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1_2022 Leseprobe

Ausgabe 1_2022 des BIOGAS Journals, herausgegeben vom Fachverband Biogas e.V.

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Fachverband Biogas e.V. | ZKZ 50073 | 25. Jahrgang<br />

www.biogas.org<br />

1_<strong>2022</strong><br />

BIOGAS Journal<br />

Das Branchenmagazin<br />

Ab Seite 50<br />

Titelthema<br />

Strip-till<br />

Berichte über die<br />

Biogas Convention 12<br />

Klimaschutz: Landwirtschaft<br />

nicht überfordern 74<br />

Großbritannien: Grünes CO 2<br />

im Kommen 94


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Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />

Editorial<br />

Die Bioenergie<br />

in Deutschland<br />

soll eine<br />

neue Zukunft<br />

haben!!!<br />

Liebe Leserinnen und Leser,<br />

den Satz der Überschrift dieses Editorials<br />

findet der/die aufmerksame Leser*in<br />

auf Seite 57 des Koalitionsvertrages der<br />

neuen Regierung in Berlin. Damit sind<br />

die Erwartungen an die neuen politischen<br />

Verantwortlichen hoch gesteckt.<br />

Während der Biogasmesse Trade Fair in<br />

Nürnberg war die große Hoffnung der<br />

Besucher*innen an jedem Messestand<br />

zu hören, dass die neue politische Konstellation<br />

den deutschen Biogasmarkt<br />

wiederbelebt.<br />

Vor allem auch deshalb, weil die Marktsignale<br />

von den Energiemärkten neue positive<br />

Impulse senden. Sowohl der Börsenstrompreis<br />

als auch der Gaspreis lassen<br />

Biogasanlagenbetreiber von einer neuen<br />

Zukunft träumen. Leider ist die Bioenergiebranche<br />

nur an der einen Stelle im Koalitionsvertrag<br />

namentlich genannt und<br />

was damit genau gemeint ist, bleibt im<br />

Nebulösen.<br />

Um die Klimaziele zu erreichen, sind Milliarden-Investitionen<br />

notwendig. Hierzu<br />

bedarf es eines politischen Bekenntnisses<br />

für Biogas in der Energiewende. Denn<br />

es geht auch um Vertrauensbildung und<br />

Investitionsschutz. Es müssen Technologien<br />

weiterentwickelt werden. Das gesamte<br />

Strommarktdesign muss an die sich<br />

wechselnden Bedingungen angepasst<br />

werden. Denn um 80 Prozent Erneuerbare<br />

Energien im Stromsektor bis 2030<br />

und idealerweise auch den Kohleausstieg<br />

zu schaffen, bedarf es einer gewaltigen<br />

Innovations- und Investitionsoffensive in<br />

der Energiewende. Das, was in Deutschland<br />

entwickelt wird, soll eine Blaupause<br />

für andere Nationen sein. Wir wollen die<br />

Energiewende exportieren. Dazu braucht<br />

es aber einen funktionierenden Heimatmarkt,<br />

insbesondere für Biogas.<br />

Der Umbau der bestehenden Biogasanlagen<br />

in flexible Bioenergiekraftwerke<br />

stellt eine solch notwendige Investition<br />

beispielsweise dar, und sie bietet gleichzeitig<br />

eine Riesen-Chance. Die digitale<br />

Verknüpfung von Marktpreisentwicklungen<br />

und die Verfügbarkeit von Blockheizkraftwerken<br />

und Gaserzeugung sind die<br />

Innovationen, die notwendig sind, um<br />

Biogasanlagen selbstständig und selbstlernend<br />

werden zu lassen. Nur so kann in<br />

Zukunft die preisoptimale Strombereitstellung<br />

sichergestellt werden. Betriebswirtschaftliche<br />

Mehrerlöse dürfen nicht<br />

mehr vom Strommarktfachwissen des<br />

Anlagenfahrers abhängig sein.<br />

Aber es sind gerade die Änderungen und<br />

die damit verbundenen Neugenehmigungen,<br />

die aktuell eine hohe Hürde für die<br />

Bestandsanlage darstellen. Hier will die<br />

Regierung alle Hürden und Hemmnisse<br />

für den Ausbau von Erneuerbaren Energien<br />

abbauen. Dies wollen wir konstruktiv<br />

begleiten und mitgestalten.<br />

Für die Anpassung des Bestandes an die<br />

neuen Gesetzgebungen brauchen wir<br />

vernünftige, realistische Zeiträume. Die<br />

aktuellen Anpassungsphasen beispielsweise<br />

für die Nachhaltigkeitsverordnung<br />

oder die 44. BImSchV bedürfen eigentlich<br />

einer Verschiebung um mindestens<br />

12 Monate damit diese tatsächlich erreichbar<br />

sind. Es bedarf eines Moratoriums,<br />

um aktuelle Vorschriften auf ihre<br />

technische Machbarkeit zu überprüfen.<br />

Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit<br />

muss Einzug bei den Genehmigungsanträgen<br />

halten und die nächsten fünf<br />

Jahre sollte keine Novellierung oder neue<br />

Verordnung für den Bereich Biogas mehr<br />

eingeführt werden. Auch müssen die Genehmigungsverfahren<br />

erheblich verkürzt<br />

werden. Dass eine Standard-Güllekleinanlage<br />

einen Zeitraum von mehr als sechs<br />

Monaten benötigt, muss der Vergangenheit<br />

angehören.<br />

Wenn die ausgerufenen Ziele ernst gemeint<br />

sind, müssen wir erheblich an<br />

Geschwindigkeit aufnehmen, sonst verlieren<br />

wir nicht nur unser Ansehen als Industrienation.<br />

Biogas hat die Möglichkeit<br />

und die Flexibilität, diese Ziele zu erreichen.<br />

Wir als Biogas-Branche sind bereit,<br />

beim Erreichen der Ziele mitzuhelfen.<br />

Herzlichst Ihr<br />

Christoph Spurk,<br />

Vizepräsident des<br />

Fachverbandes Biogas e.V.<br />

3


Inhalt<br />

Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />

12<br />

18 – 20 November 2020, Hanover, Germany<br />

2021 digital<br />

50<br />

Editorial<br />

3 Die Bioenergie in Deutschland soll<br />

eine neue Zukunft haben!!!<br />

Christoph Spurk<br />

Vizepräsident des<br />

Fachverbandes Biogas e.V.<br />

AKTUELLES<br />

6 Meldungen<br />

8 Termine<br />

10 Biogas-Kids<br />

12 Biogasanlagen senken<br />

Börsen strompreise!<br />

Von Dipl.-Ing. agr. (FH)<br />

Martin Bensmann<br />

18 TA Luft für Biogasanlagen relevant<br />

Von Dipl.-Ing. agr. (FH)<br />

Martin Bensmann<br />

24 Nährstoffflüsse in den Anlagen<br />

ermitteln<br />

Von Thomas Gaul<br />

26 „Die Treibhausgas-Minderungsquoten<br />

für einzelne Substrate sind<br />

noch unscharf definiert“<br />

Von Thomas Gaul<br />

28 Nicht vom Bürokratie-Monster<br />

abschrecken lassen<br />

Von Christian Dany<br />

36 Geht es auch ohne Moleküle?<br />

Von Dipl.-Journ. Wolfgang Rudolph<br />

42 Wasserstoff als Wirtschaftsmotor<br />

für Mitteldeutschland<br />

Von Dipl.-Journ. Wolfgang Rudolph<br />

POLITIK<br />

48 „Mehr Fortschritt wagen“ heißt<br />

auch: Mehr Bioenergie wagen!<br />

Von Sandra Rostek und<br />

Dr. Guido Ehrhardt<br />

Beilagenhinweis: Das Biogas Journal<br />

enthält den Jahreskalender vom<br />

Fachverband Biogas.<br />

32 Flexibel gewinnt<br />

Von Heinz Wraneschitz<br />

4


Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />

Inhalt<br />

Strip-till<br />

50 Ackerbau im Streifendesign<br />

Von Christian Dany<br />

56 Perfekt positionierte Gärreste<br />

Von Dierk Jensen<br />

titelFoto: Vogelsang GmbH i Fotos: Adobe Stock_joeseo48, Vogelsang GmbH, Martin Egbert<br />

94<br />

62 Immer der Reihe nach<br />

Von Dipl.-Ing. agr. (FH)<br />

Martin Bensmann<br />

68 MAP-Fällung bei der mineralischen<br />

Unterfuß- und Depotdüngung von<br />

Gülle oder Gärresten<br />

Von M.Sc. agr. Christoph Weidemann<br />

PRAXIS<br />

74 Klimaschutz<br />

Landwirtschaftsbetriebe<br />

nicht überfordern<br />

Von Dierk Jensen<br />

78 Steigerung der Methanausbeute<br />

durch biologische Methanisierung<br />

Von Ralph Hohenschurz-Schmidt, Jens<br />

Strahl, Tino Sperk, Oliver Viertmann<br />

und Prof. Dr.-Ing. Frank Scholwin<br />

86 Anlagen des Monats Biogas<br />

88 Ein Jahrzehnt Biogasdachsysteme<br />

aus dem Rheinland<br />

Von Eur Ing Marie-Luise Schaller<br />

INTERNATIONAL<br />

Niederlande<br />

90 Biogasaufbereitung mit CO 2-Verwertung<br />

Von Eur Ing Marie-Luise Schaller<br />

Großbritannien<br />

94 Schon 10 Biogasanlagen produzieren<br />

„Grünes CO 2“<br />

Von Klaus Sieg<br />

Kroatien<br />

106 Biogaspotenzial noch nicht ausgeschöpft<br />

Von Dierk Jensen<br />

VERBAND<br />

Aus der Geschäftsstelle<br />

114 Neue Zukunft für Bioenergie<br />

Von Dr. Stefan Rauh und<br />

Dipl.-Ing. agr. (FH) Manuel Maciejczyk<br />

120 Aus den Regionalbüros<br />

124 Gastbeitrag<br />

Woche der Wärme zeigt Potenziale<br />

im Wärmesektor auf<br />

Von Dr. Simone Peter, BEE<br />

125 Qualitätsbetreuung durch die<br />

Fachverband Biogas Service GmbH<br />

recht<br />

126 Veröffentlichung eines Votums zum<br />

Anspruch auf Flexibilitätsprämie<br />

Von Dr.-Ing. Natalie Mutlak<br />

produktnews<br />

128 Produktnews<br />

130 Impressum<br />

5


Aktuelles<br />

Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />

ZSW gelingt Herstellung von<br />

klima neutralem eLNG aus Luft-CO 2<br />

Stuttgart – Die Kugel glänzt silbern inmitten<br />

einer Hightech-Anlage, die aus vielen<br />

Schläuchen, Kompressoren, Schaltern<br />

und Knöpfen besteht. Sie erinnert ein<br />

wenig an die Kristallkugel einer Wahrsagerin.<br />

Und um die Zukunft geht es hier<br />

auch. Mit der Anlage, die vom Zentrum für<br />

Sonnenergie- und Wasserstoff-Forschung<br />

Baden-Württemberg entwickelt wurde,<br />

soll die Klimaneutralität schneller erreicht<br />

werden.<br />

Der Systemdemonstrator am ZSW in<br />

Stuttgart erzeugt mittels Elektrizität aus<br />

Erneuerbaren Energien synthetisches<br />

flüssiges Methan aus Wasserstoff und<br />

Luft – sogenanntes eLNG. Im Gegensatz<br />

zu LNG (Liquified Natural Gas), das auf<br />

fossilem Erdgas basiert, wird bei synthetischem<br />

strombasierten eLNG (electrified<br />

LNG) der Energieträger klimaneutral hergestellt.<br />

Denn das flüssige Gas wird aus<br />

grünem Wasserstoff und Kohlendioxid aus<br />

der Umgebungsluft gewonnen.<br />

Die Forschungen an dem vom Wirtschaftsministerium<br />

Baden-Württemberg<br />

geförderten Projekt „eLNG aus Luft“ begannen<br />

vor 1,5 Jahren. Kürzlich wurde<br />

das Projekt mit der Demonstration der<br />

Gesamtprozesskette erfolgreich abgeschlossen.<br />

Die Technologie kann nun in<br />

den großtechnischen Maßstab überführt<br />

werden. „Die Herstellung von CO 2<br />

-neutralem<br />

Gas ist ein wichtiger Baustein auf<br />

dem Weg in eine klimaneutrale Zukunft“,<br />

so Wirtschaftsministerin Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut.<br />

Für das Projekt wurden bereits bestehende<br />

Technologiebausteine und Infrastrukturen<br />

am ZSW genutzt. Dazu zählt unter<br />

anderem eine Technologie zur CO 2<br />

-Gewinnung<br />

aus der Luft und eine Elektrolyse zur<br />

Herstellung von grünem Wasserstoff. Was<br />

noch fehlte, war eine innovative, kombinierte<br />

Methode, um das regenerative<br />

Methangas effizient zu erzeugen und zu<br />

verflüssigen. Dieses Verfahren wurde jetzt<br />

CeresAward 2021: Thomas Karle bester Energielandwirt<br />

Berlin – Beim diesjährigen CeresAward ist Thomas<br />

Karle aus Kupferzell in Baden-Württemberg<br />

bester Energielandwirt geworden. Karle hat die<br />

Juroren der Kategorie Energielandwirt im CeresAward<br />

mit seiner Begeisterung<br />

für Erneuerbare Energien und<br />

sein Engagement für die Gesellschaft<br />

überzeugt, begründen<br />

die Juroren ihre Entscheidung.<br />

Der Landwirt hat das erste<br />

Bioenergiedorf Nord-Württembergs<br />

mitbegründet. 98 Prozent<br />

der Einwohner von Füßbach<br />

sind an sein Nahwärmenetz<br />

angeschlossen. Zudem ist er<br />

Mitbegründer und Vorstandsvorsitzender<br />

des Vereins eFüßle<br />

e.V. (e-Carsharing im Bioenergiedorf Füßbach).<br />

Auch wirtschaftlich steht er auf soliden Beinen.<br />

Wichtig ist ihm zudem, nachhaltig, umweltschonend<br />

und transparent zu arbeiten.<br />

„Auf meinem Betrieb versuche ich in hohem Maß<br />

die Produktion von Gütern wie Getreide, Strom,<br />

Wärme und Dünger in allen Bereichen nachhaltig,<br />

rücksichtsvoll und im Dialog mit der Gesellschaft<br />

umzusetzen. Hierzu gehören mitunter die<br />

Gründung eines Bioenergiedorfs, eines e-Carsharing-Modells,<br />

eines Blühpatenprojekts und Betriebsführungen“,<br />

beschreibt<br />

Landwirt Thomas Karle sein<br />

Betriebskonzept.<br />

Drei große grüne und halbrunde<br />

Kugeln ragen in Kupferzell<br />

in den Himmel – die Kuppeln<br />

der Biogasanlage von Thomas<br />

Foto: CeresAward<br />

Thomas Karle mit seinem Naturdünger<br />

NADU, der aus getrocknetem<br />

Gärprodukt besteht.<br />

Karle. Gefüttert wird die Anlage<br />

überwiegend mit pflanzlichen<br />

Reststoffen, wie Gemüsereste,<br />

Gülle, Mist, Maisstroh etc.<br />

Die Abwärme dient zu 100<br />

Prozent einem Nahwärmenetz,<br />

einer Getreide- und einer Gärprodukttrocknung.<br />

Das getrocknete Gärprodukt<br />

verarbeitet der Landwirt anschließend zum Naturdünger<br />

NADU. Sein neuestes Projekt „Agriplus<br />

Hohenlohe“ widmet sich der innovativen Nährstoffrückgewinnung.<br />

Dabei werden die Reste aus<br />

der Gärung in Phosphor-, Stickstoff- und Kalidünger<br />

umgewandelt – ein bisher einmaliges Projekt.<br />

Hightech am ZSW: Die Anlage zur<br />

Herstellung von eLNG.<br />

am ZSW entwickelt. Verflüssigtes Methan<br />

verfügt über eine 600 Mal höhere Energiedichte<br />

als gasförmiges Methan und erlaubt<br />

somit unter anderem den interkontinentalen<br />

Schiffstransport von großen<br />

Energiemengen. So können die bereits<br />

bestehenden Infrastrukturen für LNG<br />

in Richtung Klimaneutralität transformiert<br />

werden. Als neuer, klimaneutraler<br />

Kraftstoff kann eLNG statt Diesel für die<br />

Schifffahrt und den Schwerlastverkehr<br />

oder als Heizöl-Alternative in der Industrie<br />

eingesetzt werden. Die in dem Projekt<br />

weiterentwickelte CO 2<br />

-Bereitstellung aus<br />

Luft – wie auch die Skalierungskonzepte<br />

des Gesamtprozesses – können auch auf<br />

andere Kraftstoff-Synthesen, beispielsweise<br />

zur Herstellung von synthetischem<br />

Kerosin, übertragen werden.<br />

„Die Anlage ist zu 100 Prozent made<br />

by ZSW“, erklärt Projektleiter Bernd<br />

Stürmer. Nachdem der Beweis erbracht<br />

wurde, dass der Demonstrator funktioniert,<br />

wurden die Prozessschritte weiter<br />

optimiert. Die Ausbeute der Laboranlage<br />

konnte inzwischen auf ein Kilogramm pro<br />

Stunde gesteigert werden. Bei optimaler<br />

Prozessintegration ist mit der Technologie<br />

eine Effizienz von bis zu 55 Prozent (bezogen<br />

auf den eingesetzten regenerativen<br />

Strom) möglich.<br />

Neben der technisch-ökonomischen Optimierung<br />

werden im Rahmen des Vorhabens<br />

weiter die Treibhausgaseffekte,<br />

die durch die Verlagerung entstehen, betrachtet.<br />

Foto: ZSW/Ellen Klose<br />

6


Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />

Aktuelles<br />

Freistaat fördert Kauf von<br />

30 Niederflurbussen mit<br />

Biomethan-Antrieb<br />

Chemnitz – Die Chemnitzer Verkehrs-Aktiengesellschaft (CVAG) erhält<br />

für die Modernisierung ihrer Busflotte fast 9,5 Millionen Euro vom<br />

Freistaat Sachsen. Das entspricht 70 Prozent der förderfähigen Kosten.<br />

Die Förderung wird mit Mitteln aus dem Europäischen Fonds<br />

für Regionale Entwicklung (EFRE) kofinanziert. Die CVAG wird das<br />

Geld für den Kauf von 30 barrierefreien Niederflurbussen mit Biomethan-Antrieb<br />

– 23 Gelenk- und 7 Standard-Linienomnibusse –<br />

einsetzen. Alte Dieselfahrzeuge werden dafür ausgeflottet. Durch<br />

die Neubeschaffung der 30 Busse werden künftig in Chemnitz bis<br />

zu 1.271 Tonnen CO 2<br />

im Jahr eingespart.<br />

Am 14. Februar 1992 haben 17 Biogaspioniere im<br />

baden-württembergischen Aspach den Fachverband Biogas e.V.<br />

gegründet. In diesem Jahr feiert der Verband seinen 30. Geburtstag.<br />

Aus den anfänglich 17 Mitgliedern sind knapp 5.000 geworden, die Zahl<br />

der Biogasanlagen stieg in dieser Zeit von etwa 150 auf heute über 9.500.<br />

Im Fachverband Biogas e.V. sind mehr als 40 festangestellte<br />

Mitarbeiter*innen tätig, die von zahlreichen ehrenamtlich aktiven<br />

Mitstreiter*innen in den 23 Regionalgruppen unterstützt werden. Neben<br />

der Hauptgeschäftsstelle in Freising und dem Hauptstadtbüro<br />

in Berlin gibt es drei Regionalbüros.<br />

Die Expertise des Fachverbandes Biogas e.V. ist weltweit gefragt.<br />

Der Verband unterstützt den Ausbau der Biogasnutzung<br />

national und international und ist auch bei<br />

politischen Entscheidungsfindungen ein<br />

wichtiger Ratgeber.<br />

Foto: Stefanie Stein/CVAG<br />

Sachsen: Ines Fröhlich,<br />

Staatssekretärin für<br />

Mobilität, hat den Förderbescheid<br />

persönlich<br />

an CVAG-Vorstand Jens<br />

Meiwald überreicht.<br />

Leserbrief<br />

Von Apfeln und Birnen<br />

Energetischer Vergleich (Basis Hi) von<br />

Maissilage und Strohpellets<br />

Zu dem Artikel „Strohpellets durch Uni Göttingen<br />

getestet“ im Biogas Journal 6_2021 ab<br />

Seite 12 erreichte uns folgende Leserzuschrift:<br />

Auf Seite 13 finden wir den Absatz: Ökonomische<br />

Betrachtung. In diesem Absatz wird ein<br />

Gleichgewichtspreis zwischen Maissilage und<br />

Strohpellets gezeigt. Da ich den mengenbezogenen<br />

Ansatz für falsch halte, habe ich einmal<br />

den energetischen Bezug zugrunde gelegt und<br />

eine Berechnung erstellt, siehe Tabelle.<br />

Unter Berücksichtigung der Energieausbeute<br />

aus der Maissilage und den Strohpellets verändert<br />

sich somit die Aussage und die Vorzüglichkeit.<br />

Wollte man 1.000.000 Kilowattstunden<br />

(kWh) Bioenergie aus Maissilage erzeugen,<br />

benötigte man eine Gärmasse von 887 Tonnen<br />

mit Kosten von 31.061 Euro. Wollte man die<br />

gleiche Energie der Maissilage durch Strohpellets<br />

ersetzen, benötigte man eine Gärmasse von<br />

346 Tonnen mit Kosten von 27.003 Euro.<br />

Der Massestrom hat sich also um 61 Prozent<br />

reduziert, was:<br />

1. sich auf die hydraulische Verweilzeit und<br />

damit den biologischen Abbaugrad positiv<br />

auswirkt,<br />

2. das benötigte Lagervolumen<br />

reduziert,<br />

3. die Ausbringkosten reduziert<br />

und die Kosten um 13 Prozent reduziert.<br />

Rainer Casaretto<br />

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35 % TR 90 % TR<br />

Stroh-Pellets<br />

95 % oTR 92 % oTR<br />

340,00 Nm³(CH₄)/t(oTR) 350,00 Nm³(CH₄)/t(oTR)<br />

9,968 kWh/Nm³(CH₄) 9,968 kWh/Nm³(CH₄)<br />

1.127 kWh/t(GM) 2.889 kWh/t(GM)<br />

35,00 €/t(GM) 78,00 €/t(GM)<br />

3,11 ct/kWh 2,70 ct/kWh<br />

GM = Gärmasse, in Abgrenzung zur Erwerbsmasse<br />

beinhaltet der Preis pro Tonne Gärmasse bereits<br />

die Kosten aus den Silierverlusten.<br />

TR = Trockenrückstand.<br />

oTR = organischer Trockenrückstand.<br />

7


Aktuelles Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />

Termine<br />

Rund um‘s Biogas<br />

17. Januar<br />

Web-Seminar: Gängige Anlagenschäden<br />

und ihre Vermeidbarkeit<br />

Online<br />

www.biogas.org<br />

18. Januar<br />

WebKonferenz: Erneuerbare-KWK<br />

für Gebäude<br />

Straubing<br />

www.carmen-ev.de<br />

24. Januar<br />

Web-Seminar: Vorbereitung auf die<br />

EEG-Ausschreibungen März <strong>2022</strong><br />

Online<br />

24. bis 28. Januar<br />

Kraftstoffe der Zukunft –<br />

19. Internationaler Fachkongress<br />

für erneuerbare Mobilität<br />

Online<br />

www.kraftstoffe-der-zukunft.com<br />

25. Januar<br />

Web-Seminar: Vorbereitung auf die<br />

EEG-Ausschreibungen März <strong>2022</strong><br />

Online<br />

28. bis 29. Januar<br />

Workshop: „Sicherheit an der<br />

Bürofront Biogas“<br />

Mitterteich<br />

www.green-energy-zintl.de<br />

1. Februar<br />

WebKonferenz (Banz) – 16. Oberfränkisches<br />

Biogas-Fortbildungsseminar<br />

Straubing<br />

www.carmen-ev.de<br />

15. Februar<br />

Web-Seminar: Sichere Instandhaltung<br />

von Biogasanlagen – Schwerpunkt<br />

Beauftragung von Fremdfirmen<br />

Online<br />

15. Februar<br />

Sicherheitsbelehrung für Helfer und<br />

Mitarbeiter an der Biogasanlage<br />

Mitterteich<br />

www.green-energy-zintl.de<br />

16. Februar<br />

Unterweisung von Fahrern/Erntehelfern<br />

an der Biogasanlage<br />

Mitterteich<br />

www.green-energy-zintl.de<br />

24. Februar<br />

Biomethan, jetzt erst recht – so machen<br />

Sie mehr aus Ihrer Biogasanlage<br />

Online<br />

www.landwaerme.de<br />

Diese und weitere Termine rund um<br />

die Biogasnutzung in Deutschland<br />

und der Welt finden Sie auf der Seite<br />

www.biogas.org unter „Termine“.<br />

8<br />

Foto: adobe stock_Brian Jackson


Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />

clean air is our engine<br />

Aus<br />

Aktuelles<br />

FÜR DEUTSCHLAND.<br />

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BIOGAS-KIDS<br />

Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />

Was ist uns wichtig?<br />

Auch in diesem Jahr geben wir für euch wieder (Bio-)Gas!<br />

Zu wichtig ist die Rolle, die das Biogas als erneuerbare<br />

Energieform für Natur, Klima, Landwirtschaft und<br />

Verbraucher spielt. Der Fachverband Biogas, der<br />

die Betreiber von Biogasanlagen unterstützt tützt und<br />

gleichzeitig in der Öffentlichkeit für die erzeugung wirbt, hat deshalb im letzten Jahr<br />

Biogaswieder<br />

eine Aktionswoche Artenvielfalt<br />

durchgeführt. Aus gutem Grund, denn n<br />

der Schutz von Lebensräumen und Nahrung<br />

für möglichst viele Insekten, Vögel<br />

und viele andere Wildtiere in unserer<br />

Natur und mit Unterstützung der Landwirtschaft<br />

ist ebenso wichtig wie der<br />

Schutz unseres Klimas. Gemeinsam<br />

mit Verbänden, Firmen und Privatpersonen<br />

ging es darum, die Vielfalt von Ener-<br />

<br />

anlagen zu zeigen. Es gibt eben nicht nur<br />

<br />

die Natur sind, können zu Biogas vergoren werden,<br />

um daraus Strom, Wärme oder Kraftstoffe zu machen.<br />

Der Unterschied liegt jedoch in der Gasausbeute. Und<br />

dabei ist der Mais kaum zu schlagen. Das bedeutet dann<br />

auch für den Betreiber das höchste Einkommen. Wächst<br />

allerdings nur Mais auf den Feldern für die Biogasanlagen,<br />

ist es um die Artenvielfalt schlecht bestellt. Bienen und<br />

<br />

Für das Experiment brauchst du 1 Pappbecher,<br />

1 Kindertröte und 10 Wattebäusche.<br />

Warum wirkt die Welt immer so<br />

leise, wenn es geschneit hat?<br />

In diesem Experiment erfährst<br />

du den Grund. Drücke dafür zunächst<br />

kräftig auf eine Kindertröte<br />

und merke dir die Lautstärke des<br />

Geräuschs. Dann füllst du Wattebäusche<br />

in den Becher, hältst die<br />

Tröte hinein und drückst erneut<br />

darauf. Was passiert? Das Geräusch<br />

ist wesentlich leiser.<br />

Warum ist das so? Die Wattebäusche<br />

enthalten zahllose winzige Hohlräume, in denen die Schallwellen,<br />

das heißt die Töne in der Tröte, abgefangen und gedämpft<br />

werden. Genauso verhält es sich mit dem Schnee. Mit kleinen<br />

Luftkammern durchsetzt, fängt die Schneedecke eindringende<br />

Geräusche ab und vermindert damit die Lautstärke.<br />

Pixabay<br />

<br />

fehlen, hat die Landwirtschaft auf Dauer<br />

<br />

bestäubt werden können und damit keine<br />

Nachkommen erzeugen. Ohne Insekten<br />

<br />

So ist beispielsweise das Rebhuhn europaweit in den<br />

<br />

<br />

mithilfe der Biogaserzeugung. Und Landwirte, die dabei<br />

mitmachen, müssen dafür zusätzlich entlohnt werden.<br />

Schließlich helfen sie damit nicht nur der Natur, sondern<br />

allen Menschen.<br />

Das geht:<br />

<br />

Klimafreundlich hergestellter<br />

Wasserstoff gilt als Hoffnungsträger<br />

für den Einsatz in<br />

Industrie und Verkehr, ohne<br />

dass dabei CO2 frei wird.<br />

Einem Forscherteam an der<br />

Technischen Universität Graz<br />

in Österreich ist es jetzt zum<br />

allerersten Mal gelungen,<br />

hochreinen, „grünen“ Wasserstoff<br />

in einer Biogasanlage<br />

aus reinem Biogas zu erzeugen.<br />

Wieder einmal zeigt sich<br />

also, wie nutzbringend die<br />

Biogastechnologie für uns ist. Doch was kann man damit anfangen?<br />

Den Traktor am Hof mit dem Wasserstoff zu betanken, wäre eine<br />

super Idee – aber den gibt es leider noch nicht. Abnehmer müssen<br />

also noch gefunden werden.<br />

Pixabay<br />

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10


Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />

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11


Aktuelles Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />

Biogas Convention<br />

Biogasanlagen<br />

senken<br />

Börsenstrompreise!<br />

Auch 2021 fand Ende November die Biogas Convention, die Jahrestagung des<br />

Fachverbandes Biogas, coronabedingt zum zweiten Mal digital statt. Die 31. Tagung<br />

stand wie schon im Vorjahr eine ganze Woche lang (Montag bis Freitag) im Interesse<br />

der Biogasszene. Das gut gemixte Themenangebot lockte an manchen Tagen weit<br />

über 200 Teilnehmer*innen in die Online-Vorträge.<br />

Von Dipl.-Ing. agr. (FH) Martin Bensmann<br />

Am Dienstagvormittag ging es im Block 2<br />

um Energiepolitik und die Strommärkte.<br />

Horst Seide, Präsident des Fachverbandes<br />

Biogas e.V., sagte zu Beginn seines<br />

Impulsstatements, dass es in 2020 während<br />

der Biogas Convention vor allem um die damalige<br />

Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG)<br />

ging. Das Gesetz sei zwar am 1. Januar 2021 in Kraft<br />

getreten, sei aber immer noch nicht zu 100 Prozent<br />

rechtssicher. Grund: Die EU-Kommission hat das Gesetz<br />

noch nicht vollständig notifiziert.<br />

„Wir haben zwar in 2021 zwei Ausschreibungsrunden<br />

für Bioenergie gehabt. Wir wissen aber immer<br />

noch nicht, ob der Rechtsrahmen EU-konform ist<br />

oder nicht. In der ersten Ausschreibung wussten wir<br />

zum Beispiel nicht, wie der Flexzuschlag zu berechnen<br />

ist. Zum zweiten Ausschreibungstermin wussten<br />

wir das zwar, aber die Notifizierung war immer noch<br />

nicht abgeschlossen“, ärgerte sich Seide.<br />

Daher sei es für Anlagenbetreiber schwierig, ein Gebot<br />

zu kalkulieren. Und dadurch sei es fast unmöglich,<br />

an einer Ausschreibung teilzunehmen. So habe<br />

es die Biogasbranche nicht geschafft, die Ausschreibungsmengen<br />

voll auszuschöpfen, was aber nicht<br />

anders zu erwarten gewesen sei.<br />

Seide hofft auf neues EEG Mitte <strong>2022</strong><br />

„Wir haben in 2020 gut 400 Megawatt (MW) an flexibler<br />

Leistung in Deutschland mit Biogas-Blockheizkraftwerken<br />

zugebaut. Unsere Schätzungen für 2021<br />

gehen davon aus, dass nur rund 130 MW an flexibler<br />

Leistung zugebaut werden. Das ist ein Rückschritt<br />

und damit auch ein schlechtes Signal“, betonte der<br />

Verbandspräsident. Vor dem Hintergrund, dass die<br />

nächste Bundesregierung eine Ampelkoalition sein<br />

wird, sagte er: „Ich bin davon überzeugt, dass wir<br />

Mitte nächsten Jahres ein neues EEG haben werden.“<br />

Genauso wie kaum Biogasleistung zugebaut worden<br />

sei, hätten auch die anderen Erneuerbaren Energien<br />

keine nennenswerte Leistung zugebaut. Daher sei es<br />

zwingend notwendig, dass die Politik die Rahmenbedingungen<br />

für alle Erneuerbaren Energien schnell<br />

ändert. Der Bundesverband Erneuerbare Energie e.V.<br />

habe Vorschläge erarbeitet, wie im Strombereich<br />

Kosten gesenkt werden können und gleichzeitig die<br />

EEG-Umlage keine Beihilfen mehr benötigt. Seide<br />

Foto: Adobe Stock_joeseo48<br />

12


Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />

Aktuelles<br />

hofft, dass die Politik die Vorschläge<br />

aufgreift und umsetzt,<br />

dass mit einem neuen EEG<br />

im nächsten Jahr die Umsetzung<br />

schneller möglich<br />

wird. Anpassungen benötige<br />

auch das Strommarktdesign.<br />

„Wenn wir uns den Strommarkt<br />

der vergangenen Monate<br />

anschauen, dann haben wir<br />

hohe Preise gesehen. Aktuell sehen<br />

wir heute Nachmittag am 23.11.<br />

einen Preis von 348 Euro pro Megawattstunde<br />

(MWh), was 34,8 Cent pro Kilowattstunde<br />

entspricht. Das bekommt derjenige, der zwischen<br />

17.00 und 18.00 Uhr Strom produziert, im freien<br />

Markt. Damit kann man Geld verdienen. Insbesondere<br />

verdienen flexibel betriebene Biogas-BHKW damit<br />

ihr Geld“, hob Seide hervor.<br />

Diese flexiblen Anlagen würden mit ihren insgesamt<br />

2 Gigawatt (GW) Leistung in dem genannten Zeitfenster<br />

den Strompreis an der Börse um 2.650 Euro pro<br />

MWh senken. Das sei die Leistung, die die Biogasanlagen<br />

real erbringen würden und so der Allgemeinheit<br />

zur Verfügung stellten. Seide weiter: „Wenn unsere<br />

flexible Leistung nicht da wäre, müssten andere Erzeuger<br />

einspringen, die in der sogenannten Merit-<br />

Order nach uns kommen. Das würde bedeuten, dass<br />

der Strompreis in dem Zeitfenster dann 3.000 Euro<br />

kosten würde. Wir verändern den Markt mit unseren<br />

flexiblen Biogasanlagen. Wenn unsere Biogasanlagen<br />

keinen Strom in der Zeit produzieren würden, kämen<br />

Reservekraftwerke zum Einsatz. Das bedeutet, dass<br />

die flexiblen Biogasanlagen systemrelevant werden.“<br />

Im 2021 Jahr würden drei Atomkraftwerke abgeschaltet<br />

und in <strong>2022</strong> ebenfalls. Dann stehe Deutschland<br />

vor dem Kohleausstieg. Darum seien ganz<br />

schnell mehr flexible Biogasanlagen notwendig, die<br />

dann am Strommarkt teilnehmen. „Wir können uns<br />

somit nicht das Ziel setzen, dass wir in <strong>2022</strong> nur<br />

400 MW an flexibler Leistung zubauen, sondern wir<br />

brauchen <strong>2022</strong> einen Zubau von rund 1.000 MW.<br />

Denn wir schalten ja mehr sichere Leistung ab. Darum<br />

brauchen wir alle Biogasanlagen – sowohl die Vor-<br />

Ort-Verstromungsanlagen als auch die Biomethaneinspeiseanlagen“,<br />

verdeutlichte Seide.<br />

In den vergangenen Monaten seien die Börsenstrompreise<br />

nicht nur während einer Stunde pro Tag hoch<br />

gewesen. Es habe mehrere Wochen gegeben, in denen<br />

an fast jedem Arbeitstag die Preise hoch waren. Laut<br />

Seide könnte es sein, dass die flexiblen Biogasanlagen<br />

von Montag bis Mittwoch Strom einspeisen und<br />

Mittwochnachmittag die Gasspeicher leer sind. Dann<br />

hätten die Anlagen alles Gas verbrannt, das verfügbar<br />

gewesen sei. Die Vor-Ort-Verstromungsanlagen müssten<br />

dann eigentlich ihre Motoren abstellen, weil erst<br />

neues Biogas im Speicher gesammelt werden muss.<br />

„Wir müssen<br />

in <strong>2022</strong> rund 1.000 MW<br />

an flexibler Biogas-<br />

Verstromungs leistung<br />

zubauen“<br />

Horst Seide<br />

In dem Zusammenhang<br />

könnte die Frage gestellt<br />

werden, wie sicher die Leistung<br />

der flexiblen Biogasanlagen<br />

denn überhaupt ist.<br />

Laut Seide kann diese Frage<br />

gut beantwortet werden, „da wir<br />

eine Lösung dafür in petto haben.<br />

Die lautet: Wir schließen die Vor-Ort-<br />

Verstromungsanlagen an das Erdgasnetz<br />

an. Dann hätten wir die Möglichkeit ‚Grüne Gase‘ aus<br />

dem Gasnetz zu entnehmen und zu verstromen“. Der<br />

BEE habe eine Strommarktstudie erstellen lassen.<br />

Darin seien auch solche Szenarien analysiert worden.<br />

Eine wichtige Aufgabe der neuen Bundesregierung<br />

werde sein, sichere Leistung zur Verfügung zu stellen.<br />

EU gibt ambitionierten Takt vor<br />

Sandra Rostek, Leiterin des Hauptstadtbüros Bioenergie,<br />

berichtete über das energiepolitische Geschehen.<br />

Unabhängig von der deutschen Politik sei<br />

die EU-Kommission mit ihrem „Green Deal“ ambitioniert.<br />

Sie sei gewillt, den europäischen Kontinent<br />

als ersten Kontinent bis 2045 in die Klimaneutralität<br />

zu führen. „Und wenn die Politik bis 2030 ordentlich<br />

in die Spur kommen will, dann muss sie schon<br />

ein gewaltiges Programm vorlegen. Dann heißt die<br />

Devise ‚Fit for 55‘. Das bedeutet 55 Prozent Treibhausgaseinsparung<br />

bis 2030 in der EU zu erreichen“,<br />

skizzierte Rostek die Aktivitäten auf EU-Ebene. Für<br />

die Referentin ist klar, dass die Bioenergienutzung<br />

für die Zielerreichung eine ganz wichtige Rolle spielt.<br />

Angesichts der steigenden Energiepreise sei derzeit<br />

vonseiten der Politik nicht zu hören, dass die Preise<br />

staatlich begrenzt werden sollten, sondern es sei eher<br />

zu vernehmen, dass nur mit dem Ausbau Erneuerbarer<br />

Energien die Preissteigerungen zu dämpfen sind.<br />

In ihren weiteren Ausführungen thematisierte sie das<br />

Sondierungspapier der Ampelkoalitionäre. Biogas<br />

beziehungsweise Bioenergie sei darin zwar explizit<br />

nicht erwähnt, aber positiv sei zu bewerten, dass das<br />

Klimaschutzgesetz in <strong>2022</strong> konsequent weiterentwickelt<br />

werden soll.<br />

Einen Tag später haben SPD, Grüne und FDP den Koalitionsvertrag<br />

vorgelegt. Daher wird an dieser Stelle<br />

nicht weiter auf das Sondierungspapier eingegangen.<br />

Weitere Infos zum Koalitionsvertrag lesen Sie ab Seite<br />

48. Klar ist, dass die Bioenergie mit Nachdruck<br />

ins weitere Spiel der Energiewende eingebracht werden<br />

muss. Und das wird der Fachverband Biogas e.V.<br />

auch tun. „Insbesondere das Thema der Güllevergärung<br />

ist anzupacken, da es bislang bei der Umsetzung<br />

noch stockt. Hier muss noch mehr Fahrt aufgenommen<br />

werden. Die Treibhausgasminderung in<br />

13


Aktuelles Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />

der Landwirtschaft über die Vergärung von landwirtschaftlichen<br />

Reststoffen wie Gülle und Mist werden<br />

wir wieder einfordern“, stellte Rostek klar.<br />

Alle Hemmnisse müssen weg<br />

Investitionshemmnisse müssten abgebaut werden.<br />

Allen voran die Hemmnisse der EEG-Ausschreibung.<br />

Insbesondere die Südquote müsse abgeschafft werden.<br />

Rostek sieht gute Chancen, die wegzubekommen.<br />

Auch die EU-Kommission habe sich dazu positioniert<br />

und gesagt, dass sie diese auch nicht gut<br />

findet. Wohl etwas mehr gekämpft werden müsse<br />

für die Abschaffung der endogenen Mengensteuerung.<br />

Die „Sondierer“ hätten angekündigt, ein neues<br />

Strommarktdesign zu erarbeiten. „Da steht unser<br />

Angebot, flexible Biogasanlagen darin stärker einzubinden.<br />

Bis zu 18 Gigawatt können Biogasanlagen<br />

an flexibler Leistung bereitstellen, was immerhin 60<br />

Gaskraftwerken entsprechen würde“, führte Rostek<br />

weiter aus. Auch in der Mobilität können Biogase<br />

Teil der Lösung sein. Mit Biomethan, Bio-LNG und<br />

biogenem Wasserstoff bietet die Branche für jede<br />

Herausforderung des Verkehrssektors Lösungen an.<br />

Biogener Wasserstoff schließe lokale Kreisläufe. Eine<br />

durchschnittliche Biogasanlage könne zum Beispiel<br />

17 Busse ganzjährig mit Wasserstoff versorgen. „Wir<br />

wollen also Teil der CO 2<br />

-neutralen Volkswirtschaft<br />

sein, die angestrebt wird“, bekundete Rostek.<br />

Dr. Matthias Stark, Leiter des Referats Erneuerbare<br />

Energiesysteme im Bundesverband Erneuerbare<br />

Energie e.V. (BEE), referierte über die Notwendigkeit<br />

eines neuen Strommarktdesigns und verriet ein paar<br />

Ergebnisse aus einer entsprechenden vom BEE beauftragten<br />

Studie. Nach seinen Worten treten negative<br />

Strompreise verstärkt auf. Die Erneuerbare-Energien-Branche<br />

stehe vor der Herausforderung, dass<br />

aufgrund der Pönalisierung der Erneuerbare-Energien-Einspeisung<br />

in Zeitfenstern negativer Strompreise<br />

(§51 EEG 2021) wirtschaftliche Risiken den Ausbau<br />

der Erneuerbaren hemmen.<br />

„Wir brauchen ausreichend Flexibilitäten zur Verhinderung<br />

negativer Strompreise“, betonte der Energieexperte.<br />

In den vergangenen Jahren sei es zu einem<br />

starken Anstieg nicht vergüteter §51-EEG-Strommengen<br />

gekommen. Er machte das am Beispiel der<br />

Photovoltaik deutlich. 2018 hat, so Dr. Stark, die<br />

nicht vergütete Strommenge noch unter 1 Prozent gelegen.<br />

In 2020 habe die nicht vergütete Strommenge<br />

aus PV schon über 5 Prozent betragen.<br />

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Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />

Aktuelles<br />

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„Wir brauchen<br />

ausreichend<br />

Flexibilitäten zur<br />

Verhinderung negativer<br />

Strompreise“<br />

Dr. Matthias Stark<br />

Die erzielbaren Marktwerte für Ökostromanlagen<br />

seien für die Energiewende von zentraler Bedeutung.<br />

Bei ausreichender Höhe seien die<br />

Erneuerbare-Energien(EE)-Anlagen<br />

außerhalb der Förderung realisierbar.<br />

„Ist das Marktniveau<br />

zu niedrig, wie in den vergangenen<br />

Jahren, sind weder der<br />

Weiterbetrieb noch Neuanlagen<br />

außerhalb der Förderung<br />

wirtschaftlich. Die<br />

Lösung lautet: Schaffung<br />

ausreichender Flexibilitäten<br />

zur Stabilisierung der Marktwerte<br />

für EE-Anlagen“, teilte<br />

Dr. Stark mit.<br />

Seit ein paar Monaten könnten<br />

Strompreise von über 100 Euro pro MWh<br />

beobachtet werden. Grund dafür seien externe<br />

Effekte, wie zum Beispiel der CO 2<br />

-Preis, der Gaspreis<br />

sowie Füllstände in den Gasspeichern. Im November<br />

2020 seien die deutschen Speicher zu 90 Prozent<br />

gefüllt gewesen. Aktuell würden es unter 70 Prozent<br />

sein. Das heißt, hier kommen seinen Ausführungen<br />

zufolge gewisse Risikofaktoren auf den Preis drauf.<br />

Bei der Preisfindung sei das letzte Kraftwerk entscheidend,<br />

das sei preissetzend.<br />

Das heißt, es können 99 Prozent<br />

der Anbieter für null Euro anbieten,<br />

wenn aber das letzte Kraftwerk 100 Euro<br />

pro MWh für seinen Strom benötigt, dann ist der<br />

Strompreis in der jeweiligen Stunde 100 Euro/MWh.<br />

Marktwert von Einspeisemenge abhängig<br />

Zum Marktgeschehen im Oktober trug Dr. Stark folgende<br />

Beispielsituation vor: „Am 3. Oktober hatten<br />

wir, obwohl es ein Sonntag und zudem ein Feiertag<br />

war, zwar einen geringen Stromverbrauch, aber<br />

Strommarkt: Ist<br />

das Marktniveau<br />

zu niedrig, wie in<br />

den vergangenen<br />

Jahren, sind weder<br />

der Weiterbetrieb noch<br />

Neuanlagen außerhalb<br />

der Förderung<br />

wirtschaftlich.<br />

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15


Aktuelles Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />

Ein Ergebnis der<br />

Strommarkt-Designstudie<br />

des BEE ist: Die<br />

Erneuerbaren werden<br />

im Inland stark<br />

ausgebaut, anstatt<br />

sich von Importen aus<br />

Drittstaaten abhängig<br />

zu machen.<br />

wir hatten zusätzlich sehr viel Wind beziehungsweise<br />

auch PV-Strom. Dieser Effekt führte dazu, dass<br />

wir am 3. Oktober negative Strompreise hatten. Vier<br />

Tage später dagegen hatten wir so gut wie gar keinen<br />

Windstrom bei einem hohen Stromverbrauch. Die<br />

Folge war: Wir hatten mit 445 Euro pro MWh einen<br />

der höchsten Strompreise überhaupt in Deutschland.<br />

An dieser Woche ist sehr gut ablesbar, dass sich zwar<br />

das Marktniveau anhebt, aber der Marktwert, den wir<br />

erzielen können, stark davon abhängig ist, wie viel<br />

wir einspeisen.“<br />

Der Effekt, dass externe Einflüsse den Strompreis<br />

beeinflussen sei begrenzt. Denn irgendwann werde<br />

sich zum Beispiel der CO 2<br />

-Preis eingestellt haben.<br />

Auch die Füllstände in den Gasspeichern würden sich<br />

im nächsten Sommer stabilisiert haben. Dr. Stark<br />

betonte, dass die Umsetzung der Energiewende ein<br />

anderes Strommarktdesign notwendig mache. In den<br />

vergangenen zehn Jahren seien nur 10 GW an Leistung<br />

zugebaut worden. In den nächsten zehn Jahren<br />

müssten 220 GW Leistung zugebaut werden.<br />

„Die Erneuerbaren Energien gehen aus dem letzten<br />

Jahrzehnt als systemrelevant heraus und kommen<br />

in diesem Jahrzehnt als systemsetzend hinein. Das<br />

bedeutet, dass sich die Märkte darauf fokussieren<br />

müssen. Die Märkte waren von Anbeginn auf fossile<br />

Kraftwerke ausgerichtet. Nun müssen sie sich an den<br />

Erneuerbaren Energien ausrichten. Wir müssen dabei<br />

Flexibilitäten schaffen, die nicht nur Versorgungssicherheit<br />

bieten, sondern auch betriebswirtschaftlich<br />

überlebensfähig sind“, erläuterte Dr. Stark.<br />

Neues Strommarktdesign notwendig<br />

Somit sei klar, dass ein neues Strommarktdesign erforderlich<br />

ist, das Flexibilitäten benötigt. Die Frage<br />

sei aber, wie viel gebraucht wird. In den vergangenen<br />

Monaten sind Dr. Stark zufolge verschiedene Studien<br />

zu den Bedarfen veröffentlicht worden. Die angesetzten<br />

Bedarfswerte würden sehr weit auseinanderliegen.<br />

Und in einer vom Bundeswirtschaftsministerium<br />

beauftragten Studie sei die Bioenergie gar nicht berücksichtigt<br />

worden, weil im Vorhinein gesagt worden<br />

sei, dass die Bioenergie nicht benötigt werde.<br />

Darum habe der BEE die Strommarkt-Designstudie<br />

beauftragt, um zu eruieren, welche Effekte die Bioenergie<br />

eigentlich hat. Die Studie behandelt das Thema<br />

der Betriebswirtschaftlichkeit der Erneuerbaren<br />

Energien und der Flexibilitäten. Sie betrachtet die<br />

zentralen Themen zur Versorgungssicherheit. Neben<br />

der stündlichen Lastdeckung und des Netzausbaus<br />

liegt der Fokus auf Lastgradienten und der Übernahme<br />

von Netzdienstleistungen durch Erneuerbare<br />

Energien. Zusätzlich werden<br />

auch die Finanzierung<br />

der Systemkosten analysiert<br />

als auch allgemeine<br />

Fragen des Marktdesigns.<br />

Hierzu zählen die Ausgestaltung<br />

eines Terminmarktes<br />

mit nur Erneuerbaren<br />

als auch die Folgen<br />

einer Aufsplittung der<br />

deutschen Strompreiszone<br />

für die Energiewende.<br />

Die zentralen Ergebnisse der Studie lauten:<br />

ffDie Energiewende ist unter weitgehender<br />

Nutzung heimischer Potenziale möglich.<br />

ffGesicherte Leistung steht über Bioenergie,<br />

Speicher und KWK zu Verfügung.<br />

ffHohe Sektorenkopplung über Power-to-Heat<br />

und Elektrolyse.<br />

ffDie Marktfähigkeit der Erneuerbaren wird<br />

ab 2040 mit marktstabilisierenden Faktoren<br />

erreicht.<br />

ffDie Erneuerbaren werden im Inland stark<br />

ausgebaut, anstatt sich von Import aus Drittstaaten<br />

abhängig zu machen.<br />

ffKein Kohlestrom ab 2030.<br />

ffStark reduzierte Netzbetriebskosten.<br />

ffLastnahe erneuerbare Stromerzeugung.<br />

Wenn die Studienergebnisse umgesetzt würden, hieße<br />

das: „Im Refenzszenario werden Wind- und PV-<br />

Strom früher wirtschaftlich als im Baisisszenario. Das<br />

bedeutet auch, dass es im Referenzszenario bei Wind<br />

und PV keine §51-Mengen mehr geben wird“, erklärte<br />

Dr. Stark abschließend.<br />

Autor<br />

Dipl.-Ing. agr. (FH) Martin Bensmann<br />

Redakteur Biogas Journal<br />

Fachverband Biogas e.V.<br />

0 54 09/90 69 426<br />

martin.bensmann@biogas.org<br />

Foto: Adobe Stock_Thaut Images<br />

16


Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />

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Die neue TA Luft regelt bei der<br />

Aktuelles Erstinbetriebnahme Biogas Journal von Neuanlagen, | 1_<strong>2022</strong><br />

dass bei NawaRo-Anlagen ein Mindestabstand<br />

von 100 Metern und bei Abfallanlagen<br />

von 300 Metern zur nächsten Wohnbebauung<br />

eingehalten werden muss. Wenn Anlagen mehr<br />

als 50 Tonnen Durchsatzkapazität pro Tag und<br />

offene Anlagenteile haben, wie zum Beispiel<br />

Annahmebereiche, Bunker oder Nachrotten,<br />

müssen mindestens 500 Meter<br />

Abstand eingehalten<br />

werden.<br />

Biogas Convention<br />

TA Luft für<br />

Biogasanlagen<br />

relevant<br />

Am Mittwochvormittag ging es im Block 4<br />

um das Thema Emissionen. Die Anforderungen<br />

der TA Luft und die Thematik der<br />

Methanleckagen wurden besprochen.<br />

Von Dipl.-Ing. agr. (FH) Martin Bensmann<br />

Die TA Luft ist am 28. Mai 2021 vom<br />

Bundesrat beschlossen worden. Sie trat<br />

am 1. Dezember 2021 in Kraft. Neu ist,<br />

dass die TA Luft biogasspezifische Regelungen<br />

enthält. Die 4. Bundes-Immissionsschutzverordnung<br />

(BImSchV) enthält an drei<br />

Stellen Nummern zur Biogaserzeugung. Das sind die<br />

5.4.1.15 für Anlagen, die Mono-Anbaubiomasse vergären,<br />

die 5.4.8.6.2 für Anlagen, die Abfälle vergären<br />

und die 5.4.8.6.3 für Anlagen, die Gülle und Anbaubiomasse<br />

vergären.<br />

„Diese Systematik der 4. BImSchV wird in der TA<br />

Luft weitergeführt. Das heißt, die besonderen Anforderungen<br />

an einzelne Anlagentypen finden sich alle<br />

unter der Nummer 5.4. Dabei gibt es zwei biogasspezifische<br />

Regelungen, die genauer betrachtet werden<br />

müssen. In diesem Zusammenhang stellt sich aber<br />

die Frage, welche Nummer für welchen Anlagentyp<br />

gilt. Es wäre viel zu einfach zu sagen, dass 1.15 und<br />

8.6.3 zusammen 5.4.1.15 sind und 8.6.2 sind die<br />

Abfallanlagen. Deswegen gibt es noch eine Kategorie<br />

der nicht besonders geruchsintensiven Abfälle aus<br />

bestimmten Herkunftsbereichen“, erklärte Gepa Porsche,<br />

Leiterin des Referats Genehmigung im Fachverband<br />

Biogas e.V., in ihrem Vortrag.<br />

In diese Kategorie fallen Garten- und Parkabfälle,<br />

Abfälle aus der Biotoppflege, der Landwirtschaft,<br />

dem Gartenbau oder der Forstwirtschaft. Diese werden<br />

laut Porsche der Nummer 5.4.1.15 zugeschlagen,<br />

während alles andere im Bereich der Nummer<br />

5.4.8.6.2 verbleibt. „Wir müssen uns somit merken:<br />

Eine Anlage, die der Nummer 8.6.2 zugehörig ist –<br />

also eine über den Abfalleinsatz genehmigungsbedürftige<br />

Anlage –, ist nicht automatisch nach TA Luft<br />

auch eine 5.4.8.6.2er Anlage. Dafür ist eine genauere<br />

Betrachtung der Inputstoffe notwendig“, erläuterte<br />

die Referentin.<br />

Ersterrichtung: Mindestabstände beachten<br />

Die Neufassung der TA Luft enthalte für beide Nummern<br />

– sowohl für die NawaRo-Anlagen als auch die<br />

Abfallanlagen – die Vorgaben eines einzuhaltenden<br />

Mindestabstandes zur nächsten Wohnbebauung bei<br />

der Ersterrichtung. Positiv durch den Bezug auf die<br />

Ersterrichtung sei, dass nicht bei jedem Zubau beispielsweise<br />

eines Gärrestlagers gestritten werden<br />

muss, ob der Mindestabstand eingehalten wird oder<br />

nicht. Dieser Mindestabstand beträgt bei NawaRo-<br />

Anlagen 100 Meter und bei Abfallanlagen 300 Meter.<br />

Wenn Anlagen mehr als 50 Tonnen Durchsatzkapazität<br />

pro Tag und offene Anlagenteile haben, wie zum<br />

Beispiel Annahmebereiche, Bunker oder Nachrotten,<br />

müssen mindestens 500 Meter Abstand eingehalten<br />

werden.<br />

Fotos: landpixel.eu<br />

18


Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />

Aktuelles<br />

Nicht neu, aber mit der TA Luft in den Fokus der<br />

Verbindlichkeit gerückt, sei die sogenannte Geruchszusatzbelastung.<br />

Sie dürfe auf Beurteilungsflächen<br />

bestimmte gebietstypische Emissionswerte nicht<br />

überschreiten. Das sei eigentlich schon Praxis im<br />

Vollzug, aber mit der TA Luft sei die Geruchsimmissionsrichtlinie<br />

in die TA Luft integriert worden.<br />

In ihrem weiteren Vortrag stellte Porsche bauliche,<br />

betriebliche Anforderungen der TA Luft vor. Für beide<br />

vorgenannten Anlagentypen sieht jeweils der Buchstabe<br />

a) vor, Fahrwege zu befestigen und sauber zu<br />

halten. Im Bundesratsverfahren hätten die Länder jedoch<br />

für Abfallanlagen Spezifikationen hinsichtlich<br />

der Befestigungsweise eingeführt. Die müssen nun<br />

mit einer Decke aus Beton, Asphaltbeton, fugenvergossenen<br />

Verbundsteinen oder gleichwertigem Material<br />

befestigt sein.<br />

„Der Buchstabe b) definiert jeweils für beide Anlagentypen<br />

Anforderungen an eingesetzte Stoffe. Die<br />

Texte waren zunächst gleich – vor allem aber gleich<br />

praxisuntauglich. Im Bundesratsverfahren wurde die<br />

besonders unglückliche letzte Passage leider nur bei<br />

den 5.4.1.15er Anlagen gestrichen. Dort heißt es<br />

nun: Es ist sicherzustellen, dass nur Stoffe als Substrat<br />

angenommen und eingesetzt werden, die für die<br />

Erzeugung von Biogas<br />

ffdurch enzymatischen oder mikrobiologischen<br />

Abbau geeignet oder<br />

ffförderlich oder<br />

ffals typisch landwirtschaftliche Verunreinigung<br />

wie Erdanhaftungen oder<br />

Sand im Substrat unvermeidbar sind.<br />

Bei den 5.4.8.6.2er Anlagen geht es dann noch wie<br />

folgt weiter: ‚und die keine schädlichen Umweltwirkungen<br />

und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile<br />

oder erhebliche Belästigungen hervorrufen‘“, führte<br />

Porsche aus.<br />

5.4.1.15er Anlagen: Emissionen aus<br />

Becken und Behältern durch geeignete<br />

Abdeckung minimieren<br />

Weiter ging es mit Erläuterungen zu den Vorgaben<br />

für Annahmebereiche, für die jeweils der Buchstabe<br />

c) gilt. Für 5.4.1.15 gilt: Geruchs- und Ammoniakemissionen<br />

aus Behältern oder Becken zur Annahme<br />

und Lagerung von Substraten sind durch geeignete<br />

Abdeckung nach dem Stand der Technik zu minimieren.<br />

Emissionsminderungsgrad nach 5.4.9.36<br />

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Aktuelles Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />

= 90 Prozent Reduktion bezogen auf den nicht abgedeckten<br />

Behälter.<br />

Für Anlagen nach 5.4.8.6.2 gilt: Annahme- und Aufbereitungsbereich<br />

sind geschlossen zu betreiben.<br />

Hallentore sind als Schnelllauftore auszuführen. Die<br />

Tore dürfen nur für die notwendigen Ein- und Ausfahrten<br />

geöffnet werden. Gegebenenfalls sind zur<br />

weiteren Minderung diffuser Emissionen Luftschleieranlagen,<br />

Fahrzeugschleusen oder vergleichbare<br />

Techniken vorzusehen.<br />

Nur bei 5.4.1.15er Anlagen kommen Regelungen<br />

zu Silagen zum Tragen, siehe Buchstabe d): Silagen<br />

sind bis auf die Anschnittflächen zur Minderung von<br />

Geruchsemissionen und der Minderung des Eintritts<br />

von Niederschlagswasser in den Silostock mit geeigneten<br />

Membranen, Folien, Planen oder auf andere<br />

nachweislich geeignete Weise abzudecken. Die Anschnittfläche<br />

ist auf ein Mindestmaß zu reduzieren.<br />

Silagesickersäfte sind austrittsflächennah zu erfassen,<br />

über Schächte oder Behälter zu sammeln und<br />

zu verwerten. Geruchsemissionen aus Schächten und<br />

Behältern zur Sammlung von Silagesickersaft sind<br />

durch eine geeignete Abdeckung nach dem Stand der<br />

Technik zu minimieren. Die befestigten Siloplatten<br />

und Rangierflächen sind sauber zu halten.<br />

Stichwort Lagerkapazität, betrifft 5.4.8.6.2er Anlagen,<br />

Buchstabe m): Auf der Grundlage der Behandlungskapazität<br />

der Anlage ist eine ausreichende Dimensionierung<br />

insbesondere der Lagerkapazität für<br />

Gärreste und Komposte vorzusehen. Diese Maßgabe<br />

war auch für 5.4.1.15er Anlagen vorgesehen, wurde<br />

dort aber gestrichen.<br />

Weiter mit Buchstabe e), Gasspeicher: Gasspeicher<br />

sind mit einer zusätzlichen äußeren Umhüllung der<br />

Gasmembran auszuführen. Der Gaszwischenraum<br />

ist messtechnisch zu überwachen. Die gemessenen<br />

Werte sind zu dokumentieren. Einschalige Dächer<br />

müssen spätestens 2029 umgerüstet worden sein.<br />

Ausnahmen sind nur möglich, wenn es technisch<br />

nicht anders geht.<br />

Buchstabe g), jeweils für beide Anlagentypen geltend:<br />

Gasspeicher sind mit einer Gasfüllstandsüberwachung<br />

auszustatten. Die kontinuierliche Überwachung<br />

wird vorgeschrieben. Es muss zusätzlich<br />

automatische Einrichtungen zur Erkennung unzulässiger<br />

Gasfüllstände geben. Altanlagen sind dann<br />

damit nachzurüsten, wenn es zu einem gehäuften<br />

Ansprechen der Gasüberdrucksicherung kommt.<br />

Buchstabe h), Einführung einer sogenannten Nutzungshierarchie:<br />

Es ist grundsätzlich alles Gas, was<br />

erzeugt wird, zu nutzen. Wenn es nicht genutzt werden<br />

kann, ist es zu speichern. Wenn man das Gas<br />

weder nutzen noch speichern kann, ist es schadlos<br />

zu verbrennen. Das soll in der Regel über eine fest installierte<br />

Fackel geschehen, deren Betriebszeiten automatisch<br />

zu registrieren und zu dokumentieren sind.<br />

Die Dokumentation ist fünf Jahre aufzubewahren und<br />

der zuständigen Behörde auf Verlangen vorzulegen.<br />

Minimierung von Methanemissionen aus<br />

der Lagerung flüssiger Gärreste<br />

Die TA Luft regelt auch die Minimierung von Methanemissionen<br />

aus der Lagerung flüssiger Gärreste.<br />

Hier gilt für 5.4.1.15er Anlagen Buchstabe j) und<br />

für 5.4.8.6.2er Anlagen der Buchstabe k). Kernaussage<br />

laut Porsche: Eine Minimierung von Methanemissionen<br />

aus der Lagerung flüssiger Gärreste soll<br />

Nur bei<br />

5.4.1.15er Anlagen<br />

kommen Regelungen zu Silagen<br />

zum Tragen, siehe Buchstabe d): Silagen<br />

sind bis auf die Anschnittflächen zur<br />

Minderung von Geruchsemissionen und der<br />

Minderung des Eintritts von Niederschlagswasser<br />

in den Silostock mit geeigneten<br />

Membranen, Folien, Planen oder auf<br />

andere nachweislich geeignete Weise<br />

abzudecken. Die Anschnittfläche<br />

ist auf ein Mindestmaß zu<br />

reduzieren.<br />

20


Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />

Aktuelles<br />

erreicht werden durch eine Mindestverweilzeit im<br />

gasdichten System oder durch den Nachweis eines<br />

maximalen Restgaspotenzials. Eine zusätzliche Regelung<br />

lautet: mindestens 50 Tage Verweilzeit zuzüglich<br />

je zwei Tage pro Masseprozent anderer Substrate<br />

als Gülle – maximal<br />

jedoch 150 Tage für mehrstufige<br />

Biogasanlagen.<br />

Beim Restgaspotenzial gibt<br />

es die Maßgabe, dass nur<br />

3,7 Prozent im Gärrestlager<br />

entstehen dürfen. Wer<br />

jedoch 100 Prozent Gülle<br />

einsetzt, der braucht die<br />

150 Tage Verweilzeit im<br />

gasdichten System nicht<br />

einzuhalten und auch<br />

nicht die Vorgaben zum<br />

Restgaspotenzial. Wer jedoch<br />

die EEG-Vergütung in<br />

Anspruch nehmen möchte,<br />

der muss die 150 Tage Verweilzeit<br />

in jedem Fall einhalten.<br />

„In dem Moment,<br />

wo ich nicht mehr gasdicht<br />

lagere, muss ich alles, was<br />

ich darin lagere, die Maßgaben<br />

nach Buchstabe j)<br />

erfüllen. Das heißt, eine<br />

offene Lagerung im Sinne<br />

von nicht gasdicht ist möglich.<br />

Sie muss aber mit<br />

Maßnahmen mit einem<br />

Emissionsminderungsgrad von 90 Prozent in Bezug<br />

auf Geruch und Ammoniak ausgerüstet sein. Die Altanlagenregelung<br />

gibt eine Reduktion von 85 Prozent<br />

vor“, informierte Gepa Porsche.<br />

Bei den Vorgaben zur<br />

Separierung ist es so, dass die<br />

5.4.1.15er Anlagen die Separierung<br />

nicht geschlossen betreiben müssen.<br />

Bei Lagerzeiten von mehr als 72<br />

Stunden muss eine dreiseitige<br />

Umwandung errichtet sein.<br />

5.4.1.15er Anlagen müssen nicht<br />

geschlossen separieren<br />

Bei den Vorgaben zur Separierung ist es so, dass die<br />

5.4.1.15er Anlagen die Separierung nicht geschlossen<br />

betreiben müssen. Bei Lagerzeiten von mehr als<br />

72 Stunden muss eine dreiseitige Umwandung errichtet<br />

sein. Außerdem soll die Oberfläche möglichst<br />

klein gehalten werden. Die 5.4.8.6.2er Anlagen<br />

müssen die Separierung geschlossen betreiben. Das<br />

darin entstehende Abgas ist nach Buchstabe d) zu<br />

behandeln. Das bedeutet Einsatz eines Biofilters und<br />

gegebenenfalls Betrieb einer sauren Wäsche.<br />

Hinsichtlich der Gärresttrockung und -pelletierung<br />

gilt für beide Anlagentypen, dass diese Behandlungsschritte<br />

geschlossen betrieben werden müssen.<br />

Das Abgas ist ebenfalls gemäß Buchstabe d)<br />

zu behandeln. Das bedeutet: Verwendung eines<br />

Biofilters und Betrieb einer sauren Wäsche. Außerdem<br />

ist die Wiederbefeuchtung des Materials auszuschließen.<br />

Der saure Wäscher ist nicht erforderlich,<br />

wenn der Ammoniak-Emmissionswert vor der biologischen<br />

Abluftreinigung unterschritten wird. Folgende<br />

Grenzwerte sind dann zu unterschreiten: 5<br />

Milligramm pro Kubikmeter Abgas vor dem Biofilter<br />

nach VDI 3477 und 10 Milligramm pro Kubikmeter<br />

Abgas nach TA Luft.<br />

Das bedeutet für 5.4.8.6.2er Anlagen: Nicht sonderlich<br />

mit Ammoniak belastetes Abgas kann ohne saure<br />

Wäsche in den Biofilter gegeben werden. Grund: Es<br />

gibt Trocknungsverfahren, die den Ammoniak schon<br />

vorher deutlich reduzieren. Ein Problem haben aber<br />

die 5.4.1.15er Anlagen: Die Gärresttrockung muss<br />

das Abgas sowieso schon nach Buchstabe d) behandeln.<br />

Jetzt kommt aber der Abschnitt Ammoniak in<br />

der Nummer 5.4.1.15 ins Spiel. Denn da steht drin:<br />

Abgase aus der Trocknung von Gärresten sind einem<br />

sauren Wäscher oder einer gleichwertigen Abgasreinigungseinrichtung<br />

zur Entfernung von Ammoniak<br />

zuzuführen.<br />

Hier stellt sich die Frage, ob dies die spezielle Vorschrift<br />

ist, die die Maßgabe nach Buchstabe d)<br />

schlägt. Oder wurde nur vergessen, dass der saure<br />

Wäscher schon in Buchstabe d) gefordert wird?<br />

21


Aktuelles Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />

Anzeigenschluss<br />

für die Ausgabe<br />

2_<strong>2022</strong> ist am<br />

4. Februar<br />

Nicht<br />

vergessen!<br />

Im schlimmsten Fall bedeutet dies dann: Selbst<br />

wenn man ein Verfahren betreibt, das einen Ammoniak<br />

unkritischen Gärrest trocknet, man dann trotzdem<br />

einen sauren Wäscher benötigt. „Bei der Trocknung<br />

von NawaRo-Gärresten muss ich offensichtlich einen<br />

sauren Wäscher haben. Bei der Trocknung von Abfallgärresten<br />

scheint der verzichtbar zu sein. Diese<br />

Ungleichbehandlung ist mir unverständlich“, merkte<br />

die Referentin abschließend an.<br />

Methanleckagen vermeiden<br />

Dr. Jan Liebtrau von der Rytec GmbH referierte zum<br />

Thema Methanleckagen. Methanemissionen seien<br />

zu vermeiden, weil sie ein Sicherheitsrisiko darstellen<br />

können, weil sie Geld kosten, weil sie ein hohes<br />

Treibhausgas-Potenzial haben und weil sie die Akzeptanz<br />

gegenüber der Technologie gefährden. Quellen<br />

für Methanemissionen können sein: BHKW-Abgas,<br />

offene Gärproduktlager oder Anmaischbehälter.<br />

„Unbekannte und somit nicht zulässige Quellen<br />

stellen Leckagen dar. Das BHKW wäre eine zulässige<br />

Quelle, weil es Methan emittiert, was aber unvermeidbar<br />

ist. Das ist aber eben auch eine ganz andere<br />

Situation, als eine Leckage darstellt. Diffuse Quellen<br />

sind mehr oder weniger als unbekannte Quellen zu<br />

interpretieren. Sie sind zu zahlreich, zu klein, zu verteilte<br />

Quellen deren kombinierte Wirkung auf Luft,<br />

Wasser und Boden erheblich sein kann“, erläuterte<br />

Dr. Liebetrau.<br />

Die Leckagesuche beinhalte die Identifizierung unerwünschter<br />

Emissionsquellen. Sie ermögliche keine<br />

präzise Quantifizierung<br />

der Quellen. Das heißt,<br />

man wisse zwar, dass man<br />

eine Leckage hat, aber man<br />

könne keine Aussage über<br />

die Menge, die emittiert<br />

wird, machen. Das heiße<br />

auch, dass eine Bewertung<br />

der Quellstärke nur eingeschränkt<br />

möglich ist. Eine<br />

präzisere Bestimmung sei<br />

nicht möglich, ebenso wenig<br />

eine sicherheitstechnische<br />

Bewertung. Es könne nur<br />

eine Einschätzung geben.<br />

Messmethoden<br />

Im Weiteren stellte Dr. Liebetrau<br />

verschiedene Messmethoden<br />

vor: „Da ist zum<br />

einen die Fernmesstechnik<br />

zu nennen. Zu ihr zählen a)<br />

methansensitive Kameras<br />

und b) mobile, tragbare Laser.<br />

In Kombination zu diesen<br />

werden Gaskonzentrationsmessgeräte,<br />

wie zum Beispiel ‚Gasschnüffler‘,<br />

tragbare Biogasmonitore sowie Flammen-Ionisationsdetektoren<br />

eingesetzt. Letztere werden auf Biogasanlagen<br />

normalerweise nicht verwendet.“<br />

Die Gaskameras würden die spezifische Eigenschaft<br />

von Methan nutzen, in bestimmten Wellenlängenbereichen<br />

besonders viel Wärmestrahlung zu absorbieren.<br />

Man müsse sich das vorstellen wie eine Wärmebildkamera,<br />

die allerdings durch einen Filter die<br />

eintreffende Wellenlänge auf einen Bereich begrenzt,<br />

der hochgradig sensitiv für Methan ist.<br />

Es gebe mittlerweile auch Software zur Quantifizierung<br />

von Leckagen. Die Messgenauigkeit sei jedoch<br />

zu hinterfragen. Grund: Die Faktoren, die eine Rolle<br />

spielten, um aus so einer visualisierten Gaswolke<br />

wirklich eine Quellstärke zu errechnen, hätten sehr<br />

starken Einfluss, wie zum Beispiel Wind, die Hintergrundtemperatur<br />

oder die Entfernung der Quelle.<br />

Zudem gebe es eine Querempfindlichkeit. Das heißt,<br />

ein warmes Gas, das noch viel Wasserdampf enthält,<br />

könne schnell mal für Methan gehalten werden. „Die<br />

Detektionsgrenze von diesen Kameras in Liter Methan<br />

pro Stunde ist abhängig von der Qualität des<br />

Detektors der Kamera, vom Hintergrund, von den<br />

Wetterbedingungen und auch vom Benutzer. Die Kameras<br />

sind sehr kostenintensiv. Die legen sich die<br />

Betreiber nicht mal so ins Regal“, führte Dr. Liebetrau<br />

aus.<br />

Laserdiode selektiv für Methan<br />

Lasermessgeräte würden ein Signal aussenden mit<br />

bestimmter Wellenlänge, das an einer Fläche reflektiert<br />

wird und auf den im Handgerät befindlichen<br />

Detektor rückstreut. Auf der Wegstrecke nehme die<br />

Intensität des Laserstrahls in Abhängigkeit von der<br />

Wellenzahl nach dem Laubert-Beerschen Gesetz ab.<br />

Durch die Auswahl einer geeigneten Laserdiode sei<br />

das Gerät selektiv für Methan. Aus der gemessenen<br />

Schwächung des rückgestreuten Signals berechnet<br />

das System eine pfadintegrierte Methankonzentration<br />

in ppm x Meter. Man könne nicht sagen, ob eine<br />

kleine Wolke mit einer großen Gaskonzentration oder<br />

umgekehrt gemessen wird.<br />

„Das tragbare Gasanalysegerät dient dazu, eine Probe<br />

an einem bestimmten Ort zu nehmen, um dann die<br />

Gaskonzentration zu messen. Es gibt verschiedene<br />

Geräte mit unterschiedlicher Genauigkeit. Also ist<br />

darauf zu achten, was der Messbereich und was die<br />

Messgenauigkeit des Gerätes ist“, verdeutlichte der<br />

Referent. Es gebe auch Sonderfälle. So zum Beispiel<br />

Leckagen in der zweischaligen Gasspeichermembran.<br />

Die seien von außen nicht als Gasaustritt detektierbar,<br />

auch nicht mit der Gaskamera. Es könne<br />

aber die Gaskonzentration über der Abluft des Tragluftgebläses<br />

gemessen werden.<br />

Da Folien eine zulässige Diffusion besitzen und die<br />

Methanfracht durch das Tragluftdach verdünnt wer-<br />

22


Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />

Aktuelles<br />

de, müsse berechnet werden, ob eine Leckage „wahrscheinlich“<br />

ist. Dazu gebe es das Merkblatt DWA-M<br />

377. Vorgehen bei der Unterscheidung zwischen Diffusion<br />

und Leckagen laut Dr. Liebetrau:<br />

ffBerechnung der Folienfläche beziehungsweise<br />

Angabe des Herstellers verwenden.<br />

ffBerechnung der zulässigen Methanmenge, die<br />

bei maximaler Diffusion nach dem Grenzwert<br />

entstehen müsste.<br />

ffMessung oder Abschätzung des Volumenstroms<br />

des Tragluftgebläses (Verdünnungsluft).<br />

ffErmittlung der maximal zulässigen Konzentration<br />

(durch Diffusion) in der Tragluft und Vergleich mit<br />

dem Messwert.<br />

„Es gibt jedoch viele Unsicherheiten. Angefangen mit<br />

den Messbedingungen für die Diffusionsgrenzwerte,<br />

die ermittelt werden. Die haben überhaupt nichts zu<br />

tun mit den Bedingungen einer Biogasanlage. In dem<br />

niedrigen Bereich haben die meisten Messgeräte sehr<br />

hohe Fehler. Die Folienhersteller geben normalerweise<br />

realisierte Diffusionswerte an, die deutlich unter<br />

den Grenzwerten liegen. Der Anlagenbetreiber sollte<br />

ins Gespräch kommen mit den Foliendachherstellern,<br />

ab wann aktiv eine Leckagesuche beginnt“, riet<br />

Dr. Liebetrau. Er empfiehl:<br />

ffRegelmäßige Leckagesuche (durch Betreiber<br />

und externen Anbieter) ist notwendig.<br />

ffLeckagesuche mit Gaskameras sollten in<br />

Kombination mit mindestens Gasanalyse -<br />

geräten und unter Berücksichtigung der<br />

Wetterverhältnisse vorgenommen werden.<br />

ffGasspeicherdächer haben oft Leckagen. Die<br />

Bewertung der gemessenen Konzentration in<br />

der Tragluft sollte als Teil der Leckagesuche<br />

durchgeführt werden.<br />

ffDie Entwicklung bei den Gaskameras geht in<br />

Richtung Abschätzung der Emissionsstärke.<br />

Insbesondere nach der Inbetriebnahme sowie<br />

nach Wartungen sollten Messungen vorgenommen<br />

werden.<br />

Autor<br />

Dipl.-Ing. agr. (FH) Martin Bensmann<br />

Redakteur Biogas Journal<br />

Fachverband Biogas e.V.<br />

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martin.bensmann@biogas.org<br />

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23


Aktuelles Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />

Biogas Convention<br />

Nährstoffflüsse<br />

in den Anlagen<br />

ermitteln<br />

Im Block 5 am Mittwochnachmittag ging es thematisch um die<br />

Stoffstrombilanzierung für Betriebe ab einer bestimmten Größe<br />

sowie um die Produktion von Torfersatzprodukten aus Gärdünger.<br />

Von Thomas Gaul<br />

Dr. Ute Schultheiß vom Kuratorium für<br />

Technik und Bauen in der Landwirtschaft<br />

(KTBL) gehört zum Expertengremium, das<br />

vom Bundesministerium für Ernährung<br />

und Landwirtschaft mit der Evaluation der<br />

Stoffstrombilanzverordnung beauftragt wurde. Die<br />

Stoffstrombilanzverordnung war am 1. Januar 2018<br />

in Kraft getreten.<br />

Aktuell bilanzieren müssen Betriebe mit hoher Tierbesatzdichte.<br />

Das heißt, Betriebe mit einer landwirtschaftlichen<br />

Nutzfläche von mehr als 30 Hektar (ha)<br />

oder über 50 Großvieheinheiten (GV) pro Betrieb bei<br />

einer Tierbesatzdichte von jeweils mehr als 2,5 GV/ha.<br />

Ebenso bilanzieren müssen flächenlose, Tier haltende<br />

Betriebe und Biogasanlagen, die Wirtschaftsdünger<br />

aus zur Stoffstrombilanzierung verpflichteten landwirtschaftlichen<br />

Betrieben aufnehmen.<br />

auch ein Fragenkatalog zur Evaluierung enthalten,<br />

aus dem Schultheiß referierte: So geht es vor allem<br />

darum, ob sich die Kriterien zur Stoffstrombilanzierung<br />

in der Praxis bewährt haben oder ob es Bedarf<br />

zur Fortentwicklung oder für alternative Modelle gibt.<br />

Im Kern drehen sich die Fragen um die Wirksamkeit<br />

der Stoffstrombegrenzung auf die Reduzierung der<br />

Nährstoffbelastung durch die Landwirtschaft. Auch<br />

soll mithilfe der Evaluierung untersucht werden, ob<br />

die mit der Stoffstrombilanzierung möglicherweise<br />

erreichte Verbesserung der Ressourceneffizienz in einem<br />

angemessenen Verhältnis steht zum Erfüllungsaufwand<br />

durch die Verwaltung und zur beabsichtigten<br />

Regelungswirkung der Maßnahmen.<br />

Die einberufene Expertengruppe hat nun Vorschläge<br />

zur Verbesserung der Stoffstrombilanzierung und<br />

ihrer Umsetzung zusammengetragen. Dazu wurden<br />

die in den Bundesländern erhobenen Bilanzdaten<br />

zur einzelbetrieblichen Stoffstrombilanzierung ausgewertet.<br />

Die N- und P-Bilanzen einzelner Biogasanlagen<br />

wurden aus im Zeitraum von 2018 bis 2020<br />

erhobenen Daten vom Fachverband Biogas e.V. zusammengestellt.<br />

Ab 2023: 20-ha-Betriebe Pflicht zur<br />

Stoffstrombilanzierung<br />

Ab 1. Januar 2023 wird die Schwelle, ab der eine<br />

Pflicht zur Bilanzierung erforderlich ist, auf 20 ha gesenkt.<br />

Die Betriebe sind verpflichtet, Aufzeichnungen<br />

über die Ermittlung und Bewertung von Nährstoffen<br />

aufzubewahren. Die Bilanzierung erfolgt über die Zufuhr<br />

und Abgabe der Nährstoffe Stickstoff und Phosphor.<br />

In einer Bundestagsdrucksache von Juni 2017 ist<br />

neben dem Verordnungsentwurf und der Begründung<br />

N- und P-Bilanzen einzelner Biogasanlagen<br />

variieren stark<br />

Mit Blick auf die Daten ist festzustellen, dass sich<br />

die N- und P-Bilanzen einzelner Biogasanlagen stark<br />

voneinander unterscheiden. Ursachen für die Differenzen<br />

beziehungsweise das Nichteinhalten der<br />

Bilanzwerte können vielfältig sein, wie Schultheiß<br />

ausführte: So unterliegen der Nährstoff- und der<br />

Trockenmassegehalt der Substrate Schwankungen.<br />

Das gilt auch für die Gärrückstände. Hier kommt es<br />

zu einer weiteren Ungenauigkeit. So werden häufig<br />

Foto: Adobe Stock_Countrypixel<br />

24


Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />

Aktuelles<br />

Standardwerte für die Substrate verwendet; bei den<br />

Gärrückständen wird aber auf Analysewerte zurückgegriffen.<br />

Nährstoffe, insbesondere P, können sich in den Sedimenten<br />

und in den Rohrleitungen absetzen. Zu<br />

Differenzen in der Bilanz kann es auch durch die<br />

unterschiedliche Berücksichtigung der Einsatzstoffe<br />

und Gärrückstände kommen. Schultheiß machte<br />

auch darauf aufmerksam, dass bei der Probenahme<br />

auf den Anlagen noch Verbesserungsbedarf besteht.<br />

Fehler können entstehen, wenn aus einer größeren<br />

Probenmenge eine Teilmenge entnommen wird.<br />

„Die Betreiber haben oft nur wenige Informationen,<br />

wie es konkret mit den Nährstoffflüssen in ihren Anlagen<br />

aussieht“, lautete das ernüchternde Fazit von<br />

Ute Schultheiß. Für Vereinfachung könnte eine Vereinheitlichung<br />

bei den Nährstoffgehalten unabhängig<br />

von der Nutzungsrichtung (Silo-/Körnermais oder<br />

„Biogas“-Mais) sorgen. Wenn die Biogasanlage und<br />

der landwirtschaftliche Betrieb zusammengehören,<br />

dann sollten sie auch so betrachtet werden, auch<br />

wenn es sich um rechtlich und aus steuerlicher Sicht<br />

getrennte Unternehmen handelt.<br />

Experten empfehlen betriebsindividuell<br />

ermittelten Bilanzwert<br />

Bei der Bewertung der Stoffstrombilanzierung kommt<br />

die Expertengruppe zu dem Schluss, dass der pauschale<br />

Referenzwert von 175 Kilogramm (kg) Stickstoff<br />

(N) pro ha entfallen sollte. Stattdessen sollte die<br />

Bewertung anhand eines betriebsindividuell ermittelten,<br />

zulässigen Bilanzwertes erfolgen. Die Experten<br />

schlagen vor, einen zulässigen, flächenbezogenen<br />

„N-Sockel“ von beispielsweise 50 kg N/ha bei den N-<br />

Überschüssen zu etablieren und die organische Düngung<br />

unter Abzug von N-Verlusten und verringerter<br />

Ausnutzung zu berücksichtigen.<br />

Ein maximal zulässiger Bilanzwert als kg N je Betrieb<br />

sollte definiert und als Summe der zulässigen<br />

Überschüsse für Fläche, Stall/Lager und Ausbringung<br />

ermittelt werden. Zwischen unterschiedlichen Betriebsformen<br />

sollte stärker differenziert werden. Um<br />

die Bilanzüberschüsse zu verringern, kämen insbesondere<br />

Veredelungsbetriebe nicht um einen Export<br />

von Wirtschaftsdüngern herum.<br />

Mit der überbetrieblichen Verbringung lässt sich eine<br />

gleichmäßigere Verteilung der Nährstoffe erzielen.<br />

Mineralische N- und P-Düngemittel können so eingespart<br />

und die Gesamtbelastung aus Nährstoffüberschüssen<br />

reduziert werden. „Flächenlose“ Biogasanlagen<br />

sollten weiter bilanzpflichtig sein, um eine<br />

Überwachung der Stoffströme zu gewährleisten. Weil<br />

die Beprobung von Inputstoffen gerade für Biogasanlagen<br />

mit vielen Zulieferern oder unterschiedlichen<br />

Substraten einen unverhältnismäßig hohen Aufwand<br />

darstellt, sollte hier eine Beprobung auf der „Output“-<br />

Seite erfolgen, schlagen die Experten vor. Wie es nun<br />

weitergeht, soll nach Vorlage des Berichtes mit der<br />

neuen Bundesregierung besprochen werden.<br />

Professionelle Vermarktung von<br />

Gärprodukten<br />

Eine Möglichkeit, Nährstoffe zu exportieren, ergibt<br />

sich auch durch die Aufbereitung der Gärrückstände.<br />

Jürgen Falter stellte seinen Weg vor, die Gärrückstände<br />

zu separieren, zu trocknen und zu pelletieren. So<br />

entsteht ein hochwertiger Dünger, den Falter über<br />

einen eigenen Webshop und über Ebay vertreibt. Die<br />

Trocknungsanlage hat Jürgen Falter im Jahre 2019<br />

in Betrieb genommen, um die Gärrückstände seiner<br />

Bio-Biogasanlage zu „veredeln“. So entsteht sowohl<br />

Biodünger für den Garten als auch für die Profis im<br />

Obst- und Gemüsebau und in Erdenwerken. Für die<br />

professionellen Kunden kann Falter auch spezielle<br />

Düngermischungen zusammenstellen. Erweitert<br />

wird das Sortiment um Dünger aus Schafwolle und<br />

Kleegras.<br />

Ein Verfahren zur Herstellung eines Torfersatzproduktes<br />

aus Gärrückständen und Champost stellte Dr. Michael<br />

Ernst vor, Leiter der Staatsschule für Gartenbau<br />

in Stuttgart-Hohenheim. Noch immer ist Torf das wichtigste<br />

Ausgangsmaterial für gärtnerische Sub strate<br />

und Erden. Allein die Produktion von Weihnachtssternen<br />

in Deutschland von etwa 20 Millionen Töpfen im<br />

Jahr erfordert rund 12.000 Kubikmeter Substrat.<br />

Große Mengen werden auch für die Anzucht von Gemüsejungpflanzen<br />

in Erdpresstöpfen benötigt. Seit<br />

Jahren drängen Initiativen darauf, aus Gründen des<br />

Moor- und Klimaschutzes den Einsatz von Torf zu verringern<br />

und sie finden auch politisch Gehör. Torffreie<br />

und torfreduzierte Substrate gewinnen daher weiter<br />

an Bedeutung. Die Herausforderung an Torfersatzprodukte<br />

besteht darin, in standardisierter Qualität und<br />

in großen Mengen verfügbar zu sein.<br />

„NawaRo-Gärrückstände können als Torfersatz eingesetzt<br />

werden“, stellte Ernst fest. Allerdings müssen<br />

sie dazu aufbereitet werden. Der hohe Nährstoffgehalt,<br />

vor allem an Kalzium, muss durch Waschen abgesenkt<br />

werden. Gleiches gilt für den hohen pH-Wert.<br />

Als Nischenprodukt, das in Zusammenarbeit mit einem<br />

regionalen Substrathersteller produziert wird,<br />

sieht Ernst durchaus Chancen.<br />

Autor<br />

Thomas Gaul<br />

Freier Journalist<br />

Im Wehrfeld 19a · 30989 Gehrden<br />

01 72/512 71 71<br />

gaul-gehrden@t-online.de<br />

25


Aktuelles Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />

Biogas Convention<br />

„Die Treibhausgas-<br />

Minderungsquoten<br />

für einzelne Substrate<br />

sind noch unscharf<br />

definiert“<br />

Im Block 7 am Donnerstagvormittag ging es um das<br />

Thema Grüne Gase und ob sich daraus neue Chancen<br />

für Biogas ergeben.<br />

Von Thomas Gaul<br />

Biomethan gilt für Anlagenbetreiber als interessantes<br />

Geschäftsfeld. Ob sich neue<br />

Chancen durch die Biomethanausschreibung<br />

im EEG 2021 ergeben, beleuchtete<br />

Tino Barchmann vom Deutschen Biomasse-Forschungszentrum<br />

(DBFZ) in seinem Vortrag.<br />

„Wo kann die Reise mit Biomethan hingehen?“ fragte<br />

er. Derzeit gibt es 235 Anlagen in Deutschland, die<br />

Biogas zu Biomethan aufbereiten. Etwa 10 Terawattstunden<br />

(TWh) Biomethan werden in das Erdgasnetz<br />

eingespeist.<br />

Der überwiegende Teil von Biogas/Biomethan wird<br />

im Bereich der Kraft-Wärme-Kopplung genutzt. Zur<br />

Nutzung als Kraftstoff wird Biomethan überwiegend<br />

aus Rest- und Abfallstoffen gewonnen. Obwohl Biomethan<br />

im Verkehr Barchmann zufolge noch eine<br />

eher untergeordnete Rolle spielt, ist doch eine zunehmende<br />

Tendenz erkennbar. In 2020 wurden über diese<br />

Schiene 884 Gigawattstunden (GWh) abgesetzt,<br />

im Jahr 2018 waren es erst 389 GWh. Als Kraftstoff<br />

kann Biomethan zusätzliche Einnahmen über die<br />

THG-Quote in Ergänzung zum Marktpreis erzielen.<br />

Mit dem EEG 2021 erhöht sich das Ausschreibungsvolumen<br />

bis 2028. Zu den 600 Megawatt (MW) für Biomasse<br />

jährlich kommen zusätzlich 150 MW jährlich<br />

hinzu, ab <strong>2022</strong> allerdings nur als „Südquote“. Hierfür<br />

gibt es eine separate Ausschreibung: 19 Cent pro<br />

Kilowattstunde elektrische Leistung erhalten hochflexible<br />

Biomethan-Blockheizkraftwerke (BHKW) für<br />

20 Jahre. Hinzu kommt noch der Flexzuschlag. Der<br />

Flexzuschlag wird für Neuanlagen von 40 Euro pro<br />

Kilowatt (kW) auf 65 Euro/kW installierte Leistung<br />

angehoben. Die Leistung hochflexibler Biomethan-<br />

BHKW muss an mindestens 2.000 Viertelstunden<br />

im Jahr abzurufen sein. Auch für Biomethan-BHKW<br />

gilt die Absenkung des Maisdeckels auf maximal 40<br />

Masseprozent Mais und Getreidekorn.<br />

Eine rein am Strompreis orientierte Fahrweise des<br />

BHKW reicht nicht aus, machte Tino Barchmann<br />

deutlich. Eine Verbesserung der Gesamteffizienz<br />

lässt sich mit einer gesicherten Wärmeabnahme erreichen,<br />

wobei Wärmespeicherkapazitäten stets mit<br />

eingeplant werden sollten. Die zunehmenden Anreize<br />

für eine Vermarktung im Kraftstoffbereich, etwa für<br />

Bio-LNG, und über die THG-Quote dürften Auswirkungen<br />

auf die Preisentwicklung für Biomethan haben.<br />

Barchmann erwartet weitere Preissteigerungen<br />

für Biomethan, wenn größere LNG-Verflüssigungsanlagen<br />

größere Mengen an Biomethan binden.<br />

Standardwerte helfen oft nicht weiter<br />

Mit dem rechtlichen Rahmen für sogenannte fortschrittliche<br />

Biokraftstoffe befasste sich Dirk Bonse,<br />

Leiter der Stabsstelle erneuerbare Gase beim Fachverband<br />

Biogas e.V. Als gasförmiger Bioenergieträger<br />

wurde Biogas unter die „biomass fuels“ in der<br />

REDII eingeordnet. Annex VI der Verordnung regelt<br />

die Berechnung und gibt Standard- und Teilstandardwerte<br />

vor.<br />

Auf einige Änderungen machte Bonse in seinem Vortrag<br />

aufmerksam: Substrate können nun gemischt<br />

werden. Auf die Düngewirkung des Gärproduktes erfolgt<br />

eine Gutschrift, ebenso für vermiedene Methanemissionen<br />

aus der Lagerung von Wirtschaftsdünger.<br />

Die Vorgabe von Standardwerten macht es erforderlich,<br />

bei individuellen Mischungen von Gülle und<br />

Foto: jörg bötling<br />

26


Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />

Aktuelles<br />

Bei allem Bestreben<br />

Richtung Elektromobilität<br />

sollte der<br />

Zweig der Gasmobilität<br />

nicht abgesägt<br />

werden.<br />

Mais eigene Berechnungen vorzunehmen.<br />

Bei einem Einsatz von 100 Prozent Gülle<br />

in der Vergärung erfolgt gemäß REDII eine<br />

Gutschrift von -100 Gramm CO 2äqu<br />

pro<br />

Megajoule (MJ). Bei einem Einsatz von 80<br />

Prozent Gülle und 20 Prozent Mais wären<br />

es -12 g CO 2äqu<br />

/MJ. „Die Treibhausgas-<br />

Minderungsquoten für einzelne Substrate<br />

sind noch unscharf definiert“, stellte Bonse<br />

fest. Er verwies in seinem Vortrag auch<br />

auf die neue Notwendigkeit der Nachhaltigkeits-Nachweise<br />

über die zugelassenen<br />

Zertifizierungssysteme.<br />

Die unterschiedlichen Nutzungswege erneuerbarer<br />

Gase machten eine Vielzahl an<br />

Betreibermodellen möglich, so Bonse: der<br />

Verkauf des Rohbiogases an Händler, eine<br />

eigene Hoftankstelle oder Verflüssigungsanlage<br />

für LNG bis hin zur stofflichen<br />

Nutzung, die jedoch noch vielfach Gegenstand<br />

von Forschungsprojekten ist. Alle<br />

Optionen können auch mit der Strom- und<br />

Wärmeproduktion verbunden werden.<br />

Auch wenn der Trend zur E-Mobilität<br />

und das angekündigte Ende der Verbrennungsmotoren<br />

im Jahr 2035 den Absatz<br />

von Bio-CNG beeinträchtigt, entwickle<br />

sich der Markt für LNG rasant. Mit Stand<br />

November 2021 gab es 89 LNG-Tankstellen<br />

in Deutschland, weitere 49 waren in<br />

Planung. Auf diesem Weg sieht Dirk Bonse<br />

die tragende Rolle für Biomethan im<br />

Schwerlastverkehr.<br />

Kein Kostendeckel beim<br />

Netzanschluss<br />

Mit diesen neuen Märkten für Biomethan<br />

befasste sich auch René Walter, Rechtsanwalt<br />

in der Kanzlei Becker Büttner<br />

Held. Er machte darauf aufmerksam,<br />

dass sich bei der Kostenaufteilung für den<br />

Gasanschluss bei der Einspeisung in das<br />

Erdgasnetz eine Änderung ergeben hat:<br />

Nach der bisherigen Auffassung der Bundesnetzagentur<br />

musste der Einspeiser 25<br />

Prozent der Kosten für den ersten Kilometer<br />

des Netzanschlusses übernehmen.<br />

Dieser Betrag war bislang auf 250.000<br />

Euro gedeckelt. Diese Begrenzung sei nun<br />

entfallen, so Walter.<br />

Betroffene Einspeiser sollten nun prüfen,<br />

ob sie dagegen klagen. Bei den ganzen<br />

rechtlichen Fragen rund um die Durchsetzung<br />

des Netzanschlussbegehrens mache<br />

eine rechtliche Betreuung aus Sicht<br />

Walters durchaus Sinn. In der Genehmigungsphase<br />

lasse sich so die Projektlaufzeit<br />

verkürzen. Für Einspeiseprojekte mit<br />

einer hohen THG-Minderung bestünden<br />

hervorragende Aussichten, denn die Industrie<br />

und das Transportgewerbe suchten<br />

nach Möglichkeiten zur Dekarbonisierung.<br />

„Es entsteht gerade eine Dekarbonisierungsindustrie“,<br />

sagte Walter. Aber<br />

Biomethan könne auch ein wertvoller<br />

Baustein sein, um die Industrie und<br />

Wohnquartiere mit erneuerbarem Strom<br />

und Wärme zu versorgen. Dies gelte umso<br />

mehr, da fossiles Erdgas zunehmend ersetzt<br />

werden muss.<br />

Autor<br />

Thomas Gaul<br />

Freier Journalist<br />

Im Wehrfeld 19a · 30989 Gehrden<br />

01 72/512 71 71<br />

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27


Aktuelles Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />

Biogas Convention<br />

Nicht vom Bürokratie-Monster<br />

abschrecken lassen<br />

Am Dienstagnachmittag ging es im Block 3 um die Umsetzung der Nachhaltigkeitsverordnung<br />

durch die Biogasbranche. Eine kurz vor Inkrafttreten beschlossene Verordnung verlangt<br />

von Biogaserzeugern ab Januar Nachhaltigkeitszertifikate – eine enorme Herausforderung.<br />

Zertifizierungssystem und -stelle, Erst-, Desk-, Überwachungs- und Rezertifizierungs-Audit,<br />

Eigen- und Selbsterklärung. Mit all diesen Begriffen gilt es, sich vertraut zu machen!<br />

Von Christian Dany<br />

Ich bin überwältigt“, musste Dr. Stefan Rauh<br />

gestehen. Als Moderator des Vortragsblocks<br />

zur Umsetzung der Nachhaltigkeitsverordnung<br />

durch die Biogasbranche wurde er mit Fragen<br />

geradezu überflutet. Nicht anders sei es in der<br />

Geschäftsstelle des Fachverbandes Biogas: „Kaum<br />

ein Tag vergeht, an dem bei uns nicht Fragen zur Biomassestrom-Nachhaltigkeitsverordnung<br />

kommen“,<br />

verriet der Geschäftsführer, „morgen wird die BioSt-<br />

NachV im Bundeskabinett beschlossen werden. Sie<br />

tritt zum 1. Januar <strong>2022</strong> in Kraft. Es gibt viel zu tun<br />

und zu beachten.“<br />

In der Presseerklärung am nächsten Tag kritisierte<br />

der Fachverband den unnötigen Zeitdruck und den<br />

absehbaren „Zertifizierungsstau“ aufs Heftigste:<br />

„Bereits Ende 2018 trat die EU-Richtlinie in Kraft<br />

und lag dem Umweltministerium zur Überführung in<br />

deutsches Recht vor. Nun muss die Branche ausbaden,<br />

was von Seiten der Bundesregierung verzögert<br />

wurde. Zwar sieht der Kabinettsbeschluss aufgrund<br />

des bereits seit Monaten absehbaren Mangels an Auditoren<br />

die Möglichkeit einer Übergangsfrist für die<br />

Zertifizierung bis zum 30. Juni <strong>2022</strong> vor, doch wird<br />

aller Erfahrung nach auch diese Frist nicht ausreichen.“<br />

Mit der neuen Verordnung muss jetzt auch<br />

die Erzeugung von Biogas und Biomethan im Stromund<br />

Wärmebereich Nachhaltigkeitskriterien erfüllen.<br />

Das gilt für alle Biogasanlagen, auch bestehende. Die<br />

Biokraftstoffproduktion ist schon seit 2010 verpflichtet,<br />

Nachhaltigkeitsnachweise zu erbringen. Für Biomethan,<br />

das als Kraftstoff verwendet wird, galt das<br />

bislang auch schon.<br />

Vor elf Jahren wurde das REDcert-System für die Zertifizierung<br />

von Biokraftstoffen zugelassen. Analog dazu<br />

gibt es jetzt das SURE-System für Biomassestrom.<br />

Die SURE GmbH steht für „Sustainable Resources<br />

Verification Scheme” und ist eine Schwesterfirma von<br />

REDcert. Auf der Biogas Convention stellte Thomas<br />

Siegmund von SURE 200 Online-Teilnehmern das<br />

neue Zertifizierungssystem vor. Harald Heinl von der<br />

OmniCert Umweltgutachter GmbH berichtete über<br />

erste Praxiserfahrungen.<br />

Die europäischen Ziele für Erneuerbare Energien seien<br />

ohne einen massiven Ausbau der Bioenergie gar<br />

nicht erreichbar, führte Siegmund ein: „Es werden<br />

vermehrt Biomasse-Importe erforderlich sein. Deswegen<br />

hat die EU Nachhaltigkeitskriterien definiert. Bis<br />

30. Juni 2021 hätte die Nachhaltigkeitsverordnung<br />

Organisationsstruktur aller Systemteilnehmer<br />

Systemgeber<br />

(SURE GmbH)<br />

Zulassung<br />

Zertifizierungsstelle<br />

Überwachung<br />

Überwachungsbehörde<br />

(BLE/ Nabisy)<br />

Stromnetzbetreiber<br />

Meldepflicht<br />

Zertifizierung<br />

generiert Nachhaltigkeitsnachweise<br />

in Nabisy-Datenbank<br />

Anlagenbetreiber<br />

Einreichen der Nachhaltigkeitsnachweise<br />

Quelle: OmniCert<br />

28


Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />

Aktuelles<br />

Anlagenbau<br />

in nationales Recht umgesetzt werden<br />

müssen.“ Das sei nicht erfolgt und deshalb<br />

sei jetzt Eile geboten. Mit der BioSt-<br />

NachV erfolge nun die Umsetzung.<br />

Dabei gebe es eine Größengrenze: Nur<br />

Biogasanlagen mit mehr als 2 Megawatt<br />

Feuerungswärmeleistung (FWL) seien<br />

von der Nachweispflicht betroffen: „Das<br />

bedeutet, dass überbaute, flexibilisierte<br />

Anlagen mit mehreren BHKW-Modulen<br />

schon ab einer Gesamtleistung von etwa<br />

800 kW el<br />

nachweispflichtig sind. Es geht<br />

um die installierte Leistung, nicht die Bemessungsleistung.“<br />

Nach Siegmunds Einschätzung sind<br />

1.500 bis 2.000 Biogasanlagen in<br />

Deutschland von der Verordnung betroffen.<br />

„Das ist eine enorme Herausforderung,<br />

diese fristgerecht zu zertifizieren“,<br />

sagte er; zumal der Holzenergiesektor<br />

noch obendrauf komme. Dem ständen<br />

150 registrierte Auditoren im SURE-<br />

System gegenüber. Bei der Umsetzung<br />

des Audits sei ein großer Flaschenhals<br />

zu erwarten. Die Verordnung sehe eine<br />

Übergangsfrist im Ausnahmefall vor: „Sie<br />

können gegenüber der Bundesanstalt für<br />

Landwirtschaft und Ernährung (BLE) in<br />

einer ‚Eigenerklärung‘ angeben, dass<br />

das Audit nicht fristgerecht durchgeführt<br />

werden konnte; möglicherweise wegen<br />

zu wenig verfügbarer Auditoren. Sie haben<br />

dann Zeit bis zum 30. Juni <strong>2022</strong>,<br />

das Zertifikat zu erlangen“, klärte der<br />

Bioenergie-Experte auf.<br />

Zertifizierungsstelle suchen,<br />

die von SURE und der BLE<br />

anerkannt ist<br />

„Drei Ebenen müssen durchschritten<br />

werden“, erläuterte Siegmund den Weg<br />

zum Nachhaltigkeitsnachweis. Zuerst<br />

müsse die Anlage bei SURE registriert<br />

werden. „Sie bekommen Vertragsunterlagen<br />

zugesandt“, sprach er die Teilnehmer<br />

direkt an, „sobald die Verträge von<br />

beiden Seiten gegengezeichnet sind,<br />

gelten Sie als Systemteilnehmer bei<br />

SURE. Parallel müssen Sie sich eine<br />

Zertifizierungsstelle aussuchen, die von<br />

SURE und der BLE anerkannt ist.“ Auf<br />

der Webseite von SURE sind hier etwa<br />

20 Unternehmen aufgelistet. Mit der<br />

Zertifizierungsstelle könne der Anlagenbetreiber<br />

einen Vertrag schließen und einen<br />

Audittermin vereinbaren. Nach dem<br />

Audit prüfe die Zertifizierungsstelle den<br />

Auditbericht und treffe eine Zertifizierungsentscheidung.<br />

Die dritte Ebene sei<br />

die Beziehung zur BLE: „Wenn Sie dann<br />

das Zertifikat haben, können Sie einen<br />

Antrag bei der BLE stellen zur Kontoeröffnung<br />

im Nabisy und Ausstellung eines<br />

Nachhaltigkeitsnachweises“, schilderte<br />

Siegmund. Nabisy nenne sich die BLE-<br />

Datenbank „Nachhaltige-Biomasse-System“.<br />

Anschließend könne der Anlagenbetreiber<br />

den Nachhaltigkeitsnachweis<br />

der BLE beim Netzbetreiber einreichen.<br />

Damit werde die BioSt-NachV erfüllt und<br />

die EEG-Vergütung könne ausbezahlt<br />

werden.<br />

Anhand eines Zeitstrahls erläuterte<br />

Harald Heinl den Ablauf aus der Sicht<br />

einer Zertifizierungsstelle. Er wies auf<br />

die Übergangsfrist bis 30. Juni <strong>2022</strong><br />

hin. Bis dahin sei die Erstzertifizierung<br />

abzuschließen. „Wir stellen Ihnen eine<br />

Liste mit Unterlagen zur Verfügung, die<br />

wir für das Erst-Audit einsehen möchten.<br />

Dann würden wir einen Vor-Ort-Termin<br />

mit Ihnen vereinbaren. Möglich ist, vorher<br />

ein ‚Desk-Audit‘ mit einer Online-<br />

Videoschaltung zu machen, bei dem wir<br />

Unterlagen durchgehen und Fragen stellen<br />

können. Damit haben wir gute Erfahrungen<br />

gemacht, denn danach kann der<br />

Vor-Ort-Termin erheblich straffer geplant<br />

werden.“<br />

Bei Problemen oder fehlenden Unterlagen<br />

bestehe die Möglichkeit eines Nach-<br />

Audits spätestens drei Monate nach Erst-<br />

Audit. Spätestens sechs Monate nach der<br />

Erstzertifizierung sei ein Überwachungsaudit<br />

erforderlich und dann alle zwölf Monate<br />

ein Re-Zertifizierungsaudit.<br />

Beim Audit einer Biogasanlage werden<br />

im Wesentlichen die Massenbilanz, die<br />

im Überwachungszeitraum ausgestellten<br />

Nachhaltigkeitsnachweise sowie die Vollständigkeit<br />

und Plausibilität der Dokumente<br />

geprüft. Heinl: „Die Datengrundlage<br />

für die Massenbilanzierung ist in der<br />

Regel vorhanden: Wiegeprotokolle oder<br />

Lieferscheine für den Biomasse-Zukauf,<br />

das Einsatzstofftagebuch für den Einsatz<br />

der Biomasse und die Einspeisemessung<br />

für die Stromerzeugung. Aufgabe des<br />

Auditors ist es, die Relation dieser Mengen<br />

zueinander zu plausibilisieren.<br />

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Aktuelles Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />

Zertifizierungsprozess im Zeitbeispiel<br />

Die meisten Betriebe haben schon eine<br />

Massenbilanzierung. Hier gibt es eine<br />

Überschneidung mit dem EEG-Umweltgutachten.“<br />

Ein Anteil nicht nachhaltiger Biomasse<br />

könne über die Massenbilanz „ausgeschleust“<br />

werden, indem dieser Anteil einem<br />

anderen Bereich als der EEG-Anlage,<br />

zum Beispiel der Tierhaltung, zugeordnet<br />

werde. „Die Herausforderung ist, dass die<br />

gesamte Lieferkette zertifiziert werden<br />

muss“, sagte Siegmund. Das bedeute,<br />

die vorgelagerten Lieferanten müssten<br />

dem Anlagenbetreiber ein gültiges Zertifikat<br />

vorlegen. Reine Transportunternehmen<br />

seien nicht zertifizierungspflichtig;<br />

nur Lieferanten, die auch Eigentümer der<br />

Ware seien.<br />

Der Einbezug der Lieferkette brauche Zeit<br />

und könne zu Problemen führen. Ein strukturelles<br />

Problem entstehe durch Lagerbestände:<br />

In den folgenden Monaten werde<br />

noch nicht zertifizierte Biomasse aus<br />

2021 eingesetzt. Biomasse-Rohstoffe,<br />

die bis zu zwölf Monate vor dem Erstaudit<br />

eingegangen sind, könnten jedoch im<br />

SURE-System noch als nachhaltige Biomasse<br />

in der Massenbilanz berücksichtigt<br />

werden; aber nur, wenn eine lückenlose<br />

Dokumentation vorhanden, eine rückwirkend<br />

ausgestellte Selbsterklärung des Erzeugungsbetriebs<br />

abgegeben und die Biomasse<br />

noch nicht verarbeitet worden sei.<br />

Selbsterklärungen für Landwirte<br />

Zwar besagt die RED II, dass sich alle<br />

Wirtschaftsbeteiligten zertifizieren lassen<br />

müssen. Eine Erleichterung gibt es allerdings<br />

für die Erzeugerstufe: Land- und<br />

Forstwirte sowie Abfallentstehungsbetriebe<br />

müssen nicht individuell zertifiziert<br />

werden, sondern können das in Gruppen.<br />

Hierzu sind jährliche „Selbsterklärungen“<br />

an die Ersterfasser abzugeben, die in der<br />

Regel die Funktion des Gruppenmanagers<br />

übernehmen.<br />

„Die Selbsterklärung ist für Sie als Landwirtschaftsbetrieb<br />

Ihre Eintrittskarte in<br />

die BioSt-NachV/RED II, die ermöglicht,<br />

dass Sie selbst nicht direkt zertifiziert<br />

werden müssen“, stellte Siegmund klar,<br />

„darin müssen Sie bestätigen, dass Sie<br />

die Anforderungen einhalten und Stichprobenkontrollen<br />

zustimmen. Cross-<br />

Compliance-Betriebe werden im Anteil<br />

der Quadratwurzel kontrolliert: also vier<br />

Landwirte bei einer Gruppe von 16.“ Die<br />

Selbsterklärungen seien nahezu die gleichen<br />

wie die, die viele Landwirte abgeben<br />

müssen, wenn sie Weizen, Raps oder<br />

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Quelle: OmniCert


Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />

Aktuelles<br />

Zuckerrüben an Lagerhäuser verkaufen,<br />

ergänzte Stefan Rauh. Biogasanlagenbetreiber<br />

können die Erzeuger in Gruppen<br />

einteilen. Wie Heinl veranschaulichte,<br />

sei es zum Beispiel möglich, alle Nawa-<br />

Ro- und alle Reststofflieferanten (Gülle<br />

und Mist) jeweils zu einem Gruppenzertifikat<br />

zusammenzufassen. Komme<br />

Material von einem Lagerhaus, brauche<br />

dieses selbst ein Zertifikat, da es nicht<br />

als Erzeuger gelte.<br />

Es geht um die nachhaltige Erzeugung<br />

der Biomasse, um deren Rückverfolgbarkeit<br />

und Massenbilanzierung, zählte<br />

Siegmund die Nachhaltigkeitsanforderungen<br />

für Biogas auf. Alle zertifizierungspflichtigen<br />

Schnittstellen müssten<br />

eine dreimonatige Massenbilanz führen,<br />

um die Biomasse vom BHKW zurück zum<br />

Entstehungsort verfolgen zu können. Ein<br />

Nachweis von Mindest-Treibhausgaseinsparungen<br />

in der Strom- und Wärmeerzeugung<br />

sei nur von neuen Anlagen ab<br />

Inbetriebnahmejahr 2021 erforderlich.<br />

Flächenstatus von 2008<br />

maßgebend<br />

Wie kann aber nun eine nachhaltige Erzeugung<br />

landwirtschaftlicher Biomasse<br />

dokumentiert werden? Laut Verordnung<br />

darf die Biomasse nicht von Flächen mit<br />

einem „hohen Wert für die biologische<br />

Vielfalt“ stammen, wobei hierfür der Status<br />

im Januar 2008 maßgebend ist: Zu<br />

dem Zeitpunkt durften die Flächen nicht<br />

bewaldet oder als Grünland mit großer<br />

biologischer Vielfalt registriert sein und<br />

sie durften nicht Naturschutzzwecken gedient<br />

haben, außer die Biomassenutzung<br />

lief dem Naturschutzzweck nicht zuwider.<br />

Als mögliche Nachweise nannte Siegmund<br />

Anträge auf Direktzahlungen oder<br />

Agrarumweltmaßnahmen im Jahr 2008,<br />

amtliche Dokumente, Gutachten oder<br />

Kartenmaterial zum damaligen Flächenzustand.<br />

Als problematisch dürfte sich<br />

herausstellen, dass die buchhalterische<br />

Aufbewahrungspflicht von zehn Jahren<br />

schon abgelaufen ist. „Das Landwirtschaftsamt<br />

muss bestätigen, dass es keine<br />

Fläche hoher Vielfalt war“, sagte Heinl.<br />

Jedoch könnten es auch die Ämter schwer<br />

haben, den Status von 2008 nachzuweisen.<br />

Außerdem dürften diese bald mit<br />

derartigen Anfragen überhäuft werden.<br />

Der Umwelttechnik-Ingenieur riet, nur<br />

Flächen anzugeben, für die der Nachweis<br />

eindeutig zu erbringen sei.<br />

In der Fragenrunde ging es mehrmals<br />

um die Größengrenze von 2 MW. „Eine<br />

Definition des Anlagenbegriffs fehlt in<br />

der Verordnung“, sagte Siegmund. Hier<br />

werde aufs EEG Bezug genommen. Seiner<br />

Auffassung nach müsste immer der<br />

Anlagenbegriff des gültigen EEG einer<br />

Anlage gelten und hierbei die installierte<br />

Feuerungswärmeleistung (FWL) herangezogen<br />

werden. Relevant sei das besonders<br />

bei Satelliten-BHKW: Gelte dieses als eigenständig<br />

vergütete EEG-Anlage und<br />

habe mehr als 2 MW FWL, sei es getrennt<br />

nachweispflichtig und werde nicht mit der<br />

Leistung am Biogasanlagen-Standort addiert.<br />

Letzten Endes entscheide das aber<br />

der Gesetzgeber und nicht SURE.<br />

In manchen Fällen blieben Restunsicherheiten,<br />

wie bei mehr als zwölf Monate<br />

alten Lagerbeständen oder bei Flächen,<br />

die nach 2008 im Rahmen von Flurbereinigungen<br />

umgewidmet wurden oder neue<br />

Eigentümer bekamen. Siegmund versicherte,<br />

dass SURE hier im Kontakt mit<br />

dem Gesetzgeber und um praxisgerechte<br />

Lösungen bemüht sei. „Das alles klingt<br />

auf den ersten Blick sehr umfangreich<br />

und kompliziert – ist es auch, aber es ist<br />

lösbar. Lassen Sie sich nicht abschrecken“,<br />

ermutigte er die Zuhörer. Die ersten<br />

30 Zertifikate seien schon ausgestellt<br />

worden. Über 600 Bioenergieanlagen hätten<br />

sich im SURE-System angemeldet. Er<br />

empfahl, sich frühzeitig um die Zertifizierung<br />

zu kümmern. Wegen des Andrangs<br />

könne es bis zum Audittermin einige Zeit<br />

dauern.<br />

Autor<br />

Christian Dany<br />

Freier Journalist<br />

Gablonzer Str. 21 · 86807 Buchloe<br />

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Aktuelles Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />

Flexibel gewinnt<br />

Die Biogas-Convention war diesmal zweigeteilt: Zuerst das<br />

Online-Vortragsprogramm, dann folgte in der zweiten Dezemberwoche<br />

die Ausstellung am Nürnberger Messegelände. Der<br />

Besuch war trotz 2G+-Zugangsbeschränkungen lange nicht so<br />

stark wie in den vergangenen Jahren. Darunter litt auch das<br />

„Biogas-Fachforum Live“ im Foyer vor der Ausstellungshalle<br />

9 mit dem fast tagesaktuellen Flex-Forum. Deshalb hier eine<br />

Zusammenfassung der für viele Biogas-Anlagenbetreiber relevanten<br />

Vortragsinhalte.<br />

Biogas Trade Fair:<br />

Gasbetriebener Lkw<br />

von Iveco.<br />

Von Dipl.-Ing. Heinz Wraneschitz<br />

Warum wird Flexibilität künftig noch<br />

mehr gefordert und gebraucht? Weil<br />

es politisch gewollt ist, dass dreimal<br />

so viel Wind- und Solarstrom produziert<br />

wird bisher.“ Christian Dorfner,<br />

Vorstand der SK Verbundenergie AG mit Sitz in Regensburg,<br />

beschrieb so die Situation, die spätestens<br />

seit den Unterschriften von SPD, Grünen und FDP<br />

unter den Ampel-Koalitionsvertrag in Deutschland<br />

politisches Ziel ist: Raus aus Kohle- und Atomstrom,<br />

möglichst schnell rein in die Vollversorgung mit Erneuerbaren<br />

Energien.<br />

„Dadurch werden die Lücken in der Versorgung größer“<br />

– denn Sonne und Wind sind nicht 24 Stunden<br />

am Tag verfügbar. Zur Füllung dieser Stromlücken<br />

werde Spitzenlast benötigt. Und hier liegt für Dorfner<br />

die große Chance der flexibilisierten Biogasanlagen:<br />

Die könnten immer dann liefern, wenn sich Lücken<br />

auftun. Und genau dann seien die an den Strombörsen<br />

zu erzielenden Preise am höchsten.<br />

Sind Viertelstunden-Preise die Lösung?<br />

„Mindestens 4.000 Viertelstunden pro Jahr eine<br />

Strommenge produzieren, also im Durchschnitt etwa<br />

drei Stunden jedes Tages“: das schreibe das Erneuerbare-Energien-Gesetz<br />

EEG 2021 vor, damit Anlagen<br />

genug Flexibilität für den Börsenhandel mitbringen, so<br />

Dorfner. „70 bis 80 Cent pro Kilowattstunde (ct/kWh)<br />

sind nicht selten“, aber da reiche ja schon eine Stunde<br />

am Tag: So beschreibt der SK-Mann den Viertelstundenmarkt,<br />

„das interessanteste Marktsegment.“<br />

Fünf Minuten vor Beginn jeder Viertelstunde könne<br />

man sich entscheiden, zu liefern oder nicht. Denn die<br />

Netzbetreiber müssen immer schnell handeln, zum<br />

Beispiel, weil das Wetter anders als vorhergesagt ist<br />

oder ein großes konventionelles Kraftwerk unerwartet<br />

ausfällt. Mit einem guten Vermarkter könne sich jeder<br />

Anlagenbetreiber daran beteiligen. „Aber dazu muss<br />

ich mich komplett in die Hand des Dienstleisters begeben,<br />

dann läuft alles komplett vollautomatisiert.“<br />

Doch dafür muss die Technik entsprechend angepasst<br />

werden: Wärmepufferspeicher, jeder Gasbehälterstand,<br />

alles müsse digitalisiert sein. Denn der<br />

Vermarkter müsse Höchstbemessungsleistung oder<br />

die Gasproduktion im Blick haben: dann könne kontrolliert<br />

abgeschaltet werden, bevor der Gasspeicher<br />

ganz leer sei.<br />

Glaubt man Christian Dorfner, dann bringt ein großer<br />

„Wärmepufferspeicher Ruhe in den Betrieb“. So sei<br />

selbst ohne Überbauung in diesem Segment Geld zu<br />

verdienen. „Doch umso höher überbaut, desto besser<br />

sind Spitzenpreise auszunutzen.“ Die beste von SK<br />

vermarktete Anlage habe im Oktober 2021 8 ct/kWh<br />

Zusatzerlöse erzielt. Und das sei noch lange nicht das<br />

Ende, mutmaßt er: „Ich glaube, dass die Spreizung<br />

zwischen gesicherter und Spitzenleistung im Netz<br />

noch zunimmt.“<br />

Doch davor müsse investiert werden: Dorfner denkt dabei<br />

an Wärmespeicher, die 40 Stunden die Versorgung<br />

der Wärmekunden übernehmen können, und an fünffache<br />

Überbauung. „Wenn ich ein neues BHKW brauche,<br />

dann so groß wie es irgend geht“, empfiehlt er.<br />

Möglichst stark überbauen<br />

Uwe Welteke-Fabricius von den Flexperten geht noch<br />

einen Schritt weiter: Er sieht bereits die Biogasanlagen<br />

als „intelligentes Speicherkraftwerk, das flexibel<br />

Energie in den Markt bringt“. Auch er zitierte den<br />

Fotos: Heinz Wraneschitz<br />

32


Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />

Aktuelles<br />

Andre Schaller.<br />

Ampel-Koalitionsvertrag. „Darin steht: bis die Erneuerbaren<br />

den Bedarf decken, braucht es Gaskraftwerke.“ Doch so<br />

weit werde es nie kommen, unkt er. Und wenn, dann werde<br />

erst bei 1,5-facher Deckung so viel Überschussstrom jenen<br />

Wasserstoff produzieren können, mit dem die vielen neuen<br />

„H2-ready“-Gaskraftwerke auf den sauberen Wasserstoff umgestellt<br />

werden sollen.<br />

„Ran an den Speck – wir müssen den Gasturbinen beweisen,<br />

dass wir schneller sind“, forderte er von den Biogasanlagen-<br />

Betreibern Engagement – und Investition in neue, große BHKW<br />

sowie Gasspeicher. Er empfahl gar 60-Stunden-Speicher für<br />

Anlagen mit 500 kW Bemessungsleistung und eine mindestens<br />

vierfache Überbauung: „Ein zusätzliches 2.000-kW-BHKW ist<br />

die optimale Flexibilisierung.“ Denn die Kosten dafür lägen bei<br />

550 Euro pro kW, „die Förderung liegt drüber: da kann ein<br />

Speicher noch mitfinanziert werden.“<br />

Eine Musteranlage dafür zeigte er auch: das Speicherkraftwerk<br />

Rixdorf. Dessen Gasspeicher könne 30 Megawattstunden<br />

(MWh) Energie bereitstellen – eine Batterie mit dieser<br />

Kapazität würde etwa 10 Millionen Euro kosten, so Welteke.<br />

Und wenn Anlagen bei den Ausschreibungen der Bundesnetzagentur<br />

zum Zuge kämen, für den biete „der neue Flexzuschlag<br />

eine neue Logik“, nämlich bessere Förderung.<br />

Und noch einen Tipp hatte der Flexperte parat: „Die Fütterung<br />

ein bis zwei Tage zu verdoppeln ist möglich. Dann kann das<br />

BHKW auch schon mal zehn Stunden am Stück laufen“, natürlich<br />

nur beizeiten mit hohen Vergütungen, „um mehr Geld<br />

zu verdienen“.<br />

Doch Welteke-Fabricius benannte auch das Problem, dass<br />

„die Biogas-Produktion aber in der Öffentlichkeit wegen der<br />

Maisdiskussion umstritten“ ist. Deshalb müssten die vielen<br />

Reststoffe aus Landwirtschaft und Verbrauchssektoren dafür<br />

besser erschlossen werden, „dann wird unser Vorteil noch<br />

besser sichtbar.“<br />

Biogas<br />

Infotage <strong>2022</strong><br />

23. + 24. März<br />

Messe Ulm<br />

Oder doch besser negative Regelenergie?<br />

Hans-Joachim Röhl von der Next Kraftwerke GmbH sieht die<br />

Viertelstunden-Börsenvermarktung nicht ganz so euphorisch.<br />

Natürlich müsse auch Next als Vermarkter auf die einzelnen<br />

Anlagen zugreifen, um sie gemeinsam als „virtuelles<br />

33 www.renergie-allgaeu.de


Aktuelles Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />

Christian-Dorfner<br />

Hans-Joachim Röhl<br />

Uwe Welteke-Fabricius<br />

Wolfgang Haberstroh<br />

Kraftwerk“ steuern zu können. Doch<br />

„Viertelstundenwerte sind halt sehr materialermüdend.<br />

Man muss also wissen,<br />

was man da tut“. Womit er gleichermaßen<br />

Vermarkter wie Betreiber meinte.<br />

Wohl auch deshalb setzt Next weiterhin<br />

stark auf die „Bereitstellung negativer<br />

Regelenergie“, also das Angebot an die<br />

Stromnetzbetreiber, dass ein Biogas-<br />

BHKW kurzfristig seine Stromeinspeisung<br />

reduziert. „2012 konnte man aus<br />

einer 500-kW-Anlage so 10.000 Euro pro<br />

Jahr generieren. Jetzt gibt es pro Monat<br />

bis zu 30.000 Euro für die Bereitstellung<br />

negativer Regelenergie. Das Geld gibt es<br />

immer – aber abregeln brauche ich nur,<br />

wenn es wirklich gebraucht wird. Und es<br />

ist relativ unwahrscheinlich, dass abgeregelt<br />

wird“, ist Röhl dank der langjährigen<br />

Erfahrung von Next sicher. „Wir haben<br />

schon vor zehn Jahren den Biogasmarkt<br />

beeinflusst“, erinnert er sich zurück. Und<br />

heute habe Next 12.000 Anlagen mit<br />

9,5 Gigawatt Leistung gebündelt und<br />

vernetzt. „Damit können wir auf Marktsignale<br />

reagieren.“ Und man lerne aus dem<br />

Betrieb immer mehr zu den einzelnen Anlagen:<br />

„Die wollen wir optimieren, immer<br />

gegen den durchschnittlichen Strombörsenpreis“,<br />

und zwar „an allen möglichen<br />

Märkten“. Dadurch seien Biogasanlagen<br />

„am wirtschaftlichsten zu betreiben“,<br />

rechnete Hans-Joachim Röhl an Beispielen<br />

vor.<br />

Flexible Flex-Vermarktung aus<br />

der Schweiz<br />

Sehr flexibel scheint die Alpiq Energie<br />

Deutschland GmbH auch bei der Anpassung<br />

ihrer Vergütungsmodelle für die Betreiber<br />

zu sein. Das jedenfalls prägte sich<br />

bei der Vorstellung der „marktgerechten<br />

Vergütung mit Sicherheitsnetz für hochflexible<br />

Biogasanlagen“ durch André<br />

Schaller ein. Der „Key Account Manager<br />

Flexiblitäten DACH“ des deutschen Ablegers<br />

des Schweizer Energieunternehmens<br />

stellte heraus: „Wie viel Geld beim Betreiber<br />

hängen bleibt und warum, ist zu 70<br />

Prozent intransparent.“ Damit meinte er<br />

wohl die Abrechnungen der Konkurrenz.<br />

Alpiq dagegen biete „einen spezifischen<br />

Festpreis. Und wir beteiligen die Betreiber<br />

ganz stark an den Marktchancen.“<br />

Die „ehemalige Managementprämie von<br />

0,2 ct/kWh“ fließe bei der Direktvermarktung<br />

jedenfalls direkt an den Betreiber.<br />

Und die Börsen-Mehrerlöse von<br />

Day-Ahead und Intraday-Markt durch<br />

das Abfahren individueller Fahrpläne von<br />

hochflexiblen Biogasanlagen werden monatlich<br />

ausgezahlt; „der Mehrerlösfaktor<br />

ist an den veröffentlichten Spotmarktpreisen<br />

nachprüfbar“.<br />

Die jeweilige Anlagen-Flexibilität werde<br />

laut Schaller in einem Index im Vergleich<br />

zu einer virtuellen Referenzanlage ermittelt.<br />

In die Anlagenbewertung flössen vor<br />

allem nutzbare Flexibilität, Rampenzeiten,<br />

technische Verfügbarkeit sowie nutzbarer<br />

Speicher ein. Und – wie er versicherte:<br />

auch während der Vertragslaufzeit<br />

könne zwischen einzelnen Vermarktungsverfahren<br />

gewechselt werden.<br />

Kurzfristig Gasproduktion steigern<br />

Hilfreich für die Flexibilisierung ist auch<br />

„Methanos F3, der Booster für Biogasanlagen“,<br />

wie Wolfgang Haberstroh die<br />

Funktion dieser Mikroorganismen (MO)<br />

umschrieb. Denn quasi auf Knopfdruck –<br />

richtiger: durch die Zugabe bestimmter<br />

Mengen dieser MO – könne die Gasproduktion<br />

schnell gesteigert werden.<br />

Entwickelt wurden sie von der Schmack<br />

Biogas Service GmbH, früher einfach<br />

„Schmack“, dann von Viessmann übernommen<br />

und nun Teil der HTI Hitachi<br />

Zosen Inova-Gruppe. Diese MO machen<br />

zum Beispiel einen – seit dem EEG 2017<br />

erlaubten – Sommer-Winter-Betrieb möglich:<br />

Im Winter mehr Wärme und Strom<br />

herausholen, das funktioniere laut Haberstroh.<br />

Denn die MO könnten die Gaserzeugung<br />

einer Standard-Anlage bei Bedarf<br />

von 800 auf 2360 kW je Stunde steigern,<br />

ohne die Technik der Anlage zu verändern:<br />

Durch die Zugabe von Methanos werde<br />

die Raumbelastung im Fermenter auf<br />

etwa das Zweieinhalbfache erhöht. Dass<br />

die MO sogar Substrate einsparen, weil<br />

Abbauleistung verbessert und so der Gasertrag<br />

erhöht werde, erwähnte er zudem.<br />

„Biogas ist Teil der Lösung!“<br />

Dass Flexible Biogasanlagen eine Zukunft<br />

haben, steht für den Fachverband Biogas<br />

ohnehin fest. Denn FvB-Geschäftsführer<br />

Stefan Rauh ist sicher: „Die Politik schaut<br />

auf uns. Sie sieht Biogas als Baustein der<br />

Energiezukunft.“ Doch Betreiber müssten<br />

dafür eben ihre Anlagen „zukunftsorientiert<br />

betreiben“. Dann hätten sie<br />

„deutlich höhere Erlösmöglichkeiten auf<br />

den Strommärkten“, wie aktuell deutlich<br />

sichtbar sei. Und weil nun auch die EU-<br />

Kommission Grünes Licht gegeben hat,<br />

können Anlagenbetreiber neben dem<br />

Anspruch auf 65 Euro/kW für zusätzlich<br />

installierte Leistung auch im zweiten Vergütungszeitraum<br />

50 Euro/kW und Jahr an<br />

Flexzuschlag geltend machen. „Biogas ist<br />

Teil der Lösung – und vielen Betreibern<br />

bieten sich neue Optionen für die Zukunft“,<br />

lautete Dr. Rauhs Resümee.<br />

Autor<br />

Dipl.-Ing. Heinz Wraneschitz<br />

Feld-am-See-Ring 15a<br />

91452 Wilhermsdorf<br />

0 91 02/31 81 62<br />

heinz.wraneschitz@t-online.de<br />

www.bildtext.de<br />

34


Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />

Aktuelles<br />

35


Aktuelles Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />

Geht es auch ohne Moleküle?<br />

Durch Umrüstung<br />

der Dieselmotoren<br />

auf die Dual-Fuel-<br />

Technologie können<br />

auch schwere Lkw wie<br />

dieser Sattelschlepper<br />

der Verbio AG mit CNG<br />

und Biomethan aus<br />

Stroh fahren.<br />

Angesichts des absehbaren Aus für den Verbrennungsmotor diskutierten Experten auf einer<br />

Online-Tagung des Deutschen Biomasseforschungszentrums (DBFZ) die Potenziale und<br />

Rahmenbedingungen für den Einsatz von fortschrittlichem Biomethan im Verkehrsbereich.<br />

Von Dipl.-Journ. Wolfgang Rudolph<br />

Kann Deutschland die für 2030 gesetzten<br />

Ziele zur Vermeidung von Treibhausgasen<br />

(THG) ohne nachhaltige Gaskraftstoffe<br />

erreichen? Zumindest Cornelia Müller-<br />

Pagel von der VNG AG beantwortete diese<br />

vom DBFZ als thematischen Rahmen für das Biogas-<br />

Fachgespräch am 16. November gesetzte Frage mit<br />

einem klaren „Nein“.<br />

Um argumentativ zu untermauern, dass es ohne<br />

Moleküle nicht geht, zeigte die Leiterin des VNG-<br />

Geschäftsbereichs Grüne Gase den Teilnehmern<br />

der Online-Veranstaltung ein Diagramm. Die Grafik<br />

veranschaulichte die enormen Unterschiede bei<br />

der Dekarbonisierung zwischen den Energieträgern<br />

Strom und Gas. Während die 2020 in Deutschland<br />

verbrauchten 533 Terawattstunden (TWh) Strom zu<br />

etwa 45 Prozent aus erneuerbaren Quellen stammten,<br />

betrug die Quote bei Gas, trotz der mehr als dreimal<br />

höheren Energienachfrage, nämlich 1.784 TWh,<br />

lediglich 11 Prozent.<br />

„Wir brauchen jede Form von nachhaltig bereitgestellten<br />

Gasen, um diesen Bereich weiter zu dekarbonisieren.<br />

All electric reicht nicht, um die angestrebte<br />

Treibhausgasneutralität bis 2045 zu erreichen“,<br />

betonte Müller-Pagel. Umso unverständlicher seien<br />

daher die von der EU-Kommission angestrebten<br />

Strombezugskriterien für die Erzeugung von grünem<br />

Wasserstoff. Demnach dürfen Anlagen, die erneuerbaren<br />

Strom für die Elektrolyse erzeugen, beispielsweise<br />

Windräder, maximal 12 Monate vor dem Start<br />

der Wasserstoffherstellung in Betrieb gegangen sein.<br />

Damit verschenke man Potenzial, da Strom aus ausgeförderten<br />

Erneuerbaren-Anlagen somit nicht genutzt<br />

werden könne, um als „grün“ bewerteten Wasserstoff<br />

zu erzeugen.<br />

60 Millionen Antriebe lassen sich<br />

nicht einfach umswitchen<br />

Auch Dr. Franziska Müller-Langer, Leiterin des Bereichs<br />

Bioraffinerien am DBFZ, hält es angesichts des<br />

Zeitdrucks im Kampf gegen die Klimaerwärmung für<br />

unabdingbar, alle heute schon verfügbaren Optionen,<br />

die Biokraftstoffe bieten, für eine CO 2<br />

-Minderung im<br />

Verkehr zu nutzen. Ein Bestand von 60 Millionen<br />

Fahrzeugen in Deutschland lasse sich nicht einfach<br />

auf alternative Antriebe umswitchen. Die Frage sei<br />

allerdings, in welchem Umfang hier gasförmige Kraftstoffe<br />

wie Biomethan oder grüner Wasserstoff zum<br />

Zuge kommen.<br />

In dieser Hinsicht wollten sich die Regierungsvertreter<br />

beim Biogasfachgespräch nicht zu weit aus<br />

dem Fenster lehnen. Man möchte Beschlüssen der<br />

Ampelkoalition nicht vorgreifen, so der Grundton.<br />

Nach Aussage von Daniel Vilela Oliveira vom Bundesumweltministerium<br />

wollen seine Behörde und nach<br />

aktuellem Stand wohl auch alle anderen beteiligten<br />

Fotos: Carmen Rudolph<br />

36


Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />

Aktuelles<br />

Statements aus der Podiumsdiskussion während des Leipziger<br />

Biokraftstoff-Fachgesprächs am 16. November 2021.<br />

Claus Sauter<br />

Verbio Vereinigte BioEnergie AG:<br />

Die Biomethanherstellung ist ein ausgereifter,<br />

robuster Prozess und das kleine Molekül<br />

CH 4<br />

steckt voller Möglichkeiten, etwa als<br />

chemischer Grundstoff oder bei der Herstellung<br />

von Flugbenzin, wie das in den USA mit<br />

den SAF-Kraftstoffen (Sustainable Aviation<br />

Fuel; d. Red.) bereits praktiziert wird. Die<br />

Wirtschaftlichkeit ist im Verkehr über die<br />

THG-Quote gegeben.<br />

Sebastian Gröblinghoff<br />

LIQVIS GmbH:<br />

CNG und LNG werden auf mittlere Sicht<br />

schon wegen der prognostizierten Zunahme<br />

des Verkehrsaufkommens an Bedeutung<br />

gewinnen. Für die langfristige Entwicklung<br />

des Anteils sind die nächsten Jahre<br />

entscheidend. Die Crux ist herauszufinden,<br />

welcher Energieträger in welcher Verkehrsart<br />

am effizientesten und mit der größten CO 2<br />

-<br />

Einsparung eingesetzt werden kann.<br />

Text: Wolfgang Rudolph<br />

Dr. Karoline Seefeldt<br />

TotalEnergies:<br />

Biomthan ist eine der großen Säulen, um<br />

unsere THG-Minderungsverpflichtung zu<br />

erfüllen, aber auch um die Dekarbonisierung<br />

im Verkehr voranzutreiben. Dies gilt übrigens<br />

ebenso für die Wärme, die in der Diskussion<br />

häufig zu kurz kommt. In Bezug auf die<br />

Quote bei den fortschrittlichen Kraftstoffen<br />

ist Biomethan gleichfalls ein wichtiger, aber<br />

nicht der einzige Baustein.<br />

Toni Reinholz<br />

Deutsche Energie-Agentur:<br />

Die dena unterstützt die Technologieoffenheit.<br />

Im Antriebs- und Kraftstoffmix, auf den<br />

es letztlich hinauslaufen wird, ist Biomethan<br />

mit Blick auf die Kosten und die erzielbare<br />

THG-Vermeidung eine sehr interessante<br />

Option. Allerdings verläuft die Entwicklung<br />

auf der Abnehmerseite im Verkehr nicht so<br />

positiv, wie es für eine Marktdurchdringung<br />

notwendig wäre. Dennoch: Die Vorzeichen für<br />

Biomethan stehen heute günstiger als noch<br />

vor zwei Jahren.<br />

Rührtechnik<br />

optimieren,<br />

Förderung<br />

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Biogasanlage und reduzieren Sie<br />

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Teilnehmer an der Podiumsdiskussion während des Biokraftstoff-Fachgesprächs (von links oben<br />

nach rechts unten): Claus Sauter (Verbio Vereinigte BioEnergie AG), Dr. Karoline Seefeldt (Total-<br />

Energies), Sebastian Gröblinghoff (LIQVIS GmbH) und Toni Reinholz (Deutsche Energie-Agentur).<br />

Akteure jedenfalls an der THG-Quote als<br />

bewährtem ordnungsrechtlichen Instrument<br />

zur Förderung von mehr Nachhaltigkeit<br />

im Verkehr festhalten.<br />

Die RED II biete dabei mit nun möglichen<br />

Kompensationen von CO 2<br />

-Emissionen<br />

durch den Einsatz von erneuerbarem<br />

Strom, grünem Wasserstoff sowie<br />

fortschrittlichen Kraftstoffen auf Basis<br />

biogener Reststoffe deutlich mehr<br />

| pumpen<br />

| lagern<br />

| rühren<br />

| separieren<br />

* Die Höhe der Förderung ist abhängig von der<br />

Stromeinsparung bzw. der jährlich eingesparten<br />

Tonne CO2.<br />

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Aktuelles Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />

Seit November rollen beim Landmaschinenersteller<br />

New Holland Traktoren mit<br />

Methanantrieb vom Band. Äußerlich<br />

unterscheidet sich der T6.180 Methane,<br />

hier bei einer Vorführung, nicht vom<br />

Dieselpendant.<br />

Erfüllungsoptionen für eine THG-Minderung. Nach<br />

Prognosen verbrauche der Verkehr im Jahr 2030<br />

trotz der dann fortgeschrittenen Elektromobilität<br />

rund 2.500 Petajoule. Daher liege der Fokus auf der<br />

Senkung des Gesamtenergieverbrauchs in diesem<br />

Bereich.<br />

Ein Impuls für Biomethan sei durch den Wegfall der<br />

Anrechenbarkeit von fossilem Methan bei der Erfüllung<br />

der THG-Quote zu erwarten. Dagegen wirkten<br />

Flächenrestriktionen, die eingeschränkte Verfügbar-<br />

Was sind fortschrittliche Biokraftstoffe?<br />

Fortschrittliche Biokraftstoffe (Biokraftstoffe<br />

der 2. Generation) unterscheiden sich von<br />

konventionellen Biokraftstoffen (Biokraftstoffe<br />

der 1. Generation) durch den eingesetzten Input.<br />

Während konventionelle Biokraftstoffe auf<br />

zucker-, stärke- und zellulosehaltigen Pflanzen<br />

wie Weizen, Roggen oder Zuckerrüben basieren,<br />

werden für die Herstellung fortschrittlicher<br />

Biokraftstoffe nur Substrate genutzt, bei denen<br />

keine Gefahr einer Konkurrenz mit der Produktion<br />

von Nahrungsmitteln besteht.<br />

Was verarbeitet werden darf, steht im Anhang IX<br />

der Erneuerbaren-Energien-Richtlinie (RED II)<br />

der EU bzw. als Umsetzung in nationales Recht<br />

in Anlage 1 der 38. Verordnung zur Durchführung<br />

des Bundes-Immissionsschutzgesetzes<br />

(BImSchV), die am 1. Januar <strong>2022</strong> in Kraft tritt.<br />

Die Positivliste umfasst 17 Stoffgruppen von<br />

Algen, die an Land in Becken kultiviert werden,<br />

über Bioabfälle, Gülle, Nussschalen, Stroh,<br />

Traubentrester bis zu zellulosehaltigem Non-<br />

Food-Material.<br />

Die Deklarierung als fortschrittlicher Biokraftstoff<br />

ist zum einen bedeutsam, weil sich die<br />

EU-Mitgliedstaaten verpflichtet haben, deren<br />

Anteil am Verbrauch wegen ihrer besonderen<br />

Nachhaltigkeit von derzeit nahe Null bis 2030<br />

stufenweise auf 2,6 Prozent (%) zu erhöhen.<br />

Zum anderen erfolgt oberhalb der jährlich<br />

gesetzten Mindestmengen eine doppelte Anrechnung<br />

für die Treibhausgasminderungsquote<br />

(THG-Quote), die von gegenwärtig 6 % bis 2030<br />

auf 25 % ansteigt.<br />

Dies erhöht für Mineralölkonzerne, die zur<br />

Einhaltung der THG-Quote verpflichtet sind, die<br />

Attraktivität der Produktion und gegebenenfalls<br />

Beimischung von fortschrittlichen Biokraftstoffen,<br />

zumal der Anteil konventioneller Biokraftstoffe<br />

an der THG-Quote eine Obergrenze von<br />

4,4 % nicht überschreiten darf und Kraftstoffe<br />

aus Palmöl ab 2023 ganz aus der Quotenrechnung<br />

ausgeschlossen sind.<br />

Text: Wolfgang Rudolph<br />

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Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />

Aktuelles<br />

Wie entsteht der Preis<br />

für Treibhausgas?<br />

Die 2015 eingeführte Treibhausgasminderungsquote (THG-<br />

Quote) verpflichtet Mineralölhersteller, den CO 2<br />

-Ausstoß<br />

ihrer Kraftstoffe zu reduzieren. Diese müssen aktuell 6<br />

Prozent (%) weniger Treibhausgas ausstoßen als fossiler<br />

Kraftstoff in Reinform, der 94,1 Kilogramm (kg) CO 2<br />

pro Gigajoule<br />

emittiert. Gemäß Erneuerbare-Energien-Richtlinie<br />

(RED II) soll die THG-Quote bis 2030 auf 25 % steigen.<br />

Dies lässt sich entweder durch eine höhere Beimischung<br />

fortschrittlicher Biokraftstoffe erreichen oder durch den<br />

Einkauf von Mengen vermiedener THG-Emissionen über den<br />

Quotenhandel. THG-Guthaben entstehen hierbei durch das<br />

Inverkehrbringen von fortschrittlichen Kraftstoffen, grünem<br />

Wasserstoff oder Strom für E-Fahrzeuge. Dies kann durch<br />

die Mineralölkonzerne selbst geschehen oder durch zertifizierte<br />

Dritte, etwa Hersteller von fortschrittlichem Bio-CNG<br />

oder Betreiber von Ladestationen (Wallboxen) für E-Autos.<br />

Der Preis je vermiedene Tonne CO 2<br />

liegt gegenwärtig bei<br />

400 bis 500 Euro und ist damit um ein Vielfaches höher<br />

als beim Europäischen Emissions-Handels-System (ETS).<br />

Hier kosten die Verschmutzungsrechte derzeit über 80<br />

Euro pro Tonne CO 2<br />

-Äquivalenten.<br />

Text: Wolfgang Rudolph<br />

keit von biogenem Input, einschließlich der nicht<br />

skalierbaren Rest- und Abfallstoffe und die Konkurrenz<br />

zu grünem Wasserstoff und dessen Folgeprodukte<br />

als begrenzende Faktoren für Biokraftstoffe. Deren<br />

Einsatz sei nur dort sinnvoll, wo sie in der Gesamtbilanz<br />

wirklich nachhaltig sind. Ansonsten drohten<br />

dennoch Strafzahlungen wegen ungenügender Erfüllung<br />

der THG-Quote, und die daraus entstehenden<br />

Kosten müssten dann letztlich die Autofahrer über<br />

höhere Spritpreise tragen, ohne dass ein Gewinn für<br />

das Klima entstanden sei. Für die Entwicklung und<br />

den Markthochlauf von fortschrittlichen Biokraftstoffen<br />

stehen bis 2024 Fördergelder im Umfang von<br />

1,54 Milliarden Euro zur Verfügung. Darüber informierte<br />

Matthias Spöttle vom Bundesverkehrsministerium.<br />

Von besonderem Interesse für den Bereich der<br />

gasförmigen regenerativen Kraftstoffe ist hierbei die<br />

„Förderrichtlinie für die Entwicklung regenerativer<br />

Kraftstoffe“. Über sie können Entwicklungs- und Demonstrationsvorhaben<br />

mit jeweils bis zu 15 Millionen<br />

Euro bezuschusst werden.<br />

Seit der Veröffentlichung finde die Richtlinie eine<br />

hohe Resonanz. Einreichungen sind noch möglich.<br />

In Vorbereitung ist zudem laut Spöttle eine be-<br />

Je nach Berechnungsgrundlage<br />

stehen in<br />

Deutschland 8 bis<br />

13 Millionen Tonnen<br />

Getreidestroh für die<br />

Produktion fortschrittlicher<br />

Biokraftstoffe zur<br />

Verfügung. Die regionale<br />

Verfügbarkeit ist jedoch<br />

unterschiedlich.<br />

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Aktuelles Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />

In Zörbig produziert<br />

Verbio Bioethanol und<br />

Biomethan im industriellen<br />

Maßstab. Auch<br />

Windräder betreibt der<br />

Konzern.<br />

wusst technologieoffene „Förderrichtlinie<br />

für Investitionen in Erzeugungsanlagen<br />

von regenerativen Kraftstoffen“. Wegen<br />

der vorgesehenen hohen Fördersummen<br />

stehe hier noch eine Notifizierung durch<br />

die EU aus.<br />

Zweierlei Maß bei der<br />

Emissionsminderung<br />

Die THG-Emissionen von Fahrzeugen sind nicht gleich, auch dann<br />

nicht, wenn es sich um baugleiche und mit demselben Kraftstoff<br />

betriebene Modelle handelt. Den Unterschied macht die Berechnungsmethode.<br />

Der Weltklimarat (IPCC) wertet in den einzelnen Sektoren<br />

ausschließlich die direkten Emissionen (Tank-to-Wheel, TTW). Demnach<br />

werden beim Einsatz der Energieträger Strom, Wasserstoff und<br />

ebenso Biokraftstoff im Verkehrssektor null Emissionen angerechnet.<br />

Nur fossile Kraftstoffe haben einen Emissionswert.<br />

Für die bei der Kraftstoffherstellung entstehenden CO 2<br />

-Emissionen<br />

gelten in den jeweiligen Sektoren (Landwirtschaft, Energie, Industrie)<br />

gesonderte Bilanzgrenzen (Well-to-Tank, WTT). Die IPCC-Methode<br />

bildet unter anderem die Berechnungsgrundlage zur THG-Minderung<br />

im Pariser Klimaschutzabkommen.<br />

Szenarien für Klimarelevanz<br />

von Gaskraftstoffen<br />

Welchen Beitrag kann fortschrittliches<br />

Biomethan zum Erreichen der Klimaziele<br />

im Verkehr bis 2030 leisten? Über das<br />

Ergebnis einer entsprechenden Untersuchung<br />

am DBFZ berichtete Karin Naumann.<br />

Ausgehend von den erschließbaren<br />

Rohstoffpotenzialen legten die Forscher<br />

dabei drei Szenarien zugrunde, die sich<br />

Im Gegensatz dazu bezieht die Berechnungsgrundlage für die THG-<br />

Minderungsquote gemäß RED II die CO 2<br />

-Emissionen über die gesamte<br />

Bereitstellungs- und Nutzungskette ein (WTT). Emissionen, die beim<br />

Anbau von Biomasse oder der Produktion von Biokraftstoffen entstehen,<br />

werden also mitbilanziert. Dadurch gehen auch Biokraftstoffe mit<br />

einem reduzierten, aber doch vorhandenen Emissionsrucksack in die<br />

Berechnung ein. Dafür gelten wiederum in der EU gesonderte Regularien<br />

zur Bewertung der direkten Emissionen (TTW), beispielsweise die<br />

EU-Verordnung zu Flottengrenzwerten oder Abgasnormen.<br />

Text: Wolfgang Rudolph<br />

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Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />

Aktuelles<br />

in ihrer Ambitioniertheit bei den Klimazielen und der<br />

Durchsetzung von Elektromobilität unterscheiden. Fazit:<br />

Zwar könnte es mit den bisher eingeleiteten Maßnahmen<br />

gelingen, das RED-II-Ziel von 14 Prozent Anteil<br />

Erneuerbarer Energie im Verkehr zu erreichen, doch<br />

lässt sich in keinem Szenario in Deutschland die aus<br />

dem Pariser Klimaschutzabkommen abgeleitete Verpflichtung<br />

einlösen.<br />

„Selbst in unserer ambitioniertesten Beispielrechnung<br />

wird das Ziel einer Minderung von 80 Millionen (Mio.)<br />

Tonnen (t) CO 2<br />

-Äquivalent bis 2030 um 4 Mio. t verfehlt“,<br />

konstatierte Naumann. Daher müsse die THG-<br />

Quote höher angesetzt werden als bislang vorgesehen.<br />

Zudem gelte es, den Energiebedarf im Straßenverkehr<br />

insgesamt deutlich zu reduzieren und alle Möglichkeiten<br />

für eine Emissionsminderung zu nutzen.<br />

Fortschrittliches Biomethan sei dabei eine gute Option,<br />

da es sich um eine inländische Ressource handle und die<br />

Technologie hierzulande gut entwickelt ist. Welche gewaltige<br />

Herausforderung jedoch damit verbunden wäre,<br />

verdeutlicht die DBFZ-Forscherin mit einer Rechnung.<br />

„In unseren Szenarien ergab sich nur zur Erreichung der<br />

jährlich vorgegebenen Unterquote bei den fortschrittlichen<br />

Biokraftstoffen ein Bedarf von 41 bis 45 Petajoule<br />

(PJ) pro Jahr. Das Angebot an CNG in Deutschland lag in<br />

den vergangenen Jahren bei rund 5 PJ.“<br />

Mit fortschrittlichen Gaskraftstoffen angetriebene Pkw wie der Opel HydroGen4<br />

sind eine Option zur Minderung der THG-Emissionen im Verkehr. Dafür müssten<br />

jedoch die Produktionsmengen von nachhaltigem Biomethan bzw. grünem<br />

Wasserstoff deutlich steigen.<br />

Autor<br />

Dipl.-Journ. Wolfgang Rudolph<br />

Freier Journalist ∙ Rudolph Reportagen –<br />

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Aktuelles Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />

Das von der Firma<br />

inhouse engineering gebaute<br />

H 2<br />

-BHKW, hier im Demonstrations-<br />

Pavillon auf dem Gelände des Chemieparks<br />

Bitterfeld-Wolfen, hat einen<br />

Gesamtwirkungsgrad von 95 %. Links<br />

im Bild Beispiele für Wasserstoffleitungen<br />

aus Mehrschichtwerkstoffen.<br />

Wasserstoff als Wirtschaftsmotor<br />

für Mitteldeutschland<br />

Akteure aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen wollen Mitteldeutschland zu einer<br />

führenden Wasserstoffregion entwickeln. Den Auftakt dazu gab der 1. Mitteldeutsche<br />

Wasserstoffkongress in Leuna, auf dem Forschungseinrichtungen und Unternehmen ihre<br />

zum Teil weltweit einmaligen Projekte zu diesem Thema vorstellten.<br />

Von Dipl.-Jour. Wolfgang Rudolph<br />

Dr. Andreas Wolf, Head of<br />

On-Site Account Management<br />

South East Germany Linde AG.<br />

Für Leipzigs Oberbürgermeister<br />

Burkhard Jung ist die Sache<br />

klar: „Wir klingeln nicht genug.“<br />

Deutschlandweit sei noch zu<br />

wenig bekannt, dass die Länder<br />

Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen,<br />

allen voran der als mitteldeutsches Chemiedreieck<br />

bezeichnete Ballungsraum,<br />

über ideale Voraussetzungen verfügen,<br />

um bei der Schlüsseltechnologie „Grüner<br />

Wasserstoff“ ganz vorn dabei zu sein.<br />

Zum Auftakt des 1. Mitteldeutschen Wasserstoffkongresses<br />

am 2. November in<br />

Leuna verwies das Stadtoberhaupt in diesem<br />

Zusammenhang auf die vorhandene<br />

Infrastruktur einschließlich einer 200 Kilometer<br />

langen Wasserstoffpipeline sowie<br />

die bestehenden Wertschöpfungsketten,<br />

Industrieansiedlungen und Forschungskapazitäten.<br />

Auf diese Vorzüge bauen<br />

auch das Forschungsnetzwerk Hypos (Hydrogen Power<br />

Storage & Solutions East Germany) und der Lobbyverband<br />

Europäische Metropolregion Mitteldeutschland.<br />

Im Mittelpunkt der von ihnen veranstalteten<br />

Tagung standen daher Kurzvorstellungen (Pitchs)<br />

von mehr als einem Dutzend Wasserstoffprojekten,<br />

die sich zumeist bereits in der Umsetzung befinden.<br />

H 2<br />

-Produktion im Chemiepark Leuna<br />

So berichtete Dr. Andreas Wolf von der Linde AG über<br />

den Bau eines Elektrolyseurs am Standort Leuna.<br />

Zum Zeitpunkt der geplanten Fertigstellung Mitte<br />

<strong>2022</strong> wird es nach Aussage des Unternehmens mit<br />

einer installierten Leistung von 24 Megawatt (MW)<br />

die größte Elektrolyseanlage der Welt sein, die Wasser<br />

mittels Proton Exchange Membrane (PEM)-Technologie<br />

in Wasserstoff und Sauerstoff spaltet.<br />

Das anvisierte jährliche Produktionsvolumen umfasst<br />

bis zu 3.200 Tonnen Wasserstoff, der vor Ort für den<br />

Transport auf 300 bar komprimiert beziehungsweise<br />

Foto oben: inhouse engineering GmbH<br />

42


Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />

Aktuelles<br />

tiefgekühlt verflüssigt oder in die<br />

von Linde betriebene Pipeline eingespeist<br />

wird. Diese Menge reicht<br />

aus, um etwa 600 Brennstoffzellenbusse<br />

über eine Fahrstrecke von<br />

insgesamt 40 Millionen (Mio.) Kilometern<br />

mit Treibstoff zu versorgen.<br />

Den Elektrolyseur errichtet die ITM<br />

Linde Electrolysis GmbH (ILE),<br />

ein seit 2020 bestehendes Joint<br />

Venture zwischen dem britischen<br />

Unternehmen ITM Power, das den<br />

modernen PEM-Elektrolyseur beisteuert,<br />

und dem Bereich Linde<br />

Engineering, der das Verfahren zur<br />

Wasserstofferzeugung in die Chemie-Infrastruktur<br />

integriert.<br />

Testanlage für e-Methanol im Chemiepark<br />

Dr. Gerd Unkelbach vom Fraunhofer-Zentrum für Chemisch-Biotechnologische<br />

Prozesse (CBP) informierte<br />

über die Errichtung einer Testanlage im Chemiepark<br />

zur Herstellung von e-Methanol. Ausgangsstoffe sind<br />

das in der Total-Raffinerie Leuna anfallende CO 2<br />

sowie<br />

Wasserstoff, den eine<br />

Hochtemperatur-Elektrolyse<br />

von Sunfire mit erneuerbarem<br />

Strom erzeugt.<br />

In einer stofflich sowie<br />

energetisch angekoppelten<br />

Syntheseanlage entsteht<br />

daraus auf besonders effiziente<br />

Weise grünes Methanol,<br />

das als Komponente<br />

für die Herstellung von<br />

Kraftstoffen und Chemieprodukten<br />

dient. Weltweit<br />

werden laut Unkelbach<br />

heute etwa 157 Mio. Tonnen<br />

(t) Methanol pro Jahr<br />

Dr. Gerd Unkelbach, Leiter<br />

Standort Leuna Fraunhofer- produziert. Bis 2030 werde<br />

eine Verdopplung des<br />

Zentrum für Chemisch-Biotech<br />

nologische Prozesse (CBP). Volumens erwartet. Durch<br />

Umstellung auf eine nachhaltige<br />

Erzeugung ließen<br />

sich bei jeder t Methanol 1,53 t CO 2<br />

-Emissionen einsparen.<br />

In den Fokus rückten gegenwärtig sogenannte<br />

Power-to-X-to-Y-Verfahren. Das „Y“ stehe dabei für<br />

komplexe Molekülstrukturen bis hin zu Aminosäuren<br />

und Proteinen. Diese werden von Bakterien erzeugt,<br />

die Methanol als Kohlenstoffquelle nutzen.<br />

Fotos: Carmen Rudolph<br />

Cornelia Müller-Pagel,<br />

Leiterin Grüne Gase bei der<br />

VNG AG.<br />

Wasserstoffpipeline von Leipzig<br />

nach Rostock<br />

Hans-Joachim Polk, Cornelia Müller-Pagel und Ralph<br />

Bahke informierten über aktuelle Wasserstoff-Projekte<br />

der in Leipzig ansässigen Verbundnetz Gas (VNG)-<br />

Gruppe. Dazu zählt die Erweiterung<br />

des Wasserstoffnetzes durch den<br />

Bau einer 475 Kilometer langen<br />

Pipeline zwischen der Region Leipzig<br />

und dem Energiehafen Rostock.<br />

Ziel des Vorhabens mit der Bezeichnung<br />

„Doing Hydrogen“ ist, den<br />

in Elektrolyseuren mit Strom von<br />

Offshore-Windkraftanlagen hergestellten<br />

grünen Wasserstoff zu den<br />

Verbrauchern in Mitteldeutschland<br />

zu transportieren.<br />

Die Pipeline hat eine Transportleistung<br />

von einer Gigawattstunde. Der<br />

Bau soll zwischen 2024 und 2030<br />

erfolgen. Eine weitere Wasserstoffleitung<br />

mit einer Länge von 200 Kilometern<br />

ist zwischen Leipzig und Salzgitter geplant<br />

(„Green Octopus“). Als mögliche schnelle Lösung für<br />

die Versorgung von Abnehmern mit Wasserstoff<br />

sieht Polk einen höheren Beimischungsanteil<br />

im Erdgasnetz, das mittlerweile<br />

„H 2<br />

-ready“ sei.<br />

Dies stoße jedoch auf Skepsis, da die Annahme<br />

vorherrsche, dass die stofflichen<br />

und energetischen Potenziale der Einzelkomponenten<br />

Methan und Wasserstoff<br />

dann nicht ausgeschöpft werden können<br />

und sich die Verwertung des Gasgemischs<br />

letztlich auf den Einsatz als Kraftstoff von<br />

Blockheizkraftwerken beschränkt. VNG<br />

entwickle daher gemeinsam mit Partnern<br />

ein Verfahren zum Abtrennen des Wasserstoffs<br />

aus dem Methanstrom mittels<br />

Membranen.<br />

Neben dem Transport von grünen Gasen<br />

beschäftige man sich mit einem Verteilnetz<br />

für CO 2<br />

, das ebenfalls dorthin<br />

geleitet werden muss, wo es entweder<br />

gebraucht wird oder sicher verwahrt werden<br />

kann. Zudem bestehe ansonsten die<br />

Gefahr, dass Produktionsprozesse wegbrechen,<br />

die ohne CO 2<br />

-Freisetzung nicht<br />

machbar sind.<br />

Biogasanlage Gordemitz soll<br />

H 2<br />

-Anlage bekommen<br />

Auch die Vergärung von Biomasse spielt<br />

in der Wasserstoffstrategie des Konzerns<br />

eine Rolle. Schließlich betreibt die VNG-<br />

Tochter BALANCE inzwischen 38 Biogasanlagen.<br />

So soll auf dem Betriebsgelände<br />

der jüngst hinzugekommenen Anlage in<br />

Gordemitz bei Leipzig eine modifizierte<br />

SMR-Anlage entstehen. Mit ihr lässt sich<br />

grüner Wasserstoff aus einem Teilstrom<br />

des ansonsten zu Biomethan aufgerei-<br />

Hans-Joachim Polk,<br />

Vorstand Infrastruktur und<br />

Technik der VNG AG.<br />

Ralph Bahke, Geschäftsführer<br />

Geschäftsbereich Steuerung<br />

und Entwicklung der ONTRAS<br />

Gastransport GmbH.<br />

43


Aktuelles Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />

Dr. Rüdiger Schwarz, Leiter<br />

PtX-Projekte, EDL Anlagenbau<br />

Gesellschaft mbH.<br />

Dr. Achim Eichholz, Vorsitzender<br />

der Geschäftsführung der<br />

Mitteldeutschen Braunkohlengesellschaft<br />

(MIBRAG).<br />

nigten Rohbiogases gewinnen. Das Kürzel „SMR“<br />

steht dabei für Steam Methane Reforming, also die<br />

Dampfreformierung, das weltweit häufigste Verfahren<br />

zur Wasserstofferzeugung. Diese auch kleinteilig realisierbare<br />

Technologie bietet gegenüber der Elektrolyse<br />

deutliche Kostenvorteile bei der Herstellung<br />

von grünem Wasserstoff und ist unabhängig von der<br />

Verfügbarkeit erneuerbaren Stroms. In einem zweiten<br />

Schritt könnte der Wasserstoff unter Einbeziehung<br />

des vom Rohbiogas abgetrennten CO 2<br />

ebenfalls vor<br />

Ort in synthetischen Kraftstoff (e-Fuels) umgewandelt<br />

werden.<br />

Ein entsprechendes Verbundprojekt (InnoSynFuels)<br />

läuft an der TU Bergakademie Freiberg. Das Produktionspotenzial<br />

von grünem Wasserstoff durch<br />

Dampfreformierung aus dem heute in Deutschland<br />

produzierten Biogas beziffern Experten mit jährlich<br />

1,7 Milliarden Kilogramm. Das ist mehr, als sich mit<br />

sämtlichen Photovoltaikanlagen über die Wasserelektrolyse<br />

herstellen ließe, und bietet sich somit als alternatives<br />

Geschäftsmodell für Biogasanlagen an.<br />

Zu den größten VNG-Wasserstoffprojekten gehört<br />

der Energiepark Bad Lauchstädt. Das Reallabor soll<br />

ab 2026 die gesamte grüne Wasserstoffwertschöpfungskette<br />

in industriellem Maßstab abbilden. Dabei<br />

sorgen die von der Firma Terrawatt errichteten Windkraftanlagen<br />

mit einer Nennleistung von insgesamt<br />

44 MW für die Bereitstellung des grünen Stroms zum<br />

Betrieb der 30-MW-Großelektrolyse von Uniper. Die<br />

hier jährlich produzierten 2.500 t Wasserstoff gelangen<br />

über eine umgewidmete Erdgasleitung zum<br />

Chemiepark Leuna zur Dekarbonisierung der dort ansässigen<br />

chemischen Industrie. Die Möglichkeit der<br />

H 2<br />

-Speicherung von bis zu 50 Mio. Kubikmeter in<br />

einer unterirdischen Kaverne ist ab 2030 geplant.<br />

Die Farbenlehre<br />

des Wasserstoffs<br />

Je nach Art der Produktion wird Wasserstoff mit unterschiedlichen<br />

farblichen Beinamen bezeichnet. Hier eine<br />

kleine Wasserstoff-Farbenlehre:<br />

Grüner Wasserstoff entsteht durch die Aufspaltung von<br />

Wasser in Elektrolyseuren mithilfe erneuerbaren Stroms<br />

und ist somit CO 2<br />

-neutral.<br />

Grauer Wasserstoff wird durch die sogenannte Dampfreformierung<br />

von Erdgas gewonnen. Es ist das wirtschaftlichste<br />

und gegenwärtig am weitesten verbreitete<br />

Verfahren, jedoch wegen der Freisetzung des als Nebenprodukt<br />

entstehenden klimaschädlichen CO 2<br />

keine Option<br />

für die Zukunft.<br />

Blauer Wasserstoff basiert ebenfalls auf der Dampfreformierung<br />

von Erdgas. Jedoch wird das Nebenprodukt<br />

CO 2<br />

entweder langfristig gespeichert („Carbon Capture<br />

und Storage“ - CCS) oder es dient anderen Industriezweigen<br />

als Grundstoff („Carbon Capture and Utilization“<br />

– CCU).<br />

Türkiser Wasserstoff ist ein Produkt der thermischen<br />

Spaltung des im Erdgas enthaltenen Methans unter<br />

Abwesenheit von Sauerstoff. Bei dieser als Pyrolyse<br />

bezeichneten Reaktion verbleibt statt CO 2<br />

fester Kohlenstoff,<br />

der gespeichert oder vielfältig genutzt werden<br />

kann. Dies ist ein bilanziell CO 2<br />

-neutrales Verfahren,<br />

wenn die Wärmeversorgung des Hochtemperaturreaktors<br />

aus regenerativen Energieträgern kommt.<br />

Violetter und gelber bzw. roter Wasserstoff entsteht<br />

wie grüner Wasserstoff mittels Elektrolyse. Die benötigte<br />

elektrische Energie liefert jedoch der im Netz vorherrschende<br />

Strommix aus regenerativen und fossilen Quellen<br />

oder wie beim gelben oder roten Etikett für das Gas<br />

ausschließlich der Atomstrom.<br />

Auf Tagungen und in Veröffentlichungen werden zunehmend<br />

weitere Wasserstofffarben für eine Abgrenzung bei<br />

der Quelle genannt. Beispiele dafür sind Braun, wenn<br />

H 2<br />

durch die Vergasung von Kohle entsteht, oder Weiß,<br />

wenn es sich um ein Nebenprodukt aus Chemieanlagen<br />

handelt. Weißer Wasserstoff kann seine Herkunft<br />

neuerdings aber auch der Nutzung von Photosynthese<br />

in Biokatalysatoren verdanken. Hierzulande hat möglicherweise<br />

oranger Wasserstoff Zukunftspotenzial. Er<br />

wird aus Biomasse oder übergangsweise mit Strom aus<br />

Müllheizkraftwerken gewonnen.<br />

(nach IN4climate.NRW, eigene Recherche)<br />

Text: Wolfgang Rudolph<br />

Weltweit erster Produktionsstandort<br />

für PtL-Kerosin<br />

Nicht weniger ambitioniert ist das Vorhaben im Industriepark<br />

Böhlen vor den Toren Leipzigs. Nach Aussage<br />

von Dr. Rüdiger Schwarz vom EDL Anlagenbau<br />

entsteht hier bis zum Frühjahr 2026 die weltweit<br />

erste Power-to-Liquid (PtL)-Anlage für Kerosin. Die<br />

44


Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />

INNOVATIVE<br />

EINBRINGTECHNIK<br />

FÜR BIOGAS- UND<br />

RECYCLINGANLAGEN<br />

Aktuelles<br />

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für den weltweiten Einsatz.<br />

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Die vom Dresdener Unternehmen Sunfire entwickelte reversible Hochtemperatur-Elektrolyse, hier<br />

zu Demonstrationszwecken geöffnet, produziert Wasserstoff, kann im Brennstoffzellen-Modus aber<br />

auch Strom und Wärme erzeugen.<br />

effektiver Vorschub bei niedrigem<br />

Eigenstromverbrauch<br />

für 100% Mist und Grassilage<br />

mit Misch- und Aufbereitungsbereich<br />

komplett aus Edelstahl<br />

vorgesehene Herstellungsmenge von anfangs<br />

knapp 50.000 t pro Jahr orientiert<br />

sich ebenso wie der für 2026 gesetzte<br />

Produktionsstart an den Klimaschutzplänen<br />

der EU.<br />

Demnach muss Flugbenzin ab 2026 einen<br />

Anteil von 0,5 Prozent PtL-Kerosin<br />

enthalten. Der daraus entstehende Bedarf<br />

an nachhaltig produziertem Kerosin<br />

in Deutschland entspricht dem am<br />

Standort Böhlen geplanten Produktionsumfang.<br />

Die Abnahme ist mit dem Logistikkonzern<br />

DHL zur Betankung seiner<br />

Frachtflugzeuge vereinbart.<br />

Den Wasserstoff für die PtL-Anlage erzeugt<br />

ein 75-MW-Elektrolyseur. Außerdem<br />

werden 6.760 Kilogramm pro<br />

Stunde grünes Methan benötigt, die der<br />

Biogasanlagenbetreiber BALANCE liefert.<br />

Bereits ins Auge gefasst ist eine Ausweitung<br />

der Produktion von PtL-Kerosin<br />

auf 200.000 t pro Jahr durch die Erweiterung<br />

der Produktionsstätte in Böhlen<br />

sowie eine zweite Anlage in Schwedt<br />

(Brandenburg).<br />

Von der fossilen Kohle zu grünen<br />

Kraftstoffen<br />

Mit dem für 2030 beschlossenen Kohleausstieg<br />

geht der Mitteldeutschen<br />

Braunkohlengesellschaft (MIBRAG) in<br />

absehbarer Zeit ihr bisheriges Kerngeschäft<br />

verloren. Wie Dr. Achim Eichholz<br />

in seinem Tagungs-Pitch vortrug, reagiert<br />

das Unternehmen darauf mit dem Vier-<br />

Stufen-Konzept EMIR (Erneuerung MI-<br />

BRAG im Revier). Die erste Stufe startete<br />

2021 und beinhaltet die Errichtung<br />

von Windkraft- und PV-Anlagen auf den<br />

Grundstücken der MIBRAG mit einer installierten<br />

Gesamtleistung von 300 MW.<br />

Der geplante Transformationspfad führt<br />

dann über die Inbetriebnahme von Elektrolyseuren<br />

mit integrierter Wärmenutzung<br />

zur Bereitstellung von Fernwärme<br />

nach dem Abschalten der Kohlekraftwerke<br />

sowie die Produktion von grünem<br />

Methanol auf der Basis von biogenem<br />

CO 2<br />

aus Holzvergaseranlagen und grünem<br />

Wasserstoff. Dies liefert die Voraussetzung<br />

für die vierte Ausbaustufe, die<br />

2030 erreicht werden soll. Sie umfasst<br />

die nachhaltige Herstellung von synthetischen<br />

Kraftstoffen als auch die katalytische<br />

Spaltung von Kunststoffabfällen zur<br />

Herstellung von Olefinen und Asphalten.<br />

Ein Wandel anderer Art vollzieht sich bei<br />

BMW. Der Autohersteller hat sich das<br />

Ziel gesetzt, den durch die Produktion<br />

verursachten CO 2<br />

-Ausstoß bis 2030 um<br />

80 Prozent bezogen auf das Jahr 2019<br />

zu mindern. Exemplarisch soll dies zunächst<br />

am Standort Leipzig erfolgen. Was<br />

auf dem Weg zum „Grünen Werk“ bislang<br />

erreicht wurde und was geplant ist, erläuterte<br />

Dr. Stefan Fenchel. So fahren<br />

121 Fahrzeuge für die Intralogistik, wie<br />

Gabelstapler und Kleintransporter,<br />

45<br />

Biomischer 12 bis 80m³<br />

für 100% Mist und Grassilage<br />

massive Edelstahlkonstruktion<br />

mit Misch- und Aufbereitungsbereich<br />

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Aktuelles Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />

Dr. Sebastian Kunz, Senior<br />

Manager for Catalysis &<br />

Carbohydrate Chemistry der<br />

Südzucker AG.<br />

Chris Döring, Geschäftsführer<br />

GETEC green energy GmbH.<br />

im Drei-Schicht-System mit Wasserstoff.<br />

Für deren Betankung gibt es auf dem Betriebsgelände<br />

vier Tankstellen.<br />

Auch die fahrerlosen Transportsysteme<br />

im Werk werden beginnend ab Dezember<br />

2021 mit Brennstoffzellenantrieben<br />

ausgerüstet. Durch die Ausstattung mit<br />

Zweistoffbrennern von Saacke ist die<br />

Lackiererei, der energieintensivste Prozessabschnitt<br />

im Fahrzeugbau, ebenfalls<br />

H 2<br />

-ready. Ab Dezember <strong>2022</strong> pendelt ein<br />

wasserstoffangetriebener IVECO-Sattelschlepper<br />

zwischen Leipzig und Nürnberg.<br />

Nachfolgend sollen auch die anderen<br />

300 Schwerlastfahrzeuge, die täglich<br />

als Zubringer die BMW-Werkstore passieren,<br />

CO 2<br />

-frei unterwegs sein. Nach dem<br />

Anschluss der Leipziger Produktionsstätte<br />

an das Mitteldeutsche Wasserstoffnetz<br />

ist die Umstellung weiterer Prozessabläufe<br />

auf den nachhaltigen Energieträger<br />

vorgesehen.<br />

CO 2<br />

aus Ethanolproduktion als<br />

Basis für Synthese<br />

Die Südzucker AG betreibt in Zeitz eine<br />

hocheffiziente Großfermentation, die<br />

aus pflanzlichen Kohlenhydraten sowie<br />

Zwischenstufen der Zucker- und Stärkeherstellung<br />

jährlich 400.000 Kubikmeter<br />

Ethanol und 350.000 t Eiweißfuttermittel<br />

erzeugt. Als Koppelprodukt entstehen<br />

100.000 t verflüssigtes CO 2<br />

für<br />

unterschiedliche Anwendungen, etwa als<br />

Kohlensäure in der Lebensmittelindustrie<br />

oder als Kühlmittel. Künftig will Südzucker<br />

daraus unter Zuführung von Wasserstoff auch<br />

grünes Methanol herstellen. Der Bau einer entsprechenden<br />

Demonstrationsanlage mit angekoppeltem<br />

Elektrolyseur zur Bereitstellung der Synthesekomponente<br />

H 2<br />

auf dem Zeitzer Betriebsareal werde nach<br />

Aussage von Dr. Sebastian Kunz gegenwärtig vorbereitet.<br />

Der Manager sieht vielfältige Vermarktungsmöglichkeiten.<br />

Methanol sei nicht nur eine Basischemikalie<br />

für synthetische Kraftstoffe und andere<br />

Erzeugnisse. Schiffsmotoren ließen sich sogar direkt<br />

auf Methanol umrüsten. Die Containerreederei Maerk<br />

habe kürzlich die Bestellung von 15 methanolfähigen<br />

Schiffen bekanntgegeben.<br />

Um potenzielle Erzeuger und Verbraucher von grünen<br />

Gasen und Basischemikalien in der Region zusammenzubringen,<br />

initiierte Südzucker den H 2<br />

-Hub<br />

Burgenlandkreis. Zu dessen Mitgliedern gehört auch<br />

der Energiepark Zerbst. Auf dem 400 Hektar umfassenden<br />

Areal eines ehemaligen Militärflughafens der<br />

russischen Streitkräfte konzentrieren sich drei Formen<br />

Erneuerbarer Energie in nennenswerter Größenordnung<br />

– ein Windpark, der bis zu 44 MW Strom liefert<br />

[114.200 Megawattstunden pro Jahr (MWh/a)],<br />

eine 108 Hektar große PV-Freiflächenanlage mit einer<br />

Leistung von 46 MW (45.000 MWh/a) und eine<br />

3-MW-Biogasanlage (24.000 MWh/a).<br />

Mit dem Bau einer Elektrolyse zur Erzeugung von<br />

Wasserstoff kommt nun voraussichtlich ab Ende<br />

<strong>2022</strong> ein weiterer grüner Energieträger hinzu. Für<br />

die Stromversorgung des Elektrolyseurs errichtet der<br />

Energieparkbetreiber GETEC green energy laut Chris<br />

Döring sieben zusätzliche Windkraftanlagen mit einer<br />

installierten Leistung von insgesamt 43,4 MW. Dies<br />

ist viermal mehr als für die Aufspaltung von Wasser in<br />

der ersten Phase der Projektrealisierung benötigt wird<br />

und gibt somit Spielraum für einen weiteren Ausbau<br />

46


Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />

Aktuelles<br />

der Produktion von Wasserstoff, der in eine nahegelegene<br />

H 2<br />

-Pipeline eingespeist werden soll.<br />

Region auf umfangreiche H 2<br />

-Importe<br />

angewiesen<br />

Über welche Voraussetzungen verfügt Mitteldeutschland<br />

nach Realisierung der H 2<br />

-Großprojekte, aber<br />

auch der zahlreichen kleineren auf der Konferenz<br />

vorgestellten Vorhaben wie die Umrüstung von Dieselmotoren<br />

in Schienenfahrzeugen auf den Betrieb<br />

mit Methan bzw. Wasserstoff durch die Firma WTZ<br />

Roßlau oder die Entwicklung einer leistungsfähigen<br />

Lastendrohne mit Wasserstoffantrieb durch ein Team<br />

bei HySON in Sonneberg? Dies ist Gegenstand einer<br />

Studie der DBI Gas- und Umwelttechnik, über deren<br />

erste Zwischenergebnisse Gert Müller-Syring auf der<br />

Tagung in Leuna berichtete.<br />

Demnach werden in den zum Cluster gehörenden<br />

Landkreisen in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen<br />

im Prognosejahr 2040 etwa 2,5 Terawattstunden<br />

(TWh) Strom pro Jahr aus Windkraft, PV und Biomasse<br />

zur Verfügung stehen, um damit 0,1 Mio. Kubikmeter<br />

Wasserstoff pro Stunde herzustellen. Gerechnet<br />

werde zu diesem Zeitpunkt allerdings bereits mit<br />

einer H 2<br />

-Nachfrage in der Größenordnung von etwa 1<br />

Mio. m³ pro Stunde, wofür mindestens 20 TWh pro<br />

Jahr an grünem Strom notwendig wären.<br />

Um diese Erzeugerlücke auszugleichen, sei ein Anschluss<br />

an das European Hydrogen Backbone unumgänglich.<br />

In Spitzenlastsituationen müssten voraussichtlich<br />

90 Prozent des regionalen Bedarfs durch<br />

Importe gedeckt werden. Für den Transport des Gases<br />

innerhalb des Betrachtungsgebietes ist laut Studie<br />

eine Erweiterung der H 2<br />

-Infrastruktur um rund 330<br />

Kilometer durch Leitungsneubau und Umwidmung<br />

von Erdgaspipelines erforderlich. Parallel gelte es,<br />

Die Großfermentation in Zeitz produziert jährlich 400.000 m³ Ethanol, 350.000 t<br />

Eiweißfuttermittel und 100.000 t verflüssigtes CO 2<br />

. Das Produktportfolio will die<br />

Südzucker AG jetzt mit der Herstellung von grünem Methanol unter Einsatz von<br />

Wasserstoff erweitern.<br />

in den nächsten Jahren die Erzeugerkapazitäten für<br />

erneuerbaren Strom deutlich zu erweitern.<br />

Den Abschluss der Studie, die dann neben einer finalen<br />

Bewertung der Potenziale auch eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung<br />

enthält, kündigt Müller-Syring<br />

zum Jahresbeginn <strong>2022</strong> an.<br />

Autor<br />

Dipl.-Journ. Wolfgang Rudolph<br />

Freier Journalist ∙ Rudolph Reportagen –<br />

Landwirtschaft, Umwelt, Erneuerbare Energien<br />

Kirchweg 10 · 04651 Bad Lausick<br />

03 43 45/26 90 40<br />

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47


Politik<br />

Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />

„Mehr Fortschritt wagen“ heißt auch:<br />

Mehr Bioenergie wagen!<br />

Der Koalitionsvertrag der geplanten Ampelkoalition mit dem Titel „Mehr<br />

Fortschritt wagen“ liegt vor. Aus Sicht der Biogastechnologie bieten sich<br />

etliche vielversprechende Anknüpfungspunkte. Eine erste Bewertung.<br />

Von Sandra Rostek und Dr. Guido Ehrhardt<br />

Nachdem bereits das Ergebnispapier<br />

der Koalitions-<br />

Sondierungsgespräche recht<br />

vielversprechend klang,<br />

wurde der Koalitionsvertrag<br />

seitens der Erneuerbaren-Branche erst<br />

recht mit erwartungsfroher Spannung erwartet.<br />

Zumal es eher ungewöhnlich ist,<br />

dass man im Vorfeld so wenig, ja eigentlich<br />

fast nichts aus den Verhandlungen<br />

erfahren hatte. Zwar haben wir durchaus<br />

mit Vertretern aller an den Verhandlungen<br />

beteiligten Parteien auch während der<br />

heißen Phase noch Gespräche geführt –<br />

ob dies aber fruchten und tatsächlich<br />

Eingang in den Koalitionsvertrag finden<br />

würde, wussten wir nicht.<br />

Am Mittwoch, den 24. November war es<br />

dann endlich so weit: SPD, Bündnis 90/<br />

Die Grünen und FDP veröffentlichten ihre<br />

Agenda für die kommenden vier Jahre.<br />

Und wie erwartet strotzt der Vertrag von<br />

klima- und umweltpolitischen Maßnahmen.<br />

Journalisten der „Welt“ haben gar<br />

sogleich darauf hingewiesen, dass das<br />

Wort „Klima“ in dem 177 Seiten starken<br />

Dokument häufiger vorkommt als das<br />

Wort „Deutschland“. Auch der Ausbau<br />

der Erneuerbaren Energien soll einen<br />

starken Fokus erfahren. Insgesamt also<br />

eine positive Grundstimmung für die Themen<br />

Klimaschutz und Energiewende, die<br />

wir aus den Koalitionsverträgen der Vorläuferregierungen<br />

der jüngeren Vergangenheit<br />

so nicht herauslesen konnten.<br />

Neue Zukunft für die Bioenergie<br />

versprochen<br />

Uns interessiert aber natürlich zunächst<br />

mal im Kern das Biogas. Nun, wenn es<br />

danach geht, wie häufig ein Wort Verwendung<br />

findet, müssen wir wohl leider festhalten,<br />

dass dieses zumindest auf den<br />

allerersten Blick keine allzu große Rolle<br />

bei den Koalitionsgesprächen gespielt<br />

hat – das Wort „Biogas“ findet sich überhaupt<br />

nicht.<br />

Und auch die „Bioenergie“ taucht nur<br />

einmal auf, dann aber immerhin gleich<br />

mit einem Versprechen und klaren Bekenntnis<br />

zu unserer Technologie: Eine<br />

„neue Zukunft“ soll die Bioenergie haben,<br />

und dafür wollen die Parteien auch<br />

eigens eine Biomasse-Strategie erarbeiten.<br />

Doch mehr als diese zwei Zeilen<br />

finden sich explizit nicht zur Bioenergie,<br />

geschweige denn zu Biogas – es bleibt<br />

abzuwarten beziehungsweise auch als<br />

Branche proaktiv mit Inhalten zu füllen,<br />

wie die angekündigte Strategie für die<br />

Zukunft der Biogasbranche aussehen<br />

kann.<br />

Neben dieser Passage direkt zur Bioenergie<br />

finden sich aber noch jede Menge<br />

weiterer Stellen, in denen es zumindest<br />

indirekt um uns geht, mit denen wir gemeint<br />

sind beziehungsweise die Auswirkungen<br />

auf uns haben könnten.<br />

Gute Aussichten im Strommarkt<br />

Allen voran ist dabei wohl die Zukunftsperspektive,<br />

die unserer Branche im<br />

Strommarkt aufgezeigt wird. Denn es findet<br />

sich im Koalitionsvertrag die Absicht,<br />

mit „neuen oder bestehenden Instrumenten<br />

zügig gesicherte und flexible Leistung<br />

aus erneuerbaren Energien auszubauen“.<br />

Im Kern kann damit natürlich nur das<br />

Biogas gemeint sein. Der Flexibilisierung<br />

von Biogas, insbesondere des Anlagenbestands,<br />

kommt in den kommenden Jahren<br />

daher sicherlich eine wichtige Rolle zu.<br />

Auch sollen die Marktmechanismen<br />

im Strommarkt nochmals überarbeitet<br />

werden („Strommarktdesign“), was<br />

uns vielfältige Chancen bietet, unsere<br />

Alleinstellungsmerkmale der flexiblen<br />

Strombereitstellung, aber auch der Absicherung<br />

der Netze und Abmilderung von<br />

Preisschwankungen in die Diskussion<br />

einzubringen. Die Koalition hat außerdem<br />

angekündigt, den Ausbau der Erneuerbaren<br />

Energien massiv beschleunigen<br />

zu wollen. Statt der bislang geplanten 65<br />

Prozent erneuerbarem Anteil am Bruttostrombedarf<br />

will die Ampel 2030 sogar<br />

schon 80 Prozent Erneuerbare im Stromnetz<br />

erreichen. Und das übrigens auch<br />

noch unter der Annahme eines deutlich<br />

höheren Strombedarfs, als ihn die Große<br />

Koalition für ihre Berechnungen zugrunde<br />

legt. Allein schon aufgrund dieser<br />

ehrgeizigen Ziele ist klar: Die Bioenergie<br />

wird auch weiterhin im Strommarkt gebraucht.<br />

Beseitigung von Hürden und<br />

Hemmnissen<br />

Um diesen ambitionierten Ausbau zu ermöglichen<br />

will die Ampel-Koalition alle<br />

Hürden und Hemmnisse für den Ausbau<br />

Erneuerbarer Energien abschaffen. Nun,<br />

dieses hehre Ziel können wir nur unterstützen<br />

und natürlich auch eine lange<br />

Liste an Hemmnissen und Hürden aufzeigen,<br />

die dem Ausbau der Biogastechnologie<br />

in Deutschland entgegenstehen.<br />

Die Biomasse-Ausschreibungen im EEG<br />

etwa werden gleich durch zwei erst in<br />

Foto: Adobe Stock_Kostas Koufogiorgos<br />

48


Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />

Politik<br />

jüngerer Vergangenheit eingeführte<br />

Hemmnisse massiv unterwandert:<br />

Die endogene Mengensteuerung<br />

sorgt bei Unterzeichnung<br />

des Ausschreibungsvolumens<br />

dafür, dass 20<br />

Prozent der eingereichten<br />

Gebote keinen Zuschlag<br />

erhalten; die Südquote<br />

soll ab <strong>2022</strong> den Ausbau<br />

im Rest des Landes<br />

außerhalb der so<br />

genannten Südregion<br />

eingrenzen.<br />

Es ist offenkundig, dass<br />

diese beiden Maßnahmen<br />

einer Zielerreichung<br />

der Bundesregierung absolut<br />

entgegenstehen und daher<br />

schnellstmöglich abgeschafft<br />

werden müssen. Aber auch außerhalb<br />

des EEG lässt sich die Liste von<br />

Hürden und Hemmnissen leider beliebig<br />

fortsetzen: Praxisferne und überzogene<br />

rechtliche Anforderungen an den Bau und<br />

Betrieb von Biogasanlagen ziehen sich<br />

durch nahezu alle Regelwerke, von der<br />

AwSV über die Düngeverordnung bis zur<br />

TRAS 120. Wir werden nicht müde werden,<br />

all diese Dinge nun wieder auf den<br />

Tisch zu bringen.<br />

Technologieoffenheit auf dem<br />

Vormarsch<br />

Viele Anknüpfungspunkte, insbesondere<br />

in den Bereichen Wärme und Mobilität,<br />

ergeben sich auch mit dem Vorsatz der<br />

Koalitionäre in spe, beim Klimaschutz<br />

stärker auf Technologieoffenheit zu setzen.<br />

Dahinter steckt offensichtlich der<br />

Gedanke, mit der bisherigen Politik zu<br />

brechen, die allzu oft nur auf die Elektrifizierung<br />

von Wärme und Verkehr setzte.<br />

Gerade im Wärme- und Verkehrsbereich<br />

sind die Herausforderungen jedoch so<br />

unterschiedlich, dass man nicht alles mit<br />

einer einzigen Lösung erschlagen wird.<br />

Ländliche Wärmenetze oder die Prozesswärme<br />

in der Industrie etwa bleiben<br />

klassische Anwendungsfelder gerade für<br />

die Biomasse, und der Schwerlastverkehr<br />

wird auch auf lange Sicht unbedingt auf<br />

Biokraftstoffe angewiesen sein.<br />

Insgesamt legt der Koalitionsvertrag Wert<br />

darauf, Synergieeffekte zwischen Klimaschutz,<br />

Energiewende und Umweltschutz<br />

zu betonen und die Artenvielfalt zu stärken.<br />

Und auch hier kann das Biogas seine<br />

Stärken ausspielen: Denn hier sollen<br />

Maßnahmen gemeinsam mit den Flächennutzern<br />

– also auch den Landwirten –<br />

erarbeitet und angemessen finanziert<br />

werden. Und der Anbau von Blühpflanzen<br />

für die Biogaserzeugung ist ja ein<br />

Musterbeispiel, wie Synergien zwischen<br />

Klima- und Umweltschutz genutzt werden<br />

können.<br />

Taten zählen, nicht Worte<br />

Der Koalitionsvertrag liest sich also zunächst<br />

einmal vielversprechend. Dabei<br />

darf man aber auch nicht außer Acht<br />

lassen, dass einige dieser im Grundsatz<br />

positiven Vorhaben auch ihre Kehrseiten<br />

haben könnten: Eine Stärkung der Technologieoffenheit<br />

im EEG, etwa durch gemeinsame<br />

Ausschreibungen verschiedener<br />

Technologien, kann nicht in unserem<br />

Sinne sein, genauso wenig wie zu harte<br />

Einschränkungen beim Einsatz konventioneller<br />

Energiepflanzen.<br />

Doch die große Bandbreite in den neuen<br />

Regierungsfraktionen ist groß und so<br />

können wir davon ausgehen, dass zumindest<br />

SPD und Grüne die Vorteile flexibler<br />

Biogasanlagen im Stromsektor nicht aufgrund<br />

überzogener Technologieoffenheit<br />

verhindern, und zumindest die FDP allzu<br />

harte Anforderungen an den Substrateinsatz<br />

verhindern wird.<br />

Letztlich muss sich die Koalition aber<br />

nicht an den Worten des Koalitionsvertrags<br />

messen lassen, sondern an den Taten.<br />

Autoren<br />

Sandra Rostek<br />

Leiterin des Berliner Büros<br />

im Fachverband Biogas e.V.<br />

Dr. Guido Ehrhardt<br />

Leiter des Referats Politik<br />

im Fachverband Biogas e.V.<br />

030/2 75 81 79-0<br />

berlin@biogas.org<br />

www.biogas.org<br />

biogaskontor.de<br />

Gemeinsam für eine nachhaltige Biogasproduktion!<br />

49


titelthema<br />

Strip-till<br />

Ackerbau im<br />

Streifendesign<br />

Erosionsschutz ist für Georg Mayerhofer eine Herzenssache, aber bei ihm auch unabdingbar<br />

wegen seiner vielen Äcker in Hanglage. Er kombiniert das Strip-Till-Verfahren<br />

mit der Gülleverschlauchung, was ihm 2017 den Titel „Landwirt des Jahres“ einbrachte.<br />

Jetzt steht sein Betrieb vor einer Neuausrichtung: Die Umstellung auf Ökolandbau<br />

verlangt wieder Kreativität und Tüftelarbeit.<br />

Von Christian Dany<br />

Man muss sich manchmal selbst dazu<br />

aufrufen, gelassen zu bleiben und<br />

einen Schritt nach dem andern abzuarbeiten.“<br />

Angesichts der vielen<br />

Neuausrichtungs-Projekte, die er zurzeit<br />

um die Ohren hat, hält Georg Mayerhofer kurz<br />

inne: 2019 hat er den Betrieb seiner Biogasanlage<br />

flexibilisiert und <strong>2022</strong> wechselt er nun nach erfolgreicher<br />

Ausschreibung in die zweite Vergütungsperiode.<br />

Außerdem soll dieses Jahr sein gesamter Betrieb<br />

Fotos: Mayerhofer<br />

50


Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />

praxis / Titel<br />

Georg Mayerhofer auf<br />

einem seine Felder,<br />

auf denen der Mais<br />

im Strip-till-Verfahren<br />

wächst.<br />

auf Ökolandbau umgestellt werden. In<br />

diesem Zuge ist die Zukunft eines Betriebszweiges<br />

aber noch ungeklärt: die<br />

der Schweinemast. „Die afrikanische<br />

Schweinepest hängt wie ein ‚Damoklesschwert‘<br />

über der Schweinehaltung“,<br />

sagt Mayerhofer, und da sollten Großinvestitionen<br />

in neue Mastplätze auf Stroh<br />

wohl überlegt sein.<br />

Damit es ihm zwischendurch nicht langweilig<br />

wird, macht der 41-Jährige zurzeit<br />

auch noch einen „Haustausch“: Während<br />

seine Eltern bald in sein neueres Wohnhaus<br />

ziehen, wird er nach der Generalsanierung<br />

mit der fünfköpfigen Familie ins<br />

größere Elternhaus ziehen. Mayerhofer<br />

ist der „fünfte Georg“ auf dem Hof. Dass<br />

der älteste seiner drei Söhne auch Georg<br />

heißt, versteht sich da von selbst.<br />

Wer die Mayerhofers in Parschalling im<br />

Landkreis Passau besuchen will, muss in<br />

eine buckelige Welt vordringen: Während<br />

es in Österreich eine Gegend gibt, die<br />

tatsächlich so heißt, wird der Landstrich<br />

hier auch die „Toskana Niederbayerns“<br />

genannt, weil das Tertiärhügelland hier<br />

besonders hügelig und strukturreich ist.<br />

Das kleine Dorf Parschalling liegt im kleinen<br />

Tal der Wolfach. Die Böden sind lehmig<br />

mit 45 bis 65 Bodenpunkten.<br />

2018 hat Mayerhofer den Hof von seinem<br />

Vater übernommen – mit einem<br />

klassischen Landwirtschaftsbetrieb bestehend<br />

aus Ackerbau, Schweinemast<br />

und Biogasanlage. Heute bewirtschaftet<br />

der Agraringenieur über 300 Hektar<br />

(ha) Ackerland und 18 ha Grünland. Die<br />

Schweinemast umfasst 1.450 Mastplätze.<br />

Neben Mayerhofer senior und junior<br />

arbeiten noch ein Mitarbeiter und ein<br />

Lehrling auf dem Betrieb. Der Junior hat<br />

sich in der Landwirtschaft schon einen<br />

Namen gemacht: Er gehört dem „Team<br />

Agrar 2030“ an, das mit Kampagnen in<br />

sozialen Netzwerken die Öffentlichkeit<br />

und Politiker aufrütteln will.<br />

Landwirt des Jahres 2017<br />

Bekannt geworden ist die Gruppe durch<br />

einen offenen Brief an die Bundeslandwirtschaftsministerin<br />

Julia Klöckner zur<br />

Düngeverordnung. Aktuell läuft die Kampagne<br />

„#rettesichwerkann – jeder für sich<br />

& doch gemeinsam“ auf Instagram. 2017<br />

wurde Mayerhofer im Rahmen des Ceres<br />

Awards zum Landwirt des Jahres gewählt.<br />

„Dass unter den vielen starken Berufskollegen<br />

letztlich ich gewählt wurde, lag an<br />

dem Strip-Till-Verfahren“, meint er. Die<br />

Besonderheit bei dem Niederbayern ist,<br />

dass er dieses mit der bodenschonenden<br />

Gülleverschlauchung kombiniert: In einem<br />

Arbeitsgang werden Saatbettstreifen<br />

und in diese Streifen gleich ein „Gülleband“<br />

abgelegt.<br />

Kennzeichen des Strip-Till-Verfahrens<br />

ist die nur streifenweise Bearbeitung des<br />

Bodens. Das ermöglicht bei Reihenkulturen<br />

wie Mais, Raps und Soja, dass die<br />

Bodenbearbeitung auf eine Maßnahme<br />

reduziert wird, was zu einer Diesel- und<br />

damit Kostenersparnis führt. Der Erosionsschutz<br />

und der Wassergehalt im Oberboden<br />

verbessern sich durch die Strohoder<br />

Mulchauflage in den unbearbeiteten<br />

Bereichen.<br />

60 Prozent der Fläche im<br />

Erosionskataster<br />

„Ich wollte Erosionsschutz und Gärrestausbringung<br />

miteinander kombinieren“,<br />

erzählt Mayerhofer. Mehr als 60 Prozent<br />

seiner Flächen sind im Erosionskataster als<br />

erosionsgefährdete Hanglage eingestuft.<br />

Im hängigen Gelände hatte er zuvor den<br />

Mais mit Direktsaat ausgebracht und dann<br />

nur mineralisch gedüngt. Den Gärdünger,<br />

den er eigentlich optimal verwerten wollte,<br />

fuhr er nur auf die flacheren Felder.<br />

Auf der Suche nach Kompromiss- und<br />

Kombinationslösungen fand der Ingenieur<br />

zur Streifentechnik. 2016 lieh er sich<br />

einen „Striger“ aus, das Strip-Till-Gerät<br />

Gülleband unter<br />

bereits aufgelaufener<br />

Maisreihe.<br />

des Herstellers Kuhn. Kurz danach kam<br />

das verheerende Hochwasser, das in Simbach<br />

zur Katastrophe führte und bei dem<br />

auch im Wolfachtal „alles abgesoffen“<br />

sei. Es habe sich gezeigt, dass mit der<br />

Streifentechnik der Boden gut zurückgehalten<br />

werde. Daraufhin schaffte er einen<br />

achtreihigen Striger und ein Gülleverteilsystem<br />

an. Ein Mitarbeiter einer Landtechnikfirma<br />

half ihm, die Kombination<br />

mit der Verschlauchung zu entwickeln<br />

und anzufertigen.<br />

Direkt am Gerät erklärt Mayerhofer nacheinander<br />

die einzelnen Werkzeuge des Strigers:<br />

zuerst eine Scheibe, der in der Höhe<br />

bewegliche Sternklutenräumer und dann<br />

ein Grubberzinken, hinter dem die Gülle<br />

über ein Ablaufrohr direkt eingearbeitet<br />

wird. „Zwei Scheiben an der Seite halten<br />

den Streifen zusammen. Sie sorgen dafür,<br />

dass der Boden nicht so weit ausreißt. Am<br />

Schluss haben wir für jeden Streifen einen<br />

Krümler. Er soll das Erdreich fein krümeln.<br />

Die Gülle wird 12 bis 15 Zentimeter<br />

tief eingearbeitet, sodass nichts davon an<br />

der Oberfläche bleibt. Immer nach absterbender<br />

Winter-Zwischenfrucht fahren wir<br />

mit dem Strip-Tiller rein. Wir ziehen den<br />

Schlauch beim Fahren hinter uns her. Ein<br />

Durchflussmengenzähler zählt die ausgebrachten<br />

Kubikmeter pro Stunde. Über<br />

die Fahrgeschwindigkeit auf dem Feld<br />

wird die Ausbringmenge gesteuert.“<br />

Hightech und Logistik gefordert<br />

Während der Gülleschlauch mit dem<br />

Schleppschuhverteiler noch über-<br />

51


praxis / Titel<br />

Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />

Die Gülle beziehungsweise der Gärdünger<br />

wird bei Mayerhofer auch im<br />

Strip-till-Verfahren mit dem Gülleverschlauchungssystem<br />

ausgebracht.<br />

fahren werden kann, geht das mit dem Strip-Tiller<br />

nicht. Weil das Gerät schwerer ist, würde es den<br />

Schlauch beschädigen. „Ich muss überlegen, wie<br />

ich den Schlauch auslege. Er muss immer auf der<br />

Seite liegen, wo man nicht mehr hinfährt“, ergänzt<br />

Mayerhofer. Besonders beim Wenden am Feldende<br />

müsse man aufpassen, weil der Schlauch bis dahin<br />

ein enormes Gewicht habe.<br />

Eine Woche später werde dann Mais drauf gesät.<br />

Während des Gülle-Strip-Till-Einsatzes müsse er ein<br />

Trackingsystem mitlaufen lassen. Mithilfe des RTK-<br />

GPS-Systems finde er dann bei der Maissaat bis auf<br />

2,5 Zentimeter genau die Güllestreifen wieder. „Wir<br />

arbeiten mit dem John-Deere-Operation-Center“, so<br />

der Landwirt. Von Vorteil bei diesem Betriebsdaten-<br />

System seien die Schnittstelle zur Ackerschlagdatei<br />

und vor allem die Kommunikation mit dem Handy:<br />

„So kann ich direkt auf dem Schlepper Daten eingeben<br />

und bearbeiten.“<br />

Das Gülleverschlauchungs-System von Perwolf aus<br />

Österreich in Verbindung mit einem Schleppschuhverteiler<br />

hatte Mayerhofer zuvor schon im Einsatz. „Die<br />

Güllepumpe am Feldrand kann vom Schlepper aus<br />

ferngesteuert werden“, erläutert er. Als Reservoir dienen<br />

ein 30 m³ Gärdünger fassender Feldrandcontainer<br />

oder Güllebehälter in der Feldflur. Der Niederbayer<br />

wendet das Gülle-Strip-Till-System auf rund 70 ha an.<br />

„Es hat sich gezeigt, dass es super funktioniert. Im<br />

bearbeiteten Streifen findet eine Auflockerung statt.<br />

Hier haben wir eine größere Nährstoffverfügbarkeit<br />

und der Boden erwärmt sich stärker. Das bringt Vorteile<br />

bei der Keimung und Jugendentwicklung. Man<br />

sieht, die Wurzeln wachsen in das Gülleband rein. Ich<br />

dünge der Pflanze quasi ‚direkt ins Maul‘.“<br />

52


Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />

praxis / Titel<br />

Streifen bieten<br />

Erosionsschutz<br />

Für seine Ansprüche sei es das<br />

beste System: „Die Streifen<br />

quer zum Hang sind ein idealer<br />

Erosionsschutz. Wir haben keine<br />

Ammoniakemissionen und<br />

mit einer Ausbringleistung bis<br />

zu 150 m³/h ist es sehr schlagkräftig.“<br />

Mayerhofer ist stolz<br />

auf sein Verfahren, „weil das<br />

sonst keiner so macht“. Aber<br />

das System sei komplex. Man<br />

müsse dahinter sein, betont er.<br />

Die Planung und Vorbereitung<br />

der Logistik seien sehr aufwendig.<br />

Außerdem müssten zum<br />

Beispiel die Schläuche nach<br />

jedem Einsatz ausgeblasen und<br />

im Winter gewartet werden.<br />

Der Striger arbeitet ohne<br />

Probleme in der abgestorbenen<br />

Zwischenfrucht.<br />

Zwischen den Reihen<br />

verbleibt Biomasse als<br />

Mulchschicht.<br />

Von Nachteil ist jedoch, dass Altverunkrautung, nicht<br />

abgefrorene Zwischenfrüchte und das Ausfallgetreide<br />

vor der Maissaat meistens mit Glyphosat abgetötet<br />

werden müssen. Als künftiger Öko-Landwirt braucht<br />

Mayerhofer hier nun eine andere Lösung. Er hofft, das<br />

mit flacher Bodenbearbeitung in den Griff zu kriegen.<br />

Welches Gerät genau hier ackerbaulich und betriebswirtschaftlich<br />

am besten ist – darüber ist er sich noch<br />

nicht ganz im Klaren.<br />

Im Zuge der Öko-Umstellung stehen aber ohnehin<br />

noch weitere Veränderungen an: „Wir vollziehen bei<br />

Mais, Raps und Soja einen Wechsel des Reihenabstands<br />

von 75 auf 50 Zentimeter“, verrät er. Erst war<br />

er noch skeptisch über die Fortführung des Gülle-<br />

Strip-Tills unter Öko-Bedingungen. Doch jetzt ist er<br />

entschlossen, auch den Strip-Tiller auf den kleineren<br />

Reihenabstand umzubauen.<br />

Betriebsspiegel<br />

Georg Mayerhofer<br />

Geographische Lage: Bayer. Tertiärhügelland,<br />

Höhe NN: 350 m<br />

Betriebliche Ausrichtung: Ackerbau, Schweinemast,<br />

Fleischrinder und Biogasanlage<br />

Betriebsgröße: 358 ha<br />

Bodenart: +/– sandige Lehme, 45-65 Bodenpunkte<br />

Bodennutzung: 340 ha Ackerbau, 18 ha Grünland<br />

(Mähwiesen)<br />

Einzelne Betriebsteile: Ackerbau<br />

Tierhaltung: Zukunft der Schweinemast ungewiss,<br />

Wagyu-Fleischrinder, zurzeit 18 Tiere<br />

Biogasanlage Mayerhofer und Nagl GbR:<br />

1.160 kW el<br />

installierte Leistung,<br />

Bemessungsleistung, 536 kW el<br />

, Substrate:<br />

NawaRo und landwirtschaftliche Reststoffe<br />

Familie: Betriebsleiter Georg Mayerhofer (41 Jahre),<br />

Ehefrau Katrin, Söhne Georg, Felix und Laurenz<br />

Arbeitskräfte: 1 AK Betriebsleiter, 1 AK Georg senior, 1<br />

AK Mitarbeiter, 0,7 AK Lehrling<br />

www.mayerhofer-agrar.com<br />

53


praxis / Titel<br />

Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />

Spricht der Neu-Ökobauer<br />

über seine Beweggründe<br />

zur Umstellung, verwendet<br />

er einen Begriff, den<br />

man auch missverstehen<br />

könnte: „Mit dem<br />

‚Schweine-System’ wird<br />

es immer schwieriger. Da<br />

gehen wir raus. Ich hab<br />

jahrelang versucht, nachhaltigen<br />

Ackerbau zu betreiben.<br />

Aber ich bekomme keinen<br />

Preis dafür.“ Außerdem habe er<br />

an der „Initiative Tierwohl“ teilgenommen.<br />

Letztlich würden höhere Aufwendungen<br />

am Markt für konventionelles Schweinefleisch<br />

aber nicht honoriert. Derzeit hat Mayerhofer noch<br />

500 Schweine im Stall, die er auch noch abstocken<br />

will. Danach müsse die Entscheidung fallen, ob der<br />

Stall umgebaut und in die Ökoschweine-Haltung investiert<br />

werde.<br />

„Eigentlich liebäugeln wir schon einige Jahre mit<br />

dem Ökolandbau.“ Verhindert hat eine frühere Umstellung<br />

aber der Güllebonus in der Biogas-Stromvergütung.<br />

Den wollte Mayerhofer nicht aufgeben<br />

und ohne die Schweinegülle aus den Vollspaltenböden<br />

würde er ihn nicht bekommen. Die von seinem<br />

Vater gebaute Biogasanlage ist 2002 ans Netz<br />

gegangen. Damals war der Junior erst 22 und studierte<br />

Landwirtschaft an der Fachhochschule Weihenstephan.<br />

In der Anlage wurden erst nur Abfälle<br />

verwertet. 2004 erfolgte die Umstellung auf nachwachsende<br />

Rohstoffe.<br />

Mayerhofer betreibt die Biogasanlage mit seinem<br />

Partner Johann Nagl in einer GbR. 2019 haben die<br />

Partner in die Flexibilisierung des Anlagenbetriebs<br />

„Manche Bauern<br />

meinen, wir tauschen die<br />

Spritze gegen die Hacke und<br />

dann geht’s einfach weiter.<br />

Das ist aber ein<br />

Trugschluss.“<br />

Georg Mayerhofer<br />

investiert. Die Anlage wurde<br />

um ein Container-BHKW<br />

auf 1.160 Kilowatt (kW)<br />

installierte elektrische<br />

Leistung erweitert. Die<br />

Bemessungsleistung<br />

liegt bei 536 kWel. Weil<br />

sie die Flexprämie schon<br />

seit zwei Jahren bekommen,<br />

sei bei ihnen der Flexzuschlag<br />

in der zweiten Periode<br />

gesichert.<br />

Aus Solidarität mit Betreiberkollegen<br />

hat sich Mayerhofer dennoch einer<br />

Sammelklage angeschlossen. Wegen der Ein-<br />

Prozent-Degression „frühestmöglich“, wie er betont,<br />

nahmen die GbR-Partner 2019 mit dem Höchstgebot<br />

von 16,56 Cent pro Kilowattstunde an einer Ausschreibung<br />

teil. Nach 36 Monaten wird die Anlage<br />

ab 1. Oktober <strong>2022</strong> in die zweite Vergütungsperiode<br />

wechseln. Weil es dann keinen Güllebonus mehr<br />

gebe, sei auch der Weg für die Öko-Umstellung frei.<br />

Die Hälfte der Fläche gehört bei Mayerhofer zum<br />

Marktfrucht-Bereich, und da zählt er auf die Unterstützung<br />

des Verbands bei der Vermarktung. Er hat<br />

sich dem Naturland-Verband angeschlossen. Dieser<br />

verlangt, dass in die Biogasanlage maximal 30 Prozent<br />

pflanzliche Ware von konventionellen Betrieben<br />

eingebracht werden. Mayerhofer meint, das passe mit<br />

dem Anteil seines Partners Johann Nagl zusammen,<br />

der dann weiterhin konventionell bleiben könne.<br />

Außerdem gefalle ihm, dass der Naturland-Verband<br />

ein gutes System der Einnahmenverteilung zwischen<br />

Ferkelerzeuger und Mäster habe.<br />

Die Umstellungsphase hat bereits begonnen: Landsberger<br />

Gemenge baut Mayerhofer schon länger an.<br />

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Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />

praxis / Titel<br />

Letztes Jahr hat er auch das Kleegras auf insgesamt<br />

40 ha ausgeweitet. „Wir gehen ein bissl weg vom<br />

Mais“, sagt er. Nachdem er früher schon mal 60 Prozent<br />

Maisanteil hatte, sind es jetzt 19 Prozent. „Das<br />

Hacken geht aber nicht an jedem Hang“, macht er<br />

auf neue Herausforderungen aufmerksam: „Manche<br />

Bauern meinen, wir tauschen die Spritze gegen die<br />

Hacke und dann geht’s einfach weiter. Das ist aber<br />

ein Trugschluss. Wir haben alle 128 Schläge mit dem<br />

Operation Center in hackfähig und nicht hackfähig<br />

eingeteilt.“<br />

Um das Erosionsproblem „an der Wurzel zu packen“,<br />

plant er, 15 Meter breite Streifen aus Wickroggen<br />

mit einer Leguminosen-Gräser-Untersaat quer zum<br />

Hang anzulegen. Die Streifen machen insgesamt 12<br />

ha aus. „Der Wickroggen wird im Juni/Juli gehäckselt<br />

und der Streifen dann noch zweimal mit dem Kleegras<br />

gemäht. Dann breche ich den Streifen um für<br />

Getreide“, erklärt er.<br />

Während zum Erosionsschutz auch seine 9 ha Durchwachsene<br />

Silphie als Dauerkultur beitragen, gehören<br />

zur Öko-Neuausrichtung künftig auch Wagyu-Rinder.<br />

Gerade erst hat Mayerhofer angefangen, eine Herde<br />

mit den Fleischrindern aufzubauen. „Ich will den Betrieb<br />

so entwickeln, dass ich ein gutes Gefühl habe“,<br />

proklamiert der engagierte Landwirt. So wie er den<br />

Betrieb jetzt aufstelle, brauche er – ganz gemäß der<br />

Kampagne des Teams Agrar 2030 – keine Angst mehr<br />

zu haben, „dass mir die Agrarpolitik permanent eine<br />

vor den Latz haut.“<br />

Er rechnet mit einem Glyphosat-Verbot ab 2023.<br />

„Wenn dann auch noch ein ‚nationaler Aktionsplan<br />

Pflanzenschutz‘ kommt, für den jedes Kilo Pflanzenschutzmittel<br />

behördlich gemeldet werden muss, bin<br />

ich froh, aus dem System auszusteigen.“ Als künftiger<br />

Ökolandwirt sollen eine Dauerbegrünung mit<br />

Zwischenfrüchten, Kleegras und weite Fruchtfolgen<br />

zum Standard werden. „Auch Untersaaten, Flächenrotte<br />

und Mischfruchtanbau werden für uns interessant“,<br />

sagt Mayerhofer, „wir entwickeln uns da rein.“<br />

Der Ackerbau biete noch viel Potenzial. Zwar sehe<br />

er mehr davon im Ökolandbau, doch es werde auch<br />

anspruchsvoller, etwa bei den Wetterbedingungen:<br />

„Pflanzenschutzmittel haben ein breites Einsatzfenster.<br />

Das hab ich dann nicht mehr.“<br />

Autor<br />

Christian Dany<br />

Freier Journalist<br />

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Display des Trackingsystems:<br />

Zu erkennen<br />

sind die Schlaggrenze<br />

oben (rosa), die<br />

dafür angelegte<br />

Lenksystemspur und<br />

die Schlagbedeckung<br />

(blau).<br />

55


titelthema<br />

Strip-till<br />

Perfekt<br />

positionierte<br />

Gärreste<br />

Stickstoffe aus Wirtschaftsdüngern optimal auszunutzen,<br />

ist das Gebot der Stunde. Neue Ausbringungstechnik macht<br />

dies möglich, wie das oft gut ausfallende Feedback bei den<br />

Anwendern zeigt.<br />

Von Dierk Jensen<br />

Wieso das Strip-Till-Gerät vom Hersteller<br />

Volmer „Culex“ heißt, weiß der<br />

Teufel. Denn Culex ist der lateinische<br />

Name für Mücke und da sind die Assoziationen<br />

eigentlich doch nicht so<br />

positiv. Aber egal, das Gerät, das zugleich zwei Güllebänder<br />

in verschiedenen Tiefen ablegen kann, erweist<br />

sich in der Gülleausbringungspraxis bei vielen Landwirten<br />

und Lohnunternehmen als zukunftsweisende<br />

Innovation.<br />

„Das ist Technik für Profis der Minimalbodenbearbeitung“,<br />

meint beispielsweise Hannes Kuhnwald,<br />

Landwirt aus Friedland in Vorpommern. Schon seit<br />

über 20 Jahren wird auf seinem 1.000-Hektar-Ackerbaubetrieb<br />

mit Biogasanlage ohne Pflug gearbeitet.<br />

Und seit letztem Frühjahr setzt der beliebte Agrar-<br />

Influencer, der bei YouTube regelmäßig Filmbeiträge<br />

über Landtechnik und Co. produziert und weit über<br />

100.000 Follower zählt, auch eine Culex mit einer<br />

Arbeitsbreite von 6 Metern ein.<br />

Er zeigt sich nach der ersten Saison voll zufrieden.<br />

„Unsere Maiserträge waren super. Das ist für mich die<br />

Zukunft der Gülle oder Gärreste-Ausbringung“, lobt<br />

Kuhnwald die Vorteile der Ausbringung von Unterfußund<br />

Unterflurdüngung in zwei genau definierten Bändern<br />

im Ackerboden – und das in einem Arbeitsgang.<br />

„Wir sparen uns das zeitaufwändige Grubbern und<br />

wir erzielen eine wesentlich höhere Effizienz bei der<br />

Stickstoffausnutzung“, argumentiert der 32-jährige<br />

Kuhnwald.<br />

Gülleband als Notreserve in<br />

trockenen Zeiten<br />

Und er fügt erklärend hinzu: „Unsere Kulturen erhalten<br />

neben der Unterfußdüngung durch die zweite<br />

Gülleablage in 22 Zentimeter Tiefe an unserem ohnehin<br />

schon sehr trockenen Standort von nur etwa<br />

450 Millimeter Jahresniederschlag und bei unseren<br />

sandigen Böden in Zeiten besonders langer trockener<br />

Perioden eine Notreserve, die in manchen Fällen<br />

Gold wert sein kann.“<br />

Rund 35.000 Tonnen Gülle, Festmist und Gärdünger<br />

fahren Kuhnwald und seine Mitarbeiter jährlich auf<br />

die gesamte Ackerfläche aus. Rund 11.000 Tonnen<br />

Fotos: Volmer<br />

56


Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />

praxis / Titel<br />

12-reihiger Culex in Stoppelland.<br />

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Sechs Meter Culex mit 50 Zentimetern Reihenabstand<br />

und angehobener Transportachse.<br />

Gärdünger kommen aus der eigenen 600-kW-Biogasanlage, den<br />

Rest bezieht er vom benachbarten Rinderbetrieb. Mit seinem<br />

Strip-Till-Gerät, das durch die Eigenschaften der eingesetzten<br />

Parabelschare den Boden vorteilhaft lockere, hat der Landwirt in<br />

der ersten Saison 420 Hektar bearbeitet, davon 360 Hektar Mais<br />

und 60 Hektar Sonnenblumen.<br />

So hat er am Ende mit dem Gerät, das mit einem Reihenabstand<br />

von 50 Zentimeter anstatt des Standards von 75 Zentimeter<br />

als teurere Spezialanfertigung bei Volmer bestellt wurde, rund<br />

14.000 Tonnen Gülle respektive Gärreste ausgebracht. Wenngleich<br />

noch hier und da Optimierungen an Scharen, Verteilerkopf<br />

etc. vorgenommen worden sind, ist sein Fazit ganz klar: „Das<br />

Ding hat Zukunft.“<br />

Strip-till spart Mineraldünger<br />

Auch rund 400 Kilometer weiter westlich, genauer gesagt in Bersenbrück,<br />

bekommt Strip-Till-Technologie von Volmer ein gutes<br />

Feedback. „Es ist ja ganz klar, weshalb ich diese Form<br />

57<br />

Höhere Substratausnutzung<br />

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praxis / Titel<br />

Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />

Der Culex von der Seite: vorne am Gerät gut zu erkennen das Scheibensech, das den Boden aufschlitzt. Dahinter<br />

arbeiten zwei v-förmig angeordnete Sternradscheibenräder, die aufliegendes Pflanzenmaterial zur Seite räumen.<br />

Dahinter folgt das Parabelschar mit den beiden Gülledosierrohren. Zum Schluss rollen die Druckräder zur Rückverfestigung<br />

des Bodens.<br />

Sechs Meter Culex (achtreihig)<br />

in abgestorbene Winterzwischenfrucht.<br />

der Ausbringung gewählt habe“, bekennt Rolf Sandbrink,<br />

Landwirt von 500 Hektar Acker und Betreiber<br />

mehrerer Biogasanlagen. „Kunstdünger ist teuer und<br />

wird in Zukunft noch teurer, dagegen habe ich mit<br />

einer genauen Unterfußdüngung eine hocheffiziente<br />

Ausnutzung der Stickstoffe aus dem Wirtschaftsdünger.<br />

Mit dem Ergebnis, dass ich dann nur noch ganz<br />

wenig Mineraldünger für meinen Mais brauche“, sagt<br />

Sandbrink und verrät, dass er mehr und mehr von Berufskollegen<br />

in der Umgebung angefragt wird, ob er<br />

nicht sein Strip-Till-Gerät mit einer Arbeitsbreite von<br />

6 Metern, das schon eine Zugmaschine mit 360 PS<br />

Leistung erfordert, in Lohnarbeit auf deren Flächen<br />

einsetzen will.<br />

Obgleich Sandbrink von Methodik und Technik der<br />

Culex überzeugt ist, mahnt er jedoch beim Einsatz<br />

auf schwereren, leicht verschlämmenden Böden zu<br />

einer gewissen Vorsicht. Dies aus eigener Erfahrung.<br />

„Wir haben das Strip-Till-Verfahren mal angewandt<br />

und dann kamen in der Nacht nach dem Maislegen<br />

104 Millimeter Liter Niederschlag pro Quadratmeter<br />

herab und das Regenwasser floss in die Ritzen, so<br />

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Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />

praxis / Titel<br />

dass die Pflanzen regelrecht abgesoffen sind. Eine<br />

Katastrophe.“ Auch warnt er besonders bei schweren<br />

Böden und zugleich sehr kalten Witterungsbedingungen<br />

im Frühjahr vor einem voreiligem Einsatz, weil<br />

aus seiner Sicht die kalte Witterung beim unbewegten<br />

Boden niedrige Temperaturen zur Folge haben,<br />

bei denen eine untere Gülleablageschicht nur zögerlich<br />

von der Kulturpflanze erschlossen werden kann.<br />

Ein Phänomen, was aber nach Sandbrinks Meinung<br />

bei sandigen und überhaupt leichteren Böden nicht<br />

zu befürchten ist.<br />

Strip-Till-Anwendung bei Kartoffeln hätte er sich<br />

dagegen sehr gewünscht, doch sei der Culex auf gepflügtem<br />

Land, das anschließend gefräst und gehäufelt<br />

werde, nicht wirklich passend. Die Ergebnisse<br />

waren nicht die, die man sich eigentlich erhofft hatte.<br />

Denn die Güllebänder in 27 Zentimeter und in 16<br />

Zentimeter Tiefe unterhalb der Kartoffeln ergaben<br />

zwar am Ende einen etwas höheren Ertrag, aber eine<br />

geringere Anzahl an Erdäpfeln, was kontraproduktiv<br />

für die Verwertung zu Chips-<br />

Kartoffeln ist, weil dafür kleinere<br />

„Dieses<br />

Exemplare erforderlich sind.<br />

Trotz mancher Bedenken und<br />

eventuellen bodenbedingten<br />

Einschränkungen besteht jedoch<br />

generell kaum Zweifel:<br />

Im Zuge der Klimaschutzauflagen<br />

und auch der neuen<br />

Düngeverordnung kommt die<br />

(konventionelle) Landwirtschaft<br />

nicht daran vorbei, mit<br />

Thomas Fehmer<br />

ihren Ressourcen so effizient wie<br />

irgend möglich umzugehen. Folgerichtig<br />

erleben innovative Hersteller wie<br />

Volmer derzeit vor allem von großen Betrieben<br />

eine hohe Nachfrage nach neuen Gülleausbringungstechniken<br />

wie eben mit ihrem Culex.<br />

Den im Übrigen auch viele große Lohnunternehmer,<br />

ob nun Otto Hamester im nordwestmecklenburgischen<br />

Eichsen Mühlen oder Burkhard Mayer<br />

in Schneverdingen, bei ihren landwirtschaftlichen<br />

Kunden oder auch Biogasunternehmen mit großem<br />

Erfolg einsetzen. Insgesamt hat Volmer von diesem<br />

Gerät mittlerweile 120 Exemplare, davon rund zehn<br />

im Ausland, verkauft. „Die Nachfrage ist ziemlich<br />

groß“, freut sich denn auch der Produktmana-<br />

Verfahren ermöglicht<br />

eine Effizienzsteigerung<br />

bei der Stickstoffausnutzung in<br />

der Gülle von derzeit rund<br />

60 Prozent auf 80 Prozent“<br />

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59


praxis / Titel<br />

Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />

Hier im Bild zu sehen der Culex ohne Sternradräumscheiben.<br />

Blick in den Boden: Sehr gut zu erkennen sind die beiden abgelegten Güllebänder.<br />

ger Thomas Fehmer vom westfälischen Hersteller aus<br />

Hörstel-Riesenbeck über große Resonanz an dieser<br />

Technik.<br />

Entscheidend sei bei dem Strip-Till-Konzept die exakte<br />

Ausbringung in Streifen. „Dieses Verfahren ermöglicht<br />

eine Effizienzsteigerung bei der Stickstoffausnutzung<br />

in der Gülle von derzeit rund 60 Prozent<br />

auf 80 Prozent“, unterstreicht Fehmer. Diese Optimierung<br />

sei genau das, so Fehmer weiter, was im<br />

Sinne des Schutzes von Ressourcen, Gewässern und<br />

Klima gegenwärtig gesellschaftlich von der Landwirtschaft<br />

eingefordert wird und obendrein für Landwirte<br />

auch noch mineralische Düngerkosten sparen hilft.<br />

Ganz abgesehen von diesen Aspekten heben viele<br />

Landwirte in Zeiten extremer Witterungsbedingungen<br />

die Vorzüge der Feuchtigkeitsreserve durch eine Ablage<br />

der Gülle in tiefere Bodenregionen immer wieder<br />

hervor. Es ist ein Garant in besonders langen Trockenphasen,<br />

in denen der Boden auszutrocknen drohe.<br />

Dass das Thema der Bodenfeuchtigkeit mittlerweile<br />

auch die Wissenschaft beschäftigt, beweist auch das<br />

von der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung<br />

(BLE) betreute Projekt „SOFI“ (Smart Soil Information<br />

for Farmers), bei dem Methoden entwickelt<br />

werden sollen, die es Landwirten ermöglichen, ad hoc<br />

die Feuchtegehalte ihrer Böden in Erfahrung zu bringen.<br />

Danach haben sie Infos, um standortspezifisch<br />

die richtigen ackerbaulichen Maßnahmen planen<br />

Culex an einem angehängten<br />

Schlauchhaspelwagen von Agrometer.<br />

So kann flüssiger Wirtschaftsdünger<br />

auch schlagkräftig mit Verschlauchungstechnik<br />

im Strip-till-System<br />

ausgebracht werden.<br />

60


Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />

praxis / Titel<br />

„Der Mais ist top,<br />

die Stärkewerte liegen um<br />

10 Prozent höher und<br />

die Energiedichte ist<br />

entsprechend erhöht“<br />

Dirk Neven<br />

zu können. Obgleich das vielleicht noch<br />

etwas arg viel Zukunftsmusik ist, zeugen<br />

aber doch auch Beiträge auf Kommunikationsportalen<br />

wie www.klim.eco, das<br />

Themen einer klimapositiven, regenerativen<br />

Landwirtschaft aufgreift, welchen<br />

Stellenwert dieser Bereich schon heute<br />

bei Praktikern hat. In einem Beitrag auf<br />

der Klim-Website schreibt ein Landwirt:<br />

„Moin. Ich habe auf meinem Betrieb relativ<br />

leichte Sandböden und denke über<br />

eine möglichst geringe Bodenbearbeitung<br />

für den Kartoffelanbau nach. Mein<br />

Plan ist es, nach einer abfrierenden Zwischenfrucht<br />

eine Flache Bodenbearbeitung<br />

zu machen und danach mit einem<br />

Strip-Till-Gerät mit 75er Reihe Gülle<br />

einzuarbeiten. Danach kommt dann<br />

nur noch die Pflanzmaschine, bei<br />

der ein Kreiselgrubber vorwegläuft,<br />

um die Erde für den Dammaufbau<br />

zu lockern ... Ich erhoffe<br />

mir dadurch eine bessere Wurzelentwicklung<br />

in die Tiefe und am<br />

Ende eine bessere Trockentoleranz<br />

... Wer hat von Euch damit Erfahrung<br />

oder Einwände, wieso das nicht funktionieren<br />

könnte?“.<br />

Seit sechs Jahren pfluglos<br />

Dirk Neven aus Pattensen könnte als<br />

Kartoffel anbauender Kollege sicherlich<br />

auch manche guten Tipps gebrauchen.<br />

Der niedersächsische Landwirt baut neben<br />

Getreide und Zuckerrüben auf seinen<br />

leichten Böden nämlich auch Kartoffeln<br />

an. Der Landwirt mit 300 Hektar Acker<br />

und einer Bullenmast von 400 Tieren,<br />

die in einem neuen Tierwohl-Tretmiststall<br />

gehalten werden, ist zugleich auch Biogasanlagenbetreiber<br />

mit einer Gesamtleistung<br />

von einem Megawatt.<br />

Vor sechs Jahren hat er sich vom Pflug<br />

endgültig verabschiedet. Schon vor der<br />

pfluglosen Ära hatte er seine Gärreste<br />

mit einer Kombination aus Güllefass<br />

und Grubber direkt eingearbeitet, um die<br />

Nährstoffverluste zu minimieren. Ebenso<br />

ist ein unbedeckter Acker bei ihm nicht<br />

mehr anzutreffen. Auf seinen Flächen,<br />

die zur Hälfte in Gewässerschutzgebieten<br />

liegen, spielen daher Zwischenfrüchte<br />

schon lange eine wichtige Rolle.<br />

So sät er im Frühjahr in die Maisstoppeln<br />

ein Grassaatengemisch aus und auf<br />

den Flächen, wo er Zuckerrüben, die er<br />

zu einem großen Teil auch in die eigene<br />

Biogasanlage befördert, und Kartoffeln<br />

geerntet hat, sät er Grünroggen ein, den<br />

er im Mai des Nachfolgejahres für die Biogasproduktion<br />

erntet. „Und genau an dieser<br />

Stelle kommt dann der Strip-Till von<br />

Volmer zum Einsatz. In die Stoppel wird<br />

der Gärrest optimal positioniert abgelegt<br />

und direkt danach legen wir den Mais“,<br />

erklärt Neven.<br />

Seit zwei Jahren macht er es so und der<br />

52-Jährige kommt fast ins Schwärmen.<br />

„Der Mais ist top, die Stärkewerte liegen<br />

um 10 Prozent höher und die Energiedichte<br />

ist entsprechend erhöht“, freut<br />

sich Neven. Noch setzt er den Culex nur<br />

beim Mais ein, aber vielleicht wird er das<br />

Gerät auch in Zukunft im Zuckerrübenanbau<br />

und bei den Kartoffeln ausprobieren,<br />

dafür bräuchte er allerdings einen<br />

anderen Reihenabstand als beim Mais.<br />

Nämlich nur 50 Zentimeter, also solche<br />

Abstände, die Kuhnwald aus Vorpommern<br />

schon jetzt als Spezialanfertigung im Einsatz<br />

hat.<br />

Denn wie in Vorpommern ist der Mineraldüngereinsatz<br />

bei Neven auf ein Minimum<br />

reduziert worden; und wer weiß,<br />

vielleicht wird er schon in baldiger Zukunft<br />

schon ganz bei null landen. Nicht<br />

zuletzt auch wegen einer Technik à la<br />

Volmer, die zwar mächtig viel Zugkraft<br />

in Anspruch nimmt, aber punktgenau<br />

den wertvollen Wirtschaftsdünger für die<br />

hungrigen Kulturpflanzen bereitstellt.<br />

Erstaunlich eigentlich nur, dass es so<br />

lange gedauert hat, dass die Landtechnik-Branche<br />

die Philosophie einer Ressourcen<br />

schonenden und damit letztlich<br />

auch klimaschützenden Ausbringung von<br />

Wirtschaftsdüngern erst jetzt so gänzlich<br />

in marktreife Produkte umsetzt. Gut Ding<br />

will aber offenbar Weile haben.<br />

Autor<br />

Dierk Jensen<br />

Freier Journalist<br />

Bundesstr. 76 · 20144 Hamburg<br />

040/40 18 68 89<br />

dierk.jensen@gmx.de<br />

www.dierkjensen.de<br />

61


titelthema<br />

Strip-till<br />

Lohnunternehmer Henke<br />

praktiziert die Strip-till-Gülledüngung<br />

mit zwei Geräten<br />

aus dem Hause Vogelsang.<br />

Hier in einen abgeernteten<br />

Ackergrasbestand. So wird<br />

nur ein minimaler Teil des<br />

Bodens bearbeitet.<br />

Immer der<br />

Reihe nach<br />

„Die Ablagetiefe<br />

der Maiskörner<br />

muss stimmen“<br />

Jörg Henke<br />

Im Strip-till-System wird der Boden nicht<br />

ganzflächig, sondern nur streifenweise in<br />

bestimmten Reihenabständen gelockert. In<br />

den Reihen wird der Boden bis zu 25 Zentimeter<br />

tief gelockert und die Gülle beziehungsweise<br />

der Gärdünger etwa 12 bis 15<br />

Zentimeter tief in einem „Band“ abgelegt.<br />

Je nach Verfahren und Reihenabstand wird<br />

der Zwischenraum mitgelockert oder gar<br />

nicht bewegt. Ein Verfahren mit Vorteilen,<br />

wenn einiges beachtet wird.<br />

Von Dipl.-Ing. agr. (FH) Martin Bensmann<br />

Jörg Henke betreibt in Wagenfeld-Ströhen<br />

südlich von Diepholz ein landtechnisches<br />

Lohnunternehmen mit 30 Mitarbeitern. Zu<br />

seinem Dienstleistungsangebot gehört unter<br />

anderem die Ausbringung flüssiger Wirtschaftsdünger<br />

wie Gülle und Gärreste zu Mais mit<br />

dem sogenannten Strip-till-System. Die wesentlichen<br />

Vorteile des Strip-till-Systems sind: „Wir reduzieren<br />

Geruchsemissionen und Ammoniakverluste, weil<br />

wir die flüssigen Wirtschaftsdünger in den Boden<br />

einbringen. Im Vergleich zum Pflügen oder ganzflächigen<br />

Grubbern verhindern wir die Verdunstung von<br />

Bodenwasser. Wir sind sehr schlagkräftig und praktizieren<br />

sozusagen eine Art Direkt- oder Mulchsaat – je<br />

nach Vorfrucht. Dadurch vermeiden wir auf den<br />

bei uns verbreiteten sandigen Böden mit<br />

25er bis 30er Ackerzahlen die Winderosion“,<br />

erläutert Jörg Henke.<br />

Und die Strip-till-Profis unter den<br />

Landwirten könnten sogar auf mineralischen<br />

Unterfußdünger zu Mais<br />

ganz verzichten, was den Geldbeutel<br />

schone. Wie der Agrardienstleister<br />

berichtet, hat er in 2011 das<br />

erste Strip-till-Gerät angeschafft. Es<br />

war das Modell Striger aus dem Hause<br />

Kuhn, das einige Jahre im Einsatz<br />

war. In 2014 investierte er in den ersten<br />

XTill von der Firma Vogelsang. Davon verrichten<br />

aktuell zwei Geräte, die hinter selbstfahrenden<br />

Gülletankwagen von Vredo in der Dreipunkthydraulik<br />

angebaut sind, ihre Arbeit.<br />

Die 450 PS starken Selbstfahrer wurden 2015 und<br />

2019 angeschafft. Sie haben zwei Achsen. Die Räder<br />

an der Hinterachse lassen sich hydraulisch so verstellen,<br />

dass die hinteren Reifen nicht in der Spur<br />

der vorderen Reifen rollen, sondern daneben. Man<br />

spricht dabei auch vom sogenannten Hundegangfahren.<br />

Der Druck in den Reifen wird auf dem Feld auf<br />

0,8 bar herabgesenkt. Die Hundeganglenkung und<br />

der niedrige Reifendruck reduzieren den Bodendruck<br />

und damit Schadverdichtungen. So sind laut Jörg<br />

Henke beim Mais weder in den Spuren noch auf dem<br />

Vorgewende Wuchsdepressionen zu sehen.<br />

Der flüssige Wirtschaftsdünger wird mit Transportfahrzeugen<br />

zum Feldrand gebracht und an die<br />

Selbstfahrer übergeben. Wenn alles reibungslos<br />

funktioniert, können über 1.000 Kubikmeter Gülle<br />

oder Gärdünger pro Tag ausgebracht werden. Die Arbeitsgeschwindigkeit<br />

liegt bei 10 bis 13 km/h. „Wir<br />

Fotos: Lohnunternehmen Henke<br />

62


Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />

praxis / Titel<br />

Lohnunternehmer Jörg Henke bietet seit 2011 die<br />

Gülledüngung im Strip-till-Verfahren an. Er sagt,<br />

dass die Kunden von diesem Düngungssystem<br />

eine Idee haben müssen, sie müssten sich damit<br />

identifizieren.<br />

haben eine um 15 Prozent höher Schlagkraft mit<br />

den Selbstfahrern, als wenn wir mit einem schleppergezogenen<br />

Fasssystem arbeiten. Wir schaffen<br />

im Durchschnitt 3 Hektar pro Stunde. Die Reihen/<br />

Spuren werden satellitengestützt nach RTK-Signal<br />

gezogen, aufgezeichnet und auf die Maislegefahrzeuge<br />

übertragen. Die Ablagetiefe der Maiskörner muss<br />

stimmen. Sie ist wichtiger als die Ablageweite in der<br />

Reihe. In unserer Kundschaft legen wird den Mais<br />

mit 7 bis 9 Körnern pro Quadratmeter“, macht der<br />

Agrardienstleister aufmerksam.<br />

Jörg Henke betont, dass die Kunden von diesem<br />

Düngungssystem eine Idee haben müssen, sie müssten<br />

sich damit identifizieren. Er selbst ist von dieser<br />

Technik nach wie vor überzeugt und gewinnt jedes<br />

Jahr neue Kunden hinzu. Das XTill-Gerät von Vogelsang<br />

fährt Henke mit 75 Zentimeter Reihenabstand<br />

(8 Reihen, 6 Meter Arbeitsbreite, klappbar) und setzt<br />

es somit auch nur zur Maisdüngung im Frühjahr ein.<br />

Die fertige Strip-till-Spur hat an der Bodenoberfläche<br />

eine Breite von nur 3 bis 5 Zentimeter. Die ideale<br />

Vorfrucht sei eine über den Winter abgefrorene Zwischenfrucht.<br />

Wenn der Boden tragfähig ist, könne<br />

man auch direkt ohne vorherige Bodenbearbeitung<br />

in die abgestorbene Zwischenfrucht fahren. Eine vorherige<br />

flache Einarbeitung der Pflanzenmasse stelle<br />

aber auch kein Problem dar.<br />

Bei einigen Kunden muss Henke die Strip-till-Reihen<br />

nach der Ernte von Grünroggen oder Ackergras<br />

ziehen. Was ursprünglich als Notmaßnahme durchgeführt<br />

worden ist, hat sich inzwischen als gängige<br />

Praxismaßnahme bewährt. Denn so wird das wenige<br />

Bodenwasser, das Grünroggen und Ackergras als<br />

Starkzehrer hinterlassen haben, geschützt und steht<br />

den Maispflanzen zur Verfügung. Das Pflügen des Bodens<br />

wäre hier kontraproduktiv.<br />

Bei Henke beginnt die Strip-till-Saison Mitte März –<br />

jedoch erst, wenn die Böden gut befahrbar sind. 25<br />

Emissionsarme Güllereihendüngung direkt<br />

in den Boden im zeitigen Frühjahr.<br />

bis 30 Kubikmeter Gülle oder Gärdünger werden pro<br />

Hektar ausgebracht. Anfang Juni nach der Grünroggenernte<br />

geht die Strip-till-Saison zu Ende. Ab Mitte<br />

April beginnt dann die Maisaussaat. Dabei ist darauf<br />

zu achten, dass der Boden in der Strip-till-Reihe gut<br />

abgetrocknet ist. Das ist umso wichtiger, je näher die<br />

Maisaussaat an die Strip-till-Arbeit herankommt.<br />

Maiswurzeln wachsen ins Düngerdepot<br />

„Auf den Böden in unserer Region warten wir mindestens<br />

zwei Tage, bis wir den Mais in die Strip-till-<br />

Reihe legen. Wir legen den Mais 6 Zentimeter unter<br />

der Bodenoberfläche ab und die Gülle beziehungsweise<br />

den Gärdünger weitere 6 Zentimeter tiefer, also<br />

12 Zentimeter unter der Bodenoberfläche. Wir haben<br />

festgestellt, dass die Maiswurzeln in das Düngerdepot<br />

wachsen und sich daraus bis zur Abreifephase<br />

ernähren“, berichtet Jörg Henke.<br />

Salzschäden an den Keimwurzeln können entstehen,<br />

wenn das Maiskorn zu tief und das Gülleband<br />

zu flach abgelegt worden ist. Salzschäden an den<br />

Keimwurzeln können aber auch entstehen, wenn bei<br />

einem flach abgelegten Gülleband von zum Beispiel<br />

8 Zentimetern zu viel Wirtschaftsdünger ausgebracht<br />

wird. Es kommt auf jeden Zentimeter und auf die<br />

Güllemenge an. Manche Kunden setzen sogenannte<br />

Nitrifikationshemmer in der Gülle ein. Dadurch verzögert<br />

sich die Umwandlung von Ammoniumstickstoff<br />

(NH 4<br />

-N) zu Nitrat und Nitrit.<br />

Der Stickstoff kann von den Pflanzen so effizienter<br />

ausgenutzt werden. NH 4<br />

-N-ernährte Maispflanzen<br />

bilden besonders viele Feinwurzeln aus, wodurch<br />

die Ackerkrume insgesamt besser erschlossen wird.<br />

Anstelle von chemischen Nitrifikationshemmern<br />

könnte auch Kieserit in die Gülle oder ins Gülleband<br />

eindosiert werden. Dabei entsteht Magnesium-Ammonium-Phosphat,<br />

besser bekannt als Struvit, siehe<br />

Biogas Journal 1_2021 ab Seite 34.<br />

Einer von Jörg Henkes Kunden baut Mais beispielsweise<br />

mehrere Jahre nacheinander an. Nach der Ernte<br />

werden die Stoppeln durch Mulchen eingekürzt<br />

63


praxis / Titel<br />

Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />

Detailaufnahme des Strip-till-Körpers am XTill von Vogelsang. Links befindet sich<br />

die Schneidscheibe mit Stützrolle, die den Boden aufschneidet. Dahinter sind<br />

die beiden v-förmig angeordneten Sternradräumer montiert. Danach folgt das<br />

Düngerschar, das links und rechts von je einem gezahnten und v-förmig angebrachten<br />

Scheibenschar flankiert wird. Zum Schluss folgen die v-förmig eingestellten<br />

Andruckrollen, die den Boden rückverfestigen.<br />

und die Fläche wird im Herbst begrünt. Im nächsten<br />

Jahr wird die Strip-till-Reihe dann um 15 Zentimeter<br />

versetzt. Jörg Henke weist auch darauf hin, dass<br />

der Strip-till-Mais im Frühjahr Wachstumsnachteile<br />

gegenüber Pflug-Mais aufweist, da sich die Strip-till-<br />

Flächen schlechter erwärmen. Der Pflug-Mais keime<br />

schneller und Laufe eine Woche früher auf.<br />

Mikrogranulat in Saatreihe, wenn kein<br />

Unterfußdünger zum Einsatz kommt<br />

Wer auf Unterfußdünger verzichtet, sollte ein Mikrogranulat<br />

mit Nährstoffen in der Saatrille in der Nähe<br />

des Saatkorns ablegen, um eine gute Jugendentwicklung<br />

der Maispflanze zu unterstützen. Im weiteren<br />

Vegetationsverlauf hole der Strip-till-Mais aber den<br />

Rückstand wieder auf. Auf rund 1.400 Hektar setzt<br />

Lohnunternehmer Henke das Strip-till-Verfahren zu<br />

Mais um. In der Region gebe es auch sogenannte anmoorige<br />

Flächen. Die seien im Herbst, wenn sie im<br />

Frühjahr gepflügt worden sind, nicht mehr befahrbar.<br />

Im Strip-till bearbeitete Flächen seien dagegen tragfähig.<br />

Das XTill-Gerät ist wie folgt aufgebaut: Es besitzt einen<br />

Grundrahmen mit Dreipunktankopplung. Obendrauf<br />

befindet sich der Gülleexaktverteiler DosMat DMX.<br />

Vom Exaktverteiler gehen zwei Kunststoffschläuche<br />

zu jedem Düngerschar. Den ersten Baukörper stellt<br />

ein Scheibensech dar, das eine Art Druckrolle besitzt,<br />

die die Tiefenführung steuert. Das Sech schneidet in<br />

den Boden und durchtrennt dabei Pflanzenreste und<br />

Aufwuchs, sodass die Bearbeitungszone durch die<br />

nachfolgenden Werkzeuge einfacher und sauberer<br />

bearbeitet werden kann.<br />

Nach dem Scheibensech folgt der zweite Baukörper.<br />

Dabei handelt es sich um Sternräder, die v-<br />

förmig angeordnet sind. Sie sollen Pflanzenmaterial<br />

aus der Reihe räumen. Mit etwas Abstand<br />

dahinter greift dann das Lockerungs- und<br />

Düngeschar in den Boden. Es ist links und<br />

rechts von je einer nach außen gewölbten,<br />

gezahnten Hohlscheibe flankiert. Sie halten<br />

den Boden in der Bearbeitungszone und formen<br />

einen krümeligen Damm. Sie sind in verschiedenen<br />

Ebenen zum Zinken einstellbar.<br />

Das Lockerungs- und Düngeschar lockert den<br />

Boden in der gewünschten Tiefe auf. Gleichzeitig<br />

wird dahinter die Gülle über ein in der Höhe<br />

einstellbares Ablaufrohr im Boden im Depot abgelegt.<br />

Dieses Segment ist in Parallelogrammbauweise<br />

am Rahmen montiert. Die hydraulische Steinsicherung<br />

sorgt dafür, dass die Schare bei Überlast<br />

nach oben ausweichen können. Sie ist stufenlos einstellbar.<br />

Den vierten Baukörper stellen die Andruckrollen<br />

dar. Sie befinden sich am Ende eines jeden<br />

XTill-Aggregats. Die Rollen stehen v-förmig zueinander<br />

und sorgen für die Rückverfestigung des Bodens<br />

in der Reihe. Mit dem Modell XTill Vario Crop bietet<br />

Vogelsang ein Gerät mit Reihenabständen von 45 bis<br />

75 Zentimetern an. Weitere Infos unter https://www.<br />

vogelsang.info/de/produkte/ausbringtechnik/bodenbearbeitungsgeraete/xtill/<br />

Strip-till-Gerät aus den Niederlanden<br />

Dieter Terörde, Lohnunternehmer aus Milte im Kreis<br />

Warendorf (NRW), bietet mittlerweile auch seit 10<br />

Jahren die Gülle- und Gärdüngerausbringung mit<br />

dem Strip-till-System an. Er verfolgt dabei aber einen<br />

etwas anderen Weg. Zudem stammt das Striptill-Gerät<br />

von der Firma Evers aus den Niederlanden.<br />

Mittlerweile ist es das dritte Gerät von dem Hersteller.<br />

Dies hat er in Eigenregie an mehreren Stellen für<br />

seine Bedürfnisse optimiert – später dazu mehr. Die<br />

Vorgänger sind nicht mehr im Betrieb vorhanden, sodass<br />

er mit einem Gerät die Kundenanfragen bedient.<br />

Die Kundschaft war es auch, die bei ihm damals diese<br />

Dienstleistung angefragt hat. „Im ersten Jahr, das war<br />

2011, hatten wir uns von der Firma Kotte einen Kuhn<br />

Striger geliehen, der hinter einem Gülletankwagen<br />

in der Dreipunkthydraulik montiert war. In dem Jahr<br />

haben wir etwa 60 Hektar damit auf diese Weise gedüngt.<br />

Schnell traten die Anfangsprobleme auf, wie<br />

zum Beispiel zu schwach motorisierte Schlepper vor<br />

dem Fass oder zu viel Güllemenge, die ausgebracht<br />

wurde, und auch mit der Arbeitsqualität insgesamt<br />

waren wir nicht zufrieden“, blickt der Lohnunternehmer<br />

zurück.<br />

Foto: Vogelsang GmbH<br />

64


Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />

Etwas später in 2011 war Dieter Terörde<br />

beruflich in den Niederlanden unterwegs.<br />

Dort sah er auf einem Feld während des<br />

Vorbeifahrens ein Evers-Strip-till-Gerät<br />

in Aktion. Das schaute er sich bei der<br />

praktischen Arbeit genauer an. Die Arbeitsqualität<br />

hatte ihn sofort überzeugt.<br />

Er organisierte dann, dass ein Gerät nach<br />

Milte zu ihm in den Betrieb kommt, um<br />

es genauer testen zu können. „Wir haben<br />

das an ein 18.000-Liter-Güllefass<br />

angehängt und einen 230-PS-Schlepper<br />

davor gespannt. Auch auf unseren sandigen<br />

Böden mit Ackerzahlen zwischen 18<br />

und 25 hat die Arbeitsqualität gestimmt,<br />

sodass wir das Gerät kurzerhand gekauft<br />

haben“, erinnert sich Terörde.<br />

Flache Ablage des Güllebandes<br />

Heute zieht der Unternehmer, der auch<br />

eine Landmaschinenwerkstatt betreibt<br />

und als Händler der Marke Case Schlepper<br />

verkauft, auf etwa 500 Hektar die<br />

Spuren, um den flüssigen Wirtschaftsdünger<br />

im Boden abzulegen. Das Gerät<br />

hat acht Reihen mit 75 Zentimeter Reihenabstand<br />

und ist klappbar. Der Boden<br />

wird in der Spur etwa 25 Zentimeter tief<br />

Lohnunternehmer Dieter Terörde hat das Strip-till-Gerät von Evers<br />

teilweise umgebaut und somit auf seine Bedürfnisse angepasst.<br />

gelockert. Das Gülleband wird mit 7 bis<br />

8 Zentimetern unter der Bodenoberfläche<br />

relativ flach im Boden abgelegt. Der<br />

Gülletankwagen, an den das Evers-Gerät<br />

angekoppelt wird, hat extra eine Druckerhöhungspumpe<br />

erhalten. Die sorgt dafür,<br />

dass mehr Menge pro Zeiteinheit aus dem<br />

Gerät herauskommt und dass auch dickere<br />

Gülle gleichmäßiger appliziert werden<br />

kann.<br />

„Strip-till machen wir entweder direkt in<br />

eine abgefrorene Winterzwischenfrucht<br />

oder nach einer flachen Bearbeitung des<br />

Bodens mit einer Scheibenegge oder<br />

nach einem tieferen Grubberstrich und<br />

sogar in gepflügten Boden. In gepflügtem<br />

Boden sind es jährlich 50 bis 60 Hektar.<br />

Wir fahren bewusst nicht schneller als 7<br />

bis 8 km/h. Wenn wir schneller fahren,<br />

läuft das Gerät unruhiger und die Ablagegenauigkeit<br />

nimmt ab. Außerdem nimmt<br />

bei höherer Fahrgeschwindigkeit der Materialverschleiß<br />

an der Maschine deutlich<br />

zu“, betont der Praktiker.<br />

Die Kunden liefern mit eigenen oder von<br />

Terörde geliehenen Transportfahrzeugen<br />

die Gülle oder die Gärreste an. Entweder<br />

wird direkt an das Ausbringfahrzeug übergeben<br />

oder in einen Feldrandcontainer<br />

gepumpt, der<br />

als Pufferspeicher dient. Der<br />

Mais wird entweder mit einer<br />

fünfreihigen Maschine gelegt,<br />

die an eine Kreiselegge<br />

montiert ist, oder mit einer<br />

achtreihigen Maschine ohne<br />

Kreiseleggenkombination.<br />

Mit der Kreiseleggen-Kombination<br />

werden nicht alle<br />

Strip-till-Flächen bearbeitet.<br />

Die Maiskörner werden 5<br />

Zentimeter unter der Bodenoberfläche<br />

platziert. Der Abstand<br />

zwischen Maiskörnern<br />

und Gülleband beträgt somit<br />

lediglich 3 Zentimeter. Frühestens<br />

acht Tage nach der<br />

Stripp-till-Bearbeitung wird<br />

der Mais in die Spur abgelegt.<br />

„Die Kreiselegge arbeitet<br />

so tief, dass das Gülleband<br />

Foto: Martin Bensmann<br />

leicht von oben angekratzt<br />

wird. Gülle und Boden vermischen<br />

sich dabei etwas.<br />

Dadurch verhindern wir<br />

das Entstehen von<br />

praxis / Titel<br />

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flüssige<br />

Spurenelemente<br />

der neuesten<br />

Generation<br />

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basierte Dosierung<br />

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Biogasprozess<br />

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Streifenweise<br />

Gülledüngung zu<br />

Mais. Hier das<br />

achtreihige Gerät von<br />

Evers beim Lohnunternehmen<br />

Terörde hinter<br />

einem 18.000-Liter-<br />

Tankwagen.<br />

Ätzschäden an den Keimwurzeln der Maispflanzen“,<br />

schildert Terörde seine Erfahrung mit dieser Verfahrensweise.<br />

Je näher das Gülleband am Maiskorn liege,<br />

umso besser sei die Ertragsbildung.<br />

Strip-till-Gerät in Eigenregie modifiziert<br />

Das Strip-till-Gerät von Evers ist wie folgt aufgebaut:<br />

Es besitzt einen sehr stabilen, klappbaren Rahmen<br />

aus massiven Vierkant-Profilrohren. Daran sind die<br />

Stripp-till-Aggregate und die Dreipunkt-Aufnahme<br />

befestigt. Obendrauf befindet sich die Dosiereinheit<br />

für die Gülle mit dem Verteilerkopf von Vogelsang.<br />

Vom Verteilerkopf führt je ein Schlauch mit 60 Millimeter<br />

Durchmesser zum Düngerschar. Den Übergang<br />

vom Schlauch zum Rohr am Düngerschar hat Dieter<br />

Terörde optimiert. Der Schlauch wird in das Rohr geschoben<br />

und abgedichtet und wird nicht mehr außen<br />

über das Rohr gestülpt. So können auch dickere<br />

Substrate wie Rindergülle ausgebracht werden, ohne<br />

dass es am Übergang zwischen Schlauch und Rohr<br />

zur Brückenbildung und eventuellen Verstopfungen<br />

kommt. Jeder Strip-till-Körper besitzt an dem Gerät<br />

bei Terörde vorne eine Wellscheibe mit gut 600 Millimeter<br />

Durchmesser, die als Scheibensech den Boden<br />

aufschlitzt und so vorbereitet. „Wir haben die Wellscheibe<br />

montiert, weil wir beim Bearbeiten von zum<br />

Beispiel Ackergrasflächen so das Zurückklappen der<br />

Grasnarbe in den Schlitz verhindern. Vom Hersteller<br />

sind ursprünglich glatte Schreiben verbaut“, verrät<br />

Dieter Terörde.<br />

Ein Stück dahinter befinden sich Räumkörper. Ebenfalls<br />

eine Eigenanfertigung von dem pfiffigen Unternehmer.<br />

Dabei handelt es sich um v-förmig angeordnete,<br />

gezahnte Scheibenschare, die von einer Seite<br />

geschärft sind. Der Lohnunternehmer weist darauf<br />

hin, dass die angeschärfte Seite der Scheibe immer<br />

nach innen zum V zeigen muss, weil sonst das Freiräumen<br />

der Spur nicht gut funktioniert. Auch zwei<br />

Fotos: Evers<br />

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66<br />

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Die T-RUBBER wurden speziell zur Bodenbearbeitung<br />

mit gleichzeitiger Gülleausbringung<br />

entwickelt. Das am Scheibenarm<br />

befestigte Rohr positioniert den Dünger<br />

optimal in der Bodenrille.<br />

Die Gülle wird durch die Nachbarscheibe<br />

zu 100% abgedeckt.


Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />

praxis / Titel<br />

der vier Stützräder hat Dieter Terörde anders positioniert.<br />

Ursprünglich liefen die vier Stützräder zwischen<br />

den Strip-till-Aggregaten. Dabei kam es aber<br />

immer wieder zu Verstopfungen. So hat er kurzerhand<br />

zwei Stützräder vor dem Hauptrahmen angeschweißt<br />

und damit das Verstopfungsproblem gelöst.<br />

Hinter den Räumscharen ist dann das Dünger- beziehungsweise<br />

Bodenlockerungsschar in Parallelogrammaufhängung<br />

verbaut. Auch hier ist wie beim<br />

Vogelsang XTill links und rechts vom Düngerschar je<br />

eine nach außen gewölbte und gezahnte Hohlscheibe<br />

montiert. Die halten den Boden in der Bearbeitungszone<br />

und formen einen krümeligen Damm. Dieser<br />

rund 21 Zentimeter breite Damm wird von einer speziell<br />

geformten Nachlaufrolle/-walze weiter modelliert,<br />

die aus kleinen Metallstäben besteht. Sie hat<br />

die Form einer auf die Seite gelegten Eieruhr.<br />

Überarbeitete Version seit letztem<br />

Sommer verfügbar<br />

Im Sommer 2021 hat Evers eine überarbeitete Version<br />

des Quarter Strip-till-Injektors vorgestellt. Vorteil<br />

laut Evers ist, dass die neue Version aufgrund ihrer<br />

montierbaren Anhängung hinter noch mehr Tanks<br />

montiert werden kann. Durch das geringere Gewicht<br />

könne dieser Quarter auch hinter leichteren Tanks<br />

eingesetzt werden. Die Gewichtsreduzierung betrage<br />

etwa 300 Kilogramm (kg). So wiege der neue Quarter<br />

(Version mit 8 Reihen) nur noch 3.000 kg. Neu<br />

sei auch, dass die Elemente hydraulisch aufgehängt<br />

sind, was die Bodenanpassung verbessern soll. Evers<br />

wirbt auch mit verbesserter Gebrauchstauglichkeit,<br />

da die Elemente leichter einstellbar sind. Ob sich<br />

das Strip-till-Verfahren weiter verbreiten wird im Maisanbau<br />

oder als Dünge- und Bestellsystem in anderen<br />

Ackerkulturen, ist offen. Teilweise werden heute schon<br />

Zuckerrüben mit 45 Zentimeter oder Winterraps mit<br />

50 Zentimeter Reihenabstand realisiert. Vor dem Hintergrund<br />

steigender Mineraldüngerpreise sowie Düngerestriktionen<br />

wird dem flüssigen Wirtschaftsdünger<br />

mit emissionsarmer Ausbringung mehr Wertschätzung<br />

gegeben werden müssen. Wenn in diesem Düngesystem<br />

eine höhere Nährstoffausnutzung des flüssigen<br />

Wirtschaftsdüngers in Ansatz gebracht werden kann,<br />

dann entlastet das andere Betriebsflächen.<br />

Autor<br />

Dipl.-Ing. agr. (FH) Martin Bensmann<br />

Redakteur Biogas Journal<br />

Fachverband Biogas e.V.<br />

0 54 09/90 69 426<br />

martin.bensmann@biogas.org<br />

Strip-till-Gerät<br />

Quarter von Evers.<br />

Hier wird die Gülle<br />

zu Mais in Streifen<br />

in eine abgestorbene<br />

Zwischenfrucht<br />

direkt in den Boden<br />

eingebracht.<br />

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Hohendölzschener Str. 1a<br />

01187 Dresden<br />

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titelthema<br />

Strip-till<br />

MAP-Fällung bei der mineralischen<br />

Unterfuß- und Depotdüngung von<br />

Gülle oder Gärresten<br />

Die Novellierung der Düngeverordnung hat<br />

Restriktionen für den Einsatz stickstoff- und<br />

phosphorhaltiger Düngemittel mit sich gebracht.<br />

Auch unter dem Aspekt gestiegener<br />

Nährstoffkosten ist es daher angezeigt, insbesondere<br />

diese Düngemittel der bestmöglichen<br />

Verwertungseffizienz zuzuführen.<br />

Von M.Sc. agr. Christoph Weidemann<br />

Ein etabliertes Mittel zur Effizienzverbesserung<br />

bei der Düngung stellt mittlerweile in<br />

vielen Kulturen die Unterfußdüngung von<br />

mineralischen Düngemitteln oder auch die<br />

Depotdüngung von flüssigen organischen<br />

Wirtschaftsdüngern dar. Vor allem zu Mais lässt sich<br />

eine Unterfußdüngung mit stickstoff- und phosphorhaltigen<br />

Düngemitteln nicht mehr wegdenken. Sowohl<br />

die Förderung der Jugendentwicklung als auch<br />

die positiven Auswirkungen auf Ertrag und Qualität<br />

sind in zahlreichen Feldversuchen nachgewiesen<br />

worden. Ebenso hat sich die Depotdüngung von Gülle<br />

oder Gärresten gegenüber der Breitverteilung in den<br />

Abbildung 1: Struvit-Bildung bei Kombination von DAP und ESTA ® Kieserit<br />

gran. im 1:1-Verhaltnis unter Einfluss von Feuchtigkeit<br />

Diese Reaktion<br />

kommt so auch im<br />

Bodendüngerband<br />

zustande.<br />

letzten Jahren im Versuchswesen und auch in der<br />

Praxis als deutlich vorteilhafter herausgestellt. Für<br />

beide Verfahrensweisen gibt es aber dennoch Stellschrauben,<br />

an denen zur Stickstoff- und Phosphor-<br />

Effizienzverbesserung gedreht werden kann.<br />

Verbesserte Stickstoff- und Phosphor-<br />

Effizienz durch gezielte Ausfällung von<br />

MAP (Struvit):<br />

1. In der mineralischen Unterfußdüngung<br />

Eine wissenschaftliche Arbeit, die am Institut für<br />

Pflanzenernährung und Bodenkunde der Christian-<br />

Albrechts-Universität zu Kiel durchgeführt worden<br />

ist, hat gezeigt, dass sich bei der Kombination der<br />

Düngemittel Diammonphosphat (18 % N; 46 % P 2<br />

O 5<br />

)<br />

und ESTA ® Kieserit gran. (25 % wasserlösliches MgO<br />

+ 20 % wasserlöslicher S) im 1:1-Verhältnis unter<br />

Einfluss von Feuchtigkeit ein sogenanntes Struvit bildet<br />

(siehe Abbildung 1).<br />

Dabei ist der unmittelbare Kontakt der beiden Düngemittel<br />

im Düngerband nicht zwingend erforderlich.<br />

Struvit entsteht auch, wenn schon 1-prozentige Lösungen<br />

der beiden Düngemittel zusammentreffen.<br />

Das Struvit ist ein Magnesium-Ammonium-Phosphat<br />

(MAP), das den effizienzverbessernden Vorteil beinhaltet,<br />

dass der Stickstoff aus dem DAP als Ammonium<br />

gebunden und vor zu schneller Nitrifikation<br />

sowie Auswaschungsverlusten geschützt wird. Des<br />

Weiteren besitzt das Phosphat aus dem DAP in der<br />

neuen Struvit-Verbindung keine Affinität mehr zum<br />

Calcium, sodass es besonders auf Böden mit hohem<br />

pH-Wert als auch auf frisch gekalkten Böden keinen<br />

Alterungsprozessen unterliegt.<br />

Die in der Struvit-Verbindung enthaltenen Nährstoffe<br />

(Stickstoff, Phosphor und Magnesium) bleiben dabei<br />

vollständig pflanzenverfügbar und stehen der Pflanze<br />

vor allem in der Jugendentwicklung über einen längeren<br />

Zeitraum zur Verfügung. Auch für die chemisch<br />

vergleichbaren Struvit-Formen aus Klär- und Wasserwerken<br />

konnte der wissenschaftliche Nachweis erbracht<br />

werden, dass zwar die Wasserlöslichkeit des<br />

Struvit im Vergleich zu aufgeschlossenen P-Düngemitteln<br />

gen null strebt, jedoch ihre Zitronensäurelöslichkeit<br />

und damit ihre Pflanzenverfügbarkeit über<br />

Wurzelexsudate gleichauf mit Triplesuperphosphat<br />

und sogar leicht besser im Vergleich zu Superphosphat<br />

ist. Dies resultiert dann auch in einer besseren<br />

Foto: K+S Analytik- und Forschungszentrum Unterbreizbach<br />

Kombination von DAP und ESTA® Kieserit gran. im 1:1-Verhaltnis unter Einfluss von Feuchtigkeit. Diese Reaktion kommt so auch im<br />

68<br />

to: K+S Analytik- und Forschungszentrum, Unterbreizbach).


Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />

praxis / Titel<br />

Abbildung 2: Vergleich von verschiedenen P-Düngerformen [Apatit, Superphosphat, Triplesuperphosphat,<br />

Struvit (ex Wasserwerk Berlin), Struvit (ex. Klärwerk Heilbronn)] in Bezug auf<br />

P-Gehalt, P-Wasser- und P-Zitronensäurelöslichkeit sowie der P-Aufnahme von 21 Tage alten<br />

Roggenkeimpflanzen<br />

120<br />

100<br />

80<br />

Düngerband im Boden könnten<br />

sich in der Zukunft aber auch<br />

Techniken der gezielten Ablage<br />

im Mineraldüngerdepot unter<br />

dem Saatkorn durchsetzen (siehe<br />

Abbildung 4). Dies verspricht<br />

noch weitere Einsparpotenziale<br />

und eine effizientere Platzierung<br />

von Nährstoffen unter der Zielkultur.<br />

Apatit<br />

2. In der Depot- beziehungsweise<br />

60<br />

Superphosphat<br />

Strip-Till-Düngung von flüssigen<br />

Triplesuperphosphat<br />

organischen Wirtschaftsdüngern<br />

(Gülle oder Gärresten)<br />

40<br />

Struvit (Wasserwerk Berlin)<br />

Auch in Gülle oder Gärresten kann<br />

Struvit (Klärwerk Heilbronn)<br />

die Ausfällung von Struvit beziehungsweise<br />

20<br />

MAP über die gezielte<br />

Einmischung von ESTA ® Kieserit<br />

fein (27 % wasserlösliches MgO<br />

0<br />

Römer, W. (2006): Vergleichende Untersuchungen<br />

+ 22 % wasserlöslicher S) er-<br />

zur Pflanzenverfügbarkeit von reicht werden (siehe Abbildung<br />

%P-Gehalt %P Wasser %P mg P/Gefäß relativ<br />

Zitronensäure<br />

Phosphat aus verschiedenen P-Recycling-<br />

5, links), was insbesondere für<br />

Produkten im Keimpflanzenversuch. J.<br />

Löslichkeit<br />

P-Aufnahme<br />

Plant Nutr. Soil Sci. 169, 826–832 rote Gebiete und P-Kulissen von<br />

größter Bedeutung ist. Um möglichst<br />

viel des im flüssigen organischen<br />

Wirtschaftsdünger enthaltenen<br />

P-Aufnahme aus Struvit im 21-tägigen durch die gezielte Zugabe von Magnesiumsulfat<br />

ch von verschiedenen<br />

Roggenkeimpflanzenversuch<br />

P-Düngerformen [Apatit,<br />

(siehe<br />

Superphosphat,<br />

Abbildung<br />

2).<br />

potenzial an mineralischem Phosphor einzubinden, ist es notwendig, mindes-<br />

Triplesuperphosphat,<br />

ein entsprechendes<br />

Struvit<br />

Einspar-<br />

(ex Wasserwerk<br />

Stickstoffs<br />

Berlin),<br />

und Phosphors<br />

Struvit (ex.<br />

mit<br />

Klärwerk<br />

in Struvit<br />

auf P-Gehalt, P-Wasser- und P-Zitronensäurelöslichkeit sowie der P-Aufnahme von 21-Tage-alten Roggenkeimpflanzen. Römer, W. (2006):<br />

uchungen zur Pflanzenverfügbarkeit von Phosphat aus verschiedenen P-Recycling-Produkten im Keimpflanzenversuch. J. Plant Nutr. Soil Sci.<br />

Die Unterfußdüngung mit der Kombination<br />

heben beziehungsweise den Einsatz des tens das 1,4-Fache des P 2<br />

O 5<br />

-Gehaltes<br />

aus DAP + ESTA ® Kieserit gran. im<br />

1:1-Verhältnis [NP 9 + 23 (+12+10)] ist<br />

schon seit mehreren Jahren ein etabliertes<br />

Düngesystem, das aufweist, dass man<br />

oph Weidemann<br />

NP-Düngemittels noch optimieren kann<br />

(siehe Abbildung 3). Im Gegensatz zur<br />

klassischen Verfahrensweise der Unterfußdüngung<br />

in einem durchgehenden<br />

an ESTA ® Kieserit fein hinzuzugeben. So<br />

müssten überschlägig für die Praxis beispielsweise<br />

bei 2 kg P 2<br />

O 5<br />

als zielführende<br />

Dosierung 3 kg ESTA ® Kieserit fein<br />

Trockenmasse-Ertrag in dt / ha<br />

Abbildung 3: Dreijähriges Ergebnis des stationären Silomais-Unterfußdüngungsversuchs an der Versuchsstation<br />

Ostenfeld der Fachhochschule Kiel (Schleswig-Holstein, 2019-2021)<br />

Trockenmasse-Ertrag in dt / ha<br />

220<br />

220<br />

216<br />

216<br />

212<br />

212<br />

208<br />

208<br />

204<br />

204<br />

200<br />

200<br />

GD GD 5% = 13,8 13,8 dt / ha dt TM-Ertrag / ha TM-Ertrag<br />

209<br />

65<br />

215<br />

213<br />

70 70<br />

Kontrolle<br />

1,0 dt DAP unterfuß 0,5 0,5 dt DAP dt DAP + 0,5 + 0,5 dt dt ESTA ESTA® Kieserit gran.<br />

unterfuß<br />

unterfuß<br />

219<br />

73<br />

1,0 dt dt DAP + 1,0 dt ESTA® ® Kieserit gran.<br />

unterfuß<br />

In allen Varianten wurden vor der Aussaat einheitlich 45 m³ Biogasgärrest/ha oberflächig per Schleppschlauch appliziert und sofort eingearbeitet.<br />

Abbildung 3: Dreijähriges Ergebnis des stationären Silomais-Unterfußdüngungsversuch an der Versuchsstation Ostenfeld der Fachhochschule Kiel (Schleswig-Holstein,<br />

2019-2021). Der Biogasgärrest In allen wurde Varianten mit einem wurden Nitrifikationshemmstoff vor Aussaat einheitlich stabilisiert. 45 m³ Biogasgärrest Die Stickstoff-Düngung / ha oberflächig wurde per Schleppschlauch ceteris paribus appliziert auf 190 kg und N/ha sofort ausgeglichen. eingearbeitet. Der<br />

Biogasgärrest Boden: lS; pH wurde 5,9 (B); mit 25 einem mg PNitrifikationshemmstoff 2<br />

O 5<br />

(C); 14 mg K 2<br />

O (B); stabilisiert. 7,3 mg Mg Die (B). Stickstoff-Düngung wurde ceteris paribus auf 190 kg N / ha ausgeglichen. Boden: lS; pH 5,9 (B);<br />

25 mg P2O5 (C); 14 mg K2O (B); 7,3 Mg (B).<br />

74<br />

73<br />

72<br />

71<br />

70<br />

69<br />

68<br />

67<br />

66<br />

65<br />

64<br />

Stärkeertrag in in dt / ha<br />

69<br />

3 K+S-Regionalberater: Christoph Weidemann


praxis / Titel<br />

Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />

Abbildung 4: Punktgenaue Düngerapplikation zur Maisaussaat<br />

PUDAMA-Projekt der TH-Köln 2020 (Prof. Meinel, Prof. Kath-Petersen, Dr. Bouten).<br />

ohne Dünger 100 % klassisch 75 % punktgenau<br />

Abbildung 4: Punktgenaue Düngerapplikation zur Maisaussaat - PUDAMA-Projekt der TH-Köln 2020 (Prof. Meinel, Prof. Kath-Petersen, Dr. Bouten).<br />

Abbildung 5: Struvit-Bildung in Anwesenheit eines ESTA ® Kieserit fein-Kristalls<br />

4 K+S-Regionalberater: Christoph Weidemann<br />

„Struvit“ = Ammonium-Magnesium-Phosphat<br />

(NH4)Mg[PO4]·6H2O<br />

Links: in synthetischer<br />

Güllelösung (Foto: Dr.<br />

Kirsch, K+S Analytikund<br />

Forschungszentrum,<br />

Unterbreizbach,<br />

2020).<br />

Rechts: MAP beziehungsweise<br />

Struvit in<br />

gefällter Form hat eine<br />

sandartige Struktur<br />

mit typischer Nährstoffzusammensetzung<br />

von 5 % N, 23 % P 2<br />

O 5<br />

und 12 % MgO.<br />

5 5 K+S-Regionalberater: Christoph Christoph Weidemann<br />

Abbildung 5: links: 5: links: Struvit-Bildung in Anwesenheit in eines eines ESTA® ESTA® Kieserit Kieserit fein-Kristalls in synthetischer in Güllelösung (Foto: (Foto: Dr. Kirsch, Dr. Kirsch,<br />

pro m³ zugemischt werden. Die höhere Oberfläche steht (siehe Abbildung 5, rechts). Der Ausfällungsprozess<br />

beginnt dabei nach wenigen Minuten, wobei<br />

Analytik- Analytik- und und Forschungszentrum Unterbreizbach, 2020); 2020); rechts: rechts: MAP MAP bzw. bzw. Struvit Struvit in gefällter in gefällter Form Form hat hat eine eine Sand-artige Struktur Struktur<br />

mit mit typischer typischer Nährstoffzusammensetzung des feinen Kieserits, im von Vergleich von 5 % 5 N, % 23 N, % zum 23 P2O5 % P2O5 granulierten<br />

und und 12 % 12 MgO. % MgO.<br />

Produkt, verspricht dabei eine deutlich bessere Reaktionsumsetzung.<br />

Bei der technischen Realisierung wachsen beginnen und durchaus einen Größendurch-<br />

die Kristalle erst nach und nach in ihrer Größe zu<br />

der Zumischung von ESTA ® Kieserit fein in Gülle oder messer von etwa 3 Millimeter nach rund 20 Stunden<br />

Gärreste muss die zeitnahe Ausbringung die Zielsetzung<br />

sein, da durch die Struvitausfällung ein fester rung von ESTA ® Kieserit fein bei der Fassbefüllung,<br />

erreichen können. Idealerweise erfolgt die Zudosie-<br />

Rückstand in einer Struktur ähnlich zum Sand ent-<br />

besser aber noch direkt in den Flussstrom zum Ver-<br />

Abbildung 6: Beispiele für technische Lösungen, um ESTA ® Kieserit fein einzudosieren<br />

Fotos: Werkbilder<br />

Links: Einsaugen von ESTA ® Kieserit fein durch eine „Einspülschleuse“ am Ansaugstutzen des Güllefasses (Foto: Hummert, 2020). Mitte: selbstgebaute<br />

„Einmischstation“ für Nitrifikationshemmer und ESTA ® Kieserit fein beim Befüllvorgang (Foto: Wesseling, 2021). Rechts: schlagkräftiges 2.000-Liter-Gefäß für<br />

ESTA ® Kieserit fein mit Wiegeeinrichtung und kontrollierter Zudosierung in den Flussstrom zum Verteilerkopf auf einem Güllegrubber-Gespann (Foto: C. Röring).<br />

70


Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />

praxis / Titel<br />

Abbildung 7: Versuchsergebnis der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein am<br />

Standort Wallsbüll zur Silomais-Gülle-Depot-Düngung im Jahr 2021<br />

Trockenmasse-Ertrag in dt / ha<br />

175,0<br />

170,0<br />

165,0<br />

160,0<br />

155,0<br />

150,0<br />

145,0<br />

GD 5% = 6,3 dt / ha TM-Ertrag<br />

GD 5% = 6,3 dt / ha TM-Ertrag<br />

167<br />

51<br />

156<br />

47<br />

163<br />

49<br />

169<br />

50<br />

56<br />

55<br />

54<br />

53<br />

52<br />

51<br />

50<br />

49<br />

48<br />

47<br />

46<br />

45<br />

Stärkeertrag in dt / ha<br />

In allen Varianten wurden 45 m³<br />

Rindergülle/ha im Depot-Düngungsverfahren<br />

als Gülleband im<br />

Boden etwa 15 Zentimeter unterhalb<br />

der Erdoberfläche appliziert.<br />

Die Ergänzungen von Kalkammonsalpeter<br />

(KAS) und Triplesuperphosphat<br />

(TSP) erfolgten im<br />

klassischen Unterfußdüngungsverfahren<br />

bei der Aussaat. ESTA ®<br />

Kieserit fein wurde direkt vor der<br />

Fassbefüllung mit der Rindergülle<br />

vermischt. Die Rindergülle wurde<br />

zusätzlich mit einem Nitrifikationshemmstoff<br />

stabilisiert.<br />

Die Stickstoff-Düngung wurde<br />

ceteris paribus auf 170 kg N/ha<br />

ausgeglichen. Boden: hl´S; pH 5,4<br />

(C); 15 mg P 2<br />

O 5<br />

(C); 7 mg K 2<br />

O (B);<br />

11 Mg (C).<br />

onalberater: Christoph Weidemann<br />

teilerkopf der Güllegrubber- oder Strip-Till-Technik.<br />

Einige technische Lösungen zur Einmischung von<br />

ESTA ® Kieserit fein in den Prozess der flüssigen Wirtschaftsdüngerausbringung<br />

wurden mittlerweile von<br />

findigen Landwirten gebaut und bis hin zur professionellen<br />

und schlagkräftigen Praxisreife entwickelt<br />

(siehe Abbildung 6). Hier verbleibt aber sicherlich<br />

auch noch in Zukunft Spielraum für Ingenieure der<br />

Verfahrenstechnik, um praxistaugliche Lösungen für<br />

unterschiedlichste Gerätschaften der Gülleapplikation<br />

in den Boden zu entwickeln.<br />

Im Feldversuchswesen wurde diese Art der Wirtschaftsdüngeroptimierung<br />

auch schon gemeinsam<br />

mit der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein<br />

erprobt. Am Standort Wallsbüll konnte zum Beispiel<br />

in diesem Jahr die Zumischung von insgesamt 1,92<br />

Dezitonnen (dt) ESTA ® Kieserit fein pro Hektar (ha) zu<br />

einer dort verwendeten Rindergüllen-Aufwandmenge<br />

von 45 Kubikmetern (m³)/ha im Depotdüngungsverfahren<br />

einen signifikanten Vorteil gegenüber der Kontrollvariante<br />

ohne Zugabe von Magnesiumsulfat erbringen<br />

(siehe Abbildung 7). Auf die bedarfsgerechte<br />

mineralische Ergänzung von Stickstoff in Form von<br />

0,74 dt/ha Kalkammonsalpeter (KAS) im klassischen<br />

Unterfußdüngungsverfahren sowie auch die Ergänzung<br />

von Triplesuperphosphat (TSP) kann in diesem<br />

Falle verzichtet werden. Die Vermengung des feinen<br />

Kieserits wurde dabei unter ständigem Rühren, vor<br />

der Ansaugung ins Gerätefass, in einem nebenstehenden<br />

IBC-Container vorgenommen. Die Ablage des<br />

Güllebandes im Boden ist etwa 15 Zentimeter unterhalb<br />

der Erdoberfläche erfolgt, wobei hier der relativ<br />

hohe pH-Wert der Gülle oder des Gärrestes die Struvit-<br />

Bildung noch begünstigt (siehe Abbildung 8).<br />

uchsergebnis der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein am Standort Wallsbüll zur Silomais-Gülle-Depot-Düngung im Jahr 2021. In allen Varianten wurden 45m³ Rindergülle / ha im Depotn<br />

als Gülleband im Boden ca. 15 cm unterhalb der Erdoberfläche appliziert. Die Ergänzungen von Kalkammonsalpeter (KAS) und Triplesuperphosphat (TSP) erfolgten im klassischen<br />

sverfahren bei der Aussaat. ESTA® Kieserit fein wurde direkt vor der Fassbefüllung mit der Rindergülle vermischt. Die Rindergülle wurde zusätzlich mit einem Nitrifikationshemmstoff stabilisiert.<br />

gung wurde ceteris paribus auf 170 kg N / ha ausgeglichen. Boden: hl´S; pH 5,4 (C); 15 mg P2O5 (C); 7 mg K2O (B); 11 Mg (C).<br />

Abbildung 8: Fassbefüllung der Versuchsparzellenmaschine und Blick in den Boden<br />

Links: Fassbefüllung des Versuchsgerätes mit dem Gülle-ESTA ® -Kieserit-fein-Gemisch. Rechts: Das abgelegte Gülleband im Boden.<br />

Hier wirkt sich der relativ hohe pH-Wert von Gülle oder Gärresten im Gegensatz zur oberflächigen Ausbringung (NH 3<br />

-Verluste)<br />

Abbildung 8: links: Fassbefüllung des Versuchsgerätes mit dem Gülle-ESTA®-Kieserit-fein-Gemisch; rechts: Das abgelegte Gülleband im Boden. Hier wirkt sich der relativ hohe pH-Wert von Gülle oder Gärresten<br />

Gegensatz zur oberflächigen sogar positiv Ausbringung aus, da (NH3-Verluste) die Struvit-Bildung sogar positiv im pH-Bereich aus, da die zwischen Struvit-Bildung 7 und im 9 pH-Bereich begünstigt zwischen wird (Fotos: 7 und C. 9 begünstigt Weidemann). wird. (Fotos: C. Weidemann)<br />

71


praxis / Titel<br />

Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />

Abbildung 9: Magnesium-Mangelerscheinungen<br />

+K/+Mg -K -Mg<br />

Magnesiumversorgung von Mais<br />

sicherstellen, Nährstofflücken organischer<br />

Wirtschaftsdünger schließen<br />

Neben diesen Stickstoff- und Phosphor-Effizienz<br />

verbessernden Aspekten der Struvit-Bildung kommt<br />

dieser Unterfuß- und Depot-Düngungsstrategie mit<br />

Magnesiumsulfat auch eine wesentliche Bedeutung<br />

bei der gezielten und bedarfsgerechten Magnesiumund<br />

Schwefelernährung von Mais zu. Silomais hat<br />

zum Beispiel bei einem Ertragsniveau von 450 dt<br />

Frischmasse/ha einen Magnesiumbedarf von 50 kg<br />

MgO/ha. Dieser nimmt bei steigendem Ertragsniveau<br />

weiter zu, sodass ein Energiemais mit sehr hohen Erträgen<br />

von 800 dt Frischmasse schon mehr als 90 kg<br />

MgO/ha benötigt. Daneben braucht Mais mindestens<br />

20 kg Schwefel/ha. In organischen Wirtschaftsdüngern<br />

sind zwar Magnesium und Schwefel enthalten,<br />

dies aber nur in geringen Gehalten und aufgrund der<br />

Bindung in der organischen Substanz mit niedriger<br />

bis sehr niedriger Verfügbarkeit (siehe Tabelle).<br />

Auch aus Sicht der klassischen Pflanzenernährung<br />

macht es Sinn, Gülle oder Gärreste mit pflanzenver-<br />

Links: Einfluss von Magnesium- und Kaliummangel auf die Verteilung von Kohlenhydraten in Spross und Wurzeln sowie auf das Wurzelwachstum von<br />

Abbildung Buschbohnen 10: links: (Quelle: Einfluss Cakmak von et al., Magnesium- 1994b, J. Exp. und Bot.). Kaliummangel Rechts: Einfluss auf die der Verteilung Magnesiumversorgung von Kohlenhydraten auf die Kornfüllung in Spross- von und Maiskolben Wurzeln, (Foto: sowie K+S). auf das Wurzelwachstum von<br />

Buschbohnen (Quelle: Cakmak et al., 1994b, J. Exp. Bot.). rechts: Einfluss der Magnesiumversorgung auf die Kornfüllung von Maiskolben (Foto: K+S).<br />

Abbildung 10: links: Einfluss von Magnesium- und Kaliummangel auf die Verteilung von Kohlenhydraten in Spross- und Wurzeln, sowie auf das<br />

Abbildung Abbildung<br />

Buschbohnen 10: links: 10:<br />

(Quelle:<br />

links: Einfluss Einfluss<br />

Cakmak von Magnesium- von<br />

et al.,<br />

Magnesium-<br />

1994b, und J. Exp. Kaliummangel und<br />

Bot.). rechts: auf Einfluss die auf Verteilung die<br />

der<br />

Verteilung<br />

Magnesiumversorgung von Kohlenhydraten von auf in die Spross- Kornfüllung<br />

in Spross- und Wurzeln, und<br />

von<br />

Wurzeln,<br />

Maiskolben sowie sowie auf (Foto: das auf<br />

K+S). Wurz das<br />

Buschbohnen Nährstoffgehalte (Quelle: (Quelle: Cakmak in Gärresten, Cakmak et al., et 1994b, n al., = 249 1994b, J. Proben Exp. J. Bot.). Exp. aus Bot.). 2005 rechts: rechts: bis Einfluss Einfluss der Magnesiumversorgung der auf die auf Kornfüllung die Kornfüllung von Maiskolben von Maiskolben (Foto: (Foto: K+S). K+S).<br />

2008, verändert nach Dr. Kluge, LUFA Augustenberg, 2009<br />

fügbarem Magnesiumsulfat zu ergänzen. Fehlt es<br />

dagegen an Magnesium oder auch Kalium, kommt<br />

Nährstoffgehalte Nährstoffverfügbarkeit<br />

Bewertung<br />

es schon vor dem Sichtbarwerden der Mangelsymptome<br />

(kg/t Frischsubstanz)<br />

(CaCl 2<br />

)<br />

zu empfindlichen Störungen des Stoffwechsels<br />

Stickstoff (N): 4-5<br />

40 – 60 %<br />

mittel<br />

und der Translokationsprozesse von Photosynthesedavon<br />

Ammonium (NH 4<br />

-N):2-3 70 – 90 %<br />

hoch<br />

Assimilaten in Wurzeln und Ertragsorganen (siehe<br />

Phosphor (P 2<br />

O 5<br />

) 1,5 – 2,0 60 – 70 % mittel – hoch<br />

Abbildung 9).<br />

10 Regionalberater: Christoph Weidemann<br />

Kalium (K 2<br />

O): 4,5 – 5,5 90 – 100 % sehr hoch<br />

Fazit:<br />

Magnesium (MgO): 0,6 – 1,0 15 – 20 % niedrig<br />

10 Regionalberater: Christoph Weidemann<br />

10 Regionalberater: Schwefel Christoph (S): 0,3 Christoph – Weidemann 0,4 Weidemann – sehr niedrig!<br />

Nährstoffausgleich bei Magnesium und Schwefel erforderlich<br />

ffDie Ausfällung von Magnesium-Ammonium-Phosphat<br />

(MAP) beziehungsweise Struvit durch eine<br />

gezielte Zugabe von Magnesiumsulfat in der mineralischen<br />

Unterfußdüngung von NP-Düngemitteln<br />

oder der Depotdüngung von flüssigen organischen<br />

Wirtschaftsdüngern kann eine deutliche Effizienzverbesserung<br />

der umweltrelevanten Nährstoffe<br />

Stickstoff und Phosphor bewirken.<br />

ffHierbei ist insbesondere die 1:1-Kombination<br />

von DAP mit ESTA ® Kieserit gran. in der mineralischen<br />

Unterfußdüngung sowie die Zumischung<br />

des 1,4-Fachen des P 2<br />

O 5<br />

-Gehaltes des flüssigen<br />

organischen Wirtschaftsdüngers an ESTA ® Kieserit<br />

fein empfehlenswert.<br />

ffDurch diese Düngungsstrategie werden neben den<br />

positiven Effekten der Struvit-Bildung auch die<br />

Nährstofflücken von Güllen oder Gärresten im Bereich<br />

Magnesium und Schwefel geschlossen. Infolgedessen<br />

kann die bedarfsgerechte Ernährung<br />

der Kultur sichergestellt werden.<br />

Autor<br />

M.Sc. agr. Christoph Weidemann<br />

K+S Minerals and Agriculture GmbH<br />

Regionalberatung Schleswig-Holstein, Hamburg, Nord-West-<br />

Mecklenburg, Bremen und nördliches Niedersachsen<br />

Stauenwiese 11 · 23717 Stendorf<br />

01 76/12348 345<br />

christoph.weidemann@k-plus-s.com<br />

72


Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />

praxis / Titel<br />

schlüsselfertige Komplettanlage<br />

schlüsselfertige Komplettanlage<br />

Wir<br />

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bewegen<br />

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jegliche<br />

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Art<br />

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Klimaschutz<br />

Landwirtschaftsbetriebe<br />

nicht überfordern<br />

Auch die Landwirtschaft wird ihren Beitrag für den Klimaschutz<br />

leisten. Es gibt viele Ansätze. Sie reichen von Ökologisierung,<br />

Carbon-Farming über Wiedervernässung von Mooren bis<br />

hin zur „ökologischen Intensivierung“. Aber: Wie soll<br />

es im Einzelnen funktionieren, wer soll es bezahlen?<br />

Es fehlt an praktikablen Szenarien.<br />

Von Dierk Jensen<br />

Es ist ein schwarzer Tag für die europäische<br />

Klimapolitik und für die Umweltpolitik,<br />

aber auch für die Bauern in Europa.“ Der<br />

agrarpolitische Sprecher der Europäischen<br />

Grünen im EU-Parlament, Martin Häusling,<br />

fand deutliche Worte im Straßburger Plenum,<br />

als am 23. November 2021 die Reform der Gemeinsamen<br />

Agrarpolitik (GAP) verabschiedet wurde. Für<br />

den hessischen Grünen ein absolutes Unding, denn<br />

die Reformen der GAP für den Zeitraum von 2023<br />

bis 2030 sind aus seiner Sicht vollkommen kontraproduktiv<br />

zu allen anderen klima- und umweltpolitischen<br />

Zielsetzungen der EU, die an die Landwirtschaft<br />

schon gestellt worden sind. Das sieht nicht nur<br />

der europäische Parlamentarier Häusling so. So werden<br />

diese eklatanten Widersprüche zwischen hehren<br />

Ansprüchen einerseits und politischen Wirklichkeiten<br />

andererseits zukünftig auch den neuen Bundeslandwirtschaftsminister<br />

Cem Özdemir beschäftigen;<br />

ja, er wird sich mit ihnen herumplagen müssen.<br />

Dabei ist seine Losung, wie er vor seiner Benennung<br />

am ersten Advent bei Deutschlandradio darlegte,<br />

durchaus ambitioniert: „Der Ökolandbau soll<br />

bis 2030 einen Anteil von 30 Prozent einnehmen“,<br />

sagte der baden-württembergische Grüne, der zwar<br />

einräumt, er sei nicht vom Fach, aber jemand, der<br />

sehr viel Wert auf gute, gesunde Ernährung lege. Es<br />

sei eine „hammerehrgeizige!“ Aufgabe, die auf ihn<br />

zukomme, bekannte er, doch sei er ein Brückenbauer,<br />

selbsternannt „ein Mann des Ausgleichs“.<br />

Landwirtschaft: Klimaschutzweg noch<br />

nicht klar definiert<br />

Sein Wort in Gottes Ohr, will er doch die klaffende<br />

Lücke, die sich zwischen agrarwirtschaftlichen Realitäten<br />

und der Dekarbonisierungs-Reklame à la Ursula<br />

von der Leyen auftut, schließen. Während die neue<br />

Bundesregierung im Bereich der Mobilität 15 Millionen<br />

Elektromobile bis 2030 auf die Straßen bringen<br />

und damit das Ende des Verbrennungsmotors besiegelt<br />

haben will, ist noch nicht ganz klar, wohin es mit<br />

der Landwirtschaft und der ihr im Klimaschutzgesetz<br />

auferlegten Reduktionen von Emissionen gehen wird.<br />

Derzeit beziffern Wissenschaftler den jährlichen Ausstoß<br />

der deutschen Landwirtschaft mit 68 Millionen<br />

Tonnen CO 2<br />

-Äquivalente. Der Hauptanteil der Emissionen<br />

beruht auf systemimmanente Prozesse, wie<br />

bei der Entstehung von Wiederkäuergasen und Ausscheidungen<br />

(Mist, Urin, Gülle) im Nutztierbestand<br />

und insbesondere bei Kühen. Für das Jahr 2019 ist<br />

dieser Anteil am landwirtschaftlichen Gesamtausstoß<br />

mit 52 Prozent ermittelt worden.<br />

Dabei entfallen auf die Fraktion der Wiederkäuergase<br />

und dem Entweichen von Gasen bei der Lagerung der<br />

Exkremente rund 23,7 Millionen Tonnen, während<br />

8,8 Millionen Tonnen CO 2<br />

-Äquivalente auf den Bereich<br />

des Managements von Wirtschaftsdünger entfallen.<br />

Des Weiteren ist der Ackerbau, bedingt durch<br />

die Entstehung von Lachgasen (N 2<br />

O), für rund 40<br />

Prozent der Emissionen verantwortlich. Der Rest in<br />

Höhe von 8 Prozent entfällt auf Faktoren wie Kalkung<br />

und andere Denitrifizierungsprozesse im Boden.<br />

Nun schreibt das Klimaschutzgesetz von 2019 aber<br />

vor, dass die deutsche Landwirtschaft bis 2030 ihre<br />

Emissionen auf 56 Millionen Tonnen reduzieren<br />

muss. „Wir möchten unseren Teil dazu leisten, dass<br />

Foto: Adobe Stock_Daniel<br />

74


Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />

praxis<br />

Biogasfördertechnik<br />

diese Ziele erreicht werden“, bekennt sich<br />

Robert Kero, Fachreferent für Umweltpolitik<br />

und Nachhaltigkeit beim Deutschen<br />

Bauernverband (DBV), zu den klimapolitischen<br />

Forderungen an die Landwirtschaft.<br />

Allerdings betrachtet Kero die<br />

Landwirtschaft nicht nur als Emittenten<br />

und Betroffenen, sondern sieht sie als<br />

„Teil der Lösung“.<br />

Milchproduktion nicht mit<br />

Emissionen von Kohlekraftwerken<br />

gleichstellen<br />

Dennoch stellt Kero klipp und klar dar,<br />

dass die Produktion von Nahrungsmitteln<br />

„natürlicherweise“ mit Emissionen einhergeht.<br />

So sei die Milchkuh mitnichten<br />

ein Klimakiller. Kero empört sich darüber,<br />

dass die Milchproduktion mit den Emissionen<br />

von Kohlekraftwerken gleichstellt<br />

wird. „Das ist in sich ein Widerspruch,<br />

weil die Kohlekraftwerke mit fossilen<br />

Brennstoffen gefeuert werden, während<br />

die Kuh doch nonfossiles Gras frisst!“<br />

Hinsichtlich der Neubewertung von Wiederkäuern<br />

als Treibhausgasemittenten<br />

verweist er auf Forschungsarbeiten von<br />

Professor Dr. Wilhelm Windisch vom<br />

Lehrstuhl für Tierernährung an der Technischen<br />

Universität München. Ganz abgesehen<br />

davon ist Methan im Verhältnis zu<br />

Kohlendioxid ein relativ kurzlebiges Treibhausgas,<br />

fügt der Umweltreferent hinzu.<br />

„Während Methan nach zehn bis zwölf<br />

Jahren abgebaut sind, ist Kohlendioxid<br />

viel langlebiger.“<br />

Produktionsverlagerung ins<br />

Ausland vermeiden<br />

Wenn der gesellschaftliche Diskurs Kuhhaltung<br />

und Milchproduktion verurteilt<br />

und am Ende hiesige Produktionskapazitäten<br />

abgebaut werden und in andere<br />

Länder abwandern, dann erreiche man<br />

am Ende für den Klimaschutz nur wenig,<br />

meint Kero. Deshalb, weil jenseits<br />

der Grenzen, zumeist an schlechteren<br />

Standorten, eine Produktion bei höheren<br />

Emissionen stattfinde würde.<br />

Mag sein, dass dies für manche Segmente<br />

der landwirtschaftlichen Produktion<br />

stimmen mag, jedoch nicht für die<br />

Schweinezucht. „Schauen Sie sich doch<br />

mal die Entwicklung an. Der deutsche<br />

Selbstversorgungsgrad bei Schweinefleisch<br />

lag im Jahr 2000 bei 95 Prozent,<br />

heute liegt er bei 125 Prozent“, klagt<br />

Prof. Dr. Friedhelm Taube vom Institut<br />

für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung<br />

an der Christian-Albrechts-Universität in<br />

Kiel an.<br />

„Dadurch verlieren wir hier in Deutschland<br />

eine Million Hektar Ackerland, rund<br />

20 Prozent unserer Getreideproduktion“,<br />

kritisiert er und verweist auf eine<br />

Stickstoffüberlastung von mehr als 7<br />

Millionen Tonnen. Mit anderen Worten:<br />

Zuviel Schwein in Zeiten abnehmenden<br />

Fleischkonsums. Weshalb Taube für einen<br />

moderaten Abbau des Tierbestandes<br />

von 30 Prozent plädiert.<br />

Unabhängig von Taubes Position denkt<br />

DBV-Fachreferent Kero über eine Emissionsreduzierung<br />

pro Produkteinheit<br />

nach. Tatsächlich sieht der DBV-Mann<br />

noch Potenziale in der Minimierung von<br />

Futterverlusten, aber auch in der Züchtung.<br />

Zudem gibt es neue Ansätze, um<br />

die Methanproduktion im Verdauungsapparat<br />

der Kuh zu verringern, indem die<br />

Landwirte spezielle Zusatzstoffe wie beispielsweise<br />

Rotalgen dem Futter beimischen.<br />

Produktionsintegrierte Reduzierungen<br />

sind aber nur die eine Seite der<br />

Medaille. Die andere ist der Aufbau von<br />

organischem Kohlenstoff in Böden, der<br />

dazu dient, den Kohlenstoffgehalt in der<br />

Atmosphäre zu senken. Dies lässt sich<br />

durch eine ganze Reihe von Maßnahmen<br />

bewerkstelligen: Beispielsweise mit der<br />

Ausweitung der pfluglosen Bewirtschaftung,<br />

durch das Belassen von Ernteresten<br />

auf dem Acker oder durch intensiveren<br />

Zwischenfruchtanbau.<br />

75<br />

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Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />

Manche Wissenschaftler<br />

propagieren<br />

eine klimafreundlichere<br />

Milchviehhaltung,<br />

die mit<br />

einem ausgeklügelten<br />

Kleegras- und<br />

Beweidungssystem<br />

möglich sei.<br />

Jeden Produktionszweig analysieren<br />

In diesem Zusammenhang ist die Produktion von<br />

Pflanzenkohle auch eine Option. Letzten Endes<br />

stimmt auch ein Agrarwissenschaftler wie Taube<br />

dieser Betrachtungsweise zu und bringt ein Beispiel<br />

aus seinem Forschungsumfeld: Es geht um eine klimafreundlichere<br />

Milchviehhaltung, die mit einem<br />

ausgeklügelten Kleegras- und Beweidungssystem<br />

möglich sei. Dies würde sowohl die Lachgasemissionen<br />

erheblich vermindern helfen und den Stickstoff-<br />

Footprint auf einen Liter Milch auf ganze 5<br />

Gramm reduzieren.<br />

Zum Vergleich: Herkömmliche<br />

Methoden in der Milchwirtschaft<br />

kommen auf 12 Gramm<br />

Stickstoff-Output pro Liter<br />

Milch. Wenngleich sich<br />

vieles optimieren ließe,<br />

vor allem hinsichtlich der<br />

Stickstofffrachten, lässt<br />

sich die Stickstoffmenge in<br />

der Produktion aber nicht auf<br />

null runterfahren. „Sinnvoll<br />

und angemessen ist eine Reduzierung<br />

der Stickstofffrachten auf<br />

50 Kilogramm Stickstoff pro Hektar“,<br />

so Taube weiter, der seit vielen Jahren neue<br />

Wege zwischen Ökolandbau und konventionellem<br />

Landbau sucht.<br />

Dass die konventionelle Landwirtschaft nicht so<br />

weitermachen kann wie bisher, stellte sogar die<br />

Zukunftskommission der Landwirtschaft (ZKL) in<br />

ihrem Abschlussbericht dar: „Die Ökologisierung<br />

einer ökonomisch ertragsstarken Landwirtschaft am<br />

Gunststandort Deutschland hat ihren Preis. Sie zu<br />

unterlassen ist teurer. Sehr viel teurer – für die Landwirtschaft,<br />

für die Volkswirtschaft und für den sozialen<br />

Zusammenhalt der Gesellschaft auch in Zukunft.“<br />

Neben diesen produktionsimmanenten Erwägungen<br />

gibt es noch weitere Einsparmöglichkeiten bei einem<br />

„Rund eine<br />

Million Hektar sind<br />

zu fluten“<br />

Prof. Dr. Friedhelm Taube<br />

besseren, emissionsärmeren<br />

Umgang mit Gülle respektive<br />

Gärdünger. „Die Vergärung<br />

von Wirtschaftsdüngern in<br />

einer Biogasanlage reduziert<br />

Methanemissionen auf<br />

ein Minimum. Ende 2020<br />

sind rund 25 Prozent der<br />

in Deutschland anfallenden<br />

Wirtschaftsdünger vergoren<br />

worden, wodurch etwa 2,2<br />

Millionen Tonnen CO 2<br />

-Äquivalente<br />

allein durch die Vermeidung<br />

der Methanemissionen<br />

vermieden wurden“,<br />

weiß Kero.<br />

Mehr Güllevergärung gleich mehr<br />

THG-Einsparung<br />

Immerhin, aber am Ende zu wenig. Daher strebt das<br />

Klimaschutzprogramm bis 2030 einen Ausbau der<br />

Güllevergärung auf 70 Prozent an. Dies würde gegenüber<br />

heute weitere rund 3 Millionen Tonnen CO 2<br />

-<br />

Äquivalente einsparen. Allerdings ist die Vergärung<br />

kostenintensiv, ebenso wie die Überdachung von Güllelagern<br />

sowie die bedarfs- beziehungsweise pflanzengerechte<br />

Ausbringung der Wirtschaftsdünger.<br />

Und der ökologische Landbau? „Der hat<br />

seine Daseinsberechtigung“, entgegnet<br />

Kero trocken, undogmatisch,<br />

„obschon der Ökolandbau nicht<br />

per se weniger emittiere als der<br />

konventionelle Landbau“.<br />

Trotzdem erzielen die Ökobauern<br />

wertvolle Umwelteffekte<br />

und setzen dabei<br />

dezidiert auf Nährstoffkreisläufe<br />

mit Nutztieren, ohne<br />

die es trotz einer zunehmenden<br />

Vegetarisierung oder sogar<br />

Veganisierung der Ernährungsgewohnheiten<br />

nicht gehen wird,<br />

unterstreicht Kero. Denn wie will man<br />

all die wertvollen Grünlandstandorte, wie<br />

beispielsweise die Weiden in den Mittelgebirgslagen,<br />

bewirtschaften, wenn keine Tiere darauf grasen? Will<br />

man dort Karotten und Artischocken anbauen?<br />

Dabei spielt gerade das Grünland wegen seiner hohen<br />

Humusanteile eine wichtige Rolle für eine nachhaltige,<br />

klimaneutrale Landwirtschaft. Das Gleiche gilt<br />

für die Moorstandorte, die jedoch ihre Kohlenstoff<br />

bindenden Eigenschaften durch flächendeckende<br />

Trockenlegung in den letzten Jahrzehnten fast gänzlich<br />

verloren haben.<br />

Eine Wiedervernässung dieser Moore würde große<br />

Effekte erzielen. „Rund eine Million Hektar sind<br />

zu fluten“, proklamiert Friedhelm Taube. Wie viele<br />

Foto: landpixel.eu<br />

76


Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />

praxis shop<br />

Foto: Jörg Böthling<br />

Hektar es am Ende werden und wie viele Prozente<br />

der früheren Moor-Landschaften am Ende renaturiert<br />

werden, darüber besteht noch Ungewissheit. Ebenso<br />

offen ist zwischen vielen Agrar- und Klimapolitikern<br />

auch die Frage, wer dies überhaupt bezahlen soll. Angesichts<br />

der knappen Kassen bei den Landwirten wird<br />

dies wohl eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe sein<br />

werden.<br />

Welche Mechanismen dort greifen werden, darüber<br />

gehen die Meinungen noch weit auseinander. Auch<br />

an dieser Stelle müsste Cem Özdemir eine seiner geplanten<br />

„Brücken des Ausgleichs“ bauen! Der Druck<br />

auf die moorigen Standorte wird ohnehin noch zunehmen,<br />

da der Wald aufgrund seiner schlechten Verfassung<br />

nicht mehr in der Lage ist, die prognostizierten<br />

Senkungsleistungen überhaupt erfüllen zu können.<br />

Welche Optionen für mehr Klimaschutz stehen noch<br />

bereit? Ja, nicht zu vergessen, der Humusaufbau!<br />

Der sei ein unverzichtbarer Baustein der Dekarbonisierung<br />

– heißt es von vielen Seiten. Diese Aussage<br />

nimmt zumindest eine große, illustre Koalition<br />

verschiedener Akteure, ob nun aus den Reihen der<br />

regenerativen (konservierenden) Landwirtschaft,<br />

der Pflanzenkohlen-Welt oder des CO 2<br />

-Handels, in<br />

Anspruch. Dennoch wächst auch der Humusaufbau<br />

nicht plötzlich in den Himmel.<br />

Manche halten die regenerative Landwirtschaft auch<br />

für überschätzt, seien die Potenziale am Ende doch<br />

begrenzt, weil durch steigende Temperaturen auch<br />

die mikrobiellen Abbauaktivitäten analog zunehmen<br />

werden. Landwirtschaftliche Experten erwarten zwar,<br />

dass der Humusaufbau rund acht bis zehn Millionen<br />

Tonnen CO 2<br />

-Äquivalente Einsparung generieren<br />

könnte, doch sind viele nicht davon überzeugt, dass<br />

der Emissionshandel für den Humusaufbau tatsächlich<br />

langfristig tauglich sei. Darüber hinaus warnt<br />

man davor, mit dem Humusaufbau die Lebensmittelproduktion<br />

zu verdrängen.<br />

Biokraftstoffe in Landmaschinen einsetzen<br />

Einen weiteren wichtigen Ansatz zur Reduktion von<br />

CO 2<br />

-Äquivalenten ist die klimaneutrale Umstellung<br />

der in der Landwirtschaft eingesetzten Zug- und Erntemaschinen.<br />

Laut Statistik haben die Traktoren & Co.<br />

mit ihrem Diesel rund 6 Millionen Tonnen CO 2<br />

-Äquivalente<br />

ausgestoßen. „Wir sehen großes Potenzial in<br />

der Nutzung von Biokraftstoffen für landwirtschaftliche<br />

Maschinen. Aufgrund der fehlenden Alternativen<br />

sollte die Biokraftstoffnutzung für die Landwirtschaft<br />

priorisiert werden“, appelliert denn auch Kero an die<br />

Politik und damit sicherlich auch in Richtung des<br />

neuen Landwirtschaftsministers.<br />

Dann würden die Dieselemissionen auf null reduziert<br />

sein. Marktreife Alternativen stehen ja schon zur Verfügung:<br />

Beispielsweise die mit Biomethan betriebenen<br />

Traktoren von Herstellern wie Valtra und New Holland.<br />

Dabei muss sich auch die Bioenergie dem Nachhaltigkeits-Diskurs<br />

stellen, wie beispielsweise der Kritik vom<br />

Theologen und Aufsichtsratsvorsitzenden der Stiftung<br />

Weltzukunftsrat Franz-Theo Gottwald. Er schreibt im<br />

neuen Sammelband „Klimapositive Landwirtschaft“<br />

zur Weiterentwicklung der Landnutzung: „Wenn<br />

Bioenergie ausgebaut wird und sich dabei landwirtschaftliche<br />

Fläche in artenreiche Ökosysteme hineinfrisst,<br />

ist diese keine nachhaltige Lösung.“ Stimmt.<br />

Genauso wie es stimmt, wenn im Abschlussbericht<br />

der Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) artikuliert<br />

wird, dass die anstehende landwirtschaftliche<br />

Transformation so gestaltet sein sollte, „dass sie mit<br />

einer fairen gesellschaftlichen Lastenverteilung und<br />

gesamtvolkswirtschaftlichen Einsparungen verbunden<br />

sind“. Cem Özedemir hat wahrlich viel zu tun!<br />

Würden Biokraftstoffe in Landmaschinen mehr eingesetzt, könnten<br />

erhebliche dieselbedingte Treibhausgasmengen reduziert werden. Hier<br />

im Bild ein New-Holland-Schlepper mit Gasmotor, der Biomethan aus<br />

Biogasanlagen nutzen kann.<br />

Autor<br />

Dierk Jensen<br />

Freier Journalist<br />

Bundesstr. 76 · 20144 Hamburg<br />

040/40 18 68 89<br />

dierk.jensen@gmx.de<br />

www.dierkjensen.de<br />

77


praxis<br />

Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />

Steigerung der<br />

Methanausbeute<br />

durch biologische<br />

Methanisierung<br />

Foto 1: Luftbild<br />

des Standortes der<br />

AWR in Borgstedt.<br />

Die stark steigende Nachfrage nach erneuerbarem Methan und die im Mai 2021<br />

beschlossenen Änderungen der Treibhausgasminderungsquote (THG-Quote) bieten<br />

nun gute Chancen, die innovative Technologie der mikrobiologischen Methanisierung<br />

wirtschaftlich zu betreiben und die Methanausbeute einer Biogasanlage nahezu zu<br />

verdoppeln: Zusammen mit aus erneuerbarem Strom hergestelltem Wasserstoff wandeln<br />

Mikroorganismen das im Biogas enthaltene CO 2<br />

in Methan um.<br />

Von Ralph Hohenschurz-Schmidt, Jens Strahl, Tino Sperk, Oliver Viertmann<br />

und Prof. Dr.-Ing. Frank Scholwin<br />

Wir zeigen Ihnen das Ergebnis einer<br />

kürzlich durchgeführten Machbarkeitsstudie<br />

zur biologischen Methanisierung<br />

für die AWR GmbH.<br />

Obwohl die mikrobiologische Methanisierung<br />

im industriellen Maßstab technologisch<br />

noch nicht ausgereift ist und am Anfang der technischen<br />

und ökonomischen Lernkurve steht, können<br />

zwei der untersuchten Varianten bei veränderten<br />

Rahmenbedingungen in Kombination mit einer Pilotanlagenförderung<br />

wirtschaftlich umgesetzt werden.<br />

Die AWR in Borgstedt ist Vorreiterin mit idealen<br />

Bedingungen für innovative Lösungen für eine biobasierte<br />

Wertschöpfung. Die Bioabfallbehandlungsanlage<br />

Borgstedt (BBA) ist eine Verwertungsanlage<br />

nach dem Stand der Technik, die das angelieferte<br />

Biogut (Biotonne) in zwei Stufen, Vergärung und<br />

Kompostierung, nutzt. Die Anlage hat nach mehreren<br />

Erweiterungen heute eine genehmigte Verarbeitungskapazität<br />

von 85.000 Tonnen pro Jahr (t/a), wovon<br />

60.000 t/a auch in die Vergärung gehen.<br />

Die Erlöse aus der Verstromung des in der BBA erzeugten<br />

Biogases decken die Aufbereitungskosten des<br />

Bioabfalls nur zu geringen Teilen. Die Kostendifferenz<br />

muss über die Abfallgebühren gedeckt werden. Das<br />

Ziel einer ständigen Überprüfung des Anlagenbetriebes<br />

auf potenzielle Optimierungsoptionen durch den<br />

AWR ist aber neben der Generierung wirtschaftlicher<br />

Vorteile auch die Identifizierung innovativer Ideen auf<br />

dem Weg zur vollständigen Nutzung der im Bioabfall<br />

enthaltenen Ressourcen. Dass dieser Weg möglich ist,<br />

wollen die AWR und ihre Partner im Rahmen mehrerer<br />

Modellprojekte beweisen. Zu einer konsequenten<br />

Strategie einer wertschöpfenden Reststoffnutzung gehört<br />

dabei auch die Nutzbarmachung des im Biogas<br />

enthaltenen CO 2<br />

. Aus diesem Anspruch heraus ist die<br />

hier vorgestellte Machbarkeitsstudie zur biologischen<br />

Methanisierung entstanden.<br />

Foto: awr<br />

78


Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />

praxis<br />

wir haben<br />

immer was<br />

auf lager.<br />

Foto: Micropyros BioEnerTec GmbH<br />

Foto 2: Pilotanlage, biologische Methanisierung der Micropyros BioEnerTec GmbH,<br />

Betriebszeitraum 2018 bis 2019.<br />

Biologische Methanisierung:<br />

Hochwertige Nutzung des CO 2<br />

im Biogas<br />

Biogas besteht nur zu gut 50 bis 60 Prozent<br />

aus Methan. Der Rest ist im Wesentlichen<br />

Kohlendioxid (CO 2<br />

). Aus diesem<br />

Grund ist die Produktion und Nutzung<br />

von Biogas im Sinne einer vollständigen<br />

Wertschöpfung nur bedingt werthaltig.<br />

Eine vollständige Kreislaufführung der<br />

Biomasse aus der Biotonne ist damit<br />

nicht erreicht.<br />

Die Alternative und damit die vollständige<br />

Nutzung des Kohlenstoffs im Biogas<br />

ist dessen Nutzung zur Herstellung von<br />

Biomethan durch Zuführung des Energieträgers<br />

Wasserstoff (H 2<br />

). Für diesen Prozess<br />

stehen unterschiedliche technische<br />

Möglichkeiten zur Verfügung: die katalytische<br />

oder die mikrobiologische Methanisierung<br />

(Fotos 2 bis 5 zeigen Pilotanlagen<br />

der biologischen Methanisierung der<br />

Firmen Micropyros BioEnerTec GmbH,<br />

electrochaea GmbH, PFI Bioraffinerietechnik<br />

GmbH und Microbenergy GmbH).<br />

Die Technologie der biologischen Methanisierung<br />

ist in verschiedenen Pilotanlagen<br />

realisiert worden, eine Marktreife ist<br />

aber noch nicht erreicht. Im Ergebnis des<br />

Prozesses entsteht zusätzliches Methan,<br />

das vielfältige Nutzungsmöglichkeiten<br />

bietet. Die AWR hat sich entschieden,<br />

im Rahmen einer von Land und EU geförderten<br />

Machbarkeitsstudie die Verfahren<br />

der mikrobiologischen Methanisierung<br />

von Biogas auf ihren Entwicklungsstand,<br />

ihre technische Umsetzbarkeit und auf<br />

die wirtschaftlichen Perspektiven der Integration<br />

dieser Verfahren in die eigene<br />

Biogutverwertungsanlage untersuchen<br />

zu lassen. Die AWR gab Mitte 2020 die<br />

Erstellung der Studie beim Institut für<br />

Biogas, Kreislaufwirtschaft und Energie<br />

(IBKE) in Auftrag. Anfang 2021 lag die<br />

Endfassung der Studie vor, deren Vorgehensweise<br />

und wesentliche Ergebnisse<br />

im Folgenden dargestellt werden.<br />

Umsetzbarkeit der biologischen<br />

Methanisierung von CO 2<br />

aus<br />

technischer Sicht<br />

Das Ziel der Machbarkeitsstudie war die<br />

Prüfung der biologischen, technischen<br />

und wirtschaftlichen Machbarkeit einer<br />

biomassebasierten Power-to-Gas-Anlage<br />

am Standort der BBA Borgstedt sowie<br />

die Ermittlung von Bedingungen, unter<br />

denen ein wirtschaftlicher Betrieb einer<br />

derartigen Anlage machbar ist. Mit der<br />

Ergänzung einer mikrobiologischen Methanisierung<br />

am Anlagenstandort würde<br />

die Verwertung des Bioabfalls um eine<br />

Nutzungskaskade erweitert, fossiles<br />

Erdgas substituiert und durch die Methanisierung<br />

des CO 2<br />

im Biogas die Freisetzung<br />

zusätzlicher Treibhausgasemissionen<br />

bei der energetischen Nutzung von<br />

Biogut verhindert.<br />

Um belastbare Aussagen zu ermöglichen,<br />

führte das IBKE eine detaillierte<br />

79<br />

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praxis<br />

Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />

Abbildung 1: Integration einer biologischen Methanisierung zur Gasnetzeinspeisung (Konzept K4_P2G2Grid)<br />

Abbildung 2: Integration einer biologischen Methanisierung als Bio-LNG-Tankstelle (Konzept K4_P2G2Fuel)<br />

Standortanalyse durch, analysierte den<br />

Stand der Anwendbarkeit der mikrobiologischen<br />

Methanisierung für die Anwendung<br />

im Praxismaßstab und verglich für<br />

den Praxismaßstab verfügbare Verfahren<br />

hinsichtlich der Integration in den Anlagenstandort<br />

Borgstedt. Die betrachteten<br />

Konzepte sind in der Tabelle zusammengefasst.<br />

Die ökonomische Bewertung der<br />

mikrobiologischen Methanisierung (K4<br />

und K5) erfolgte im Vergleich zum Status<br />

quo (K1) und zur herkömmlichen Aufbereitung<br />

zu Biomethan (K2 und K3). Daher<br />

werden die Konzepte 1 bis 3 hier nicht<br />

detaillierter erläutert.<br />

In Konzept 4 wird das bestehende System<br />

durch die Integration einer mikrobiologischen<br />

Methanisierungsanlage (BMA) zur<br />

zusätzlichen Methanproduktion erweitert.<br />

Wie in Abbildung 1 beschrieben, wird das<br />

vorhandene Rohbiogas unter Zuführung<br />

von Wasserstoff zu Methan mit Netzqualität<br />

aufbereitet und kann so in das öffentliche<br />

Gasnetz eingespeist werden.<br />

Die Biogasaufbereitung auf Erdgasqualität<br />

erfolgt vollständig im Prozess der mikrobiologischen<br />

Methanisierung, der in<br />

zusätzlichen Reaktoren zur bestehenden<br />

Biogasanlage erfolgt. Zusätzliche Technik<br />

für die Biogasaufbereitung auf Erdgasqualität<br />

ist bei den meisten Technologieanbietern<br />

nicht erforderlich. Weiterhin<br />

wird in den Modellrechnungen ein Anteil<br />

des vorhandenen Rohbiogases für den<br />

Weiterbetrieb der bestehenden BHKW<br />

angesetzt.<br />

80


Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />

praxis<br />

Im Verlauf eines Betriebsjahres entsteht während der<br />

Methanisierung eine Abwärmemenge von rund 5,7<br />

Millionen (Mio.) Kilowattstunden (kWh). Neben der<br />

Abwärme der Methanisierung entstehen weitere erhebliche<br />

Abwärmemengen aus der Elektrolyse. Unter<br />

den aktuellen Annahmen kann nur ein Teil dieser<br />

Abwärme durch die am Standort ermittelten Wärmesenken<br />

aufgenommen werden. Es ergeben sich somit<br />

weitere relevante Optimierungspotenziale, welche im<br />

Rahmen einer Projektentwicklung detailliert zu prüfen<br />

sind.<br />

Foto: electrochaea GmbH<br />

H 2<br />

-Produktion aus erneuerbarem Strom<br />

Der für die mikrobiologische Methanisierung erforderliche<br />

Wasserstoff wird durch ein Elektrolyseverfahren<br />

erzeugt. Die dazu notwendige Energie wird als<br />

Grünstrom mit Herkunftsnachweis aus dem Stromnetz<br />

bezogen werden. Nach Auslaufen der attraktiven<br />

EEG-Vergütung wird ein sehr geringer Anteil zusätzlich<br />

aus lokal errichteten PV-Anlagen bereitgestellt.<br />

Die Möglichkeit der Realisierung einer Windkraftanlage<br />

und damit ein weiterer Beitrag zur Stromproduktion<br />

für die Wasserhydrolyse vor Ort wird im Rahmen<br />

der Projektierung geprüft, es ist aber ein durchgehender<br />

Volllastbetrieb erforderlich, der ohne Bezug<br />

von erneuerbarem Netzstrom nicht wirtschaftlich<br />

realisiert werden kann. In Konzept 5 wird das methanisierte<br />

Biogas zu Bio-LNG auf Kraftstoffqualität<br />

aufbereitet und kann anschließend an einer öffentlichen<br />

LNG-Tankstelle am Standort der BBA vertankt<br />

werden (Abbildung 2).<br />

Unter welchen Bedingungen ist die Umsetzung der mikrobiologischen<br />

Methanisierung von CO 2<br />

aus dem Biogas<br />

der BBA Borgstedt wirtschaftlich? Die wirtschaftliche<br />

Bewertung und der Vergleich der technischen<br />

Konzepte erfolgt auf Basis der dynamischen Investitionsrechnung<br />

unter Anwendung der Kapitalwertmethode<br />

sowie der Methode des modifizierten internen<br />

Zinsfußes. Für die einfache Darstellung der<br />

Foto 3: Pilotanlage,<br />

biologische Methanisierung<br />

electrochaea<br />

GmbH in einem Vorort<br />

von Kopenhagen.<br />

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81


praxis<br />

Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />

Abbildung 3: Ergebnisse der dynamischen Wirtschaftlichkeitsbewertung im Überblick<br />

Abbildung 4: Ergebnisse der Sensitivitätsanalyse für die wirtschaftlichste Variante der Biomethanisierung<br />

wirtschaftlichen Vorzüglichkeit wird ermittelt,<br />

welcher Rohbiogaspreis im jeweiligen<br />

technischen Konzept maximal tolerierbar<br />

ist, um eine Gesamtkapitalrendite von 4,5<br />

Prozent vor Steuern zu generieren. Abbildung<br />

3 zeigt die maximalen Rohbiogasbezugspreise<br />

der verschiedenen Konzepte im<br />

Vergleich. Je höher der tolerierbare Rohbiogasbezugspreis<br />

ist, umso wirtschaftlicher<br />

stellt sich das Konzept dar. Für den<br />

Status quo liegt diese Grenze bei 5,5 Cent<br />

pro Kilowattstunde (ct/kWh).<br />

Ergebnisse<br />

Die wesentlichen Erkenntnisse zur Umsetzbarkeit<br />

der mikrobiologischen Methanisierung<br />

am Standort Borgstedt sind im<br />

Folgenden zusammengefasst: Die konventionelle<br />

Biogasaufbereitung mit der<br />

Biomethaneinspeisung in das öffentliche<br />

Gasnetz ist unter den zugrunde gelegten<br />

Annahmen das wirtschaftlichste Konzept,<br />

sogar wirtschaftlicher als die praktizierte<br />

Strom- und Wärmebereitstellung nach<br />

EEG. Die Biomethaneinspeisung in das<br />

öffentliche Gasnetz ist wirtschaftlicher<br />

als die Vertankung als Kraftstoff vor Ort.<br />

Dies ist aber stark von den vor Ort realisierbaren<br />

Abnahmemengen an CNG als<br />

auch der erzielbaren Treibhausgas-Minderungsquote<br />

im freien Handel abhängig.<br />

Eine interne, nicht öffentliche CNG-Tankstelle<br />

ist am Standort AWR wirtschaftlicher<br />

als eine öffentliche CNG-Tankstelle<br />

oder LNG-Tankstelle. Obwohl die mikrobiologische<br />

Methanisierung im industriellen<br />

Maßstab noch nicht Stand der Technik<br />

82


Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />

praxis<br />

Foto: Frank Scholwin<br />

ist und am Anfang der technischen und<br />

ökonomischen Lernkurve steht, können<br />

zwei Varianten (K4-P2G2Grid_3 und<br />

K4-P2G2Grid_4) die Zielrendite bei einem<br />

Rohbiogasbezugspreis oberhalb der<br />

Rohbiogasgestehungskosten erreichen.<br />

Jedoch stellen sie sich deutlich unwirtschaftlicher<br />

als die Varianten mit Biogasaufbereitung<br />

und -einspeisung dar.<br />

Der Nutzungspfad LNG-Erzeugung und<br />

-vermarktung ist stark von der erzielbaren<br />

Treibhausgas-Minderungsquote im<br />

freien Handel abhängig und zeigt unter<br />

den getroffenen Annahmen eine deutlich<br />

geringere Wirtschaftlichkeit als die Biomethaneinspeisung<br />

in das Erdgasnetz.<br />

Eine wirtschaftliche Projektrealisierung<br />

eines BMA-Konzeptes am Standort AWR<br />

ist bei Optimierung der Eingangsparameter<br />

(Investitionen, Betriebskosten, Eigenstromverbrauch,<br />

Strombezugskosten,<br />

Förderoptionen, Anlagendimensionierung)<br />

denkbar und sollte geprüft werden.<br />

Für die wirtschaftlich vorzüglichste Variante<br />

der Biomethankonzepte (K4-P2G-<br />

2Grid_3) wurde auf Basis einer Sensitivitätsanalyse<br />

ermittelt, in welchem Maße<br />

Foto 4: Pilotanlage, biologische Methanisierung<br />

PFI Bioraffinerietechnik GmbH in Pirmasens.<br />

ausgewählte Eingangsparameter variiert<br />

werden müssen, um unter der Annahme<br />

des gleichen Rohbiogasbezugspreises des<br />

Status quo (K1) eine Gesamtkapitalrendite<br />

von 4,5 Prozent (%) zu erreichen (Kapitalwert<br />

entspricht dann 0).<br />

Abbildung 4 zeigt, dass bei dem Rohbiogasbezugspreis<br />

des Status quo das Biomethankonzept<br />

keine positive Rendite<br />

erwirtschaften kann (Kapitalwert ca. -10<br />

Mio. Euro). Die Variation eines Faktors<br />

verändert jedoch den Kapitalwert und somit<br />

das wirtschaftliche Gesamtergebnis.<br />

So führt beispielsweise die Erhöhung der<br />

Biomethanerlöse um knapp 20 % zu einem<br />

Anstieg des Kapitalwertes auf 0 und<br />

somit zu der Verzinsung des Projektes<br />

entsprechend des Kalkulationszinses von<br />

4,5 %, vergleichbar zu dem Ergebnis des<br />

Status quo.<br />

Die Sensitivitätsanalyse lässt zusammenfassend<br />

die folgenden Aussagen und<br />

Schlussfolgerungen zu: Ein positiver Kapitalwert<br />

(i > 4,5 %) kann bei dem unterstellten<br />

Rohbiogasbezugspreis von 5,52<br />

ct/kWh theoretisch erreicht werden durch:<br />

ffIsolierte Erhöhung des Biomethanerlöses<br />

um rund 25 %.<br />

ffIsolierte Reduzierung des Strombedarfs<br />

der Elektrolyse um rund 40 %.<br />

ffIsolierte Reduzierung des Strompreises<br />

der Elektrolyse um rund 40 %.<br />

ffKombinierte Variation der betrachteten<br />

Faktoren.<br />

Durch die kombinierte Variation der Faktoren<br />

der Sensitivitätsanalyse im Rahmen<br />

einer Szenarienrechnung mit der:<br />

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83


praxis<br />

Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />

Übersicht der technischen Konzepte<br />

KURZBEZEICHNUNG<br />

K1_Status quo<br />

K2_Methane2Grid<br />

K3_Methane2Fuel<br />

K4_P2G2Grid<br />

K5_P2G2Fuel<br />

KURZBESCHREIBUNG<br />

Basiskonzept zum Vergleich – Rohbiogasverwertung über bestehende<br />

Kraft-Wärme-Kopplung wie bisher.<br />

Integration einer Biogasaufbereitung und Einspeisung in das Erdgasnetz<br />

in Kombination mit der bestehenden KWK.<br />

Integration einer Biogasaufbereitung auf Fahrzeugkraftstoffqualität zur<br />

Kraftstoffversorgung in 3 verschiedenen Tankstellenoptionen als CNG oder<br />

LNG in Kombination mit der bestehenden KWK.<br />

Integration einer mikrobiologischen Methanisierung zur zusätzlichen<br />

Methanproduktion mit Biogaseinspeisung in das Erdgasnetz mit 4 verschiedenen<br />

Technologien als Optionen in Kombination mit der bestehenden KWK.<br />

Integration einer mikrobiologischen Methanisierung zur zusätzlichen<br />

Methanproduktion und Bereitstellung von Kraftstoff an einer LNG-Tankstelle<br />

in Kombination mit der bestehenden KWK.<br />

ffReduzierung des durchschnittlichen Eigenstrombedarfs<br />

der BMA auf 85 kW/h,<br />

ffReduzierung des durchschnittlichen Eigenstrombedarfs<br />

der Elektrolyse um 10 %,<br />

ffAnnahme einer Investitionsförderung<br />

i.H.v. 20 % der Gesamtinvestition,<br />

ffErhöhung der Biomethanerlöse aus<br />

Bioabfall um 5 %,<br />

ffErhöhung der Biomethanerlöse aus<br />

Elektrolyse um 5 %<br />

ergibt sich für das Biomethankonzept K4-P2G2Grid<br />

ein maximal tolerierbarer Rohbiogasbezugspreis von<br />

5,03 ct/kWh bei einer Gesamtkapitalrendite von<br />

4,5 %. Damit liegt der Rohbiogaspreis nur geringfügig<br />

unterhalb des Maximalwertes des Status quo.<br />

Schlussfolgerungen: Die Machbarkeitsstudie lieferte<br />

neben einer Vielzahl von Einzelergebnissen drei<br />

zentrale Erkenntnisse: Es existieren bereits Verfahren<br />

der mikrobiologischen Methanisierung, die über den<br />

Pilotmaßstab hinaus entwickelt wurden und die geeignet<br />

sind für eine großtechnische Umsetzung.<br />

Vor dem Hintergrund der aktuellen Veränderungen<br />

der Nachhaltigkeitsverordnungen lässt sich ein wirtschaftlicher<br />

Betrieb einer mikrobiologischen Methanisierungsanlage<br />

im Vergleich zu den anderen<br />

betrachteten Nutzungsoptionen des Biogases unter<br />

Annahme einer Investitionsförderung erhoffen.<br />

Entscheidend für die Wirtschaftlichkeit des Anlagenbetriebs<br />

sind dabei nicht die hohen Investitionen in<br />

die Verfahrenstechnik, sondern die Kosten des laufenden<br />

Anlagenbetriebs und hier insbesondere die<br />

Gestehungskosten des Wasserstoffs für den Methanisierungsprozess.<br />

Weitere, wenngleich weniger bedeutsame<br />

Faktoren der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung<br />

sind die Verwertungsmöglichkeiten der im Zuge<br />

der Methanisierung anfallenden Nebenprodukte<br />

(Ab-)Wärme und Sauerstoff (O 2<br />

).<br />

Für die Integration einer derart komplexen Technologie<br />

benötigt die AWR als regionales Unternehmen mit<br />

Kernaufgabe in der kommunalen Abfallwirtschaft in<br />

verschiedenen Bereichen Unterstützung. Neben den<br />

technischen und wirtschaftlichen Herausforderungen<br />

müssen beispielsweise auch Erfahrungen in der<br />

Vermarktung von Biomethan als Energieträger eingebracht<br />

werden. Hierzu und zu einer bestmöglichen<br />

Erschließung von Synergiepotenzialen bedarf es im<br />

Falle der Umsetzung einer mikrobiologischen Methanisierung<br />

zuverlässiger und motivierter Partner.<br />

Übertragbarkeit der Ergebnisse auf<br />

andere Standorte<br />

Bio-CNG, Bio-LNG und zukünftig synthetisches Methan<br />

aus der biologischen Methanisierung sind technologisch<br />

gesehen schon heute verfügbare Lösungen,<br />

die dort dringend benötigte THG-Minderungen her-<br />

84


Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />

praxis<br />

Foto: Microbenergy GmbH<br />

beiführen können, wo es auch auf mittlere<br />

Sicht keine elektrische Alternative geben<br />

wird, so zum Beispiel im Schwerlastverkehr.<br />

Die Vermarktungspotenziale von<br />

Biomethan im Hinblick auf die Anforderungen,<br />

die sich aus der Umsetzung der<br />

RED II in nationales Recht insbesondere<br />

für den Verkehrssektor ergeben werden,<br />

sind daher der hauptsächliche Treiber für<br />

die Wirtschaftlichkeit.<br />

Für die Vermarktung von synthetischem<br />

Methan sind in erster Linie die im September<br />

beschlossenen Änderungen der<br />

Treibhausgasminderungs-Quote (THG-<br />

Quote) zu nennen, die zu einem erheblichen<br />

Anstieg der erzielbaren Erlöse<br />

führen. Die Änderungen sehen Mehrfachanrechnungen<br />

für fortschrittliche Biokraftstoffe<br />

(Herstellung aus Rest- und Abfallstoffen)<br />

sowie Power-to-X-Kraftstoffe (wie zum Beispiel das<br />

in der Biomethanisierung erzeugte synthetische Methan)<br />

vor. Eine wirtschaftliche Umsetzung der Biomethanisierung<br />

rückt damit deutlich näher.<br />

Entscheidend ist dabei, möglichst günstigen grünen<br />

Wasserstoff einzusetzen. Für möglichst geringe<br />

Gestehungskosten wird es nötig sein, dass auch zukünftig<br />

Netzstrom für die Elektrolyse mit einem nachweisbaren<br />

Grünstrombezug von Umlagen befreit ist.<br />

Der Gesetzgeber hat dieses zumindest erkannt und in<br />

der RED II in Ansätzen in die Begründung Nummer<br />

90 aufgenommen, die Regelungen zum Netzbezug<br />

in Verbindung mit Stromdirektlieferverträgen (PPAs)<br />

vorsieht.<br />

Neben der gesicherten Grünstromversorgung für die<br />

Elektrolyse sind die wichtigsten Vorrausetzungen aus<br />

Betreibersicht zunächst die Nähe zum Erdgasnetz<br />

(maximal 5 Kilometer Entfernung) und die Verfügbarkeit<br />

günstiger, abfallstämmiger Substrate oder Reststoffe<br />

aus der Landwirtschaft. Mit diesen Substraten<br />

bieten sich gleich zwei wirtschaftliche Vorteile: niedrige<br />

Gasgestehungskosten und ein besonders hohes<br />

THG-Minderungspotenzial.<br />

Autoren<br />

Ralph Hohenschurz-Schmidt<br />

Abfallwirtschaft Rendsburg-Eckernförde GmbH<br />

Hoschmi@awr.de<br />

M.Eng. Oliver Viertmann<br />

Prof. Dr.-Ing. Frank Scholwin<br />

Institut für Biogas, Kreislaufwirtschaft & Energie<br />

Weimar<br />

info@biogasundenergie.de<br />

Foto 5: Pilotanlage,<br />

biologische Methanisierung<br />

Microbenergy<br />

GmbH in Allendorf/<br />

Eder.<br />

85


praxis<br />

Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />

Anlage des Monats November:<br />

Biostrom Volkert GbR<br />

Die 2006 in Betrieb genommene<br />

doppelt überbaute Nawa-<br />

Ro-Anlage aus Mittelfranken<br />

erzeugt mit einer Bemessungsleistung<br />

von 368 Kilowatt (kW)<br />

rund 3,2 Millionen Kilowattstunden (kWh)<br />

Strom pro Jahr. Vergoren werden vor allem<br />

Gülle und Mist von benachbarten landwirtschaftlichen<br />

Betrieben sowie Gras,<br />

verschiedene Blühpflanzen, Getreideganzpflanzen,<br />

Getreideschrot und Mais.<br />

Durch den Anbau der Energiepflanzen<br />

und humusaufbauender Zwischenfrüchte<br />

sowie die ganzjährige Bodenbedeckung<br />

wird CO 2<br />

im Boden gebunden. Der Strom<br />

wird direkt vermarktet, steht als negative<br />

Regelenergie und flexibel nach Bedarf zur<br />

Verfügung. Ein Teil der Wärme gelangt<br />

über eine Wärmeleitung ins benachbarte<br />

Dorf, wo sie zur Tabaktrocknung und<br />

als Heizenergie für Wohnhäuser genutzt<br />

wird; der Rest wird zur Brennholztrocknung<br />

direkt an der Anlage eingesetzt. Dadurch<br />

ist eine ganzjährige Wärmenutzung<br />

gesichert. Die Biogasanlage vermeidet<br />

jährlich rund 2.500 Tonnen fossiles CO 2<br />

.<br />

Anlage des Monats Dezember:<br />

BBB Biogas Breuna GmbH & Co.KG<br />

Die Biogas-Gemeinschaftsanlage<br />

im hessischen Breuna ging im<br />

Frühjahr 2007 ans Netz. Aus<br />

Festmist, der zu 90 Prozent aus<br />

dem eigenen Stall stammt, Maissilage,<br />

Zuckerrüben, GPS und Getreideschrot<br />

werden in den beiden Blockheizkraftwerken<br />

(BHKW) klimafreundlicher Strom und Wärme<br />

erzeugt: 3,5 Millionen Kilowattstunden<br />

(kWh) Strom entstehen an der Hauptanlage<br />

mit einer BHKW-Leistung von 499 Kilowatt<br />

(kW), knapp 3 Millionen kWh erzeugt das<br />

Satelliten-BHKW mit 366 kW Leistung. Die<br />

anfallende Wärme versorgt über ein Nahwärmenetz<br />

214 Haushalte und ein Gewerbegebiet<br />

im Bioenergiedorf Wettesingen mit Heizenergie,<br />

die Überschusswärme im Sommer<br />

wird zur Trocknung von Getreide, Heu und<br />

Holz genutzt. Die Biogasanlage vermeidet<br />

jährlich rund 1.300 Tonnen CO 2<br />

.<br />

86


Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />

praxis<br />

Biogas_115x77_EVIT <strong>2022</strong>.qxp_EVIT 11.10.21 15:01 Seite 1<br />

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Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />

Ein Jahrzehnt Biogasdachsysteme<br />

aus dem Rheinland<br />

Als die dbds-Deutsche Biogas Dach-Systeme GmbH 2011 von der der VERSEIDAG-INDUTEX GmbH und der<br />

H. Seybold GmbH & Co. KG gegründet wurde, taten sich zwei etablierte Partnerunternehmen zusammen, die<br />

über generationenübergreifende Erfahrung in der Industrietextilherstellung und -konfektionierung verfügen.<br />

In der aufstrebenden Biogasbranche identifizierten sie im Bereich der Dachsysteme ein geeignetes neues<br />

Geschäftsfeld für ihre Erzeugnisse.<br />

Von Eur Ing Marie-Luise Schaller<br />

Die Firmengründer starteten<br />

mit einer gründlichen Analyse<br />

bisheriger Erfahrungswerte<br />

und entwickelten daraus ihre<br />

eigenen Standards als Anbieter<br />

von kompletten Dachsystemen. Mit<br />

stetig wachsendem Erfolg vertreiben sie<br />

ihre Erzeugnisse national wie international.<br />

In Forschungskooperationen entwickeln<br />

sie Materialien und Funktionen<br />

kontinuierlich weiter.<br />

Christopher Seybold, einer der beiden<br />

Geschäftsführer, gehört zur fünften Generation<br />

der Unternehmerfamilie Seybold.<br />

1876 gründeten seine Vorfahren mit der<br />

„Gummi- und Gutta Percha-Handlung“<br />

ihre erste Firma im rheinischen Düren.<br />

Daraus ging unter anderem die H. Seybold<br />

GmbH & Co. KG hervor, ein mittelständisches<br />

und inhabergeführtes Unternehmen,<br />

das auf technische Konfektionen<br />

und industrielle Ausstattungen spezialisiert<br />

ist. Das Unternehmen erstellt Planen<br />

und Membranen für textile Bauten wie<br />

beispielsweise Veranstaltungspavillons<br />

oder Lagerzelte, ein gutes Ausgangsprodukt<br />

für die Entwicklung von Biogasmembrandächern.<br />

Seybold schildert die Anfänge der dbds:<br />

„Als sich die Biogasbranche 2008 und<br />

2009 in Deutschland erfolgreich etablierte,<br />

entstand bei meinem Onkel, Bernd<br />

Seybold, die Idee, dort mit der Fertigung<br />

von Dachsystemen aus Industriegewebe<br />

Fuß zu fassen.“ Mit dem langjährigen<br />

Partner VERSEIDAG als Industrietextilhersteller<br />

bestanden bereits bewährte Lieferantenbeziehungen,<br />

so dass beide die<br />

dbds GmbH als Joint Venture gründeten.<br />

Als Spezialisten ihres Faches hatten sie<br />

Christopher Seybold (rechts)<br />

und Simon Schmidt (links) in<br />

einer der Produktionsstätten<br />

in Düren.<br />

zuvor bestehende Biogasanlagen und<br />

deren Dächern genauer unter die Lupe<br />

genommen und die Stärken und Schwächen<br />

unterschiedlicher Ausführungen<br />

überprüft. Darauf aufbauend und mit Hilfe<br />

statischer Untersuchungen durch ihre<br />

Ingenieurpartner entwickelte die dbds<br />

GmbH ihre Standards.<br />

Christopher Seybold führt fort: „Sehr früh<br />

kristallisierte sich heraus, dass man sich<br />

auf das Angebot kompletter Systeme konzentrieren<br />

und neben dem eigentlichen<br />

Dach auch weitere Komponenten wie die<br />

Befestigung und das Stützluftsystem anbieten<br />

sollte. Dabei präferieren wir das<br />

Doppelmembrandach, das unter anderem<br />

Vorteile hinsichtlich des Gasspeichervolumens<br />

bietet. Von Anfang an war klar, dass<br />

wir auf eine geschraubte Befestigung der<br />

Dächer setzen müssen, was als ein Vorgriff<br />

auf Regelungen der TRAS 120 betrachtet<br />

werden kann. Des Weiteren war uns der<br />

Einsatz von langlebigen und korrosionsbeständigen<br />

Edelstahlbauteilen wichtig,<br />

wie beispielsweise einer Edelstahlmittelstütze.“<br />

Das Mutterunternehmen H. Seybold besitzt<br />

zwei Fertigungsstandorte in Düren,<br />

ein weiterer ist im Aufbau. Christopher<br />

Seybold und Simon Schmidt, der Vertriebsingenieur,<br />

stellen die Produktionsanlagen<br />

in Düren-Mariaweiler vor.<br />

Als erstes fallen die außergewöhnlichen<br />

Dimensionen der Arbeitstische ins Auge.<br />

Auf einem großen Zuschneidetisch wird<br />

das von VERSEIDAG hergestellte Flächenmaterial<br />

mit einer automatisierten<br />

Schneidanlage in einzelne Dachelemente<br />

aufgeteilt. Ein Mitarbeiter hat dabei<br />

ein Auge auf die Qualität der Membrane,<br />

ein PVC-beschichtetes Polyestergewebe.<br />

Es wurde speziell für die Anwendung als<br />

Fotos: Marie-Luise Schaller<br />

88


Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />

praxis<br />

Biogasspeicher entwickelt, ist schwer entflammbar<br />

und UV-beständig.<br />

Auf einem der vier riesigen Schweißtische<br />

fügen zwei Mitarbeiter die Einzelteile<br />

dann mittels Hochfrequenzschweißmaschine<br />

zu einem Membrandach zusammen.<br />

Mittels Wärme und Druck werden<br />

4 bis 10 Zentimeter breite durchgehende<br />

Schweißstöße erstellt, die eine sehr hohe<br />

Belastbarkeit aufweisen. Der Schweißvorgang<br />

wird kontinuierlich aufgezeichnet.<br />

Die gesamte Fertigung wird in einem Qualitätsmanagement<br />

in Anlehnung an die<br />

DIN EN ISO 9001 dokumentiert.<br />

Deutschland: Sanierungsmarkt<br />

im Fokus<br />

„Anfänglich hat dbds den<br />

deutschen Markt über Komplettanlagenbauer<br />

erschließen<br />

können, die Neuanlagen errichten“,<br />

setzt Seybold seine Ausführungen<br />

fort. Seit 2013, als<br />

das Geschäft in Deutschland<br />

rückläufig wurde, setzte das<br />

Unternehmen zusammen mit<br />

den Anlagenbauern auf internationale<br />

Absatzmärkte, vor allem<br />

Frankreich und zunehmend<br />

die USA, aber auch Japan oder<br />

Südkorea. In Deutschland widme<br />

man sich nun vermehrt dem<br />

Sanierungsmarkt.<br />

Der Austausch der Dächer im<br />

Bestand sei eine besondere Herausforderung,<br />

da sich individuell<br />

sehr unterschiedliche Verhältnisse und<br />

Besonderheiten auftun. Insgesamt sei die<br />

Auftragslage jedoch sehr gut, und Corona-<br />

Einbußen habe es bisher keine gegeben.<br />

In diesem Jahr sei ein eigenes Montageteam<br />

zusammengestellt worden, um auf<br />

Baustellenerfahrungen aus erster Hand<br />

zugreifen zu können.<br />

Bei all den positiven Entwicklungen gibt<br />

es jedoch auch bei dbds gewisse unternehmerische<br />

Risiken, die sich durch die<br />

massiv steigenden Einkaufspreise, aber<br />

auch durch den Mangel an geeigneten<br />

Fachkräften ergeben. Die Angebotsgestaltung<br />

wird aktuell angesichts der ungewissen<br />

Materialpreisentwicklung vor allem<br />

im Kunststoffbereich erschwert. Hier sei<br />

erforderlich, die richtigen Abwägungen zu<br />

treffen. „Denn es muss sich auch für den<br />

Kunden immer noch auszahlen, doch für<br />

manches Projekt ergeben sich durch die<br />

Preissteigerungen massive Verschlechterungen<br />

gegenüber den Vorplanungen,“<br />

meint Simon Schmidt.<br />

Angebot: Duales Studium<br />

Im Bereich der Fachkräfteentwicklung<br />

setzt die dbds auf das Angebot eines dualen<br />

Studiums. In Kooperation mit der<br />

Europäischen Fachhochschule in Brühl<br />

kann jungen Nachwuchskräften so ein<br />

attraktives Einstiegsmodell für die Berufskarriere<br />

geboten werden. Dabei können<br />

auch sehr interessante Bachelor- und<br />

Masterarbeiten zu Themen entwickelt<br />

werden, die für das Unternehmen von Relevanz<br />

sind. Ein solches Thema ist zurzeit<br />

zum Beispiel die Messung des Methangehalts<br />

in Membrandachzwischenräumen<br />

und die Bewertung der Dichtigkeit.<br />

„Als Komplettanbieter verstehen wir uns<br />

auch als Berater“, erläutert Christopher<br />

Seybold den Mehrwertansatz seiner Firma.<br />

Man sei stets darauf bedacht, dem<br />

Kunden einen durch Kosten-Nutzen-<br />

Analyse optimierten Ansatz oder gar eine<br />

günstigere Alternative zu bieten. Zudem<br />

sei die kontinuierliche Verbesserung der<br />

Produkte ein wichtiges Leitmotiv. So arbeite<br />

die Firma mit verschiedenen Forschungspartnern<br />

an Kooperationsprojekten<br />

für Materialverbesserungen.<br />

Bei der Zunahme an Anlagen für die Biogasaufbereitung<br />

werde die Energieeffizienz<br />

noch wichtiger, da dort in der Regel<br />

die BHKW und ihre Abwärme entfallen.<br />

Dbds verfolgt daher nicht nur Aspekte der<br />

Dichtigkeit und Methanschlupfüberwachung,<br />

sondern geht auch den Ansätzen<br />

für eine Effizienzsteigerung im Eigenenergiemanagement<br />

nach, wie durch den Einsatz<br />

von LowE-beschichteten Materialien<br />

zur Reduktion des Wärmedurchgangs im<br />

Dachsystem.<br />

Zukunftsprojekte<br />

Ein gerade zur Förderung bewilligtes Forschungsprojekt<br />

beschäftige sich mit der<br />

Möglichkeit der Isolation der Membrandächer.<br />

Es wird in Zusammenarbeit mit<br />

der Universität Karlsruhe durchgeführt.<br />

Andere Zukunftsprojekte behandeln die<br />

Schneeabräumung, die Integration von<br />

PV-Folien-Modulen oder die Speicherung<br />

von Wasserstoffverbindungen.<br />

Daher blicken die Geschäftsführer sehr<br />

zuversichtlich in die Zukunft. Das Jubiläumsjahr<br />

2021 verläuft positiv: Mit einer<br />

Schweißstoß der Hochfrequenzschweißmaschine.<br />

Produktion von etwa 220 Dachsystemen<br />

konnte der Umsatz um rund 30 Prozent<br />

im Vergleich zum Vorjahr gesteigert werden.<br />

Zudem wurde ein Großauftrag zur<br />

Lieferung von 32 Doppelmembrandächern<br />

vertraglich abgeschlossen. Insgesamt<br />

sieht Seybold die Weiterentwicklung<br />

sehr vielversprechend, die kontinuierlichen<br />

Innovationsbestrebungen werden<br />

sich auszahlen.<br />

Das ist nachvollziehbar, denn alle Aktivitäten<br />

helfen bei der Erfüllung der Vorgaben<br />

der EU, wie zum Beispiel bei den neuen<br />

Taxonomie-Bestimmungen, die einen<br />

Nachweis der Nachhaltigkeit fordern. Methan<br />

rückt dort als ein starkes Treibhausgas<br />

immer stärker in den Fokus. Daher soll<br />

Mitte Dezember als Teil eines Gaspakets<br />

eine Verordnung zur Verringerung der Methanemissionen<br />

verabschiedet werden.<br />

Hier bieten sich für die Biogasbranche<br />

steigende Herausforderungen, aber auch<br />

Chancen für die innovationsorientierten<br />

Unternehmen. System- und Komponentenhersteller<br />

leisten mit ihrer Kompetenz<br />

einen wesentlichen Beitrag zu Klimaschutz<br />

und Nachhaltigkeit und somit zur<br />

Akzeptanz der grünen Gase.<br />

Autorin<br />

Eur Ing Marie-Luise Schaller<br />

ML Schaller Consulting<br />

mls@mlschaller.com<br />

89


International<br />

Tamarah Swensen vor dem<br />

Aufbereitungscontainer.<br />

Niederlande<br />

Biogasaufbereitung mit CO 2 -Verwertung<br />

Die Biogasanlage WABICO im niederländischen Waalwijk ist ein Beispiel für eine umfassende Verwertung<br />

von Abfall- beziehungsweise Reststoffen in einer Biogasanlage. Dort wird neben Biomethan und dem<br />

Gärrest auch das bei der Biogasreinigung anfallende Kohlendioxid vermarktet. Die Verwertung von CO 2<br />

gewinnt zunehmend an Bedeutung. Denn sie ist nicht nur aus Klimaschutzsicht interessant: Nutzer, wie<br />

zum Beispiel Gärtnereien, haben aktuell CO 2<br />

-Beschaffungsprobleme.<br />

Von Eur Ing Marie-Luise Schaller<br />

In den Niederlanden gibt es mehr als<br />

270 Biogasanlagen. 169 Biogasanlagen<br />

mit einer Gesamtkapazität von<br />

194 Megawatt (MW) liefern Biogas<br />

für die Stromerzeugung. Darunter<br />

sind 157 Kombianlagen mit einer Gesamtkapazität<br />

von 447 MW, die Biogas für<br />

die Strom- und Wärmeerzeugung liefern.<br />

Ansonsten gibt es 23 Biogasanlagen, die<br />

nur der Wärmeproduktion dienen, darüber<br />

hinaus 15 Deponiegasanlagen mit einer<br />

Gesamtkapazität von 10 MW, die Biogas<br />

zur Stromerzeugung produzieren. Im Jahr<br />

2019 wurden 60 Anlagen registriert, die<br />

Biogas für die Produktion von Biomethan<br />

liefern.<br />

Der Ecopark von Waalwijk in der niederländischen<br />

Provinz Noord-Brabant ist einer<br />

der fortschrittlichsten Industriegebiete<br />

der Niederlande, wo die Erzeugung Erneuerbarer<br />

Energien ein wichtiges Merkmal<br />

ist. Eine Solarfreiflächenanlage auf einem<br />

Deich, mehrere Windenergieanlagen sowie<br />

eine Biogasanlage dienen der lokalen<br />

Energieversorgung. Errichter und Betreiber<br />

der Biogasanlage WABICO (Waalwijkse<br />

Biomassa Combinatie) ist HoSt, nach eigenem<br />

Bekunden der größte niederländische<br />

Lieferant von Bioenergiesystemen.<br />

Die Holding bestand im Oktober 2021<br />

bereits 30 Jahre. Biogasanlagen, Biomassevergaser,<br />

Biomasse-/Holzkessel und<br />

Biomasse-Blockheizkraftwerke (BHKW)<br />

mit Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) gehören<br />

zum Angebotsportfolio. Das Tochterunternehmen<br />

Bright Biomethane bietet<br />

die entsprechenden Aufbereitungstechnologien<br />

an. Die HoSt-Gruppe betreibt<br />

die Anlage sowohl kommerziell als auch<br />

als Reallabor, um im Produktionsalltag<br />

gezielt Praxiserfahrungen für die Entwicklung<br />

ihrer breiten Technologiepalette zu<br />

sammeln. Der Spatenstich war 2014, die<br />

Inbetriebnahme hat bereits im Jahr 2015<br />

stattgefunden. Die Anlage wurde danach<br />

mehrfach erweitert.<br />

Nachhaltige Wertschöpfung<br />

zu Ende gedacht<br />

Tamarah Swensen, die Kommunikationsmanagerin<br />

von Bright Biomethane, führt<br />

über die Anlage und stellt eingangs die<br />

Unternehmen vor. Wesentliches Merkmal<br />

der Unternehmen der HoSt-Gruppe<br />

ist der ganzheitliche Ansatz. Man verfüge<br />

über umfassende Erfahrungen in der<br />

Verarbeitung der verschiedensten Abfall-<br />

Fotos: Marie-Luise Schaller<br />

90


Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />

International<br />

ströme aus der Lebensmittelindustrie und von landwirtschaftlichen<br />

Reststoffen wie Stroh, Spreu und<br />

Gras. „Bright Biomethane strebt stets nach optimaler<br />

Verwertung der eingesetzten Stoffe, WABICO ist dafür<br />

ein Leuchtturmprojekt.“<br />

WABICO verwertet dementsprechend ausschließlich<br />

Reststoffe wie pflanzliche Abfälle, Flotationsschlämme<br />

und entpackte Supermarktabfälle. Mittels anaerober<br />

Vergärung erzeugt die Anlage damit bis zu 2.000<br />

Normkubikmeter (Nm³) Rohbiogas pro Stunde (h). In<br />

einer Membrananlage wird dieses zu Biomethan aufbereitet.<br />

Die Aufbereitungskapazität beträgt 1.200<br />

Nm³/h, wobei die Qualität den für niederländische<br />

Netze geltenden Anforderungen für Gase mit niedrigerem<br />

Heizwert entspricht. Jährlich werden rund 10<br />

Millionen (Mio.) Nm³ ins Erdgasnetz eingespeist.<br />

Die Gärreste werden entwässert und als Kompost verwertet.<br />

Mit der Errichtung eines weiteren Fermenters<br />

und eines Nachgärers sowie einer größeren Aufbereitung<br />

wurde ein biologisches Wasserreinigungssystem,<br />

der sogenannte „Sequencing Batch Reactor“<br />

(SBR), hinzugefügt. Das gereinigte Wasser wird in die<br />

Kanalisation eingeleitet. Außerdem wurden externe<br />

Wärmetauscher installiert, um die Eigenenergiebilanz<br />

zu optimieren. Dieses innovative Wärmerückgewinnungssystem<br />

der Biogasaufbereitung deckt die<br />

Wärmeversorgung der Fermenter. Ein weiteres<br />

fortschrittliches Plus: Das aus dem Biogas<br />

entfernte Kohlendioxid wird nicht in die Atmosphäre<br />

abgeleitet, sondern in einem<br />

weiteren Verfahrensschritt aufgefangen<br />

und verflüssigt. Somit erzeugt<br />

und vermarktet die Anlage drei<br />

Produkte: Biomethan, Gärdünger<br />

und Kohlendioxid.<br />

Kompakte Containermodule<br />

Alle Baugruppen werden bei Bright<br />

Biomethane in kompakter modularer<br />

Containerbauweise ausgeführt. Damit<br />

können die Anlagen schnell errichtet und<br />

in Betrieb genommen werden, da keine Gebäude<br />

erstellt werden müssen. Die Aufbereitungseinheit<br />

umfasst: Kompressor, Membranen, Bedientafel, Wärmerückgewinnungssystem,<br />

Odorierung und Analyse-<br />

Einrichtung. Alle Elemente werden in drei Containern<br />

in unmittelbarer Nachbarschaft zu den Gärbehältern<br />

untergebracht. Dabei besitzt die Membrananlage aktuell<br />

noch ein dreifaches Erweiterungspotenzial.<br />

Das dort aufgefangene Kohlendioxid wird über einen<br />

ölfreien zweistufigen Kompressor zu zwei Aktivkohlefiltern<br />

geleitet, die restliche Verunreinigungen<br />

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Dachsystem<br />

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91


International<br />

Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />

WABICO: CO 2<br />

-Tanks und<br />

Abtransport im Lkw.<br />

die mit CO 2<br />

arbeiten. Tamarah Swensen weist<br />

auf die guten Absatzchancen hin. Im vergangenen<br />

Jahr sei es durch den Ausfall von zwei<br />

sehr großen CO 2<br />

-Produktionsanlagen zu einer<br />

Mangelsituation gekommen. Die Aufnahme<br />

der Produktion in zahlreichen kleineren Biogasanlagen<br />

würde auch den Vorteil einer größeren<br />

Unabhängigkeit von Markt beherrschenden<br />

Großproduzenten schaffen.<br />

Jeffrey Kruit, ehemaliger Planungsingenieur<br />

und jetziger Verkaufsingenieur bei Bright Biomethane,<br />

informiert im Marketing-Jargong:<br />

„Bright Biomethane verbessert auf WABICO<br />

seine Technologien kontinuierlich und in signifikantem<br />

Umfang, sei es hinsichtlich der<br />

Vergärung unterschiedlicher Abfallstoffe, der<br />

Gärrestbehandlung oder bei der Biogasaufbereitung<br />

und nun bei der CO 2<br />

-Verflüssigung.“<br />

Drohnenaufnahme<br />

WABICO (Waalwijkse<br />

Biomassa Combinatie).<br />

und Geruchsstoffe eliminieren. Das gefilterte Gas<br />

durchläuft einen automatisierten Molekularsiebtrockner,<br />

der die Restfeuchte entfernt. Von dort wird<br />

es zum CO 2<br />

-Verflüssiger geleitet. Während CO 2<br />

im<br />

Verflüssiger kondensiert, bleiben die Spuren nicht<br />

kondensierbarer Gase wie Sauerstoff, Methan und<br />

Stickstoff gasförmig. Sie werden im Strippturm entfernt<br />

und wieder zur Membranaufbereitung zurückgeführt.<br />

„Hiermit erreicht die Anlage einen außergewöhnlich<br />

niedrigen Methan-Schlupf“, erläutert<br />

Tamarah Swensen. Das reine flüssige CO 2<br />

fließt in<br />

isolierte Speichertanks.<br />

Wertstoff für Lebensmittel- und<br />

Getränkeproduktion<br />

Die Anlage erzeugt flüssiges Kohlendioxid mit einer<br />

Menge von 600 Kilogramm pro Stunde, das eine<br />

Reinheit von mehr als 99,97 Prozent besitzt und damit<br />

lebensmitteltauglich ist. Es wird in Tankwagen zu<br />

den Abnehmern abtransportiert. Das sind zum Beispiel<br />

Gewächshäuser, in denen das CO 2<br />

als Pflanzendünger<br />

eingesetzt wird. Es kann aber auch in Kühlanlagen<br />

in der Lebensmittel- und Getränkeproduktion<br />

oder in Schlachthäusern zum Einsatz kommen. Darüber<br />

hinaus gibt es Abwasserbehandlungsmethoden,<br />

CO 2<br />

-Verflüssigung: ab 500 Nm³/h<br />

lohnend<br />

Die Nutzung von CO 2<br />

als Einsatzstoff perfektioniert<br />

den Ansatz der Kreislaufwirtschaft bei<br />

der Biomethanerzeugung und eröffnet neue<br />

Wertschöpfungsmöglichkeiten für Anlagenbetreiber.<br />

Nach derzeitigem Stand könne sich<br />

eine CO 2<br />

-Verflüssigung bereits bei Biogasanlagen<br />

ab einer Kapazität von 500 Nm³/h lohnen,<br />

so Kruit. Die individuellen Rahmenbedingungen<br />

des Standortes seien entscheidend, wie<br />

zum Beispiel der Marktpreis für CO 2<br />

.<br />

Inzwischen habe man eine eigene CO 2<br />

-Verflüssigungsanlage<br />

entwickelt und biete als Komplettanlagenbauer<br />

alles aus einer Hand. Sechs derartige<br />

Anlagen seien aktuell in Arbeit. Zudem arbeite das<br />

Unternehmen an einem eigenen LNG-Verflüssiger,<br />

um das Angebotsportfolio zu vervollständigen. Darüber<br />

hinaus sei angedacht, auch in die Wasserstofferzeugung<br />

einzusteigen, wofür Bright Biomethane<br />

derzeit verschiedene Konzepte untersuche.<br />

Alles in allem zeigt sich, dass der CO 2<br />

-Abdruck<br />

durch kontinuierliche technologische Fortschritte<br />

und konsequent in die Praxis umgesetzte Pilotprojekte<br />

verbessert werden kann. Langfristig werden<br />

Technologien zur Gewinnung von CO 2<br />

aus Abgasen<br />

oder der Luft und die anschließende Verwertung entscheidend<br />

für den Klimaschutz sein. Aber schon der<br />

aktuell herrschende Mangel an CO 2<br />

kann Anlagenbetreiber<br />

bewegen, über dieses zusätzliche Produkt<br />

nachzudenken.<br />

Autorin<br />

Eur Ing Marie-Luise Schaller<br />

ML Schaller Consulting<br />

mls@mlschaller.com<br />

Fotos: Marie-Luise Schaller (oben), Bright Biomethane<br />

92


Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />

International<br />

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93


International<br />

Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />

London<br />

GroSSbritannien<br />

Schon 10 Biogasanlagen<br />

produzieren „Grünes CO 2<br />

“<br />

Großbritannien hat Potenzial, ein gut ausgebautes Gasnetz und Mut zur Innovation.<br />

Doch in der Strategie der britischen Regierung gegen die Klimakrise findet Biogas<br />

kaum statt. Zudem setzen der Brexit und stark steigende Rohstoffpreise der Branche<br />

zu. Trotzdem lohnt der Blick auf die Insel.<br />

Von Klaus Sieg<br />

Hecken, schmale Straßen, sanfte Hügel<br />

und grüne Wiesen, auf denen noch der<br />

Raureif einer kalten Novembernacht<br />

liegt. Cottages mit markanten Schornsteinen<br />

und anglikanische Kirchen aus<br />

Naturstein ziehen vorbei. In den Dörfern Pubs mit<br />

Namen wie The Crown, Hunter‘s Room oder Three<br />

Horsehoes, gepflegte Rasenflächen, Stechpalmen<br />

sowie rote Telefonzellen und Briefkästen aus Gusseisen.<br />

Der idyllische Südwesten Englands ist ein<br />

Hort britischer Tradition. Angeblich steht hier, in der<br />

Grafschaft Dorset, der ältesten Briefkasten des Vereinigten<br />

Königreichs. Eine der innovativsten Biogasanlagen<br />

Großbritanniens würde man in diesem Teil des<br />

Landes nicht unbedingt erwarten.<br />

Einfach zu finden ist die Rainbarrow Farm nicht. Sie<br />

versteckt sich in einer Senke, die aus Rücksicht auf<br />

das Landschaftsbild beim Bau ausgebaggert werden<br />

musste, so wie es auch in vielen anderen Regionen<br />

auf der Insel vorgeschrieben ist.<br />

„Wir waren die erste Anlage mit Biogasaufbereitung<br />

und Einspeisung in Großbritannien“, sagt der technische<br />

Leiter Sebastian Ganser bei der Begrüßung.<br />

Die Reinigung mit Membranen war damals ein Prototyp.<br />

Das erste Biomethan wurde am 11. Oktober<br />

2012 eingespeist. „Heute versorgen wir im Winter<br />

9.000 Haushalte im benachbarten Poundbury.“ Ganser<br />

blickt nickend in Richtung Norden. Stünde die<br />

Biogas-Anlage nicht in besagter Senke, könnte man<br />

dort vielleicht am Rande der Stadt Dorchester den<br />

Ortsteil Poundbury sehen.<br />

Die Modellstadt aus überwiegend klassizistischen<br />

Gebäuden folgt Grundsätzen nachhaltiger Gestaltung<br />

und Entwicklung, die der britische Thronfolger Prinz<br />

Charles entworfen hat. Prinz Charles war auch maßgeblich<br />

an der Entwicklung des baulichen Konzeptes<br />

beteiligt. Ein Teil davon ist die Auflage, dass mindestens<br />

20 Prozent der in Poundbury verbrauchten<br />

Energie aus erneuerbaren Quellen stammen muss.<br />

Fotos: Martin Egbert<br />

94


Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />

International<br />

Oben links: Speichertanks für grünes CO 2<br />

.<br />

Unten: Der Tanklaster kommt auf die Rainbarrow<br />

Farm fast jeden Tag, weil die Nachfrage nach<br />

„Grünem CO 2<br />

“ hoch ist.<br />

Prinz Charles an Biogasanlage beteiligt<br />

Dank der Rainbarrow Farm sind es mittlerweile 40<br />

Prozent, vor allem durch das Biomethan, aber auch<br />

durch den überschüssigen Strom aus dem Blockheizkraftwerk<br />

der Farm, das ansonsten vor allem für den<br />

Eigenbedarf der Biogasanlage produziert. Der Thronfolger<br />

ist auch wichtigster Anteilseigner der JV Energen,<br />

der Betreiberin der Biogasanlage, neben vier<br />

Farmern aus der Umgebung.<br />

Von deren 1.800 Hektar Land stammt das Substrat<br />

aus Roggen und Hafer als Ganzpflanzensilage sowie<br />

Mais. „Die Böden hier sind sehr kreidehaltig.“ Sebastian<br />

Ganser zeigt auf die Kante der Senke,<br />

die einen guten Blick in das Bodenprofil<br />

bietet. „Das beschränkt den Anbau von<br />

Mais.“ Anfangs bestand ein Viertel des<br />

Substrates aus Lebensmittelabfällen,<br />

unter anderem von einem Müslihersteller<br />

und einer Schokoladenmanufaktur aus<br />

der Umgebung. „Um den Methanertrag<br />

zu steigern, haben wir das aber geändert, zumal die<br />

lokalen Lebensmittelproduzenten ihren Betrieb eingestellt<br />

haben“, erklärt Ganser.<br />

Eine Tonne Lebensmittelabfälle bringt einen Ertrag<br />

von 120 Kubikmeter Biogas, der energiereiche Mais<br />

hingegen 210 Kubikmeter. Mit der Umstellung auf<br />

ausschließlich nachwachsende Rohstoffe und einigen<br />

technischen Veränderungen konnten die Betreiber<br />

ihre Einspeiseleistung von 365 Kubikmeter<br />

pro Stunde auf 450 Kubikmeter steigern. Seit einer<br />

Erweiterung der Anlage im vergangenen Jahr speist<br />

diese nun 650 Kubikmeter stündlich ein.<br />

Allein die Membranen<br />

für die Aufbereitung<br />

von Biogas zu Biomethan<br />

kosten einige<br />

Tausend Euro.<br />

95


International<br />

Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />

Vor seiner Lagerung in den<br />

Außtentanks muss das CO 2<br />

gekühlt und komprimiert werden.<br />

Blooming Amazing,<br />

der Dünger aus den<br />

Gärresten der Rainbarrow<br />

Farm, ist in<br />

vielen Gartencentern<br />

präsent.<br />

„Wir streben einen<br />

Club von Erzeugern von<br />

Green CO 2<br />

an“<br />

Sebastian Ganser<br />

Mitbetreiber Nick Finding hat die Entwicklung<br />

der eigenen Düngermarke maßgeblich<br />

vorangetrieben.<br />

CO 2<br />

-Gewinnungsanlage in Betrieb<br />

genommen<br />

Wie die Idealstadt Poundbury hat auch die Biogasanlage<br />

der Rainbarrow Farm Modellcharakter. Das<br />

Vorantreiben grüner Ideen hat Vorrang. „Wir bringen<br />

die Anlage alle zwei bis drei Jahre auf ein neues Level<br />

– das ist sehr spannend“, berichtet Ganser, der<br />

vor seiner Anstellung in Dorset vor sieben Jahren bei<br />

Agrarferm in Pfaffenhofen gearbeitet hat, dem Erbauer<br />

der Biogasanlage der Rainbarrow Farm. Wie<br />

zum Beweis fährt hinter Ganser ein Tanklastzug an<br />

die erst vor wenigen Monaten eröffnete Abscheideund<br />

Lageranlage für CO 2<br />

, deren blitzblanke Tanks in<br />

der Morgensonne funkeln. Auch der Beton der Rampe<br />

leuchtet noch sauber und hell. Mit einem lauten<br />

Zischen schließt der Fahrer den Lastzug zur Befüllung<br />

an.<br />

Fast umgerechnet 2,4 Millionen Euro hat die CO 2<br />

-<br />

Aufbereitung inklusive der Lagertanks sowie einer eigenen<br />

Zertifizierungseinheit gekostet. Die Investition<br />

soll den wirtschaftlichen Betrieb der Biogasanlage<br />

sichern, auch dann noch, wenn die Einspeiseförderung<br />

in elf Jahren auslaufen wird. „Wir sind 2012 mit<br />

einer Vergütung von komfortablen 16,6 Eurocent pro<br />

Kilowattstunde (kWh) Biomethan gestartet“, erklärt<br />

Ganser. Eine heute ans Netz angeschlossene Anlage<br />

muss nach dem Green Gas Support Scheme der<br />

britischen Regierung mit knapp 6 Eurocent pro kWh<br />

auskommen.<br />

Auf diese 6 Eurocent kommt der aktuelle Marktpreis<br />

für Gas. Der beträgt gerade rund 8 Eurocent pro kWh.<br />

Eine neue Anlage erzielt in diesem Jahr also rund 14<br />

Eurocent pro kWh. Damit lässt es sich leben. Letztes<br />

Jahr aber lag der Marktpreis bei gerade einmal 0,6<br />

Eurocent pro kWh. Damit lässt es sich nicht leben.<br />

Die Lagerung und Vermarktung von CO 2<br />

regelt eine<br />

britische Vorgabe, die den Klimagas-Fußabdruck der<br />

Anlagen begrenzt. In die jährliche Bilanzierung für<br />

die Regulierungsbehörde Ofgem fließen der Dieselverbrauch<br />

der Anlieferung von Substrat ebenso ein<br />

wie der Einsatz von Dünger – und eben auch der Ausstoß<br />

von CO 2<br />

bei der Biogas-Aufbereitung.<br />

Auch deshalb lagern und verkaufen mittlerweile von<br />

den 90 in das Erdgasnetz einspeisenden Anlagen<br />

Großbritanniens bereits zehn ihr CO 2<br />

, anstatt es in<br />

96


Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />

International<br />

die Atmosphäre auszustoßen. Die meisten davon<br />

vermarkten es als Green CO 2<br />

über den französischen<br />

Gasgiganten Air Liquide. Nicht so Rainbarrows JV<br />

Energen. Mit Biocarbonics hat das Konsortium ein<br />

weiteres Joint Venture gegründet, um das Green CO 2<br />

direkt zu vermarkten. „Wir streben einen Club von<br />

Erzeugern von Green CO 2<br />

an“, sagt Ganser. Zurzeit<br />

versorgt Biocarbonics eine Cidre-Brauerei sowie eine<br />

Obstfarm in der Nachbarschaft, die CO 2<br />

als Dünger in<br />

ihren Gewächshäusern einsetzt.<br />

Das in der Lebensmittelbranche vielfältig benötigte<br />

CO 2<br />

ist auf der Insel ein hochgefragtes Gut. Kürzlich<br />

scheuchten die Boulevardblätter ihre Leser mit der<br />

Ankündigung auf, dass es wegen der Knappheit an<br />

CO 2<br />

bald kein Bier mehr gebe. Der Hintergrund: CO 2<br />

ist ein Nebenprodukt der Düngemittelherstellung, die<br />

auf der Insel vor allem in zwei Fabriken stattfindet,<br />

die der US-amerikanischen Firma CF Industries gehören.<br />

Diese hatten wegen der hohen Energiepreise<br />

vorübergehend ihre Produktion an andere Standorte<br />

verlagert.<br />

Erst die Zusicherung vieler Millionen Pfund aus Steuergeldern,<br />

die genaue Summe wurde nicht bekanntgegeben,<br />

ließ den Konzern die Produktion wieder<br />

aufnehmen. Der Preis für CO 2<br />

aber bleibt hoch. Zurzeit<br />

kann man 350 bis 450 Euro pro Tonne erzielen,<br />

anstatt den vorher üblichen 120 Euro.„Wir haben die<br />

Anlage also zur richtigen Zeit in Betrieb genommen“,<br />

zeigt sich Sebastian Ganser zufrieden.<br />

CO 2<br />

für Lebensmittelindustrie<br />

Pro Stunde produziert die Anlage von Biocarbonics<br />

700 bis 750 Kilogramm Green CO 2<br />

. Aufgrund seiner<br />

Reinheit von 99,7 Prozent ist dieses tauglich für den<br />

Einsatz in Lebensmitteln und nicht nur als Dünger in<br />

Gewächshäusern. Die beiden Tanks, in denen das CO 2<br />

unter einem Druck von 20 bar bei einer Temperatur<br />

von minus 20 Grad Celsius lagert, fassen die Produktion<br />

von vier Tagen. „Viel lagern können wir also<br />

nicht“, weiß Sebastian Ganser. Müssen sie aber auch<br />

nicht. „Was nicht an die beiden festen, vertraglich<br />

gebundenen Abnehmer geht, verkaufen wir immer<br />

schnell auf dem freien Markt.“<br />

Auch was Dünger angeht, hat die Rainbarrow Farm<br />

eine Alternative zu bieten. Mit einem Dünger aus den<br />

Gärresten konnten die vier Farmer auf ihren eigenen<br />

Feldern die Erträge um zwei bis vier Prozent steigern<br />

und zwei Drittel gekauften Mineraldünger einsparen.<br />

Und der hohe Anteil organischer Masse verbessert<br />

nachhaltig die Böden. Als Mulch sorgt er für Feuchtigkeit.<br />

Vor allem aber hat die Rainbarrow Farm mit<br />

der Entwicklung der Dünger-Marke Bloomin Amazing<br />

ein weiteres zukunftsweisendes Produkt erarbeitet.<br />

In einem der Ställe des ehemaligen Milchviehbetriebes<br />

der Farm rattert eine Verpackungsanlage. Pro<br />

Stunde stapelt ein Roboter über 400 grünbraune Säcke<br />

je 50 Liter beziehungsweise 10 Kilogramm auf<br />

Paletten. Sie werden an Gartencenter in England,<br />

Schottland und Wales geliefert. Von den 12.000<br />

Tonnen Gärrest pro Jahr gehen immerhin mittlerweile<br />

3.000 Tonnen diesen Weg. Weitere 3.000 Tonnen<br />

verkauft die Farm an ein lokales Kompostwerk.<br />

Gärdünger für 450 Gartencenter<br />

„Wir haben sehr viel Zeit und Geld in die Entwicklung<br />

der Marke gesteckt“, sagt Nick Finding, einer der an<br />

der Biogasanlage beteiligten Farmer. Finding hat die<br />

Herstellung und Vermarktung des Düngers maßgeblich<br />

vorangetrieben. „Am Anfang, vor drei Jahren,<br />

belieferten wir drei Gartencenter, heute sind es 450,<br />

dazu zählen die Filialen der wichtigsten Ketten.“<br />

Beim Boom geholfen hat der Trend zum Gärtnern<br />

während der Covid-19-Pandemie. Ein Sack kostet im<br />

Handel umgerechnet rund 7 Euro. Selbst wenn das<br />

nicht viel Marge verspricht, weiß Finding um<br />

Oben: Leitungsverlegung<br />

in Attleborough,<br />

eine der beiden<br />

aktuellen Baustellen<br />

von Bioconstruct in<br />

Großbritannien.<br />

Unten: In Evercreech<br />

sind bereits die<br />

Entschwefelungsnetze<br />

über die Fermenter<br />

gespannt.<br />

97


International<br />

Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />

Das Lager für komprimiertes Biomethan<br />

im Busdepot von Nottingham.<br />

Entpackung und Befüllung auf der Bore Hill Farm, eine<br />

der ersten Anlagen in England für Lebensmittelabfälle.<br />

den entscheidenden Vorteil: „Wir verkaufen unsere<br />

Reststoffe, anstatt sie gegen Bezahlung entsorgen zu<br />

müssen.“<br />

Großbritannien hat also vielversprechende Ansätze<br />

zu bieten. Aber nutzt das Land sein Potenzial für grüne<br />

Energie ausreichend? Bis 2050 will das britische<br />

Königreich klimaneutral werden, etwa indem bereits<br />

2024 das letzte Kohlekraftwerk abgeschaltet wird.<br />

Atomstrom soll als Übergangstechnologie die Lücke<br />

schließen. Gleichzeitig will man das „Saudi-Arabien<br />

der Windenenergie“ werden. Bis 2030 soll die aktuelle<br />

Windkraftleistung von 10 Gigawatt vervierfacht<br />

werden, vor allem durch den Ausbau der Offshore-<br />

Windkraft. Biogas kommt bisher wenig in der Strategie<br />

der konservativen Regierung vor.<br />

Anlässlich der Weltklimakonferenz COP26 in Glasgow<br />

forderte der britische Biogasverband Anaerobic<br />

Digestion and Bioresources Association (ADBA) mehr<br />

Unterstützung für eine Technologie, die nach seiner<br />

Einschätzung für 6 Prozent der bis 2030 geplanten<br />

Klimagas-Reduktion sorgen könnte.<br />

Biomethan rechnerisch für 1,3 Millionen<br />

Haushalte<br />

Bislang tragen die 685 Biogasanlagen Großbritanniens<br />

gerade einmal zu einem Prozent zur Reduktion<br />

bei. Sie produzieren 16 Terawattstunden Biogas<br />

pro Jahr. Ein Teil wird als aufbereitetes Biomethan<br />

ins nationale Netz eingespeist, um für Wärme und<br />

Kraftstoff genutzt zu werden. Rein rechnerisch wür-<br />

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98<br />

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Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />

International<br />

Gary Mason hat bei Nottingham City<br />

Transport einen Großteil der Doppeldeckerflotte<br />

auf Biomethan umgestellt.<br />

Der bereits vielfach ausgezeichnete<br />

Thomas Minter ist einer der Pioniere<br />

der britischen Biogasbranche.<br />

Die Erträge der Bore Hill Farm zeigen, dass<br />

sich ständige Optimierung lohnt.<br />

de dieser Anteil zurzeit für 1,3 Millionen britische<br />

Haushalte ausreichen. Würde das Potenzial voll ausgeschöpft,<br />

ließen sich damit jedoch 6,4 Millionen<br />

Haushalte versorgen.<br />

Anstatt aber diese bereits entwickelte Technologie zu<br />

fördern, hat die britische Regierung die Einspeisetarife<br />

für Strom aus Biogas gestrichen und sie für die<br />

Methaneinspeisung immer weiter heruntergefahren.<br />

Auch die Verkehrsemissionen ließen sich mit Biomethan<br />

senken. Der Verkehr ist mit 27 Prozent der<br />

Sektor mit dem höchsten Anteil der Klimagasemission<br />

Großbritanniens. Lkw und Busse verantworten<br />

davon ein Fünftel. Mit Biomethan könnte dieser Anteil<br />

nach Angaben des ADBA um 38 Prozent gesenkt<br />

werden.<br />

„Kommunen und große Einzelhändler nutzen bereits<br />

erfolgreich mit Biomethan betriebene Fahrzeugflotten,<br />

um ihren Betrieb zu dekarbonisieren – warum unterstützen<br />

die politischen Entscheidungsträger diese<br />

Option nicht stärker?“, fragt Charlotte Morton. Die<br />

Vorsitzende des ADBA bemängelt einen fehlenden<br />

gesetzlichen Rahmen, zu wenig Unterstützung durch<br />

Förderungen sowie Chaos in der Regierung. „Minister<br />

haben angekündigt, die Produktion von Biogas<br />

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International<br />

„Die<br />

Betriebskosten sind<br />

gleich zum Diesel, das wird<br />

sich jedoch ändern bei den<br />

rasant steigenden<br />

Kraftstoffpreisen“<br />

Gary Mason<br />

bis 2030 verdreifachen zu wollen, im aktuellen Plan<br />

zur Dekarbonisierung des Transportsektors kommt<br />

Anaerobic Digestion noch nicht einmal vor.“<br />

Nottingham – Stadt der Biogasbusse<br />

Dabei gibt es sehr erfolgreiche Beispiele. Eines lässt<br />

sich in der mittelenglischen Stadt Nottingham besichtigen.<br />

„Unsere Biomethan betriebenen Doppeldeckerbusse<br />

vermeiden 8.000 Tonnen CO 2<br />

-Emissionen<br />

pro Jahr im Vergleich zu Diesel betriebenen<br />

Fahrzeugen der Euro Norm 6“, sagt Gary Mason,<br />

technischer Leiter von Nottingham City Transport.<br />

„Hinzu kommt die Vermeidung von 81 Tonnen Stickoxiden<br />

sowie 1,6 Tonnen Feinstaub.“<br />

Hinter Mason herrscht reger Betrieb im Busdepot der<br />

Stadt. In dem Asphalt des Hofes sind noch alte Straßenbahnschienen<br />

auszumachen. Das Gebäude wurde<br />

1926 gebaut. Nun stehen hier moderne Füllstationen<br />

für Biomethan und eine Anlage zur Kompression.<br />

„Das Gas kommt mit einem Druck von 25 Millibar aus<br />

100


Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />

Dem öffentlichen Nahverkehr im bunten Nottingham verhilft Biogas zu einem<br />

neuen Image. Wo früher Straßenbahnen parkten, steht heute eine hochmoderne Anlage<br />

zur Befüllung der Busse. Für die Mitarbeiter ist der Umgang mit den gasbetriebenen<br />

Bussen längst Routine.<br />

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von CH 4<br />

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S, CO 2<br />

, H 2<br />

und O 2<br />

mit und ohne Gasaufbereitung<br />

für NO x<br />

, CO und O 2<br />

, mehrere<br />

Meßstellen (44. BlmSchV.)<br />

*<br />

SSM 6000 ECO<br />

*<br />

*<br />

dem Netz,“ erklärt Mason. „Wir komprimieren<br />

es auf 300 bar, damit die Busse<br />

eine Reichweite von 250 Meilen (rund<br />

400 Kilometer) haben, das genügt für<br />

den Schnitt von täglich 150 Meilen.“<br />

Es ist 19.00 Uhr. Die meisten Bus-Linien<br />

der Universitätsstadt werden nun<br />

ausgedünnt. Entsprechend viele Busse<br />

kommen zum Auftanken an eine der fünf<br />

Füllstationen. Fahrer in schwarzen Uniformen<br />

unter ihren Sicherheitswesten<br />

klettern mit müden Gesichtern aus den<br />

Bussen. Das Fahrverhalten der mit Gas<br />

betriebenen Busse sei ruhiger, berichten<br />

die meisten, was sie selbst und die<br />

Passagiere sehr zu schätzen wüssten. Die<br />

ersten Biomethan-Busse hat Gary Mason<br />

2017 in Betrieb genommen.<br />

Seit 2019 laufen 120 Doppeldeckerbusse<br />

von Nottingham City Transport damit.<br />

Im Februar <strong>2022</strong> kommen weitere 23<br />

hinzu. „Dann fährt die Hälfte unserer gesamten<br />

Doppeldecker-Flotte mit grünem<br />

Gas“, freut sich Gary Mason. Nottingham<br />

ist die britische Stadt mit der größten<br />

Biogas-Doppeldeckerflotte in Großbritannien,<br />

dicht gefolgt von Bristol mit 100<br />

Doppeldeckern.<br />

Und die Kosten? Die zum Teil von der Regierung<br />

bezuschusste Infrastruktur hat<br />

umgerechnet 3 Millionen Euro gekostet.<br />

Nicht viel im Vergleich zu den Anschaffungskosten<br />

von 300.000 Euro für einen<br />

Diesel-Doppeldecker. Die Umrüstung pro<br />

Bus wiederum kostet rund 50.000 Euro.<br />

„Die Betriebskosten sind gleich zum<br />

Diesel, das wird sich jedoch ändern bei<br />

den rasant steigenden Kraftstoffpreisen,<br />

dann kommen wir mit Biogas wahrscheinlich<br />

deutlich günstiger weg“, sagt Gary<br />

Mason.<br />

Trotzdem will er mit dem Versorger Air Liquide<br />

um einen Anteil an den Einnahmen<br />

aus den CO 2<br />

-Zertifikaten verhandeln, von<br />

denen Nottingham City Transport bisher<br />

nichts abbekommt. Zurzeit stammt<br />

das Biomethan für die Busse aus einer<br />

Anlage in dem gut 240 Kilometer entfernten<br />

Gloucester. Solcherart bilaterale<br />

Vereinbarungen zwischen Erzeuger und<br />

Verbraucher sind in Großbritannien möglich.<br />

Bald soll das Gas aus einer Anlage<br />

direkt bei Nottingham stammen, die mit<br />

Brauereiresten und Lebensmittelabfällen<br />

betrieben wird. „Dann schließt sich ein<br />

noch kleinerer Kreislauf “, sagt Gary Mason.<br />

Um die Nutzung von organischen Abfällen<br />

in Biogasanlagen zu fördern, erhalten<br />

die Betreiber nur den im Green Gas<br />

Support Scheme festgelegten Fördertarif,<br />

wenn sie die Hälfte des Methans aus<br />

Lebensmittelabfällen gewinnen. Nach<br />

Berechnungen des ADBA werden zurzeit<br />

45 Millionen Tonnen organischer Abfälle<br />

in Biogasanlagen genutzt. Mit 170<br />

101<br />

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Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />

Millionen Tonnen wäre das Potenzial fast viermal so<br />

hoch. Thomas Minter ist eine Art Pionier der nachhaltigen<br />

Nutzung von organischen Abfällen. Minter<br />

kommt aus der Immobilienbranche. Zum Biogas ist<br />

er über das Thema nachhaltiges Bauen gekommen.<br />

Bore Hill Farm – erste britische<br />

Bioabfallanlage<br />

„Unsere Anlage war eine der ersten in Großbritannien,<br />

die ausschließlich mit organischen Abfällen<br />

lief“, so Minter. Er steht auf dem Hof der vielfach<br />

ausgezeichneten Bore Hill Farm. Seine Anlage mit<br />

zwei 400 Kubikmetern großen Fermentern und einem<br />

300 Kubikmeter großen Vorhaltetank liefert seit<br />

2012 Methan. Die organischen Abfälle bezieht Minter<br />

von Molkereien, Schlachthöfen oder Lebensmittelbetrieben<br />

aus einem Umkreis von 80 Kilometern.<br />

Organische Siedlungsabfälle verwertet er nicht mehr.<br />

Der Grund dafür ist in seinem Büro zu besichtigen:<br />

Auf der Bank des Fensters mit Blick in die Halle mit<br />

der Entpackungsmaschine liegen Eisenketten, Plastikstücke,<br />

Stofftiere, Batterien und Turnschuhe. „Der<br />

Aufwand, das alles herauszutrennen, war zu hoch.“<br />

Anfangs gingen 17.000 Tonnen Abfall pro Jahr durch<br />

die Fermenter, heute sind es fast doppelt so viele.<br />

Die Verweildauer beträgt 30 bis 34 Tage. „Das haben<br />

wir durch die ständige Optimierung der Prozesse geschafft“,<br />

sagt Minter und nestelt an dem Funkgerät,<br />

das an seine gelben Sicherheitsweste geklippt ist.<br />

Zum Beispiel wird alle 15 Minuten neues Substrat<br />

in die Anlage gefüllt. „Das trainiert die Bakterien und<br />

fördert die Gasproduktion.“<br />

Ständig verbessern Minter und seine Mitarbeiter<br />

die Vorbereitung und Mischung der verschiedenen<br />

Substrate, die Effizienz der Pumpen und viele andere<br />

Dinge mehr. Das dankt die Anlage ihnen mit einem<br />

Methangehalt im Gas von 60 bis 64 Prozent.<br />

Damit betreibt Minter zwei Blockheizkraftwerke. Den<br />

erzeugten Strom speist er ein. Vor kurzem hat eine<br />

Studie der University of Bath nachgewiesen, dass die<br />

Stromerzeugung auf der Borehill Farm nicht nur kein<br />

Klimagas verursacht, sondern etwa 200 Gramm CO 2<br />

pro erzeugter kWh einspart.<br />

Anfangs bekam Minter für diesen Strom 19 Eurocent<br />

pro kWh, jetzt sind es noch 7. Die Biogas-Überschüsse<br />

der Anlage würden eine Erweiterung der Stromproduktion<br />

erlauben. Seit die Regierung die Fördertarife<br />

für elektrische Energie aus Biogas gestrichen hat,<br />

müssen Neuanlagen mit dem Marktpreis auskommen.<br />

„Zurzeit ist der zwar ganz gut, das aber ist sehr<br />

unsicher.“ Eine Einspeisemöglichkeit ins Gasnetz<br />

gibt es nicht in der Nähe der Borehill Farm. Zudem<br />

„Ein Produktionsprozess mit unzäh-<br />

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Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />

International<br />

erfordert die Aufbereitung hohe Investitionen. Deshalb<br />

fackelt Minter seine Überschüsse bislang ab. So<br />

werden wertvolle Ressourcen nicht genutzt.<br />

Großunternehmen, Banken und<br />

Aktiengesellschaften treten neuerdings als<br />

Investoren auf<br />

Die Festlegung der britischen Regierung auf Bioabfall<br />

als Substrat sowie die bevorzugte Einspeisung von<br />

Biomethan bestimmt, was auf der Insel neu gebaut<br />

wird – und ruft neue Akteure auf den Plan. Anstelle<br />

von Farmern und anderen kleinen Investoren sind es<br />

nun Infrastrukturunternehmen, Banken und Aktiengesellschaften,<br />

die in Biogasanlagen investieren. Das<br />

zeigen auch die beiden aktuellen Projekte von Bioconstruct<br />

aus Deutschland.<br />

Großbritannien gehört mit bisher 25 fertiggestellten<br />

Anlagen zu den wichtigsten Märkten des Unternehmens<br />

aus Melle bei Osnabrück. Zurzeit baut Bioconstruct<br />

in Attleborough in der Grafschaft Norfolk<br />

und in Evercreech in Sommerset zwei Anlagen zur<br />

Einspeisung von Biomethan, die mit organischen<br />

Abfällen betrieben werden. Die in Attleborough soll<br />

den Großteil der fast 4.500 Haushalte des Ortes mit<br />

Wärme versorgen. Noch etwas größer wird die Anlage<br />

in Evercreech mit insgesamt 9.000 Kubikmeter fassenden<br />

Fermentern und einer Nachgärung mit 8.500<br />

Kubikmeter Volumen.<br />

Beide Anlagen sollen ab März <strong>2022</strong> einspeisen. Im<br />

Winter wird deshalb auch nach Einbruch der Dunkelheit<br />

unter Flutlicht auf den Baustellen geklotzt.<br />

In Evercreech wurden bereits einige Rührwerke montiert.<br />

Die grünen Entschwefelungsnetze sind über die<br />

Fermenter gespannt, in Kürze folgen die Doppelmembranspeicher.<br />

Daneben decken Männer mit Helmen<br />

und Sicherheitswesten das Dach der riesigen Entpackungshalle.<br />

Auftraggeber in Attleborough ist Privilege Finance,<br />

die nach eigenen Angaben in den letzten 18 Jahren<br />

mit rund 350 Millionen Euro 30 Biogasanlagen finanziert<br />

hat. In Evercreech ist es die international tätige<br />

Macquarie Capital. Die englische Schwesterfirma von<br />

Bioconstruct wird beide Anlagen warten und betreiben.<br />

Das ist aufgrund des Substrates eine anspruchsvolle<br />

Aufgabe.<br />

Überhaupt ist so einiges schwieriger geworden in<br />

Großbritannien. Zunächst stürzte nach dem Brexit<br />

das britische Pfund ab. Dann kamen Zölle auf Stahl.<br />

Ab <strong>2022</strong> gelten neue Baustandards, die eingehalten<br />

werden müssen. „Das hilft alles nicht gerade“, sagt<br />

Andreas Bröcker, verantwortlich bei Bioconstruct für<br />

den englischen Markt. Hinzu kommen stark<br />

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103


International<br />

Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />

Brian Harper und<br />

seine Biogas-Anlage<br />

für dog poo.<br />

Leuchtendes Beispiel<br />

für die Wertigkeit von<br />

Hundekot: Brian Harpers<br />

Gaslaterne. <br />

gestiegene Rohstoffpreise, die man nicht<br />

weitergeben kann. „Die hohen Preise für<br />

Stahl und Beton könnten auch die Finanzierung<br />

von Projekten gefährden, die noch<br />

in der Pipeline stecken“, lässt Andreas<br />

Bröcker einblicken.<br />

Mobile Container-Biogasanlagen<br />

Das wäre schade. Großbritannien hat<br />

Potenzial, ein gut ausgebautes Gasnetz<br />

und Mut zur Innovation. Das zeigen auch<br />

die Ideen der mehrfach ausgezeichneten<br />

Firma SEaB Energy, die mit ihren Biogasanlagen<br />

in Containern die Technik zum<br />

Substrat bringt anstatt andersherum. Die<br />

Container werden komplett gefertigt zum<br />

Standort transportiert und dort in wenigen<br />

Tagen aufgebaut. „Das spart Klimagasemissionen,<br />

Baukosten und Transportaufwand“,<br />

sagt Gründerin Sandra Sassow.<br />

Ab einer Menge von 400 Kilogramm Lebensmittelabfällen<br />

oder<br />

Dung soll sich der Betrieb<br />

einer solchen modularen<br />

Anlage lohnen,<br />

die aus mindestens drei<br />

Containern besteht, einem<br />

Fermenter, einem<br />

Steuerungszentrum sowie<br />

einem BHKW. Kombinieren<br />

kann man diese<br />

noch mit einer Einheit<br />

zur Düngerherstellung.<br />

Die Besitzer oder Mieter<br />

der Anlagen können<br />

damit ihren Standort<br />

wechseln oder je nach<br />

Substrataufkommen die<br />

Anzahl der Fermenter<br />

verändern.<br />

Das System kommt ohne<br />

Rührwerk aus. Für Bewegung<br />

im Substrat sorgen<br />

ausschließlich die Pumpen.<br />

Auch braucht es<br />

kein zusätzliches Wasser,<br />

weil die im Substrat<br />

enthaltene Feuchtigkeit<br />

im System zirkuliert.<br />

Bei der maximalen Substratzufuhr<br />

von 2.500<br />

Kilogramm Lebensmittelabfällen<br />

soll die Anlage<br />

pro Tag nach Abzug<br />

des Eigenbedarfs 40<br />

kWh Strom und 70 kWh<br />

Wärme liefern. Vor allem<br />

aber spart sie den Betreibern Entsorgungskosten.<br />

Der genaue Preis wird nicht<br />

verraten. Nach Angaben von SEaB aber<br />

soll sie sich schon nach zwei bis sechs<br />

Jahren amortisieren. Bisher konnte SEaB<br />

Energy zwölf Anlagen verkaufen, davon<br />

sieben ins Ausland. Zu den Kunden zählen<br />

Supermärkte, Krankenhäuser oder<br />

Großunternehmen mit eigener Kantine.<br />

Hundekot für Gaslaterne<br />

Den wohl eigenwilligsten Innovator treffen<br />

wir am Ende der Reise. „Ich bin nicht der<br />

verrückte Erfinder, für den Sie mich halten“,<br />

sagt Brian Harper zur Begrüßung.<br />

Er steht vor seinem Haus im malerischen<br />

Malvern in Worcestershire auf einer Leiter,<br />

um eine Gaslaterne zu illuminieren.<br />

Betrieben wird sie mit Methan aus seinem<br />

selbst konstruierten Fermenter für Hundekot.<br />

Etwa 30 Papiertüten gefüllt mit<br />

Hundekot genügen für eine Stunde Licht.<br />

„Die Hundebesitzer erkennen so den Wert<br />

der Hinterlassenschaften ihrer Tiere“, erklärt<br />

Brian Harper. Und entfernen diese<br />

wirklich von Wegen, Wiesen und Straßen.<br />

„Manche trainieren sogar ihre Hunde<br />

dazu, ihr Geschäft möglichst nah an<br />

der Anlage zu erledigen.“ Die Idee dazu<br />

stammt ursprünglich von einer Studentengruppe<br />

am Massachusetts Institute<br />

of Technology (MIT). Brian Harper hat sie<br />

mit finanzieller Unterstützung der Landschaftsschutzbehörde<br />

Malvern Hills Area<br />

of Outstanding Natural Beauty umgesetzt.<br />

Mit seiner Mini-Biogasanlage hat der<br />

70-jährige Elektroingenieur, der früher<br />

ein international erfolgreiches Unternehmen<br />

für hochsensitive Kamerasysteme<br />

betrieben hat, schon bis ins japanische<br />

Fernsehen gebracht. Das Ganze aber ist<br />

kein Scherz. Mit seiner Firma Sight Designs<br />

will Harper die Anlage an Gemeinden,<br />

Parkverwaltungen oder Hundevereine<br />

verkaufen. Die spinnen, die Briten? Auf<br />

gar keinen Fall.<br />

Autor<br />

Klaus Sieg<br />

Freier Journalist<br />

klaus@siegtext.de<br />

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104


Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />

International<br />

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105


International<br />

Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />

Zagreb<br />

Kroatien<br />

Biogaspotenzial noch<br />

nicht ausgeschöpft<br />

Zagreb: Noch fährt<br />

die Tram in der kroatischen<br />

Hauptstadt mit<br />

grauem Strom<br />

Die Biogasbranche in Kroatien ist zwar noch klein, aber im ländlichen Raum schon<br />

vielerorts sichtbar. Allerdings sind die Betriebskonzepte nicht überall optimal gestaltet.<br />

Es bedarf noch mancher Nachbesserung, damit die Biogasbranche den Umbau des<br />

kroatischen Energiesystems nachhaltig mitgestalten kann.<br />

Von Dierk Jensen<br />

Ein Zaun umrandet das landwirtschaftliche<br />

Betriebsgelände. Der Besucher am Werkstor<br />

muss erst einmal durch ein Desinfektionsbad<br />

waten, will er im Örtchen Mala<br />

Branjevina in der Nähe der Stadt Osijek<br />

den Großbetrieb, der zum Mischkonzern Žito Grupa<br />

gehört, von Nahem betrachten. 800 Kühe werden<br />

hier in mehreren Großställen gemolken; vor fünf<br />

Jahren ist eine Biogasanlage in Betrieb genommen<br />

worden. An einem Standort, wo früher, in jugoslawisch-sozialistischer<br />

Zeit, eine Landwirtschaftliche<br />

Produktionsgenossenschaft existierte.<br />

„Jede große Farm sollte so eine Anlage wie unsere<br />

haben“, meint Jakob Zvonarić ziemlich selbstbewusst<br />

vor den Containern stehend, in denen zwei Blockheizkraftwerke<br />

(BHKW) mit je 2 Megawatt (MW) elektrischer<br />

Leistung des Herstellers Jenbacher untergebracht<br />

sind. Sie speisen den Strom ins Stromnetz des<br />

staatlichen Energieversorgungsunternehmens HEP<br />

(Hrvatska Elektroprivreda d.d.). Gefüttert wird die<br />

Biogasanlage, die über drei Fermenter und zwei große<br />

Gülle-Lagunen verfügt, zum einen mit Mais, zum<br />

anderen mit Gülle und Festmist, der vom Kuhbestand<br />

und dessen Nachzucht herrührt.<br />

18 Eurocent pro Kilowattstunde Strom<br />

Eine Flexibilisierung der Stromproduktion ist auf dieser<br />

Biogasanlage im östlichen Landesteil Slawonien,<br />

dem landwirtschaftlichen Herz Kroatiens unweit der<br />

EU-Außengrenze zum östlichen Nachbarn Serbien,<br />

noch gar kein Thema. „Unsere Motoren laufen 24<br />

Stunden auf volle Power“, verrät Zvonarić zum Abschied.<br />

Der garantierte Einspeisepreis liegt bei 1,35<br />

Kunas pro Kilowattstunde – umgerechnet knapp 18<br />

Eurocent.<br />

Während in der weiteren Umgebung von Branjevina<br />

keine weitere Biogasanlage existiert, stehen am<br />

Rande des Ortes Slatina gleich zwei große Anlagen –<br />

kurioserweise nur ein paar hundert Meter voneinander<br />

entfernt. Beide Anlagen werden hauptsächlich<br />

mit Energiepflanzen gefüttert. So herrscht während<br />

der Maisbergung Mitte September reger Ernteverkehr<br />

auf der Straße. Funkelnagelneue Erntetechnik,<br />

große Traktoren mit entsprechenden Ladewagen fahren<br />

zwischen den Feldern und den Silos neben den<br />

Biogasanlagen unermüdlich hin und her. Bis in die<br />

Nacht hinein.<br />

Große Radlader schieben das Gehäckselte in atemberaubende<br />

Höhen. Die Temperaturen liegen Mitte<br />

Foto: Jörg Böthling<br />

106


Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />

International<br />

Oben: Silierung von Mais auf der Biogasanlage<br />

der Bioplin Proizvodnja d.o.o. bei Slatina;<br />

unten: Biogasanlage der Zito Gruppe<br />

„Jede große Farm sollte so eine<br />

Anlage wie unsere haben“, meint<br />

Anlagenleiter Jakob Zvonaric <br />

September sogar am frühen Abend noch<br />

knapp unter 30 Grad Celsius – und das<br />

nach einem extrem heißen wie trockenen<br />

Sommer in Slawonien. Nur wer seine Felder<br />

ausreichend bewässern konnte, hat<br />

Erträge von etwas über 40 Tonnen pro<br />

Hektar einfahren können.<br />

Auf der Anlage des Betreibers Bioplin<br />

Proizvodnaja d.o.o. mit einer elektrischen<br />

Leistung von 1 MW wird zum Erntezeitpunkt<br />

das Aggregat vom Hersteller MWM<br />

gewartet. Da es keine Gaslagerkapazitäten<br />

gibt, wird das anfallende Biogas notgedrungen<br />

abgefackelt. Die Flamme der<br />

Notfackel ragt hoch in den blauen kroatischen<br />

Abendhimmel.<br />

107


International<br />

Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />

Tesla Museum in<br />

Smiljan: Drahtlose<br />

Stromübertragung<br />

Biogasanlage in der<br />

Nähe von Osijek:<br />

Großer Milchviehbetrieb<br />

mit großer<br />

Gülle-Lagune.<br />

Energiemais – Preise haben angezogen<br />

Während die beauftragten Techniker routiniert ihren<br />

Wartungsarbeiten am Gasmotor und seiner Peripherie<br />

nachgehen, erzählt der Anlagen-Mitarbeiter Ivan Osniak<br />

etwas über seinen Arbeitsplatz. „Wir brauchen<br />

rund 10.000 Tonnen Mais pro Jahr“, verrät er offenherzig<br />

und zeigt auf das große Werbeschild „Otkup<br />

Silaže“, was übersetzt so viel heißt wie „Kaufe Silage“.<br />

Denn die Substratpreise sind auch in der kroatischen<br />

Landwirtschaft in den letzten Jahren nach<br />

oben geschnellt, während zugleich die Preise für<br />

Fleisch und Milch tendenziell nach unten gerutscht<br />

sind. „Wir zahlen pro Tonne aktuell 230 Kuna (rund<br />

29 Euro), vor drei Jahren waren es noch 210 Kuna<br />

(rund 26 Euro)“, verweist Osniak auf einen Preisdruck,<br />

der auf eine Biogaserzeugung ohne effiziente<br />

Wärmenutzung lastet.<br />

Nebenan auf der Anlage der Agro PMD, an der zur<br />

Straße zugewandt ein großes Banner der Allianz<br />

hängt, sieht die Situation nicht viel anders aus. Au-<br />

Ventile in modularer Bauform<br />

neue technologie ermöglicht kleinste ansprechdrücke<br />

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Bauform. Wesentliche Vorteile der<br />

kubusförmigen Ventile sind:<br />

maximale modellflexibilität: Die<br />

modularen Ventile sind flexibel<br />

austausch- und kombinierbar –<br />

auch für seltene Ausführungen.<br />

optimale durchsatzleistung: Die<br />

kompakte Bauform sichert höhere<br />

Durchflussmengen mit geringeren<br />

Druckverlusten. Leckage-Raten<br />

werden auf ein Minimum reduziert.<br />

108<br />

Kleinste ansprechdrücke: Die vakuumseitige<br />

Ausführung mit einer Feder<br />

(statt Gewicht) ermöglicht kleinste<br />

Ansprechdrücke bis zu 1 mbar.<br />

Schnelle Wartung: Dass die Ventile<br />

von allen Seiten zugänglich sind,<br />

vereinfacht die Wartung und das<br />

Überprüfen der Innenteile.<br />

integrierte flammensperren: Mit<br />

Flammensperren kombinierte Ventile<br />

garantieren beste Leistungen und<br />

minimalen Druckverlust.<br />

Hohe Wirtschaftlichkeit: Kurze Lieferzeiten<br />

und geringer Lageraufwand<br />

reduzieren Kosten.<br />

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Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />

International<br />

Wenn die Notfackel<br />

emporragt, dann läuft<br />

es nicht optimal.<br />

ßer dass sie doppelt so groß ist; sie verfügt über zwei<br />

MWM-Aggregate zu jeweils 1,2 MW elektrischer Leistung.<br />

„Davon brauchen wir ungefähr 0,4 Megawatt<br />

Leistung allein für den Betrieb“, erklärt Betriebsleiter<br />

Josip Butka.<br />

Obgleich auch die von ihm betreute Anlage keine<br />

Wärmenutzung für Dritte vorweisen kann, wird die in<br />

großen Mengen anfallende Wärme über das notwendige<br />

Beheizen der Fermenter – in dieser Region mit<br />

manchmal bitterkalten Wintermonaten – immerhin<br />

auch für eine Gärrestetrocknung genutzt. Seit 2016<br />

ist die Anlage in Betrieb, erzählt der 30-jährige Butka<br />

beim Rundgang über die Anlage. Er hat eine Ausbildung<br />

zum Elektroingenieur absolviert und scheint die<br />

Technik souverän im Griff zu haben. Er fährt seine Anlage<br />

zu ungefähr einem Drittel mit Gülle und zu zwei<br />

Drittel mit Mais. Rund 90 Tonnen pro Tag werden<br />

in die Vergärung hineingegeben, macht insgesamt<br />

rund 30.000 Tonnen pro Jahr. So gibt es Verträge mit<br />

vielen Landwirtschaftsbetrieben in der Umge-<br />

Und die Gasspeicher<br />

sind prall gefüllt.<br />

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International<br />

Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />

Erneuerbare Energien<br />

sind im Kommen:<br />

wie hier bei einem<br />

Gemüseverkäufer im<br />

Neretva Tal.<br />

bung, die die Ernte auf einer Fläche von rund 500<br />

Hektar bereitstellen.<br />

Fehlende Akzeptanz aufgrund mangelnder<br />

Kenntnisse<br />

Dabei stehe die Biogaserzeugung in der Gunst der<br />

Bevölkerung offenbar nicht sonderlich hoch im Kurs.<br />

„Die Akzeptanz gegenüber unserer Arbeit und unserer<br />

Energieerzeugung ist in dieser Umgebung fast gegen<br />

null“, seufzt Butka, „die meisten verstehen auch gar<br />

nicht, was wir hier eigentlich machen.“ Butka identifiziert<br />

bei den meisten Kritikern einfach fehlende<br />

Kenntnisse zum Thema Biogas, das seiner Ansicht<br />

nach nur unterbelichtet in den Medien, in den Schulen<br />

oder auch in der Politik betrachtet wird.<br />

Nichtsdestotrotz sind die Voraussetzungen für einen<br />

behutsamen Ausbau der Biogasproduktion vor allem<br />

in den waldreichen mittleren und östlichen Landesteilen<br />

Kroatiens durchaus gegeben. So besteht ein<br />

großes Potenzial an aktuell unbebauten landwirtschaftlichen<br />

Flächen, das teilweise auf die Fluchtbewegungen<br />

während und nach dem kroatisch-serbischen<br />

Krieg in den Neunzigerjahren zurückzuführen<br />

ist, als viele hier ansässige Serbenfamilien Haus und<br />

Hof in Richtung Serbien verließen.<br />

Auf solchen Flächen wäre, ohne dass die bisherige<br />

landwirtschaftliche Erzeugung verdrängt werden<br />

würde, ein Anbau von Energiepflanzen durchaus<br />

denkbar. Zumal die Böden vielerorts fruchtbar sind<br />

und das Klima, wenn es nicht wie im Sommer 2021<br />

extrem heiß und trocken ist, vorteilhaft ist. In einer<br />

Publikation der Deutsch-Kroatischen Industrie- und<br />

Handelskammer (Stand Februar 2020) ist zu lesen,<br />

dass neben Energiepflanzen wie Mais & Co. auch 4,8<br />

Millionen Tonnen Gülle pro Jahr in Kroatien anfallen.<br />

Umgerechnet würde dies ein Biogaspotenzial<br />

ergeben, das ausreichen würde, so lautet es in der<br />

Dokumentation, um Anlagen mit einer installierten<br />

Leistung von 104 MW betreiben zu können.<br />

42 Biogasanlagen insgesamt in Betrieb<br />

Tatsächlich sind in ganz Kroatien bis Oktober 2021<br />

insgesamt aber erst 42 Biogasanlagen mit einer installierten<br />

Leistung von rund 47 MW in Betrieb. Fünf<br />

davon sind im Abfallsektor tätig, die einige Tausend<br />

Tonnen Bioabfälle vergären. Ebenso gibt es auch<br />

welche, die wie in der nördlichen Region Me imurje<br />

unter anderem aussortierte Kartoffeln und andere<br />

Gemüsereste vergären und vorbildlich in die landwirtschaftliche<br />

Produktion integriert sind.<br />

Für weitere, noch zu bauende Biogasanlagen mit einer<br />

Gesamtleistung von 8 MW Leistung ist zum Ende<br />

des dritten Quartals 2021 ein Einspeisevertrag zu<br />

festen Tarifen abgeschlossen worden. Da in Kroatien<br />

vor einigen Jahren ein Marktprämienmodell für Erneuerbare<br />

Energien eingeführt worden ist, wird die<br />

Lücke zu den konventionellen Strompreisen mit einer<br />

entsprechenden Prämie gefüllt.<br />

Ob nun die kroatische Biogasbranche sich weiter<br />

dynamisch entwickeln wird und am Ende das von<br />

einigen Experten genannte Potenzial von 360 Biogasanlagen<br />

wirklich umsetzt, ist allerdings mit Vorsicht<br />

abzuwarten. Vollkommen klar ist dagegen, dass<br />

Kroatien den Ausbau der Erneuerbaren Energien<br />

erheblich ankurbeln muss, um die ambitionierten<br />

Klimaschutzziele bis 2030 überhaupt errei-<br />

110


Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />

International<br />

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und Biogas 905 über wachen kontinuierlich<br />

oder dis kon ti nuierlich die Qualität des<br />

Biogases auf die Gaskompo nenten hin.<br />

Optional warnen zusätzliche Umgebungsluft-Sensoren<br />

frühzeitig vor gesundheitsge<br />

fähr denden, explo sions fähigen und<br />

nichtbrenn baren Gasen und Dämpfen.<br />

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Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />

Maisernte auf einer kroatischen Biogasanlage.<br />

Servicetechniker<br />

arbeiten an einem<br />

Aggregat des<br />

Herstellers MWM.<br />

Es sieht aus wie in<br />

Deutschland, doch<br />

noch sind erst rund<br />

50 MW installiert.<br />

chen zu können. Ein neues sogenanntes Grünbuch,<br />

das vom Energieinstitut Hrvoje Požar verfasst worden<br />

ist, gibt Ziele und Entwicklungsrichtungen für den<br />

Zeitraum bis 2030 mit Ausblick auf 2050 vor. Im<br />

Dokument werden zwei Szenarien aufgezeichnet: Im<br />

ersten, beschleunigten Szenario dominieren Erneuerbare<br />

Energien mit einem Anteil von 32 Prozent am<br />

Gesamtenergieverbrauch bis 2030 beziehungsweise<br />

52 Prozent bis 2050, während das zweite Szenario<br />

einen Anteil von 46 Prozent bis 2050 vorsieht.<br />

Ein Drittel Wasserkraft, ein Drittel<br />

fossile Kraftwerke<br />

Welches Szenario sich am Ende auch manifestiert,<br />

das westliche Balkanland steht zweifelsohne vor großen<br />

Herausforderungen. So basiert die Energieversorgung<br />

des knapp 4 Millionen Einwohner zählenden<br />

Landes immer noch zu einem großen Teil auf fossilen<br />

Brennstoffen. Wenngleich die Wasserkraft mit einer<br />

installierten Leistung von 2,2 Gigawatt (GW) mehr<br />

als ein Drittel des gesamten