweisen.<br />
Für Motoren im Anwendungsbereich der 44. BImSchV<br />
muss eine Zugangsbeschränkung der Motorsteuerung<br />
gemäß VDMA 6299 hingegen schon ab dem<br />
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PRAXIS<br />
BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
1. Januar 2022 nachgewiesen werden. Aus<br />
dem Nachweis zur Zugangsbeschränkung<br />
der Steuerung gemäß des VDMA 6299<br />
muss auch ersichtlich sein, dass der Einbau<br />
und die Inbetriebnahme durch eine<br />
Fachfirma erfolgt sind.<br />
Verplombung des<br />
Oxidationskatalysators<br />
Alle Motoren müssen ab spätestens dem<br />
1. Januar 2022 eine Verplombung des Oxidationskatalysators<br />
gemäß Kapitel 5.3 des<br />
VDMA 6299 nachweisen. Die Entfernung<br />
und Anbringung der Verplombung darf nur<br />
durch ein bekanntgegebenes Messinstitut<br />
oder einen Servicebefugten erfolgen. Als<br />
ein Servicebefugter gilt gemäß VDMA 6299<br />
der Anlagenhersteller (Motorenhersteller/<br />
Hersteller des Abgasnachbehandlungssystems<br />
oder dessen Beauftragte) sowie<br />
Personen, die der Anlagenhersteller nach<br />
erfolgreicher Absolvierung entsprechender<br />
fachlicher Schulungen zur Durchführung<br />
der darin geschulten Tätigkeiten zulässt.<br />
Im Vergleich dazu, lassen die LAI-Vollzugshinweise<br />
aber keine Mitarbeiter der Biogasanlage<br />
selbst zu, auch wenn sie entsprechend<br />
geschult sind.<br />
Temperaturüberwachung der<br />
Oxidationskatalysatoren<br />
Bei Motoren, die den Anforderungen der<br />
44. BImSchV unterliegen, ist gemäß § 24<br />
(6) der 44. BImSchV der Nachweis des kontinuierlichen<br />
effektiven Betriebs (=Temperaturüberwachung<br />
vor Oxidationskatalysator)<br />
des Oxidationskatalysators zu führen.<br />
Diese Anforderungen sind im Kapitel 5.4.1<br />
des VDMA 6299 ausführlich beschrieben.<br />
Dementsprechend sind die Temperaturdaten<br />
im Abgas vor dem Oxidationskatalysator<br />
kontinuierlich aufzuzeichnen, Warnungen<br />
bei Überschreitung des spezifizierten<br />
Betriebsfensters im Normalbetrieb sind<br />
anzuzeigen und im Steuerungssystem zu<br />
dokumentieren. Gegebenenfalls erforderliche<br />
Service- und Wartungsarbeiten sind<br />
innerhalb eines angemessenen Zeitraums<br />
durchzuführen (alle Anlagen) und im<br />
Logbuch zu dokumentieren. Somit ist ab<br />
dem Kalenderjahr 2022 die Feststellung,<br />
dass eine geeignete Überwachung mittels<br />
Temperaturmessung (kontinuierliche Aufzeichnung)<br />
erfolgt, Teil der Beurteilung<br />
zur Gewährung der Zusatzvergütung für die<br />
Anlagen im Anwendungsbereich der 44.<br />
BImSchV.<br />
Bei Motoren, die nicht im Anwendungsbereich<br />
der 44. BImSchV sind, ist spätestens<br />
ab dem 1. Januar 2023 die Temperaturüberwachung<br />
gemäß VDMA 6299 Teil der<br />
Beurteilung zur Gewährung der Zusatzvergütung.<br />
Die Erfüllung dieser Vorgaben soll<br />
von den Messstellen überprüft und in der<br />
Anlage zum Messbericht bestätigt werden.<br />
Monatliche H 2<br />
S-Messung<br />
im Biogas<br />
Alle Motoren müssen spätestens ab dem<br />
1. Januar 2022 eine Überwachung der<br />
maximal zulässigen H 2<br />
S-Gehalte (Vorgabe<br />
des Herstellers des Katalysators) im<br />
Biogas zum Schutz der Oxidationskatalysatoren<br />
sicherstellen. In den Vollzugshinweisen<br />
wurden diese Anforderungen jetzt<br />
weiter konkretisiert, sodass regelmäßig<br />
(mindestens monatlich) eine Messung der<br />
Biogaszusammensetzung in Bezug auf H 2<br />
S<br />
sowie eine Umrechnung auf SO 2<br />
durch den<br />
Betreiber erfolgen muss.<br />
Eine Formel zur Umrechnung ist den<br />
Vollzugshinweisen zu entnehmen. Diese<br />
Ergebnisse müssen zusammen mit den<br />
festgestellten Methangehalten (CH 4<br />
) im<br />
Logbuch dokumentiert werden. Bei Überschreitungen<br />
der Herstellergrenzwerte<br />
(H 2<br />
S) sind unverzüglich weitergehende<br />
Maßnahmen (Optimierung der Entschwefelung)<br />
zur Sicherstellung der Grenzwerte<br />
einzuleiten und im Logbuch zu dokumentieren.<br />
Die bekanntgegebenen Messinstitute<br />
werden das jährlich prüfen.<br />
NO x<br />
-Überwachung im Abgas<br />
Nur für Motoren im Anwendungsbereich<br />
der 44. BImSchV ist ab dem Kalenderjahr<br />
2022 eine Überwachung der dauerhaften<br />
Einhaltung der Emissionsgrenzwerte für<br />
NO x mit NO x -Sensoren entsprechend den<br />
Vorgaben des Kapitels 5.6 des VDMA 6299<br />
sicherzustellen. Die Erfüllung der Vorgaben<br />
soll von den Messstellen überprüft<br />
werden und ist als Nachweis gemäß Nr. 6<br />
der Vollzugshinweise zusammen mit dem<br />
LAI-Messbericht vorzulegen.<br />
Die Auswertung der NO x -Sensorsignale<br />
umfasst unter anderem die Dokumentation<br />
der Alarmmeldungen und die Darstellung<br />
aller Tagesmittelwerte bis zum Zeitpunkt<br />
der jährlichen Emissionsmessung für den<br />
zurückliegenden (rollierenden) Betrachtungszeitraum.<br />
Die dauerhafte Einhaltung<br />
des NO x -Grenzwertes kann festgestellt werden,<br />
wenn anhand der vorliegenden Auswertung<br />
der Tagesmittelwerte innerhalb<br />
des Betrachtungszeitraums der Nachweis<br />
erbracht wird, dass die Summe der Anzahl<br />
an Überschreitungen (der Alarmschwelle)<br />
und an fehlenden Tagesmittelwerten (ausgenommen<br />
erforderliche Wartungen und<br />
Reparaturen insbesondere aufgrund von<br />
Sensordefekten; wobei Sensordefekte unverzüglich<br />
zu beheben sind) der Wert von 5<br />
Prozent der jährlichen Betriebstage nicht<br />
überschritten wird.<br />
Bei einer höheren Anzahl von Überschreitungen<br />
innerhalb des Betrachtungszeitraums<br />
ist die Bescheinigung für die Gewährung<br />
der Zusatzvergütung in der Regel<br />
nicht auszustellen. Das entspricht bei einem<br />
beispielhaften Dauerbetrieb an 365<br />
Tagen einer maximalen Überschreitung<br />
von 18,25 Tagesmittelwerten.<br />
Aufgrund von Lieferproblemen bei Halbleitern<br />
verzögert sich bei einigen NO x -Sensor-Anbietern<br />
die Ausrüstung von Motoranlagen<br />
bis ins vierte Quartal 2022. Von<br />
einigen Behördenvertretern wurde zwar<br />
schon eine gewisse Kulanz in begründeten<br />
Fällen zugesichert, wie weit diese aber ausgedehnt<br />
wird, bleibt abzuwarten.<br />
Zusammenfassung und Ausblick<br />
Die jetzt veröffentlichten ergänzenden<br />
Vollzugshinweise schaffen mehr Klarheit,<br />
werden aber sicherlich zu neuen Fragen<br />
und Umsetzungsproblemen führen. Insbesondere<br />
die jetzt massiv erweiterten<br />
Aufgaben an die Messstellen werden in<br />
jedem Fall zu Diskussionen führen. Der<br />
Fachverband Biogas wird die Umsetzung<br />
weiterhin intensiv begleiten und bei Bedarf<br />
eingreifen.<br />
Autor<br />
Dipl.-Ing. agr. (FH) Manuel Maciejczyk<br />
Geschäftsführer<br />
Fachverband Biogas e.V.<br />
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78
BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
PRAXIS<br />
79
PRAXIS<br />
BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
BIOMETHAN-SÜDAUSSCHREIBUNG<br />
Restriktiv und doch<br />
attraktiv?<br />
Vor der ersten Biomethan-Ausschreibung am 1. Dezember<br />
<strong>2021</strong> steigt die Spannung: Sind die Perspektiven so<br />
lohnend, dass das neue Ausschreibungs-Segment auch angenommen<br />
wird? Die Vorgaben sind streng: Statt wie bisher<br />
hocheffizient müssen die BHKW hochflexibel sein. Statt<br />
wärme- sollen sie stromorientiert betrieben werden. Ab<br />
nächstem Jahr dürfen nur noch Anlagen aus der „Südregion“<br />
mitmachen. Biomethan-Experten beurteilen die Lage.<br />
Von Christian Dany<br />
Wir verspüren ein großes Interesse an Biomethan nach dem<br />
EEG <strong>2021</strong>“, sagt Julian Diederich vom Biomethan-Handelsunternehmen<br />
bmp greengas GmbH. Diederich verantwortet<br />
den Vertrieb in der Süd-West-Region Deutschlands.<br />
Auffallend sei, dass viele Anfragen für Blockheizkraftwerke<br />
(BHKW) jenseits der 2-Megawatt (MW)-Größe kämen, während sonst<br />
meist kleinere Leistungsgrößen gefragt seien. Zweifellos hänge das gestiegene<br />
Interesse mit der neu eingeführten Ausschreibung für hochflexible<br />
Biomethan-BHKW zusammen.<br />
In diesem separaten Segment wird zum Gebotstermin 1. Dezember <strong>2021</strong><br />
ein Volumen von 150 MW elektrische Leistung ausgeschrieben. Nächstes<br />
Jahr wechselt der Termin dann auf den 1. Oktober. Darüber hinaus werden<br />
die Bieter ab 2022 auf die „Südregion“ gemäß Anlage 5 des EEG <strong>2021</strong><br />
beschränkt. Für Diederich ist die „einmalige Chance“ für den Norden ein<br />
weiterer Grund für das zuletzt hohe Beratungsaufkommen.<br />
Die Südregion umfasst das ganze Baden-Württemberg und das Saarland,<br />
Bayern bis auf einige Landkreise im äußersten Norden sowie einige Landkreise<br />
in Hessen und Rheinland-Pfalz (siehe Karte). Mit den Biomethan-<br />
Ausschreibungen, aber auch mit der „Südquote“ in den „normalen“ Biomasse-Ausschreibungen,<br />
sollen gemäß Begründung zum EEG die flexible<br />
Stromerzeugung in Süddeutschland gefördert und Netzengpässe zwischen<br />
Nord- und Süddeutschland reduziert werden.<br />
Biomethan von Nord nach Süd<br />
Damit adressiert der Gesetzgeber das strukturelle Problem der hohen Erzeugung<br />
erneuerbaren Stroms im Norden und des verbrauchsstarken Südens<br />
(siehe Infokasten). Während die Anlagenstandorte für die Biomethan-<br />
Ausschreibungen künftig im Süden liegen müssen, kann das Biomethan<br />
auch im Norden erzeugt und ins Gasnetz eingespeist werden. Kurz gesagt:<br />
Anstatt Strom soll lieber Gas von Nord nach Süd fließen.<br />
Davon abgesehen bringen die Biomethan-Ausschreibungen einige attraktive,<br />
aber auch restriktive Regelungen: „Bislang konnten Biomethan-BHKW<br />
an den Biomasse-Ausschreibungen teilnehmen, was aber kaum jemand<br />
gemacht hat“, lässt Diederich einblicken. Der Höchstgebotswert für Neuanlagen<br />
habe im Vorjahr bei 14,44 Cent pro Kilowattstunde (kWh) gelegen.<br />
Mit der Obergrenze von 19 Cent bringe die Biomethan-Ausschreibung nun<br />
Abbildung 1: Südliche Landkreise (dunkle Färbung),<br />
die ab 2022 nur noch an der „Biomethan-Südausschreibung“<br />
teilnehmen dürfen<br />
Ab in den Süden!<br />
Die Liebe der Energiepolitik zum Süden Deutschlands hat in den<br />
letzten Monaten seltsame Formen angenommen: Südregion,<br />
Südquote und Südbonus. So viel Süden verlangt Aufklärung!<br />
Dem bundesdeutschen Strukturproblem der hohen Erzeugung<br />
erneuerbaren Stroms im Norden und des verbrauchsstarken<br />
Südens wollte der Bundestag erst mit einer Süd-Förderung im<br />
Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz (KWKG) begegnen: Im Rahmen<br />
des Gesetzeswerkes zum Kohleausstieg Mitte letzten Jahres<br />
wurde ein „Südbonus“ eingeführt, mit dem neue KWK-Anlagen<br />
südlich der Mainlinie einen einmaligen Zuschuss von 60 Euro/<br />
kW el<br />
erhielten. Nur viereinhalb Monate nach ihrem Inkrafttreten<br />
wurde diese Regelung zum 31. Dezember 2020 ersatzlos und<br />
ohne Übergangsregelung wieder gestrichen.<br />
Wohl um den Klimaschutz wirklich voranzutreiben, kam der Gesetzgeber<br />
stattdessen auf die Idee, die gesicherte und flexible<br />
Stromerzeugung im Süden lieber mit erneuerbaren Energien –<br />
also Bioenergie – zu fördern: Er erfand die Südregion und die<br />
Südquote. In den herkömmlichen Biomasse-Ausschreibungen<br />
werden ab 2022 die Gebote aus der Südregion separiert: 50 Prozent<br />
des Ausschreibungsvolumens je Gebotstermin (= Südquote)<br />
muss an Teilnehmer aus dem Süden vergeben werden.<br />
„Die regionale Verteilung von Biomasseanlagen zwischen Nordund<br />
Süddeutschland entspricht heute rund 60:40, so dass die<br />
Quote für die künftigen Ausschreibungen in Höhe von 50 Prozent<br />
bei ausreichend Wettbewerb auch eine Wirkung entfalten<br />
kann“, lautet die Begründung im EEG. Die <strong>2021</strong> eingeführten<br />
Biomethan-Ausschreibungen sind ab 2022 ausschließlich für die<br />
Südregion reserviert. Auch die Ausschreibungen für Windenergie<br />
bekommen eine Südquote: allerdings nur 15 Prozent ab nächstem<br />
Jahr und 20 Prozent ab 2024.<br />
Quelle: Energieagentur NRW<br />
80
BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
PRAXIS<br />
Julian Diederich vom Biomethan-Handelsunter<br />
nehmen bmp greengas GmbH.<br />
eine attraktive Steigerung. Allerdings beschränkt<br />
§39m im EEG <strong>2021</strong> die Bemessungsleistung<br />
auf nur 15 Prozent der installierten<br />
Leistung. Daraus folgen maximal<br />
1.314 Volllaststunden im Jahr (8.760 h x<br />
0,15 = 1.314 Stunden).<br />
Bezuschlagte Biomethananlagen erhalten<br />
neben der Einspeisevergütung auch 20<br />
Jahre lang den Flexibilitätszuschlag. Dass<br />
dieser jetzt von 40 auf 65 Euro angehoben<br />
wurde, sieht Diederich als weiteres großes<br />
Plus. Bedingung für den Flexzuschlag sei,<br />
dass die Biomethan-Anlage 2.000 Viertelstunden<br />
im Jahr mit mindestens 85<br />
Prozent der installierten Leistung laufen<br />
müsse. Damit solle verhindert werden, die<br />
Anlage ausschließlich für wenige Regelenergieabrufe<br />
einzusetzen. Als wirtschaftlichen<br />
Nachteil der hohen Überbauung<br />
führt der Biomethan-Experte neben hohen<br />
Investitionskosten den relativ hohen<br />
Leistungspreis für den Gasanschluss an,<br />
da einem hohen Leistungsbezug nur eine<br />
geringe entnommene Gasmenge gegenüberstehe.<br />
Bestehende Erdgas-BHKW auf<br />
Biomethan umstellen<br />
Hohe Investkosten ergeben sich aber nicht<br />
zwangsläufig, denn das EEG setzt für die<br />
Ausschreibung keine Neuanlagen voraus:<br />
Bedingung ist lediglich, dass die Anlage<br />
vorher noch nicht über das EEG gefördert<br />
wurde; was bedeutet, dass auch bestehende<br />
Erdgas-BHKW auf Biomethan umgestellt<br />
werden können. Für Industriebetriebe,<br />
Wärme- und Energieversorger ist die<br />
Biomethanausschreibung also eine Möglichkeit,<br />
eine zweite Förderperiode für ihre<br />
nach dem Kraft-Wärme-Kopplungs-Gesetz<br />
(KWKG) geförderten BHKW zu bekommen.<br />
Für die Einbindung der hochflexiblen<br />
Biomethan-BHKW in Wärmeversorgungssysteme<br />
sind jedoch neue Konzepte nötig.<br />
„Durch die Spitzenlast-Substitution eines<br />
bestehenden Gaskessels kann ein Biomethan-BHKW<br />
gleich doppelt punkten“,<br />
schildert Alexander Denis, „es deckt den<br />
Energiebedarf effizient und umweltschonend<br />
ab und kann gleichzeitig Spitzenlasten<br />
auf der Wärmeseite wirtschaft<br />
wir bringen<br />
alles wieder<br />
ins reine.<br />
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der aktivkohle.<br />
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es, die aktivkohle nahezu<br />
staub- und schmutzfrei<br />
aus- und einzubauen.<br />
EEG <strong>2021</strong> Ausschreibungsvarianten<br />
Neuanlagen<br />
Ausschreibung<br />
Folgeförderung<br />
Bestandsanlagen<br />
Hochflexible Anlagen<br />
Süddeutschland<br />
max. anzulegender Wert in <strong>2021</strong><br />
in ct/ kWh Strom (Vergütung<br />
EEG im Ausschreibungsmodell)<br />
Anlagen bis 500 kW <strong>2021</strong> bis<br />
2025 zusätzlich<br />
16,40 18,40 19,00<br />
0,5 ct/ KWh 0,5 ct/ kWh<br />
Degression/ Jahr ab 2022 1 % 1 % 1 %<br />
max. Vollbenutzungsstunden 3942 3942 1314<br />
Quelle: bmp greengas<br />
Flexibilitätszuschlag pro KW<br />
inst. / Jahr<br />
Anforderungen an Flex<br />
Einsatzstoffe Maisdeckel<br />
ab <strong>2021</strong><br />
65,00 € 65,00 € 65,00 €<br />
4.000 Viertelstunden<br />
mit mindestens 85 % der<br />
Leistung<br />
4.000 Viertelstunden mit mind.<br />
85 % der Leistung. Anlage<br />
darf noch keine Flexprämie im<br />
alten EEg erhalten haben<br />
2.000 Viertelstunden<br />
mit mindestens 85 % der<br />
Leistung<br />
Biomasse max. Anteil an 40 % Biomasse max. Anteil an 40 % Biomasse max. Anteil an 40 %<br />
Ausschreibungstermine 01.03.<strong>2021</strong>/ 01. September 01.03.<strong>2021</strong>/ 01. September 01. Dez. <strong>2021</strong>, 01. Okt ab 2022<br />
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81
PRAXIS<br />
BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
lich auffangen.“ Zu bedenken<br />
sei, dass diese Spitzenlastabdeckung<br />
nur in den kalten<br />
Winterwochen gebraucht werde.<br />
Damit sei die Fahrweise –<br />
strom- oder wärmeorientiert –<br />
stark abhängig von der geplanten<br />
Anlagenintegration. Denis<br />
arbeitet im Vertrieb der Energas<br />
BHKW GmbH. Das Unternehmen<br />
aus Ravensburg projektiert,<br />
errichtet und betreut<br />
seit 15 Jahren BHKW-Anlagen<br />
in Süddeutschland und ist seit<br />
2020 ein Tochterunternehmen<br />
von INNIO*Jenbacher.<br />
Denis berichtet von einer „Anfangseuphorie“ um Biomethan<br />
im EEG <strong>2021</strong>, die dann nach der Beschäftigung<br />
mit einzelnen Projektideen aber wieder abgeflaut sei.<br />
Die Vorgabe, dass die Bieter drei Wochen vor Gebotstermin<br />
schon eine Genehmigung der Anlage vorlegen<br />
müssen, sei angesichts der kurzen Planungszeit seit<br />
Jahresanfang einer der Gründe für das Abflauen. Ende<br />
Juni habe der Bundestag dann beschlossen, dass für die<br />
erste Ausschreibung am 1. Dezember <strong>2021</strong> noch keine<br />
Genehmigung vorliegen muss.<br />
Zu Denis‘ Erstaunen kamen mehr Anfragen von mit dem<br />
EEG vertrauten Biogaserzeugern als von Stadtwerken.<br />
„Bei Stadtwerken muss erst die Finanzierung geklärt<br />
und dann oft ein Planungsbüro eingeschaltet werden.<br />
Das geht nicht so schnell“, wirft sein Kollege Berthold<br />
Keßler ein. Er meint, dass die Umstellung eines bestehenden<br />
Erdgas-BHKW von Dauerbetrieb auf maximal<br />
1.314 Volllaststunden mit Biomethan nicht so einfach<br />
sei, denn es fehle über weite Zeiträume die Wärmeerzeugung.<br />
Zurückliegende Monate<br />
ermöglichten Zugewinne<br />
in der Direktvermarktung<br />
„Durch die gestiegenen Börsenstrompreise<br />
waren mit dem<br />
richtigen Direktvermarkter in<br />
den vergangenen Monaten<br />
hohe Zugewinne möglich“,<br />
sagt Keßler. Auch wenn er die<br />
weitere Preisentwicklung nicht<br />
voraussehen könne, halte er<br />
das Konzept, ein BHKW mit<br />
Alexander Denis vom Ravensburger<br />
passendem Wärmekonzept abhängig<br />
vom Strommarkt zu be<br />
Unternehmen Energas BHKW GmbH.<br />
treiben, für zukunftsfähig.<br />
Julian Diederich bezeichnet<br />
es als „stromorientierte Fahrweise bei gesicherter Wärmeabnahme“:<br />
„Ein Wärmenetz, das erweitert werden<br />
soll; wo bereits ein Pufferspeicher da ist und nach einer<br />
zusätzlichen Wärmequelle gesucht wird, ist der ideale<br />
Einsatzfall für ein hochflexibles Biomethan-BHKW.“<br />
Prinzipiell sei es volkswirtschaftlich sinnvoll, den Strom<br />
dann zu produzieren, wenn er auch gebraucht werde.<br />
Skeptisch bezüglich der Vorgaben in der Ausschreibung<br />
ist Rechtsanwalt Dr. Helmut Loibl: „Der Gesetzgeber<br />
zwingt Biomethananlagen zu Stillstandszeiten von<br />
mindestens 85 Prozent, unabhängig vom tatsächlichen<br />
Bedarf vor Ort und im Netz. Das finde ich nicht sinnvoll“,<br />
kritisiert der auf das Recht Erneuerbarer Energien<br />
spezialisierte Anwalt. Er hätte es besser gefunden, den<br />
Gasaufbereitungsbonus wieder einzuführen, um so das<br />
Biogaspotenzial für den Biomethanmarkt zugänglich zu<br />
machen.<br />
Loibl weist darauf hin, dass für die Biomethanausschreibung<br />
keine zwingende Wärmenutzung erforderlich<br />
sei; nicht mal ein Nachweis einer „hocheffizienten<br />
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82
BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
PRAXIS<br />
„Nicht die stromgeführte, sondern<br />
die wärmegeführte Fahrweise wird<br />
sich durchsetzen“<br />
Dr. Helmut Loibl<br />
Dr. Helmut Loibl, Rechtsanwalt in der Kanzlei<br />
Paluka Rechtsanwälte Loibl Specht PartmbB<br />
in Regensburg.<br />
KWK-Anlage“, wie das jetzt sogar für „normale“ Biogasanlagen<br />
in der Ausschreibung eingeführt worden<br />
sei. Er ist sich aber sicher – genauso wie die befragten<br />
Marktakteure –, dass die hochflexiblen Biomethan-<br />
BHKW nur in ausreichend großen Wärmesenken eingesetzt<br />
werden. Gleichwohl erkennt der Regensburger in<br />
der Stromorientierung der Ausschreibungsregeln „die<br />
Handschrift der Energieversorger“. „Nicht die stromgeführte,<br />
sondern die wärmegeführte Fahrweise wird sich<br />
durchsetzen“, glaubt Loibl. Um dies zu untermauern,<br />
schildert er ein fiktives Beispiel: Eine Wärmesenke mit<br />
Grundlastbedarf werde über das Satelliten-BHKW (300<br />
kW el<br />
) einer Biogasanlage abgefahren. In der Spitze werde<br />
im Winter über sechs Wochen eine Leistung von 450<br />
kW el<br />
benötigt. Ein 500-kW el<br />
-Biomethan-BHKW könne<br />
in diesen sechs Wochen die komplette Wärme liefern.<br />
Inklusive des Flexzuschlags könne das Biomethan-<br />
BHKW hier eine Vergütung von über 24 Cent pro kWh<br />
erhalten. Hinzu kämen die Wärmeeinnahmen und: Die<br />
Flexprämie für das Satelliten-BHKW steige, weil es<br />
letztlich über eine Million kWh weniger produziere.<br />
Um unter den 1.314 Volllaststunden zu bleiben, ist es<br />
natürlich auch möglich, das BHKW von November bis<br />
März bis zu achteinhalb Stunden täglich oder das ganze<br />
Jahr über an 3,6 Stunden pro Tag zu betreiben.<br />
Loibl hat errechnet, dass ein 500-kW el<br />
-Biomethan-<br />
BHKW mit maximal 75 kW Bemessungsleistung (15 %<br />
von 500 kW) bei einem Zuschlag mit dem Höchstwert<br />
von 19 Cent/kWh inklusive Flexzuschlag im Durchschnitt<br />
23,95 Cent/kWh erhalten kann. Nach wie vor<br />
sei aber auch eine Teilnahme an der normalen Biomasseausschreibung<br />
möglich: Zu beachten sei, dass die<br />
Bemessungsleistung hier auf 45 % begrenzt und der<br />
Flexzuschlag an eine Mindestlaufzeit von 4.000 Viertelstunden<br />
mit 85 Prozent der installierten Leistung<br />
gekoppelt sei.<br />
Ein Zuckerl sei hier der Kleinanlagen-Bonus für bezuschlagte<br />
Anlagen unter 500 kW inst.<br />
: Sie bekommen 0,5<br />
Cent/kWh zum Gebotswert obendrauf. Ein 500er-Biomethan-BHKW<br />
mit 225 kW Bem.<br />
bei 16,40 Cent Maximalgebot<br />
könne so im Schnitt 18,55 Cent/kWh erlösen.<br />
„Biogasanlagen und Biomethan-BHKW über 150 kW<br />
müssen zwingend an einem Ausschreibungsverfahren<br />
teilnehmen“, weist der Fachanwalt hin. Für kleinere<br />
Anlagen bleibe die EEG-Festvergütung von nur 12,8<br />
Cent/kWh.<br />
83
PRAXIS<br />
BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
Abbildung 2: Durchschnittliche Einkaufspreise für Biomethan <strong>2021</strong>, lang<br />
Abbildung 3: Durchschnittliche Einkaufspreise Biomethan <strong>2021</strong>, Spot<br />
Quelle: dena<br />
Klagen und Zweifel bei Verbänden<br />
Kritik an den neuen Ausschreibungsregeln übt auch<br />
Sandra Rostek, Leiterin des Bioenergie-Hauptstadtbüros.<br />
„Wir begrüßen die Biomethanausschreibungen<br />
zwar grundsätzlich, halten allerdings die Rahmenbedingungen<br />
für zu restriktiv. 2.500 Jahres-Volllaststunden<br />
wären angemessen. Außerdem werden hochflexible<br />
regenerative BHKW unserer Ansicht nach auch im<br />
Norden benötigt. Die Begrenzung auf Süd-BHKW ab<br />
2022 macht daher keinen Sinn.“<br />
Auch der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft<br />
BDEW bewertet die Anpassungen bei den<br />
Biomasse- und die Biomethan-Ausschreibungen zwar<br />
positiv, bezweifelt aber, ob damit ein wirtschaftlicher<br />
Anlagenbetrieb im gewünschten Umfang sichergestellt<br />
werden kann. Daher werde eine regelmäßige Evaluierung<br />
aller Biomasse-Rahmenbedingungen gefordert,<br />
um bei weiterhin unterzeichneten Ausschreibungen<br />
zeitnah reagieren zu können. Der Verband kommunaler<br />
Unternehmen VKU wollte ohne vorherige Umfrage<br />
unter Mitgliedsunternehmen keine Stellungnahme abgeben.<br />
„Wir sind gespannt“, äußern sich die Befragten<br />
fast unisono im Hinblick auf den bevorstehenden<br />
Termin am 1. Dezember. Keiner traut sich eine Einschätzung<br />
zu, wie stark die Ausschreibung nachgefragt<br />
werden wird. Julian Diederich wagt lediglich<br />
eine Teilprognose: „Ich vermute, dass<br />
viele Bieter ans Maximum gehen werden.“<br />
Die Nachfrage nach Biomethan sei derzeit<br />
konstant hoch in allen Bereichen.<br />
Autor<br />
Christian Dany<br />
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LNG wird Biomethan-Nachfrage<br />
verstärken<br />
Ein neuer Sektor seien Industriebetriebe,<br />
die Biomethan im Produktionsprozess einsetzen<br />
wollen, um ihren CO 2<br />
-Fußabdruck<br />
zu reduzieren. Im Kraftstoff-Bereich habe<br />
die Nachfrage deutlich angezogen und:<br />
„Wenn die LNG-Verflüssigungsanlagen<br />
kommen, wird sich das noch verstärken“.<br />
Änderungen der Rahmenbedingungen hätten<br />
bewirkt, dass das Preisniveau von Gülle-<br />
und Abfall-Biomethan das von NawaRo-<br />
Gas bereits überholt habe (siehe hierzu<br />
Grafiken der dena).<br />
In den vergangenen Jahren haben die Preise<br />
für NawaRo-Biomethan aufgrund der<br />
fehlenden Impulse aus dem EEG spürbar<br />
nachgegeben. Kurz- bis mittelfristig könnte<br />
eine steigende Nachfrage aus den Biomethanausschreibungen<br />
und dem Kraftstoff-Sektor<br />
das Biomethan-Preisniveau<br />
insgesamt ansteigen lassen. Ab Mitte der<br />
20er Jahre werden dann allerdings Biomethan-Mengen<br />
frei aus den ersten Anlagen,<br />
die aus der EEG-Vergütung fallen.<br />
„In den nächsten Jahren wird mehr Biomethan<br />
eingesetzt, um die CO 2<br />
-Emissionen<br />
in Fernwärmenetzen zu senken“, ist sich<br />
Alexander Denis sicher. Für Wärmenetze<br />
sei der Primärenergiefaktor individuell berechenbar.<br />
Mit Biomethan könne der Faktor<br />
in der bestehenden Infrastruktur substanziell<br />
gesenkt werden.<br />
christian.dany@web.de<br />
84
BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
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85
PRAXIS<br />
BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
Branchenzahlen 2020 und Prognose <strong>2021</strong><br />
Biogas wird immer flexibler<br />
Bei der diesjährigen Erhebung der Branchenzahlen für das Jahr 2020 und der Prognose<br />
für <strong>2021</strong> zeigte sich eine weitere Flexibilisierung bei den Bestandsanlagen sowie eine<br />
zunehmende Stagnation beim Neuanlagenbau.<br />
Von Dipl.-Ing. agr. (FH) Manuel Maciejczyk<br />
Die Erwartungen, die Branchenzahlenberechnung<br />
verstärkt auf Basis des Marktstammdatenregisters<br />
durchzuführen, wurden<br />
leider auch in diesem Jahr erheblich<br />
gedämpft, da einerseits die im Register<br />
hinterlegten Anlagendaten entweder häufig noch fehlerhaft<br />
sind (zum Beispiel Zahl der Stilllegungen) und<br />
andererseits nur schlecht auswertbar (Unterscheidung<br />
Biogaserzeugungsanlage und Biogasverwertungsanlage<br />
nicht eindeutig möglich) sind.<br />
Nach umfangreichen Auswertungen für das Jahr<br />
2020 ergeben sich folgende Veränderungen im Bestand:<br />
Die Anzahl der Biogasanlagen ist im vergangenen<br />
Jahr um 97 Anlagen auf 9.632 gestiegen<br />
(siehe Abbildung 1). Angemerkt werden muss hierzu<br />
aber, dass keine gesicherten Daten im Marktstammdatenregister<br />
zu den Stilllegungen im Bestand vorliegen,<br />
weshalb hier höchstwahrscheinlich mit eher<br />
noch höheren Stilllegungszahlen zu rechnen ist.<br />
Niedersachsen führt installierte Leistung an<br />
Wie in Abbildung 2 ersichtlich, erhöhte sich die installierte<br />
Leistung um 376 Megawatt (MW) auf 5.666 MW<br />
wobei davon zwei Drittel (3.793 MW) arbeitsrelevant<br />
und nicht überbaut sind. den wesentlicher Anteil des<br />
Leistungszubaus stellt somit die weitere Flexibilisierung<br />
bestehender Biogasanlagen dar. Die Verteilung<br />
der Biogasanlagen in den Ländern hat sich nicht<br />
Abbildung 1: Nettozubau neuer Biogasanlagen in Deutschland, 2009 bis <strong>2021</strong> (Neuanlagen abzüglich Stilllegungen)<br />
1.800<br />
1.600<br />
1.526<br />
1.400<br />
1.314<br />
Anlagenzubau pro Jahr<br />
1.200<br />
1.000<br />
800<br />
600<br />
400<br />
1.107<br />
454<br />
357<br />
200<br />
97<br />
150<br />
195<br />
122 113 91 97 60<br />
0<br />
© Fachverband Biogas e.V.<br />
Jahre<br />
86
BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
PRAXIS<br />
Abbildung 2: Leistungszubau durch Biogasanlagen in Deutschland<br />
Anlagenzahl<br />
10.000<br />
9.500<br />
9.000<br />
8.500<br />
8.000<br />
7.500<br />
7.838<br />
Anzahl Biogasanlagen<br />
installierte elektrische Leistung inkl. Überbauung [MW]<br />
arbeitsrelevante elektr. Leistung [MW]<br />
8.292<br />
8.649<br />
3.637<br />
8.746<br />
3.905<br />
9.014<br />
4.018<br />
9.209<br />
4.237<br />
9.331<br />
4.550<br />
9.444<br />
4.953<br />
9.535<br />
5.288<br />
9.632<br />
5.666<br />
9.692<br />
5.787<br />
3.723 3.755 3.769 3.800 3.794 3.793 3.793<br />
3.352<br />
3.604<br />
3.720<br />
3.097<br />
7.000<br />
2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 Prognose<br />
<strong>2021</strong><br />
© Fachverband Biogas e.V.<br />
Jahre<br />
8.000<br />
7.500<br />
7.000<br />
6.500<br />
6.000<br />
5.500<br />
5.000<br />
4.500<br />
4.000<br />
3.500<br />
3.000<br />
elektr. Leistung<br />
Branchenzahlen im Überblick<br />
Anlagenzahl<br />
(davon Biomethan-Einspeiseanlagen)<br />
2020*<br />
9.632 (235)<br />
in MW pro Jahr (ohne Stilllegung) 10<br />
Prognose <strong>2021</strong>**<br />
9.692 (241)<br />
9<br />
Zubau el. Leistung durch Überbauung<br />
in MW pro Jahr (ohne Stilllegung)<br />
381<br />
124<br />
installierte elektr. Leistung in MW<br />
(inkl. der Stromeinspeisung durch Biomethan und Stilllegung) 5.666<br />
Brutto-Stromproduktion inTWh pro Jahr<br />
(ohne Überbauung)<br />
extern genutzte Wärmemenge in TWh pro Jahr 12,79<br />
theoretisch versorgte Haushalte mit der extern<br />
verfügbaren Biogaswärme in Mio.<br />
CO 2 -Einsparung durch Biogas<br />
in Mio. Tonnen<br />
33,23<br />
mit Biogas-Strom versorgte Haushalte in Mio. 9,49<br />
1,09<br />
20,1<br />
Umsatzvolumen in D in Mrd. Euro 9,7<br />
Arbeitsplätze 46.000<br />
5.787<br />
33,23<br />
9,49<br />
12,79<br />
1,09<br />
20,1<br />
9,0<br />
46.000<br />
© Fachverband Biogas e.V.<br />
* eigene Hochrechnung auf Basis von Daten der Länderbehörden /Marktstammdatenregister<br />
** auf Basis einer Expertenbefragung / Hochrechnung Marktstammdatenregister<br />
87
PRAXIS<br />
BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
Abbildung 3: Anzahl Biogasanlagen in den Ländern 2020 Abbildung 4: Installierte elektrische Leistung in den Ländern 2020<br />
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BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
PRAXIS<br />
wesentlich geändert. Nach wie vor stehen die meisten<br />
Biogasanlagen in Bayern mit 2.588 Anlagen gefolgt<br />
von Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen (siehe<br />
Abbildung 3). Bei der Leistung führt Niedersachsen<br />
das Ranking an mit 1.426 MW gefolgt von Bayern und<br />
Baden-Württemberg (siehe Abbildung 4).<br />
Die produzierte Brutto-Strommenge betrug in 2020<br />
33,23 Terawattstunden (TWh) und kann somit theoretisch<br />
9,49 Millionen Haushalte mit Strom beliefern.<br />
Die bereits außerhalb der Biogasanlagen genutzte Wärme<br />
kann umgerechnet 1,1 Millionen Haushalte mit<br />
Wärme versorgen. Insgesamt konnten somit 20 Millionen<br />
Tonnen CO 2<br />
eingespart und 46.000 Arbeitsplätze<br />
vornehmlich im ländlichen Raum gesichert werden<br />
(siehe Tabelle).<br />
Prognose <strong>2021</strong><br />
Verhaltener ist die Prognose für das laufende Jahr<br />
<strong>2021</strong>. Neben einer weiter sinkenden Zahl an neuen<br />
Biogasanlagen mit einem Nettozubau von 60 Anlagen<br />
wird höchstwahrscheinlich auch die Flexibilisierung im<br />
Anlagenbestand an Fahrt verlieren und nur bei rund<br />
124 MW liegen. Nach den Schätzungen des Fachverbandes<br />
Biogas werden somit Ende <strong>2021</strong> etwa 9.692<br />
Anlagen mit einer installierten Leistung von 5.787<br />
MW in Betrieb sein. Da sich kaum Veränderungen bei<br />
der arbeitsrelevanten Leistung ergeben werden, sind<br />
keine signifikanten Veränderungen bei der produzierten<br />
Strommenge (33,23 TWh), den vermiedenen CO 2<br />
-<br />
Emissionen (20,1 Mio. Tonnen) und den Arbeitsplätzen<br />
(46.000) zu erwarten. Die zunehmende Zurückhaltung<br />
bei der Flexibilisierung und dem Neuanlagenbau hat<br />
hauptsächlich zwei Ursachen. Einerseits fehlen in dem<br />
aktuell geltenden EEG angemessene Vergütungsmodelle,<br />
die auch den reellen gestiegenen Kosten der Anlagen<br />
gerecht werden, und andererseits sorgen die kaum<br />
mehr überschaubaren rechtlichen Anforderungen und<br />
Vorgaben für zunehmenden Frust bei den Anlagenbetreibern.<br />
Zur Aufhellung der Investitionsbereitschaft<br />
könnten aber die aktuellen Energiepreisentwicklungen<br />
sorgen, die insbesondere die Flexibilisierung der Biogasanlagen<br />
wieder interessanter machen.<br />
Autor<br />
Dipl.-Ing. agr. (FH) Manuel Maciejczyk<br />
Geschäftsführer<br />
Fachverband Biogas e.V.<br />
Angerbrunnenstr. 12 · 85356 Freising<br />
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PRAXIS<br />
BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
Von der Investruine<br />
zum Vorzeigeprojekt<br />
Friedrich Nollau,<br />
Balance Erneuerbare<br />
Energien GmbH,<br />
kaufmännischer<br />
Geschäftsführer.<br />
Wie kaum ein anderes Vorhaben verkörpert<br />
die Biogasanlage in Gordemitz die<br />
zurückliegende Krise und zugleich das<br />
wieder erwachte Selbstbewusstsein der<br />
Biogasbranche.<br />
Von Dipl.-Journ. Wolfgang Rudolph<br />
Allein auf sein Navi sollte man sich bei der<br />
Fahrt zur Biogasanlage im nordsächsischen<br />
Gordemitz nicht verlassen. Ebenso<br />
wenig auf das Satellitenbild von Kartenanbietern<br />
im Internet, das eine verwaiste<br />
Baustelle mit unvollendeten Rohbauten zeigt. Befolgt<br />
man jedoch den Hinweis und biegt gleich hinter dem<br />
Sportflugplatz „Schwarzer Berg“ ab, taucht wenig später<br />
in einer Senke der imposante Komplex mit den fünf<br />
kuppelförmig überdachten Großbehältern<br />
und der silbern glänzenden<br />
Gasaufbereitungsanlage auf. Seit<br />
dem Frühjahr strömen hier stündlich<br />
bis zu 700 Normkubikmeter<br />
(Nm³) Biomethan ins Erdgasnetz.<br />
Das reicht für die Versorgung von<br />
etwa 4.000 Haushalten.<br />
Die Geschichte der Biogasanlage<br />
Gordemitz beginnt mit dem ersten<br />
Spatenstich im Herbst 2013.<br />
Bauherr ist das Unternehmen agri.<br />
capital, damals der nach eigenen<br />
Angaben „größte Biogaserzeuger<br />
Deutschlands“, Auftragnehmer die<br />
UTS Biogastechnik GmbH. Knapp<br />
ein Jahr später ist agri.capital insolvent.<br />
Der Bau wird gestoppt, das<br />
unvollendete Projekt Teil der Insolvenzmasse. Interessenten<br />
finden sich zunächst aber keine, denn mit dem<br />
EEG 2014 hatten sich die Rahmenbedingungen für die<br />
Biogaserzeugung deutlich verschlechtert. Über Jahre<br />
symbolisiert die Investruine vor den Toren Leipzigs die<br />
Krise der Branche.<br />
Erst 2018 erwarben zwei Biogas-Unternehmer aus<br />
Westfalen das Projekt. Sie planten, zunächst die bestehenden<br />
Genehmigungen zu verlängern, die Technik<br />
anzupassen und die Anlage auf Basis der vorhandenen<br />
Substanz weiterzubauen. Kurz vor dem Neustart entschieden<br />
die Investoren jedoch, das Vorhaben nicht<br />
selbst umzusetzen, sondern weiter zu veräußern. So<br />
ging der Rohbau im Januar 2020 in den Besitz der Balance<br />
Erneuerbare Energien GmbH, einer einhundertprozentigen<br />
Tochter des Gasunternehmens VNG. Das<br />
Unternehmen beschäftigt rund 110 Mitarbeiter*innen.<br />
BALANCE hat nach eigenen Angaben durch Zukäufe<br />
und Übernahmen die Anzahl seiner Anlagen auf nunmehr<br />
38 mit insgesamt 157 Megawatt Feuerungswärmeleistung<br />
gesteigert und gehört mit einem Marktanteil<br />
von 6 Prozent mittlerweile zu den führenden<br />
Biogasanlagenbetreibern in Deutschland.<br />
Projektkooperation zwischen UTS und<br />
Schmack<br />
Ab Mai 2020 kehrte nach siebenjähriger Unterbrechung<br />
wieder Leben auf der Baustelle ein. Um die<br />
Errichtung der Anlage gemäß dem geltenden Genehmigungsrecht<br />
abzuschließen, stellte Balance der UTS<br />
das Unternehmen Schmack als Generalunternehmer<br />
zur Seite. „Anfangs sah ich das skeptisch. Aber nach<br />
den ersten Kontakten wurde deutlich, welche Chance<br />
diese Konstellation für eine fristgerechte Realisierung<br />
des Projektes auf hohem technischen Niveau bietet“,<br />
berichtet UTS-Geschäftsführer Donato Cristaldi.<br />
FOTO: CARMEN RUDOLPH<br />
90
BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
PRAXIS<br />
Die zwei Havelberger Feststoffdosierer für den Substratmix haben<br />
ein Fassungsvermögen von 120 m³ und 150 m³.<br />
Die regelmäßige Beschickung der vier Fermenter aus den Dosierern<br />
mit Substratmix geschieht über ein System von Förderbändern.<br />
Dazu habe vor allem beigetragen, dass sich das hochprofessionelle<br />
Team von Schmack Biogas, trotz großer<br />
Überzeugung in die eigenen Biogaskonzepte, offen für<br />
den bereits vorgeplanten UTS-Technologieansatz zeigte.<br />
Aus Widersachern wurden Verbündete, die nun ihre<br />
Kooperation weiter ausbauen wollen. Durch die Bündelung<br />
ihrer Kompetenz konnten sie das bereits mehrfach<br />
aufgegebene Projekt nach nur einem Jahr Bauzeit<br />
schließlich als Vorzeigeanlage abschließen und im Mai<br />
<strong>2021</strong> offiziell an den Betreiber Balance übergeben.<br />
Dafür lieferte UTS die Kernkomponenten der Biogaserzeugungsanlage,<br />
insbesondere die Dosier-, Rühr- und<br />
Pumptechnik inklusive Steuerung. Schmack als Generalunternehmer<br />
verantwortete die Gastechnik mit<br />
Gasspeicher, Verdichter, Fackel und Heizkessel sowie<br />
die Leitungsverlegung, den Stahlbau und die Stromerschließung.<br />
Überdies koordinierten die Schwandorfer<br />
Biogasexperten die Peripheriegewerke wie Erdbau, Asphaltierung<br />
und Errichtung der Siloanlage.<br />
Entsprechend der Ursprungsgenehmigung unterliegt<br />
die Anlage, deren reibungslosen Betrieb vier Mitarbeiter<br />
im Zweischichtbetrieb und durch Nacht<br />
BerstscheiBen sichern Biogasanlagen<br />
Zertifizierte Berstscheiben schützen präzise und zuverlässig<br />
vor unzulässigen Über- und Unterdrücken<br />
Um den sicheren und reibungslosen<br />
Betrieb von Biogasanlagen zu gewährleisten,<br />
bauen viele Betreiber auf<br />
ateX-zertifizierte Berstscheiben.<br />
Deren Vorteile sind:<br />
niedrige ansprechdrücke ab 5 mbar ü:<br />
Die Berstscheiben werden mit Ansprechdrücken<br />
ab 5 mbar ü hergestellt –<br />
z.B. als reine Überdruckabsicherung<br />
oder auch als Schutz vor unzulässigen<br />
Über und Unterdrücken.<br />
Permanenter schutz rund um die Uhr:<br />
Sie sind auf einen Ansprechdruck unterhalb<br />
des Designdrucks der Anlagen<br />
eingestellt und reagieren gezielt auf<br />
die Druckdifferenz. Bei Erreichen des<br />
eingestellten Druckes geben sie die Entlastungsfläche<br />
zuverlässig frei. Einmal<br />
eingestellt, lassen sich diese Ansprechdrücke<br />
nicht mehr verändern.<br />
Zertifizierte sicherheit:<br />
Prüfzeugnisse belegen die<br />
hohe Präzision der Berstscheiben,<br />
die selbst Biogasanlagen<br />
mit Foliendächern verlässlich<br />
schützen.<br />
Wartungsfreie anwendung:<br />
Die wartungsfreien Berstscheiben<br />
bestehen aus Edelstahl<br />
und PTFEDichtfolie, sind<br />
gegenüber Biogas beständig<br />
und arbeiten vollkommen<br />
autonom.<br />
einfacher einbau: Der Einbau ist<br />
unkompliziert. Auch bei bestehenden<br />
Anlagen sind Berstscheiben<br />
nachrüstbar.<br />
Kontakt<br />
schwing Verfahrenstechnik gmbh<br />
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91
PRAXIS<br />
BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
Die zwei Vor- und die zwei Hauptfermenter werden abwechselnd mit Feststoffen gefüttert<br />
Die Vorentschwefelung<br />
des Biogases erfolgt<br />
durch die Zugabe von<br />
Eisen-II-Chlorid in die<br />
Fermenter, hier der<br />
Vorratstank für die<br />
Dosierer.<br />
Falko Schneider und<br />
drei weitere Mitarbeiter<br />
überwachen<br />
und steuern die neue<br />
Biogasanlage des<br />
Betreibers Balance in<br />
Gordemitz.<br />
bereitschaft absichern,<br />
den Bestimmungen des<br />
EEG 2012 und damit<br />
dem sogenannten Maisdeckel,<br />
wonach eine Vergütung<br />
nur erfolgt, wenn<br />
der Anteil an Mais und<br />
Getreide im Kalenderjahr<br />
bei höchstens 60 Masseprozent<br />
liegt. Dies muss im Einsatzstofftagebuch dokumentiert<br />
werden. Die EEG-Laufzeit über 20 Jahre<br />
beginnt jedoch mit der Inbetriebnahme <strong>2021</strong>.<br />
Grassilage soll Substratbasis vergrößern<br />
Wie in der ursprünglichen Planung vorgesehen, besteht<br />
der Input aus Mais- und Ganzpflanzensilage (GPS) sowie<br />
Hühnertrockenkot (HTK). „In der Genehmigung ist<br />
auch Grassilage. Hier sind wir gerade dabei, entsprechende<br />
Quellen in der Region zu erschließen“, sagt<br />
Axel Schlobach. Der 40-Jährige ist als Assetmanager<br />
für diese und zehn weitere Biogasanlagen im Bereich<br />
Süd des Betreibers Balance zuständig. Insgesamt werden<br />
in Gordemitz bei Volllast jährlich etwa 50.000<br />
Tonnen Substrat verarbeitet. Die Hälfte davon ist Maissilage.<br />
Die anderen 50 Prozent bestehen in etwa zu<br />
gleichen Teilen aus GPS und HTK. Für die sichere Versorgung<br />
mit NawaRo sorgen langfristige Verträge mit<br />
sechs Agrarbetrieben in der Region auf Basis von Frei-<br />
Feld-Abnahme. Dabei kümmern sich die Landwirte um<br />
Anbau und Kulturführung. Sind die Pflanzen erntereif,<br />
erledigt ein von Balance beauftragtes Lohnunternehmen<br />
das Häckseln sowie den Transport und die Einlagerung<br />
des Erntegutes.<br />
Die beiden Kammern des Fahrsilos auf dem Betriebsgelände<br />
haben eine Kapazität von zusammen 18.000<br />
Tonnen. Hinzu kommt ein Außensilo, das der Betreiber<br />
in Kooperation mit einem Landwirt nutzt, sodass eine<br />
Bevorratung mit nahezu der gesamten Jahresmenge an<br />
pflanzlichen Einsatzstoffen gewährleistet ist. Den HTK<br />
liefert ein nur wenige Kilometer entfernter Legehennenbetrieb.<br />
Alle Komponenten der Prozesskette sind auf die maximale<br />
Erschließung des Gasbildungspotenzials durch<br />
eine lange Verweilzeit und optimale Durchmischung<br />
der eingesetzten Rohstoffe ausgerichtet. Ziel ist eine<br />
kontinuierliche Produktion von stündlich 1.400 m³<br />
Biogas mit einem Methangehalt zwischen 53 und 55<br />
Prozent. Die Vergärung erfolgt daher in einem mehrstufigen<br />
Verfahren. Zur Verfügung stehen dafür zwei Vorfermenter<br />
mit einem Volumen von je 1.600 m³, zwei<br />
Hauptfermenter, die je 4.250 m³ fassen, ein weiterer<br />
Hauptfermenter mit einem Fassungsvermögen von<br />
3.000 m³ und ein Nachgärer, der bis zu 5.500 m³ aufnehmen<br />
kann.<br />
Über zwei Havelberger Feststoffdosierer, die Mitarbeiter<br />
am Vormittag und kurz vor Ende der zweiten<br />
Schicht befüllen, wird der feste Substratmix mittels<br />
Förderbändern und Stopfschnecken wechselweise in<br />
die Vorfermenter und die daneben liegenden größeren<br />
Hauptfermenter eingebracht. In die Vorfermen<br />
92
BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
PRAXIS<br />
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93
PRAXIS<br />
BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
Donato Cristaldi, Geschäftsführer der UTS Products GmbH:<br />
„Die vorhandene Planung von 2013/14 musste hinsichtlich<br />
der Schnittstellen, behördlichen Anforderungen und<br />
Technologien auf den aktuellen Stand angepasst werden.<br />
Trotz einiger Herausforderungen taten sich dadurch auch<br />
Chancen für Verbesserungen auf. So konnte die Anlage<br />
mit deutlich effizienterer PSM Rührtechnik ausgestattet<br />
werden – ein großer Vorteil für den Kunden im Hinblick auf<br />
Betriebskosten und CO 2<br />
-Footprint.“<br />
FOTOS: PRIVAT<br />
Hendrik Wilcke, Vertriebsleiter, Schmack<br />
Biogas Service GmbH: „Das Projekt war auch<br />
aufgrund seiner langen Vorgeschichte sehr<br />
komplex und erforderte wegen des straffen<br />
Terminplans einen großen Kraftaufwand. Doch<br />
nachdem die Verantwortungsbereiche abgesteckt<br />
waren, konnten wir gemeinsam für den<br />
Kunden die beste Lösung erarbeiten“.<br />
ter gelangen vorzugsweise die schwerer<br />
verdaulichen Einsatzstoffe wie HTK und<br />
perspektivisch Grassilage.<br />
Betondecke auf Vorfermentern<br />
Diese Behälter, die bei der Beschickung in<br />
den jeweils zugeordneten Hauptfermenter<br />
absenken, sind mit Betondecken ausgestattet,<br />
um einen stabilen Gasdruck und<br />
geringe Wärmeverluste sicherzustellen.<br />
Sie arbeiten bei einer Temperatur von 47<br />
Grad Celsius. Das sind 2 bis 3 Grad mehr<br />
als in den anderen Reaktoren. Die benötigte<br />
Wärme liefert nicht wie ursprünglich vorgesehen<br />
ein BHKW, sondern ein Biogasheizkessel<br />
mit einer maximalen thermischen<br />
Leistung von 500 kW.<br />
Von den beiden Hauptfermentern führen<br />
die von drei Pumpenbauwerken mit Exzenterschneckenpumpen<br />
angetriebenen Stoffströme<br />
in den dritten Hauptfermenter und<br />
von dort in den Nachgärer. Durchmischt<br />
werden die Gärprodukte in den fünf Fermentern<br />
von insgesamt 14 energieeffizienten<br />
PSM-Rührwerken mit getriebelosem<br />
Direktantrieb und DMC-Steuerung.<br />
Das gesammte vergorene Material passiert<br />
zwei UTS-Separatoren. Für die separierten<br />
Feststoffe besteht die Möglichkeit einer<br />
Zwischenlagerung auf dem Betriebsgelände.<br />
Die flüssige Fraktion mit einem TS-<br />
Gehalt von 5 bis 6 Prozent geht entweder<br />
ins Gärproduktelager mit einer Kapazität<br />
von 5.500 m³ oder fließt zur Regulierung<br />
der Konsistenz im Gärsystem auf einen angestrebten<br />
TS-Wert von 12 Prozent zurück<br />
in die Fermenter. Die festen wie auch die<br />
faserarmen flüssigen Gärprodukte nehmen<br />
die kooperierenden Landwirte gern für die<br />
Pflanzenernährung ab, da anderer organischer<br />
Dünger in der Region mangels Tier<br />
haltender Betriebe nur begrenzt zur Verfügung<br />
steht.<br />
Die Anlage der Firma Schwelm<br />
bereitet das produzierte<br />
Biogas nach dem Prinzip der<br />
Druckwechseladsorption zu Biomethan<br />
auf. Die Gasaufbereitung<br />
übergibt stündlich 700 m³<br />
Biomethan an die VNG-Tochter<br />
Ontras Gastransport GmbH.<br />
94
BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
PRAXIS<br />
Gasreinigung mit Druckwechsel-Adsorption<br />
Das durch Zugabe von Eisen-II-Chlorid in die Fermenter<br />
vorentschwefelte Biogas gelangt in die von der Firma<br />
Schwelm errichtete Gasaufbereitungsanlage. Sie arbeitet<br />
nach dem Prinzip der Druckwechseladsorption, bei<br />
der das im Rohbiogas enthaltene CO 2<br />
in einem Medium<br />
gelöst und dadurch vom Methan getrennt wird. Durch<br />
Entspannung, ähnlich wie beim Öffnen einer Sprudelflasche,<br />
entweicht das CO 2<br />
aus der Flüssigkeit, die nun<br />
erneut aufnahmebereit ist.<br />
Statt dem bei dieser Technologie sonst üblicherweise<br />
eingesetzten Wasser fungiert bei der Aufbereitungsanlage<br />
eine Alkohollösung (Solvent) als Medium zum<br />
Auswaschen des CO 2<br />
. Dadurch können sich keine aus<br />
dem Gärprozess mitgerissenen biologischen Verunreinigungen<br />
in den Behältern der Kolonne festsetzen und<br />
der Wartungsaufwand ist gegenüber dem Verfahren mit<br />
Wasser geringer. Die in der Anlage stündlich aufbereiteten<br />
700 m³ Biomethan mit einem Methangehalt von 96<br />
Prozent übernimmt die VNG-Tochter Ontras Gastransport<br />
GmbH in ihr überregionales Fernleitungsnetz.<br />
Zufrieden mit der Umsetzung des Projekts „in time and<br />
budget“ und den Ergebnissen der ersten Monate nach<br />
der Inbetriebnahme zeigt sich Balance-Geschäftsführer<br />
Friedrich Nollau. „Bislang haben wir unser Portfolio in<br />
der Regel durch den Zukauf von Anlagen erweitert, die<br />
schon in Betrieb sind. Insofern stellt die Biogasanlage<br />
Gordemitz mit einer Bauinvestition<br />
im einstelligen Millionenbereich eine<br />
Besonderheit dar“, so der 48-Jährige.<br />
Wichtig sei ihm in jedem Fall, dass<br />
sich die Balance-Anlagen positiv<br />
in die Region einfügen. Das betreffe<br />
sowohl die Zusammenarbeit auf<br />
kommunaler Ebene als auch mit den<br />
Landwirten. „Nachdem es schon mal<br />
Forderungen nach einer Abwrackprämie<br />
für Biogasanlagen gab, wird<br />
die klimafreundliche Erzeugung von<br />
Strom, Gas oder Kraftstoff aus nachwachsenden<br />
Rohstoffen gegenwärtig<br />
als wichtiger Pfeiler im Energiemix<br />
wiederentdeckt. Das motiviert uns“,<br />
sagt Nollau.<br />
Autor<br />
Dipl.-Journ. Wolfgang Rudolph<br />
Freier Journalist ∙ Rudolph Reportagen – Landwirtschaft,<br />
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95
PRAXIS<br />
BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
Zertifizierung von Biogasanlagen<br />
Seit dem 1. Juli <strong>2021</strong> gilt die neue Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED II). Sie enthält<br />
eine Nachhaltigkeitszertifizierung für Biomasse. Nicht nur, wenn die Biomasse für den<br />
Transportsektor erzeugt wird, die auf die Treibhausgasminderungsquote angerechnet<br />
werden soll, wie es bereits unter der RED I der Fall war. Die RED II erweitert den Geltungsbereich<br />
auf Anlagen zur Erzeugung von Strom, Wärme und Kälte in Kraftwerken mit einer<br />
Gesamtfeuerungswärmeleistung von 2 MW oder mehr verpflichtend.<br />
Von Berenika Lewicka<br />
Um zertifiziert zu werden, muss eine Anlage<br />
eine Dokumentenprüfung bestehen,<br />
Nachhaltigkeitskriterien erfüllen und<br />
angemessene Treibhausgaseinsparungen<br />
bei der Biokraftstoffproduktion erzielen.<br />
Um Anlagenbetreiber auf dem Weg zum Nachhaltigkeitszertifikat<br />
zu unterstützen, stellt der Fachverband<br />
Biogas in Kürze eine Arbeitshilfe für die Biogaszertifizierung<br />
und den gesamten Auditierungsprozess zur<br />
Verfügung. Wir haben bisher viele Fragen zu diesem<br />
Thema erhalten und haben die dazu relevanten Informationen<br />
in der Arbeitshilfe zusammengestellt.<br />
Die Arbeitshilfe besteht aus zehn Kapiteln, in denen<br />
Sie allgemeine Informationen über den Auditierungsprozess,<br />
die Erläuterung der gesetzlichen Grundlagen –<br />
sowohl der deutschen als auch der europäischen –, die<br />
Nachhaltigkeitskriterien, Hinweise zur Vorbereitung auf<br />
das Audit, die Erstellung einer eigenen Massenbilanz,<br />
Berechnungen der Treibhausgase und mehr finden.<br />
Selbsterklärung abgeben<br />
Der gesamte Vorbereitungsprozess beginnt mit der Zusendung<br />
der Selbsterklärungen der Lieferanten. Die<br />
Beispiele dafür haben wir unseren Mitgliedern zur Verfügung<br />
gestellt. Diese Erklärungen stellen sicher, dass<br />
die produzierte Biomasse die erforderlichen Nachhaltigkeitskriterien<br />
erfüllt.<br />
Sie beziehen sich u.a. auf den Schutz von Flächen,<br />
auf denen Pflanzen für die Biokraftstoffproduktion<br />
angebaut werden. Es geht darum, die Nutzung der<br />
Flächen, auf denen in der Vergangenheit Biomasse für<br />
die Biokraftstoffproduktion geerntet wurde, zu analysieren<br />
und ihre mögliche Umwandlung zu bestimmen.<br />
Die Abfälle und Rückstände, die nicht landwirtschaftlichen<br />
oder ähnlichen Ursprungs sind, sind immer nachhaltig,<br />
es sei denn, sie wurden nicht zweckgebunden<br />
erzeugt.<br />
Zur Vorbereitung auf die Zertifizierung müssen die<br />
von der Zertifizierungsstelle geforderten Unterlagen<br />
erstellt werden, zum Beispiel eine schriftliche Verpflichtung<br />
zur Einhaltung der Anforderungen des Zertifizierungssystems,<br />
alle Arten von Genehmigungen,<br />
Verträge mit Lieferanten und Kunden usw. Es ist auch<br />
notwendig, ein internes Audit durchzuführen und eine<br />
klare Beschreibung der Organisationsstruktur des Betriebs<br />
sowie eine klare Dokumentation der relevanten<br />
Verfahren und Prozesse vorzulegen. Nützlich sind auch<br />
Zertifikate wie Qualitätsmanagement, Umweltmanagement,<br />
Risikomanagement usw., die das Unternehmen<br />
bereits erworben hat.<br />
Massenbilanzen und THG-Einsparungen<br />
erstellen<br />
Andere Dokumente, die erstellt werden müssen und die<br />
für diejenigen, die ihr Biogas noch nicht zertifiziert haben,<br />
neu sein können, sind Massenbilanzen und gegebenenfalls<br />
der Nachweis einer ausreichend hohen THG-<br />
Einsparung. Ein Massenbilanzsystem enthält eine Reihe<br />
von Aufzeichnungen und Daten, die einen Überblick<br />
über die Mengen an Biomasse geben, die die Liefer- und<br />
Produktionskette vom Ursprungsort bis zum Endproduzenten<br />
von Biokraftstoffen, flüssigen Biobrennstoffen<br />
oder Biomassekraftstoffen durchlaufen.<br />
Die Merkmale zur Erfüllung der Nachhaltigkeitskriterien<br />
müssen in der gesamten Lieferkette offengelegt<br />
werden, zusammen mit anderen Informationen, die für<br />
die Rückverfolgung erforderlich sind. Die Einsparung<br />
von Treibhausgasemissionen wird immer im Vergleich<br />
zu seinem fossilen Pendant (Diesel, Benzin, Strommix)<br />
berechnet. Dies gilt sowohl für Energieträger, die im<br />
Verkehr eingesetzt werden, als auch für solche, die zur<br />
Stromerzeugung verwendet werden. Beides wird auf<br />
den Seiten der Arbeitshilfe Schritt für Schritt erläutert.<br />
Wir haben außerdem vor, in dem Dokument ein Kapitel<br />
mit häufig gestellten Fragen aufzunehmen, die wir von<br />
unseren Mitgliedern erhalten haben, um sicherzustellen,<br />
dass keine dieser Fragen unbeantwortet bleibt.<br />
Autorin<br />
Berenika Lewicka<br />
Fachreferentin Nachhaltigkeitszertifizierung<br />
Fachverband Biogas e.V.<br />
Euref-Campus 16 · 10829 Berlin<br />
030/2 75 81 79-0<br />
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96
BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
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97
PRAXIS<br />
BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
Anlage des Monats September:<br />
BRV Biologische Reststoff<br />
Verwertung GmbH<br />
Die BRV Biologische Reststoff Verwertung<br />
GmbH im baden-württembergischen<br />
Kißlegg wurde bereits 1995 in Betrieb<br />
genommen. In ihr werden überlagerte Lebensmittel<br />
und Speisereste vergoren. In<br />
vier Blockheizkraftwerken mit einer installierten elektrischen<br />
Leistung von zusammen 960 Kilowatt entstehen<br />
knapp 1,5 Millionen Kilowattstunden Strom pro<br />
Jahr. Die anfallende Wärme gelangt über ein Nahwärmenetz<br />
zu vier Häusern, einem Bürogebäude, einer<br />
Werkstatt und einer landwirtschaftlichen Halle. Die<br />
Gärreste werden mittels Dekanter, Belebung und Denitrifikation<br />
aufbereitet. Ein Teil des Biogases wird<br />
per Membrantechnologie zu Biomethan veredelt und<br />
von der Firmen-Fahrzeugflotte an der eigenen CNG-<br />
Tankstelle getankt – was pro Jahr zirka 260.000 Liter<br />
Diesel beziehungsweise 200 Tonnen CO 2<br />
einspart.<br />
Anlage des Monats Oktober:<br />
Agra GmbH Frohndorf<br />
Die Biogasanlage des Monats Oktober steht<br />
im thüringischen Sömmerda bei Erfurt.<br />
Mit einer installierten elektrischen Leistung<br />
von 400 Kilowatt erzeugt sie aus<br />
nachwachsenden Rohstoffen rund 3,5<br />
Millionen Kilowattstunden Strom pro Jahr, die über<br />
einen Direktvermarkter als Regelenergie eingespeist<br />
werden. Vergoren wird fast ausschließlich Gülle und<br />
Stalldung aus der hofeigenen ökologischen Milchproduktion.<br />
Die Wärme wird für die Beheizung und<br />
Warmwasserversorgung der Milchviehanlage sowie<br />
für das Verwaltungsgebäude und zwei Wohnungen<br />
verwendet. In der 2002 in Betrieb genommenen Anlage<br />
soll künftig das Biogas aufbereitet und über eine<br />
eigene Tankstelle als Kraftstoff vermarktet werden.<br />
Aktuell vermeidet die Biogasanlage knapp 2.000<br />
Tonnen CO 2<br />
.<br />
98
BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
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WISSENSCHAFT<br />
BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
Stroh zur Produktion von<br />
Kraftstoff<br />
Am Deutschen Biomasseforschungszentrum (DBFZ) in Leipzig läuft derzeit das Forschungsund<br />
Demonstrationsvorhaben „Pilotanlage Synthetisiertes Biogas – Bioressourcen und<br />
Wasserstoff zu Methan als Kraftstoff (Pilot-SBG)“. Das Vorhaben wird vom Bundesministerium<br />
für Verkehr und digitale Infrastruktur finanziert und hat zum Ziel, bislang ungenutzte<br />
biogene Rest- und Abfallstoffe aus dem ländlichen sowie urbanen Raum zu Biomethan als<br />
Kraftstoff umzusetzen. Dabei ist das übergeordnete Ziel, die Treibhausgasemissionen in<br />
schwer elektrifizierbaren Segmenten des Verkehrssektors, wie beispielsweise der Schifffahrt<br />
oder dem straßengebundenen Schwerlastverkehr, signifikant zu reduzieren.<br />
Von Maria Braune, Karin Naumann und Kati Görsch<br />
Die umfangreichen Planungen für die Pilotanlage<br />
im Technikumsmaßstab sind inzwischen<br />
abgeschlossen, sodass zeitnah mit<br />
der Errichtung am DBFZ begonnen werden<br />
kann. Nach Fertigstellung soll die Pilotanlage<br />
im Zuge mehrerer Versuchskampagnen kontinuierlich<br />
betrieben und wissenschaftlich begleitet werden.<br />
Ergänzend zu diesen technischen Aspekten analysiert<br />
das wissenschaftliche Team rund um die Projektleiterinnen<br />
Kati Görsch und Karin Naumann im Rahmen<br />
einer Standortanalyse die räumliche Verteilung geeigneter<br />
und ungenutzter Rohstoffe sowie weiterer Standortanforderungen.<br />
Für die Beispielregion Leipzig/Halle<br />
wurden die Akteursstrukturen sowie deren Handlungsspielräume<br />
besonders genau untersucht und ermittelt,<br />
welche Faktoren sich förderlich oder hemmend auf<br />
eine kommerzielle Umsetzung dieses fortschrittlichen<br />
Konzeptes auswirken können. Außerdem wird im Vorhaben<br />
geprüft, inwiefern bestehende Biogasanlagen in<br />
Deutschland für die Produktion von erneuerbarem LNG<br />
(Liquefied Natural Gas, flüssiges Methan) durch technische<br />
Erweiterungen nach der EEG-Phase weitergenutzt<br />
Abbildung 1: Das Forschungs- und Demonstrationsvorhaben Pilot-SBG<br />
©<br />
<strong>2021</strong> DBFZ Deutsches Biomasseforschungszentrum gemeinnützige GmbH<br />
100
BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
WISSENSCHAFT<br />
werden können. Im Zentrum einer Marktund<br />
Infrastrukturanalyse steht neben der<br />
Tank- und Fahrzeuginfrastruktur für LNG<br />
im Allgemeinen vor allem die Stellung von<br />
LNG aus erneuerbaren Quellen im Besonderen.<br />
Bezogen auf aktuelle und absehbare<br />
Rahmenbedingungen wie beispielsweise<br />
die Quote zur Treibhausgasvermeidung im<br />
Verkehr oder die CO 2<br />
-Bepreisung wird die<br />
Entwicklung des Marktwertes von erneuerbarem<br />
LNG abgeschätzt.<br />
Der Betrieb der Pilotanlage und deren<br />
technisch-ökonomisch-ökologische Bewertung<br />
im wirtschaftsrelevanten Maßstab<br />
sollen gemeinsam mit der Marktanalyse<br />
den Grundstein für die Installation von<br />
kommerziellen Anlagen legen (siehe Abbildung<br />
1). Das Vorhaben leistet damit<br />
einen wichtigen Beitrag zur Erschließung<br />
des nationalen Potenzials für nachhaltige<br />
und innovative Biokraftstoffe und damit<br />
zur Erreichung eines klimafreundlichen<br />
Verkehrs. Ziel der betrachteten Bereitstellungskonzepte<br />
ist die Produktion von<br />
erneuerbarem LNG, wobei die Pilotanlage<br />
aufgrund ihrer geringen Kapazität lediglich<br />
erneuerbares CNG (Compressed Natural<br />
Gas, komprimiertes Methan) als Kraftstoff<br />
zur Verfügung stellen wird.<br />
Kraftstoff Biomethan als Baustein<br />
der Klimawende im Verkehr<br />
Das im Klimaschutzplan der Bundesregierung<br />
verankerte Leitbild für treibhausgasneutrale<br />
Mobilität umfasst zahlreiche<br />
Maßnahmen zur Umsetzung des damit einhergehenden<br />
Innovationsprozesses. Maßgeblich<br />
für die Energiewende im Verkehr<br />
ist dabei neben der Elektrifizierung auch<br />
die Nutzung klimafreundlicher Kraftstoffe<br />
aus erneuerbaren Quellen. Die Nutzung von<br />
Biokraftstoffen ist bereits eine wesentliche<br />
Maßnahme zur Dekarbonisierung des Verkehrssektors.<br />
Durch deren Nutzung konnten<br />
im Jahr 2020 Emissionen von etwa 14<br />
Millionen Tonnen Kohlenstoffdioxid (CO 2<br />
)-<br />
Äquivalenten vermieden werden, was etwa<br />
5 Prozent (%) der Emissionen im Straßenverkehr<br />
entspricht.<br />
Eine zunehmend wichtige Option sind sogenannte<br />
fortschrittliche Biokraftstoffe,<br />
für deren Produktion biogene Rest- und<br />
Abfallstoffe verarbeitet werden. Die Vergärung<br />
dieser Stoffe zu Biogas stellt dabei<br />
eine vielversprechende Möglichkeit dar.<br />
Das Biomassepotenzial ist in Deutschland<br />
derzeit noch zu rund 40 % ungenutzt.<br />
Durch die Produktion und Aufbereitung<br />
des Biogases zu erneuerbarem CNG oder<br />
LNG für den Schwerlast- und Schiffsverkehr<br />
könnten diese noch ungenutzten Potenziale<br />
in Deutschland erschlossen und<br />
so ein signifikanter Anteil des Energiebedarfs<br />
im Verkehrssektor gedeckt werden.<br />
Die Emissionen im Verkehr könnten so um<br />
jährlich weitere 8 bis 20 Millionen Tonnen<br />
CO 2<br />
-Äquivalente reduziert werden.<br />
Einsatz biogener Reststoffe,<br />
Nebenprodukte und Abfälle<br />
Im Rahmen einer Potenzialanalyse wurden<br />
die in Deutschland verfügbaren und für die<br />
Produktion von Methan geeigneten biogenen<br />
Rest- und Abfallstoffe analysiert und<br />
bewertet. Die umfangreiche Datenbasis ist<br />
in der DBFZ-Ressourcendatenbank unter<br />
http://webapp.dbfz.de/resources öffentlich<br />
und kostenfrei verfügbar.<br />
Als vielversprechende Rohstoffbasis für<br />
das Vorhaben wurden Stroh und Rindergülle<br />
sowie Bioabfall und Grünschnitt<br />
identifiziert und hinsichtlich ihrer Mobilisierbarkeit<br />
und Optimierungsoptionen bei<br />
der stofflichen und energetischen Nutzung<br />
sowie bezüglich ihres Substitutionspotenzials<br />
im Verkehrssektor bewertet. Die<br />
landwirtschaftlichen Rohstoffe Rindergülle<br />
und Getreidestroh machen dabei das<br />
größte mobilisierbare Biomassepotenzial<br />
aus. Im Raum Mitteldeutschland gehört<br />
Sachsen-Anhalt zu den deutschlandweit<br />
stärksten Lieferregionen von Stroh 1 .<br />
In der Pilotanlage soll zur Vorbereitung<br />
kommerzieller Anlagen die gesamte Verarbeitungskette<br />
von den biogenen Rest- und<br />
Abfallstoffen bis zum Biomethan (erneuerbares<br />
CNG) dargestellt werden. Es sollen<br />
sowohl die agrarischen Nebenprodukte<br />
Stroh und Rindergülle als auch die urbanen<br />
Reststoffe Bio- und Grüngut regional<br />
bezogen und verarbeitet werden.<br />
Das Anlagenkonzept verbindet im Kern<br />
eine anaerobe Vergärung zu Biogas mit<br />
innovativen Vor- und Aufbereitungsprozessen<br />
(Abbildung 2). Bei der anaeroben<br />
Vergärung werden die Rohstoffe von Mikroorganismen<br />
in Methan und CO 2<br />
umgewandelt.<br />
Dafür stehen ein Rührkessel- und<br />
ein Pfropfenstromfermenter zur Verfügung.<br />
Um die Vergärbarkeit der Rohstoffe zu verbessern<br />
und damit die Gasausbeute im<br />
Prozess zu erhöhen, werden diese je nach<br />
Zusammensetzung vorbehandelt, zum<br />
Beispiel gehäckselt oder gemahlen.<br />
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WISSENSCHAFT<br />
BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
Abbildung 2: Das Pilot-SBG-Anlagenkonzept zur Produktion von erneuerbarem CNG<br />
und anderen Wertprodukten<br />
©<br />
<strong>2021</strong> DBFZ Deutsches Biomasseforschungszentrum gemeinnützige GmbH<br />
Schwer vergärbare Rohstoffe können zusätzlich bei erhöhten<br />
Temperaturen und Drücken (hydrothermal) vorbehandelt<br />
werden. Zur Erhöhung der Methanausbeute<br />
wird das im Biogas enthaltene CO 2<br />
mit extern zugeführtem<br />
Wasserstoff in einer katalytischen Methanisierung<br />
zusätzlich zu Methan umgewandelt. Dabei entsteht nahezu<br />
reines Methan, das den gesetzlichen Anforderungen<br />
für die Verwendung als Kraftstoff im Verkehrssektor<br />
(DIN EN 16723-2) entspricht.<br />
Kreislaufwirtschaft Rechnung tragen<br />
Nach der anaeroben Vergärung werden die Gärreste in<br />
Abhängigkeit vom Ausgangsmaterial in einer Separationskaskade<br />
weiterbehandelt. Ziel der Gärrestaufbereitung<br />
ist, alle in der Anlage anfallenden Nebenprodukte<br />
im Sinne der Kreislaufwirtschaft nach dem Zero-Waste-<br />
Ansatz zu verwerten und zudem das Produktportfolio<br />
der Anlage durch die Erzeugung zusätzlicher Produkte<br />
zu erweitern. So können je nach eingesetzter Biomasse<br />
aus den Gärresten hochwertige Nährstoffdünger (fest/<br />
flüssig) oder Energieträger wie hydrothermal erzeugte<br />
Kohle gewonnen werden. Das Wasser soll weitestgehend<br />
im Prozess wiederverwendet oder als aufbereitetes,<br />
einleitfähiges Abwasser ausgespeist werden.<br />
Die Pilotanlage dient in erster Linie dem Erkenntnisgewinn<br />
beispielsweise hinsichtlich des Zusammen<br />
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BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
WISSENSCHAFT<br />
spiels von Komponenten<br />
und Apparaten oder dem<br />
Einfluss von Prozessparametern<br />
auf dessen<br />
Stabilität und Ausbeute<br />
und hat daher eine<br />
Kapazität, die sinnvoll<br />
händelbar ist und für<br />
Forschung und Entwicklung<br />
eine ausreichende<br />
sowie kostentechnisch darstellbare<br />
Flexibilität mit sich<br />
bringt. Die Darstellung der gesamten<br />
Prozesskette in einer Anlage<br />
ist deutschlandweit in dieser Größenordnung<br />
einzigartig. Nach den erfolgreichen Betriebskampagnen<br />
wird die Anlage als Technologieplattform für<br />
Forschung und Entwicklung gleichermaßen Akteuren<br />
aus Wissenschaft und Wirtschaft zur Verfügung stehen<br />
und ist so gestaltet, dass flexibel unterschiedliche<br />
Technikmodule eingesetzt werden können.<br />
Biomethan für DBFZ-Fuhrpark<br />
Im Ergebnis entsteht Biomethan als Hauptprodukt, das<br />
in einer Tankanlage als erneuerbares CNG im DBFZ-<br />
Fuhrpark genutzt werden soll. Nach derzeitigem Planungsstand<br />
werden im Pilotbetrieb monatlich 0,2 bis<br />
1,2 Tonnen Rohstoffe verarbeitet und daraus zwei Pkw-<br />
Tankfüllungen erneuerbares CNG sowie die genannten<br />
Nebenprodukte bereitgestellt.<br />
Mithilfe der Pilotanlage soll eine lückenlose Demonstration<br />
der gesamten Prozesskette gewährleistet und<br />
die Mach- sowie Umsetzbarkeit des Gesamtkonzeptes<br />
belegt werden. Neben umfangreichen praktischen Untersuchungen<br />
im Versuchsbetrieb wird eine Bewertung<br />
anhand technisch-ökonomischer sowie ökologischer<br />
Veranstaltungshinweis<br />
Am 16. November findet im Rahmen einer hybriden<br />
Doppelveranstaltung gemeinsam mit dem Leipziger<br />
Biokraftstoff-Fachgespräch ein Workshop des Vorhabens<br />
Pilot-SBG statt. Ziel ist, gemeinsam mit Praxispartnern<br />
darüber zu diskutieren, mithilfe welcher Rahmenbedingungen<br />
und technologischer Optionen diese Anpassung<br />
etablierter Bereitstellungs- und Nutzungspfade für<br />
Biomethan gelingen kann.<br />
https://www.dbfz.de/veranstaltungen/leipzigerfachgespraeche/biokraftstofffachgespraech<br />
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M. Sc. Maria Braune<br />
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Kenngrößen für eine mögliche<br />
Anlage im kommerziellen<br />
Maßstab durchgeführt.<br />
Weiterführende Links:<br />
https://www.dbfz.de/projektseiten/pilot-sbg<br />
https://www.unendlich-viel-energie.de/interviewkarin-naumann<br />
1<br />
Brosowski, A, Bill, R., Thrän, D. (2020) Temporal<br />
and Spatial Availability of Cereal Straw in Germany –<br />
Case Study: Biomethane for the Transport Sector. DOI<br />
10.21203/rs.3.rs-16344/v3<br />
103
INTERNATIONAL<br />
BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
BELGIEN<br />
Erste Biogas-Hoftankstelle im Land<br />
Biomethananlagen verarbeiten überwiegend größere Biogasmengen ab 700 Normkubikmetern pro Stunde<br />
und speisen meist in das Gasnetz ein. Doch für netzferne Standorte auf landwirtschaftlichen Betrieben mit<br />
kleineren Gaserträgen lohnt sich, über ein System mit Hoftankstelle nachzudenken. Der belgische Landwirt<br />
Eric Jonkeau hat ein derartiges Projekt umgesetzt, um seinen Hof in den Ardennen so weit wie möglich nach<br />
dem Prinzip der Kreislaufwirtschaft zu betreiben.<br />
Von EUR ING Marie-Luise Schaller<br />
Brüssel<br />
Der Betrieb von Eric Jonkeau mit<br />
fast 1.000 Rindern verwertet<br />
in der Biogasanlage alles Vergärbare<br />
außer Energiepflanzen.<br />
Er versorgt so ein Blockheizkraftwerk<br />
(BHKW) mit Nahwärmenetz und<br />
parallel eine Mikro-Biogasaufbereitung mit<br />
Hoftankstelle. Damit betankt er eine breite<br />
Palette an eigenen Fahrzeugen. Dieses Vorreiterprojekt,<br />
das Energieautarkie und zirkuläre<br />
Wertschöpfung verknüpft, ist noch<br />
relativ einzigartig, aber zukunftsweisend.<br />
Taverneux, ein kleiner, beschaulicher Weiler,<br />
gehört zu Houffalize in der belgischen<br />
Provinz Luxemburg. Der Betrieb von Eric<br />
Jonkeau direkt am Ortsrand ist bemerkenswert:<br />
Einerseits, weil Ställe und Biogasanlage<br />
erstaunlich nah an der dörflichen<br />
Wohnbebauung liegen, so gut wie keine<br />
Geruchsimmissionen erzeugen und sich<br />
zudem harmonisch ins hügelige Landschaftsbild<br />
fügen. Andererseits, weil der<br />
Landwirt und seine Familie traditionelle<br />
Landwirtschaft und fortschrittliche Konzepte<br />
verknüpfen.<br />
Die Futterversorgung seiner Rinderherde<br />
(Zucht-, Milch- und Mastbetrieb) bestreitet<br />
er weitestgehend aus eigenen Quellen. Und<br />
strebt danach, auch bei der Energieversorgung<br />
autark zu sein. Dabei sei für ihn wie<br />
für andere belgische Betriebe der Einsatz<br />
von Energiepflanzen gänzlich ausgeschlossen,<br />
wie er gleich zu Beginn feststellt.<br />
Jonkeau erläutert seine Prinzipien: „Oft<br />
stoße ich mit meinen Ideen auf Skepsis,<br />
verfolge aber meine Ziele beharrlich und<br />
setze sie erfolgreich um. Es geht mir darum,<br />
die vorhandenen Ressourcen vernünftig<br />
zu nutzen, das halte ich für besser als<br />
biologische Landwirtschaft, einfach aus<br />
Klimaschutzgründen. Lange schon strebe<br />
ich danach, Biogas auch als Kraftstoff<br />
einzusetzen.“ Jonkeau hat nun einen Meilenstein<br />
realisiert. Seit Juni betreibt er als<br />
Erster in Belgien eine Biogasanlage mit<br />
Biogasaufbereitung und Tankstelle.<br />
Nach intensiven Recherchen auf Fachmessen<br />
und in Praxisgesprächen mit anderen<br />
Biogaslandwirten begann er 2016 mit konkreten<br />
Planungen für eine Biogasanlage mit<br />
BHKW. Da diese überwiegend Mist, Gülle<br />
und Ernterückstände sowie Reststoffe aus<br />
der Lebensmittelproduktion verarbeitet,<br />
habe er sich für eine robuste und flexible<br />
Anlage von Sauter entschieden. Charakteristisch<br />
für das Sauter-Anlagenkonzept ist,<br />
dass die Einsatzstoffe in flüssiger Form über<br />
ein Pumpen- und Düsensystem auf dem<br />
104
BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
INTERNATIONAL<br />
„Oft stoße ich mit meinen<br />
Ideen auf Skepsis, verfolge<br />
aber meine Ziele beharrlich<br />
und setze sie erfolgreich um“<br />
Eric Jonkeau<br />
Substrat im Fermenter verregnet werden. Es gibt keine<br />
Rührwerke, die Vergärung durchläuft die Gärzonen ohne<br />
mechanische Durchmischung. Oben wird mit aktiven<br />
Biomassepartikeln aufgefüllt, unten wird dann das nahezu<br />
ausgefaulte Substrat ausgetragen.<br />
FOTOS: MARIE-LUISE SCHALLER<br />
Mischen ohne Rührwerke<br />
Gesteuert wird die Vergärung über unterschiedliche<br />
Beregnungsintensitäten einzelner Bereiche. Mit dem<br />
Slogan „Beregnen statt Rühren“ wirbt Sauter für dieses<br />
Prinzip, bei dem Investitionen, Betrieb und Instandhaltung<br />
für die Rührwerke entfallen. Weil im Fermenter<br />
keine Einbauten sind, wird auch eine Schadensquelle<br />
vermieden, für deren eventuellen Ausbau der Behälter<br />
leergefahren werden müsste.<br />
Es entfällt zudem eine aufwändige Bunker- und Beschickungstechnik,<br />
da die festen Substrate über einen sehr<br />
einfachen Feststoffeintrag eingebracht werden. Dies<br />
ist ein Einschubschacht mit Gefälle in den Fermenter<br />
und Basis unterhalb des Substratniveaus, so dass das<br />
flüssige Substrat in entsprechendem Flüssigkeitspegel<br />
außen ansteht. In flexiblen Fütterungsabständen von<br />
bis zu drei Tagen wird Feststoffsubstrat eingebracht.<br />
Aus diesem Vorrat werden durch die Beregnung gelöste<br />
Stoffe (organische Säuren) im Fermenter verteilt. An<br />
der Eintragstelle bildet sich so eine Hydrolyse- und Versauerungszone<br />
aus.<br />
Jens Topa führt zusammen mit Eric Jonkeau durch die<br />
Anlage. Er war bis 2019 als Projektentwickler für<br />
Landwirt Eric Jonkeau<br />
(links) und Jens Topa,<br />
TOPA energie projekte<br />
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INTERNATIONAL<br />
BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
Jens Topa: „Bio-CNG-<br />
Hoftankstellen sind<br />
auch in Deutschland<br />
möglich.“<br />
106
BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
INTERNATIONAL<br />
Mobile CNG-Tankstelle in einem Anhänger untergebracht.<br />
Futtermischwagen mit CNG-Antrieb.<br />
Sauter tätig und betreute das Projekt in der Konzeptund<br />
Planungsphase. Mit seiner eigenen Firma, TOPA<br />
energie projekte biogas, verfolgt er heute insbesondere<br />
das Ziel, kleine und mittlere Aufbereitungsanlagen in<br />
Deutschland an bestehenden Biogasanlagen zu etablieren.<br />
Er stellt fest, dass die große Variabilität der<br />
Einsatzstoffe schon ein gewisses Know-how des Betreibers<br />
voraussetzt. Eric Jonkeau gibt sich hier durchaus<br />
zufrieden, denn es habe bisher im etwa zweijährigen<br />
Betrieb keine nennenswerten Ausfälle gegeben. Er lobt<br />
den niedrigen Eigenstromverbrauch der Anlage. Über<br />
das BHKW würden 5.900 Kilowattstunden (kWh) an<br />
elektrischer Energie täglich erzeugt und eingespeist.<br />
Ein Wärmetauscher heize die Gülle auf 40 Grad Celsius<br />
vor. Über das Nahwärmenetz könne er drei Haushalte<br />
und den Milchviehbetrieb versorgen, womit er jährlich<br />
30.000 Liter an Heizöl einspare.<br />
Fördergeld erleichterte Investition<br />
Das produzierte Biogas wird mit etwa 125 Kubikmetern<br />
pro Stunde in einem BHKW mit 254 kW elektrischer<br />
Leistung verstromt. In der Wallonie erhält man keine Einspeisevergütung,<br />
lediglich die Certificats Verts, Grüne<br />
Zertifikate, ein Fördersystem für die Unterstützung der<br />
Erneuerbaren Energien. Darüber hinaus wurde der Bau<br />
der Anlage noch durch das europäische FEADER-Programm<br />
gefördert, ein Fonds zur Stützung des ländlichen<br />
Raumes. Schon früh war angestrebt, weiteren Mehrwert<br />
mit der Erzeugung von Bio-CNG zu schaffen.<br />
Nach längerer Vorplanung und einer Prototypen-Phase<br />
mit einem anderen, verworfenen Anlagentyp konnte im<br />
Oktober 2020 mit dem Bau der Biogasaufbereitung und<br />
Hoftankstelle begonnen werden. Bereits nach acht Monaten<br />
wurde das Komplettsystem des niederländischen<br />
Unternehmens Bright Biomethane in Betrieb ge<br />
Spiralo®<br />
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INTERNATIONAL<br />
BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
Bio-CNG-Fahrzeuge von<br />
Eric Jonkeau: öffentlichkeitswirksam<br />
mit<br />
METHAVERNEUX-Logo.<br />
nommen. Die Aufbereitung arbeitet mit der Membrantechnologie<br />
und erzeugt bis zu 30 Kubikmeter Bio-CNG<br />
pro Stunde. Kompakt in zwei Containern untergebracht<br />
sind Vorreinigung nebst Druckstufe sowie die dreistufige<br />
Membranaufbereitung und der CNG-Kompressor.<br />
Ein Speichermodul mit mehreren Gasflaschen und die<br />
Zapfsäule komplettieren die einfache, aber vollautomatisch<br />
betriebene Kraftstoffanlage.<br />
Im ersten Container mit der Vorbehandlungsstufe wird<br />
dem Biogas durch Kondensation über ein Kühlsystem<br />
zunächst das Wasser entzogen. Anschließend werden<br />
dort mittels Aktivkohlefilter Schwefelwasserstoff und<br />
andere Verunreinigungen entfernt. Die Qualität des<br />
Biogases wird an mehreren Prozesspunkten überwacht.<br />
Hohe Methanausbeute durch Permeat gas-<br />
Rückführung<br />
Im zweiten Container mit der Aufbereitung wird das Gas<br />
auf den für die Membrananlage erforderlichen Druck<br />
von 12 bis 15 bar komprimiert. Anschließend wird in<br />
einem weiteren Kühlprozess letzte Feuchtigkeit entfernt.<br />
Nachdem es wieder erwärmt wurde, wird das Gas<br />
der dreistufigen Membrananlage zugeführt. Das patentierte<br />
Verfahren führt bei jeder Stufe das Permeatgas<br />
zurück und erzielt so eine hohe Methanausbeute von<br />
99,5 Prozent. Schließlich wird mit dem CNG-Kompressor<br />
der Druck auf 250 bar erhöht und das Gas in<br />
Flaschen zwischengespeichert, woran die Tankstelle<br />
angeschlossen ist.<br />
Jens Topa bemisst das gesamte Investitionsvolumen –<br />
einschließlich der umfangreichen Erdarbeiten – auf<br />
etwa 3,5 Millionen Euro. Der Anteil der Aufbereitung<br />
und Tankstelle liege bei etwa 20 Prozent. Er sieht die<br />
Vorteile der Bright-Biomethane-Systeme darin, dass es<br />
modulare, standardisierte Einheiten sind, für die Erfahrungswerte<br />
aus über neunjähriger Praxis vorlägen.<br />
Vor dem Transport auf die Baustelle werde zudem jede<br />
Anlage im werksseitigen Probebetrieb getestet, so könne<br />
die dreistufige Membrantechnik optimiert werden,<br />
um die hohe Methanausbeute von 99,5 Prozent zu erreichen.<br />
Futtermischwagen mit Gasantrieb<br />
angeschafft<br />
Konsequent entwickelt Eric Jonkeau Lösungen, um den<br />
produzierten Kraftstoff selbst zu verwerten. So hat er<br />
sich einen gasbetriebenen Futterwagen zugelegt und<br />
in der verworfenen Prototypen-Phase der Aufbereitung<br />
eine mobile Tankstelle in einem Hänger gebaut. Sein<br />
SUV ist ein aus den USA importiertes Toyota-Fahrzeug,<br />
das er auf CNG-Betrieb umgerüstet hat. Die Familie<br />
fährt einen weiteren Bio-CNG-betriebenen Audi. Große,<br />
vom Sohn entworfene Aufkleber weisen auf die Besonderheit<br />
hin. Jonkeau freut sich, dass er im Herbst auch<br />
einen Traktor von New Holland zur Erprobung bei der<br />
Maisernte erhält.<br />
Er blickt zuversichtlich in die Zukunft. Aufgrund verfahrenstechnischer<br />
Zusatzkapazitäten sei er in der<br />
Lage, die Biomethanproduktion zu verdoppeln, um<br />
grünes Erdgas auch ins Gasnetz einzuspeisen. Mit dem<br />
Transportnetzbetreiber Fluxys sei er bereits in Vertragsverhandlungen,<br />
deren Netz nur 400 Meter vom Hof<br />
entfernt verlaufe.<br />
Des Weiteren planten sein Sohn und er eine Tiny-<br />
House-Anlage für die Beherbergung von Touristen,<br />
und diese mit grüner (Ab-)Wärme zu versorgen. Zum<br />
Abschluss der Besichtigung resümiert Eric Jonkeau:<br />
„Ich höre nie auf, Dinge zu hinterfragen und neue<br />
Wege zu erschließen, um die Ressourcen bestmöglich<br />
und vernünftig zu nutzen. So verbessern wir uns kontinuierlich.“<br />
Auf bodenständige Weise realisiert er so in<br />
seinem Betrieb ein Innovationsprinzip, das unter anderem<br />
in Kanban-Prozessen der Industrie angewandt<br />
wird und eine agile Methode für evolutionäres Change<br />
Management ist.<br />
Autorin<br />
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109
INTERNATIONAL<br />
BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
WESTAFRIKA<br />
Biogasbranche braucht<br />
Entwicklungsschub<br />
Westafrika (WA) engagiert sich im Kampf gegen den Klimawandel,<br />
unter anderem durch die Förderung nachhaltiger Energieerzeugung.<br />
Für die WA-Länder ist der Zugang zu nachhaltiger Energie ein<br />
wichtiger Faktor für ihre Unabhängigkeit und ihre Wirtschaft. Die<br />
Erneuerbaren Energien werden zur Dekarbonisierung des Energiesektors<br />
beitragen, der lange Zeit von der Nutzung fossiler Brennstoffe<br />
dominiert wurde.<br />
Von Michel Peudré Digbeu<br />
Um die Nutzung der Erneuerbaren Energien<br />
zu unterstützen, haben die WA-Länder<br />
das ECOWAS Centre for Renewable Energy<br />
and Energy Efficiency (ECREEE) gegründet,<br />
das 2010 eingeweiht wurde. Ziel ist,<br />
den Zugang zu nachhaltiger Energie zu erleichtern und<br />
günstige Bedingungen für die Implementierung von Erneuerbare-Energien-Märkten<br />
zu schaffen. Unter diesen<br />
Energien entwickeln sich Solarenergie und Bioenergie<br />
dank der Verfügbarkeit entsprechender Ressourcen.<br />
Laut ECREEE werden die Anteile zur Solar- und Bioenergie<br />
in WA bis 2030 auf 26 Prozent beziehungsweise<br />
28 Prozent geschätzt.<br />
WA verfügt über eine große Biomasseressource (landwirtschaftliche<br />
Abfälle usw.), die für die Biogasproduktion<br />
geeignet ist. Diese Biomasse kann, wenn sie<br />
besser genutzt wird, die Hauptenergiequelle für 70<br />
bis 90 Prozent der Bevölkerung darstellen, insbesondere<br />
in ländlichen Gebieten, in denen der Zugang<br />
zu Energie schwierig ist. Die Industrie kann in den<br />
meisten WA-Ländern wie Togo, Burkina Faso und<br />
Côte d‘Ivoire ebenfalls profitieren. Zum Beispiel wird<br />
das Biomassepotenzial in Côte d‘Ivoire ab 2016 auf<br />
mehr als 6 Millionen Tonnen geschätzt, von denen<br />
nach Angaben des Ministeriums für Erdöl und Energie<br />
nur 5 Prozent valorisiert sind. Bis 2030 will Côte<br />
d‘Ivoire 500 Megawatt (MW) mit Biomasseanlagen<br />
installieren.<br />
Auf der einen Seite ist zwar genug Biomasse vorhanden,<br />
auf der anderen Seite fehlt es jedoch im Biogasbereich<br />
in den meisten Ländern an Know-how, um diese<br />
Energieform zu nutzen. Darüber hinaus mangelt es an<br />
Finanzmitteln und Investitionen, um Biogasanlagen zu<br />
errichten. Um nachhaltige Energie zu fördern, setzen<br />
Organisationen wie die Deutsche Gesellschaft für internationale<br />
Zusammenarbeit (GIZ) in WA verschiedene<br />
Entwicklungsprojekte um, die die Arbeit öffentlicher<br />
und privater Akteure ergänzen.<br />
Biogas-Marktpotenzial in WA<br />
Biogas ist eine nachhaltige Energiequelle, deren Nutzen<br />
den Verbrauch fossiler Brennstoffe in WA reduziert.<br />
Die Biogasproduktion wird durch die Verfügbarkeit organischer<br />
Biomasse erleichtert. Obwohl die Biogasnutzung<br />
viele Vorteile bietet, ist der Biogasmarkt in den<br />
meisten WA-Ländern noch gering und wenig bekannt.<br />
Um die Biogasnutzung bekannter zu machen, unterstützen<br />
und verstärken mehrere internationale und<br />
nationale Partner wie SNV oder die GIZ seit mehreren<br />
Jahren die Staaten bei der Entwicklung von Biogasprogrammen.<br />
So wurden zum Beispiel in Mali verschiedene Programme<br />
zur Förderung der heimischen Biogasproduktion<br />
gestartet. Dazu gehören: das von der GoodPlanet Foundation<br />
und der Agence Française de Développement<br />
kofinanzierte Projekt Biogaz Familial Mali. Es hat ermöglicht,<br />
dass zwischen Januar 2012 und März 2016<br />
in 108 Haushalten in den Kreisen Kita und Bougouni<br />
Biogasanlagen des indischen Deenbandhu-Modells errichtet<br />
werden konnten. Sie verfügten über Fermentervolumen<br />
von 4 Kubikmeter (m 3 ), 6 m 3 , 8 m 3 und 12 m 3 .<br />
Seit 2009 wurden in Burkina Faso dank des nationalen<br />
Biogasprogramms und der Unterstützung von SNV<br />
13.000 Biogasfermenter (10 m 3 , feste Kuppelfermenter)<br />
installiert, hauptsächlich bei Bauern. Dies hat 250<br />
Arbeitsplätze geschaffen. Ferner stehen dadurch 25<br />
Tonnen Biodünger zur Verfügung. Außerdem ersetzt<br />
Biogas das Brennholz zum Kochen. Das Fasobiogaz-<br />
Projekt, das seit 2012 von der Fasobiogaz-Anlage<br />
mit einer elektrischen Leistung von 275 kW initiiert<br />
wurde, erzeugt Strom, der aus der Methanisierung von<br />
Schlachtabfällen und anderen organischen Abfällen in<br />
das Netz eingespeist wird.<br />
Neben dem Fasobiogaz-Projekt basiert der Großteil der<br />
anaeroben Vergärungsprogramme auf der Errichtung<br />
heimischer Biogasfermenter, wobei Biogas in diesen<br />
Ländern direkt als Brennstoff verwendet wird. Neben<br />
FOTO: ADOBE STOCK_QUALITY STOCK ARTS<br />
110
BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
INTERNATIONAL<br />
diesen Projekten sind viele private Unternehmen wie<br />
Theogaz, Bieco oder Agriforce entstanden, um den Sektor<br />
in der Region zu fördern.<br />
Lage und Marktpotenzial von Biogas<br />
in Côte d‘Ivoire<br />
1990 führten die GTZ (heute GIZ) und ANADER<br />
(Agence National d‘Appui au Développement Rural)<br />
die ersten Biogastests in Côte d‘Ivoire durch. Seitdem<br />
hat sich der Sektor durch verschiedene Maßnahmen<br />
und dank der Verfügbarkeit von Biomasse schrittweise<br />
entwickelt. Das Entwicklungsprogramm der Vereinten<br />
Nationen installierte 2013 fünf Biogasanlagen für<br />
Grundschulen in der nördlichen Region, um diese Art<br />
der Energieerzeugung in den Gemeinden bekannt zu<br />
machen.<br />
Auf industrieller Ebene produzieren Unternehmen wie<br />
PALMCI Biogas für den eigenen Energieverbrauch. Auf<br />
halbindustrieller Ebene gibt es auch einige Aktivitäten:<br />
So zum Beispiel die Errichtung von Pilotanlagen im Jahr<br />
2019 unter Shea-Produzenten in Korhogo durch FIRCA<br />
und unter weiblichen Maniokgrießproduzenten in Bouaké<br />
durch die französische NGO Nitidae. Gleichzeitig<br />
engagieren sich viele private Unternehmen (LONO CI –<br />
https://www.lonoci.com/Services und andere), obwohl<br />
ihre Produkte immer noch teuer sind, insbesondere für<br />
Menschen in ländlichen Gebieten.<br />
Auch heute unterstützt die deutsche Kooperation<br />
Initiativen zur Förderung des Biogassektors durch<br />
Programme wie das Projekt Wasser und Energie für<br />
Lebensmittel (WE4F). WE4F-Westafrika ist Teil der<br />
internationalen WE4F-Initiative, die von fünf Gebern,<br />
dem Bundesministerium für Zusammenarbeit und Entwicklung<br />
(BMZ), der Europäischen Union, dem Außenministerium<br />
des Königreichs der Niederlande, der Swedish<br />
International Development Cooperation Agency<br />
(SIDA) und der United States Agency for International<br />
Development (USAID), finanziert und umgesetzt wird.<br />
Dieses Projekt trägt zur Verbreitung und Förderung von<br />
Innovationen im Zusammenhang mit grünen Lebensmitteln<br />
und der Biogasproduktion bei.<br />
In diesem Zusammenhang konnte ein Partnerschaftsprojekt<br />
mit dem ivorischen Fruchtsaftproduzenten<br />
(Ananas, Mango, Passionsfrucht usw.) unterzeichnet<br />
werden. Africa Foodies produziert seit Dezember<br />
2018 in Abidjan. Die Produkte des Unternehmens<br />
werden in großen Supermärkten in Abidjan verkauft.<br />
Dieses Projekt zielt darauf ab, die Abfälle des Unternehmens<br />
zur Erzeugung von Biogas zu verwerten. Das<br />
Unternehmen erzeugt durchschnittlich eine Tonne Abfall<br />
(Peelings etc.) pro Woche und nutzt Energie aus<br />
dem Netz sowie Butangas zur Herstellung und Konservierung<br />
von Fruchtsäften, was erhebliche Kosten<br />
verursacht. Das Biogas wird in Zukunft aus ei<br />
Die Fruchtsaftproduktion von Africa<br />
Foodies in Abidjan wird künftig ihren<br />
Energiebedarf aus einer nachgelagerten<br />
Biogasanlage decken.<br />
111
INTERNATIONAL<br />
BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
Vergärbare<br />
Fermentecibles Stoffe 45%<br />
Abgaswärmetauscher<br />
Typisches Abfallaufkommen in Abidjan (2018)<br />
13%<br />
Végétaux Pflanzen<br />
Autres Andere<br />
7%<br />
nem kontinuierlichen, röhrenförmigen, vorgefertigten,<br />
modularen und flexiblen Biogasfermenter erzeugt. Die<br />
Gesamtanlage besteht aus mehreren Komponenten,<br />
darunter einer Mühle und einer Gaspumpe. Die Produktionskapazität<br />
der Anlage wird auf 20 m 3 Gas pro<br />
Tag geschätzt (entspricht 10 Kilogramm Flüssiggas pro<br />
Tag). Künftig soll sie 40 Tonnen Abfall pro Jahr verarbeiten.<br />
Die ausgewählte Anlagentechnik wird von der ivorischen<br />
Firma SIVEBIO (Société Ivoirienne de Valorisation<br />
Energétique de la Biomasse), einem Partner der<br />
kolumbianischen Firma sistema.bio, Entwickler der<br />
Technologie, installiert. Nach der Produktion werden<br />
40 Prozent des Biogases als Brennstoff für die Pasteurisierung<br />
der Fruchtsäfte verwendet. Die restlichen<br />
60 Prozent werden in Strom umgewandelt, um unter<br />
anderem den Kühlraum mit Strom zu versorgen. Der<br />
Gärdünger wird später den Partnerbauern von Africa<br />
Foodies zur Verfügung gestellt.<br />
Africa Foodies kann dank der Biogasanlage seine Produktion<br />
optimieren und seine Kosten sowie seinen<br />
Energieverbrauch senken. Das<br />
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15%<br />
2%<br />
3%<br />
9%<br />
Privatsektor und internationalen Organisationen und<br />
Feinanteile, Inertes: fines, Kiesel- cailloux,<br />
NGOs hat die ivorische Regierung versucht, den Sektor<br />
steine, verreGlas<br />
durch die Verabschiedung von Gesetzen zu regulieren,<br />
aber dies muss vor Ort noch geschehen.<br />
Métaux Metalle<br />
Textilien Textiles<br />
Plastik Plastiques<br />
Papier Papier und et Karton cartons<br />
Quelle: Weltbank (2018).<br />
GIZ ermöglichen, durch verschiedene<br />
Aktionen zur Förderung<br />
des Biogassektors in Côte<br />
d‘Ivoire beizutragen, wie zum<br />
Beispiel durch die Organisation<br />
von Demoveranstaltungen<br />
auf dem Africa-Foodies-Gelände<br />
für andere Fruchtsaftproduzenten<br />
und -partner oder<br />
durch die Teilnahme an Messen<br />
und Workshops, um die<br />
Ergebnisse des Projekts zu<br />
präsentieren. Abgesehen vom<br />
Chancen, Herausforderungen und<br />
Empfehlungen für die Biogasbranche<br />
Die Entwicklung des Biogassektors in Westafrika kann<br />
dazu beitragen, die Auswirkungen des Klimawandels<br />
zu reduzieren, Arbeitsplätze zu schaffen, Armut zu verringern,<br />
die landwirtschaftliche Produktion zu steigern<br />
und den Zugang zu sauberer Kochenergie oder Elektrizität<br />
zu verbessern. Trotz der vielen Chancen bringt<br />
der Biogassektor auch einige Herausforderungen und<br />
Einschränkungen mit sich. Es fehlt an Finanzmitteln<br />
für den Ausbau und die Entwicklung des Biogassektors<br />
sowie an Zugang zu wirtschaftlichen Anreizen für<br />
Biogasunternehmen. Auf rechtlicher Ebene ist die<br />
Entwicklung des Biogassektors in einigen Ländern wie<br />
Côte d‘Ivoire noch nicht formalisiert, insbesondere aufgrund<br />
fehlender offizieller Vorschriften.<br />
Um den Biogassektor bestmöglich zu entwickeln und<br />
den Herausforderungen und Zwängen zu begegnen,<br />
sollten bestimmte Maßnahmen ergriffen werden. Erstens:<br />
die Schaffung eines günstigen Umfelds für Investitionen<br />
des Privatsektors und nachhaltige Marktbedingungen<br />
für die Entwicklung des Biogassektors.<br />
Sie sind von wesentlicher Bedeutung. Zweitens: Auf<br />
finanzieller Ebene sollte die Entwicklung innovativer<br />
Finanzprodukte gefördert und sollten Steuerbefreiungen<br />
gewährt werden, mit Subventionen oder Erleichterungen<br />
für den Sektor. Drittens: Auf rechtlicher Ebene<br />
ist die Schaffung eines formalen Rechtsrahmens von<br />
entscheidender Bedeutung. Schließlich könnten Demonstrationstage,<br />
die die Biogasproduktion erläutern,<br />
organisiert werden,<br />
Fazit: Der Biogassektor ist in WA noch lange nicht entwickelt.<br />
Während in manchen WA-Ländern die Biogasbranche<br />
darauf wartet, durchzustarten, haben andere<br />
Regionen bereits erhebliche Anstrengungen unternommen,<br />
diese Art der Energieerzeugung zu etablieren. Mit<br />
der Umsetzung der empfohlenen Maßnahmen, der Unterstützung<br />
verschiedener technischer und finanzieller<br />
Partner wie der GIZ und dem politischen Willen werden<br />
die Erneuerbaren Energien, insbesondere Biogas, in<br />
WA florieren.<br />
Autor<br />
Michel Peudré Digbeu<br />
Technical Advisor for the global<br />
Water and Energy for Food Initiative (WE4F)<br />
112
BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
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BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
Aus der<br />
Verbandsarbeit<br />
BERICHT AUS DER GESCHÄFTSSTELLE<br />
„Knebelfristen“ bei der<br />
Umsetzung der Nachhaltigkeitsverordnung<br />
Alle Blicke waren in den vergangenen Wochen und Monaten auf den<br />
Bundestagswahlkampf und die Sondierungs- beziehungsweise Koalitionsgespräche<br />
gerichtet.<br />
Von Dr. Stefan Rauh und Dipl.-Ing. agr. (FH) Manuel Maciejczyk<br />
Das Referat Politik/Hauptstadtbüro<br />
Bioenergie hat<br />
die heiße Phase des Bundestagswahlkampf<br />
und die<br />
sich anschließenden Sondierungsgespräche<br />
intensiv begleitet.<br />
Die Bioenergieverbände haben dazu ein<br />
Papier mit eigenen Vorschlägen für die<br />
künftige Bundesregierung veröffentlicht,<br />
das nun an ausgewählten Terminen mit<br />
den einschlägigen Fachpolitikern diskutiert<br />
wird. Ziel: Positive Botschaften<br />
zu Biogas auch im Koalitionsvertrag der<br />
nächsten Bundesregierung zu verankern.<br />
Hierzu arbeitet der Fachverband auf allen<br />
Ebenen, im Dachverband sowie in<br />
den einzelnen Landesstrukturen. Im „Tagesgeschäft“<br />
geht es neben der großen<br />
Politik der Zukunft leider auch weiterhin<br />
um viele Hürden und Hemmnisse der<br />
Gegenwart: von den Fallstricken im EEG<br />
<strong>2021</strong> bis hin zu den Unsicherheiten und<br />
Knebelfristen in der Nachhaltigkeitsverordnung.<br />
Nachhaltigkeitsverordnungen<br />
zur Notifizierung in Brüssel<br />
Die Nachhaltigkeitsverordnungen (BioSt-<br />
Nach für den KWK-Bereich; BioKraft-<br />
NachV für den Kraftstoffbereich) befinden<br />
sich nach wie vor in Brüssel bei der<br />
EU zur Notifizierung. Das heißt, es wird<br />
geprüft, ob der Entwurf der Bundesregierung<br />
den Vorgaben der EU-Richtlinie<br />
(RED II) entspricht. Dieser Prüfvorgang<br />
dauert bis zum 11. November. Sollte das<br />
Ergebnis positiv sein – wovon auszugehen<br />
ist – ist mit einem zügigen Inkrafttreten in<br />
unveränderter Form zu rechnen. Die Umsetzungsfristen<br />
sind aus Sicht der Bioenergiebranche<br />
viel zu kurz, weswegen<br />
die zuständigen Ministerien hinsichtlich<br />
einer praxisgerechten Umsetzung nochmals<br />
angeschrieben wurden.<br />
Im Mitgliederservice erreichen die Geschäftsstelle<br />
zahlreiche Fragen, die in<br />
einer FAQ-Liste gesammelt werden. Anfang<br />
November findet ein Austausch mit<br />
den Zertifizierungssystemen statt. Dabei<br />
soll die FAQ-Liste besprochen werden, so<br />
dass in der Zertifizierungspraxis ein roter<br />
Faden entsteht. Nach dem Gespräch wird<br />
die FAQ-Liste veröffentlicht und werden<br />
Online-Seminare angeboten. Mit diesem<br />
Vorgehen soll vermieden werden, dass Informationen<br />
weitergegeben werden, die<br />
dann so nicht von den Systemen getragen<br />
werden.<br />
114
BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
Engagiert. Aktiv. Vor Ort. Und in Berlin: Der Fachverband Biogas e.V.<br />
Wahlen in den Regionalgruppen<br />
Dieses Jahr ist nicht nur Bundestagswahljahr,<br />
sondern auch wieder die Wahl der ehrenamtlichen<br />
Regionalgruppenvertreter des Fachverbandes.<br />
Die ersten Ergebnisse der Wahlen aus den Regionalgruppen<br />
Thüringen, Sachsen, Oberpfalz, Niederbayern,<br />
Mittelfranken und Ober/Unterfranken<br />
liegen nun vor. Die noch offenen Posten der weiteren<br />
Regionalgruppen werden bis Ende November<br />
offiziell besetzt und bekanntgegeben werden.<br />
RG Thüringen: RG-Sprecher: Lukas Rohm. Betreibersprecher:<br />
Thomas Balling.<br />
RG Sachsen: RG-Sprecher: Holger Kübler. Betreibersprecher:<br />
Arne Phillipp. Stellvertreter: Alfons<br />
Himmelstoß, Martin Maslaton, Frank Vetterlein,<br />
Frank Terpitz.<br />
RG Oberpfalz: RG-Sprecher: Markus Bäuml.<br />
Betreibersprecher: Josef Hammer. Stellvertreter:<br />
Leo Rösel, Jakob Bauer.<br />
RG Niederbayern: RG-Sprecher: Franz Winkler.<br />
Betreibersprecher: Sebastian Altmann. Stellvertreter:<br />
Robert Wagner, Ludwig Scheugenpflug.<br />
RG Ober/Unterfranken: RG-Sprecher: Andreas<br />
Popp. Betreibersprecher: Alfred Bauer. Stellvertreter:<br />
Dietmar Greulich, Bernd Neupert.<br />
RG Mittelfranken: RG-Sprecher: Peter Hecht.<br />
Betreibersprecher: Werner Rück. Stellvertreter:<br />
Christian Endreß, Monika Volkert, Thorsten Sturm,<br />
Michael Schneider.<br />
Wir freuen uns, dass sich wieder viele altbewährte<br />
Gesichter bereiterklärt haben, den Fachverband<br />
mit ihrer Expertise und ihrem Engagement zu unterstützen.<br />
Natürlich sind wir auch begeistert, dass<br />
sich einige neue Kandidaten engagieren möchten.<br />
Wir gratulieren den gewählten Kandidat*innen und<br />
freuen uns auf eine gemeinsame Zeit, in der wir für<br />
verlässliche Rahmenbedingungen, neue Anreize<br />
und weniger kostenintensive Auflagen kämpfen<br />
werden. Ein starker Verband zeichnet sich durch<br />
sein starkes Ehrenamt aus!<br />
Kleine Novelle der<br />
Bioabfallverordnung<br />
Ende September wurde die kleine Novelle<br />
der Bioabfallverordnung im Bundeskabinett<br />
beschlossen. Darin wurden nun Punkte<br />
angenommen, die auch an wesentlichen<br />
Forderungen der Stellungnahme des Fachverbandes<br />
angelehnt sind. Insbesondere<br />
ist hier der Bezug des Kontrollwertes auf<br />
Gesamtkunststoffe von 0,5 Prozent (%)<br />
Trockenmasse (TM) >2 Milimeter (mm) bei<br />
flüssigen, 0,5% Frischmasse (FM) >20 mm<br />
bei festen und 1,0% (FM) >2 mm bei festen<br />
Bioabfällen aus der Sammlung von privaten<br />
Haushalten sowie eine Rückweisungsmöglichkeit<br />
bei >3 % (FM) zu nennen.<br />
Wenn das Notifizierungsverfahren Mitte<br />
Dezember beendet ist, muss der Bundesrat<br />
dem Verordnungsentwurf noch zustimmen.<br />
Mit einer endgültigen Beschlussfassung<br />
und Veröffentlichung ist im Frühjahr 2022<br />
zu rechnen. Zwölf Monate nach Verkündung<br />
treten dann die Änderungen der novellierten<br />
Verordnung in Kraft. Der neu eingeführte<br />
Paragraf (§) 2a zu den Regelungen des<br />
Kontrollwertes und der Rückweisungsmöglichkeit<br />
tritt erst nach 36 Monaten in Kraft.<br />
Projektworkshop „ZertGas“<br />
Bereits im Oktober fand im Rahmen des<br />
Projekts „ZertGas“ ein zweiter Workshop<br />
zur Nachhaltigkeitszertifizierung im Kontext<br />
der Erneuerbare-Energien-Richtlinie<br />
(RED II) statt. Der Workshop diente einerseits<br />
dazu, über das Projekt zu informieren.<br />
Andererseits wurden Ergebnisse aus<br />
dem Projekt vorgestellt und mit den Workshopteilnehmern<br />
diskutiert. Es wurde dabei<br />
klar, welch große Herausforderung die<br />
Erweiterung der Nachhaltigkeitsanforderungen<br />
auf den Strom- und Wärmebereich<br />
für die Biogasbranche darstellt.<br />
Erneut nachteilige Perspektiven<br />
im Netzentwicklungsplan<br />
Im Oktober hat das Referat Stromnetze<br />
und Systemdienstleistungen erneut eine<br />
Stellungnahme zum Netzentwicklungsplan<br />
abgegeben. Deutlicher Kritikpunkt<br />
war erneut, dass die Rolle der Bioenergie<br />
von den Übertragungsnetzbetreibern nicht<br />
anerkannt wird. Insbesondere bei den Ergebnissen<br />
der Strommarktdesignstudie<br />
des Bundesverbandes Erneuerbare Energie<br />
(BEE) e.V. hat sich gezeigt, dass der Bioenergie<br />
auch in Zukunft eine wichtige Rolle<br />
im Strommarkt zukommen muss. Dies<br />
haben wir zum Anlass genommen, sowohl<br />
Bundesnetzagentur als auch Übertragungsnetzbetreiber<br />
aufzufordern, die Bioenergie<br />
im Netzentwicklungsplan angemessen zu<br />
berücksichtigen.<br />
Immer wenn wir Energie brauchen, kann Biogas liefern:<br />
Bei Tag und Nacht, bei Wind und Wetter.<br />
Kontrollen zum Düngerecht<br />
Nach wie vor werden in mehreren Bundesländern<br />
Kontrollen hinsichtlich düngerechtlicher<br />
Anforderungen vorgenommen.<br />
Maßgebliche Schwierigkeiten entstehen<br />
hauptsächlich durch die Abweichungen<br />
der Nährstoffgehalte auf Betriebsebene,<br />
die nicht über hinterlegte Standardwerte<br />
abgebildet werden können. Je nachdem, ob<br />
die zuständigen Vollzugsbehörden Berechnungsprogramme<br />
zur Verfügung stellen,<br />
sollten diese Programme bereits im Vorfeld<br />
einer Kontrolle genutzt werden, so dass ermittelten<br />
Unstimmigkeiten auch unterjährig<br />
nachgegangen werden kann. Die Service<br />
GmbH des Fachverbandes bietet in<br />
Regional. Verlässlich. Klimafreundlich. Biogas kann‘s!<br />
115
VERBAND<br />
BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
diesem Zusammenhang weiterhin Webseminare mit<br />
Vertretern der zuständigen Behörden an, um Antworten<br />
zu aktuellen Fragen auf direktem Weg bekommen zu<br />
können.<br />
Service GmbH startet Düngeberatungen<br />
Nach erfolgreich durchgeführten Testberatungen bietet<br />
die Fachverband Biogas Service GmbH jetzt modular<br />
aufgebaute Düngeberatungen für Mitglieder des Verbandes<br />
an. Dabei werden alle für den Biogasbereich<br />
wichtigen Gesetzestexte und Regelwerke wie Düngegesetz,<br />
Stoffstrombilanzverordnung, Wirtschaftsdüngerverbringungsverordnung<br />
etc. ausführlich besprochen<br />
und der Betreiber erhält so eine fachlich fundierte<br />
Beratung, welche genau auf die Bedürfnisse der Biogasbranche<br />
zugeschnitten ist (siehe auch Artikel auf<br />
Seite 26).<br />
Weiterhin hat unsere Düngeberaterin Sophia Heinze<br />
das Anerkennungsverfahren als Qualitätsbetreuerin in<br />
der Bundesgütegemeinschaft Kompost e.V. erfolgreich<br />
durchlaufen. Damit wird sie zukünftig einen Teil der<br />
Anlagen in der Gütegemeinschaft Gärprodukte e.V. in<br />
der RAL-Gütesicherung unterstützen. Diese Zusatzdienstleistung<br />
kann ideal mit den Düngeberatungen<br />
verknüpft werden, so dass Frau Heinze auf ein umfangreiches<br />
Wissen im Düngebereich zugreifen kann.<br />
Nähere Informationen können der Verbandshomepage<br />
entnommen werden.<br />
Fast 170 Aussteller auf der BIOGAS-<br />
Fachmesse in Nürnberg<br />
Im Referat Veranstaltungen laufen seit Anfang September<br />
die Vorbereitungen für die BIOGAS Convention Digital<br />
vom 22. bis 26. November und die BIOGAS Trade<br />
Fair Live in Nürnberg vom 7. bis 9. Dezember auf Hochtouren.<br />
Für die BIOGAS Convention Digital können Sie<br />
sich noch in den nächsten vier Wochen anmelden,<br />
gerechnet wird mit etwa 350 Teilnehmer*innen. Auf<br />
der Fachmesse in Nürnberg präsentieren sich fast 170<br />
Unternehmen mit ihren Angeboten und Innovationen.<br />
Darüber hinaus organisierte und betreute das Referat<br />
im September und Oktober einige Web-Seminare, unter<br />
anderem den 11. Erfahrungsaustausch für Sachverständige<br />
nach §29b BImSchG (siehe Artikel auf Seite<br />
126), den 15. Erfahrungsaustausch „Umweltgutachter<br />
im EEG“ und den Workshop „Nachhaltigkeitszertifizierung<br />
und THG-Bilanzierung nach RED II bei Biogasanlagen“.<br />
Für die Service GmbH wurden die Web-Seminare<br />
„Rechtliche Fallstricke beim Austausch von BHKW“<br />
und „Netzanschluss von BHWK – Rechtliche Rahmenbedingungen<br />
und Stolpersteine“ durchgeführt. Auch<br />
2022 beschäftigt die Veranstaltungsplaner bereits:<br />
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116
BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
VERBAND<br />
Die Vorbereitungen für die DLG-Feldtage, den Gemeinschaftsstand<br />
auf der IFAT, den Abfallvergärungstag und<br />
30 Jahre Fachverband Biogas sind bereits angelaufen.<br />
15. Erfahrungsaustausch<br />
„Umweltgutachter im EEG“<br />
In guter Tradition fand Ende September der Erfahrungsaustausch<br />
der EEG-Umweltgutachter statt. Die 15.<br />
Auflage wurde wie im letzten Jahr auch schon in digitaler<br />
Form abgehalten. Die Teilnehmer hatten diesmal die<br />
Möglichkeit, in digitalen Diskussionsräumen mit den<br />
Referent*innen und anderen Umweltgutachter*innen<br />
zu diskutieren. Dieses zusätzliche Angebot wurde sehr<br />
gut angenommen.<br />
Den Schwerpunkt der Veranstaltung bildete wie üblich<br />
der Bericht zur Regelaufsicht durch Marc Hoffmann<br />
von der Umweltgutachteraufsichtsbehörde DAU GmbH<br />
aus Bonn. Die meisten Fragestellungen liegen nach<br />
wie vor im Bereich des KWK-Bonus. Zu den kritischen<br />
Punkten zählen in diesem Zusammenhang immer noch<br />
die Holztrocknung im Wärmenetz sowie der Nachweis<br />
des Ersatzes fossiler Energie. Im Jahr 2020 kam es<br />
zu keinen coronabedingten Problemen bei den Vor-Ort-<br />
Terminen und der Erstellung der Gutachten.<br />
Weitere fachliche Beiträge bildeten die Vorträge von<br />
Mitarbeitern der Geschäftsstelle: Dr. Stefan Rauh berichtete<br />
zu aktuellen Themen aus der Verbandsarbeit<br />
und Dr. Andrea Bauer aus dem Referat Energierecht<br />
und -handel stellte aktuelle Entscheidungen von Gerichten<br />
und der Clearingstelle EEG/KWKG vor. Abgerundet<br />
wurde die Veranstaltung von Peter Jürgens,<br />
Geschäftsführer der REDCert GmbH, der die Umweltgutachter<br />
über die Zulassung als Auditor für die Nachhaltigkeitszertifizierung<br />
informierte. Im Jahr 2022 soll<br />
der Erfahrungsaustausch dann wieder in Präsenz veranstaltet<br />
werden.<br />
Vorentwürfe des „Fit for 55“-Paketes<br />
in der Kommentierungsphase<br />
Erneuerbare Gase aus Biomasse sowie deren Potenzial<br />
zur Treibhausgasminderung im Strom-, Verkehrs- und<br />
Wärmesektor bleiben unverzichtbar – die Arbeiten am<br />
„Fit for 55“-Paket der EU inklusive zugehöriger Verordnungen<br />
und Direktiven sind in vollem Gange. Verbände<br />
und Interessenvertreter der EU-Mitgliedsländer sind<br />
zur Kommentierung der Entwürfe aus regionaler Sicht<br />
aufgerufen. Im Zuge der aktuellen und zu erwartenden<br />
Regelungen auf EU- und nationaler Ebene ergeben<br />
sich aus Sicht der Stabsstelle weiterhin Chancen zur<br />
regionalen Wertschöpfung sowie in Zukunft für den<br />
grenzüberschreitenden Handel von beziehungsweise<br />
mit Biomethan.<br />
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VERBAND<br />
BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
Einrichtung eines Kernteams<br />
Genehmigung<br />
Bei der Realisierung von Neubauten oder<br />
bei Änderungen von Biogasanlagen ergeben<br />
sich inzwischen eine Vielzahl von<br />
zunehmend komplexen Fragestellungen.<br />
Neben der grundsätzlichen föderalen Herausforderung<br />
regionaler Unterschiede im<br />
Vollzug von eigentlich einheitlichen Bundesregelungen<br />
werden auch die diversen<br />
Wechselwirkungen der Maßgaben einzelner<br />
Fach- und Rechtsgebiete untereinander<br />
zunehmend unübersichtlicher – und zwar<br />
für alle Beteiligte gleichermaßen, seien es<br />
Betreiber, Behördenvertreter oder der Gesetzgeber.<br />
Parallel kommen außerdem immer neue<br />
„Problemzonen“ dazu: Ob neue Anwendungsfelder<br />
für Biogas, die Kombination<br />
unterschiedlicher Erneuerbarer Energien an<br />
einem Standort, über das klassische Separieren<br />
hinausgehende Aufbereitungsverfahren<br />
von Gärprodukten oder zum Beispiel die<br />
stoffliche Nutzung von Gärprodukten – die<br />
Fragen werden nicht weniger, die Rechtslage<br />
nicht überschaubarer und vielfach muss<br />
eine Antwort schuldig geblieben werden,<br />
weil der Rechtsrahmen schlicht (noch) keine<br />
Antwort bereithält. Um diesen aktuellen,<br />
aber auch strategischen Fragestellungen<br />
und Herausforderungen zukünftig schneller<br />
und gezielter begegnen zu können, hat das<br />
Präsidium des Fachverbandes das Kernteam<br />
Genehmigung ins Leben gerufen. Das<br />
interdisziplinär aus Vertretern relevanter<br />
Arbeitskreise und Fachreferate besetzte<br />
Gremium trifft sich im regelmäßigen Rhythmus<br />
und arbeitet dem Präsidium zur Positions-<br />
und Entscheidungsfindung zu. Die<br />
Nachruf<br />
Harm Grobrügge<br />
*12.05.1955 †21.09.<strong>2021</strong><br />
Der Fachverband Biogas e.V. und die gesamte deutsche sowie<br />
europäische Biogasbranche trauern mit großer Betroffenheit<br />
um Harm Grobrügge, der am 21. September plötzlich im Alter<br />
von 66 Jahren verstarb. Als Biogasfachmann war er ein gefragter<br />
Experte für Anlagenbetreiber, Politik und Unternehmen der<br />
Branche. Schon früh betrieb er auf seinem Landwirtschaftsbetrieb<br />
eine Biogasanlage, in der er unter anderem die Schlempe<br />
seiner kleinen Brennerei als Einsatzstoff nutzte. Fasziniert von<br />
der Technologie setzte er sich fortan für diese Form der Energieerzeugung<br />
ehrenamtlich mit sehr hohem Engagement ein.<br />
So war er seit ihrer Gründung bis zuletzt Sprecher der Regionalgruppe<br />
Nordhannover. Seit Mitte der 90er Jahre war er Mitglied<br />
des Präsidiums des Fachverbandes Biogas e.V. Darüber hinaus<br />
war er mehr als zwei Jahrzehnte Vorstandsmitglied des Bundesverbandes<br />
Erneuerbare Energie e.V. Er begleitete und forcierte<br />
die Gründung des Europäischen Biogasverbandes (EBA) von<br />
Anfang an mit. Dessen Vizepräsident war er seit der Gründung<br />
im Jahr 2009 bis zum Jahr 2019. In 2019 wurde er Präsident<br />
der EBA und war dies bis zu seinem Tode. Auf europäischer<br />
Ebene hat er zudem regelmäßig den Fachverband Biogas e.V.<br />
im Board der European Renewable Energies Federation (EREF)<br />
vertreten.<br />
Harm Grobrügge war seit der Gründung der Clearingstelle in<br />
Deutschland im Jahr 2007 ein wichtiger und prägender Bestandteil<br />
der Clearingstelle EEG|KWKG. Er war vor allem an<br />
den Gerichtsverfahren der Clearingstelle beteiligt, die zu einer<br />
langen Liste von Empfehlungen zur Auslegung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes<br />
geführt haben. Harm Grobrügge hat die<br />
Arbeit der Clearingstelle 14 Jahre lang begleitet und mit Rat<br />
und Tat dazu beigetragen, diese von den Anfängen an weiterzuentwickeln.<br />
Mit höchstem Engagement hat er sich für Rahmenbedingungen<br />
eingesetzt, die eine nachhaltige und wirtschaftliche Biogasproduktion<br />
ermöglichen. Dabei standen seine persönlichen<br />
Interessen immer im Hintergrund, weil er das große Ziel des<br />
Klimaschutzes und der Energiewende verfolgt hat. Seine Einschätzung<br />
und sein Rat waren auf vielen Ebenen – so auch im<br />
Fachverband Biogas – oft gefragt. Er war nicht nur ausgewiesener<br />
Fachmann der Biogascommunity, sondern auch Moderator,<br />
Referent und Mitgestalter zahlreicher Veranstaltungen.<br />
Mit Harm Grobrügge verliert die Biogasfamilie in Deutschland<br />
und Europa ein engagiertes und charismatisches Mitglied.<br />
Wir werden seine Expertise, aber auch den Menschen Harm<br />
Grobrügge vermissen.<br />
Unsere Gedanken sind bei seiner Familie.<br />
Horst Seide<br />
Präsident des<br />
Fachverbandes Biogas e.V.<br />
Dr. Claudius da Costa Gomez<br />
Hauptgeschäftsführer des<br />
Fachverbandes Biogas e.V.<br />
118
BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
VERBAND<br />
seit längerem vom Fachverband<br />
geforderten Konkretisierungen<br />
zum Neubeschluss des LAI zum<br />
Erhalt des Luftreinhaltebonus<br />
wurden jetzt im September veröffentlicht<br />
(siehe Seite 76).<br />
Neuwahl im AK<br />
Sicherheit und neue<br />
Entwicklungen bei TRGS<br />
529 und TRAS 120<br />
Der AK Sicherheit hat in seiner<br />
Sitzung am 16. September Josef<br />
Ziegler (ARGE Biogas Safety<br />
First GbR) als Sprecher des<br />
AK Sicherheit wiedergewählt.<br />
Als stellvertretenden Sprecher<br />
ernannten die Mitglieder erneut<br />
Philipp Berns (Danpower<br />
GmbH). Die Diskussionen in der<br />
Sitzung drehten sich insbesondere<br />
um die derzeit in Überarbeitung<br />
befindliche TRGS 529<br />
sowie die Umsetzung der TRAS<br />
120 und der neuen TA Luft.<br />
Die teilweise abweichungsfeste<br />
Umsetzung der TRAS 120<br />
in Bayern war auch Gegenstand mehrerer<br />
Gesprächstermine mit dem Bayrischen<br />
Umweltministerium und dem zuständigen<br />
Staatsminister Glauber. Im Ergebnis konnte<br />
nochmal klargestellt werden, dass eine<br />
Abweichung von der TRAS 120 immer möglich<br />
ist, wenn der §29b-BImSchG-Sachverständige<br />
dies ausreichend begründet und<br />
gleichwertige Maßnahmen akzeptiert.<br />
In der Kommission für Anlagensicherheit<br />
konnte auf Initiative des Fachverbandes<br />
eine vorgezogene Überarbeitung der TRAS<br />
120 für Ende 2022 festgelegt werden. Um<br />
Klarheit über die Art und Weise der Durchführung<br />
von sicherheitstechnischen Prüfungen<br />
für Membranspeichersysteme im<br />
Rahmen der TRAS 120 zu erlangen, wird<br />
derzeit das Merkblatt DWA-M 377 überarbeitet.<br />
Mit einem ersten Entwurf ist noch in<br />
diesem Jahr zu rechnen.<br />
Da im Rahmen der Überarbeitung der<br />
TRGS 529 die Eingangskontrollen von<br />
besonderen Einsatzstoffen (Bioabfällen)<br />
pauschal vorgesehen waren, konnte durch<br />
eine Intervention des Fachverbandes das<br />
Thema nochmals im Rahmen eines Expertenfachgespräches<br />
Anfang Oktober diskutiert<br />
werden. Es konnte dabei den Entscheidungsträgern<br />
verdeutlicht werden, dass<br />
eine einsatzstoff- und anlagenspezifische<br />
In memoriam<br />
Mit großer Trauer haben wir erfahren, dass<br />
Harm Grobrügge am 21. September <strong>2021</strong><br />
verstorben ist.<br />
Harm Grobrügge war der Clearingstelle<br />
EEG|KWKG seit ihrer Gründung im Jahr<br />
2007 sehr eng verbunden. Er war über diese<br />
gesamte Zeit Vertreter des Bundesverbands<br />
Erneuerbare Energie e.V. und daher mit Sitz<br />
und Stimme Teil der Kammer, die über unsere<br />
Empfehlungen beriet und entschied.<br />
Er hat diese Empfehlungen und die gesamte<br />
Clearingstelle durch seine große praktische<br />
Erfahrung, seine Bereitschaft zur engagierten<br />
Diskussion und seine fachkundigen Beiträge<br />
auf unseren Fachgesprächen ganz maßgeblich<br />
mitgeprägt.<br />
Für all dies und mehr danken wir ihm.<br />
Die Clearingstelle wird Harm Grobrügge<br />
schmerzlich vermissen.<br />
Gefährdungsbeurteilung die Grundlage für<br />
die Nutzung von Eingangstests (pH-Wert,<br />
Säuretest etc.) darstellen muss.<br />
Übersetzung der<br />
Bioabfallbroschüre<br />
Aktuell wird die Broschüre „Biowaste to<br />
Biogas“ für den südamerikanischen und<br />
iberischen Markt ins Spanische übersetzt.<br />
Hierfür wurde bereits im August Mitgliedern<br />
wieder die Möglichkeit geboten, sich<br />
im Rahmen eines Firmenprofils präsentieren<br />
zu können sowie Vorschläge zu Referenzanlagen<br />
einzureichen.<br />
Die aktuellen Rückmeldungen zeigen großes<br />
Interesse seitens der Firmen und damit<br />
auch, dass auf dem südamerikanischen<br />
Markt Aktivität und Bedarf herrscht. Somit<br />
bedient und erweitert der Fachverband Biogas<br />
zukünftig die internationale Nachfrage<br />
nach einer Marktübersicht über die Vorteile<br />
und Möglichkeiten der Vergärung von Abfall-<br />
und Reststoffen auf sechs Sprachen.<br />
Neues von den KVP-Projekten<br />
Am 1. Oktober startete das neue Kammer-<br />
und Verbandspartnerschaftsprojekt<br />
(KVP) zwischen dem deutschen und dem<br />
serbischen Biogasverband. Das gemeinsame<br />
Ziel im Projekt ist, den serbischen Verband<br />
zu stärken, einen aktiven<br />
Dialog samt Know-how-Transfer<br />
zu gestalten und Unterstützung<br />
bei der Interessensvertretung in<br />
Politik und Gesellschaft anzubieten.<br />
Im November findet der Feinplanungsworkshop<br />
und damit offizieller<br />
Kick-off zum KVP statt,<br />
in dem die Partner gemeinsam<br />
die Ziele für die nächsten drei<br />
Jahre konkretisieren. Der indische<br />
Biogasverband (IBA) organisierte<br />
in Zusammenarbeit<br />
mit dem Fachverband einen<br />
Messestand auf der Renewable<br />
Energy India (REI) Expo. An der<br />
Biogas-Konferenz beteiligte sich<br />
die IBA ebenfalls mit zwei Fachvorträgen.<br />
Im KVP Uganda ist das Büro der<br />
Uganda National Biogas Alliance<br />
(UNBA) nun regelmäßig<br />
mit einer Mitarbeiterin besetzt.<br />
Mitgliederanfragen können nun<br />
entgegengenommen werden.<br />
Die Internetseite der UNBA wird<br />
in Kürze online gehen und somit wird die<br />
Wahrnehmung in der Öffentlichkeit gestärkt.<br />
Mitgliederversammlung mit<br />
Neuwahlen des Präsidiums<br />
Der Fachverband Biogas e.V. lädt seine<br />
Mitglieder zur ordentlichen Mitgliederversammlung<br />
– digital – am 2. Dezember um<br />
16.00 Uhr ein. Ein besonders wichtiger<br />
Punkt sind die anstehenden turnusmäßigen<br />
Neuwahlen des Präsidiums. Dabei<br />
ist zu beachten, dass das Präsidium im<br />
Rahmen der letzten außerordentlichen<br />
Mitgliederversammlung um eine*n Betreiber-<br />
bzw. Firmenvertreter*in erweitert<br />
wurde. Die Kandidat*innen werden im<br />
Mitgliederbereich auf der Homepage bekanntgegeben.<br />
Autoren<br />
Dr. Stefan Rauh<br />
Dipl.-Ing. agr. (FH) Manuel Maciejczyk<br />
Geschäftsführer<br />
Fachverband Biogas e.V.<br />
Angerbrunnenstr. 12 · 85356 Freising<br />
0 81 61/98 46 60<br />
info@biogas.org<br />
www.biogas.org<br />
119
VERBAND<br />
BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
REGIONALBÜRO OST<br />
Generationswechsel<br />
im Biogasosten<br />
17. Fachtagung in<br />
Groitzsch mit reger<br />
Beteiligung von knapp<br />
90 Interessierten.<br />
Von links: Toralf Müller, Dr. Gerd Reinhold<br />
und Erhard Oelsner.<br />
Die Thüringer Biogasunternehmer*innen<br />
freuten sich auf ihre nunmehr 55. Fachtagung<br />
und knapp 100 von ihnen kamen<br />
Mitte September ins Schützenhaus von<br />
Stadtroda. Das praxisnahe Programm bot<br />
für jeden etwas. So berichtete Prof. Dr. Frank Scholwin,<br />
Biogasinstitut Weimar, über den Stand der vom Ministerium<br />
geförderten Beratung zu Post-EEG-Optionen der<br />
hiesigen Anlagen. In sämtlichen Konzepten zeigen sich<br />
Förderlücken beziehungsweise Investitionshemmnisse,<br />
sodass hier nur kreative neue Ansätze mit teilweise<br />
hohen Risiken übrigbleiben.<br />
Wie nachhaltig ist der Einsatz von Mist in Biogasanlagen?<br />
Sehr, vermutet der Laie, jedoch Kay Beinersdorf,<br />
ENVIcycle UmweltConsult Meiningen, relativiert<br />
dies und bezieht sich auf<br />
die neue Biomasse-Nachhaltigkeitsverordnung.<br />
Die<br />
Umsetzung dieser wurde<br />
unter den Teilnehmern<br />
stark diskutiert. Nicht nur<br />
deswegen steht für die<br />
güllevergärenden Anlagen<br />
im Freistaat einiges auf<br />
dem Spiel. Die Fallstricke<br />
aus Sicht der rechtlichen<br />
und politischen Rahmen<br />
beleuchteten Rene Walter,<br />
Fachverband Biogas e.V.,<br />
und Dr. Gerd Reinhold,<br />
ehemals TLLLR Jena.<br />
Letzterer verabschiedete<br />
sich nach langjährigem Engagement<br />
für die Branche<br />
im Sommer in den Ruhestand,<br />
bleibt aber interessierter<br />
Fachmann. Erhard<br />
Oelsner, Regionalgruppensprecher<br />
des Fachverbandes, und Toralf Müller, Präsidiumsmitglied<br />
im Bauernverband, hielten Dankesreden<br />
auf den seit 1983 im Bereich Biogas forschenden<br />
und beratenden Reinhold. Wurde in den Achtzigern<br />
an seinem Institut noch der erste biogasbetriebene<br />
Traktor ZT300 entwickelt, formulierte er später die<br />
Faustformel: Summe von Großvieeinheit und Kilowatt-<br />
Biogasleistung geteilt durch Hektar landwirtschaftliche<br />
Nutzfläche sollte kleiner zwei sein.<br />
Seine wissenschaftliche Arbeit im Landesamt sowie<br />
dem KTBL auf der einen und die praxisnahe Vor-Ort-<br />
Beratung in den Betrieben auf der anderen Seite wird<br />
der Branche sehr fehlen. Folgerichtig forderten die<br />
Verbände schon im Frühjahr die federführenden Ministerien<br />
auf, die Position im Landesamt adäquat nachzubesetzen.<br />
Mit ebenso klaren Forderungen adressierte die Regionalgruppe<br />
auf Presseterminen in den Aktionswochen<br />
unter anderem das Thema Artenvielfalt auf der Biogasanlage<br />
Wöllmisse mit anschließendem Bericht im<br />
MDR. Ferner informierte sie über Biogas als Kraftstoff<br />
sowie die CNG-Tankstelle der Ohra Energie und formulierte<br />
dabei erneut ihre Forderungen an die Politik.<br />
Mitorganisatorin Jana Liebe, Thüringer Erneuerbare<br />
Energien Netzwerk, betonte bei beiden Terminen die<br />
besondere regionale Verbundenheit und wirtschaftliche<br />
Bedeutung der beteiligten Biogasanlagen. Um<br />
die Verbandsarbeit in der Regionalgruppe weiterhin<br />
erfolgreich fortführen zu können, wurden in Stadtroda<br />
mit Lukas Rohm, Biogasanlage Göhren, sowie Thomas<br />
Balling, Biogasanlage Grabsleben, zwei neue Sprecher<br />
gewählt.<br />
Veränderungen gab es ebenfalls in Sachsen. Hier verabschiedete<br />
sich mit Dr. Claudia Brückner eine geschätzte<br />
langjährige Fachkraft als Leiterin im Landesamt in<br />
den Ruhestand. Noch unter ihrer Vorbereitung wurde<br />
Anfang Oktober die 17. Fachtagung in Groitzsch mit<br />
reger Beteiligung von knapp 90 Interessierten durch<br />
FOTOS: FACHVERBAND BIOGAS E.V.<br />
120
BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
VERBAND<br />
geführt. Die größtenteils behördlichen Referenten<br />
gaben einen aktuellen Überblick der<br />
Lage im Bundesland.<br />
So zitierte Herwig Vopel, Staatsministerium,<br />
aus dem jüngst wenig ambitioniert novellierten<br />
Energie- und Klimaprogramm die Rolle<br />
der energetischen Biomassenutzung lediglich<br />
als „bezahlbaren Speicher“. Hoffnungsvoller<br />
hob Dr. Kerstin Jäkel die vielfältigen<br />
Vorteile der Koppelnutzung von „Energie-<br />
Körner-Hirse“ durch Forschungsergebnisse<br />
der Landesanstalt hervor. Auf einen neuen<br />
Aspekt bei der Anlagensicherheit machte<br />
Peter Gamer, Landesamt, aufmerksam. Er<br />
berichtete über einen Fall von Cybercrime,<br />
der eine Biogasanlage zum Opfer gefallen<br />
war, wodurch ein mehrtägiger Betriebsausfall<br />
entstand.<br />
Aber auch neue erfolgreiche Geschäftsideen<br />
wurden vorgestellt. Alfons Himmelstoss,<br />
AEV Bioenergy Dresden, zeigte die Möglichkeiten<br />
der Regionalstromvermarktung mit<br />
der Win-win-Beziehung zwischen einer Einspeisergenossenschaft<br />
und Stromkunden auf. Seine<br />
Diskussionsfreudigkeit brachte der Unternehmer ebenso<br />
in die Runde der sehr gut besuchten Regionalgruppenversammlung<br />
im Anschluss der Tagung ein. Auch<br />
hier stand neben dem Netzwerken die Wahl der neuen<br />
Ehrenamtsvertreter auf dem Programm. Neben dem<br />
neu bestätigten Sprecher Holger Kübler, Bio<br />
Zu der diesjährigen 30. MeLa in Mecklenburg-Vorpommern<br />
kamen unter Corona-<br />
Bedingungen rund 40.000 Interessierte.<br />
Der Fachverband Biogas e.V. präsentierte<br />
sich mit dem LEE M-V.<br />
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VERBAND<br />
BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
gasanlage Raitzen, ernannte die Gruppe Arne Phillip,<br />
Biogasanlage Großweitzschen, als weiteren Vertreter.<br />
Sehr erfreulich und ermutigend war die hohe Zahl der<br />
Verbandsmitglieder, die sich als aktive Stellvertreter<br />
meldeten.<br />
Erwähnenswert sei an dieser Stelle noch ein Novum auf<br />
der diesjährigen mecklenburgischen Landwirtschaftsausstellung.<br />
Die 30. Ausgabe fand unter Corona-Bedingungen<br />
mit einer Beteiligung von immerhin 40.000<br />
Besucher*innen statt, sonst sind dort eher 75.000<br />
zu zählen. Erstmalig wurden die klimafreundlichsten<br />
Landwirtschaftsbetriebe von Minister Dr. Till Backhaus<br />
ausgezeichnet. Michael Kühling aus Zemmin überzeugte<br />
am meisten mit der jährlichen Einsparung von<br />
7.000 Tonnen CO 2<br />
durch sein Unternehmen. Dies wird<br />
hauptsächlich durch den effektiven Betrieb einer Biogasanlage<br />
nebst Nahwärmenetz ermöglicht.<br />
Der Fachverband unterstützte die Ausstellung in Kooperation<br />
mit drei Firmen und dem Landesverband<br />
Erneuerbare Energien Mecklenburg-Vorpommern mit<br />
Öffentlichkeitsarbeit auf einem Stand. Es war schön,<br />
nach längerer Pause wieder mit ganz unterschiedlichen<br />
Messebesuchern im Gespräch zu sein.<br />
Autor<br />
Ingo Baumstark<br />
Regionalreferent Ost<br />
Fachverband Biogas e.V.<br />
03 31/23 53 738<br />
ingo.baumstark@biogas.org<br />
LEE NIEDERSACHSEN/BREMEN E.V.<br />
Aktionswoche Biogas2Drive zeigte<br />
niedersächsischen Anlagenbetreibern<br />
Optionen auf<br />
Die Aktionswoche #bioas2drive hat es gezeigt:<br />
Die einen können, die anderen wollen.<br />
Niedersachsens Biogasanlagenbetreiber<br />
können problemlos Biomethan herstellen,<br />
um die klimaneutrale Verkehrswende herbeizuführen.<br />
Der Schwerlast- und Güterverkehr fragt<br />
den grünen Kraftstoff nach. Aus Verantwortung für den<br />
Klimaschutz, weil die Auftraggeber eine „grüne“ Wertschöpfungskette<br />
fordern, oder schlichtweg aus Kostengründen.<br />
AktionSwoche<br />
#Biogas2Drive<br />
vom 6. bis 12. September <strong>2021</strong><br />
www.biogas.org<br />
Das Potenzial von Biogas für den Verkehrssektor rückt<br />
also immer stärker ins Bewusstsein der Mobilitätsbranche.<br />
LEE-Vorstandsmitglied und Biogasanlagenbetreiber<br />
Thorsten Kruse ist davon überzeugt, dass das Potenzial<br />
von Biogas für den Verkehrssektor noch lange<br />
nicht ausgeschöpft ist. Die niedersächsischen Betreiber<br />
sind in der Lage, so Kruse, ihren Beitrag zur Verkehrswende<br />
zu leisten: „Wir beobachten, dass viele Logistikunternehmen<br />
ihre Zugmaschinen auf klimaneutrale<br />
Kraftstoffe umstellen. Denselben Prozess beobachten<br />
wir auch bei landwirtschaftlichen Maschinen – dort<br />
wird mittlerweile Wert auf CO 2<br />
-arme Kraftstoffe wie Biomethan<br />
oder auf Wasserstoff gelegt.“<br />
Chancen auf kommunaler Ebene<br />
Doch Kruse beobachtet auch, dass sich gerade auf<br />
kommunaler Ebene ein in sich geschlossener Wirtschafts-<br />
und Energiekreislauf herstellen ließe: „Hier<br />
wird häufig noch zu fragmentiert gedacht.“ Ein Beispiel:<br />
Ein kommunaler Abfallwirtschaftsbetrieb könnte<br />
den organischen Abfall über eine angeschlossene Biogasanlage<br />
verwerten und zu dem Kraftstoff Biomethan<br />
umwandeln. Mit diesem Kraftstoff können anschließend<br />
die Müllfahrzeuge betankt werden – es entstünde<br />
ein in sich geschlossener, nachhaltiger Energiekreislauf.<br />
Zudem würde mit diesem Ansatz die regionale<br />
Wertschöpfung gestärkt.<br />
In der Landwirtschaft verhält es sich laut Kruse ähnlich:<br />
Nachwachsende Rohstoffe sowie Gülle und Mist<br />
können zu Biomethan umgewandelt werden. Mit diesem<br />
klimaneutralen Kraftstoff können die landwirtschaftlichen<br />
Maschinen betrieben werden. Die in der<br />
Biogasanlage anfallenden Gärreste werden als organischer<br />
Dünger verwendet. Somit haben wir es mit einem<br />
geschlossenen Nährstoffkreislauf zu tun. Eine große<br />
Chance für Niedersachsens Anlagenbetreiber.<br />
122
BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
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123
VERBAND<br />
BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
Deutschland braucht einen<br />
echten Aufbruch im Bereich<br />
erneuerbarer Wärme<br />
Gastbeitrag von Dr. Simone Peter, Präsidentin des<br />
Bundesverbandes Erneuerbare Energie e.V. (BEE)<br />
Nie wurde eine künftige Bundesregierung<br />
klarer in die Verantwortung<br />
genommen, gleich<br />
zu Beginn der neuen Legislaturperiode<br />
zielgerichtete<br />
Klimaschutzmaßnahmen auf den Weg zu<br />
bringen und einen Weg zur Klimaneutralität<br />
zu zeichnen. Aktuell droht Deutschland<br />
die Pariser Klimaziele deutlich zu verfehlen<br />
und Wertschöpfungspotenziale nicht zu<br />
nutzen.<br />
Daher braucht es ein umfassendes Sofortprogramm,<br />
das sämtliche Sektoren auf den<br />
Pfad des Pariser Klimaabkommens bringt.<br />
Entscheidend werden dabei die ersten 100<br />
Tage sein, denn durch überkommene EEG-<br />
Zielkorridore und unzureichende Anreizmechanismen<br />
hat der Ausbau der Erneuerbaren<br />
Energien von Monat zu Monat stärker an<br />
Schwung verloren.<br />
Als Schlüssel zur Erreichung klimapolitischer<br />
Ziele und als wichtigster Standortfaktor,<br />
um die internationale Wettbewerbsfähigkeit<br />
Deutschlands zu gewährleisten,<br />
sind deshalb zügig faire Wettbewerbsbedingungen<br />
für moderne Klimaschutztechnologien<br />
zu schaffen und die richtigen Investitionssignale<br />
zu setzen. Insbesondere<br />
im Bereich der Wärme besteht verstärkter<br />
Handlungsbedarf. Der Gebäudebereich hat<br />
als einziger Sektor sein Klimaziel im Jahr<br />
2020 verfehlt und ist gleichzeitig mit einem<br />
Anteil von etwa 52 Prozent am Endenergiebedarf<br />
der energieintensivste Anwendungsbereich.<br />
Gesetze und Förderinstrumente<br />
anpassen<br />
Aufgrund des hohen Anteils an fossilen<br />
Brennstoffen werden dabei jährliche<br />
Emissionen von über 300 Millionen Tonnen<br />
freigesetzt. Um die Wärmewende im<br />
notwendigen Tempo voranzutreiben, sind<br />
bestehende Gesetze sowie die Förderinstrumente<br />
anzupassen, die CO 2<br />
-Bepreisung<br />
an den Klimazielen auszurichten und weitere<br />
Rahmenbedingungen für den Einsatz<br />
der Erneuerbare-Energien-Technologien in<br />
Gebäuden und Netzen auf den Weg zu bringen.<br />
Solarthermie, Bioenergie, Geothermie<br />
und Wärmepumpen stehen technisch ausgereift<br />
zur Verfügung.<br />
Für die Wärmewende in den Städten muss<br />
die Rolle von Wärmenetzen neu gedacht<br />
und Fernwärme zügig von fossilen auf erneuerbare<br />
Quellen umgestellt werden.<br />
Auch im ländlichen Raum sind Nahwärmenetze<br />
eine kostengünstige Form der<br />
erneuerbaren Wärmeerzeugung. Weiterhin<br />
sind konkrete Ausbauziele im Gebäudeenergiegesetz<br />
für 2030, 2040 und 2050<br />
für den Anteil Erneuerbarer Energien für<br />
die dezentrale Wärmeerzeugung in Gebäuden<br />
sowie für die Erzeugung von Nah- und<br />
Fernwärme in Entsprechung zu den neuen<br />
Klimaschutzzielen festzulegen.<br />
Gleichzeitig muss die Bundesförderung<br />
effiziente Gebäude (BEG) klarer auf einen<br />
erneuerbaren Wärmemarkt ausgerichtet<br />
werden: Dafür ist bei den BEG-Einzelmaßnahmen<br />
die Förderung fossil befeuerter<br />
Heiztechnik möglichst bereits 2022 einzustellen.<br />
Das betrifft Gashybridheizungen,<br />
bei denen nur noch die erneuerbaren<br />
Komponenten gefördert werden dürfen,<br />
sowie die sogenannten Renewable-Ready-<br />
Anlagen.<br />
Solarthermie stärker fördern<br />
Solarthermieanlagen müssen dann einen<br />
um mindestens 10 Prozentpunkte höheren<br />
Fördersatz erhalten als bisher. Weiterhin<br />
darf es bei Wohngebäuden beziehungsweise<br />
Nichtwohngebäuden nicht mehr wie<br />
bisher möglich sein, einen geförderten Effizienzhausstandard<br />
mithilfe eines rein fossil<br />
betriebenen Heizkessels zu erreichen. Die<br />
Förderfähigkeit muss hier im Neubau an<br />
die Einbindung von mindestens 25 Prozent<br />
und bei energetischen Modernisierungen<br />
von mindestens 15 Prozent erneuerbaren<br />
Wärmequellen gebunden sein.<br />
Eine weitere Maßnahme zum Voranbringen<br />
der Wärmewende ist, die Austauschprämie<br />
für Ölheizungen auf den Austausch der besonders<br />
klimaschädlichen Kohleheizungen<br />
und besonders ineffizienten Nachtspeicherheizungen<br />
auszuweiten. Den Nachhaltigkeitsbonus<br />
für die NH-Klasse sollte<br />
es auch ergänzend zum Bonus für die EE-<br />
Klasse geben, um Anreize zu setzen, beide<br />
Maßnahmen miteinander zu kombinieren.<br />
Tempo braucht es außerdem bei der geplanten<br />
Bundesförderung für effiziente Wärmenetze<br />
(BEW), die so zeitnah wie möglich in<br />
Kraft treten muss, um ihre Wirkung zu entfalten.<br />
Für die Dekarbonisierung der Wärmenetze<br />
bedarf es einer deutlichen Aufstockung<br />
der für die BEW bereitgestellten<br />
Fördermittel im Bundeshaushalt ab 2022<br />
auf mindestens 1 Milliarde (Mrd.) Euro<br />
jährlich, mittelfristig mindestens 2 Mrd.<br />
Euro jährlich. Dies ermöglicht, die gültige<br />
Förderrichtlinie so zu überarbeiten, dass<br />
eine Beschleunigung der Dekarbonisierung<br />
erreicht werden kann.<br />
In der nächsten Legislatur benötigt<br />
Deutschland also einen echten Aufbruch<br />
im Bereich der Erneuerbaren Wärme. In<br />
Verbindung mit einem Programm zur Behebung<br />
des Fachkräftemangels kann die<br />
Wärmewende einen echten Beitrag als<br />
Konjunkturmotor nach der Corona-Krise<br />
leisten und ist unerlässlich, um die Pariser<br />
Klimaziele zu erreichen.<br />
124
BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
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BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
ERFAHRUNGSAUSTAUSCH DER §29B-BIMSCHG-SACHVERSTÄNDIGEN<br />
Mängelursachen: keine<br />
signifikanten Änderungen<br />
Wie bereits im Vorjahr fand der 11. Meinungs- und Erfahrungsaustausch<br />
der 29b-BImSchG-Sachverständigen wieder als Webkonferenz jeweils<br />
an zwei Vormittagen (30.9. und 1.10.<strong>2021</strong>) statt. Der vom Bundesumweltministerium<br />
offiziell autorisierte Erfahrungsaustausch (41.<br />
BImSchV) war mit 50 Teilnehmern komplett ausgebucht.<br />
Von Dipl.-Ing. agr. (FH) Manuel Maciejczyk<br />
Nach der Begrüßung und kurzen<br />
Einleitung durch den<br />
Geschäftsführer des Fachverbandes<br />
Biogas e.V., Manuel<br />
Maciejczyk, machte wie<br />
jedes Jahr Dr. Hans-Peter Ziegenfuß vom<br />
Hessischen Umweltministerium den Einstieg<br />
in das Vortragsprogramm. In seiner<br />
Funktion als Mitglied der Kommission für<br />
Anlagensicherheit stellte er die neueste<br />
Auswertung der §29b-BImSchG-Sachverständigenprüfberichte<br />
aus dem Berichtsjahr<br />
2019 vor.<br />
Nach einem spürbaren Rückgang der<br />
Mängelquoten an Biogasanlagen in den<br />
vorangegangenen Berichtsjahren zeigte<br />
sich 2019 eine deutliche Zunahme an<br />
Mängeln (siehe Abbildung). Ursache dafür<br />
sind sicherlich die ersten Auswirkungen<br />
der „TRAS-120-Umsetzung“ sowie die<br />
erstmalige flächendeckende Prüfung von<br />
BImSchG-Biogasanlagen in Bayern. Hinsichtlich<br />
der Mängelursachen gab es keine<br />
signifikanten Änderungen.<br />
Nach wie vor sind Probleme bei der Auslegung,<br />
Umsetzung von Prüfungen, fehlende<br />
Brand- und Explosionsschutzmaßnahmen<br />
und Organisationsmängel zu beklagen.<br />
Über seine praktischen Erfahrungen aus<br />
der Prüftätigkeit auf Biogasanlagen berichtete<br />
Felix Kalienke von der Weyer Gruppe.<br />
Aus seiner Sicht sind wesentliche Ursachen<br />
für Mängel und Schadensereignisse<br />
auf bestehenden Biogasanlagen in dem<br />
nicht immer ausreichenden Verständnis für<br />
die Bedeutung von Änderungen und damit<br />
zusammenhängenden Folgen (schlampige<br />
Ausführung, kein 1:1-Austausch etc.) zu<br />
finden. Als praktischen Lösungsvorschlag<br />
zeigte er ein bereits in der Praxis eingeführtes<br />
Managementsystem, mit dem Anlagenbetreiber<br />
sämtliche sicherheitsrelevante<br />
Prozesse und Vorgaben steuern können.<br />
Einen detaillierten Einblick in die Herstellung<br />
einer TRAS-120-konformen Biogasspeichermembrane<br />
gab Michael Pichler<br />
von der Firma Sattler Pro-Tex GmbH. Er<br />
machte dabei klar, dass erst die richtige<br />
Zusammenführung von einem stabilen<br />
Gewebe mit diversen Beschichtungen und<br />
Oberflächenversiegelungen die Anforderungen<br />
der TRAS 120 erreicht. Auch zeigte<br />
er anhand eines Beispiels die richtige<br />
Kennzeichnung einer Membran, um deren<br />
Rückverfolgbarkeit sicherzustellen.<br />
Über die Erfahrungen zur Umsetzung der<br />
TRAS 120 aus Sicht einer Vollzugsbehörde<br />
referierte Torsten Moczigemba vom Sächsischen<br />
Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft<br />
und Geologie. Er unterstrich dabei,<br />
dass eine Umsetzung der TRAS 120 mit<br />
viel Augenmaß durch die Behörden und<br />
Sachverständigen notwendig ist. Insgesamt<br />
sorgt die TRAS 120 aber für weitere<br />
notwendige Verbesserungen bei der Anlagensicherheit.<br />
In den zweiten Vormittagsblock leitete Josef<br />
Ziegler als Sprecher des Arbeitskreises<br />
Sicherheit im Fachverband Biogas mit<br />
einem Rundumschlag zu den aktuellen<br />
Entwicklungen ein. Er berichtete über die<br />
immer komplexer werdenden rechtlichen<br />
Vorgaben und zeigte einige Detailprobleme<br />
bei der Umsetzung der TRAS 120 auf. Die<br />
neue TA Luft <strong>2021</strong> wird aus seiner Sicht<br />
ebenfalls erhebliche Diskussionen bei der<br />
Umsetzung auf Biogasanlagen erzeugen.<br />
Ein bisher in der Biogasbranche kaum diskutiertes<br />
Thema stellte Stephan Gebhard<br />
vom LANUV Nordrhein-Westfalen vor. Er<br />
ging in seinen Ausführungen auf das Thema<br />
Cybersicherheit und eine Konkretisierung<br />
in einem Papier der Kommission für<br />
Anlagensicherheit (KAS 51) ein. Der Biogasbranche<br />
riet er, dringend sich über die<br />
Schutzmaßnahmen möglichst frühzeitig –<br />
bereits bei der Planung – Gedanken zu<br />
machen. Umso weniger Einfallsmöglichkeiten<br />
auf der Anlage (zum Beispiel über<br />
Fernwartung), umso geringer ist das Risiko<br />
für einen Cyberangriff. Diese Einschätzung<br />
unterstrich auch Prof. Dr. Jürgen Schmidt<br />
vom Center of Safety Excellence (CSE), der<br />
eine Schwachstellenanalyse gemäß dem<br />
KAS-Papier 51 empfahl.<br />
Anhand einiger Praxisbeispiele zeigte<br />
Stephan Engelke von der Friedrich Vorwerk<br />
Group neuralgische Problembereiche<br />
bei Biomethanaufbereitungsanlagen<br />
(zum Beispiel Wärmetauscherplatten bei<br />
Aminwäschern) und deren Behebung. Den<br />
Abschluss der Veranstaltung bildete ein<br />
umfassender Überblick von Anselm Lenz<br />
von der EXACON GmbH zur sicheren Gärprodukttrocknung<br />
und dem Einsatz von<br />
NH 3<br />
-Abluftreinigungsanlagen. Aufgrund<br />
der komplexen Prozesse und rechtlichen<br />
Anforderungen empfahl er dringend, von<br />
Anfang an einen Sachverständigen bei<br />
der Planung und Umsetzung solcher Anlagen<br />
einzubinden, um alle zukünftigen<br />
Betriebszustände – unter anderem auch<br />
Störungen – sicher zu meistern.<br />
In den beiden Vormittagsblöcken gab es<br />
wieder zahlreiche spannende Diskussionen<br />
und neue Erkenntnisse, die jetzt in<br />
die Arbeit der Sachverständigen und des<br />
Fachverbandes Biogas einfließen werden.<br />
Der nächste 12. Erfahrungsaustausch ist<br />
wieder für den 29. September 2022 geplant.<br />
Autor<br />
Dipl.-Ing. agr. (FH) Manuel Maciejczyk<br />
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noch preiswert ist. Auf diese vielen<br />
Vorteile hat der Fachverband Biogas gemeinsam mit<br />
zahlreichen Partnern im Rahmen der Aktionswoche<br />
„Biogas to Drive“ (B2D) vom 6. bis 12. September hingewiesen.<br />
Den Auftakt bildete ein digitales Pressegespräch mit<br />
Vertretern von Iveco, Shell, OrangeGas, NGVA und<br />
unserem Präsidenten Horst Seide inklusive Pressemeldung.<br />
Am Donnerstag folgte ein digitaler Talk,<br />
moderiert von Christoph Arnowski vom Bayerischen<br />
Rundfunk und Teilnehmern von der Hochschule für angewandte<br />
Wissenschaften Hamburg, vom Bundesverband<br />
Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung, dem<br />
Bundesverkehrsministerium und erneut Horst Seide –<br />
anzuschauen als Stream auf unserem Facebook-Kanal.<br />
Insgesamt verlief die Aktionswoche erfreulich, der<br />
Hashtag #Biogas2Drive wurde in den verschiedenen<br />
sozialen Medien fleißig verwendet, Verbände, Firmen<br />
und Privatpersonen haben die Aktionswoche rege begleitet.<br />
Das ThEEN-Mitglied<br />
Ohra Energie GmbH hat<br />
auf seinem Betriebsgelände<br />
in Fröttstädt<br />
Thüringens erste<br />
Betriebshoftankstelle<br />
für die Befüllung von<br />
CNG-Fahrzeugen des<br />
eigenen Fuhrparks mit<br />
komprimiertem Erdgas<br />
bzw. regional erzeugtem<br />
Biomethan errichtet.<br />
Die Anlage stammt<br />
von dem lettischen<br />
Start-Up HYGEN. Von<br />
links: Jana Liebe, Geschäftsführerin<br />
ThEEN<br />
e.V., Michael Fischer,<br />
Geschäftsführer Ohra<br />
Energie GmbH, Volkmar<br />
Braune, Prokurist bei<br />
Ohra Energie, und Prof.<br />
Dr. Frank Scholwin.<br />
FOTO: THEEN E.V.<br />
128
BIOGAS JOURNAL | 6_<strong>2021</strong><br />
VERBAND<br />
Vielen Dank an alle,<br />
die die Aktionswoche B2D<br />
unterstützt haben!<br />
Im Zuge der<br />
Kampagne haben wir die<br />
Auto-Aufkleber<br />
„Ich fahre mit Biogas = 90% weniger<br />
Treibhausgase“ bzw. „Ich fahre mit<br />