1_2022 Leseprobe
Ausgabe 1_2022 des BIOGAS Journals, herausgegeben vom Fachverband Biogas e.V.
Ausgabe 1_2022 des BIOGAS Journals, herausgegeben vom Fachverband Biogas e.V.
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Fachverband Biogas e.V. | ZKZ 50073 | 25. Jahrgang<br />
www.biogas.org<br />
1_<strong>2022</strong><br />
BIOGAS Journal<br />
Das Branchenmagazin<br />
Ab Seite 50<br />
Titelthema<br />
Strip-till<br />
Berichte über die<br />
Biogas Convention 12<br />
Klimaschutz: Landwirtschaft<br />
nicht überfordern 74<br />
Großbritannien: Grünes CO 2<br />
im Kommen 94
Alles aus einer Hand -<br />
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Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />
Editorial<br />
Die Bioenergie<br />
in Deutschland<br />
soll eine<br />
neue Zukunft<br />
haben!!!<br />
Liebe Leserinnen und Leser,<br />
den Satz der Überschrift dieses Editorials<br />
findet der/die aufmerksame Leser*in<br />
auf Seite 57 des Koalitionsvertrages der<br />
neuen Regierung in Berlin. Damit sind<br />
die Erwartungen an die neuen politischen<br />
Verantwortlichen hoch gesteckt.<br />
Während der Biogasmesse Trade Fair in<br />
Nürnberg war die große Hoffnung der<br />
Besucher*innen an jedem Messestand<br />
zu hören, dass die neue politische Konstellation<br />
den deutschen Biogasmarkt<br />
wiederbelebt.<br />
Vor allem auch deshalb, weil die Marktsignale<br />
von den Energiemärkten neue positive<br />
Impulse senden. Sowohl der Börsenstrompreis<br />
als auch der Gaspreis lassen<br />
Biogasanlagenbetreiber von einer neuen<br />
Zukunft träumen. Leider ist die Bioenergiebranche<br />
nur an der einen Stelle im Koalitionsvertrag<br />
namentlich genannt und<br />
was damit genau gemeint ist, bleibt im<br />
Nebulösen.<br />
Um die Klimaziele zu erreichen, sind Milliarden-Investitionen<br />
notwendig. Hierzu<br />
bedarf es eines politischen Bekenntnisses<br />
für Biogas in der Energiewende. Denn<br />
es geht auch um Vertrauensbildung und<br />
Investitionsschutz. Es müssen Technologien<br />
weiterentwickelt werden. Das gesamte<br />
Strommarktdesign muss an die sich<br />
wechselnden Bedingungen angepasst<br />
werden. Denn um 80 Prozent Erneuerbare<br />
Energien im Stromsektor bis 2030<br />
und idealerweise auch den Kohleausstieg<br />
zu schaffen, bedarf es einer gewaltigen<br />
Innovations- und Investitionsoffensive in<br />
der Energiewende. Das, was in Deutschland<br />
entwickelt wird, soll eine Blaupause<br />
für andere Nationen sein. Wir wollen die<br />
Energiewende exportieren. Dazu braucht<br />
es aber einen funktionierenden Heimatmarkt,<br />
insbesondere für Biogas.<br />
Der Umbau der bestehenden Biogasanlagen<br />
in flexible Bioenergiekraftwerke<br />
stellt eine solch notwendige Investition<br />
beispielsweise dar, und sie bietet gleichzeitig<br />
eine Riesen-Chance. Die digitale<br />
Verknüpfung von Marktpreisentwicklungen<br />
und die Verfügbarkeit von Blockheizkraftwerken<br />
und Gaserzeugung sind die<br />
Innovationen, die notwendig sind, um<br />
Biogasanlagen selbstständig und selbstlernend<br />
werden zu lassen. Nur so kann in<br />
Zukunft die preisoptimale Strombereitstellung<br />
sichergestellt werden. Betriebswirtschaftliche<br />
Mehrerlöse dürfen nicht<br />
mehr vom Strommarktfachwissen des<br />
Anlagenfahrers abhängig sein.<br />
Aber es sind gerade die Änderungen und<br />
die damit verbundenen Neugenehmigungen,<br />
die aktuell eine hohe Hürde für die<br />
Bestandsanlage darstellen. Hier will die<br />
Regierung alle Hürden und Hemmnisse<br />
für den Ausbau von Erneuerbaren Energien<br />
abbauen. Dies wollen wir konstruktiv<br />
begleiten und mitgestalten.<br />
Für die Anpassung des Bestandes an die<br />
neuen Gesetzgebungen brauchen wir<br />
vernünftige, realistische Zeiträume. Die<br />
aktuellen Anpassungsphasen beispielsweise<br />
für die Nachhaltigkeitsverordnung<br />
oder die 44. BImSchV bedürfen eigentlich<br />
einer Verschiebung um mindestens<br />
12 Monate damit diese tatsächlich erreichbar<br />
sind. Es bedarf eines Moratoriums,<br />
um aktuelle Vorschriften auf ihre<br />
technische Machbarkeit zu überprüfen.<br />
Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit<br />
muss Einzug bei den Genehmigungsanträgen<br />
halten und die nächsten fünf<br />
Jahre sollte keine Novellierung oder neue<br />
Verordnung für den Bereich Biogas mehr<br />
eingeführt werden. Auch müssen die Genehmigungsverfahren<br />
erheblich verkürzt<br />
werden. Dass eine Standard-Güllekleinanlage<br />
einen Zeitraum von mehr als sechs<br />
Monaten benötigt, muss der Vergangenheit<br />
angehören.<br />
Wenn die ausgerufenen Ziele ernst gemeint<br />
sind, müssen wir erheblich an<br />
Geschwindigkeit aufnehmen, sonst verlieren<br />
wir nicht nur unser Ansehen als Industrienation.<br />
Biogas hat die Möglichkeit<br />
und die Flexibilität, diese Ziele zu erreichen.<br />
Wir als Biogas-Branche sind bereit,<br />
beim Erreichen der Ziele mitzuhelfen.<br />
Herzlichst Ihr<br />
Christoph Spurk,<br />
Vizepräsident des<br />
Fachverbandes Biogas e.V.<br />
3
Inhalt<br />
Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />
12<br />
18 – 20 November 2020, Hanover, Germany<br />
2021 digital<br />
50<br />
Editorial<br />
3 Die Bioenergie in Deutschland soll<br />
eine neue Zukunft haben!!!<br />
Christoph Spurk<br />
Vizepräsident des<br />
Fachverbandes Biogas e.V.<br />
AKTUELLES<br />
6 Meldungen<br />
8 Termine<br />
10 Biogas-Kids<br />
12 Biogasanlagen senken<br />
Börsen strompreise!<br />
Von Dipl.-Ing. agr. (FH)<br />
Martin Bensmann<br />
18 TA Luft für Biogasanlagen relevant<br />
Von Dipl.-Ing. agr. (FH)<br />
Martin Bensmann<br />
24 Nährstoffflüsse in den Anlagen<br />
ermitteln<br />
Von Thomas Gaul<br />
26 „Die Treibhausgas-Minderungsquoten<br />
für einzelne Substrate sind<br />
noch unscharf definiert“<br />
Von Thomas Gaul<br />
28 Nicht vom Bürokratie-Monster<br />
abschrecken lassen<br />
Von Christian Dany<br />
36 Geht es auch ohne Moleküle?<br />
Von Dipl.-Journ. Wolfgang Rudolph<br />
42 Wasserstoff als Wirtschaftsmotor<br />
für Mitteldeutschland<br />
Von Dipl.-Journ. Wolfgang Rudolph<br />
POLITIK<br />
48 „Mehr Fortschritt wagen“ heißt<br />
auch: Mehr Bioenergie wagen!<br />
Von Sandra Rostek und<br />
Dr. Guido Ehrhardt<br />
Beilagenhinweis: Das Biogas Journal<br />
enthält den Jahreskalender vom<br />
Fachverband Biogas.<br />
32 Flexibel gewinnt<br />
Von Heinz Wraneschitz<br />
4
Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />
Inhalt<br />
Strip-till<br />
50 Ackerbau im Streifendesign<br />
Von Christian Dany<br />
56 Perfekt positionierte Gärreste<br />
Von Dierk Jensen<br />
titelFoto: Vogelsang GmbH i Fotos: Adobe Stock_joeseo48, Vogelsang GmbH, Martin Egbert<br />
94<br />
62 Immer der Reihe nach<br />
Von Dipl.-Ing. agr. (FH)<br />
Martin Bensmann<br />
68 MAP-Fällung bei der mineralischen<br />
Unterfuß- und Depotdüngung von<br />
Gülle oder Gärresten<br />
Von M.Sc. agr. Christoph Weidemann<br />
PRAXIS<br />
74 Klimaschutz<br />
Landwirtschaftsbetriebe<br />
nicht überfordern<br />
Von Dierk Jensen<br />
78 Steigerung der Methanausbeute<br />
durch biologische Methanisierung<br />
Von Ralph Hohenschurz-Schmidt, Jens<br />
Strahl, Tino Sperk, Oliver Viertmann<br />
und Prof. Dr.-Ing. Frank Scholwin<br />
86 Anlagen des Monats Biogas<br />
88 Ein Jahrzehnt Biogasdachsysteme<br />
aus dem Rheinland<br />
Von Eur Ing Marie-Luise Schaller<br />
INTERNATIONAL<br />
Niederlande<br />
90 Biogasaufbereitung mit CO 2-Verwertung<br />
Von Eur Ing Marie-Luise Schaller<br />
Großbritannien<br />
94 Schon 10 Biogasanlagen produzieren<br />
„Grünes CO 2“<br />
Von Klaus Sieg<br />
Kroatien<br />
106 Biogaspotenzial noch nicht ausgeschöpft<br />
Von Dierk Jensen<br />
VERBAND<br />
Aus der Geschäftsstelle<br />
114 Neue Zukunft für Bioenergie<br />
Von Dr. Stefan Rauh und<br />
Dipl.-Ing. agr. (FH) Manuel Maciejczyk<br />
120 Aus den Regionalbüros<br />
124 Gastbeitrag<br />
Woche der Wärme zeigt Potenziale<br />
im Wärmesektor auf<br />
Von Dr. Simone Peter, BEE<br />
125 Qualitätsbetreuung durch die<br />
Fachverband Biogas Service GmbH<br />
recht<br />
126 Veröffentlichung eines Votums zum<br />
Anspruch auf Flexibilitätsprämie<br />
Von Dr.-Ing. Natalie Mutlak<br />
produktnews<br />
128 Produktnews<br />
130 Impressum<br />
5
Aktuelles<br />
Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />
ZSW gelingt Herstellung von<br />
klima neutralem eLNG aus Luft-CO 2<br />
Stuttgart – Die Kugel glänzt silbern inmitten<br />
einer Hightech-Anlage, die aus vielen<br />
Schläuchen, Kompressoren, Schaltern<br />
und Knöpfen besteht. Sie erinnert ein<br />
wenig an die Kristallkugel einer Wahrsagerin.<br />
Und um die Zukunft geht es hier<br />
auch. Mit der Anlage, die vom Zentrum für<br />
Sonnenergie- und Wasserstoff-Forschung<br />
Baden-Württemberg entwickelt wurde,<br />
soll die Klimaneutralität schneller erreicht<br />
werden.<br />
Der Systemdemonstrator am ZSW in<br />
Stuttgart erzeugt mittels Elektrizität aus<br />
Erneuerbaren Energien synthetisches<br />
flüssiges Methan aus Wasserstoff und<br />
Luft – sogenanntes eLNG. Im Gegensatz<br />
zu LNG (Liquified Natural Gas), das auf<br />
fossilem Erdgas basiert, wird bei synthetischem<br />
strombasierten eLNG (electrified<br />
LNG) der Energieträger klimaneutral hergestellt.<br />
Denn das flüssige Gas wird aus<br />
grünem Wasserstoff und Kohlendioxid aus<br />
der Umgebungsluft gewonnen.<br />
Die Forschungen an dem vom Wirtschaftsministerium<br />
Baden-Württemberg<br />
geförderten Projekt „eLNG aus Luft“ begannen<br />
vor 1,5 Jahren. Kürzlich wurde<br />
das Projekt mit der Demonstration der<br />
Gesamtprozesskette erfolgreich abgeschlossen.<br />
Die Technologie kann nun in<br />
den großtechnischen Maßstab überführt<br />
werden. „Die Herstellung von CO 2<br />
-neutralem<br />
Gas ist ein wichtiger Baustein auf<br />
dem Weg in eine klimaneutrale Zukunft“,<br />
so Wirtschaftsministerin Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut.<br />
Für das Projekt wurden bereits bestehende<br />
Technologiebausteine und Infrastrukturen<br />
am ZSW genutzt. Dazu zählt unter<br />
anderem eine Technologie zur CO 2<br />
-Gewinnung<br />
aus der Luft und eine Elektrolyse zur<br />
Herstellung von grünem Wasserstoff. Was<br />
noch fehlte, war eine innovative, kombinierte<br />
Methode, um das regenerative<br />
Methangas effizient zu erzeugen und zu<br />
verflüssigen. Dieses Verfahren wurde jetzt<br />
CeresAward 2021: Thomas Karle bester Energielandwirt<br />
Berlin – Beim diesjährigen CeresAward ist Thomas<br />
Karle aus Kupferzell in Baden-Württemberg<br />
bester Energielandwirt geworden. Karle hat die<br />
Juroren der Kategorie Energielandwirt im CeresAward<br />
mit seiner Begeisterung<br />
für Erneuerbare Energien und<br />
sein Engagement für die Gesellschaft<br />
überzeugt, begründen<br />
die Juroren ihre Entscheidung.<br />
Der Landwirt hat das erste<br />
Bioenergiedorf Nord-Württembergs<br />
mitbegründet. 98 Prozent<br />
der Einwohner von Füßbach<br />
sind an sein Nahwärmenetz<br />
angeschlossen. Zudem ist er<br />
Mitbegründer und Vorstandsvorsitzender<br />
des Vereins eFüßle<br />
e.V. (e-Carsharing im Bioenergiedorf Füßbach).<br />
Auch wirtschaftlich steht er auf soliden Beinen.<br />
Wichtig ist ihm zudem, nachhaltig, umweltschonend<br />
und transparent zu arbeiten.<br />
„Auf meinem Betrieb versuche ich in hohem Maß<br />
die Produktion von Gütern wie Getreide, Strom,<br />
Wärme und Dünger in allen Bereichen nachhaltig,<br />
rücksichtsvoll und im Dialog mit der Gesellschaft<br />
umzusetzen. Hierzu gehören mitunter die<br />
Gründung eines Bioenergiedorfs, eines e-Carsharing-Modells,<br />
eines Blühpatenprojekts und Betriebsführungen“,<br />
beschreibt<br />
Landwirt Thomas Karle sein<br />
Betriebskonzept.<br />
Drei große grüne und halbrunde<br />
Kugeln ragen in Kupferzell<br />
in den Himmel – die Kuppeln<br />
der Biogasanlage von Thomas<br />
Foto: CeresAward<br />
Thomas Karle mit seinem Naturdünger<br />
NADU, der aus getrocknetem<br />
Gärprodukt besteht.<br />
Karle. Gefüttert wird die Anlage<br />
überwiegend mit pflanzlichen<br />
Reststoffen, wie Gemüsereste,<br />
Gülle, Mist, Maisstroh etc.<br />
Die Abwärme dient zu 100<br />
Prozent einem Nahwärmenetz,<br />
einer Getreide- und einer Gärprodukttrocknung.<br />
Das getrocknete Gärprodukt<br />
verarbeitet der Landwirt anschließend zum Naturdünger<br />
NADU. Sein neuestes Projekt „Agriplus<br />
Hohenlohe“ widmet sich der innovativen Nährstoffrückgewinnung.<br />
Dabei werden die Reste aus<br />
der Gärung in Phosphor-, Stickstoff- und Kalidünger<br />
umgewandelt – ein bisher einmaliges Projekt.<br />
Hightech am ZSW: Die Anlage zur<br />
Herstellung von eLNG.<br />
am ZSW entwickelt. Verflüssigtes Methan<br />
verfügt über eine 600 Mal höhere Energiedichte<br />
als gasförmiges Methan und erlaubt<br />
somit unter anderem den interkontinentalen<br />
Schiffstransport von großen<br />
Energiemengen. So können die bereits<br />
bestehenden Infrastrukturen für LNG<br />
in Richtung Klimaneutralität transformiert<br />
werden. Als neuer, klimaneutraler<br />
Kraftstoff kann eLNG statt Diesel für die<br />
Schifffahrt und den Schwerlastverkehr<br />
oder als Heizöl-Alternative in der Industrie<br />
eingesetzt werden. Die in dem Projekt<br />
weiterentwickelte CO 2<br />
-Bereitstellung aus<br />
Luft – wie auch die Skalierungskonzepte<br />
des Gesamtprozesses – können auch auf<br />
andere Kraftstoff-Synthesen, beispielsweise<br />
zur Herstellung von synthetischem<br />
Kerosin, übertragen werden.<br />
„Die Anlage ist zu 100 Prozent made<br />
by ZSW“, erklärt Projektleiter Bernd<br />
Stürmer. Nachdem der Beweis erbracht<br />
wurde, dass der Demonstrator funktioniert,<br />
wurden die Prozessschritte weiter<br />
optimiert. Die Ausbeute der Laboranlage<br />
konnte inzwischen auf ein Kilogramm pro<br />
Stunde gesteigert werden. Bei optimaler<br />
Prozessintegration ist mit der Technologie<br />
eine Effizienz von bis zu 55 Prozent (bezogen<br />
auf den eingesetzten regenerativen<br />
Strom) möglich.<br />
Neben der technisch-ökonomischen Optimierung<br />
werden im Rahmen des Vorhabens<br />
weiter die Treibhausgaseffekte,<br />
die durch die Verlagerung entstehen, betrachtet.<br />
Foto: ZSW/Ellen Klose<br />
6
Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />
Aktuelles<br />
Freistaat fördert Kauf von<br />
30 Niederflurbussen mit<br />
Biomethan-Antrieb<br />
Chemnitz – Die Chemnitzer Verkehrs-Aktiengesellschaft (CVAG) erhält<br />
für die Modernisierung ihrer Busflotte fast 9,5 Millionen Euro vom<br />
Freistaat Sachsen. Das entspricht 70 Prozent der förderfähigen Kosten.<br />
Die Förderung wird mit Mitteln aus dem Europäischen Fonds<br />
für Regionale Entwicklung (EFRE) kofinanziert. Die CVAG wird das<br />
Geld für den Kauf von 30 barrierefreien Niederflurbussen mit Biomethan-Antrieb<br />
– 23 Gelenk- und 7 Standard-Linienomnibusse –<br />
einsetzen. Alte Dieselfahrzeuge werden dafür ausgeflottet. Durch<br />
die Neubeschaffung der 30 Busse werden künftig in Chemnitz bis<br />
zu 1.271 Tonnen CO 2<br />
im Jahr eingespart.<br />
Am 14. Februar 1992 haben 17 Biogaspioniere im<br />
baden-württembergischen Aspach den Fachverband Biogas e.V.<br />
gegründet. In diesem Jahr feiert der Verband seinen 30. Geburtstag.<br />
Aus den anfänglich 17 Mitgliedern sind knapp 5.000 geworden, die Zahl<br />
der Biogasanlagen stieg in dieser Zeit von etwa 150 auf heute über 9.500.<br />
Im Fachverband Biogas e.V. sind mehr als 40 festangestellte<br />
Mitarbeiter*innen tätig, die von zahlreichen ehrenamtlich aktiven<br />
Mitstreiter*innen in den 23 Regionalgruppen unterstützt werden. Neben<br />
der Hauptgeschäftsstelle in Freising und dem Hauptstadtbüro<br />
in Berlin gibt es drei Regionalbüros.<br />
Die Expertise des Fachverbandes Biogas e.V. ist weltweit gefragt.<br />
Der Verband unterstützt den Ausbau der Biogasnutzung<br />
national und international und ist auch bei<br />
politischen Entscheidungsfindungen ein<br />
wichtiger Ratgeber.<br />
Foto: Stefanie Stein/CVAG<br />
Sachsen: Ines Fröhlich,<br />
Staatssekretärin für<br />
Mobilität, hat den Förderbescheid<br />
persönlich<br />
an CVAG-Vorstand Jens<br />
Meiwald überreicht.<br />
Leserbrief<br />
Von Apfeln und Birnen<br />
Energetischer Vergleich (Basis Hi) von<br />
Maissilage und Strohpellets<br />
Zu dem Artikel „Strohpellets durch Uni Göttingen<br />
getestet“ im Biogas Journal 6_2021 ab<br />
Seite 12 erreichte uns folgende Leserzuschrift:<br />
Auf Seite 13 finden wir den Absatz: Ökonomische<br />
Betrachtung. In diesem Absatz wird ein<br />
Gleichgewichtspreis zwischen Maissilage und<br />
Strohpellets gezeigt. Da ich den mengenbezogenen<br />
Ansatz für falsch halte, habe ich einmal<br />
den energetischen Bezug zugrunde gelegt und<br />
eine Berechnung erstellt, siehe Tabelle.<br />
Unter Berücksichtigung der Energieausbeute<br />
aus der Maissilage und den Strohpellets verändert<br />
sich somit die Aussage und die Vorzüglichkeit.<br />
Wollte man 1.000.000 Kilowattstunden<br />
(kWh) Bioenergie aus Maissilage erzeugen,<br />
benötigte man eine Gärmasse von 887 Tonnen<br />
mit Kosten von 31.061 Euro. Wollte man die<br />
gleiche Energie der Maissilage durch Strohpellets<br />
ersetzen, benötigte man eine Gärmasse von<br />
346 Tonnen mit Kosten von 27.003 Euro.<br />
Der Massestrom hat sich also um 61 Prozent<br />
reduziert, was:<br />
1. sich auf die hydraulische Verweilzeit und<br />
damit den biologischen Abbaugrad positiv<br />
auswirkt,<br />
2. das benötigte Lagervolumen<br />
reduziert,<br />
3. die Ausbringkosten reduziert<br />
und die Kosten um 13 Prozent reduziert.<br />
Rainer Casaretto<br />
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35 % TR 90 % TR<br />
Stroh-Pellets<br />
95 % oTR 92 % oTR<br />
340,00 Nm³(CH₄)/t(oTR) 350,00 Nm³(CH₄)/t(oTR)<br />
9,968 kWh/Nm³(CH₄) 9,968 kWh/Nm³(CH₄)<br />
1.127 kWh/t(GM) 2.889 kWh/t(GM)<br />
35,00 €/t(GM) 78,00 €/t(GM)<br />
3,11 ct/kWh 2,70 ct/kWh<br />
GM = Gärmasse, in Abgrenzung zur Erwerbsmasse<br />
beinhaltet der Preis pro Tonne Gärmasse bereits<br />
die Kosten aus den Silierverlusten.<br />
TR = Trockenrückstand.<br />
oTR = organischer Trockenrückstand.<br />
7
Aktuelles Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />
Termine<br />
Rund um‘s Biogas<br />
17. Januar<br />
Web-Seminar: Gängige Anlagenschäden<br />
und ihre Vermeidbarkeit<br />
Online<br />
www.biogas.org<br />
18. Januar<br />
WebKonferenz: Erneuerbare-KWK<br />
für Gebäude<br />
Straubing<br />
www.carmen-ev.de<br />
24. Januar<br />
Web-Seminar: Vorbereitung auf die<br />
EEG-Ausschreibungen März <strong>2022</strong><br />
Online<br />
24. bis 28. Januar<br />
Kraftstoffe der Zukunft –<br />
19. Internationaler Fachkongress<br />
für erneuerbare Mobilität<br />
Online<br />
www.kraftstoffe-der-zukunft.com<br />
25. Januar<br />
Web-Seminar: Vorbereitung auf die<br />
EEG-Ausschreibungen März <strong>2022</strong><br />
Online<br />
28. bis 29. Januar<br />
Workshop: „Sicherheit an der<br />
Bürofront Biogas“<br />
Mitterteich<br />
www.green-energy-zintl.de<br />
1. Februar<br />
WebKonferenz (Banz) – 16. Oberfränkisches<br />
Biogas-Fortbildungsseminar<br />
Straubing<br />
www.carmen-ev.de<br />
15. Februar<br />
Web-Seminar: Sichere Instandhaltung<br />
von Biogasanlagen – Schwerpunkt<br />
Beauftragung von Fremdfirmen<br />
Online<br />
15. Februar<br />
Sicherheitsbelehrung für Helfer und<br />
Mitarbeiter an der Biogasanlage<br />
Mitterteich<br />
www.green-energy-zintl.de<br />
16. Februar<br />
Unterweisung von Fahrern/Erntehelfern<br />
an der Biogasanlage<br />
Mitterteich<br />
www.green-energy-zintl.de<br />
24. Februar<br />
Biomethan, jetzt erst recht – so machen<br />
Sie mehr aus Ihrer Biogasanlage<br />
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Diese und weitere Termine rund um<br />
die Biogasnutzung in Deutschland<br />
und der Welt finden Sie auf der Seite<br />
www.biogas.org unter „Termine“.<br />
8<br />
Foto: adobe stock_Brian Jackson
Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />
clean air is our engine<br />
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Aktuelles<br />
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Web: www.emission-partner.de 9
BIOGAS-KIDS<br />
Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />
Was ist uns wichtig?<br />
Auch in diesem Jahr geben wir für euch wieder (Bio-)Gas!<br />
Zu wichtig ist die Rolle, die das Biogas als erneuerbare<br />
Energieform für Natur, Klima, Landwirtschaft und<br />
Verbraucher spielt. Der Fachverband Biogas, der<br />
die Betreiber von Biogasanlagen unterstützt tützt und<br />
gleichzeitig in der Öffentlichkeit für die erzeugung wirbt, hat deshalb im letzten Jahr<br />
Biogaswieder<br />
eine Aktionswoche Artenvielfalt<br />
durchgeführt. Aus gutem Grund, denn n<br />
der Schutz von Lebensräumen und Nahrung<br />
für möglichst viele Insekten, Vögel<br />
und viele andere Wildtiere in unserer<br />
Natur und mit Unterstützung der Landwirtschaft<br />
ist ebenso wichtig wie der<br />
Schutz unseres Klimas. Gemeinsam<br />
mit Verbänden, Firmen und Privatpersonen<br />
ging es darum, die Vielfalt von Ener-<br />
<br />
anlagen zu zeigen. Es gibt eben nicht nur<br />
<br />
die Natur sind, können zu Biogas vergoren werden,<br />
um daraus Strom, Wärme oder Kraftstoffe zu machen.<br />
Der Unterschied liegt jedoch in der Gasausbeute. Und<br />
dabei ist der Mais kaum zu schlagen. Das bedeutet dann<br />
auch für den Betreiber das höchste Einkommen. Wächst<br />
allerdings nur Mais auf den Feldern für die Biogasanlagen,<br />
ist es um die Artenvielfalt schlecht bestellt. Bienen und<br />
<br />
Für das Experiment brauchst du 1 Pappbecher,<br />
1 Kindertröte und 10 Wattebäusche.<br />
Warum wirkt die Welt immer so<br />
leise, wenn es geschneit hat?<br />
In diesem Experiment erfährst<br />
du den Grund. Drücke dafür zunächst<br />
kräftig auf eine Kindertröte<br />
und merke dir die Lautstärke des<br />
Geräuschs. Dann füllst du Wattebäusche<br />
in den Becher, hältst die<br />
Tröte hinein und drückst erneut<br />
darauf. Was passiert? Das Geräusch<br />
ist wesentlich leiser.<br />
Warum ist das so? Die Wattebäusche<br />
enthalten zahllose winzige Hohlräume, in denen die Schallwellen,<br />
das heißt die Töne in der Tröte, abgefangen und gedämpft<br />
werden. Genauso verhält es sich mit dem Schnee. Mit kleinen<br />
Luftkammern durchsetzt, fängt die Schneedecke eindringende<br />
Geräusche ab und vermindert damit die Lautstärke.<br />
Pixabay<br />
<br />
fehlen, hat die Landwirtschaft auf Dauer<br />
<br />
bestäubt werden können und damit keine<br />
Nachkommen erzeugen. Ohne Insekten<br />
<br />
So ist beispielsweise das Rebhuhn europaweit in den<br />
<br />
<br />
mithilfe der Biogaserzeugung. Und Landwirte, die dabei<br />
mitmachen, müssen dafür zusätzlich entlohnt werden.<br />
Schließlich helfen sie damit nicht nur der Natur, sondern<br />
allen Menschen.<br />
Das geht:<br />
<br />
Klimafreundlich hergestellter<br />
Wasserstoff gilt als Hoffnungsträger<br />
für den Einsatz in<br />
Industrie und Verkehr, ohne<br />
dass dabei CO2 frei wird.<br />
Einem Forscherteam an der<br />
Technischen Universität Graz<br />
in Österreich ist es jetzt zum<br />
allerersten Mal gelungen,<br />
hochreinen, „grünen“ Wasserstoff<br />
in einer Biogasanlage<br />
aus reinem Biogas zu erzeugen.<br />
Wieder einmal zeigt sich<br />
also, wie nutzbringend die<br />
Biogastechnologie für uns ist. Doch was kann man damit anfangen?<br />
Den Traktor am Hof mit dem Wasserstoff zu betanken, wäre eine<br />
super Idee – aber den gibt es leider noch nicht. Abnehmer müssen<br />
also noch gefunden werden.<br />
Pixabay<br />
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10
Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />
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11
Aktuelles Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />
Biogas Convention<br />
Biogasanlagen<br />
senken<br />
Börsenstrompreise!<br />
Auch 2021 fand Ende November die Biogas Convention, die Jahrestagung des<br />
Fachverbandes Biogas, coronabedingt zum zweiten Mal digital statt. Die 31. Tagung<br />
stand wie schon im Vorjahr eine ganze Woche lang (Montag bis Freitag) im Interesse<br />
der Biogasszene. Das gut gemixte Themenangebot lockte an manchen Tagen weit<br />
über 200 Teilnehmer*innen in die Online-Vorträge.<br />
Von Dipl.-Ing. agr. (FH) Martin Bensmann<br />
Am Dienstagvormittag ging es im Block 2<br />
um Energiepolitik und die Strommärkte.<br />
Horst Seide, Präsident des Fachverbandes<br />
Biogas e.V., sagte zu Beginn seines<br />
Impulsstatements, dass es in 2020 während<br />
der Biogas Convention vor allem um die damalige<br />
Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG)<br />
ging. Das Gesetz sei zwar am 1. Januar 2021 in Kraft<br />
getreten, sei aber immer noch nicht zu 100 Prozent<br />
rechtssicher. Grund: Die EU-Kommission hat das Gesetz<br />
noch nicht vollständig notifiziert.<br />
„Wir haben zwar in 2021 zwei Ausschreibungsrunden<br />
für Bioenergie gehabt. Wir wissen aber immer<br />
noch nicht, ob der Rechtsrahmen EU-konform ist<br />
oder nicht. In der ersten Ausschreibung wussten wir<br />
zum Beispiel nicht, wie der Flexzuschlag zu berechnen<br />
ist. Zum zweiten Ausschreibungstermin wussten<br />
wir das zwar, aber die Notifizierung war immer noch<br />
nicht abgeschlossen“, ärgerte sich Seide.<br />
Daher sei es für Anlagenbetreiber schwierig, ein Gebot<br />
zu kalkulieren. Und dadurch sei es fast unmöglich,<br />
an einer Ausschreibung teilzunehmen. So habe<br />
es die Biogasbranche nicht geschafft, die Ausschreibungsmengen<br />
voll auszuschöpfen, was aber nicht<br />
anders zu erwarten gewesen sei.<br />
Seide hofft auf neues EEG Mitte <strong>2022</strong><br />
„Wir haben in 2020 gut 400 Megawatt (MW) an flexibler<br />
Leistung in Deutschland mit Biogas-Blockheizkraftwerken<br />
zugebaut. Unsere Schätzungen für 2021<br />
gehen davon aus, dass nur rund 130 MW an flexibler<br />
Leistung zugebaut werden. Das ist ein Rückschritt<br />
und damit auch ein schlechtes Signal“, betonte der<br />
Verbandspräsident. Vor dem Hintergrund, dass die<br />
nächste Bundesregierung eine Ampelkoalition sein<br />
wird, sagte er: „Ich bin davon überzeugt, dass wir<br />
Mitte nächsten Jahres ein neues EEG haben werden.“<br />
Genauso wie kaum Biogasleistung zugebaut worden<br />
sei, hätten auch die anderen Erneuerbaren Energien<br />
keine nennenswerte Leistung zugebaut. Daher sei es<br />
zwingend notwendig, dass die Politik die Rahmenbedingungen<br />
für alle Erneuerbaren Energien schnell<br />
ändert. Der Bundesverband Erneuerbare Energie e.V.<br />
habe Vorschläge erarbeitet, wie im Strombereich<br />
Kosten gesenkt werden können und gleichzeitig die<br />
EEG-Umlage keine Beihilfen mehr benötigt. Seide<br />
Foto: Adobe Stock_joeseo48<br />
12
Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />
Aktuelles<br />
hofft, dass die Politik die Vorschläge<br />
aufgreift und umsetzt,<br />
dass mit einem neuen EEG<br />
im nächsten Jahr die Umsetzung<br />
schneller möglich<br />
wird. Anpassungen benötige<br />
auch das Strommarktdesign.<br />
„Wenn wir uns den Strommarkt<br />
der vergangenen Monate<br />
anschauen, dann haben wir<br />
hohe Preise gesehen. Aktuell sehen<br />
wir heute Nachmittag am 23.11.<br />
einen Preis von 348 Euro pro Megawattstunde<br />
(MWh), was 34,8 Cent pro Kilowattstunde<br />
entspricht. Das bekommt derjenige, der zwischen<br />
17.00 und 18.00 Uhr Strom produziert, im freien<br />
Markt. Damit kann man Geld verdienen. Insbesondere<br />
verdienen flexibel betriebene Biogas-BHKW damit<br />
ihr Geld“, hob Seide hervor.<br />
Diese flexiblen Anlagen würden mit ihren insgesamt<br />
2 Gigawatt (GW) Leistung in dem genannten Zeitfenster<br />
den Strompreis an der Börse um 2.650 Euro pro<br />
MWh senken. Das sei die Leistung, die die Biogasanlagen<br />
real erbringen würden und so der Allgemeinheit<br />
zur Verfügung stellten. Seide weiter: „Wenn unsere<br />
flexible Leistung nicht da wäre, müssten andere Erzeuger<br />
einspringen, die in der sogenannten Merit-<br />
Order nach uns kommen. Das würde bedeuten, dass<br />
der Strompreis in dem Zeitfenster dann 3.000 Euro<br />
kosten würde. Wir verändern den Markt mit unseren<br />
flexiblen Biogasanlagen. Wenn unsere Biogasanlagen<br />
keinen Strom in der Zeit produzieren würden, kämen<br />
Reservekraftwerke zum Einsatz. Das bedeutet, dass<br />
die flexiblen Biogasanlagen systemrelevant werden.“<br />
Im 2021 Jahr würden drei Atomkraftwerke abgeschaltet<br />
und in <strong>2022</strong> ebenfalls. Dann stehe Deutschland<br />
vor dem Kohleausstieg. Darum seien ganz<br />
schnell mehr flexible Biogasanlagen notwendig, die<br />
dann am Strommarkt teilnehmen. „Wir können uns<br />
somit nicht das Ziel setzen, dass wir in <strong>2022</strong> nur<br />
400 MW an flexibler Leistung zubauen, sondern wir<br />
brauchen <strong>2022</strong> einen Zubau von rund 1.000 MW.<br />
Denn wir schalten ja mehr sichere Leistung ab. Darum<br />
brauchen wir alle Biogasanlagen – sowohl die Vor-<br />
Ort-Verstromungsanlagen als auch die Biomethaneinspeiseanlagen“,<br />
verdeutlichte Seide.<br />
In den vergangenen Monaten seien die Börsenstrompreise<br />
nicht nur während einer Stunde pro Tag hoch<br />
gewesen. Es habe mehrere Wochen gegeben, in denen<br />
an fast jedem Arbeitstag die Preise hoch waren. Laut<br />
Seide könnte es sein, dass die flexiblen Biogasanlagen<br />
von Montag bis Mittwoch Strom einspeisen und<br />
Mittwochnachmittag die Gasspeicher leer sind. Dann<br />
hätten die Anlagen alles Gas verbrannt, das verfügbar<br />
gewesen sei. Die Vor-Ort-Verstromungsanlagen müssten<br />
dann eigentlich ihre Motoren abstellen, weil erst<br />
neues Biogas im Speicher gesammelt werden muss.<br />
„Wir müssen<br />
in <strong>2022</strong> rund 1.000 MW<br />
an flexibler Biogas-<br />
Verstromungs leistung<br />
zubauen“<br />
Horst Seide<br />
In dem Zusammenhang<br />
könnte die Frage gestellt<br />
werden, wie sicher die Leistung<br />
der flexiblen Biogasanlagen<br />
denn überhaupt ist.<br />
Laut Seide kann diese Frage<br />
gut beantwortet werden, „da wir<br />
eine Lösung dafür in petto haben.<br />
Die lautet: Wir schließen die Vor-Ort-<br />
Verstromungsanlagen an das Erdgasnetz<br />
an. Dann hätten wir die Möglichkeit ‚Grüne Gase‘ aus<br />
dem Gasnetz zu entnehmen und zu verstromen“. Der<br />
BEE habe eine Strommarktstudie erstellen lassen.<br />
Darin seien auch solche Szenarien analysiert worden.<br />
Eine wichtige Aufgabe der neuen Bundesregierung<br />
werde sein, sichere Leistung zur Verfügung zu stellen.<br />
EU gibt ambitionierten Takt vor<br />
Sandra Rostek, Leiterin des Hauptstadtbüros Bioenergie,<br />
berichtete über das energiepolitische Geschehen.<br />
Unabhängig von der deutschen Politik sei<br />
die EU-Kommission mit ihrem „Green Deal“ ambitioniert.<br />
Sie sei gewillt, den europäischen Kontinent<br />
als ersten Kontinent bis 2045 in die Klimaneutralität<br />
zu führen. „Und wenn die Politik bis 2030 ordentlich<br />
in die Spur kommen will, dann muss sie schon<br />
ein gewaltiges Programm vorlegen. Dann heißt die<br />
Devise ‚Fit for 55‘. Das bedeutet 55 Prozent Treibhausgaseinsparung<br />
bis 2030 in der EU zu erreichen“,<br />
skizzierte Rostek die Aktivitäten auf EU-Ebene. Für<br />
die Referentin ist klar, dass die Bioenergienutzung<br />
für die Zielerreichung eine ganz wichtige Rolle spielt.<br />
Angesichts der steigenden Energiepreise sei derzeit<br />
vonseiten der Politik nicht zu hören, dass die Preise<br />
staatlich begrenzt werden sollten, sondern es sei eher<br />
zu vernehmen, dass nur mit dem Ausbau Erneuerbarer<br />
Energien die Preissteigerungen zu dämpfen sind.<br />
In ihren weiteren Ausführungen thematisierte sie das<br />
Sondierungspapier der Ampelkoalitionäre. Biogas<br />
beziehungsweise Bioenergie sei darin zwar explizit<br />
nicht erwähnt, aber positiv sei zu bewerten, dass das<br />
Klimaschutzgesetz in <strong>2022</strong> konsequent weiterentwickelt<br />
werden soll.<br />
Einen Tag später haben SPD, Grüne und FDP den Koalitionsvertrag<br />
vorgelegt. Daher wird an dieser Stelle<br />
nicht weiter auf das Sondierungspapier eingegangen.<br />
Weitere Infos zum Koalitionsvertrag lesen Sie ab Seite<br />
48. Klar ist, dass die Bioenergie mit Nachdruck<br />
ins weitere Spiel der Energiewende eingebracht werden<br />
muss. Und das wird der Fachverband Biogas e.V.<br />
auch tun. „Insbesondere das Thema der Güllevergärung<br />
ist anzupacken, da es bislang bei der Umsetzung<br />
noch stockt. Hier muss noch mehr Fahrt aufgenommen<br />
werden. Die Treibhausgasminderung in<br />
13
Aktuelles Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />
der Landwirtschaft über die Vergärung von landwirtschaftlichen<br />
Reststoffen wie Gülle und Mist werden<br />
wir wieder einfordern“, stellte Rostek klar.<br />
Alle Hemmnisse müssen weg<br />
Investitionshemmnisse müssten abgebaut werden.<br />
Allen voran die Hemmnisse der EEG-Ausschreibung.<br />
Insbesondere die Südquote müsse abgeschafft werden.<br />
Rostek sieht gute Chancen, die wegzubekommen.<br />
Auch die EU-Kommission habe sich dazu positioniert<br />
und gesagt, dass sie diese auch nicht gut<br />
findet. Wohl etwas mehr gekämpft werden müsse<br />
für die Abschaffung der endogenen Mengensteuerung.<br />
Die „Sondierer“ hätten angekündigt, ein neues<br />
Strommarktdesign zu erarbeiten. „Da steht unser<br />
Angebot, flexible Biogasanlagen darin stärker einzubinden.<br />
Bis zu 18 Gigawatt können Biogasanlagen<br />
an flexibler Leistung bereitstellen, was immerhin 60<br />
Gaskraftwerken entsprechen würde“, führte Rostek<br />
weiter aus. Auch in der Mobilität können Biogase<br />
Teil der Lösung sein. Mit Biomethan, Bio-LNG und<br />
biogenem Wasserstoff bietet die Branche für jede<br />
Herausforderung des Verkehrssektors Lösungen an.<br />
Biogener Wasserstoff schließe lokale Kreisläufe. Eine<br />
durchschnittliche Biogasanlage könne zum Beispiel<br />
17 Busse ganzjährig mit Wasserstoff versorgen. „Wir<br />
wollen also Teil der CO 2<br />
-neutralen Volkswirtschaft<br />
sein, die angestrebt wird“, bekundete Rostek.<br />
Dr. Matthias Stark, Leiter des Referats Erneuerbare<br />
Energiesysteme im Bundesverband Erneuerbare<br />
Energie e.V. (BEE), referierte über die Notwendigkeit<br />
eines neuen Strommarktdesigns und verriet ein paar<br />
Ergebnisse aus einer entsprechenden vom BEE beauftragten<br />
Studie. Nach seinen Worten treten negative<br />
Strompreise verstärkt auf. Die Erneuerbare-Energien-Branche<br />
stehe vor der Herausforderung, dass<br />
aufgrund der Pönalisierung der Erneuerbare-Energien-Einspeisung<br />
in Zeitfenstern negativer Strompreise<br />
(§51 EEG 2021) wirtschaftliche Risiken den Ausbau<br />
der Erneuerbaren hemmen.<br />
„Wir brauchen ausreichend Flexibilitäten zur Verhinderung<br />
negativer Strompreise“, betonte der Energieexperte.<br />
In den vergangenen Jahren sei es zu einem<br />
starken Anstieg nicht vergüteter §51-EEG-Strommengen<br />
gekommen. Er machte das am Beispiel der<br />
Photovoltaik deutlich. 2018 hat, so Dr. Stark, die<br />
nicht vergütete Strommenge noch unter 1 Prozent gelegen.<br />
In 2020 habe die nicht vergütete Strommenge<br />
aus PV schon über 5 Prozent betragen.<br />
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Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />
Aktuelles<br />
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„Wir brauchen<br />
ausreichend<br />
Flexibilitäten zur<br />
Verhinderung negativer<br />
Strompreise“<br />
Dr. Matthias Stark<br />
Die erzielbaren Marktwerte für Ökostromanlagen<br />
seien für die Energiewende von zentraler Bedeutung.<br />
Bei ausreichender Höhe seien die<br />
Erneuerbare-Energien(EE)-Anlagen<br />
außerhalb der Förderung realisierbar.<br />
„Ist das Marktniveau<br />
zu niedrig, wie in den vergangenen<br />
Jahren, sind weder der<br />
Weiterbetrieb noch Neuanlagen<br />
außerhalb der Förderung<br />
wirtschaftlich. Die<br />
Lösung lautet: Schaffung<br />
ausreichender Flexibilitäten<br />
zur Stabilisierung der Marktwerte<br />
für EE-Anlagen“, teilte<br />
Dr. Stark mit.<br />
Seit ein paar Monaten könnten<br />
Strompreise von über 100 Euro pro MWh<br />
beobachtet werden. Grund dafür seien externe<br />
Effekte, wie zum Beispiel der CO 2<br />
-Preis, der Gaspreis<br />
sowie Füllstände in den Gasspeichern. Im November<br />
2020 seien die deutschen Speicher zu 90 Prozent<br />
gefüllt gewesen. Aktuell würden es unter 70 Prozent<br />
sein. Das heißt, hier kommen seinen Ausführungen<br />
zufolge gewisse Risikofaktoren auf den Preis drauf.<br />
Bei der Preisfindung sei das letzte Kraftwerk entscheidend,<br />
das sei preissetzend.<br />
Das heißt, es können 99 Prozent<br />
der Anbieter für null Euro anbieten,<br />
wenn aber das letzte Kraftwerk 100 Euro<br />
pro MWh für seinen Strom benötigt, dann ist der<br />
Strompreis in der jeweiligen Stunde 100 Euro/MWh.<br />
Marktwert von Einspeisemenge abhängig<br />
Zum Marktgeschehen im Oktober trug Dr. Stark folgende<br />
Beispielsituation vor: „Am 3. Oktober hatten<br />
wir, obwohl es ein Sonntag und zudem ein Feiertag<br />
war, zwar einen geringen Stromverbrauch, aber<br />
Strommarkt: Ist<br />
das Marktniveau<br />
zu niedrig, wie in<br />
den vergangenen<br />
Jahren, sind weder<br />
der Weiterbetrieb noch<br />
Neuanlagen außerhalb<br />
der Förderung<br />
wirtschaftlich.<br />
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15
Aktuelles Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />
Ein Ergebnis der<br />
Strommarkt-Designstudie<br />
des BEE ist: Die<br />
Erneuerbaren werden<br />
im Inland stark<br />
ausgebaut, anstatt<br />
sich von Importen aus<br />
Drittstaaten abhängig<br />
zu machen.<br />
wir hatten zusätzlich sehr viel Wind beziehungsweise<br />
auch PV-Strom. Dieser Effekt führte dazu, dass<br />
wir am 3. Oktober negative Strompreise hatten. Vier<br />
Tage später dagegen hatten wir so gut wie gar keinen<br />
Windstrom bei einem hohen Stromverbrauch. Die<br />
Folge war: Wir hatten mit 445 Euro pro MWh einen<br />
der höchsten Strompreise überhaupt in Deutschland.<br />
An dieser Woche ist sehr gut ablesbar, dass sich zwar<br />
das Marktniveau anhebt, aber der Marktwert, den wir<br />
erzielen können, stark davon abhängig ist, wie viel<br />
wir einspeisen.“<br />
Der Effekt, dass externe Einflüsse den Strompreis<br />
beeinflussen sei begrenzt. Denn irgendwann werde<br />
sich zum Beispiel der CO 2<br />
-Preis eingestellt haben.<br />
Auch die Füllstände in den Gasspeichern würden sich<br />
im nächsten Sommer stabilisiert haben. Dr. Stark<br />
betonte, dass die Umsetzung der Energiewende ein<br />
anderes Strommarktdesign notwendig mache. In den<br />
vergangenen zehn Jahren seien nur 10 GW an Leistung<br />
zugebaut worden. In den nächsten zehn Jahren<br />
müssten 220 GW Leistung zugebaut werden.<br />
„Die Erneuerbaren Energien gehen aus dem letzten<br />
Jahrzehnt als systemrelevant heraus und kommen<br />
in diesem Jahrzehnt als systemsetzend hinein. Das<br />
bedeutet, dass sich die Märkte darauf fokussieren<br />
müssen. Die Märkte waren von Anbeginn auf fossile<br />
Kraftwerke ausgerichtet. Nun müssen sie sich an den<br />
Erneuerbaren Energien ausrichten. Wir müssen dabei<br />
Flexibilitäten schaffen, die nicht nur Versorgungssicherheit<br />
bieten, sondern auch betriebswirtschaftlich<br />
überlebensfähig sind“, erläuterte Dr. Stark.<br />
Neues Strommarktdesign notwendig<br />
Somit sei klar, dass ein neues Strommarktdesign erforderlich<br />
ist, das Flexibilitäten benötigt. Die Frage<br />
sei aber, wie viel gebraucht wird. In den vergangenen<br />
Monaten sind Dr. Stark zufolge verschiedene Studien<br />
zu den Bedarfen veröffentlicht worden. Die angesetzten<br />
Bedarfswerte würden sehr weit auseinanderliegen.<br />
Und in einer vom Bundeswirtschaftsministerium<br />
beauftragten Studie sei die Bioenergie gar nicht berücksichtigt<br />
worden, weil im Vorhinein gesagt worden<br />
sei, dass die Bioenergie nicht benötigt werde.<br />
Darum habe der BEE die Strommarkt-Designstudie<br />
beauftragt, um zu eruieren, welche Effekte die Bioenergie<br />
eigentlich hat. Die Studie behandelt das Thema<br />
der Betriebswirtschaftlichkeit der Erneuerbaren<br />
Energien und der Flexibilitäten. Sie betrachtet die<br />
zentralen Themen zur Versorgungssicherheit. Neben<br />
der stündlichen Lastdeckung und des Netzausbaus<br />
liegt der Fokus auf Lastgradienten und der Übernahme<br />
von Netzdienstleistungen durch Erneuerbare<br />
Energien. Zusätzlich werden<br />
auch die Finanzierung<br />
der Systemkosten analysiert<br />
als auch allgemeine<br />
Fragen des Marktdesigns.<br />
Hierzu zählen die Ausgestaltung<br />
eines Terminmarktes<br />
mit nur Erneuerbaren<br />
als auch die Folgen<br />
einer Aufsplittung der<br />
deutschen Strompreiszone<br />
für die Energiewende.<br />
Die zentralen Ergebnisse der Studie lauten:<br />
ffDie Energiewende ist unter weitgehender<br />
Nutzung heimischer Potenziale möglich.<br />
ffGesicherte Leistung steht über Bioenergie,<br />
Speicher und KWK zu Verfügung.<br />
ffHohe Sektorenkopplung über Power-to-Heat<br />
und Elektrolyse.<br />
ffDie Marktfähigkeit der Erneuerbaren wird<br />
ab 2040 mit marktstabilisierenden Faktoren<br />
erreicht.<br />
ffDie Erneuerbaren werden im Inland stark<br />
ausgebaut, anstatt sich von Import aus Drittstaaten<br />
abhängig zu machen.<br />
ffKein Kohlestrom ab 2030.<br />
ffStark reduzierte Netzbetriebskosten.<br />
ffLastnahe erneuerbare Stromerzeugung.<br />
Wenn die Studienergebnisse umgesetzt würden, hieße<br />
das: „Im Refenzszenario werden Wind- und PV-<br />
Strom früher wirtschaftlich als im Baisisszenario. Das<br />
bedeutet auch, dass es im Referenzszenario bei Wind<br />
und PV keine §51-Mengen mehr geben wird“, erklärte<br />
Dr. Stark abschließend.<br />
Autor<br />
Dipl.-Ing. agr. (FH) Martin Bensmann<br />
Redakteur Biogas Journal<br />
Fachverband Biogas e.V.<br />
0 54 09/90 69 426<br />
martin.bensmann@biogas.org<br />
Foto: Adobe Stock_Thaut Images<br />
16
Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />
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dass bei NawaRo-Anlagen ein Mindestabstand<br />
von 100 Metern und bei Abfallanlagen<br />
von 300 Metern zur nächsten Wohnbebauung<br />
eingehalten werden muss. Wenn Anlagen mehr<br />
als 50 Tonnen Durchsatzkapazität pro Tag und<br />
offene Anlagenteile haben, wie zum Beispiel<br />
Annahmebereiche, Bunker oder Nachrotten,<br />
müssen mindestens 500 Meter<br />
Abstand eingehalten<br />
werden.<br />
Biogas Convention<br />
TA Luft für<br />
Biogasanlagen<br />
relevant<br />
Am Mittwochvormittag ging es im Block 4<br />
um das Thema Emissionen. Die Anforderungen<br />
der TA Luft und die Thematik der<br />
Methanleckagen wurden besprochen.<br />
Von Dipl.-Ing. agr. (FH) Martin Bensmann<br />
Die TA Luft ist am 28. Mai 2021 vom<br />
Bundesrat beschlossen worden. Sie trat<br />
am 1. Dezember 2021 in Kraft. Neu ist,<br />
dass die TA Luft biogasspezifische Regelungen<br />
enthält. Die 4. Bundes-Immissionsschutzverordnung<br />
(BImSchV) enthält an drei<br />
Stellen Nummern zur Biogaserzeugung. Das sind die<br />
5.4.1.15 für Anlagen, die Mono-Anbaubiomasse vergären,<br />
die 5.4.8.6.2 für Anlagen, die Abfälle vergären<br />
und die 5.4.8.6.3 für Anlagen, die Gülle und Anbaubiomasse<br />
vergären.<br />
„Diese Systematik der 4. BImSchV wird in der TA<br />
Luft weitergeführt. Das heißt, die besonderen Anforderungen<br />
an einzelne Anlagentypen finden sich alle<br />
unter der Nummer 5.4. Dabei gibt es zwei biogasspezifische<br />
Regelungen, die genauer betrachtet werden<br />
müssen. In diesem Zusammenhang stellt sich aber<br />
die Frage, welche Nummer für welchen Anlagentyp<br />
gilt. Es wäre viel zu einfach zu sagen, dass 1.15 und<br />
8.6.3 zusammen 5.4.1.15 sind und 8.6.2 sind die<br />
Abfallanlagen. Deswegen gibt es noch eine Kategorie<br />
der nicht besonders geruchsintensiven Abfälle aus<br />
bestimmten Herkunftsbereichen“, erklärte Gepa Porsche,<br />
Leiterin des Referats Genehmigung im Fachverband<br />
Biogas e.V., in ihrem Vortrag.<br />
In diese Kategorie fallen Garten- und Parkabfälle,<br />
Abfälle aus der Biotoppflege, der Landwirtschaft,<br />
dem Gartenbau oder der Forstwirtschaft. Diese werden<br />
laut Porsche der Nummer 5.4.1.15 zugeschlagen,<br />
während alles andere im Bereich der Nummer<br />
5.4.8.6.2 verbleibt. „Wir müssen uns somit merken:<br />
Eine Anlage, die der Nummer 8.6.2 zugehörig ist –<br />
also eine über den Abfalleinsatz genehmigungsbedürftige<br />
Anlage –, ist nicht automatisch nach TA Luft<br />
auch eine 5.4.8.6.2er Anlage. Dafür ist eine genauere<br />
Betrachtung der Inputstoffe notwendig“, erläuterte<br />
die Referentin.<br />
Ersterrichtung: Mindestabstände beachten<br />
Die Neufassung der TA Luft enthalte für beide Nummern<br />
– sowohl für die NawaRo-Anlagen als auch die<br />
Abfallanlagen – die Vorgaben eines einzuhaltenden<br />
Mindestabstandes zur nächsten Wohnbebauung bei<br />
der Ersterrichtung. Positiv durch den Bezug auf die<br />
Ersterrichtung sei, dass nicht bei jedem Zubau beispielsweise<br />
eines Gärrestlagers gestritten werden<br />
muss, ob der Mindestabstand eingehalten wird oder<br />
nicht. Dieser Mindestabstand beträgt bei NawaRo-<br />
Anlagen 100 Meter und bei Abfallanlagen 300 Meter.<br />
Wenn Anlagen mehr als 50 Tonnen Durchsatzkapazität<br />
pro Tag und offene Anlagenteile haben, wie zum<br />
Beispiel Annahmebereiche, Bunker oder Nachrotten,<br />
müssen mindestens 500 Meter Abstand eingehalten<br />
werden.<br />
Fotos: landpixel.eu<br />
18
Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />
Aktuelles<br />
Nicht neu, aber mit der TA Luft in den Fokus der<br />
Verbindlichkeit gerückt, sei die sogenannte Geruchszusatzbelastung.<br />
Sie dürfe auf Beurteilungsflächen<br />
bestimmte gebietstypische Emissionswerte nicht<br />
überschreiten. Das sei eigentlich schon Praxis im<br />
Vollzug, aber mit der TA Luft sei die Geruchsimmissionsrichtlinie<br />
in die TA Luft integriert worden.<br />
In ihrem weiteren Vortrag stellte Porsche bauliche,<br />
betriebliche Anforderungen der TA Luft vor. Für beide<br />
vorgenannten Anlagentypen sieht jeweils der Buchstabe<br />
a) vor, Fahrwege zu befestigen und sauber zu<br />
halten. Im Bundesratsverfahren hätten die Länder jedoch<br />
für Abfallanlagen Spezifikationen hinsichtlich<br />
der Befestigungsweise eingeführt. Die müssen nun<br />
mit einer Decke aus Beton, Asphaltbeton, fugenvergossenen<br />
Verbundsteinen oder gleichwertigem Material<br />
befestigt sein.<br />
„Der Buchstabe b) definiert jeweils für beide Anlagentypen<br />
Anforderungen an eingesetzte Stoffe. Die<br />
Texte waren zunächst gleich – vor allem aber gleich<br />
praxisuntauglich. Im Bundesratsverfahren wurde die<br />
besonders unglückliche letzte Passage leider nur bei<br />
den 5.4.1.15er Anlagen gestrichen. Dort heißt es<br />
nun: Es ist sicherzustellen, dass nur Stoffe als Substrat<br />
angenommen und eingesetzt werden, die für die<br />
Erzeugung von Biogas<br />
ffdurch enzymatischen oder mikrobiologischen<br />
Abbau geeignet oder<br />
ffförderlich oder<br />
ffals typisch landwirtschaftliche Verunreinigung<br />
wie Erdanhaftungen oder<br />
Sand im Substrat unvermeidbar sind.<br />
Bei den 5.4.8.6.2er Anlagen geht es dann noch wie<br />
folgt weiter: ‚und die keine schädlichen Umweltwirkungen<br />
und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile<br />
oder erhebliche Belästigungen hervorrufen‘“, führte<br />
Porsche aus.<br />
5.4.1.15er Anlagen: Emissionen aus<br />
Becken und Behältern durch geeignete<br />
Abdeckung minimieren<br />
Weiter ging es mit Erläuterungen zu den Vorgaben<br />
für Annahmebereiche, für die jeweils der Buchstabe<br />
c) gilt. Für 5.4.1.15 gilt: Geruchs- und Ammoniakemissionen<br />
aus Behältern oder Becken zur Annahme<br />
und Lagerung von Substraten sind durch geeignete<br />
Abdeckung nach dem Stand der Technik zu minimieren.<br />
Emissionsminderungsgrad nach 5.4.9.36<br />
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Aktuelles Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />
= 90 Prozent Reduktion bezogen auf den nicht abgedeckten<br />
Behälter.<br />
Für Anlagen nach 5.4.8.6.2 gilt: Annahme- und Aufbereitungsbereich<br />
sind geschlossen zu betreiben.<br />
Hallentore sind als Schnelllauftore auszuführen. Die<br />
Tore dürfen nur für die notwendigen Ein- und Ausfahrten<br />
geöffnet werden. Gegebenenfalls sind zur<br />
weiteren Minderung diffuser Emissionen Luftschleieranlagen,<br />
Fahrzeugschleusen oder vergleichbare<br />
Techniken vorzusehen.<br />
Nur bei 5.4.1.15er Anlagen kommen Regelungen<br />
zu Silagen zum Tragen, siehe Buchstabe d): Silagen<br />
sind bis auf die Anschnittflächen zur Minderung von<br />
Geruchsemissionen und der Minderung des Eintritts<br />
von Niederschlagswasser in den Silostock mit geeigneten<br />
Membranen, Folien, Planen oder auf andere<br />
nachweislich geeignete Weise abzudecken. Die Anschnittfläche<br />
ist auf ein Mindestmaß zu reduzieren.<br />
Silagesickersäfte sind austrittsflächennah zu erfassen,<br />
über Schächte oder Behälter zu sammeln und<br />
zu verwerten. Geruchsemissionen aus Schächten und<br />
Behältern zur Sammlung von Silagesickersaft sind<br />
durch eine geeignete Abdeckung nach dem Stand der<br />
Technik zu minimieren. Die befestigten Siloplatten<br />
und Rangierflächen sind sauber zu halten.<br />
Stichwort Lagerkapazität, betrifft 5.4.8.6.2er Anlagen,<br />
Buchstabe m): Auf der Grundlage der Behandlungskapazität<br />
der Anlage ist eine ausreichende Dimensionierung<br />
insbesondere der Lagerkapazität für<br />
Gärreste und Komposte vorzusehen. Diese Maßgabe<br />
war auch für 5.4.1.15er Anlagen vorgesehen, wurde<br />
dort aber gestrichen.<br />
Weiter mit Buchstabe e), Gasspeicher: Gasspeicher<br />
sind mit einer zusätzlichen äußeren Umhüllung der<br />
Gasmembran auszuführen. Der Gaszwischenraum<br />
ist messtechnisch zu überwachen. Die gemessenen<br />
Werte sind zu dokumentieren. Einschalige Dächer<br />
müssen spätestens 2029 umgerüstet worden sein.<br />
Ausnahmen sind nur möglich, wenn es technisch<br />
nicht anders geht.<br />
Buchstabe g), jeweils für beide Anlagentypen geltend:<br />
Gasspeicher sind mit einer Gasfüllstandsüberwachung<br />
auszustatten. Die kontinuierliche Überwachung<br />
wird vorgeschrieben. Es muss zusätzlich<br />
automatische Einrichtungen zur Erkennung unzulässiger<br />
Gasfüllstände geben. Altanlagen sind dann<br />
damit nachzurüsten, wenn es zu einem gehäuften<br />
Ansprechen der Gasüberdrucksicherung kommt.<br />
Buchstabe h), Einführung einer sogenannten Nutzungshierarchie:<br />
Es ist grundsätzlich alles Gas, was<br />
erzeugt wird, zu nutzen. Wenn es nicht genutzt werden<br />
kann, ist es zu speichern. Wenn man das Gas<br />
weder nutzen noch speichern kann, ist es schadlos<br />
zu verbrennen. Das soll in der Regel über eine fest installierte<br />
Fackel geschehen, deren Betriebszeiten automatisch<br />
zu registrieren und zu dokumentieren sind.<br />
Die Dokumentation ist fünf Jahre aufzubewahren und<br />
der zuständigen Behörde auf Verlangen vorzulegen.<br />
Minimierung von Methanemissionen aus<br />
der Lagerung flüssiger Gärreste<br />
Die TA Luft regelt auch die Minimierung von Methanemissionen<br />
aus der Lagerung flüssiger Gärreste.<br />
Hier gilt für 5.4.1.15er Anlagen Buchstabe j) und<br />
für 5.4.8.6.2er Anlagen der Buchstabe k). Kernaussage<br />
laut Porsche: Eine Minimierung von Methanemissionen<br />
aus der Lagerung flüssiger Gärreste soll<br />
Nur bei<br />
5.4.1.15er Anlagen<br />
kommen Regelungen zu Silagen<br />
zum Tragen, siehe Buchstabe d): Silagen<br />
sind bis auf die Anschnittflächen zur<br />
Minderung von Geruchsemissionen und der<br />
Minderung des Eintritts von Niederschlagswasser<br />
in den Silostock mit geeigneten<br />
Membranen, Folien, Planen oder auf<br />
andere nachweislich geeignete Weise<br />
abzudecken. Die Anschnittfläche<br />
ist auf ein Mindestmaß zu<br />
reduzieren.<br />
20
Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />
Aktuelles<br />
erreicht werden durch eine Mindestverweilzeit im<br />
gasdichten System oder durch den Nachweis eines<br />
maximalen Restgaspotenzials. Eine zusätzliche Regelung<br />
lautet: mindestens 50 Tage Verweilzeit zuzüglich<br />
je zwei Tage pro Masseprozent anderer Substrate<br />
als Gülle – maximal<br />
jedoch 150 Tage für mehrstufige<br />
Biogasanlagen.<br />
Beim Restgaspotenzial gibt<br />
es die Maßgabe, dass nur<br />
3,7 Prozent im Gärrestlager<br />
entstehen dürfen. Wer<br />
jedoch 100 Prozent Gülle<br />
einsetzt, der braucht die<br />
150 Tage Verweilzeit im<br />
gasdichten System nicht<br />
einzuhalten und auch<br />
nicht die Vorgaben zum<br />
Restgaspotenzial. Wer jedoch<br />
die EEG-Vergütung in<br />
Anspruch nehmen möchte,<br />
der muss die 150 Tage Verweilzeit<br />
in jedem Fall einhalten.<br />
„In dem Moment,<br />
wo ich nicht mehr gasdicht<br />
lagere, muss ich alles, was<br />
ich darin lagere, die Maßgaben<br />
nach Buchstabe j)<br />
erfüllen. Das heißt, eine<br />
offene Lagerung im Sinne<br />
von nicht gasdicht ist möglich.<br />
Sie muss aber mit<br />
Maßnahmen mit einem<br />
Emissionsminderungsgrad von 90 Prozent in Bezug<br />
auf Geruch und Ammoniak ausgerüstet sein. Die Altanlagenregelung<br />
gibt eine Reduktion von 85 Prozent<br />
vor“, informierte Gepa Porsche.<br />
Bei den Vorgaben zur<br />
Separierung ist es so, dass die<br />
5.4.1.15er Anlagen die Separierung<br />
nicht geschlossen betreiben müssen.<br />
Bei Lagerzeiten von mehr als 72<br />
Stunden muss eine dreiseitige<br />
Umwandung errichtet sein.<br />
5.4.1.15er Anlagen müssen nicht<br />
geschlossen separieren<br />
Bei den Vorgaben zur Separierung ist es so, dass die<br />
5.4.1.15er Anlagen die Separierung nicht geschlossen<br />
betreiben müssen. Bei Lagerzeiten von mehr als<br />
72 Stunden muss eine dreiseitige Umwandung errichtet<br />
sein. Außerdem soll die Oberfläche möglichst<br />
klein gehalten werden. Die 5.4.8.6.2er Anlagen<br />
müssen die Separierung geschlossen betreiben. Das<br />
darin entstehende Abgas ist nach Buchstabe d) zu<br />
behandeln. Das bedeutet Einsatz eines Biofilters und<br />
gegebenenfalls Betrieb einer sauren Wäsche.<br />
Hinsichtlich der Gärresttrockung und -pelletierung<br />
gilt für beide Anlagentypen, dass diese Behandlungsschritte<br />
geschlossen betrieben werden müssen.<br />
Das Abgas ist ebenfalls gemäß Buchstabe d)<br />
zu behandeln. Das bedeutet: Verwendung eines<br />
Biofilters und Betrieb einer sauren Wäsche. Außerdem<br />
ist die Wiederbefeuchtung des Materials auszuschließen.<br />
Der saure Wäscher ist nicht erforderlich,<br />
wenn der Ammoniak-Emmissionswert vor der biologischen<br />
Abluftreinigung unterschritten wird. Folgende<br />
Grenzwerte sind dann zu unterschreiten: 5<br />
Milligramm pro Kubikmeter Abgas vor dem Biofilter<br />
nach VDI 3477 und 10 Milligramm pro Kubikmeter<br />
Abgas nach TA Luft.<br />
Das bedeutet für 5.4.8.6.2er Anlagen: Nicht sonderlich<br />
mit Ammoniak belastetes Abgas kann ohne saure<br />
Wäsche in den Biofilter gegeben werden. Grund: Es<br />
gibt Trocknungsverfahren, die den Ammoniak schon<br />
vorher deutlich reduzieren. Ein Problem haben aber<br />
die 5.4.1.15er Anlagen: Die Gärresttrockung muss<br />
das Abgas sowieso schon nach Buchstabe d) behandeln.<br />
Jetzt kommt aber der Abschnitt Ammoniak in<br />
der Nummer 5.4.1.15 ins Spiel. Denn da steht drin:<br />
Abgase aus der Trocknung von Gärresten sind einem<br />
sauren Wäscher oder einer gleichwertigen Abgasreinigungseinrichtung<br />
zur Entfernung von Ammoniak<br />
zuzuführen.<br />
Hier stellt sich die Frage, ob dies die spezielle Vorschrift<br />
ist, die die Maßgabe nach Buchstabe d)<br />
schlägt. Oder wurde nur vergessen, dass der saure<br />
Wäscher schon in Buchstabe d) gefordert wird?<br />
21
Aktuelles Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />
Anzeigenschluss<br />
für die Ausgabe<br />
2_<strong>2022</strong> ist am<br />
4. Februar<br />
Nicht<br />
vergessen!<br />
Im schlimmsten Fall bedeutet dies dann: Selbst<br />
wenn man ein Verfahren betreibt, das einen Ammoniak<br />
unkritischen Gärrest trocknet, man dann trotzdem<br />
einen sauren Wäscher benötigt. „Bei der Trocknung<br />
von NawaRo-Gärresten muss ich offensichtlich einen<br />
sauren Wäscher haben. Bei der Trocknung von Abfallgärresten<br />
scheint der verzichtbar zu sein. Diese<br />
Ungleichbehandlung ist mir unverständlich“, merkte<br />
die Referentin abschließend an.<br />
Methanleckagen vermeiden<br />
Dr. Jan Liebtrau von der Rytec GmbH referierte zum<br />
Thema Methanleckagen. Methanemissionen seien<br />
zu vermeiden, weil sie ein Sicherheitsrisiko darstellen<br />
können, weil sie Geld kosten, weil sie ein hohes<br />
Treibhausgas-Potenzial haben und weil sie die Akzeptanz<br />
gegenüber der Technologie gefährden. Quellen<br />
für Methanemissionen können sein: BHKW-Abgas,<br />
offene Gärproduktlager oder Anmaischbehälter.<br />
„Unbekannte und somit nicht zulässige Quellen<br />
stellen Leckagen dar. Das BHKW wäre eine zulässige<br />
Quelle, weil es Methan emittiert, was aber unvermeidbar<br />
ist. Das ist aber eben auch eine ganz andere<br />
Situation, als eine Leckage darstellt. Diffuse Quellen<br />
sind mehr oder weniger als unbekannte Quellen zu<br />
interpretieren. Sie sind zu zahlreich, zu klein, zu verteilte<br />
Quellen deren kombinierte Wirkung auf Luft,<br />
Wasser und Boden erheblich sein kann“, erläuterte<br />
Dr. Liebetrau.<br />
Die Leckagesuche beinhalte die Identifizierung unerwünschter<br />
Emissionsquellen. Sie ermögliche keine<br />
präzise Quantifizierung<br />
der Quellen. Das heißt,<br />
man wisse zwar, dass man<br />
eine Leckage hat, aber man<br />
könne keine Aussage über<br />
die Menge, die emittiert<br />
wird, machen. Das heiße<br />
auch, dass eine Bewertung<br />
der Quellstärke nur eingeschränkt<br />
möglich ist. Eine<br />
präzisere Bestimmung sei<br />
nicht möglich, ebenso wenig<br />
eine sicherheitstechnische<br />
Bewertung. Es könne nur<br />
eine Einschätzung geben.<br />
Messmethoden<br />
Im Weiteren stellte Dr. Liebetrau<br />
verschiedene Messmethoden<br />
vor: „Da ist zum<br />
einen die Fernmesstechnik<br />
zu nennen. Zu ihr zählen a)<br />
methansensitive Kameras<br />
und b) mobile, tragbare Laser.<br />
In Kombination zu diesen<br />
werden Gaskonzentrationsmessgeräte,<br />
wie zum Beispiel ‚Gasschnüffler‘,<br />
tragbare Biogasmonitore sowie Flammen-Ionisationsdetektoren<br />
eingesetzt. Letztere werden auf Biogasanlagen<br />
normalerweise nicht verwendet.“<br />
Die Gaskameras würden die spezifische Eigenschaft<br />
von Methan nutzen, in bestimmten Wellenlängenbereichen<br />
besonders viel Wärmestrahlung zu absorbieren.<br />
Man müsse sich das vorstellen wie eine Wärmebildkamera,<br />
die allerdings durch einen Filter die<br />
eintreffende Wellenlänge auf einen Bereich begrenzt,<br />
der hochgradig sensitiv für Methan ist.<br />
Es gebe mittlerweile auch Software zur Quantifizierung<br />
von Leckagen. Die Messgenauigkeit sei jedoch<br />
zu hinterfragen. Grund: Die Faktoren, die eine Rolle<br />
spielten, um aus so einer visualisierten Gaswolke<br />
wirklich eine Quellstärke zu errechnen, hätten sehr<br />
starken Einfluss, wie zum Beispiel Wind, die Hintergrundtemperatur<br />
oder die Entfernung der Quelle.<br />
Zudem gebe es eine Querempfindlichkeit. Das heißt,<br />
ein warmes Gas, das noch viel Wasserdampf enthält,<br />
könne schnell mal für Methan gehalten werden. „Die<br />
Detektionsgrenze von diesen Kameras in Liter Methan<br />
pro Stunde ist abhängig von der Qualität des<br />
Detektors der Kamera, vom Hintergrund, von den<br />
Wetterbedingungen und auch vom Benutzer. Die Kameras<br />
sind sehr kostenintensiv. Die legen sich die<br />
Betreiber nicht mal so ins Regal“, führte Dr. Liebetrau<br />
aus.<br />
Laserdiode selektiv für Methan<br />
Lasermessgeräte würden ein Signal aussenden mit<br />
bestimmter Wellenlänge, das an einer Fläche reflektiert<br />
wird und auf den im Handgerät befindlichen<br />
Detektor rückstreut. Auf der Wegstrecke nehme die<br />
Intensität des Laserstrahls in Abhängigkeit von der<br />
Wellenzahl nach dem Laubert-Beerschen Gesetz ab.<br />
Durch die Auswahl einer geeigneten Laserdiode sei<br />
das Gerät selektiv für Methan. Aus der gemessenen<br />
Schwächung des rückgestreuten Signals berechnet<br />
das System eine pfadintegrierte Methankonzentration<br />
in ppm x Meter. Man könne nicht sagen, ob eine<br />
kleine Wolke mit einer großen Gaskonzentration oder<br />
umgekehrt gemessen wird.<br />
„Das tragbare Gasanalysegerät dient dazu, eine Probe<br />
an einem bestimmten Ort zu nehmen, um dann die<br />
Gaskonzentration zu messen. Es gibt verschiedene<br />
Geräte mit unterschiedlicher Genauigkeit. Also ist<br />
darauf zu achten, was der Messbereich und was die<br />
Messgenauigkeit des Gerätes ist“, verdeutlichte der<br />
Referent. Es gebe auch Sonderfälle. So zum Beispiel<br />
Leckagen in der zweischaligen Gasspeichermembran.<br />
Die seien von außen nicht als Gasaustritt detektierbar,<br />
auch nicht mit der Gaskamera. Es könne<br />
aber die Gaskonzentration über der Abluft des Tragluftgebläses<br />
gemessen werden.<br />
Da Folien eine zulässige Diffusion besitzen und die<br />
Methanfracht durch das Tragluftdach verdünnt wer-<br />
22
Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />
Aktuelles<br />
de, müsse berechnet werden, ob eine Leckage „wahrscheinlich“<br />
ist. Dazu gebe es das Merkblatt DWA-M<br />
377. Vorgehen bei der Unterscheidung zwischen Diffusion<br />
und Leckagen laut Dr. Liebetrau:<br />
ffBerechnung der Folienfläche beziehungsweise<br />
Angabe des Herstellers verwenden.<br />
ffBerechnung der zulässigen Methanmenge, die<br />
bei maximaler Diffusion nach dem Grenzwert<br />
entstehen müsste.<br />
ffMessung oder Abschätzung des Volumenstroms<br />
des Tragluftgebläses (Verdünnungsluft).<br />
ffErmittlung der maximal zulässigen Konzentration<br />
(durch Diffusion) in der Tragluft und Vergleich mit<br />
dem Messwert.<br />
„Es gibt jedoch viele Unsicherheiten. Angefangen mit<br />
den Messbedingungen für die Diffusionsgrenzwerte,<br />
die ermittelt werden. Die haben überhaupt nichts zu<br />
tun mit den Bedingungen einer Biogasanlage. In dem<br />
niedrigen Bereich haben die meisten Messgeräte sehr<br />
hohe Fehler. Die Folienhersteller geben normalerweise<br />
realisierte Diffusionswerte an, die deutlich unter<br />
den Grenzwerten liegen. Der Anlagenbetreiber sollte<br />
ins Gespräch kommen mit den Foliendachherstellern,<br />
ab wann aktiv eine Leckagesuche beginnt“, riet<br />
Dr. Liebetrau. Er empfiehl:<br />
ffRegelmäßige Leckagesuche (durch Betreiber<br />
und externen Anbieter) ist notwendig.<br />
ffLeckagesuche mit Gaskameras sollten in<br />
Kombination mit mindestens Gasanalyse -<br />
geräten und unter Berücksichtigung der<br />
Wetterverhältnisse vorgenommen werden.<br />
ffGasspeicherdächer haben oft Leckagen. Die<br />
Bewertung der gemessenen Konzentration in<br />
der Tragluft sollte als Teil der Leckagesuche<br />
durchgeführt werden.<br />
ffDie Entwicklung bei den Gaskameras geht in<br />
Richtung Abschätzung der Emissionsstärke.<br />
Insbesondere nach der Inbetriebnahme sowie<br />
nach Wartungen sollten Messungen vorgenommen<br />
werden.<br />
Autor<br />
Dipl.-Ing. agr. (FH) Martin Bensmann<br />
Redakteur Biogas Journal<br />
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23
Aktuelles Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />
Biogas Convention<br />
Nährstoffflüsse<br />
in den Anlagen<br />
ermitteln<br />
Im Block 5 am Mittwochnachmittag ging es thematisch um die<br />
Stoffstrombilanzierung für Betriebe ab einer bestimmten Größe<br />
sowie um die Produktion von Torfersatzprodukten aus Gärdünger.<br />
Von Thomas Gaul<br />
Dr. Ute Schultheiß vom Kuratorium für<br />
Technik und Bauen in der Landwirtschaft<br />
(KTBL) gehört zum Expertengremium, das<br />
vom Bundesministerium für Ernährung<br />
und Landwirtschaft mit der Evaluation der<br />
Stoffstrombilanzverordnung beauftragt wurde. Die<br />
Stoffstrombilanzverordnung war am 1. Januar 2018<br />
in Kraft getreten.<br />
Aktuell bilanzieren müssen Betriebe mit hoher Tierbesatzdichte.<br />
Das heißt, Betriebe mit einer landwirtschaftlichen<br />
Nutzfläche von mehr als 30 Hektar (ha)<br />
oder über 50 Großvieheinheiten (GV) pro Betrieb bei<br />
einer Tierbesatzdichte von jeweils mehr als 2,5 GV/ha.<br />
Ebenso bilanzieren müssen flächenlose, Tier haltende<br />
Betriebe und Biogasanlagen, die Wirtschaftsdünger<br />
aus zur Stoffstrombilanzierung verpflichteten landwirtschaftlichen<br />
Betrieben aufnehmen.<br />
auch ein Fragenkatalog zur Evaluierung enthalten,<br />
aus dem Schultheiß referierte: So geht es vor allem<br />
darum, ob sich die Kriterien zur Stoffstrombilanzierung<br />
in der Praxis bewährt haben oder ob es Bedarf<br />
zur Fortentwicklung oder für alternative Modelle gibt.<br />
Im Kern drehen sich die Fragen um die Wirksamkeit<br />
der Stoffstrombegrenzung auf die Reduzierung der<br />
Nährstoffbelastung durch die Landwirtschaft. Auch<br />
soll mithilfe der Evaluierung untersucht werden, ob<br />
die mit der Stoffstrombilanzierung möglicherweise<br />
erreichte Verbesserung der Ressourceneffizienz in einem<br />
angemessenen Verhältnis steht zum Erfüllungsaufwand<br />
durch die Verwaltung und zur beabsichtigten<br />
Regelungswirkung der Maßnahmen.<br />
Die einberufene Expertengruppe hat nun Vorschläge<br />
zur Verbesserung der Stoffstrombilanzierung und<br />
ihrer Umsetzung zusammengetragen. Dazu wurden<br />
die in den Bundesländern erhobenen Bilanzdaten<br />
zur einzelbetrieblichen Stoffstrombilanzierung ausgewertet.<br />
Die N- und P-Bilanzen einzelner Biogasanlagen<br />
wurden aus im Zeitraum von 2018 bis 2020<br />
erhobenen Daten vom Fachverband Biogas e.V. zusammengestellt.<br />
Ab 2023: 20-ha-Betriebe Pflicht zur<br />
Stoffstrombilanzierung<br />
Ab 1. Januar 2023 wird die Schwelle, ab der eine<br />
Pflicht zur Bilanzierung erforderlich ist, auf 20 ha gesenkt.<br />
Die Betriebe sind verpflichtet, Aufzeichnungen<br />
über die Ermittlung und Bewertung von Nährstoffen<br />
aufzubewahren. Die Bilanzierung erfolgt über die Zufuhr<br />
und Abgabe der Nährstoffe Stickstoff und Phosphor.<br />
In einer Bundestagsdrucksache von Juni 2017 ist<br />
neben dem Verordnungsentwurf und der Begründung<br />
N- und P-Bilanzen einzelner Biogasanlagen<br />
variieren stark<br />
Mit Blick auf die Daten ist festzustellen, dass sich<br />
die N- und P-Bilanzen einzelner Biogasanlagen stark<br />
voneinander unterscheiden. Ursachen für die Differenzen<br />
beziehungsweise das Nichteinhalten der<br />
Bilanzwerte können vielfältig sein, wie Schultheiß<br />
ausführte: So unterliegen der Nährstoff- und der<br />
Trockenmassegehalt der Substrate Schwankungen.<br />
Das gilt auch für die Gärrückstände. Hier kommt es<br />
zu einer weiteren Ungenauigkeit. So werden häufig<br />
Foto: Adobe Stock_Countrypixel<br />
24
Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />
Aktuelles<br />
Standardwerte für die Substrate verwendet; bei den<br />
Gärrückständen wird aber auf Analysewerte zurückgegriffen.<br />
Nährstoffe, insbesondere P, können sich in den Sedimenten<br />
und in den Rohrleitungen absetzen. Zu<br />
Differenzen in der Bilanz kann es auch durch die<br />
unterschiedliche Berücksichtigung der Einsatzstoffe<br />
und Gärrückstände kommen. Schultheiß machte<br />
auch darauf aufmerksam, dass bei der Probenahme<br />
auf den Anlagen noch Verbesserungsbedarf besteht.<br />
Fehler können entstehen, wenn aus einer größeren<br />
Probenmenge eine Teilmenge entnommen wird.<br />
„Die Betreiber haben oft nur wenige Informationen,<br />
wie es konkret mit den Nährstoffflüssen in ihren Anlagen<br />
aussieht“, lautete das ernüchternde Fazit von<br />
Ute Schultheiß. Für Vereinfachung könnte eine Vereinheitlichung<br />
bei den Nährstoffgehalten unabhängig<br />
von der Nutzungsrichtung (Silo-/Körnermais oder<br />
„Biogas“-Mais) sorgen. Wenn die Biogasanlage und<br />
der landwirtschaftliche Betrieb zusammengehören,<br />
dann sollten sie auch so betrachtet werden, auch<br />
wenn es sich um rechtlich und aus steuerlicher Sicht<br />
getrennte Unternehmen handelt.<br />
Experten empfehlen betriebsindividuell<br />
ermittelten Bilanzwert<br />
Bei der Bewertung der Stoffstrombilanzierung kommt<br />
die Expertengruppe zu dem Schluss, dass der pauschale<br />
Referenzwert von 175 Kilogramm (kg) Stickstoff<br />
(N) pro ha entfallen sollte. Stattdessen sollte die<br />
Bewertung anhand eines betriebsindividuell ermittelten,<br />
zulässigen Bilanzwertes erfolgen. Die Experten<br />
schlagen vor, einen zulässigen, flächenbezogenen<br />
„N-Sockel“ von beispielsweise 50 kg N/ha bei den N-<br />
Überschüssen zu etablieren und die organische Düngung<br />
unter Abzug von N-Verlusten und verringerter<br />
Ausnutzung zu berücksichtigen.<br />
Ein maximal zulässiger Bilanzwert als kg N je Betrieb<br />
sollte definiert und als Summe der zulässigen<br />
Überschüsse für Fläche, Stall/Lager und Ausbringung<br />
ermittelt werden. Zwischen unterschiedlichen Betriebsformen<br />
sollte stärker differenziert werden. Um<br />
die Bilanzüberschüsse zu verringern, kämen insbesondere<br />
Veredelungsbetriebe nicht um einen Export<br />
von Wirtschaftsdüngern herum.<br />
Mit der überbetrieblichen Verbringung lässt sich eine<br />
gleichmäßigere Verteilung der Nährstoffe erzielen.<br />
Mineralische N- und P-Düngemittel können so eingespart<br />
und die Gesamtbelastung aus Nährstoffüberschüssen<br />
reduziert werden. „Flächenlose“ Biogasanlagen<br />
sollten weiter bilanzpflichtig sein, um eine<br />
Überwachung der Stoffströme zu gewährleisten. Weil<br />
die Beprobung von Inputstoffen gerade für Biogasanlagen<br />
mit vielen Zulieferern oder unterschiedlichen<br />
Substraten einen unverhältnismäßig hohen Aufwand<br />
darstellt, sollte hier eine Beprobung auf der „Output“-<br />
Seite erfolgen, schlagen die Experten vor. Wie es nun<br />
weitergeht, soll nach Vorlage des Berichtes mit der<br />
neuen Bundesregierung besprochen werden.<br />
Professionelle Vermarktung von<br />
Gärprodukten<br />
Eine Möglichkeit, Nährstoffe zu exportieren, ergibt<br />
sich auch durch die Aufbereitung der Gärrückstände.<br />
Jürgen Falter stellte seinen Weg vor, die Gärrückstände<br />
zu separieren, zu trocknen und zu pelletieren. So<br />
entsteht ein hochwertiger Dünger, den Falter über<br />
einen eigenen Webshop und über Ebay vertreibt. Die<br />
Trocknungsanlage hat Jürgen Falter im Jahre 2019<br />
in Betrieb genommen, um die Gärrückstände seiner<br />
Bio-Biogasanlage zu „veredeln“. So entsteht sowohl<br />
Biodünger für den Garten als auch für die Profis im<br />
Obst- und Gemüsebau und in Erdenwerken. Für die<br />
professionellen Kunden kann Falter auch spezielle<br />
Düngermischungen zusammenstellen. Erweitert<br />
wird das Sortiment um Dünger aus Schafwolle und<br />
Kleegras.<br />
Ein Verfahren zur Herstellung eines Torfersatzproduktes<br />
aus Gärrückständen und Champost stellte Dr. Michael<br />
Ernst vor, Leiter der Staatsschule für Gartenbau<br />
in Stuttgart-Hohenheim. Noch immer ist Torf das wichtigste<br />
Ausgangsmaterial für gärtnerische Sub strate<br />
und Erden. Allein die Produktion von Weihnachtssternen<br />
in Deutschland von etwa 20 Millionen Töpfen im<br />
Jahr erfordert rund 12.000 Kubikmeter Substrat.<br />
Große Mengen werden auch für die Anzucht von Gemüsejungpflanzen<br />
in Erdpresstöpfen benötigt. Seit<br />
Jahren drängen Initiativen darauf, aus Gründen des<br />
Moor- und Klimaschutzes den Einsatz von Torf zu verringern<br />
und sie finden auch politisch Gehör. Torffreie<br />
und torfreduzierte Substrate gewinnen daher weiter<br />
an Bedeutung. Die Herausforderung an Torfersatzprodukte<br />
besteht darin, in standardisierter Qualität und<br />
in großen Mengen verfügbar zu sein.<br />
„NawaRo-Gärrückstände können als Torfersatz eingesetzt<br />
werden“, stellte Ernst fest. Allerdings müssen<br />
sie dazu aufbereitet werden. Der hohe Nährstoffgehalt,<br />
vor allem an Kalzium, muss durch Waschen abgesenkt<br />
werden. Gleiches gilt für den hohen pH-Wert.<br />
Als Nischenprodukt, das in Zusammenarbeit mit einem<br />
regionalen Substrathersteller produziert wird,<br />
sieht Ernst durchaus Chancen.<br />
Autor<br />
Thomas Gaul<br />
Freier Journalist<br />
Im Wehrfeld 19a · 30989 Gehrden<br />
01 72/512 71 71<br />
gaul-gehrden@t-online.de<br />
25
Aktuelles Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />
Biogas Convention<br />
„Die Treibhausgas-<br />
Minderungsquoten<br />
für einzelne Substrate<br />
sind noch unscharf<br />
definiert“<br />
Im Block 7 am Donnerstagvormittag ging es um das<br />
Thema Grüne Gase und ob sich daraus neue Chancen<br />
für Biogas ergeben.<br />
Von Thomas Gaul<br />
Biomethan gilt für Anlagenbetreiber als interessantes<br />
Geschäftsfeld. Ob sich neue<br />
Chancen durch die Biomethanausschreibung<br />
im EEG 2021 ergeben, beleuchtete<br />
Tino Barchmann vom Deutschen Biomasse-Forschungszentrum<br />
(DBFZ) in seinem Vortrag.<br />
„Wo kann die Reise mit Biomethan hingehen?“ fragte<br />
er. Derzeit gibt es 235 Anlagen in Deutschland, die<br />
Biogas zu Biomethan aufbereiten. Etwa 10 Terawattstunden<br />
(TWh) Biomethan werden in das Erdgasnetz<br />
eingespeist.<br />
Der überwiegende Teil von Biogas/Biomethan wird<br />
im Bereich der Kraft-Wärme-Kopplung genutzt. Zur<br />
Nutzung als Kraftstoff wird Biomethan überwiegend<br />
aus Rest- und Abfallstoffen gewonnen. Obwohl Biomethan<br />
im Verkehr Barchmann zufolge noch eine<br />
eher untergeordnete Rolle spielt, ist doch eine zunehmende<br />
Tendenz erkennbar. In 2020 wurden über diese<br />
Schiene 884 Gigawattstunden (GWh) abgesetzt,<br />
im Jahr 2018 waren es erst 389 GWh. Als Kraftstoff<br />
kann Biomethan zusätzliche Einnahmen über die<br />
THG-Quote in Ergänzung zum Marktpreis erzielen.<br />
Mit dem EEG 2021 erhöht sich das Ausschreibungsvolumen<br />
bis 2028. Zu den 600 Megawatt (MW) für Biomasse<br />
jährlich kommen zusätzlich 150 MW jährlich<br />
hinzu, ab <strong>2022</strong> allerdings nur als „Südquote“. Hierfür<br />
gibt es eine separate Ausschreibung: 19 Cent pro<br />
Kilowattstunde elektrische Leistung erhalten hochflexible<br />
Biomethan-Blockheizkraftwerke (BHKW) für<br />
20 Jahre. Hinzu kommt noch der Flexzuschlag. Der<br />
Flexzuschlag wird für Neuanlagen von 40 Euro pro<br />
Kilowatt (kW) auf 65 Euro/kW installierte Leistung<br />
angehoben. Die Leistung hochflexibler Biomethan-<br />
BHKW muss an mindestens 2.000 Viertelstunden<br />
im Jahr abzurufen sein. Auch für Biomethan-BHKW<br />
gilt die Absenkung des Maisdeckels auf maximal 40<br />
Masseprozent Mais und Getreidekorn.<br />
Eine rein am Strompreis orientierte Fahrweise des<br />
BHKW reicht nicht aus, machte Tino Barchmann<br />
deutlich. Eine Verbesserung der Gesamteffizienz<br />
lässt sich mit einer gesicherten Wärmeabnahme erreichen,<br />
wobei Wärmespeicherkapazitäten stets mit<br />
eingeplant werden sollten. Die zunehmenden Anreize<br />
für eine Vermarktung im Kraftstoffbereich, etwa für<br />
Bio-LNG, und über die THG-Quote dürften Auswirkungen<br />
auf die Preisentwicklung für Biomethan haben.<br />
Barchmann erwartet weitere Preissteigerungen<br />
für Biomethan, wenn größere LNG-Verflüssigungsanlagen<br />
größere Mengen an Biomethan binden.<br />
Standardwerte helfen oft nicht weiter<br />
Mit dem rechtlichen Rahmen für sogenannte fortschrittliche<br />
Biokraftstoffe befasste sich Dirk Bonse,<br />
Leiter der Stabsstelle erneuerbare Gase beim Fachverband<br />
Biogas e.V. Als gasförmiger Bioenergieträger<br />
wurde Biogas unter die „biomass fuels“ in der<br />
REDII eingeordnet. Annex VI der Verordnung regelt<br />
die Berechnung und gibt Standard- und Teilstandardwerte<br />
vor.<br />
Auf einige Änderungen machte Bonse in seinem Vortrag<br />
aufmerksam: Substrate können nun gemischt<br />
werden. Auf die Düngewirkung des Gärproduktes erfolgt<br />
eine Gutschrift, ebenso für vermiedene Methanemissionen<br />
aus der Lagerung von Wirtschaftsdünger.<br />
Die Vorgabe von Standardwerten macht es erforderlich,<br />
bei individuellen Mischungen von Gülle und<br />
Foto: jörg bötling<br />
26
Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />
Aktuelles<br />
Bei allem Bestreben<br />
Richtung Elektromobilität<br />
sollte der<br />
Zweig der Gasmobilität<br />
nicht abgesägt<br />
werden.<br />
Mais eigene Berechnungen vorzunehmen.<br />
Bei einem Einsatz von 100 Prozent Gülle<br />
in der Vergärung erfolgt gemäß REDII eine<br />
Gutschrift von -100 Gramm CO 2äqu<br />
pro<br />
Megajoule (MJ). Bei einem Einsatz von 80<br />
Prozent Gülle und 20 Prozent Mais wären<br />
es -12 g CO 2äqu<br />
/MJ. „Die Treibhausgas-<br />
Minderungsquoten für einzelne Substrate<br />
sind noch unscharf definiert“, stellte Bonse<br />
fest. Er verwies in seinem Vortrag auch<br />
auf die neue Notwendigkeit der Nachhaltigkeits-Nachweise<br />
über die zugelassenen<br />
Zertifizierungssysteme.<br />
Die unterschiedlichen Nutzungswege erneuerbarer<br />
Gase machten eine Vielzahl an<br />
Betreibermodellen möglich, so Bonse: der<br />
Verkauf des Rohbiogases an Händler, eine<br />
eigene Hoftankstelle oder Verflüssigungsanlage<br />
für LNG bis hin zur stofflichen<br />
Nutzung, die jedoch noch vielfach Gegenstand<br />
von Forschungsprojekten ist. Alle<br />
Optionen können auch mit der Strom- und<br />
Wärmeproduktion verbunden werden.<br />
Auch wenn der Trend zur E-Mobilität<br />
und das angekündigte Ende der Verbrennungsmotoren<br />
im Jahr 2035 den Absatz<br />
von Bio-CNG beeinträchtigt, entwickle<br />
sich der Markt für LNG rasant. Mit Stand<br />
November 2021 gab es 89 LNG-Tankstellen<br />
in Deutschland, weitere 49 waren in<br />
Planung. Auf diesem Weg sieht Dirk Bonse<br />
die tragende Rolle für Biomethan im<br />
Schwerlastverkehr.<br />
Kein Kostendeckel beim<br />
Netzanschluss<br />
Mit diesen neuen Märkten für Biomethan<br />
befasste sich auch René Walter, Rechtsanwalt<br />
in der Kanzlei Becker Büttner<br />
Held. Er machte darauf aufmerksam,<br />
dass sich bei der Kostenaufteilung für den<br />
Gasanschluss bei der Einspeisung in das<br />
Erdgasnetz eine Änderung ergeben hat:<br />
Nach der bisherigen Auffassung der Bundesnetzagentur<br />
musste der Einspeiser 25<br />
Prozent der Kosten für den ersten Kilometer<br />
des Netzanschlusses übernehmen.<br />
Dieser Betrag war bislang auf 250.000<br />
Euro gedeckelt. Diese Begrenzung sei nun<br />
entfallen, so Walter.<br />
Betroffene Einspeiser sollten nun prüfen,<br />
ob sie dagegen klagen. Bei den ganzen<br />
rechtlichen Fragen rund um die Durchsetzung<br />
des Netzanschlussbegehrens mache<br />
eine rechtliche Betreuung aus Sicht<br />
Walters durchaus Sinn. In der Genehmigungsphase<br />
lasse sich so die Projektlaufzeit<br />
verkürzen. Für Einspeiseprojekte mit<br />
einer hohen THG-Minderung bestünden<br />
hervorragende Aussichten, denn die Industrie<br />
und das Transportgewerbe suchten<br />
nach Möglichkeiten zur Dekarbonisierung.<br />
„Es entsteht gerade eine Dekarbonisierungsindustrie“,<br />
sagte Walter. Aber<br />
Biomethan könne auch ein wertvoller<br />
Baustein sein, um die Industrie und<br />
Wohnquartiere mit erneuerbarem Strom<br />
und Wärme zu versorgen. Dies gelte umso<br />
mehr, da fossiles Erdgas zunehmend ersetzt<br />
werden muss.<br />
Autor<br />
Thomas Gaul<br />
Freier Journalist<br />
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27
Aktuelles Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />
Biogas Convention<br />
Nicht vom Bürokratie-Monster<br />
abschrecken lassen<br />
Am Dienstagnachmittag ging es im Block 3 um die Umsetzung der Nachhaltigkeitsverordnung<br />
durch die Biogasbranche. Eine kurz vor Inkrafttreten beschlossene Verordnung verlangt<br />
von Biogaserzeugern ab Januar Nachhaltigkeitszertifikate – eine enorme Herausforderung.<br />
Zertifizierungssystem und -stelle, Erst-, Desk-, Überwachungs- und Rezertifizierungs-Audit,<br />
Eigen- und Selbsterklärung. Mit all diesen Begriffen gilt es, sich vertraut zu machen!<br />
Von Christian Dany<br />
Ich bin überwältigt“, musste Dr. Stefan Rauh<br />
gestehen. Als Moderator des Vortragsblocks<br />
zur Umsetzung der Nachhaltigkeitsverordnung<br />
durch die Biogasbranche wurde er mit Fragen<br />
geradezu überflutet. Nicht anders sei es in der<br />
Geschäftsstelle des Fachverbandes Biogas: „Kaum<br />
ein Tag vergeht, an dem bei uns nicht Fragen zur Biomassestrom-Nachhaltigkeitsverordnung<br />
kommen“,<br />
verriet der Geschäftsführer, „morgen wird die BioSt-<br />
NachV im Bundeskabinett beschlossen werden. Sie<br />
tritt zum 1. Januar <strong>2022</strong> in Kraft. Es gibt viel zu tun<br />
und zu beachten.“<br />
In der Presseerklärung am nächsten Tag kritisierte<br />
der Fachverband den unnötigen Zeitdruck und den<br />
absehbaren „Zertifizierungsstau“ aufs Heftigste:<br />
„Bereits Ende 2018 trat die EU-Richtlinie in Kraft<br />
und lag dem Umweltministerium zur Überführung in<br />
deutsches Recht vor. Nun muss die Branche ausbaden,<br />
was von Seiten der Bundesregierung verzögert<br />
wurde. Zwar sieht der Kabinettsbeschluss aufgrund<br />
des bereits seit Monaten absehbaren Mangels an Auditoren<br />
die Möglichkeit einer Übergangsfrist für die<br />
Zertifizierung bis zum 30. Juni <strong>2022</strong> vor, doch wird<br />
aller Erfahrung nach auch diese Frist nicht ausreichen.“<br />
Mit der neuen Verordnung muss jetzt auch<br />
die Erzeugung von Biogas und Biomethan im Stromund<br />
Wärmebereich Nachhaltigkeitskriterien erfüllen.<br />
Das gilt für alle Biogasanlagen, auch bestehende. Die<br />
Biokraftstoffproduktion ist schon seit 2010 verpflichtet,<br />
Nachhaltigkeitsnachweise zu erbringen. Für Biomethan,<br />
das als Kraftstoff verwendet wird, galt das<br />
bislang auch schon.<br />
Vor elf Jahren wurde das REDcert-System für die Zertifizierung<br />
von Biokraftstoffen zugelassen. Analog dazu<br />
gibt es jetzt das SURE-System für Biomassestrom.<br />
Die SURE GmbH steht für „Sustainable Resources<br />
Verification Scheme” und ist eine Schwesterfirma von<br />
REDcert. Auf der Biogas Convention stellte Thomas<br />
Siegmund von SURE 200 Online-Teilnehmern das<br />
neue Zertifizierungssystem vor. Harald Heinl von der<br />
OmniCert Umweltgutachter GmbH berichtete über<br />
erste Praxiserfahrungen.<br />
Die europäischen Ziele für Erneuerbare Energien seien<br />
ohne einen massiven Ausbau der Bioenergie gar<br />
nicht erreichbar, führte Siegmund ein: „Es werden<br />
vermehrt Biomasse-Importe erforderlich sein. Deswegen<br />
hat die EU Nachhaltigkeitskriterien definiert. Bis<br />
30. Juni 2021 hätte die Nachhaltigkeitsverordnung<br />
Organisationsstruktur aller Systemteilnehmer<br />
Systemgeber<br />
(SURE GmbH)<br />
Zulassung<br />
Zertifizierungsstelle<br />
Überwachung<br />
Überwachungsbehörde<br />
(BLE/ Nabisy)<br />
Stromnetzbetreiber<br />
Meldepflicht<br />
Zertifizierung<br />
generiert Nachhaltigkeitsnachweise<br />
in Nabisy-Datenbank<br />
Anlagenbetreiber<br />
Einreichen der Nachhaltigkeitsnachweise<br />
Quelle: OmniCert<br />
28
Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />
Aktuelles<br />
Anlagenbau<br />
in nationales Recht umgesetzt werden<br />
müssen.“ Das sei nicht erfolgt und deshalb<br />
sei jetzt Eile geboten. Mit der BioSt-<br />
NachV erfolge nun die Umsetzung.<br />
Dabei gebe es eine Größengrenze: Nur<br />
Biogasanlagen mit mehr als 2 Megawatt<br />
Feuerungswärmeleistung (FWL) seien<br />
von der Nachweispflicht betroffen: „Das<br />
bedeutet, dass überbaute, flexibilisierte<br />
Anlagen mit mehreren BHKW-Modulen<br />
schon ab einer Gesamtleistung von etwa<br />
800 kW el<br />
nachweispflichtig sind. Es geht<br />
um die installierte Leistung, nicht die Bemessungsleistung.“<br />
Nach Siegmunds Einschätzung sind<br />
1.500 bis 2.000 Biogasanlagen in<br />
Deutschland von der Verordnung betroffen.<br />
„Das ist eine enorme Herausforderung,<br />
diese fristgerecht zu zertifizieren“,<br />
sagte er; zumal der Holzenergiesektor<br />
noch obendrauf komme. Dem ständen<br />
150 registrierte Auditoren im SURE-<br />
System gegenüber. Bei der Umsetzung<br />
des Audits sei ein großer Flaschenhals<br />
zu erwarten. Die Verordnung sehe eine<br />
Übergangsfrist im Ausnahmefall vor: „Sie<br />
können gegenüber der Bundesanstalt für<br />
Landwirtschaft und Ernährung (BLE) in<br />
einer ‚Eigenerklärung‘ angeben, dass<br />
das Audit nicht fristgerecht durchgeführt<br />
werden konnte; möglicherweise wegen<br />
zu wenig verfügbarer Auditoren. Sie haben<br />
dann Zeit bis zum 30. Juni <strong>2022</strong>,<br />
das Zertifikat zu erlangen“, klärte der<br />
Bioenergie-Experte auf.<br />
Zertifizierungsstelle suchen,<br />
die von SURE und der BLE<br />
anerkannt ist<br />
„Drei Ebenen müssen durchschritten<br />
werden“, erläuterte Siegmund den Weg<br />
zum Nachhaltigkeitsnachweis. Zuerst<br />
müsse die Anlage bei SURE registriert<br />
werden. „Sie bekommen Vertragsunterlagen<br />
zugesandt“, sprach er die Teilnehmer<br />
direkt an, „sobald die Verträge von<br />
beiden Seiten gegengezeichnet sind,<br />
gelten Sie als Systemteilnehmer bei<br />
SURE. Parallel müssen Sie sich eine<br />
Zertifizierungsstelle aussuchen, die von<br />
SURE und der BLE anerkannt ist.“ Auf<br />
der Webseite von SURE sind hier etwa<br />
20 Unternehmen aufgelistet. Mit der<br />
Zertifizierungsstelle könne der Anlagenbetreiber<br />
einen Vertrag schließen und einen<br />
Audittermin vereinbaren. Nach dem<br />
Audit prüfe die Zertifizierungsstelle den<br />
Auditbericht und treffe eine Zertifizierungsentscheidung.<br />
Die dritte Ebene sei<br />
die Beziehung zur BLE: „Wenn Sie dann<br />
das Zertifikat haben, können Sie einen<br />
Antrag bei der BLE stellen zur Kontoeröffnung<br />
im Nabisy und Ausstellung eines<br />
Nachhaltigkeitsnachweises“, schilderte<br />
Siegmund. Nabisy nenne sich die BLE-<br />
Datenbank „Nachhaltige-Biomasse-System“.<br />
Anschließend könne der Anlagenbetreiber<br />
den Nachhaltigkeitsnachweis<br />
der BLE beim Netzbetreiber einreichen.<br />
Damit werde die BioSt-NachV erfüllt und<br />
die EEG-Vergütung könne ausbezahlt<br />
werden.<br />
Anhand eines Zeitstrahls erläuterte<br />
Harald Heinl den Ablauf aus der Sicht<br />
einer Zertifizierungsstelle. Er wies auf<br />
die Übergangsfrist bis 30. Juni <strong>2022</strong><br />
hin. Bis dahin sei die Erstzertifizierung<br />
abzuschließen. „Wir stellen Ihnen eine<br />
Liste mit Unterlagen zur Verfügung, die<br />
wir für das Erst-Audit einsehen möchten.<br />
Dann würden wir einen Vor-Ort-Termin<br />
mit Ihnen vereinbaren. Möglich ist, vorher<br />
ein ‚Desk-Audit‘ mit einer Online-<br />
Videoschaltung zu machen, bei dem wir<br />
Unterlagen durchgehen und Fragen stellen<br />
können. Damit haben wir gute Erfahrungen<br />
gemacht, denn danach kann der<br />
Vor-Ort-Termin erheblich straffer geplant<br />
werden.“<br />
Bei Problemen oder fehlenden Unterlagen<br />
bestehe die Möglichkeit eines Nach-<br />
Audits spätestens drei Monate nach Erst-<br />
Audit. Spätestens sechs Monate nach der<br />
Erstzertifizierung sei ein Überwachungsaudit<br />
erforderlich und dann alle zwölf Monate<br />
ein Re-Zertifizierungsaudit.<br />
Beim Audit einer Biogasanlage werden<br />
im Wesentlichen die Massenbilanz, die<br />
im Überwachungszeitraum ausgestellten<br />
Nachhaltigkeitsnachweise sowie die Vollständigkeit<br />
und Plausibilität der Dokumente<br />
geprüft. Heinl: „Die Datengrundlage<br />
für die Massenbilanzierung ist in der<br />
Regel vorhanden: Wiegeprotokolle oder<br />
Lieferscheine für den Biomasse-Zukauf,<br />
das Einsatzstofftagebuch für den Einsatz<br />
der Biomasse und die Einspeisemessung<br />
für die Stromerzeugung. Aufgabe des<br />
Auditors ist es, die Relation dieser Mengen<br />
zueinander zu plausibilisieren.<br />
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Aktuelles Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />
Zertifizierungsprozess im Zeitbeispiel<br />
Die meisten Betriebe haben schon eine<br />
Massenbilanzierung. Hier gibt es eine<br />
Überschneidung mit dem EEG-Umweltgutachten.“<br />
Ein Anteil nicht nachhaltiger Biomasse<br />
könne über die Massenbilanz „ausgeschleust“<br />
werden, indem dieser Anteil einem<br />
anderen Bereich als der EEG-Anlage,<br />
zum Beispiel der Tierhaltung, zugeordnet<br />
werde. „Die Herausforderung ist, dass die<br />
gesamte Lieferkette zertifiziert werden<br />
muss“, sagte Siegmund. Das bedeute,<br />
die vorgelagerten Lieferanten müssten<br />
dem Anlagenbetreiber ein gültiges Zertifikat<br />
vorlegen. Reine Transportunternehmen<br />
seien nicht zertifizierungspflichtig;<br />
nur Lieferanten, die auch Eigentümer der<br />
Ware seien.<br />
Der Einbezug der Lieferkette brauche Zeit<br />
und könne zu Problemen führen. Ein strukturelles<br />
Problem entstehe durch Lagerbestände:<br />
In den folgenden Monaten werde<br />
noch nicht zertifizierte Biomasse aus<br />
2021 eingesetzt. Biomasse-Rohstoffe,<br />
die bis zu zwölf Monate vor dem Erstaudit<br />
eingegangen sind, könnten jedoch im<br />
SURE-System noch als nachhaltige Biomasse<br />
in der Massenbilanz berücksichtigt<br />
werden; aber nur, wenn eine lückenlose<br />
Dokumentation vorhanden, eine rückwirkend<br />
ausgestellte Selbsterklärung des Erzeugungsbetriebs<br />
abgegeben und die Biomasse<br />
noch nicht verarbeitet worden sei.<br />
Selbsterklärungen für Landwirte<br />
Zwar besagt die RED II, dass sich alle<br />
Wirtschaftsbeteiligten zertifizieren lassen<br />
müssen. Eine Erleichterung gibt es allerdings<br />
für die Erzeugerstufe: Land- und<br />
Forstwirte sowie Abfallentstehungsbetriebe<br />
müssen nicht individuell zertifiziert<br />
werden, sondern können das in Gruppen.<br />
Hierzu sind jährliche „Selbsterklärungen“<br />
an die Ersterfasser abzugeben, die in der<br />
Regel die Funktion des Gruppenmanagers<br />
übernehmen.<br />
„Die Selbsterklärung ist für Sie als Landwirtschaftsbetrieb<br />
Ihre Eintrittskarte in<br />
die BioSt-NachV/RED II, die ermöglicht,<br />
dass Sie selbst nicht direkt zertifiziert<br />
werden müssen“, stellte Siegmund klar,<br />
„darin müssen Sie bestätigen, dass Sie<br />
die Anforderungen einhalten und Stichprobenkontrollen<br />
zustimmen. Cross-<br />
Compliance-Betriebe werden im Anteil<br />
der Quadratwurzel kontrolliert: also vier<br />
Landwirte bei einer Gruppe von 16.“ Die<br />
Selbsterklärungen seien nahezu die gleichen<br />
wie die, die viele Landwirte abgeben<br />
müssen, wenn sie Weizen, Raps oder<br />
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Quelle: OmniCert
Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />
Aktuelles<br />
Zuckerrüben an Lagerhäuser verkaufen,<br />
ergänzte Stefan Rauh. Biogasanlagenbetreiber<br />
können die Erzeuger in Gruppen<br />
einteilen. Wie Heinl veranschaulichte,<br />
sei es zum Beispiel möglich, alle Nawa-<br />
Ro- und alle Reststofflieferanten (Gülle<br />
und Mist) jeweils zu einem Gruppenzertifikat<br />
zusammenzufassen. Komme<br />
Material von einem Lagerhaus, brauche<br />
dieses selbst ein Zertifikat, da es nicht<br />
als Erzeuger gelte.<br />
Es geht um die nachhaltige Erzeugung<br />
der Biomasse, um deren Rückverfolgbarkeit<br />
und Massenbilanzierung, zählte<br />
Siegmund die Nachhaltigkeitsanforderungen<br />
für Biogas auf. Alle zertifizierungspflichtigen<br />
Schnittstellen müssten<br />
eine dreimonatige Massenbilanz führen,<br />
um die Biomasse vom BHKW zurück zum<br />
Entstehungsort verfolgen zu können. Ein<br />
Nachweis von Mindest-Treibhausgaseinsparungen<br />
in der Strom- und Wärmeerzeugung<br />
sei nur von neuen Anlagen ab<br />
Inbetriebnahmejahr 2021 erforderlich.<br />
Flächenstatus von 2008<br />
maßgebend<br />
Wie kann aber nun eine nachhaltige Erzeugung<br />
landwirtschaftlicher Biomasse<br />
dokumentiert werden? Laut Verordnung<br />
darf die Biomasse nicht von Flächen mit<br />
einem „hohen Wert für die biologische<br />
Vielfalt“ stammen, wobei hierfür der Status<br />
im Januar 2008 maßgebend ist: Zu<br />
dem Zeitpunkt durften die Flächen nicht<br />
bewaldet oder als Grünland mit großer<br />
biologischer Vielfalt registriert sein und<br />
sie durften nicht Naturschutzzwecken gedient<br />
haben, außer die Biomassenutzung<br />
lief dem Naturschutzzweck nicht zuwider.<br />
Als mögliche Nachweise nannte Siegmund<br />
Anträge auf Direktzahlungen oder<br />
Agrarumweltmaßnahmen im Jahr 2008,<br />
amtliche Dokumente, Gutachten oder<br />
Kartenmaterial zum damaligen Flächenzustand.<br />
Als problematisch dürfte sich<br />
herausstellen, dass die buchhalterische<br />
Aufbewahrungspflicht von zehn Jahren<br />
schon abgelaufen ist. „Das Landwirtschaftsamt<br />
muss bestätigen, dass es keine<br />
Fläche hoher Vielfalt war“, sagte Heinl.<br />
Jedoch könnten es auch die Ämter schwer<br />
haben, den Status von 2008 nachzuweisen.<br />
Außerdem dürften diese bald mit<br />
derartigen Anfragen überhäuft werden.<br />
Der Umwelttechnik-Ingenieur riet, nur<br />
Flächen anzugeben, für die der Nachweis<br />
eindeutig zu erbringen sei.<br />
In der Fragenrunde ging es mehrmals<br />
um die Größengrenze von 2 MW. „Eine<br />
Definition des Anlagenbegriffs fehlt in<br />
der Verordnung“, sagte Siegmund. Hier<br />
werde aufs EEG Bezug genommen. Seiner<br />
Auffassung nach müsste immer der<br />
Anlagenbegriff des gültigen EEG einer<br />
Anlage gelten und hierbei die installierte<br />
Feuerungswärmeleistung (FWL) herangezogen<br />
werden. Relevant sei das besonders<br />
bei Satelliten-BHKW: Gelte dieses als eigenständig<br />
vergütete EEG-Anlage und<br />
habe mehr als 2 MW FWL, sei es getrennt<br />
nachweispflichtig und werde nicht mit der<br />
Leistung am Biogasanlagen-Standort addiert.<br />
Letzten Endes entscheide das aber<br />
der Gesetzgeber und nicht SURE.<br />
In manchen Fällen blieben Restunsicherheiten,<br />
wie bei mehr als zwölf Monate<br />
alten Lagerbeständen oder bei Flächen,<br />
die nach 2008 im Rahmen von Flurbereinigungen<br />
umgewidmet wurden oder neue<br />
Eigentümer bekamen. Siegmund versicherte,<br />
dass SURE hier im Kontakt mit<br />
dem Gesetzgeber und um praxisgerechte<br />
Lösungen bemüht sei. „Das alles klingt<br />
auf den ersten Blick sehr umfangreich<br />
und kompliziert – ist es auch, aber es ist<br />
lösbar. Lassen Sie sich nicht abschrecken“,<br />
ermutigte er die Zuhörer. Die ersten<br />
30 Zertifikate seien schon ausgestellt<br />
worden. Über 600 Bioenergieanlagen hätten<br />
sich im SURE-System angemeldet. Er<br />
empfahl, sich frühzeitig um die Zertifizierung<br />
zu kümmern. Wegen des Andrangs<br />
könne es bis zum Audittermin einige Zeit<br />
dauern.<br />
Autor<br />
Christian Dany<br />
Freier Journalist<br />
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Aktuelles Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />
Flexibel gewinnt<br />
Die Biogas-Convention war diesmal zweigeteilt: Zuerst das<br />
Online-Vortragsprogramm, dann folgte in der zweiten Dezemberwoche<br />
die Ausstellung am Nürnberger Messegelände. Der<br />
Besuch war trotz 2G+-Zugangsbeschränkungen lange nicht so<br />
stark wie in den vergangenen Jahren. Darunter litt auch das<br />
„Biogas-Fachforum Live“ im Foyer vor der Ausstellungshalle<br />
9 mit dem fast tagesaktuellen Flex-Forum. Deshalb hier eine<br />
Zusammenfassung der für viele Biogas-Anlagenbetreiber relevanten<br />
Vortragsinhalte.<br />
Biogas Trade Fair:<br />
Gasbetriebener Lkw<br />
von Iveco.<br />
Von Dipl.-Ing. Heinz Wraneschitz<br />
Warum wird Flexibilität künftig noch<br />
mehr gefordert und gebraucht? Weil<br />
es politisch gewollt ist, dass dreimal<br />
so viel Wind- und Solarstrom produziert<br />
wird bisher.“ Christian Dorfner,<br />
Vorstand der SK Verbundenergie AG mit Sitz in Regensburg,<br />
beschrieb so die Situation, die spätestens<br />
seit den Unterschriften von SPD, Grünen und FDP<br />
unter den Ampel-Koalitionsvertrag in Deutschland<br />
politisches Ziel ist: Raus aus Kohle- und Atomstrom,<br />
möglichst schnell rein in die Vollversorgung mit Erneuerbaren<br />
Energien.<br />
„Dadurch werden die Lücken in der Versorgung größer“<br />
– denn Sonne und Wind sind nicht 24 Stunden<br />
am Tag verfügbar. Zur Füllung dieser Stromlücken<br />
werde Spitzenlast benötigt. Und hier liegt für Dorfner<br />
die große Chance der flexibilisierten Biogasanlagen:<br />
Die könnten immer dann liefern, wenn sich Lücken<br />
auftun. Und genau dann seien die an den Strombörsen<br />
zu erzielenden Preise am höchsten.<br />
Sind Viertelstunden-Preise die Lösung?<br />
„Mindestens 4.000 Viertelstunden pro Jahr eine<br />
Strommenge produzieren, also im Durchschnitt etwa<br />
drei Stunden jedes Tages“: das schreibe das Erneuerbare-Energien-Gesetz<br />
EEG 2021 vor, damit Anlagen<br />
genug Flexibilität für den Börsenhandel mitbringen, so<br />
Dorfner. „70 bis 80 Cent pro Kilowattstunde (ct/kWh)<br />
sind nicht selten“, aber da reiche ja schon eine Stunde<br />
am Tag: So beschreibt der SK-Mann den Viertelstundenmarkt,<br />
„das interessanteste Marktsegment.“<br />
Fünf Minuten vor Beginn jeder Viertelstunde könne<br />
man sich entscheiden, zu liefern oder nicht. Denn die<br />
Netzbetreiber müssen immer schnell handeln, zum<br />
Beispiel, weil das Wetter anders als vorhergesagt ist<br />
oder ein großes konventionelles Kraftwerk unerwartet<br />
ausfällt. Mit einem guten Vermarkter könne sich jeder<br />
Anlagenbetreiber daran beteiligen. „Aber dazu muss<br />
ich mich komplett in die Hand des Dienstleisters begeben,<br />
dann läuft alles komplett vollautomatisiert.“<br />
Doch dafür muss die Technik entsprechend angepasst<br />
werden: Wärmepufferspeicher, jeder Gasbehälterstand,<br />
alles müsse digitalisiert sein. Denn der<br />
Vermarkter müsse Höchstbemessungsleistung oder<br />
die Gasproduktion im Blick haben: dann könne kontrolliert<br />
abgeschaltet werden, bevor der Gasspeicher<br />
ganz leer sei.<br />
Glaubt man Christian Dorfner, dann bringt ein großer<br />
„Wärmepufferspeicher Ruhe in den Betrieb“. So sei<br />
selbst ohne Überbauung in diesem Segment Geld zu<br />
verdienen. „Doch umso höher überbaut, desto besser<br />
sind Spitzenpreise auszunutzen.“ Die beste von SK<br />
vermarktete Anlage habe im Oktober 2021 8 ct/kWh<br />
Zusatzerlöse erzielt. Und das sei noch lange nicht das<br />
Ende, mutmaßt er: „Ich glaube, dass die Spreizung<br />
zwischen gesicherter und Spitzenleistung im Netz<br />
noch zunimmt.“<br />
Doch davor müsse investiert werden: Dorfner denkt dabei<br />
an Wärmespeicher, die 40 Stunden die Versorgung<br />
der Wärmekunden übernehmen können, und an fünffache<br />
Überbauung. „Wenn ich ein neues BHKW brauche,<br />
dann so groß wie es irgend geht“, empfiehlt er.<br />
Möglichst stark überbauen<br />
Uwe Welteke-Fabricius von den Flexperten geht noch<br />
einen Schritt weiter: Er sieht bereits die Biogasanlagen<br />
als „intelligentes Speicherkraftwerk, das flexibel<br />
Energie in den Markt bringt“. Auch er zitierte den<br />
Fotos: Heinz Wraneschitz<br />
32
Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />
Aktuelles<br />
Andre Schaller.<br />
Ampel-Koalitionsvertrag. „Darin steht: bis die Erneuerbaren<br />
den Bedarf decken, braucht es Gaskraftwerke.“ Doch so<br />
weit werde es nie kommen, unkt er. Und wenn, dann werde<br />
erst bei 1,5-facher Deckung so viel Überschussstrom jenen<br />
Wasserstoff produzieren können, mit dem die vielen neuen<br />
„H2-ready“-Gaskraftwerke auf den sauberen Wasserstoff umgestellt<br />
werden sollen.<br />
„Ran an den Speck – wir müssen den Gasturbinen beweisen,<br />
dass wir schneller sind“, forderte er von den Biogasanlagen-<br />
Betreibern Engagement – und Investition in neue, große BHKW<br />
sowie Gasspeicher. Er empfahl gar 60-Stunden-Speicher für<br />
Anlagen mit 500 kW Bemessungsleistung und eine mindestens<br />
vierfache Überbauung: „Ein zusätzliches 2.000-kW-BHKW ist<br />
die optimale Flexibilisierung.“ Denn die Kosten dafür lägen bei<br />
550 Euro pro kW, „die Förderung liegt drüber: da kann ein<br />
Speicher noch mitfinanziert werden.“<br />
Eine Musteranlage dafür zeigte er auch: das Speicherkraftwerk<br />
Rixdorf. Dessen Gasspeicher könne 30 Megawattstunden<br />
(MWh) Energie bereitstellen – eine Batterie mit dieser<br />
Kapazität würde etwa 10 Millionen Euro kosten, so Welteke.<br />
Und wenn Anlagen bei den Ausschreibungen der Bundesnetzagentur<br />
zum Zuge kämen, für den biete „der neue Flexzuschlag<br />
eine neue Logik“, nämlich bessere Förderung.<br />
Und noch einen Tipp hatte der Flexperte parat: „Die Fütterung<br />
ein bis zwei Tage zu verdoppeln ist möglich. Dann kann das<br />
BHKW auch schon mal zehn Stunden am Stück laufen“, natürlich<br />
nur beizeiten mit hohen Vergütungen, „um mehr Geld<br />
zu verdienen“.<br />
Doch Welteke-Fabricius benannte auch das Problem, dass<br />
„die Biogas-Produktion aber in der Öffentlichkeit wegen der<br />
Maisdiskussion umstritten“ ist. Deshalb müssten die vielen<br />
Reststoffe aus Landwirtschaft und Verbrauchssektoren dafür<br />
besser erschlossen werden, „dann wird unser Vorteil noch<br />
besser sichtbar.“<br />
Biogas<br />
Infotage <strong>2022</strong><br />
23. + 24. März<br />
Messe Ulm<br />
Oder doch besser negative Regelenergie?<br />
Hans-Joachim Röhl von der Next Kraftwerke GmbH sieht die<br />
Viertelstunden-Börsenvermarktung nicht ganz so euphorisch.<br />
Natürlich müsse auch Next als Vermarkter auf die einzelnen<br />
Anlagen zugreifen, um sie gemeinsam als „virtuelles<br />
33 www.renergie-allgaeu.de
Aktuelles Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />
Christian-Dorfner<br />
Hans-Joachim Röhl<br />
Uwe Welteke-Fabricius<br />
Wolfgang Haberstroh<br />
Kraftwerk“ steuern zu können. Doch<br />
„Viertelstundenwerte sind halt sehr materialermüdend.<br />
Man muss also wissen,<br />
was man da tut“. Womit er gleichermaßen<br />
Vermarkter wie Betreiber meinte.<br />
Wohl auch deshalb setzt Next weiterhin<br />
stark auf die „Bereitstellung negativer<br />
Regelenergie“, also das Angebot an die<br />
Stromnetzbetreiber, dass ein Biogas-<br />
BHKW kurzfristig seine Stromeinspeisung<br />
reduziert. „2012 konnte man aus<br />
einer 500-kW-Anlage so 10.000 Euro pro<br />
Jahr generieren. Jetzt gibt es pro Monat<br />
bis zu 30.000 Euro für die Bereitstellung<br />
negativer Regelenergie. Das Geld gibt es<br />
immer – aber abregeln brauche ich nur,<br />
wenn es wirklich gebraucht wird. Und es<br />
ist relativ unwahrscheinlich, dass abgeregelt<br />
wird“, ist Röhl dank der langjährigen<br />
Erfahrung von Next sicher. „Wir haben<br />
schon vor zehn Jahren den Biogasmarkt<br />
beeinflusst“, erinnert er sich zurück. Und<br />
heute habe Next 12.000 Anlagen mit<br />
9,5 Gigawatt Leistung gebündelt und<br />
vernetzt. „Damit können wir auf Marktsignale<br />
reagieren.“ Und man lerne aus dem<br />
Betrieb immer mehr zu den einzelnen Anlagen:<br />
„Die wollen wir optimieren, immer<br />
gegen den durchschnittlichen Strombörsenpreis“,<br />
und zwar „an allen möglichen<br />
Märkten“. Dadurch seien Biogasanlagen<br />
„am wirtschaftlichsten zu betreiben“,<br />
rechnete Hans-Joachim Röhl an Beispielen<br />
vor.<br />
Flexible Flex-Vermarktung aus<br />
der Schweiz<br />
Sehr flexibel scheint die Alpiq Energie<br />
Deutschland GmbH auch bei der Anpassung<br />
ihrer Vergütungsmodelle für die Betreiber<br />
zu sein. Das jedenfalls prägte sich<br />
bei der Vorstellung der „marktgerechten<br />
Vergütung mit Sicherheitsnetz für hochflexible<br />
Biogasanlagen“ durch André<br />
Schaller ein. Der „Key Account Manager<br />
Flexiblitäten DACH“ des deutschen Ablegers<br />
des Schweizer Energieunternehmens<br />
stellte heraus: „Wie viel Geld beim Betreiber<br />
hängen bleibt und warum, ist zu 70<br />
Prozent intransparent.“ Damit meinte er<br />
wohl die Abrechnungen der Konkurrenz.<br />
Alpiq dagegen biete „einen spezifischen<br />
Festpreis. Und wir beteiligen die Betreiber<br />
ganz stark an den Marktchancen.“<br />
Die „ehemalige Managementprämie von<br />
0,2 ct/kWh“ fließe bei der Direktvermarktung<br />
jedenfalls direkt an den Betreiber.<br />
Und die Börsen-Mehrerlöse von<br />
Day-Ahead und Intraday-Markt durch<br />
das Abfahren individueller Fahrpläne von<br />
hochflexiblen Biogasanlagen werden monatlich<br />
ausgezahlt; „der Mehrerlösfaktor<br />
ist an den veröffentlichten Spotmarktpreisen<br />
nachprüfbar“.<br />
Die jeweilige Anlagen-Flexibilität werde<br />
laut Schaller in einem Index im Vergleich<br />
zu einer virtuellen Referenzanlage ermittelt.<br />
In die Anlagenbewertung flössen vor<br />
allem nutzbare Flexibilität, Rampenzeiten,<br />
technische Verfügbarkeit sowie nutzbarer<br />
Speicher ein. Und – wie er versicherte:<br />
auch während der Vertragslaufzeit<br />
könne zwischen einzelnen Vermarktungsverfahren<br />
gewechselt werden.<br />
Kurzfristig Gasproduktion steigern<br />
Hilfreich für die Flexibilisierung ist auch<br />
„Methanos F3, der Booster für Biogasanlagen“,<br />
wie Wolfgang Haberstroh die<br />
Funktion dieser Mikroorganismen (MO)<br />
umschrieb. Denn quasi auf Knopfdruck –<br />
richtiger: durch die Zugabe bestimmter<br />
Mengen dieser MO – könne die Gasproduktion<br />
schnell gesteigert werden.<br />
Entwickelt wurden sie von der Schmack<br />
Biogas Service GmbH, früher einfach<br />
„Schmack“, dann von Viessmann übernommen<br />
und nun Teil der HTI Hitachi<br />
Zosen Inova-Gruppe. Diese MO machen<br />
zum Beispiel einen – seit dem EEG 2017<br />
erlaubten – Sommer-Winter-Betrieb möglich:<br />
Im Winter mehr Wärme und Strom<br />
herausholen, das funktioniere laut Haberstroh.<br />
Denn die MO könnten die Gaserzeugung<br />
einer Standard-Anlage bei Bedarf<br />
von 800 auf 2360 kW je Stunde steigern,<br />
ohne die Technik der Anlage zu verändern:<br />
Durch die Zugabe von Methanos werde<br />
die Raumbelastung im Fermenter auf<br />
etwa das Zweieinhalbfache erhöht. Dass<br />
die MO sogar Substrate einsparen, weil<br />
Abbauleistung verbessert und so der Gasertrag<br />
erhöht werde, erwähnte er zudem.<br />
„Biogas ist Teil der Lösung!“<br />
Dass Flexible Biogasanlagen eine Zukunft<br />
haben, steht für den Fachverband Biogas<br />
ohnehin fest. Denn FvB-Geschäftsführer<br />
Stefan Rauh ist sicher: „Die Politik schaut<br />
auf uns. Sie sieht Biogas als Baustein der<br />
Energiezukunft.“ Doch Betreiber müssten<br />
dafür eben ihre Anlagen „zukunftsorientiert<br />
betreiben“. Dann hätten sie<br />
„deutlich höhere Erlösmöglichkeiten auf<br />
den Strommärkten“, wie aktuell deutlich<br />
sichtbar sei. Und weil nun auch die EU-<br />
Kommission Grünes Licht gegeben hat,<br />
können Anlagenbetreiber neben dem<br />
Anspruch auf 65 Euro/kW für zusätzlich<br />
installierte Leistung auch im zweiten Vergütungszeitraum<br />
50 Euro/kW und Jahr an<br />
Flexzuschlag geltend machen. „Biogas ist<br />
Teil der Lösung – und vielen Betreibern<br />
bieten sich neue Optionen für die Zukunft“,<br />
lautete Dr. Rauhs Resümee.<br />
Autor<br />
Dipl.-Ing. Heinz Wraneschitz<br />
Feld-am-See-Ring 15a<br />
91452 Wilhermsdorf<br />
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34
Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />
Aktuelles<br />
35
Aktuelles Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />
Geht es auch ohne Moleküle?<br />
Durch Umrüstung<br />
der Dieselmotoren<br />
auf die Dual-Fuel-<br />
Technologie können<br />
auch schwere Lkw wie<br />
dieser Sattelschlepper<br />
der Verbio AG mit CNG<br />
und Biomethan aus<br />
Stroh fahren.<br />
Angesichts des absehbaren Aus für den Verbrennungsmotor diskutierten Experten auf einer<br />
Online-Tagung des Deutschen Biomasseforschungszentrums (DBFZ) die Potenziale und<br />
Rahmenbedingungen für den Einsatz von fortschrittlichem Biomethan im Verkehrsbereich.<br />
Von Dipl.-Journ. Wolfgang Rudolph<br />
Kann Deutschland die für 2030 gesetzten<br />
Ziele zur Vermeidung von Treibhausgasen<br />
(THG) ohne nachhaltige Gaskraftstoffe<br />
erreichen? Zumindest Cornelia Müller-<br />
Pagel von der VNG AG beantwortete diese<br />
vom DBFZ als thematischen Rahmen für das Biogas-<br />
Fachgespräch am 16. November gesetzte Frage mit<br />
einem klaren „Nein“.<br />
Um argumentativ zu untermauern, dass es ohne<br />
Moleküle nicht geht, zeigte die Leiterin des VNG-<br />
Geschäftsbereichs Grüne Gase den Teilnehmern<br />
der Online-Veranstaltung ein Diagramm. Die Grafik<br />
veranschaulichte die enormen Unterschiede bei<br />
der Dekarbonisierung zwischen den Energieträgern<br />
Strom und Gas. Während die 2020 in Deutschland<br />
verbrauchten 533 Terawattstunden (TWh) Strom zu<br />
etwa 45 Prozent aus erneuerbaren Quellen stammten,<br />
betrug die Quote bei Gas, trotz der mehr als dreimal<br />
höheren Energienachfrage, nämlich 1.784 TWh,<br />
lediglich 11 Prozent.<br />
„Wir brauchen jede Form von nachhaltig bereitgestellten<br />
Gasen, um diesen Bereich weiter zu dekarbonisieren.<br />
All electric reicht nicht, um die angestrebte<br />
Treibhausgasneutralität bis 2045 zu erreichen“,<br />
betonte Müller-Pagel. Umso unverständlicher seien<br />
daher die von der EU-Kommission angestrebten<br />
Strombezugskriterien für die Erzeugung von grünem<br />
Wasserstoff. Demnach dürfen Anlagen, die erneuerbaren<br />
Strom für die Elektrolyse erzeugen, beispielsweise<br />
Windräder, maximal 12 Monate vor dem Start<br />
der Wasserstoffherstellung in Betrieb gegangen sein.<br />
Damit verschenke man Potenzial, da Strom aus ausgeförderten<br />
Erneuerbaren-Anlagen somit nicht genutzt<br />
werden könne, um als „grün“ bewerteten Wasserstoff<br />
zu erzeugen.<br />
60 Millionen Antriebe lassen sich<br />
nicht einfach umswitchen<br />
Auch Dr. Franziska Müller-Langer, Leiterin des Bereichs<br />
Bioraffinerien am DBFZ, hält es angesichts des<br />
Zeitdrucks im Kampf gegen die Klimaerwärmung für<br />
unabdingbar, alle heute schon verfügbaren Optionen,<br />
die Biokraftstoffe bieten, für eine CO 2<br />
-Minderung im<br />
Verkehr zu nutzen. Ein Bestand von 60 Millionen<br />
Fahrzeugen in Deutschland lasse sich nicht einfach<br />
auf alternative Antriebe umswitchen. Die Frage sei<br />
allerdings, in welchem Umfang hier gasförmige Kraftstoffe<br />
wie Biomethan oder grüner Wasserstoff zum<br />
Zuge kommen.<br />
In dieser Hinsicht wollten sich die Regierungsvertreter<br />
beim Biogasfachgespräch nicht zu weit aus<br />
dem Fenster lehnen. Man möchte Beschlüssen der<br />
Ampelkoalition nicht vorgreifen, so der Grundton.<br />
Nach Aussage von Daniel Vilela Oliveira vom Bundesumweltministerium<br />
wollen seine Behörde und nach<br />
aktuellem Stand wohl auch alle anderen beteiligten<br />
Fotos: Carmen Rudolph<br />
36
Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />
Aktuelles<br />
Statements aus der Podiumsdiskussion während des Leipziger<br />
Biokraftstoff-Fachgesprächs am 16. November 2021.<br />
Claus Sauter<br />
Verbio Vereinigte BioEnergie AG:<br />
Die Biomethanherstellung ist ein ausgereifter,<br />
robuster Prozess und das kleine Molekül<br />
CH 4<br />
steckt voller Möglichkeiten, etwa als<br />
chemischer Grundstoff oder bei der Herstellung<br />
von Flugbenzin, wie das in den USA mit<br />
den SAF-Kraftstoffen (Sustainable Aviation<br />
Fuel; d. Red.) bereits praktiziert wird. Die<br />
Wirtschaftlichkeit ist im Verkehr über die<br />
THG-Quote gegeben.<br />
Sebastian Gröblinghoff<br />
LIQVIS GmbH:<br />
CNG und LNG werden auf mittlere Sicht<br />
schon wegen der prognostizierten Zunahme<br />
des Verkehrsaufkommens an Bedeutung<br />
gewinnen. Für die langfristige Entwicklung<br />
des Anteils sind die nächsten Jahre<br />
entscheidend. Die Crux ist herauszufinden,<br />
welcher Energieträger in welcher Verkehrsart<br />
am effizientesten und mit der größten CO 2<br />
-<br />
Einsparung eingesetzt werden kann.<br />
Text: Wolfgang Rudolph<br />
Dr. Karoline Seefeldt<br />
TotalEnergies:<br />
Biomthan ist eine der großen Säulen, um<br />
unsere THG-Minderungsverpflichtung zu<br />
erfüllen, aber auch um die Dekarbonisierung<br />
im Verkehr voranzutreiben. Dies gilt übrigens<br />
ebenso für die Wärme, die in der Diskussion<br />
häufig zu kurz kommt. In Bezug auf die<br />
Quote bei den fortschrittlichen Kraftstoffen<br />
ist Biomethan gleichfalls ein wichtiger, aber<br />
nicht der einzige Baustein.<br />
Toni Reinholz<br />
Deutsche Energie-Agentur:<br />
Die dena unterstützt die Technologieoffenheit.<br />
Im Antriebs- und Kraftstoffmix, auf den<br />
es letztlich hinauslaufen wird, ist Biomethan<br />
mit Blick auf die Kosten und die erzielbare<br />
THG-Vermeidung eine sehr interessante<br />
Option. Allerdings verläuft die Entwicklung<br />
auf der Abnehmerseite im Verkehr nicht so<br />
positiv, wie es für eine Marktdurchdringung<br />
notwendig wäre. Dennoch: Die Vorzeichen für<br />
Biomethan stehen heute günstiger als noch<br />
vor zwei Jahren.<br />
Rührtechnik<br />
optimieren,<br />
Förderung<br />
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Biogasanlage und reduzieren Sie<br />
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Teilnehmer an der Podiumsdiskussion während des Biokraftstoff-Fachgesprächs (von links oben<br />
nach rechts unten): Claus Sauter (Verbio Vereinigte BioEnergie AG), Dr. Karoline Seefeldt (Total-<br />
Energies), Sebastian Gröblinghoff (LIQVIS GmbH) und Toni Reinholz (Deutsche Energie-Agentur).<br />
Akteure jedenfalls an der THG-Quote als<br />
bewährtem ordnungsrechtlichen Instrument<br />
zur Förderung von mehr Nachhaltigkeit<br />
im Verkehr festhalten.<br />
Die RED II biete dabei mit nun möglichen<br />
Kompensationen von CO 2<br />
-Emissionen<br />
durch den Einsatz von erneuerbarem<br />
Strom, grünem Wasserstoff sowie<br />
fortschrittlichen Kraftstoffen auf Basis<br />
biogener Reststoffe deutlich mehr<br />
| pumpen<br />
| lagern<br />
| rühren<br />
| separieren<br />
* Die Höhe der Förderung ist abhängig von der<br />
Stromeinsparung bzw. der jährlich eingesparten<br />
Tonne CO2.<br />
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Aktuelles Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />
Seit November rollen beim Landmaschinenersteller<br />
New Holland Traktoren mit<br />
Methanantrieb vom Band. Äußerlich<br />
unterscheidet sich der T6.180 Methane,<br />
hier bei einer Vorführung, nicht vom<br />
Dieselpendant.<br />
Erfüllungsoptionen für eine THG-Minderung. Nach<br />
Prognosen verbrauche der Verkehr im Jahr 2030<br />
trotz der dann fortgeschrittenen Elektromobilität<br />
rund 2.500 Petajoule. Daher liege der Fokus auf der<br />
Senkung des Gesamtenergieverbrauchs in diesem<br />
Bereich.<br />
Ein Impuls für Biomethan sei durch den Wegfall der<br />
Anrechenbarkeit von fossilem Methan bei der Erfüllung<br />
der THG-Quote zu erwarten. Dagegen wirkten<br />
Flächenrestriktionen, die eingeschränkte Verfügbar-<br />
Was sind fortschrittliche Biokraftstoffe?<br />
Fortschrittliche Biokraftstoffe (Biokraftstoffe<br />
der 2. Generation) unterscheiden sich von<br />
konventionellen Biokraftstoffen (Biokraftstoffe<br />
der 1. Generation) durch den eingesetzten Input.<br />
Während konventionelle Biokraftstoffe auf<br />
zucker-, stärke- und zellulosehaltigen Pflanzen<br />
wie Weizen, Roggen oder Zuckerrüben basieren,<br />
werden für die Herstellung fortschrittlicher<br />
Biokraftstoffe nur Substrate genutzt, bei denen<br />
keine Gefahr einer Konkurrenz mit der Produktion<br />
von Nahrungsmitteln besteht.<br />
Was verarbeitet werden darf, steht im Anhang IX<br />
der Erneuerbaren-Energien-Richtlinie (RED II)<br />
der EU bzw. als Umsetzung in nationales Recht<br />
in Anlage 1 der 38. Verordnung zur Durchführung<br />
des Bundes-Immissionsschutzgesetzes<br />
(BImSchV), die am 1. Januar <strong>2022</strong> in Kraft tritt.<br />
Die Positivliste umfasst 17 Stoffgruppen von<br />
Algen, die an Land in Becken kultiviert werden,<br />
über Bioabfälle, Gülle, Nussschalen, Stroh,<br />
Traubentrester bis zu zellulosehaltigem Non-<br />
Food-Material.<br />
Die Deklarierung als fortschrittlicher Biokraftstoff<br />
ist zum einen bedeutsam, weil sich die<br />
EU-Mitgliedstaaten verpflichtet haben, deren<br />
Anteil am Verbrauch wegen ihrer besonderen<br />
Nachhaltigkeit von derzeit nahe Null bis 2030<br />
stufenweise auf 2,6 Prozent (%) zu erhöhen.<br />
Zum anderen erfolgt oberhalb der jährlich<br />
gesetzten Mindestmengen eine doppelte Anrechnung<br />
für die Treibhausgasminderungsquote<br />
(THG-Quote), die von gegenwärtig 6 % bis 2030<br />
auf 25 % ansteigt.<br />
Dies erhöht für Mineralölkonzerne, die zur<br />
Einhaltung der THG-Quote verpflichtet sind, die<br />
Attraktivität der Produktion und gegebenenfalls<br />
Beimischung von fortschrittlichen Biokraftstoffen,<br />
zumal der Anteil konventioneller Biokraftstoffe<br />
an der THG-Quote eine Obergrenze von<br />
4,4 % nicht überschreiten darf und Kraftstoffe<br />
aus Palmöl ab 2023 ganz aus der Quotenrechnung<br />
ausgeschlossen sind.<br />
Text: Wolfgang Rudolph<br />
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Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />
Aktuelles<br />
Wie entsteht der Preis<br />
für Treibhausgas?<br />
Die 2015 eingeführte Treibhausgasminderungsquote (THG-<br />
Quote) verpflichtet Mineralölhersteller, den CO 2<br />
-Ausstoß<br />
ihrer Kraftstoffe zu reduzieren. Diese müssen aktuell 6<br />
Prozent (%) weniger Treibhausgas ausstoßen als fossiler<br />
Kraftstoff in Reinform, der 94,1 Kilogramm (kg) CO 2<br />
pro Gigajoule<br />
emittiert. Gemäß Erneuerbare-Energien-Richtlinie<br />
(RED II) soll die THG-Quote bis 2030 auf 25 % steigen.<br />
Dies lässt sich entweder durch eine höhere Beimischung<br />
fortschrittlicher Biokraftstoffe erreichen oder durch den<br />
Einkauf von Mengen vermiedener THG-Emissionen über den<br />
Quotenhandel. THG-Guthaben entstehen hierbei durch das<br />
Inverkehrbringen von fortschrittlichen Kraftstoffen, grünem<br />
Wasserstoff oder Strom für E-Fahrzeuge. Dies kann durch<br />
die Mineralölkonzerne selbst geschehen oder durch zertifizierte<br />
Dritte, etwa Hersteller von fortschrittlichem Bio-CNG<br />
oder Betreiber von Ladestationen (Wallboxen) für E-Autos.<br />
Der Preis je vermiedene Tonne CO 2<br />
liegt gegenwärtig bei<br />
400 bis 500 Euro und ist damit um ein Vielfaches höher<br />
als beim Europäischen Emissions-Handels-System (ETS).<br />
Hier kosten die Verschmutzungsrechte derzeit über 80<br />
Euro pro Tonne CO 2<br />
-Äquivalenten.<br />
Text: Wolfgang Rudolph<br />
keit von biogenem Input, einschließlich der nicht<br />
skalierbaren Rest- und Abfallstoffe und die Konkurrenz<br />
zu grünem Wasserstoff und dessen Folgeprodukte<br />
als begrenzende Faktoren für Biokraftstoffe. Deren<br />
Einsatz sei nur dort sinnvoll, wo sie in der Gesamtbilanz<br />
wirklich nachhaltig sind. Ansonsten drohten<br />
dennoch Strafzahlungen wegen ungenügender Erfüllung<br />
der THG-Quote, und die daraus entstehenden<br />
Kosten müssten dann letztlich die Autofahrer über<br />
höhere Spritpreise tragen, ohne dass ein Gewinn für<br />
das Klima entstanden sei. Für die Entwicklung und<br />
den Markthochlauf von fortschrittlichen Biokraftstoffen<br />
stehen bis 2024 Fördergelder im Umfang von<br />
1,54 Milliarden Euro zur Verfügung. Darüber informierte<br />
Matthias Spöttle vom Bundesverkehrsministerium.<br />
Von besonderem Interesse für den Bereich der<br />
gasförmigen regenerativen Kraftstoffe ist hierbei die<br />
„Förderrichtlinie für die Entwicklung regenerativer<br />
Kraftstoffe“. Über sie können Entwicklungs- und Demonstrationsvorhaben<br />
mit jeweils bis zu 15 Millionen<br />
Euro bezuschusst werden.<br />
Seit der Veröffentlichung finde die Richtlinie eine<br />
hohe Resonanz. Einreichungen sind noch möglich.<br />
In Vorbereitung ist zudem laut Spöttle eine be-<br />
Je nach Berechnungsgrundlage<br />
stehen in<br />
Deutschland 8 bis<br />
13 Millionen Tonnen<br />
Getreidestroh für die<br />
Produktion fortschrittlicher<br />
Biokraftstoffe zur<br />
Verfügung. Die regionale<br />
Verfügbarkeit ist jedoch<br />
unterschiedlich.<br />
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39
Aktuelles Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />
In Zörbig produziert<br />
Verbio Bioethanol und<br />
Biomethan im industriellen<br />
Maßstab. Auch<br />
Windräder betreibt der<br />
Konzern.<br />
wusst technologieoffene „Förderrichtlinie<br />
für Investitionen in Erzeugungsanlagen<br />
von regenerativen Kraftstoffen“. Wegen<br />
der vorgesehenen hohen Fördersummen<br />
stehe hier noch eine Notifizierung durch<br />
die EU aus.<br />
Zweierlei Maß bei der<br />
Emissionsminderung<br />
Die THG-Emissionen von Fahrzeugen sind nicht gleich, auch dann<br />
nicht, wenn es sich um baugleiche und mit demselben Kraftstoff<br />
betriebene Modelle handelt. Den Unterschied macht die Berechnungsmethode.<br />
Der Weltklimarat (IPCC) wertet in den einzelnen Sektoren<br />
ausschließlich die direkten Emissionen (Tank-to-Wheel, TTW). Demnach<br />
werden beim Einsatz der Energieträger Strom, Wasserstoff und<br />
ebenso Biokraftstoff im Verkehrssektor null Emissionen angerechnet.<br />
Nur fossile Kraftstoffe haben einen Emissionswert.<br />
Für die bei der Kraftstoffherstellung entstehenden CO 2<br />
-Emissionen<br />
gelten in den jeweiligen Sektoren (Landwirtschaft, Energie, Industrie)<br />
gesonderte Bilanzgrenzen (Well-to-Tank, WTT). Die IPCC-Methode<br />
bildet unter anderem die Berechnungsgrundlage zur THG-Minderung<br />
im Pariser Klimaschutzabkommen.<br />
Szenarien für Klimarelevanz<br />
von Gaskraftstoffen<br />
Welchen Beitrag kann fortschrittliches<br />
Biomethan zum Erreichen der Klimaziele<br />
im Verkehr bis 2030 leisten? Über das<br />
Ergebnis einer entsprechenden Untersuchung<br />
am DBFZ berichtete Karin Naumann.<br />
Ausgehend von den erschließbaren<br />
Rohstoffpotenzialen legten die Forscher<br />
dabei drei Szenarien zugrunde, die sich<br />
Im Gegensatz dazu bezieht die Berechnungsgrundlage für die THG-<br />
Minderungsquote gemäß RED II die CO 2<br />
-Emissionen über die gesamte<br />
Bereitstellungs- und Nutzungskette ein (WTT). Emissionen, die beim<br />
Anbau von Biomasse oder der Produktion von Biokraftstoffen entstehen,<br />
werden also mitbilanziert. Dadurch gehen auch Biokraftstoffe mit<br />
einem reduzierten, aber doch vorhandenen Emissionsrucksack in die<br />
Berechnung ein. Dafür gelten wiederum in der EU gesonderte Regularien<br />
zur Bewertung der direkten Emissionen (TTW), beispielsweise die<br />
EU-Verordnung zu Flottengrenzwerten oder Abgasnormen.<br />
Text: Wolfgang Rudolph<br />
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Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />
Aktuelles<br />
in ihrer Ambitioniertheit bei den Klimazielen und der<br />
Durchsetzung von Elektromobilität unterscheiden. Fazit:<br />
Zwar könnte es mit den bisher eingeleiteten Maßnahmen<br />
gelingen, das RED-II-Ziel von 14 Prozent Anteil<br />
Erneuerbarer Energie im Verkehr zu erreichen, doch<br />
lässt sich in keinem Szenario in Deutschland die aus<br />
dem Pariser Klimaschutzabkommen abgeleitete Verpflichtung<br />
einlösen.<br />
„Selbst in unserer ambitioniertesten Beispielrechnung<br />
wird das Ziel einer Minderung von 80 Millionen (Mio.)<br />
Tonnen (t) CO 2<br />
-Äquivalent bis 2030 um 4 Mio. t verfehlt“,<br />
konstatierte Naumann. Daher müsse die THG-<br />
Quote höher angesetzt werden als bislang vorgesehen.<br />
Zudem gelte es, den Energiebedarf im Straßenverkehr<br />
insgesamt deutlich zu reduzieren und alle Möglichkeiten<br />
für eine Emissionsminderung zu nutzen.<br />
Fortschrittliches Biomethan sei dabei eine gute Option,<br />
da es sich um eine inländische Ressource handle und die<br />
Technologie hierzulande gut entwickelt ist. Welche gewaltige<br />
Herausforderung jedoch damit verbunden wäre,<br />
verdeutlicht die DBFZ-Forscherin mit einer Rechnung.<br />
„In unseren Szenarien ergab sich nur zur Erreichung der<br />
jährlich vorgegebenen Unterquote bei den fortschrittlichen<br />
Biokraftstoffen ein Bedarf von 41 bis 45 Petajoule<br />
(PJ) pro Jahr. Das Angebot an CNG in Deutschland lag in<br />
den vergangenen Jahren bei rund 5 PJ.“<br />
Mit fortschrittlichen Gaskraftstoffen angetriebene Pkw wie der Opel HydroGen4<br />
sind eine Option zur Minderung der THG-Emissionen im Verkehr. Dafür müssten<br />
jedoch die Produktionsmengen von nachhaltigem Biomethan bzw. grünem<br />
Wasserstoff deutlich steigen.<br />
Autor<br />
Dipl.-Journ. Wolfgang Rudolph<br />
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41
Aktuelles Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />
Das von der Firma<br />
inhouse engineering gebaute<br />
H 2<br />
-BHKW, hier im Demonstrations-<br />
Pavillon auf dem Gelände des Chemieparks<br />
Bitterfeld-Wolfen, hat einen<br />
Gesamtwirkungsgrad von 95 %. Links<br />
im Bild Beispiele für Wasserstoffleitungen<br />
aus Mehrschichtwerkstoffen.<br />
Wasserstoff als Wirtschaftsmotor<br />
für Mitteldeutschland<br />
Akteure aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen wollen Mitteldeutschland zu einer<br />
führenden Wasserstoffregion entwickeln. Den Auftakt dazu gab der 1. Mitteldeutsche<br />
Wasserstoffkongress in Leuna, auf dem Forschungseinrichtungen und Unternehmen ihre<br />
zum Teil weltweit einmaligen Projekte zu diesem Thema vorstellten.<br />
Von Dipl.-Jour. Wolfgang Rudolph<br />
Dr. Andreas Wolf, Head of<br />
On-Site Account Management<br />
South East Germany Linde AG.<br />
Für Leipzigs Oberbürgermeister<br />
Burkhard Jung ist die Sache<br />
klar: „Wir klingeln nicht genug.“<br />
Deutschlandweit sei noch zu<br />
wenig bekannt, dass die Länder<br />
Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen,<br />
allen voran der als mitteldeutsches Chemiedreieck<br />
bezeichnete Ballungsraum,<br />
über ideale Voraussetzungen verfügen,<br />
um bei der Schlüsseltechnologie „Grüner<br />
Wasserstoff“ ganz vorn dabei zu sein.<br />
Zum Auftakt des 1. Mitteldeutschen Wasserstoffkongresses<br />
am 2. November in<br />
Leuna verwies das Stadtoberhaupt in diesem<br />
Zusammenhang auf die vorhandene<br />
Infrastruktur einschließlich einer 200 Kilometer<br />
langen Wasserstoffpipeline sowie<br />
die bestehenden Wertschöpfungsketten,<br />
Industrieansiedlungen und Forschungskapazitäten.<br />
Auf diese Vorzüge bauen<br />
auch das Forschungsnetzwerk Hypos (Hydrogen Power<br />
Storage & Solutions East Germany) und der Lobbyverband<br />
Europäische Metropolregion Mitteldeutschland.<br />
Im Mittelpunkt der von ihnen veranstalteten<br />
Tagung standen daher Kurzvorstellungen (Pitchs)<br />
von mehr als einem Dutzend Wasserstoffprojekten,<br />
die sich zumeist bereits in der Umsetzung befinden.<br />
H 2<br />
-Produktion im Chemiepark Leuna<br />
So berichtete Dr. Andreas Wolf von der Linde AG über<br />
den Bau eines Elektrolyseurs am Standort Leuna.<br />
Zum Zeitpunkt der geplanten Fertigstellung Mitte<br />
<strong>2022</strong> wird es nach Aussage des Unternehmens mit<br />
einer installierten Leistung von 24 Megawatt (MW)<br />
die größte Elektrolyseanlage der Welt sein, die Wasser<br />
mittels Proton Exchange Membrane (PEM)-Technologie<br />
in Wasserstoff und Sauerstoff spaltet.<br />
Das anvisierte jährliche Produktionsvolumen umfasst<br />
bis zu 3.200 Tonnen Wasserstoff, der vor Ort für den<br />
Transport auf 300 bar komprimiert beziehungsweise<br />
Foto oben: inhouse engineering GmbH<br />
42
Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />
Aktuelles<br />
tiefgekühlt verflüssigt oder in die<br />
von Linde betriebene Pipeline eingespeist<br />
wird. Diese Menge reicht<br />
aus, um etwa 600 Brennstoffzellenbusse<br />
über eine Fahrstrecke von<br />
insgesamt 40 Millionen (Mio.) Kilometern<br />
mit Treibstoff zu versorgen.<br />
Den Elektrolyseur errichtet die ITM<br />
Linde Electrolysis GmbH (ILE),<br />
ein seit 2020 bestehendes Joint<br />
Venture zwischen dem britischen<br />
Unternehmen ITM Power, das den<br />
modernen PEM-Elektrolyseur beisteuert,<br />
und dem Bereich Linde<br />
Engineering, der das Verfahren zur<br />
Wasserstofferzeugung in die Chemie-Infrastruktur<br />
integriert.<br />
Testanlage für e-Methanol im Chemiepark<br />
Dr. Gerd Unkelbach vom Fraunhofer-Zentrum für Chemisch-Biotechnologische<br />
Prozesse (CBP) informierte<br />
über die Errichtung einer Testanlage im Chemiepark<br />
zur Herstellung von e-Methanol. Ausgangsstoffe sind<br />
das in der Total-Raffinerie Leuna anfallende CO 2<br />
sowie<br />
Wasserstoff, den eine<br />
Hochtemperatur-Elektrolyse<br />
von Sunfire mit erneuerbarem<br />
Strom erzeugt.<br />
In einer stofflich sowie<br />
energetisch angekoppelten<br />
Syntheseanlage entsteht<br />
daraus auf besonders effiziente<br />
Weise grünes Methanol,<br />
das als Komponente<br />
für die Herstellung von<br />
Kraftstoffen und Chemieprodukten<br />
dient. Weltweit<br />
werden laut Unkelbach<br />
heute etwa 157 Mio. Tonnen<br />
(t) Methanol pro Jahr<br />
Dr. Gerd Unkelbach, Leiter<br />
Standort Leuna Fraunhofer- produziert. Bis 2030 werde<br />
eine Verdopplung des<br />
Zentrum für Chemisch-Biotech<br />
nologische Prozesse (CBP). Volumens erwartet. Durch<br />
Umstellung auf eine nachhaltige<br />
Erzeugung ließen<br />
sich bei jeder t Methanol 1,53 t CO 2<br />
-Emissionen einsparen.<br />
In den Fokus rückten gegenwärtig sogenannte<br />
Power-to-X-to-Y-Verfahren. Das „Y“ stehe dabei für<br />
komplexe Molekülstrukturen bis hin zu Aminosäuren<br />
und Proteinen. Diese werden von Bakterien erzeugt,<br />
die Methanol als Kohlenstoffquelle nutzen.<br />
Fotos: Carmen Rudolph<br />
Cornelia Müller-Pagel,<br />
Leiterin Grüne Gase bei der<br />
VNG AG.<br />
Wasserstoffpipeline von Leipzig<br />
nach Rostock<br />
Hans-Joachim Polk, Cornelia Müller-Pagel und Ralph<br />
Bahke informierten über aktuelle Wasserstoff-Projekte<br />
der in Leipzig ansässigen Verbundnetz Gas (VNG)-<br />
Gruppe. Dazu zählt die Erweiterung<br />
des Wasserstoffnetzes durch den<br />
Bau einer 475 Kilometer langen<br />
Pipeline zwischen der Region Leipzig<br />
und dem Energiehafen Rostock.<br />
Ziel des Vorhabens mit der Bezeichnung<br />
„Doing Hydrogen“ ist, den<br />
in Elektrolyseuren mit Strom von<br />
Offshore-Windkraftanlagen hergestellten<br />
grünen Wasserstoff zu den<br />
Verbrauchern in Mitteldeutschland<br />
zu transportieren.<br />
Die Pipeline hat eine Transportleistung<br />
von einer Gigawattstunde. Der<br />
Bau soll zwischen 2024 und 2030<br />
erfolgen. Eine weitere Wasserstoffleitung<br />
mit einer Länge von 200 Kilometern<br />
ist zwischen Leipzig und Salzgitter geplant<br />
(„Green Octopus“). Als mögliche schnelle Lösung für<br />
die Versorgung von Abnehmern mit Wasserstoff<br />
sieht Polk einen höheren Beimischungsanteil<br />
im Erdgasnetz, das mittlerweile<br />
„H 2<br />
-ready“ sei.<br />
Dies stoße jedoch auf Skepsis, da die Annahme<br />
vorherrsche, dass die stofflichen<br />
und energetischen Potenziale der Einzelkomponenten<br />
Methan und Wasserstoff<br />
dann nicht ausgeschöpft werden können<br />
und sich die Verwertung des Gasgemischs<br />
letztlich auf den Einsatz als Kraftstoff von<br />
Blockheizkraftwerken beschränkt. VNG<br />
entwickle daher gemeinsam mit Partnern<br />
ein Verfahren zum Abtrennen des Wasserstoffs<br />
aus dem Methanstrom mittels<br />
Membranen.<br />
Neben dem Transport von grünen Gasen<br />
beschäftige man sich mit einem Verteilnetz<br />
für CO 2<br />
, das ebenfalls dorthin<br />
geleitet werden muss, wo es entweder<br />
gebraucht wird oder sicher verwahrt werden<br />
kann. Zudem bestehe ansonsten die<br />
Gefahr, dass Produktionsprozesse wegbrechen,<br />
die ohne CO 2<br />
-Freisetzung nicht<br />
machbar sind.<br />
Biogasanlage Gordemitz soll<br />
H 2<br />
-Anlage bekommen<br />
Auch die Vergärung von Biomasse spielt<br />
in der Wasserstoffstrategie des Konzerns<br />
eine Rolle. Schließlich betreibt die VNG-<br />
Tochter BALANCE inzwischen 38 Biogasanlagen.<br />
So soll auf dem Betriebsgelände<br />
der jüngst hinzugekommenen Anlage in<br />
Gordemitz bei Leipzig eine modifizierte<br />
SMR-Anlage entstehen. Mit ihr lässt sich<br />
grüner Wasserstoff aus einem Teilstrom<br />
des ansonsten zu Biomethan aufgerei-<br />
Hans-Joachim Polk,<br />
Vorstand Infrastruktur und<br />
Technik der VNG AG.<br />
Ralph Bahke, Geschäftsführer<br />
Geschäftsbereich Steuerung<br />
und Entwicklung der ONTRAS<br />
Gastransport GmbH.<br />
43
Aktuelles Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />
Dr. Rüdiger Schwarz, Leiter<br />
PtX-Projekte, EDL Anlagenbau<br />
Gesellschaft mbH.<br />
Dr. Achim Eichholz, Vorsitzender<br />
der Geschäftsführung der<br />
Mitteldeutschen Braunkohlengesellschaft<br />
(MIBRAG).<br />
nigten Rohbiogases gewinnen. Das Kürzel „SMR“<br />
steht dabei für Steam Methane Reforming, also die<br />
Dampfreformierung, das weltweit häufigste Verfahren<br />
zur Wasserstofferzeugung. Diese auch kleinteilig realisierbare<br />
Technologie bietet gegenüber der Elektrolyse<br />
deutliche Kostenvorteile bei der Herstellung<br />
von grünem Wasserstoff und ist unabhängig von der<br />
Verfügbarkeit erneuerbaren Stroms. In einem zweiten<br />
Schritt könnte der Wasserstoff unter Einbeziehung<br />
des vom Rohbiogas abgetrennten CO 2<br />
ebenfalls vor<br />
Ort in synthetischen Kraftstoff (e-Fuels) umgewandelt<br />
werden.<br />
Ein entsprechendes Verbundprojekt (InnoSynFuels)<br />
läuft an der TU Bergakademie Freiberg. Das Produktionspotenzial<br />
von grünem Wasserstoff durch<br />
Dampfreformierung aus dem heute in Deutschland<br />
produzierten Biogas beziffern Experten mit jährlich<br />
1,7 Milliarden Kilogramm. Das ist mehr, als sich mit<br />
sämtlichen Photovoltaikanlagen über die Wasserelektrolyse<br />
herstellen ließe, und bietet sich somit als alternatives<br />
Geschäftsmodell für Biogasanlagen an.<br />
Zu den größten VNG-Wasserstoffprojekten gehört<br />
der Energiepark Bad Lauchstädt. Das Reallabor soll<br />
ab 2026 die gesamte grüne Wasserstoffwertschöpfungskette<br />
in industriellem Maßstab abbilden. Dabei<br />
sorgen die von der Firma Terrawatt errichteten Windkraftanlagen<br />
mit einer Nennleistung von insgesamt<br />
44 MW für die Bereitstellung des grünen Stroms zum<br />
Betrieb der 30-MW-Großelektrolyse von Uniper. Die<br />
hier jährlich produzierten 2.500 t Wasserstoff gelangen<br />
über eine umgewidmete Erdgasleitung zum<br />
Chemiepark Leuna zur Dekarbonisierung der dort ansässigen<br />
chemischen Industrie. Die Möglichkeit der<br />
H 2<br />
-Speicherung von bis zu 50 Mio. Kubikmeter in<br />
einer unterirdischen Kaverne ist ab 2030 geplant.<br />
Die Farbenlehre<br />
des Wasserstoffs<br />
Je nach Art der Produktion wird Wasserstoff mit unterschiedlichen<br />
farblichen Beinamen bezeichnet. Hier eine<br />
kleine Wasserstoff-Farbenlehre:<br />
Grüner Wasserstoff entsteht durch die Aufspaltung von<br />
Wasser in Elektrolyseuren mithilfe erneuerbaren Stroms<br />
und ist somit CO 2<br />
-neutral.<br />
Grauer Wasserstoff wird durch die sogenannte Dampfreformierung<br />
von Erdgas gewonnen. Es ist das wirtschaftlichste<br />
und gegenwärtig am weitesten verbreitete<br />
Verfahren, jedoch wegen der Freisetzung des als Nebenprodukt<br />
entstehenden klimaschädlichen CO 2<br />
keine Option<br />
für die Zukunft.<br />
Blauer Wasserstoff basiert ebenfalls auf der Dampfreformierung<br />
von Erdgas. Jedoch wird das Nebenprodukt<br />
CO 2<br />
entweder langfristig gespeichert („Carbon Capture<br />
und Storage“ - CCS) oder es dient anderen Industriezweigen<br />
als Grundstoff („Carbon Capture and Utilization“<br />
– CCU).<br />
Türkiser Wasserstoff ist ein Produkt der thermischen<br />
Spaltung des im Erdgas enthaltenen Methans unter<br />
Abwesenheit von Sauerstoff. Bei dieser als Pyrolyse<br />
bezeichneten Reaktion verbleibt statt CO 2<br />
fester Kohlenstoff,<br />
der gespeichert oder vielfältig genutzt werden<br />
kann. Dies ist ein bilanziell CO 2<br />
-neutrales Verfahren,<br />
wenn die Wärmeversorgung des Hochtemperaturreaktors<br />
aus regenerativen Energieträgern kommt.<br />
Violetter und gelber bzw. roter Wasserstoff entsteht<br />
wie grüner Wasserstoff mittels Elektrolyse. Die benötigte<br />
elektrische Energie liefert jedoch der im Netz vorherrschende<br />
Strommix aus regenerativen und fossilen Quellen<br />
oder wie beim gelben oder roten Etikett für das Gas<br />
ausschließlich der Atomstrom.<br />
Auf Tagungen und in Veröffentlichungen werden zunehmend<br />
weitere Wasserstofffarben für eine Abgrenzung bei<br />
der Quelle genannt. Beispiele dafür sind Braun, wenn<br />
H 2<br />
durch die Vergasung von Kohle entsteht, oder Weiß,<br />
wenn es sich um ein Nebenprodukt aus Chemieanlagen<br />
handelt. Weißer Wasserstoff kann seine Herkunft<br />
neuerdings aber auch der Nutzung von Photosynthese<br />
in Biokatalysatoren verdanken. Hierzulande hat möglicherweise<br />
oranger Wasserstoff Zukunftspotenzial. Er<br />
wird aus Biomasse oder übergangsweise mit Strom aus<br />
Müllheizkraftwerken gewonnen.<br />
(nach IN4climate.NRW, eigene Recherche)<br />
Text: Wolfgang Rudolph<br />
Weltweit erster Produktionsstandort<br />
für PtL-Kerosin<br />
Nicht weniger ambitioniert ist das Vorhaben im Industriepark<br />
Böhlen vor den Toren Leipzigs. Nach Aussage<br />
von Dr. Rüdiger Schwarz vom EDL Anlagenbau<br />
entsteht hier bis zum Frühjahr 2026 die weltweit<br />
erste Power-to-Liquid (PtL)-Anlage für Kerosin. Die<br />
44
Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />
INNOVATIVE<br />
EINBRINGTECHNIK<br />
FÜR BIOGAS- UND<br />
RECYCLINGANLAGEN<br />
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Die vom Dresdener Unternehmen Sunfire entwickelte reversible Hochtemperatur-Elektrolyse, hier<br />
zu Demonstrationszwecken geöffnet, produziert Wasserstoff, kann im Brennstoffzellen-Modus aber<br />
auch Strom und Wärme erzeugen.<br />
effektiver Vorschub bei niedrigem<br />
Eigenstromverbrauch<br />
für 100% Mist und Grassilage<br />
mit Misch- und Aufbereitungsbereich<br />
komplett aus Edelstahl<br />
vorgesehene Herstellungsmenge von anfangs<br />
knapp 50.000 t pro Jahr orientiert<br />
sich ebenso wie der für 2026 gesetzte<br />
Produktionsstart an den Klimaschutzplänen<br />
der EU.<br />
Demnach muss Flugbenzin ab 2026 einen<br />
Anteil von 0,5 Prozent PtL-Kerosin<br />
enthalten. Der daraus entstehende Bedarf<br />
an nachhaltig produziertem Kerosin<br />
in Deutschland entspricht dem am<br />
Standort Böhlen geplanten Produktionsumfang.<br />
Die Abnahme ist mit dem Logistikkonzern<br />
DHL zur Betankung seiner<br />
Frachtflugzeuge vereinbart.<br />
Den Wasserstoff für die PtL-Anlage erzeugt<br />
ein 75-MW-Elektrolyseur. Außerdem<br />
werden 6.760 Kilogramm pro<br />
Stunde grünes Methan benötigt, die der<br />
Biogasanlagenbetreiber BALANCE liefert.<br />
Bereits ins Auge gefasst ist eine Ausweitung<br />
der Produktion von PtL-Kerosin<br />
auf 200.000 t pro Jahr durch die Erweiterung<br />
der Produktionsstätte in Böhlen<br />
sowie eine zweite Anlage in Schwedt<br />
(Brandenburg).<br />
Von der fossilen Kohle zu grünen<br />
Kraftstoffen<br />
Mit dem für 2030 beschlossenen Kohleausstieg<br />
geht der Mitteldeutschen<br />
Braunkohlengesellschaft (MIBRAG) in<br />
absehbarer Zeit ihr bisheriges Kerngeschäft<br />
verloren. Wie Dr. Achim Eichholz<br />
in seinem Tagungs-Pitch vortrug, reagiert<br />
das Unternehmen darauf mit dem Vier-<br />
Stufen-Konzept EMIR (Erneuerung MI-<br />
BRAG im Revier). Die erste Stufe startete<br />
2021 und beinhaltet die Errichtung<br />
von Windkraft- und PV-Anlagen auf den<br />
Grundstücken der MIBRAG mit einer installierten<br />
Gesamtleistung von 300 MW.<br />
Der geplante Transformationspfad führt<br />
dann über die Inbetriebnahme von Elektrolyseuren<br />
mit integrierter Wärmenutzung<br />
zur Bereitstellung von Fernwärme<br />
nach dem Abschalten der Kohlekraftwerke<br />
sowie die Produktion von grünem<br />
Methanol auf der Basis von biogenem<br />
CO 2<br />
aus Holzvergaseranlagen und grünem<br />
Wasserstoff. Dies liefert die Voraussetzung<br />
für die vierte Ausbaustufe, die<br />
2030 erreicht werden soll. Sie umfasst<br />
die nachhaltige Herstellung von synthetischen<br />
Kraftstoffen als auch die katalytische<br />
Spaltung von Kunststoffabfällen zur<br />
Herstellung von Olefinen und Asphalten.<br />
Ein Wandel anderer Art vollzieht sich bei<br />
BMW. Der Autohersteller hat sich das<br />
Ziel gesetzt, den durch die Produktion<br />
verursachten CO 2<br />
-Ausstoß bis 2030 um<br />
80 Prozent bezogen auf das Jahr 2019<br />
zu mindern. Exemplarisch soll dies zunächst<br />
am Standort Leipzig erfolgen. Was<br />
auf dem Weg zum „Grünen Werk“ bislang<br />
erreicht wurde und was geplant ist, erläuterte<br />
Dr. Stefan Fenchel. So fahren<br />
121 Fahrzeuge für die Intralogistik, wie<br />
Gabelstapler und Kleintransporter,<br />
45<br />
Biomischer 12 bis 80m³<br />
für 100% Mist und Grassilage<br />
massive Edelstahlkonstruktion<br />
mit Misch- und Aufbereitungsbereich<br />
auf Wunsch komplett aus Edelstahl<br />
KOMBI-Mix 8 und 12m³<br />
speziell für Kleinbiogasanlagen<br />
optional mit Vertikalmischschnecke<br />
für unterschiedlichste Substrate<br />
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Fon +49 2526 93290<br />
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Aktuelles Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />
Dr. Sebastian Kunz, Senior<br />
Manager for Catalysis &<br />
Carbohydrate Chemistry der<br />
Südzucker AG.<br />
Chris Döring, Geschäftsführer<br />
GETEC green energy GmbH.<br />
im Drei-Schicht-System mit Wasserstoff.<br />
Für deren Betankung gibt es auf dem Betriebsgelände<br />
vier Tankstellen.<br />
Auch die fahrerlosen Transportsysteme<br />
im Werk werden beginnend ab Dezember<br />
2021 mit Brennstoffzellenantrieben<br />
ausgerüstet. Durch die Ausstattung mit<br />
Zweistoffbrennern von Saacke ist die<br />
Lackiererei, der energieintensivste Prozessabschnitt<br />
im Fahrzeugbau, ebenfalls<br />
H 2<br />
-ready. Ab Dezember <strong>2022</strong> pendelt ein<br />
wasserstoffangetriebener IVECO-Sattelschlepper<br />
zwischen Leipzig und Nürnberg.<br />
Nachfolgend sollen auch die anderen<br />
300 Schwerlastfahrzeuge, die täglich<br />
als Zubringer die BMW-Werkstore passieren,<br />
CO 2<br />
-frei unterwegs sein. Nach dem<br />
Anschluss der Leipziger Produktionsstätte<br />
an das Mitteldeutsche Wasserstoffnetz<br />
ist die Umstellung weiterer Prozessabläufe<br />
auf den nachhaltigen Energieträger<br />
vorgesehen.<br />
CO 2<br />
aus Ethanolproduktion als<br />
Basis für Synthese<br />
Die Südzucker AG betreibt in Zeitz eine<br />
hocheffiziente Großfermentation, die<br />
aus pflanzlichen Kohlenhydraten sowie<br />
Zwischenstufen der Zucker- und Stärkeherstellung<br />
jährlich 400.000 Kubikmeter<br />
Ethanol und 350.000 t Eiweißfuttermittel<br />
erzeugt. Als Koppelprodukt entstehen<br />
100.000 t verflüssigtes CO 2<br />
für<br />
unterschiedliche Anwendungen, etwa als<br />
Kohlensäure in der Lebensmittelindustrie<br />
oder als Kühlmittel. Künftig will Südzucker<br />
daraus unter Zuführung von Wasserstoff auch<br />
grünes Methanol herstellen. Der Bau einer entsprechenden<br />
Demonstrationsanlage mit angekoppeltem<br />
Elektrolyseur zur Bereitstellung der Synthesekomponente<br />
H 2<br />
auf dem Zeitzer Betriebsareal werde nach<br />
Aussage von Dr. Sebastian Kunz gegenwärtig vorbereitet.<br />
Der Manager sieht vielfältige Vermarktungsmöglichkeiten.<br />
Methanol sei nicht nur eine Basischemikalie<br />
für synthetische Kraftstoffe und andere<br />
Erzeugnisse. Schiffsmotoren ließen sich sogar direkt<br />
auf Methanol umrüsten. Die Containerreederei Maerk<br />
habe kürzlich die Bestellung von 15 methanolfähigen<br />
Schiffen bekanntgegeben.<br />
Um potenzielle Erzeuger und Verbraucher von grünen<br />
Gasen und Basischemikalien in der Region zusammenzubringen,<br />
initiierte Südzucker den H 2<br />
-Hub<br />
Burgenlandkreis. Zu dessen Mitgliedern gehört auch<br />
der Energiepark Zerbst. Auf dem 400 Hektar umfassenden<br />
Areal eines ehemaligen Militärflughafens der<br />
russischen Streitkräfte konzentrieren sich drei Formen<br />
Erneuerbarer Energie in nennenswerter Größenordnung<br />
– ein Windpark, der bis zu 44 MW Strom liefert<br />
[114.200 Megawattstunden pro Jahr (MWh/a)],<br />
eine 108 Hektar große PV-Freiflächenanlage mit einer<br />
Leistung von 46 MW (45.000 MWh/a) und eine<br />
3-MW-Biogasanlage (24.000 MWh/a).<br />
Mit dem Bau einer Elektrolyse zur Erzeugung von<br />
Wasserstoff kommt nun voraussichtlich ab Ende<br />
<strong>2022</strong> ein weiterer grüner Energieträger hinzu. Für<br />
die Stromversorgung des Elektrolyseurs errichtet der<br />
Energieparkbetreiber GETEC green energy laut Chris<br />
Döring sieben zusätzliche Windkraftanlagen mit einer<br />
installierten Leistung von insgesamt 43,4 MW. Dies<br />
ist viermal mehr als für die Aufspaltung von Wasser in<br />
der ersten Phase der Projektrealisierung benötigt wird<br />
und gibt somit Spielraum für einen weiteren Ausbau<br />
46
Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />
Aktuelles<br />
der Produktion von Wasserstoff, der in eine nahegelegene<br />
H 2<br />
-Pipeline eingespeist werden soll.<br />
Region auf umfangreiche H 2<br />
-Importe<br />
angewiesen<br />
Über welche Voraussetzungen verfügt Mitteldeutschland<br />
nach Realisierung der H 2<br />
-Großprojekte, aber<br />
auch der zahlreichen kleineren auf der Konferenz<br />
vorgestellten Vorhaben wie die Umrüstung von Dieselmotoren<br />
in Schienenfahrzeugen auf den Betrieb<br />
mit Methan bzw. Wasserstoff durch die Firma WTZ<br />
Roßlau oder die Entwicklung einer leistungsfähigen<br />
Lastendrohne mit Wasserstoffantrieb durch ein Team<br />
bei HySON in Sonneberg? Dies ist Gegenstand einer<br />
Studie der DBI Gas- und Umwelttechnik, über deren<br />
erste Zwischenergebnisse Gert Müller-Syring auf der<br />
Tagung in Leuna berichtete.<br />
Demnach werden in den zum Cluster gehörenden<br />
Landkreisen in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen<br />
im Prognosejahr 2040 etwa 2,5 Terawattstunden<br />
(TWh) Strom pro Jahr aus Windkraft, PV und Biomasse<br />
zur Verfügung stehen, um damit 0,1 Mio. Kubikmeter<br />
Wasserstoff pro Stunde herzustellen. Gerechnet<br />
werde zu diesem Zeitpunkt allerdings bereits mit<br />
einer H 2<br />
-Nachfrage in der Größenordnung von etwa 1<br />
Mio. m³ pro Stunde, wofür mindestens 20 TWh pro<br />
Jahr an grünem Strom notwendig wären.<br />
Um diese Erzeugerlücke auszugleichen, sei ein Anschluss<br />
an das European Hydrogen Backbone unumgänglich.<br />
In Spitzenlastsituationen müssten voraussichtlich<br />
90 Prozent des regionalen Bedarfs durch<br />
Importe gedeckt werden. Für den Transport des Gases<br />
innerhalb des Betrachtungsgebietes ist laut Studie<br />
eine Erweiterung der H 2<br />
-Infrastruktur um rund 330<br />
Kilometer durch Leitungsneubau und Umwidmung<br />
von Erdgaspipelines erforderlich. Parallel gelte es,<br />
Die Großfermentation in Zeitz produziert jährlich 400.000 m³ Ethanol, 350.000 t<br />
Eiweißfuttermittel und 100.000 t verflüssigtes CO 2<br />
. Das Produktportfolio will die<br />
Südzucker AG jetzt mit der Herstellung von grünem Methanol unter Einsatz von<br />
Wasserstoff erweitern.<br />
in den nächsten Jahren die Erzeugerkapazitäten für<br />
erneuerbaren Strom deutlich zu erweitern.<br />
Den Abschluss der Studie, die dann neben einer finalen<br />
Bewertung der Potenziale auch eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung<br />
enthält, kündigt Müller-Syring<br />
zum Jahresbeginn <strong>2022</strong> an.<br />
Autor<br />
Dipl.-Journ. Wolfgang Rudolph<br />
Freier Journalist ∙ Rudolph Reportagen –<br />
Landwirtschaft, Umwelt, Erneuerbare Energien<br />
Kirchweg 10 · 04651 Bad Lausick<br />
03 43 45/26 90 40<br />
info@rudolph-reportagen.de<br />
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47
Politik<br />
Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />
„Mehr Fortschritt wagen“ heißt auch:<br />
Mehr Bioenergie wagen!<br />
Der Koalitionsvertrag der geplanten Ampelkoalition mit dem Titel „Mehr<br />
Fortschritt wagen“ liegt vor. Aus Sicht der Biogastechnologie bieten sich<br />
etliche vielversprechende Anknüpfungspunkte. Eine erste Bewertung.<br />
Von Sandra Rostek und Dr. Guido Ehrhardt<br />
Nachdem bereits das Ergebnispapier<br />
der Koalitions-<br />
Sondierungsgespräche recht<br />
vielversprechend klang,<br />
wurde der Koalitionsvertrag<br />
seitens der Erneuerbaren-Branche erst<br />
recht mit erwartungsfroher Spannung erwartet.<br />
Zumal es eher ungewöhnlich ist,<br />
dass man im Vorfeld so wenig, ja eigentlich<br />
fast nichts aus den Verhandlungen<br />
erfahren hatte. Zwar haben wir durchaus<br />
mit Vertretern aller an den Verhandlungen<br />
beteiligten Parteien auch während der<br />
heißen Phase noch Gespräche geführt –<br />
ob dies aber fruchten und tatsächlich<br />
Eingang in den Koalitionsvertrag finden<br />
würde, wussten wir nicht.<br />
Am Mittwoch, den 24. November war es<br />
dann endlich so weit: SPD, Bündnis 90/<br />
Die Grünen und FDP veröffentlichten ihre<br />
Agenda für die kommenden vier Jahre.<br />
Und wie erwartet strotzt der Vertrag von<br />
klima- und umweltpolitischen Maßnahmen.<br />
Journalisten der „Welt“ haben gar<br />
sogleich darauf hingewiesen, dass das<br />
Wort „Klima“ in dem 177 Seiten starken<br />
Dokument häufiger vorkommt als das<br />
Wort „Deutschland“. Auch der Ausbau<br />
der Erneuerbaren Energien soll einen<br />
starken Fokus erfahren. Insgesamt also<br />
eine positive Grundstimmung für die Themen<br />
Klimaschutz und Energiewende, die<br />
wir aus den Koalitionsverträgen der Vorläuferregierungen<br />
der jüngeren Vergangenheit<br />
so nicht herauslesen konnten.<br />
Neue Zukunft für die Bioenergie<br />
versprochen<br />
Uns interessiert aber natürlich zunächst<br />
mal im Kern das Biogas. Nun, wenn es<br />
danach geht, wie häufig ein Wort Verwendung<br />
findet, müssen wir wohl leider festhalten,<br />
dass dieses zumindest auf den<br />
allerersten Blick keine allzu große Rolle<br />
bei den Koalitionsgesprächen gespielt<br />
hat – das Wort „Biogas“ findet sich überhaupt<br />
nicht.<br />
Und auch die „Bioenergie“ taucht nur<br />
einmal auf, dann aber immerhin gleich<br />
mit einem Versprechen und klaren Bekenntnis<br />
zu unserer Technologie: Eine<br />
„neue Zukunft“ soll die Bioenergie haben,<br />
und dafür wollen die Parteien auch<br />
eigens eine Biomasse-Strategie erarbeiten.<br />
Doch mehr als diese zwei Zeilen<br />
finden sich explizit nicht zur Bioenergie,<br />
geschweige denn zu Biogas – es bleibt<br />
abzuwarten beziehungsweise auch als<br />
Branche proaktiv mit Inhalten zu füllen,<br />
wie die angekündigte Strategie für die<br />
Zukunft der Biogasbranche aussehen<br />
kann.<br />
Neben dieser Passage direkt zur Bioenergie<br />
finden sich aber noch jede Menge<br />
weiterer Stellen, in denen es zumindest<br />
indirekt um uns geht, mit denen wir gemeint<br />
sind beziehungsweise die Auswirkungen<br />
auf uns haben könnten.<br />
Gute Aussichten im Strommarkt<br />
Allen voran ist dabei wohl die Zukunftsperspektive,<br />
die unserer Branche im<br />
Strommarkt aufgezeigt wird. Denn es findet<br />
sich im Koalitionsvertrag die Absicht,<br />
mit „neuen oder bestehenden Instrumenten<br />
zügig gesicherte und flexible Leistung<br />
aus erneuerbaren Energien auszubauen“.<br />
Im Kern kann damit natürlich nur das<br />
Biogas gemeint sein. Der Flexibilisierung<br />
von Biogas, insbesondere des Anlagenbestands,<br />
kommt in den kommenden Jahren<br />
daher sicherlich eine wichtige Rolle zu.<br />
Auch sollen die Marktmechanismen<br />
im Strommarkt nochmals überarbeitet<br />
werden („Strommarktdesign“), was<br />
uns vielfältige Chancen bietet, unsere<br />
Alleinstellungsmerkmale der flexiblen<br />
Strombereitstellung, aber auch der Absicherung<br />
der Netze und Abmilderung von<br />
Preisschwankungen in die Diskussion<br />
einzubringen. Die Koalition hat außerdem<br />
angekündigt, den Ausbau der Erneuerbaren<br />
Energien massiv beschleunigen<br />
zu wollen. Statt der bislang geplanten 65<br />
Prozent erneuerbarem Anteil am Bruttostrombedarf<br />
will die Ampel 2030 sogar<br />
schon 80 Prozent Erneuerbare im Stromnetz<br />
erreichen. Und das übrigens auch<br />
noch unter der Annahme eines deutlich<br />
höheren Strombedarfs, als ihn die Große<br />
Koalition für ihre Berechnungen zugrunde<br />
legt. Allein schon aufgrund dieser<br />
ehrgeizigen Ziele ist klar: Die Bioenergie<br />
wird auch weiterhin im Strommarkt gebraucht.<br />
Beseitigung von Hürden und<br />
Hemmnissen<br />
Um diesen ambitionierten Ausbau zu ermöglichen<br />
will die Ampel-Koalition alle<br />
Hürden und Hemmnisse für den Ausbau<br />
Erneuerbarer Energien abschaffen. Nun,<br />
dieses hehre Ziel können wir nur unterstützen<br />
und natürlich auch eine lange<br />
Liste an Hemmnissen und Hürden aufzeigen,<br />
die dem Ausbau der Biogastechnologie<br />
in Deutschland entgegenstehen.<br />
Die Biomasse-Ausschreibungen im EEG<br />
etwa werden gleich durch zwei erst in<br />
Foto: Adobe Stock_Kostas Koufogiorgos<br />
48
Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />
Politik<br />
jüngerer Vergangenheit eingeführte<br />
Hemmnisse massiv unterwandert:<br />
Die endogene Mengensteuerung<br />
sorgt bei Unterzeichnung<br />
des Ausschreibungsvolumens<br />
dafür, dass 20<br />
Prozent der eingereichten<br />
Gebote keinen Zuschlag<br />
erhalten; die Südquote<br />
soll ab <strong>2022</strong> den Ausbau<br />
im Rest des Landes<br />
außerhalb der so<br />
genannten Südregion<br />
eingrenzen.<br />
Es ist offenkundig, dass<br />
diese beiden Maßnahmen<br />
einer Zielerreichung<br />
der Bundesregierung absolut<br />
entgegenstehen und daher<br />
schnellstmöglich abgeschafft<br />
werden müssen. Aber auch außerhalb<br />
des EEG lässt sich die Liste von<br />
Hürden und Hemmnissen leider beliebig<br />
fortsetzen: Praxisferne und überzogene<br />
rechtliche Anforderungen an den Bau und<br />
Betrieb von Biogasanlagen ziehen sich<br />
durch nahezu alle Regelwerke, von der<br />
AwSV über die Düngeverordnung bis zur<br />
TRAS 120. Wir werden nicht müde werden,<br />
all diese Dinge nun wieder auf den<br />
Tisch zu bringen.<br />
Technologieoffenheit auf dem<br />
Vormarsch<br />
Viele Anknüpfungspunkte, insbesondere<br />
in den Bereichen Wärme und Mobilität,<br />
ergeben sich auch mit dem Vorsatz der<br />
Koalitionäre in spe, beim Klimaschutz<br />
stärker auf Technologieoffenheit zu setzen.<br />
Dahinter steckt offensichtlich der<br />
Gedanke, mit der bisherigen Politik zu<br />
brechen, die allzu oft nur auf die Elektrifizierung<br />
von Wärme und Verkehr setzte.<br />
Gerade im Wärme- und Verkehrsbereich<br />
sind die Herausforderungen jedoch so<br />
unterschiedlich, dass man nicht alles mit<br />
einer einzigen Lösung erschlagen wird.<br />
Ländliche Wärmenetze oder die Prozesswärme<br />
in der Industrie etwa bleiben<br />
klassische Anwendungsfelder gerade für<br />
die Biomasse, und der Schwerlastverkehr<br />
wird auch auf lange Sicht unbedingt auf<br />
Biokraftstoffe angewiesen sein.<br />
Insgesamt legt der Koalitionsvertrag Wert<br />
darauf, Synergieeffekte zwischen Klimaschutz,<br />
Energiewende und Umweltschutz<br />
zu betonen und die Artenvielfalt zu stärken.<br />
Und auch hier kann das Biogas seine<br />
Stärken ausspielen: Denn hier sollen<br />
Maßnahmen gemeinsam mit den Flächennutzern<br />
– also auch den Landwirten –<br />
erarbeitet und angemessen finanziert<br />
werden. Und der Anbau von Blühpflanzen<br />
für die Biogaserzeugung ist ja ein<br />
Musterbeispiel, wie Synergien zwischen<br />
Klima- und Umweltschutz genutzt werden<br />
können.<br />
Taten zählen, nicht Worte<br />
Der Koalitionsvertrag liest sich also zunächst<br />
einmal vielversprechend. Dabei<br />
darf man aber auch nicht außer Acht<br />
lassen, dass einige dieser im Grundsatz<br />
positiven Vorhaben auch ihre Kehrseiten<br />
haben könnten: Eine Stärkung der Technologieoffenheit<br />
im EEG, etwa durch gemeinsame<br />
Ausschreibungen verschiedener<br />
Technologien, kann nicht in unserem<br />
Sinne sein, genauso wenig wie zu harte<br />
Einschränkungen beim Einsatz konventioneller<br />
Energiepflanzen.<br />
Doch die große Bandbreite in den neuen<br />
Regierungsfraktionen ist groß und so<br />
können wir davon ausgehen, dass zumindest<br />
SPD und Grüne die Vorteile flexibler<br />
Biogasanlagen im Stromsektor nicht aufgrund<br />
überzogener Technologieoffenheit<br />
verhindern, und zumindest die FDP allzu<br />
harte Anforderungen an den Substrateinsatz<br />
verhindern wird.<br />
Letztlich muss sich die Koalition aber<br />
nicht an den Worten des Koalitionsvertrags<br />
messen lassen, sondern an den Taten.<br />
Autoren<br />
Sandra Rostek<br />
Leiterin des Berliner Büros<br />
im Fachverband Biogas e.V.<br />
Dr. Guido Ehrhardt<br />
Leiter des Referats Politik<br />
im Fachverband Biogas e.V.<br />
030/2 75 81 79-0<br />
berlin@biogas.org<br />
www.biogas.org<br />
biogaskontor.de<br />
Gemeinsam für eine nachhaltige Biogasproduktion!<br />
49
titelthema<br />
Strip-till<br />
Ackerbau im<br />
Streifendesign<br />
Erosionsschutz ist für Georg Mayerhofer eine Herzenssache, aber bei ihm auch unabdingbar<br />
wegen seiner vielen Äcker in Hanglage. Er kombiniert das Strip-Till-Verfahren<br />
mit der Gülleverschlauchung, was ihm 2017 den Titel „Landwirt des Jahres“ einbrachte.<br />
Jetzt steht sein Betrieb vor einer Neuausrichtung: Die Umstellung auf Ökolandbau<br />
verlangt wieder Kreativität und Tüftelarbeit.<br />
Von Christian Dany<br />
Man muss sich manchmal selbst dazu<br />
aufrufen, gelassen zu bleiben und<br />
einen Schritt nach dem andern abzuarbeiten.“<br />
Angesichts der vielen<br />
Neuausrichtungs-Projekte, die er zurzeit<br />
um die Ohren hat, hält Georg Mayerhofer kurz<br />
inne: 2019 hat er den Betrieb seiner Biogasanlage<br />
flexibilisiert und <strong>2022</strong> wechselt er nun nach erfolgreicher<br />
Ausschreibung in die zweite Vergütungsperiode.<br />
Außerdem soll dieses Jahr sein gesamter Betrieb<br />
Fotos: Mayerhofer<br />
50
Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />
praxis / Titel<br />
Georg Mayerhofer auf<br />
einem seine Felder,<br />
auf denen der Mais<br />
im Strip-till-Verfahren<br />
wächst.<br />
auf Ökolandbau umgestellt werden. In<br />
diesem Zuge ist die Zukunft eines Betriebszweiges<br />
aber noch ungeklärt: die<br />
der Schweinemast. „Die afrikanische<br />
Schweinepest hängt wie ein ‚Damoklesschwert‘<br />
über der Schweinehaltung“,<br />
sagt Mayerhofer, und da sollten Großinvestitionen<br />
in neue Mastplätze auf Stroh<br />
wohl überlegt sein.<br />
Damit es ihm zwischendurch nicht langweilig<br />
wird, macht der 41-Jährige zurzeit<br />
auch noch einen „Haustausch“: Während<br />
seine Eltern bald in sein neueres Wohnhaus<br />
ziehen, wird er nach der Generalsanierung<br />
mit der fünfköpfigen Familie ins<br />
größere Elternhaus ziehen. Mayerhofer<br />
ist der „fünfte Georg“ auf dem Hof. Dass<br />
der älteste seiner drei Söhne auch Georg<br />
heißt, versteht sich da von selbst.<br />
Wer die Mayerhofers in Parschalling im<br />
Landkreis Passau besuchen will, muss in<br />
eine buckelige Welt vordringen: Während<br />
es in Österreich eine Gegend gibt, die<br />
tatsächlich so heißt, wird der Landstrich<br />
hier auch die „Toskana Niederbayerns“<br />
genannt, weil das Tertiärhügelland hier<br />
besonders hügelig und strukturreich ist.<br />
Das kleine Dorf Parschalling liegt im kleinen<br />
Tal der Wolfach. Die Böden sind lehmig<br />
mit 45 bis 65 Bodenpunkten.<br />
2018 hat Mayerhofer den Hof von seinem<br />
Vater übernommen – mit einem<br />
klassischen Landwirtschaftsbetrieb bestehend<br />
aus Ackerbau, Schweinemast<br />
und Biogasanlage. Heute bewirtschaftet<br />
der Agraringenieur über 300 Hektar<br />
(ha) Ackerland und 18 ha Grünland. Die<br />
Schweinemast umfasst 1.450 Mastplätze.<br />
Neben Mayerhofer senior und junior<br />
arbeiten noch ein Mitarbeiter und ein<br />
Lehrling auf dem Betrieb. Der Junior hat<br />
sich in der Landwirtschaft schon einen<br />
Namen gemacht: Er gehört dem „Team<br />
Agrar 2030“ an, das mit Kampagnen in<br />
sozialen Netzwerken die Öffentlichkeit<br />
und Politiker aufrütteln will.<br />
Landwirt des Jahres 2017<br />
Bekannt geworden ist die Gruppe durch<br />
einen offenen Brief an die Bundeslandwirtschaftsministerin<br />
Julia Klöckner zur<br />
Düngeverordnung. Aktuell läuft die Kampagne<br />
„#rettesichwerkann – jeder für sich<br />
& doch gemeinsam“ auf Instagram. 2017<br />
wurde Mayerhofer im Rahmen des Ceres<br />
Awards zum Landwirt des Jahres gewählt.<br />
„Dass unter den vielen starken Berufskollegen<br />
letztlich ich gewählt wurde, lag an<br />
dem Strip-Till-Verfahren“, meint er. Die<br />
Besonderheit bei dem Niederbayern ist,<br />
dass er dieses mit der bodenschonenden<br />
Gülleverschlauchung kombiniert: In einem<br />
Arbeitsgang werden Saatbettstreifen<br />
und in diese Streifen gleich ein „Gülleband“<br />
abgelegt.<br />
Kennzeichen des Strip-Till-Verfahrens<br />
ist die nur streifenweise Bearbeitung des<br />
Bodens. Das ermöglicht bei Reihenkulturen<br />
wie Mais, Raps und Soja, dass die<br />
Bodenbearbeitung auf eine Maßnahme<br />
reduziert wird, was zu einer Diesel- und<br />
damit Kostenersparnis führt. Der Erosionsschutz<br />
und der Wassergehalt im Oberboden<br />
verbessern sich durch die Strohoder<br />
Mulchauflage in den unbearbeiteten<br />
Bereichen.<br />
60 Prozent der Fläche im<br />
Erosionskataster<br />
„Ich wollte Erosionsschutz und Gärrestausbringung<br />
miteinander kombinieren“,<br />
erzählt Mayerhofer. Mehr als 60 Prozent<br />
seiner Flächen sind im Erosionskataster als<br />
erosionsgefährdete Hanglage eingestuft.<br />
Im hängigen Gelände hatte er zuvor den<br />
Mais mit Direktsaat ausgebracht und dann<br />
nur mineralisch gedüngt. Den Gärdünger,<br />
den er eigentlich optimal verwerten wollte,<br />
fuhr er nur auf die flacheren Felder.<br />
Auf der Suche nach Kompromiss- und<br />
Kombinationslösungen fand der Ingenieur<br />
zur Streifentechnik. 2016 lieh er sich<br />
einen „Striger“ aus, das Strip-Till-Gerät<br />
Gülleband unter<br />
bereits aufgelaufener<br />
Maisreihe.<br />
des Herstellers Kuhn. Kurz danach kam<br />
das verheerende Hochwasser, das in Simbach<br />
zur Katastrophe führte und bei dem<br />
auch im Wolfachtal „alles abgesoffen“<br />
sei. Es habe sich gezeigt, dass mit der<br />
Streifentechnik der Boden gut zurückgehalten<br />
werde. Daraufhin schaffte er einen<br />
achtreihigen Striger und ein Gülleverteilsystem<br />
an. Ein Mitarbeiter einer Landtechnikfirma<br />
half ihm, die Kombination<br />
mit der Verschlauchung zu entwickeln<br />
und anzufertigen.<br />
Direkt am Gerät erklärt Mayerhofer nacheinander<br />
die einzelnen Werkzeuge des Strigers:<br />
zuerst eine Scheibe, der in der Höhe<br />
bewegliche Sternklutenräumer und dann<br />
ein Grubberzinken, hinter dem die Gülle<br />
über ein Ablaufrohr direkt eingearbeitet<br />
wird. „Zwei Scheiben an der Seite halten<br />
den Streifen zusammen. Sie sorgen dafür,<br />
dass der Boden nicht so weit ausreißt. Am<br />
Schluss haben wir für jeden Streifen einen<br />
Krümler. Er soll das Erdreich fein krümeln.<br />
Die Gülle wird 12 bis 15 Zentimeter<br />
tief eingearbeitet, sodass nichts davon an<br />
der Oberfläche bleibt. Immer nach absterbender<br />
Winter-Zwischenfrucht fahren wir<br />
mit dem Strip-Tiller rein. Wir ziehen den<br />
Schlauch beim Fahren hinter uns her. Ein<br />
Durchflussmengenzähler zählt die ausgebrachten<br />
Kubikmeter pro Stunde. Über<br />
die Fahrgeschwindigkeit auf dem Feld<br />
wird die Ausbringmenge gesteuert.“<br />
Hightech und Logistik gefordert<br />
Während der Gülleschlauch mit dem<br />
Schleppschuhverteiler noch über-<br />
51
praxis / Titel<br />
Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />
Die Gülle beziehungsweise der Gärdünger<br />
wird bei Mayerhofer auch im<br />
Strip-till-Verfahren mit dem Gülleverschlauchungssystem<br />
ausgebracht.<br />
fahren werden kann, geht das mit dem Strip-Tiller<br />
nicht. Weil das Gerät schwerer ist, würde es den<br />
Schlauch beschädigen. „Ich muss überlegen, wie<br />
ich den Schlauch auslege. Er muss immer auf der<br />
Seite liegen, wo man nicht mehr hinfährt“, ergänzt<br />
Mayerhofer. Besonders beim Wenden am Feldende<br />
müsse man aufpassen, weil der Schlauch bis dahin<br />
ein enormes Gewicht habe.<br />
Eine Woche später werde dann Mais drauf gesät.<br />
Während des Gülle-Strip-Till-Einsatzes müsse er ein<br />
Trackingsystem mitlaufen lassen. Mithilfe des RTK-<br />
GPS-Systems finde er dann bei der Maissaat bis auf<br />
2,5 Zentimeter genau die Güllestreifen wieder. „Wir<br />
arbeiten mit dem John-Deere-Operation-Center“, so<br />
der Landwirt. Von Vorteil bei diesem Betriebsdaten-<br />
System seien die Schnittstelle zur Ackerschlagdatei<br />
und vor allem die Kommunikation mit dem Handy:<br />
„So kann ich direkt auf dem Schlepper Daten eingeben<br />
und bearbeiten.“<br />
Das Gülleverschlauchungs-System von Perwolf aus<br />
Österreich in Verbindung mit einem Schleppschuhverteiler<br />
hatte Mayerhofer zuvor schon im Einsatz. „Die<br />
Güllepumpe am Feldrand kann vom Schlepper aus<br />
ferngesteuert werden“, erläutert er. Als Reservoir dienen<br />
ein 30 m³ Gärdünger fassender Feldrandcontainer<br />
oder Güllebehälter in der Feldflur. Der Niederbayer<br />
wendet das Gülle-Strip-Till-System auf rund 70 ha an.<br />
„Es hat sich gezeigt, dass es super funktioniert. Im<br />
bearbeiteten Streifen findet eine Auflockerung statt.<br />
Hier haben wir eine größere Nährstoffverfügbarkeit<br />
und der Boden erwärmt sich stärker. Das bringt Vorteile<br />
bei der Keimung und Jugendentwicklung. Man<br />
sieht, die Wurzeln wachsen in das Gülleband rein. Ich<br />
dünge der Pflanze quasi ‚direkt ins Maul‘.“<br />
52
Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />
praxis / Titel<br />
Streifen bieten<br />
Erosionsschutz<br />
Für seine Ansprüche sei es das<br />
beste System: „Die Streifen<br />
quer zum Hang sind ein idealer<br />
Erosionsschutz. Wir haben keine<br />
Ammoniakemissionen und<br />
mit einer Ausbringleistung bis<br />
zu 150 m³/h ist es sehr schlagkräftig.“<br />
Mayerhofer ist stolz<br />
auf sein Verfahren, „weil das<br />
sonst keiner so macht“. Aber<br />
das System sei komplex. Man<br />
müsse dahinter sein, betont er.<br />
Die Planung und Vorbereitung<br />
der Logistik seien sehr aufwendig.<br />
Außerdem müssten zum<br />
Beispiel die Schläuche nach<br />
jedem Einsatz ausgeblasen und<br />
im Winter gewartet werden.<br />
Der Striger arbeitet ohne<br />
Probleme in der abgestorbenen<br />
Zwischenfrucht.<br />
Zwischen den Reihen<br />
verbleibt Biomasse als<br />
Mulchschicht.<br />
Von Nachteil ist jedoch, dass Altverunkrautung, nicht<br />
abgefrorene Zwischenfrüchte und das Ausfallgetreide<br />
vor der Maissaat meistens mit Glyphosat abgetötet<br />
werden müssen. Als künftiger Öko-Landwirt braucht<br />
Mayerhofer hier nun eine andere Lösung. Er hofft, das<br />
mit flacher Bodenbearbeitung in den Griff zu kriegen.<br />
Welches Gerät genau hier ackerbaulich und betriebswirtschaftlich<br />
am besten ist – darüber ist er sich noch<br />
nicht ganz im Klaren.<br />
Im Zuge der Öko-Umstellung stehen aber ohnehin<br />
noch weitere Veränderungen an: „Wir vollziehen bei<br />
Mais, Raps und Soja einen Wechsel des Reihenabstands<br />
von 75 auf 50 Zentimeter“, verrät er. Erst war<br />
er noch skeptisch über die Fortführung des Gülle-<br />
Strip-Tills unter Öko-Bedingungen. Doch jetzt ist er<br />
entschlossen, auch den Strip-Tiller auf den kleineren<br />
Reihenabstand umzubauen.<br />
Betriebsspiegel<br />
Georg Mayerhofer<br />
Geographische Lage: Bayer. Tertiärhügelland,<br />
Höhe NN: 350 m<br />
Betriebliche Ausrichtung: Ackerbau, Schweinemast,<br />
Fleischrinder und Biogasanlage<br />
Betriebsgröße: 358 ha<br />
Bodenart: +/– sandige Lehme, 45-65 Bodenpunkte<br />
Bodennutzung: 340 ha Ackerbau, 18 ha Grünland<br />
(Mähwiesen)<br />
Einzelne Betriebsteile: Ackerbau<br />
Tierhaltung: Zukunft der Schweinemast ungewiss,<br />
Wagyu-Fleischrinder, zurzeit 18 Tiere<br />
Biogasanlage Mayerhofer und Nagl GbR:<br />
1.160 kW el<br />
installierte Leistung,<br />
Bemessungsleistung, 536 kW el<br />
, Substrate:<br />
NawaRo und landwirtschaftliche Reststoffe<br />
Familie: Betriebsleiter Georg Mayerhofer (41 Jahre),<br />
Ehefrau Katrin, Söhne Georg, Felix und Laurenz<br />
Arbeitskräfte: 1 AK Betriebsleiter, 1 AK Georg senior, 1<br />
AK Mitarbeiter, 0,7 AK Lehrling<br />
www.mayerhofer-agrar.com<br />
53
praxis / Titel<br />
Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />
Spricht der Neu-Ökobauer<br />
über seine Beweggründe<br />
zur Umstellung, verwendet<br />
er einen Begriff, den<br />
man auch missverstehen<br />
könnte: „Mit dem<br />
‚Schweine-System’ wird<br />
es immer schwieriger. Da<br />
gehen wir raus. Ich hab<br />
jahrelang versucht, nachhaltigen<br />
Ackerbau zu betreiben.<br />
Aber ich bekomme keinen<br />
Preis dafür.“ Außerdem habe er<br />
an der „Initiative Tierwohl“ teilgenommen.<br />
Letztlich würden höhere Aufwendungen<br />
am Markt für konventionelles Schweinefleisch<br />
aber nicht honoriert. Derzeit hat Mayerhofer noch<br />
500 Schweine im Stall, die er auch noch abstocken<br />
will. Danach müsse die Entscheidung fallen, ob der<br />
Stall umgebaut und in die Ökoschweine-Haltung investiert<br />
werde.<br />
„Eigentlich liebäugeln wir schon einige Jahre mit<br />
dem Ökolandbau.“ Verhindert hat eine frühere Umstellung<br />
aber der Güllebonus in der Biogas-Stromvergütung.<br />
Den wollte Mayerhofer nicht aufgeben<br />
und ohne die Schweinegülle aus den Vollspaltenböden<br />
würde er ihn nicht bekommen. Die von seinem<br />
Vater gebaute Biogasanlage ist 2002 ans Netz<br />
gegangen. Damals war der Junior erst 22 und studierte<br />
Landwirtschaft an der Fachhochschule Weihenstephan.<br />
In der Anlage wurden erst nur Abfälle<br />
verwertet. 2004 erfolgte die Umstellung auf nachwachsende<br />
Rohstoffe.<br />
Mayerhofer betreibt die Biogasanlage mit seinem<br />
Partner Johann Nagl in einer GbR. 2019 haben die<br />
Partner in die Flexibilisierung des Anlagenbetriebs<br />
„Manche Bauern<br />
meinen, wir tauschen die<br />
Spritze gegen die Hacke und<br />
dann geht’s einfach weiter.<br />
Das ist aber ein<br />
Trugschluss.“<br />
Georg Mayerhofer<br />
investiert. Die Anlage wurde<br />
um ein Container-BHKW<br />
auf 1.160 Kilowatt (kW)<br />
installierte elektrische<br />
Leistung erweitert. Die<br />
Bemessungsleistung<br />
liegt bei 536 kWel. Weil<br />
sie die Flexprämie schon<br />
seit zwei Jahren bekommen,<br />
sei bei ihnen der Flexzuschlag<br />
in der zweiten Periode<br />
gesichert.<br />
Aus Solidarität mit Betreiberkollegen<br />
hat sich Mayerhofer dennoch einer<br />
Sammelklage angeschlossen. Wegen der Ein-<br />
Prozent-Degression „frühestmöglich“, wie er betont,<br />
nahmen die GbR-Partner 2019 mit dem Höchstgebot<br />
von 16,56 Cent pro Kilowattstunde an einer Ausschreibung<br />
teil. Nach 36 Monaten wird die Anlage<br />
ab 1. Oktober <strong>2022</strong> in die zweite Vergütungsperiode<br />
wechseln. Weil es dann keinen Güllebonus mehr<br />
gebe, sei auch der Weg für die Öko-Umstellung frei.<br />
Die Hälfte der Fläche gehört bei Mayerhofer zum<br />
Marktfrucht-Bereich, und da zählt er auf die Unterstützung<br />
des Verbands bei der Vermarktung. Er hat<br />
sich dem Naturland-Verband angeschlossen. Dieser<br />
verlangt, dass in die Biogasanlage maximal 30 Prozent<br />
pflanzliche Ware von konventionellen Betrieben<br />
eingebracht werden. Mayerhofer meint, das passe mit<br />
dem Anteil seines Partners Johann Nagl zusammen,<br />
der dann weiterhin konventionell bleiben könne.<br />
Außerdem gefalle ihm, dass der Naturland-Verband<br />
ein gutes System der Einnahmenverteilung zwischen<br />
Ferkelerzeuger und Mäster habe.<br />
Die Umstellungsphase hat bereits begonnen: Landsberger<br />
Gemenge baut Mayerhofer schon länger an.<br />
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Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />
praxis / Titel<br />
Letztes Jahr hat er auch das Kleegras auf insgesamt<br />
40 ha ausgeweitet. „Wir gehen ein bissl weg vom<br />
Mais“, sagt er. Nachdem er früher schon mal 60 Prozent<br />
Maisanteil hatte, sind es jetzt 19 Prozent. „Das<br />
Hacken geht aber nicht an jedem Hang“, macht er<br />
auf neue Herausforderungen aufmerksam: „Manche<br />
Bauern meinen, wir tauschen die Spritze gegen die<br />
Hacke und dann geht’s einfach weiter. Das ist aber<br />
ein Trugschluss. Wir haben alle 128 Schläge mit dem<br />
Operation Center in hackfähig und nicht hackfähig<br />
eingeteilt.“<br />
Um das Erosionsproblem „an der Wurzel zu packen“,<br />
plant er, 15 Meter breite Streifen aus Wickroggen<br />
mit einer Leguminosen-Gräser-Untersaat quer zum<br />
Hang anzulegen. Die Streifen machen insgesamt 12<br />
ha aus. „Der Wickroggen wird im Juni/Juli gehäckselt<br />
und der Streifen dann noch zweimal mit dem Kleegras<br />
gemäht. Dann breche ich den Streifen um für<br />
Getreide“, erklärt er.<br />
Während zum Erosionsschutz auch seine 9 ha Durchwachsene<br />
Silphie als Dauerkultur beitragen, gehören<br />
zur Öko-Neuausrichtung künftig auch Wagyu-Rinder.<br />
Gerade erst hat Mayerhofer angefangen, eine Herde<br />
mit den Fleischrindern aufzubauen. „Ich will den Betrieb<br />
so entwickeln, dass ich ein gutes Gefühl habe“,<br />
proklamiert der engagierte Landwirt. So wie er den<br />
Betrieb jetzt aufstelle, brauche er – ganz gemäß der<br />
Kampagne des Teams Agrar 2030 – keine Angst mehr<br />
zu haben, „dass mir die Agrarpolitik permanent eine<br />
vor den Latz haut.“<br />
Er rechnet mit einem Glyphosat-Verbot ab 2023.<br />
„Wenn dann auch noch ein ‚nationaler Aktionsplan<br />
Pflanzenschutz‘ kommt, für den jedes Kilo Pflanzenschutzmittel<br />
behördlich gemeldet werden muss, bin<br />
ich froh, aus dem System auszusteigen.“ Als künftiger<br />
Ökolandwirt sollen eine Dauerbegrünung mit<br />
Zwischenfrüchten, Kleegras und weite Fruchtfolgen<br />
zum Standard werden. „Auch Untersaaten, Flächenrotte<br />
und Mischfruchtanbau werden für uns interessant“,<br />
sagt Mayerhofer, „wir entwickeln uns da rein.“<br />
Der Ackerbau biete noch viel Potenzial. Zwar sehe<br />
er mehr davon im Ökolandbau, doch es werde auch<br />
anspruchsvoller, etwa bei den Wetterbedingungen:<br />
„Pflanzenschutzmittel haben ein breites Einsatzfenster.<br />
Das hab ich dann nicht mehr.“<br />
Autor<br />
Christian Dany<br />
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sind die Schlaggrenze<br />
oben (rosa), die<br />
dafür angelegte<br />
Lenksystemspur und<br />
die Schlagbedeckung<br />
(blau).<br />
55
titelthema<br />
Strip-till<br />
Perfekt<br />
positionierte<br />
Gärreste<br />
Stickstoffe aus Wirtschaftsdüngern optimal auszunutzen,<br />
ist das Gebot der Stunde. Neue Ausbringungstechnik macht<br />
dies möglich, wie das oft gut ausfallende Feedback bei den<br />
Anwendern zeigt.<br />
Von Dierk Jensen<br />
Wieso das Strip-Till-Gerät vom Hersteller<br />
Volmer „Culex“ heißt, weiß der<br />
Teufel. Denn Culex ist der lateinische<br />
Name für Mücke und da sind die Assoziationen<br />
eigentlich doch nicht so<br />
positiv. Aber egal, das Gerät, das zugleich zwei Güllebänder<br />
in verschiedenen Tiefen ablegen kann, erweist<br />
sich in der Gülleausbringungspraxis bei vielen Landwirten<br />
und Lohnunternehmen als zukunftsweisende<br />
Innovation.<br />
„Das ist Technik für Profis der Minimalbodenbearbeitung“,<br />
meint beispielsweise Hannes Kuhnwald,<br />
Landwirt aus Friedland in Vorpommern. Schon seit<br />
über 20 Jahren wird auf seinem 1.000-Hektar-Ackerbaubetrieb<br />
mit Biogasanlage ohne Pflug gearbeitet.<br />
Und seit letztem Frühjahr setzt der beliebte Agrar-<br />
Influencer, der bei YouTube regelmäßig Filmbeiträge<br />
über Landtechnik und Co. produziert und weit über<br />
100.000 Follower zählt, auch eine Culex mit einer<br />
Arbeitsbreite von 6 Metern ein.<br />
Er zeigt sich nach der ersten Saison voll zufrieden.<br />
„Unsere Maiserträge waren super. Das ist für mich die<br />
Zukunft der Gülle oder Gärreste-Ausbringung“, lobt<br />
Kuhnwald die Vorteile der Ausbringung von Unterfußund<br />
Unterflurdüngung in zwei genau definierten Bändern<br />
im Ackerboden – und das in einem Arbeitsgang.<br />
„Wir sparen uns das zeitaufwändige Grubbern und<br />
wir erzielen eine wesentlich höhere Effizienz bei der<br />
Stickstoffausnutzung“, argumentiert der 32-jährige<br />
Kuhnwald.<br />
Gülleband als Notreserve in<br />
trockenen Zeiten<br />
Und er fügt erklärend hinzu: „Unsere Kulturen erhalten<br />
neben der Unterfußdüngung durch die zweite<br />
Gülleablage in 22 Zentimeter Tiefe an unserem ohnehin<br />
schon sehr trockenen Standort von nur etwa<br />
450 Millimeter Jahresniederschlag und bei unseren<br />
sandigen Böden in Zeiten besonders langer trockener<br />
Perioden eine Notreserve, die in manchen Fällen<br />
Gold wert sein kann.“<br />
Rund 35.000 Tonnen Gülle, Festmist und Gärdünger<br />
fahren Kuhnwald und seine Mitarbeiter jährlich auf<br />
die gesamte Ackerfläche aus. Rund 11.000 Tonnen<br />
Fotos: Volmer<br />
56
Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />
praxis / Titel<br />
12-reihiger Culex in Stoppelland.<br />
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Sechs Meter Culex mit 50 Zentimetern Reihenabstand<br />
und angehobener Transportachse.<br />
Gärdünger kommen aus der eigenen 600-kW-Biogasanlage, den<br />
Rest bezieht er vom benachbarten Rinderbetrieb. Mit seinem<br />
Strip-Till-Gerät, das durch die Eigenschaften der eingesetzten<br />
Parabelschare den Boden vorteilhaft lockere, hat der Landwirt in<br />
der ersten Saison 420 Hektar bearbeitet, davon 360 Hektar Mais<br />
und 60 Hektar Sonnenblumen.<br />
So hat er am Ende mit dem Gerät, das mit einem Reihenabstand<br />
von 50 Zentimeter anstatt des Standards von 75 Zentimeter<br />
als teurere Spezialanfertigung bei Volmer bestellt wurde, rund<br />
14.000 Tonnen Gülle respektive Gärreste ausgebracht. Wenngleich<br />
noch hier und da Optimierungen an Scharen, Verteilerkopf<br />
etc. vorgenommen worden sind, ist sein Fazit ganz klar: „Das<br />
Ding hat Zukunft.“<br />
Strip-till spart Mineraldünger<br />
Auch rund 400 Kilometer weiter westlich, genauer gesagt in Bersenbrück,<br />
bekommt Strip-Till-Technologie von Volmer ein gutes<br />
Feedback. „Es ist ja ganz klar, weshalb ich diese Form<br />
57<br />
Höhere Substratausnutzung<br />
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praxis / Titel<br />
Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />
Der Culex von der Seite: vorne am Gerät gut zu erkennen das Scheibensech, das den Boden aufschlitzt. Dahinter<br />
arbeiten zwei v-förmig angeordnete Sternradscheibenräder, die aufliegendes Pflanzenmaterial zur Seite räumen.<br />
Dahinter folgt das Parabelschar mit den beiden Gülledosierrohren. Zum Schluss rollen die Druckräder zur Rückverfestigung<br />
des Bodens.<br />
Sechs Meter Culex (achtreihig)<br />
in abgestorbene Winterzwischenfrucht.<br />
der Ausbringung gewählt habe“, bekennt Rolf Sandbrink,<br />
Landwirt von 500 Hektar Acker und Betreiber<br />
mehrerer Biogasanlagen. „Kunstdünger ist teuer und<br />
wird in Zukunft noch teurer, dagegen habe ich mit<br />
einer genauen Unterfußdüngung eine hocheffiziente<br />
Ausnutzung der Stickstoffe aus dem Wirtschaftsdünger.<br />
Mit dem Ergebnis, dass ich dann nur noch ganz<br />
wenig Mineraldünger für meinen Mais brauche“, sagt<br />
Sandbrink und verrät, dass er mehr und mehr von Berufskollegen<br />
in der Umgebung angefragt wird, ob er<br />
nicht sein Strip-Till-Gerät mit einer Arbeitsbreite von<br />
6 Metern, das schon eine Zugmaschine mit 360 PS<br />
Leistung erfordert, in Lohnarbeit auf deren Flächen<br />
einsetzen will.<br />
Obgleich Sandbrink von Methodik und Technik der<br />
Culex überzeugt ist, mahnt er jedoch beim Einsatz<br />
auf schwereren, leicht verschlämmenden Böden zu<br />
einer gewissen Vorsicht. Dies aus eigener Erfahrung.<br />
„Wir haben das Strip-Till-Verfahren mal angewandt<br />
und dann kamen in der Nacht nach dem Maislegen<br />
104 Millimeter Liter Niederschlag pro Quadratmeter<br />
herab und das Regenwasser floss in die Ritzen, so<br />
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Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />
praxis / Titel<br />
dass die Pflanzen regelrecht abgesoffen sind. Eine<br />
Katastrophe.“ Auch warnt er besonders bei schweren<br />
Böden und zugleich sehr kalten Witterungsbedingungen<br />
im Frühjahr vor einem voreiligem Einsatz, weil<br />
aus seiner Sicht die kalte Witterung beim unbewegten<br />
Boden niedrige Temperaturen zur Folge haben,<br />
bei denen eine untere Gülleablageschicht nur zögerlich<br />
von der Kulturpflanze erschlossen werden kann.<br />
Ein Phänomen, was aber nach Sandbrinks Meinung<br />
bei sandigen und überhaupt leichteren Böden nicht<br />
zu befürchten ist.<br />
Strip-Till-Anwendung bei Kartoffeln hätte er sich<br />
dagegen sehr gewünscht, doch sei der Culex auf gepflügtem<br />
Land, das anschließend gefräst und gehäufelt<br />
werde, nicht wirklich passend. Die Ergebnisse<br />
waren nicht die, die man sich eigentlich erhofft hatte.<br />
Denn die Güllebänder in 27 Zentimeter und in 16<br />
Zentimeter Tiefe unterhalb der Kartoffeln ergaben<br />
zwar am Ende einen etwas höheren Ertrag, aber eine<br />
geringere Anzahl an Erdäpfeln, was kontraproduktiv<br />
für die Verwertung zu Chips-<br />
Kartoffeln ist, weil dafür kleinere<br />
„Dieses<br />
Exemplare erforderlich sind.<br />
Trotz mancher Bedenken und<br />
eventuellen bodenbedingten<br />
Einschränkungen besteht jedoch<br />
generell kaum Zweifel:<br />
Im Zuge der Klimaschutzauflagen<br />
und auch der neuen<br />
Düngeverordnung kommt die<br />
(konventionelle) Landwirtschaft<br />
nicht daran vorbei, mit<br />
Thomas Fehmer<br />
ihren Ressourcen so effizient wie<br />
irgend möglich umzugehen. Folgerichtig<br />
erleben innovative Hersteller wie<br />
Volmer derzeit vor allem von großen Betrieben<br />
eine hohe Nachfrage nach neuen Gülleausbringungstechniken<br />
wie eben mit ihrem Culex.<br />
Den im Übrigen auch viele große Lohnunternehmer,<br />
ob nun Otto Hamester im nordwestmecklenburgischen<br />
Eichsen Mühlen oder Burkhard Mayer<br />
in Schneverdingen, bei ihren landwirtschaftlichen<br />
Kunden oder auch Biogasunternehmen mit großem<br />
Erfolg einsetzen. Insgesamt hat Volmer von diesem<br />
Gerät mittlerweile 120 Exemplare, davon rund zehn<br />
im Ausland, verkauft. „Die Nachfrage ist ziemlich<br />
groß“, freut sich denn auch der Produktmana-<br />
Verfahren ermöglicht<br />
eine Effizienzsteigerung<br />
bei der Stickstoffausnutzung in<br />
der Gülle von derzeit rund<br />
60 Prozent auf 80 Prozent“<br />
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59
praxis / Titel<br />
Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />
Hier im Bild zu sehen der Culex ohne Sternradräumscheiben.<br />
Blick in den Boden: Sehr gut zu erkennen sind die beiden abgelegten Güllebänder.<br />
ger Thomas Fehmer vom westfälischen Hersteller aus<br />
Hörstel-Riesenbeck über große Resonanz an dieser<br />
Technik.<br />
Entscheidend sei bei dem Strip-Till-Konzept die exakte<br />
Ausbringung in Streifen. „Dieses Verfahren ermöglicht<br />
eine Effizienzsteigerung bei der Stickstoffausnutzung<br />
in der Gülle von derzeit rund 60 Prozent<br />
auf 80 Prozent“, unterstreicht Fehmer. Diese Optimierung<br />
sei genau das, so Fehmer weiter, was im<br />
Sinne des Schutzes von Ressourcen, Gewässern und<br />
Klima gegenwärtig gesellschaftlich von der Landwirtschaft<br />
eingefordert wird und obendrein für Landwirte<br />
auch noch mineralische Düngerkosten sparen hilft.<br />
Ganz abgesehen von diesen Aspekten heben viele<br />
Landwirte in Zeiten extremer Witterungsbedingungen<br />
die Vorzüge der Feuchtigkeitsreserve durch eine Ablage<br />
der Gülle in tiefere Bodenregionen immer wieder<br />
hervor. Es ist ein Garant in besonders langen Trockenphasen,<br />
in denen der Boden auszutrocknen drohe.<br />
Dass das Thema der Bodenfeuchtigkeit mittlerweile<br />
auch die Wissenschaft beschäftigt, beweist auch das<br />
von der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung<br />
(BLE) betreute Projekt „SOFI“ (Smart Soil Information<br />
for Farmers), bei dem Methoden entwickelt<br />
werden sollen, die es Landwirten ermöglichen, ad hoc<br />
die Feuchtegehalte ihrer Böden in Erfahrung zu bringen.<br />
Danach haben sie Infos, um standortspezifisch<br />
die richtigen ackerbaulichen Maßnahmen planen<br />
Culex an einem angehängten<br />
Schlauchhaspelwagen von Agrometer.<br />
So kann flüssiger Wirtschaftsdünger<br />
auch schlagkräftig mit Verschlauchungstechnik<br />
im Strip-till-System<br />
ausgebracht werden.<br />
60
Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />
praxis / Titel<br />
„Der Mais ist top,<br />
die Stärkewerte liegen um<br />
10 Prozent höher und<br />
die Energiedichte ist<br />
entsprechend erhöht“<br />
Dirk Neven<br />
zu können. Obgleich das vielleicht noch<br />
etwas arg viel Zukunftsmusik ist, zeugen<br />
aber doch auch Beiträge auf Kommunikationsportalen<br />
wie www.klim.eco, das<br />
Themen einer klimapositiven, regenerativen<br />
Landwirtschaft aufgreift, welchen<br />
Stellenwert dieser Bereich schon heute<br />
bei Praktikern hat. In einem Beitrag auf<br />
der Klim-Website schreibt ein Landwirt:<br />
„Moin. Ich habe auf meinem Betrieb relativ<br />
leichte Sandböden und denke über<br />
eine möglichst geringe Bodenbearbeitung<br />
für den Kartoffelanbau nach. Mein<br />
Plan ist es, nach einer abfrierenden Zwischenfrucht<br />
eine Flache Bodenbearbeitung<br />
zu machen und danach mit einem<br />
Strip-Till-Gerät mit 75er Reihe Gülle<br />
einzuarbeiten. Danach kommt dann<br />
nur noch die Pflanzmaschine, bei<br />
der ein Kreiselgrubber vorwegläuft,<br />
um die Erde für den Dammaufbau<br />
zu lockern ... Ich erhoffe<br />
mir dadurch eine bessere Wurzelentwicklung<br />
in die Tiefe und am<br />
Ende eine bessere Trockentoleranz<br />
... Wer hat von Euch damit Erfahrung<br />
oder Einwände, wieso das nicht funktionieren<br />
könnte?“.<br />
Seit sechs Jahren pfluglos<br />
Dirk Neven aus Pattensen könnte als<br />
Kartoffel anbauender Kollege sicherlich<br />
auch manche guten Tipps gebrauchen.<br />
Der niedersächsische Landwirt baut neben<br />
Getreide und Zuckerrüben auf seinen<br />
leichten Böden nämlich auch Kartoffeln<br />
an. Der Landwirt mit 300 Hektar Acker<br />
und einer Bullenmast von 400 Tieren,<br />
die in einem neuen Tierwohl-Tretmiststall<br />
gehalten werden, ist zugleich auch Biogasanlagenbetreiber<br />
mit einer Gesamtleistung<br />
von einem Megawatt.<br />
Vor sechs Jahren hat er sich vom Pflug<br />
endgültig verabschiedet. Schon vor der<br />
pfluglosen Ära hatte er seine Gärreste<br />
mit einer Kombination aus Güllefass<br />
und Grubber direkt eingearbeitet, um die<br />
Nährstoffverluste zu minimieren. Ebenso<br />
ist ein unbedeckter Acker bei ihm nicht<br />
mehr anzutreffen. Auf seinen Flächen,<br />
die zur Hälfte in Gewässerschutzgebieten<br />
liegen, spielen daher Zwischenfrüchte<br />
schon lange eine wichtige Rolle.<br />
So sät er im Frühjahr in die Maisstoppeln<br />
ein Grassaatengemisch aus und auf<br />
den Flächen, wo er Zuckerrüben, die er<br />
zu einem großen Teil auch in die eigene<br />
Biogasanlage befördert, und Kartoffeln<br />
geerntet hat, sät er Grünroggen ein, den<br />
er im Mai des Nachfolgejahres für die Biogasproduktion<br />
erntet. „Und genau an dieser<br />
Stelle kommt dann der Strip-Till von<br />
Volmer zum Einsatz. In die Stoppel wird<br />
der Gärrest optimal positioniert abgelegt<br />
und direkt danach legen wir den Mais“,<br />
erklärt Neven.<br />
Seit zwei Jahren macht er es so und der<br />
52-Jährige kommt fast ins Schwärmen.<br />
„Der Mais ist top, die Stärkewerte liegen<br />
um 10 Prozent höher und die Energiedichte<br />
ist entsprechend erhöht“, freut<br />
sich Neven. Noch setzt er den Culex nur<br />
beim Mais ein, aber vielleicht wird er das<br />
Gerät auch in Zukunft im Zuckerrübenanbau<br />
und bei den Kartoffeln ausprobieren,<br />
dafür bräuchte er allerdings einen<br />
anderen Reihenabstand als beim Mais.<br />
Nämlich nur 50 Zentimeter, also solche<br />
Abstände, die Kuhnwald aus Vorpommern<br />
schon jetzt als Spezialanfertigung im Einsatz<br />
hat.<br />
Denn wie in Vorpommern ist der Mineraldüngereinsatz<br />
bei Neven auf ein Minimum<br />
reduziert worden; und wer weiß,<br />
vielleicht wird er schon in baldiger Zukunft<br />
schon ganz bei null landen. Nicht<br />
zuletzt auch wegen einer Technik à la<br />
Volmer, die zwar mächtig viel Zugkraft<br />
in Anspruch nimmt, aber punktgenau<br />
den wertvollen Wirtschaftsdünger für die<br />
hungrigen Kulturpflanzen bereitstellt.<br />
Erstaunlich eigentlich nur, dass es so<br />
lange gedauert hat, dass die Landtechnik-Branche<br />
die Philosophie einer Ressourcen<br />
schonenden und damit letztlich<br />
auch klimaschützenden Ausbringung von<br />
Wirtschaftsdüngern erst jetzt so gänzlich<br />
in marktreife Produkte umsetzt. Gut Ding<br />
will aber offenbar Weile haben.<br />
Autor<br />
Dierk Jensen<br />
Freier Journalist<br />
Bundesstr. 76 · 20144 Hamburg<br />
040/40 18 68 89<br />
dierk.jensen@gmx.de<br />
www.dierkjensen.de<br />
61
titelthema<br />
Strip-till<br />
Lohnunternehmer Henke<br />
praktiziert die Strip-till-Gülledüngung<br />
mit zwei Geräten<br />
aus dem Hause Vogelsang.<br />
Hier in einen abgeernteten<br />
Ackergrasbestand. So wird<br />
nur ein minimaler Teil des<br />
Bodens bearbeitet.<br />
Immer der<br />
Reihe nach<br />
„Die Ablagetiefe<br />
der Maiskörner<br />
muss stimmen“<br />
Jörg Henke<br />
Im Strip-till-System wird der Boden nicht<br />
ganzflächig, sondern nur streifenweise in<br />
bestimmten Reihenabständen gelockert. In<br />
den Reihen wird der Boden bis zu 25 Zentimeter<br />
tief gelockert und die Gülle beziehungsweise<br />
der Gärdünger etwa 12 bis 15<br />
Zentimeter tief in einem „Band“ abgelegt.<br />
Je nach Verfahren und Reihenabstand wird<br />
der Zwischenraum mitgelockert oder gar<br />
nicht bewegt. Ein Verfahren mit Vorteilen,<br />
wenn einiges beachtet wird.<br />
Von Dipl.-Ing. agr. (FH) Martin Bensmann<br />
Jörg Henke betreibt in Wagenfeld-Ströhen<br />
südlich von Diepholz ein landtechnisches<br />
Lohnunternehmen mit 30 Mitarbeitern. Zu<br />
seinem Dienstleistungsangebot gehört unter<br />
anderem die Ausbringung flüssiger Wirtschaftsdünger<br />
wie Gülle und Gärreste zu Mais mit<br />
dem sogenannten Strip-till-System. Die wesentlichen<br />
Vorteile des Strip-till-Systems sind: „Wir reduzieren<br />
Geruchsemissionen und Ammoniakverluste, weil<br />
wir die flüssigen Wirtschaftsdünger in den Boden<br />
einbringen. Im Vergleich zum Pflügen oder ganzflächigen<br />
Grubbern verhindern wir die Verdunstung von<br />
Bodenwasser. Wir sind sehr schlagkräftig und praktizieren<br />
sozusagen eine Art Direkt- oder Mulchsaat – je<br />
nach Vorfrucht. Dadurch vermeiden wir auf den<br />
bei uns verbreiteten sandigen Böden mit<br />
25er bis 30er Ackerzahlen die Winderosion“,<br />
erläutert Jörg Henke.<br />
Und die Strip-till-Profis unter den<br />
Landwirten könnten sogar auf mineralischen<br />
Unterfußdünger zu Mais<br />
ganz verzichten, was den Geldbeutel<br />
schone. Wie der Agrardienstleister<br />
berichtet, hat er in 2011 das<br />
erste Strip-till-Gerät angeschafft. Es<br />
war das Modell Striger aus dem Hause<br />
Kuhn, das einige Jahre im Einsatz<br />
war. In 2014 investierte er in den ersten<br />
XTill von der Firma Vogelsang. Davon verrichten<br />
aktuell zwei Geräte, die hinter selbstfahrenden<br />
Gülletankwagen von Vredo in der Dreipunkthydraulik<br />
angebaut sind, ihre Arbeit.<br />
Die 450 PS starken Selbstfahrer wurden 2015 und<br />
2019 angeschafft. Sie haben zwei Achsen. Die Räder<br />
an der Hinterachse lassen sich hydraulisch so verstellen,<br />
dass die hinteren Reifen nicht in der Spur<br />
der vorderen Reifen rollen, sondern daneben. Man<br />
spricht dabei auch vom sogenannten Hundegangfahren.<br />
Der Druck in den Reifen wird auf dem Feld auf<br />
0,8 bar herabgesenkt. Die Hundeganglenkung und<br />
der niedrige Reifendruck reduzieren den Bodendruck<br />
und damit Schadverdichtungen. So sind laut Jörg<br />
Henke beim Mais weder in den Spuren noch auf dem<br />
Vorgewende Wuchsdepressionen zu sehen.<br />
Der flüssige Wirtschaftsdünger wird mit Transportfahrzeugen<br />
zum Feldrand gebracht und an die<br />
Selbstfahrer übergeben. Wenn alles reibungslos<br />
funktioniert, können über 1.000 Kubikmeter Gülle<br />
oder Gärdünger pro Tag ausgebracht werden. Die Arbeitsgeschwindigkeit<br />
liegt bei 10 bis 13 km/h. „Wir<br />
Fotos: Lohnunternehmen Henke<br />
62
Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />
praxis / Titel<br />
Lohnunternehmer Jörg Henke bietet seit 2011 die<br />
Gülledüngung im Strip-till-Verfahren an. Er sagt,<br />
dass die Kunden von diesem Düngungssystem<br />
eine Idee haben müssen, sie müssten sich damit<br />
identifizieren.<br />
haben eine um 15 Prozent höher Schlagkraft mit<br />
den Selbstfahrern, als wenn wir mit einem schleppergezogenen<br />
Fasssystem arbeiten. Wir schaffen<br />
im Durchschnitt 3 Hektar pro Stunde. Die Reihen/<br />
Spuren werden satellitengestützt nach RTK-Signal<br />
gezogen, aufgezeichnet und auf die Maislegefahrzeuge<br />
übertragen. Die Ablagetiefe der Maiskörner muss<br />
stimmen. Sie ist wichtiger als die Ablageweite in der<br />
Reihe. In unserer Kundschaft legen wird den Mais<br />
mit 7 bis 9 Körnern pro Quadratmeter“, macht der<br />
Agrardienstleister aufmerksam.<br />
Jörg Henke betont, dass die Kunden von diesem<br />
Düngungssystem eine Idee haben müssen, sie müssten<br />
sich damit identifizieren. Er selbst ist von dieser<br />
Technik nach wie vor überzeugt und gewinnt jedes<br />
Jahr neue Kunden hinzu. Das XTill-Gerät von Vogelsang<br />
fährt Henke mit 75 Zentimeter Reihenabstand<br />
(8 Reihen, 6 Meter Arbeitsbreite, klappbar) und setzt<br />
es somit auch nur zur Maisdüngung im Frühjahr ein.<br />
Die fertige Strip-till-Spur hat an der Bodenoberfläche<br />
eine Breite von nur 3 bis 5 Zentimeter. Die ideale<br />
Vorfrucht sei eine über den Winter abgefrorene Zwischenfrucht.<br />
Wenn der Boden tragfähig ist, könne<br />
man auch direkt ohne vorherige Bodenbearbeitung<br />
in die abgestorbene Zwischenfrucht fahren. Eine vorherige<br />
flache Einarbeitung der Pflanzenmasse stelle<br />
aber auch kein Problem dar.<br />
Bei einigen Kunden muss Henke die Strip-till-Reihen<br />
nach der Ernte von Grünroggen oder Ackergras<br />
ziehen. Was ursprünglich als Notmaßnahme durchgeführt<br />
worden ist, hat sich inzwischen als gängige<br />
Praxismaßnahme bewährt. Denn so wird das wenige<br />
Bodenwasser, das Grünroggen und Ackergras als<br />
Starkzehrer hinterlassen haben, geschützt und steht<br />
den Maispflanzen zur Verfügung. Das Pflügen des Bodens<br />
wäre hier kontraproduktiv.<br />
Bei Henke beginnt die Strip-till-Saison Mitte März –<br />
jedoch erst, wenn die Böden gut befahrbar sind. 25<br />
Emissionsarme Güllereihendüngung direkt<br />
in den Boden im zeitigen Frühjahr.<br />
bis 30 Kubikmeter Gülle oder Gärdünger werden pro<br />
Hektar ausgebracht. Anfang Juni nach der Grünroggenernte<br />
geht die Strip-till-Saison zu Ende. Ab Mitte<br />
April beginnt dann die Maisaussaat. Dabei ist darauf<br />
zu achten, dass der Boden in der Strip-till-Reihe gut<br />
abgetrocknet ist. Das ist umso wichtiger, je näher die<br />
Maisaussaat an die Strip-till-Arbeit herankommt.<br />
Maiswurzeln wachsen ins Düngerdepot<br />
„Auf den Böden in unserer Region warten wir mindestens<br />
zwei Tage, bis wir den Mais in die Strip-till-<br />
Reihe legen. Wir legen den Mais 6 Zentimeter unter<br />
der Bodenoberfläche ab und die Gülle beziehungsweise<br />
den Gärdünger weitere 6 Zentimeter tiefer, also<br />
12 Zentimeter unter der Bodenoberfläche. Wir haben<br />
festgestellt, dass die Maiswurzeln in das Düngerdepot<br />
wachsen und sich daraus bis zur Abreifephase<br />
ernähren“, berichtet Jörg Henke.<br />
Salzschäden an den Keimwurzeln können entstehen,<br />
wenn das Maiskorn zu tief und das Gülleband<br />
zu flach abgelegt worden ist. Salzschäden an den<br />
Keimwurzeln können aber auch entstehen, wenn bei<br />
einem flach abgelegten Gülleband von zum Beispiel<br />
8 Zentimetern zu viel Wirtschaftsdünger ausgebracht<br />
wird. Es kommt auf jeden Zentimeter und auf die<br />
Güllemenge an. Manche Kunden setzen sogenannte<br />
Nitrifikationshemmer in der Gülle ein. Dadurch verzögert<br />
sich die Umwandlung von Ammoniumstickstoff<br />
(NH 4<br />
-N) zu Nitrat und Nitrit.<br />
Der Stickstoff kann von den Pflanzen so effizienter<br />
ausgenutzt werden. NH 4<br />
-N-ernährte Maispflanzen<br />
bilden besonders viele Feinwurzeln aus, wodurch<br />
die Ackerkrume insgesamt besser erschlossen wird.<br />
Anstelle von chemischen Nitrifikationshemmern<br />
könnte auch Kieserit in die Gülle oder ins Gülleband<br />
eindosiert werden. Dabei entsteht Magnesium-Ammonium-Phosphat,<br />
besser bekannt als Struvit, siehe<br />
Biogas Journal 1_2021 ab Seite 34.<br />
Einer von Jörg Henkes Kunden baut Mais beispielsweise<br />
mehrere Jahre nacheinander an. Nach der Ernte<br />
werden die Stoppeln durch Mulchen eingekürzt<br />
63
praxis / Titel<br />
Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />
Detailaufnahme des Strip-till-Körpers am XTill von Vogelsang. Links befindet sich<br />
die Schneidscheibe mit Stützrolle, die den Boden aufschneidet. Dahinter sind<br />
die beiden v-förmig angeordneten Sternradräumer montiert. Danach folgt das<br />
Düngerschar, das links und rechts von je einem gezahnten und v-förmig angebrachten<br />
Scheibenschar flankiert wird. Zum Schluss folgen die v-förmig eingestellten<br />
Andruckrollen, die den Boden rückverfestigen.<br />
und die Fläche wird im Herbst begrünt. Im nächsten<br />
Jahr wird die Strip-till-Reihe dann um 15 Zentimeter<br />
versetzt. Jörg Henke weist auch darauf hin, dass<br />
der Strip-till-Mais im Frühjahr Wachstumsnachteile<br />
gegenüber Pflug-Mais aufweist, da sich die Strip-till-<br />
Flächen schlechter erwärmen. Der Pflug-Mais keime<br />
schneller und Laufe eine Woche früher auf.<br />
Mikrogranulat in Saatreihe, wenn kein<br />
Unterfußdünger zum Einsatz kommt<br />
Wer auf Unterfußdünger verzichtet, sollte ein Mikrogranulat<br />
mit Nährstoffen in der Saatrille in der Nähe<br />
des Saatkorns ablegen, um eine gute Jugendentwicklung<br />
der Maispflanze zu unterstützen. Im weiteren<br />
Vegetationsverlauf hole der Strip-till-Mais aber den<br />
Rückstand wieder auf. Auf rund 1.400 Hektar setzt<br />
Lohnunternehmer Henke das Strip-till-Verfahren zu<br />
Mais um. In der Region gebe es auch sogenannte anmoorige<br />
Flächen. Die seien im Herbst, wenn sie im<br />
Frühjahr gepflügt worden sind, nicht mehr befahrbar.<br />
Im Strip-till bearbeitete Flächen seien dagegen tragfähig.<br />
Das XTill-Gerät ist wie folgt aufgebaut: Es besitzt einen<br />
Grundrahmen mit Dreipunktankopplung. Obendrauf<br />
befindet sich der Gülleexaktverteiler DosMat DMX.<br />
Vom Exaktverteiler gehen zwei Kunststoffschläuche<br />
zu jedem Düngerschar. Den ersten Baukörper stellt<br />
ein Scheibensech dar, das eine Art Druckrolle besitzt,<br />
die die Tiefenführung steuert. Das Sech schneidet in<br />
den Boden und durchtrennt dabei Pflanzenreste und<br />
Aufwuchs, sodass die Bearbeitungszone durch die<br />
nachfolgenden Werkzeuge einfacher und sauberer<br />
bearbeitet werden kann.<br />
Nach dem Scheibensech folgt der zweite Baukörper.<br />
Dabei handelt es sich um Sternräder, die v-<br />
förmig angeordnet sind. Sie sollen Pflanzenmaterial<br />
aus der Reihe räumen. Mit etwas Abstand<br />
dahinter greift dann das Lockerungs- und<br />
Düngeschar in den Boden. Es ist links und<br />
rechts von je einer nach außen gewölbten,<br />
gezahnten Hohlscheibe flankiert. Sie halten<br />
den Boden in der Bearbeitungszone und formen<br />
einen krümeligen Damm. Sie sind in verschiedenen<br />
Ebenen zum Zinken einstellbar.<br />
Das Lockerungs- und Düngeschar lockert den<br />
Boden in der gewünschten Tiefe auf. Gleichzeitig<br />
wird dahinter die Gülle über ein in der Höhe<br />
einstellbares Ablaufrohr im Boden im Depot abgelegt.<br />
Dieses Segment ist in Parallelogrammbauweise<br />
am Rahmen montiert. Die hydraulische Steinsicherung<br />
sorgt dafür, dass die Schare bei Überlast<br />
nach oben ausweichen können. Sie ist stufenlos einstellbar.<br />
Den vierten Baukörper stellen die Andruckrollen<br />
dar. Sie befinden sich am Ende eines jeden<br />
XTill-Aggregats. Die Rollen stehen v-förmig zueinander<br />
und sorgen für die Rückverfestigung des Bodens<br />
in der Reihe. Mit dem Modell XTill Vario Crop bietet<br />
Vogelsang ein Gerät mit Reihenabständen von 45 bis<br />
75 Zentimetern an. Weitere Infos unter https://www.<br />
vogelsang.info/de/produkte/ausbringtechnik/bodenbearbeitungsgeraete/xtill/<br />
Strip-till-Gerät aus den Niederlanden<br />
Dieter Terörde, Lohnunternehmer aus Milte im Kreis<br />
Warendorf (NRW), bietet mittlerweile auch seit 10<br />
Jahren die Gülle- und Gärdüngerausbringung mit<br />
dem Strip-till-System an. Er verfolgt dabei aber einen<br />
etwas anderen Weg. Zudem stammt das Striptill-Gerät<br />
von der Firma Evers aus den Niederlanden.<br />
Mittlerweile ist es das dritte Gerät von dem Hersteller.<br />
Dies hat er in Eigenregie an mehreren Stellen für<br />
seine Bedürfnisse optimiert – später dazu mehr. Die<br />
Vorgänger sind nicht mehr im Betrieb vorhanden, sodass<br />
er mit einem Gerät die Kundenanfragen bedient.<br />
Die Kundschaft war es auch, die bei ihm damals diese<br />
Dienstleistung angefragt hat. „Im ersten Jahr, das war<br />
2011, hatten wir uns von der Firma Kotte einen Kuhn<br />
Striger geliehen, der hinter einem Gülletankwagen<br />
in der Dreipunkthydraulik montiert war. In dem Jahr<br />
haben wir etwa 60 Hektar damit auf diese Weise gedüngt.<br />
Schnell traten die Anfangsprobleme auf, wie<br />
zum Beispiel zu schwach motorisierte Schlepper vor<br />
dem Fass oder zu viel Güllemenge, die ausgebracht<br />
wurde, und auch mit der Arbeitsqualität insgesamt<br />
waren wir nicht zufrieden“, blickt der Lohnunternehmer<br />
zurück.<br />
Foto: Vogelsang GmbH<br />
64
Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />
Etwas später in 2011 war Dieter Terörde<br />
beruflich in den Niederlanden unterwegs.<br />
Dort sah er auf einem Feld während des<br />
Vorbeifahrens ein Evers-Strip-till-Gerät<br />
in Aktion. Das schaute er sich bei der<br />
praktischen Arbeit genauer an. Die Arbeitsqualität<br />
hatte ihn sofort überzeugt.<br />
Er organisierte dann, dass ein Gerät nach<br />
Milte zu ihm in den Betrieb kommt, um<br />
es genauer testen zu können. „Wir haben<br />
das an ein 18.000-Liter-Güllefass<br />
angehängt und einen 230-PS-Schlepper<br />
davor gespannt. Auch auf unseren sandigen<br />
Böden mit Ackerzahlen zwischen 18<br />
und 25 hat die Arbeitsqualität gestimmt,<br />
sodass wir das Gerät kurzerhand gekauft<br />
haben“, erinnert sich Terörde.<br />
Flache Ablage des Güllebandes<br />
Heute zieht der Unternehmer, der auch<br />
eine Landmaschinenwerkstatt betreibt<br />
und als Händler der Marke Case Schlepper<br />
verkauft, auf etwa 500 Hektar die<br />
Spuren, um den flüssigen Wirtschaftsdünger<br />
im Boden abzulegen. Das Gerät<br />
hat acht Reihen mit 75 Zentimeter Reihenabstand<br />
und ist klappbar. Der Boden<br />
wird in der Spur etwa 25 Zentimeter tief<br />
Lohnunternehmer Dieter Terörde hat das Strip-till-Gerät von Evers<br />
teilweise umgebaut und somit auf seine Bedürfnisse angepasst.<br />
gelockert. Das Gülleband wird mit 7 bis<br />
8 Zentimetern unter der Bodenoberfläche<br />
relativ flach im Boden abgelegt. Der<br />
Gülletankwagen, an den das Evers-Gerät<br />
angekoppelt wird, hat extra eine Druckerhöhungspumpe<br />
erhalten. Die sorgt dafür,<br />
dass mehr Menge pro Zeiteinheit aus dem<br />
Gerät herauskommt und dass auch dickere<br />
Gülle gleichmäßiger appliziert werden<br />
kann.<br />
„Strip-till machen wir entweder direkt in<br />
eine abgefrorene Winterzwischenfrucht<br />
oder nach einer flachen Bearbeitung des<br />
Bodens mit einer Scheibenegge oder<br />
nach einem tieferen Grubberstrich und<br />
sogar in gepflügten Boden. In gepflügtem<br />
Boden sind es jährlich 50 bis 60 Hektar.<br />
Wir fahren bewusst nicht schneller als 7<br />
bis 8 km/h. Wenn wir schneller fahren,<br />
läuft das Gerät unruhiger und die Ablagegenauigkeit<br />
nimmt ab. Außerdem nimmt<br />
bei höherer Fahrgeschwindigkeit der Materialverschleiß<br />
an der Maschine deutlich<br />
zu“, betont der Praktiker.<br />
Die Kunden liefern mit eigenen oder von<br />
Terörde geliehenen Transportfahrzeugen<br />
die Gülle oder die Gärreste an. Entweder<br />
wird direkt an das Ausbringfahrzeug übergeben<br />
oder in einen Feldrandcontainer<br />
gepumpt, der<br />
als Pufferspeicher dient. Der<br />
Mais wird entweder mit einer<br />
fünfreihigen Maschine gelegt,<br />
die an eine Kreiselegge<br />
montiert ist, oder mit einer<br />
achtreihigen Maschine ohne<br />
Kreiseleggenkombination.<br />
Mit der Kreiseleggen-Kombination<br />
werden nicht alle<br />
Strip-till-Flächen bearbeitet.<br />
Die Maiskörner werden 5<br />
Zentimeter unter der Bodenoberfläche<br />
platziert. Der Abstand<br />
zwischen Maiskörnern<br />
und Gülleband beträgt somit<br />
lediglich 3 Zentimeter. Frühestens<br />
acht Tage nach der<br />
Stripp-till-Bearbeitung wird<br />
der Mais in die Spur abgelegt.<br />
„Die Kreiselegge arbeitet<br />
so tief, dass das Gülleband<br />
Foto: Martin Bensmann<br />
leicht von oben angekratzt<br />
wird. Gülle und Boden vermischen<br />
sich dabei etwas.<br />
Dadurch verhindern wir<br />
das Entstehen von<br />
praxis / Titel<br />
V Trace®<br />
flüssige<br />
Spurenelemente<br />
der neuesten<br />
Generation<br />
HO<br />
HO<br />
O<br />
O<br />
N<br />
HEEDTA<br />
OH<br />
OH<br />
So viel wie<br />
nötig, so wenig<br />
wie möglich!<br />
» Geringste Einsatzmengen,<br />
dadurch minimale Spurenelementfrachten<br />
im Gärrest<br />
» Bedarfsorientierte, oTS<br />
basierte Dosierung<br />
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Biogasprozess<br />
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dauerhafte biologische<br />
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Streifenweise<br />
Gülledüngung zu<br />
Mais. Hier das<br />
achtreihige Gerät von<br />
Evers beim Lohnunternehmen<br />
Terörde hinter<br />
einem 18.000-Liter-<br />
Tankwagen.<br />
Ätzschäden an den Keimwurzeln der Maispflanzen“,<br />
schildert Terörde seine Erfahrung mit dieser Verfahrensweise.<br />
Je näher das Gülleband am Maiskorn liege,<br />
umso besser sei die Ertragsbildung.<br />
Strip-till-Gerät in Eigenregie modifiziert<br />
Das Strip-till-Gerät von Evers ist wie folgt aufgebaut:<br />
Es besitzt einen sehr stabilen, klappbaren Rahmen<br />
aus massiven Vierkant-Profilrohren. Daran sind die<br />
Stripp-till-Aggregate und die Dreipunkt-Aufnahme<br />
befestigt. Obendrauf befindet sich die Dosiereinheit<br />
für die Gülle mit dem Verteilerkopf von Vogelsang.<br />
Vom Verteilerkopf führt je ein Schlauch mit 60 Millimeter<br />
Durchmesser zum Düngerschar. Den Übergang<br />
vom Schlauch zum Rohr am Düngerschar hat Dieter<br />
Terörde optimiert. Der Schlauch wird in das Rohr geschoben<br />
und abgedichtet und wird nicht mehr außen<br />
über das Rohr gestülpt. So können auch dickere<br />
Substrate wie Rindergülle ausgebracht werden, ohne<br />
dass es am Übergang zwischen Schlauch und Rohr<br />
zur Brückenbildung und eventuellen Verstopfungen<br />
kommt. Jeder Strip-till-Körper besitzt an dem Gerät<br />
bei Terörde vorne eine Wellscheibe mit gut 600 Millimeter<br />
Durchmesser, die als Scheibensech den Boden<br />
aufschlitzt und so vorbereitet. „Wir haben die Wellscheibe<br />
montiert, weil wir beim Bearbeiten von zum<br />
Beispiel Ackergrasflächen so das Zurückklappen der<br />
Grasnarbe in den Schlitz verhindern. Vom Hersteller<br />
sind ursprünglich glatte Schreiben verbaut“, verrät<br />
Dieter Terörde.<br />
Ein Stück dahinter befinden sich Räumkörper. Ebenfalls<br />
eine Eigenanfertigung von dem pfiffigen Unternehmer.<br />
Dabei handelt es sich um v-förmig angeordnete,<br />
gezahnte Scheibenschare, die von einer Seite<br />
geschärft sind. Der Lohnunternehmer weist darauf<br />
hin, dass die angeschärfte Seite der Scheibe immer<br />
nach innen zum V zeigen muss, weil sonst das Freiräumen<br />
der Spur nicht gut funktioniert. Auch zwei<br />
Fotos: Evers<br />
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66<br />
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Positionierung des Wirtschaftsdüngers<br />
im Boden. Mit Gülle-Unterfuß- und Unterflurdüngung<br />
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Die T-RUBBER wurden speziell zur Bodenbearbeitung<br />
mit gleichzeitiger Gülleausbringung<br />
entwickelt. Das am Scheibenarm<br />
befestigte Rohr positioniert den Dünger<br />
optimal in der Bodenrille.<br />
Die Gülle wird durch die Nachbarscheibe<br />
zu 100% abgedeckt.
Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />
praxis / Titel<br />
der vier Stützräder hat Dieter Terörde anders positioniert.<br />
Ursprünglich liefen die vier Stützräder zwischen<br />
den Strip-till-Aggregaten. Dabei kam es aber<br />
immer wieder zu Verstopfungen. So hat er kurzerhand<br />
zwei Stützräder vor dem Hauptrahmen angeschweißt<br />
und damit das Verstopfungsproblem gelöst.<br />
Hinter den Räumscharen ist dann das Dünger- beziehungsweise<br />
Bodenlockerungsschar in Parallelogrammaufhängung<br />
verbaut. Auch hier ist wie beim<br />
Vogelsang XTill links und rechts vom Düngerschar je<br />
eine nach außen gewölbte und gezahnte Hohlscheibe<br />
montiert. Die halten den Boden in der Bearbeitungszone<br />
und formen einen krümeligen Damm. Dieser<br />
rund 21 Zentimeter breite Damm wird von einer speziell<br />
geformten Nachlaufrolle/-walze weiter modelliert,<br />
die aus kleinen Metallstäben besteht. Sie hat<br />
die Form einer auf die Seite gelegten Eieruhr.<br />
Überarbeitete Version seit letztem<br />
Sommer verfügbar<br />
Im Sommer 2021 hat Evers eine überarbeitete Version<br />
des Quarter Strip-till-Injektors vorgestellt. Vorteil<br />
laut Evers ist, dass die neue Version aufgrund ihrer<br />
montierbaren Anhängung hinter noch mehr Tanks<br />
montiert werden kann. Durch das geringere Gewicht<br />
könne dieser Quarter auch hinter leichteren Tanks<br />
eingesetzt werden. Die Gewichtsreduzierung betrage<br />
etwa 300 Kilogramm (kg). So wiege der neue Quarter<br />
(Version mit 8 Reihen) nur noch 3.000 kg. Neu<br />
sei auch, dass die Elemente hydraulisch aufgehängt<br />
sind, was die Bodenanpassung verbessern soll. Evers<br />
wirbt auch mit verbesserter Gebrauchstauglichkeit,<br />
da die Elemente leichter einstellbar sind. Ob sich<br />
das Strip-till-Verfahren weiter verbreiten wird im Maisanbau<br />
oder als Dünge- und Bestellsystem in anderen<br />
Ackerkulturen, ist offen. Teilweise werden heute schon<br />
Zuckerrüben mit 45 Zentimeter oder Winterraps mit<br />
50 Zentimeter Reihenabstand realisiert. Vor dem Hintergrund<br />
steigender Mineraldüngerpreise sowie Düngerestriktionen<br />
wird dem flüssigen Wirtschaftsdünger<br />
mit emissionsarmer Ausbringung mehr Wertschätzung<br />
gegeben werden müssen. Wenn in diesem Düngesystem<br />
eine höhere Nährstoffausnutzung des flüssigen<br />
Wirtschaftsdüngers in Ansatz gebracht werden kann,<br />
dann entlastet das andere Betriebsflächen.<br />
Autor<br />
Dipl.-Ing. agr. (FH) Martin Bensmann<br />
Redakteur Biogas Journal<br />
Fachverband Biogas e.V.<br />
0 54 09/90 69 426<br />
martin.bensmann@biogas.org<br />
Strip-till-Gerät<br />
Quarter von Evers.<br />
Hier wird die Gülle<br />
zu Mais in Streifen<br />
in eine abgestorbene<br />
Zwischenfrucht<br />
direkt in den Boden<br />
eingebracht.<br />
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01187 Dresden<br />
+49 (0) 351 / 467 1301<br />
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titelthema<br />
Strip-till<br />
MAP-Fällung bei der mineralischen<br />
Unterfuß- und Depotdüngung von<br />
Gülle oder Gärresten<br />
Die Novellierung der Düngeverordnung hat<br />
Restriktionen für den Einsatz stickstoff- und<br />
phosphorhaltiger Düngemittel mit sich gebracht.<br />
Auch unter dem Aspekt gestiegener<br />
Nährstoffkosten ist es daher angezeigt, insbesondere<br />
diese Düngemittel der bestmöglichen<br />
Verwertungseffizienz zuzuführen.<br />
Von M.Sc. agr. Christoph Weidemann<br />
Ein etabliertes Mittel zur Effizienzverbesserung<br />
bei der Düngung stellt mittlerweile in<br />
vielen Kulturen die Unterfußdüngung von<br />
mineralischen Düngemitteln oder auch die<br />
Depotdüngung von flüssigen organischen<br />
Wirtschaftsdüngern dar. Vor allem zu Mais lässt sich<br />
eine Unterfußdüngung mit stickstoff- und phosphorhaltigen<br />
Düngemitteln nicht mehr wegdenken. Sowohl<br />
die Förderung der Jugendentwicklung als auch<br />
die positiven Auswirkungen auf Ertrag und Qualität<br />
sind in zahlreichen Feldversuchen nachgewiesen<br />
worden. Ebenso hat sich die Depotdüngung von Gülle<br />
oder Gärresten gegenüber der Breitverteilung in den<br />
Abbildung 1: Struvit-Bildung bei Kombination von DAP und ESTA ® Kieserit<br />
gran. im 1:1-Verhaltnis unter Einfluss von Feuchtigkeit<br />
Diese Reaktion<br />
kommt so auch im<br />
Bodendüngerband<br />
zustande.<br />
letzten Jahren im Versuchswesen und auch in der<br />
Praxis als deutlich vorteilhafter herausgestellt. Für<br />
beide Verfahrensweisen gibt es aber dennoch Stellschrauben,<br />
an denen zur Stickstoff- und Phosphor-<br />
Effizienzverbesserung gedreht werden kann.<br />
Verbesserte Stickstoff- und Phosphor-<br />
Effizienz durch gezielte Ausfällung von<br />
MAP (Struvit):<br />
1. In der mineralischen Unterfußdüngung<br />
Eine wissenschaftliche Arbeit, die am Institut für<br />
Pflanzenernährung und Bodenkunde der Christian-<br />
Albrechts-Universität zu Kiel durchgeführt worden<br />
ist, hat gezeigt, dass sich bei der Kombination der<br />
Düngemittel Diammonphosphat (18 % N; 46 % P 2<br />
O 5<br />
)<br />
und ESTA ® Kieserit gran. (25 % wasserlösliches MgO<br />
+ 20 % wasserlöslicher S) im 1:1-Verhältnis unter<br />
Einfluss von Feuchtigkeit ein sogenanntes Struvit bildet<br />
(siehe Abbildung 1).<br />
Dabei ist der unmittelbare Kontakt der beiden Düngemittel<br />
im Düngerband nicht zwingend erforderlich.<br />
Struvit entsteht auch, wenn schon 1-prozentige Lösungen<br />
der beiden Düngemittel zusammentreffen.<br />
Das Struvit ist ein Magnesium-Ammonium-Phosphat<br />
(MAP), das den effizienzverbessernden Vorteil beinhaltet,<br />
dass der Stickstoff aus dem DAP als Ammonium<br />
gebunden und vor zu schneller Nitrifikation<br />
sowie Auswaschungsverlusten geschützt wird. Des<br />
Weiteren besitzt das Phosphat aus dem DAP in der<br />
neuen Struvit-Verbindung keine Affinität mehr zum<br />
Calcium, sodass es besonders auf Böden mit hohem<br />
pH-Wert als auch auf frisch gekalkten Böden keinen<br />
Alterungsprozessen unterliegt.<br />
Die in der Struvit-Verbindung enthaltenen Nährstoffe<br />
(Stickstoff, Phosphor und Magnesium) bleiben dabei<br />
vollständig pflanzenverfügbar und stehen der Pflanze<br />
vor allem in der Jugendentwicklung über einen längeren<br />
Zeitraum zur Verfügung. Auch für die chemisch<br />
vergleichbaren Struvit-Formen aus Klär- und Wasserwerken<br />
konnte der wissenschaftliche Nachweis erbracht<br />
werden, dass zwar die Wasserlöslichkeit des<br />
Struvit im Vergleich zu aufgeschlossenen P-Düngemitteln<br />
gen null strebt, jedoch ihre Zitronensäurelöslichkeit<br />
und damit ihre Pflanzenverfügbarkeit über<br />
Wurzelexsudate gleichauf mit Triplesuperphosphat<br />
und sogar leicht besser im Vergleich zu Superphosphat<br />
ist. Dies resultiert dann auch in einer besseren<br />
Foto: K+S Analytik- und Forschungszentrum Unterbreizbach<br />
Kombination von DAP und ESTA® Kieserit gran. im 1:1-Verhaltnis unter Einfluss von Feuchtigkeit. Diese Reaktion kommt so auch im<br />
68<br />
to: K+S Analytik- und Forschungszentrum, Unterbreizbach).
Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />
praxis / Titel<br />
Abbildung 2: Vergleich von verschiedenen P-Düngerformen [Apatit, Superphosphat, Triplesuperphosphat,<br />
Struvit (ex Wasserwerk Berlin), Struvit (ex. Klärwerk Heilbronn)] in Bezug auf<br />
P-Gehalt, P-Wasser- und P-Zitronensäurelöslichkeit sowie der P-Aufnahme von 21 Tage alten<br />
Roggenkeimpflanzen<br />
120<br />
100<br />
80<br />
Düngerband im Boden könnten<br />
sich in der Zukunft aber auch<br />
Techniken der gezielten Ablage<br />
im Mineraldüngerdepot unter<br />
dem Saatkorn durchsetzen (siehe<br />
Abbildung 4). Dies verspricht<br />
noch weitere Einsparpotenziale<br />
und eine effizientere Platzierung<br />
von Nährstoffen unter der Zielkultur.<br />
Apatit<br />
2. In der Depot- beziehungsweise<br />
60<br />
Superphosphat<br />
Strip-Till-Düngung von flüssigen<br />
Triplesuperphosphat<br />
organischen Wirtschaftsdüngern<br />
(Gülle oder Gärresten)<br />
40<br />
Struvit (Wasserwerk Berlin)<br />
Auch in Gülle oder Gärresten kann<br />
Struvit (Klärwerk Heilbronn)<br />
die Ausfällung von Struvit beziehungsweise<br />
20<br />
MAP über die gezielte<br />
Einmischung von ESTA ® Kieserit<br />
fein (27 % wasserlösliches MgO<br />
0<br />
Römer, W. (2006): Vergleichende Untersuchungen<br />
+ 22 % wasserlöslicher S) er-<br />
zur Pflanzenverfügbarkeit von reicht werden (siehe Abbildung<br />
%P-Gehalt %P Wasser %P mg P/Gefäß relativ<br />
Zitronensäure<br />
Phosphat aus verschiedenen P-Recycling-<br />
5, links), was insbesondere für<br />
Produkten im Keimpflanzenversuch. J.<br />
Löslichkeit<br />
P-Aufnahme<br />
Plant Nutr. Soil Sci. 169, 826–832 rote Gebiete und P-Kulissen von<br />
größter Bedeutung ist. Um möglichst<br />
viel des im flüssigen organischen<br />
Wirtschaftsdünger enthaltenen<br />
P-Aufnahme aus Struvit im 21-tägigen durch die gezielte Zugabe von Magnesiumsulfat<br />
ch von verschiedenen<br />
Roggenkeimpflanzenversuch<br />
P-Düngerformen [Apatit,<br />
(siehe<br />
Superphosphat,<br />
Abbildung<br />
2).<br />
potenzial an mineralischem Phosphor einzubinden, ist es notwendig, mindes-<br />
Triplesuperphosphat,<br />
ein entsprechendes<br />
Struvit<br />
Einspar-<br />
(ex Wasserwerk<br />
Stickstoffs<br />
Berlin),<br />
und Phosphors<br />
Struvit (ex.<br />
mit<br />
Klärwerk<br />
in Struvit<br />
auf P-Gehalt, P-Wasser- und P-Zitronensäurelöslichkeit sowie der P-Aufnahme von 21-Tage-alten Roggenkeimpflanzen. Römer, W. (2006):<br />
uchungen zur Pflanzenverfügbarkeit von Phosphat aus verschiedenen P-Recycling-Produkten im Keimpflanzenversuch. J. Plant Nutr. Soil Sci.<br />
Die Unterfußdüngung mit der Kombination<br />
heben beziehungsweise den Einsatz des tens das 1,4-Fache des P 2<br />
O 5<br />
-Gehaltes<br />
aus DAP + ESTA ® Kieserit gran. im<br />
1:1-Verhältnis [NP 9 + 23 (+12+10)] ist<br />
schon seit mehreren Jahren ein etabliertes<br />
Düngesystem, das aufweist, dass man<br />
oph Weidemann<br />
NP-Düngemittels noch optimieren kann<br />
(siehe Abbildung 3). Im Gegensatz zur<br />
klassischen Verfahrensweise der Unterfußdüngung<br />
in einem durchgehenden<br />
an ESTA ® Kieserit fein hinzuzugeben. So<br />
müssten überschlägig für die Praxis beispielsweise<br />
bei 2 kg P 2<br />
O 5<br />
als zielführende<br />
Dosierung 3 kg ESTA ® Kieserit fein<br />
Trockenmasse-Ertrag in dt / ha<br />
Abbildung 3: Dreijähriges Ergebnis des stationären Silomais-Unterfußdüngungsversuchs an der Versuchsstation<br />
Ostenfeld der Fachhochschule Kiel (Schleswig-Holstein, 2019-2021)<br />
Trockenmasse-Ertrag in dt / ha<br />
220<br />
220<br />
216<br />
216<br />
212<br />
212<br />
208<br />
208<br />
204<br />
204<br />
200<br />
200<br />
GD GD 5% = 13,8 13,8 dt / ha dt TM-Ertrag / ha TM-Ertrag<br />
209<br />
65<br />
215<br />
213<br />
70 70<br />
Kontrolle<br />
1,0 dt DAP unterfuß 0,5 0,5 dt DAP dt DAP + 0,5 + 0,5 dt dt ESTA ESTA® Kieserit gran.<br />
unterfuß<br />
unterfuß<br />
219<br />
73<br />
1,0 dt dt DAP + 1,0 dt ESTA® ® Kieserit gran.<br />
unterfuß<br />
In allen Varianten wurden vor der Aussaat einheitlich 45 m³ Biogasgärrest/ha oberflächig per Schleppschlauch appliziert und sofort eingearbeitet.<br />
Abbildung 3: Dreijähriges Ergebnis des stationären Silomais-Unterfußdüngungsversuch an der Versuchsstation Ostenfeld der Fachhochschule Kiel (Schleswig-Holstein,<br />
2019-2021). Der Biogasgärrest In allen wurde Varianten mit einem wurden Nitrifikationshemmstoff vor Aussaat einheitlich stabilisiert. 45 m³ Biogasgärrest Die Stickstoff-Düngung / ha oberflächig wurde per Schleppschlauch ceteris paribus appliziert auf 190 kg und N/ha sofort ausgeglichen. eingearbeitet. Der<br />
Biogasgärrest Boden: lS; pH wurde 5,9 (B); mit 25 einem mg PNitrifikationshemmstoff 2<br />
O 5<br />
(C); 14 mg K 2<br />
O (B); stabilisiert. 7,3 mg Mg Die (B). Stickstoff-Düngung wurde ceteris paribus auf 190 kg N / ha ausgeglichen. Boden: lS; pH 5,9 (B);<br />
25 mg P2O5 (C); 14 mg K2O (B); 7,3 Mg (B).<br />
74<br />
73<br />
72<br />
71<br />
70<br />
69<br />
68<br />
67<br />
66<br />
65<br />
64<br />
Stärkeertrag in in dt / ha<br />
69<br />
3 K+S-Regionalberater: Christoph Weidemann
praxis / Titel<br />
Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />
Abbildung 4: Punktgenaue Düngerapplikation zur Maisaussaat<br />
PUDAMA-Projekt der TH-Köln 2020 (Prof. Meinel, Prof. Kath-Petersen, Dr. Bouten).<br />
ohne Dünger 100 % klassisch 75 % punktgenau<br />
Abbildung 4: Punktgenaue Düngerapplikation zur Maisaussaat - PUDAMA-Projekt der TH-Köln 2020 (Prof. Meinel, Prof. Kath-Petersen, Dr. Bouten).<br />
Abbildung 5: Struvit-Bildung in Anwesenheit eines ESTA ® Kieserit fein-Kristalls<br />
4 K+S-Regionalberater: Christoph Weidemann<br />
„Struvit“ = Ammonium-Magnesium-Phosphat<br />
(NH4)Mg[PO4]·6H2O<br />
Links: in synthetischer<br />
Güllelösung (Foto: Dr.<br />
Kirsch, K+S Analytikund<br />
Forschungszentrum,<br />
Unterbreizbach,<br />
2020).<br />
Rechts: MAP beziehungsweise<br />
Struvit in<br />
gefällter Form hat eine<br />
sandartige Struktur<br />
mit typischer Nährstoffzusammensetzung<br />
von 5 % N, 23 % P 2<br />
O 5<br />
und 12 % MgO.<br />
5 5 K+S-Regionalberater: Christoph Christoph Weidemann<br />
Abbildung 5: links: 5: links: Struvit-Bildung in Anwesenheit in eines eines ESTA® ESTA® Kieserit Kieserit fein-Kristalls in synthetischer in Güllelösung (Foto: (Foto: Dr. Kirsch, Dr. Kirsch,<br />
pro m³ zugemischt werden. Die höhere Oberfläche steht (siehe Abbildung 5, rechts). Der Ausfällungsprozess<br />
beginnt dabei nach wenigen Minuten, wobei<br />
Analytik- Analytik- und und Forschungszentrum Unterbreizbach, 2020); 2020); rechts: rechts: MAP MAP bzw. bzw. Struvit Struvit in gefällter in gefällter Form Form hat hat eine eine Sand-artige Struktur Struktur<br />
mit mit typischer typischer Nährstoffzusammensetzung des feinen Kieserits, im von Vergleich von 5 % 5 N, % 23 N, % zum 23 P2O5 % P2O5 granulierten<br />
und und 12 % 12 MgO. % MgO.<br />
Produkt, verspricht dabei eine deutlich bessere Reaktionsumsetzung.<br />
Bei der technischen Realisierung wachsen beginnen und durchaus einen Größendurch-<br />
die Kristalle erst nach und nach in ihrer Größe zu<br />
der Zumischung von ESTA ® Kieserit fein in Gülle oder messer von etwa 3 Millimeter nach rund 20 Stunden<br />
Gärreste muss die zeitnahe Ausbringung die Zielsetzung<br />
sein, da durch die Struvitausfällung ein fester rung von ESTA ® Kieserit fein bei der Fassbefüllung,<br />
erreichen können. Idealerweise erfolgt die Zudosie-<br />
Rückstand in einer Struktur ähnlich zum Sand ent-<br />
besser aber noch direkt in den Flussstrom zum Ver-<br />
Abbildung 6: Beispiele für technische Lösungen, um ESTA ® Kieserit fein einzudosieren<br />
Fotos: Werkbilder<br />
Links: Einsaugen von ESTA ® Kieserit fein durch eine „Einspülschleuse“ am Ansaugstutzen des Güllefasses (Foto: Hummert, 2020). Mitte: selbstgebaute<br />
„Einmischstation“ für Nitrifikationshemmer und ESTA ® Kieserit fein beim Befüllvorgang (Foto: Wesseling, 2021). Rechts: schlagkräftiges 2.000-Liter-Gefäß für<br />
ESTA ® Kieserit fein mit Wiegeeinrichtung und kontrollierter Zudosierung in den Flussstrom zum Verteilerkopf auf einem Güllegrubber-Gespann (Foto: C. Röring).<br />
70
Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />
praxis / Titel<br />
Abbildung 7: Versuchsergebnis der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein am<br />
Standort Wallsbüll zur Silomais-Gülle-Depot-Düngung im Jahr 2021<br />
Trockenmasse-Ertrag in dt / ha<br />
175,0<br />
170,0<br />
165,0<br />
160,0<br />
155,0<br />
150,0<br />
145,0<br />
GD 5% = 6,3 dt / ha TM-Ertrag<br />
GD 5% = 6,3 dt / ha TM-Ertrag<br />
167<br />
51<br />
156<br />
47<br />
163<br />
49<br />
169<br />
50<br />
56<br />
55<br />
54<br />
53<br />
52<br />
51<br />
50<br />
49<br />
48<br />
47<br />
46<br />
45<br />
Stärkeertrag in dt / ha<br />
In allen Varianten wurden 45 m³<br />
Rindergülle/ha im Depot-Düngungsverfahren<br />
als Gülleband im<br />
Boden etwa 15 Zentimeter unterhalb<br />
der Erdoberfläche appliziert.<br />
Die Ergänzungen von Kalkammonsalpeter<br />
(KAS) und Triplesuperphosphat<br />
(TSP) erfolgten im<br />
klassischen Unterfußdüngungsverfahren<br />
bei der Aussaat. ESTA ®<br />
Kieserit fein wurde direkt vor der<br />
Fassbefüllung mit der Rindergülle<br />
vermischt. Die Rindergülle wurde<br />
zusätzlich mit einem Nitrifikationshemmstoff<br />
stabilisiert.<br />
Die Stickstoff-Düngung wurde<br />
ceteris paribus auf 170 kg N/ha<br />
ausgeglichen. Boden: hl´S; pH 5,4<br />
(C); 15 mg P 2<br />
O 5<br />
(C); 7 mg K 2<br />
O (B);<br />
11 Mg (C).<br />
onalberater: Christoph Weidemann<br />
teilerkopf der Güllegrubber- oder Strip-Till-Technik.<br />
Einige technische Lösungen zur Einmischung von<br />
ESTA ® Kieserit fein in den Prozess der flüssigen Wirtschaftsdüngerausbringung<br />
wurden mittlerweile von<br />
findigen Landwirten gebaut und bis hin zur professionellen<br />
und schlagkräftigen Praxisreife entwickelt<br />
(siehe Abbildung 6). Hier verbleibt aber sicherlich<br />
auch noch in Zukunft Spielraum für Ingenieure der<br />
Verfahrenstechnik, um praxistaugliche Lösungen für<br />
unterschiedlichste Gerätschaften der Gülleapplikation<br />
in den Boden zu entwickeln.<br />
Im Feldversuchswesen wurde diese Art der Wirtschaftsdüngeroptimierung<br />
auch schon gemeinsam<br />
mit der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein<br />
erprobt. Am Standort Wallsbüll konnte zum Beispiel<br />
in diesem Jahr die Zumischung von insgesamt 1,92<br />
Dezitonnen (dt) ESTA ® Kieserit fein pro Hektar (ha) zu<br />
einer dort verwendeten Rindergüllen-Aufwandmenge<br />
von 45 Kubikmetern (m³)/ha im Depotdüngungsverfahren<br />
einen signifikanten Vorteil gegenüber der Kontrollvariante<br />
ohne Zugabe von Magnesiumsulfat erbringen<br />
(siehe Abbildung 7). Auf die bedarfsgerechte<br />
mineralische Ergänzung von Stickstoff in Form von<br />
0,74 dt/ha Kalkammonsalpeter (KAS) im klassischen<br />
Unterfußdüngungsverfahren sowie auch die Ergänzung<br />
von Triplesuperphosphat (TSP) kann in diesem<br />
Falle verzichtet werden. Die Vermengung des feinen<br />
Kieserits wurde dabei unter ständigem Rühren, vor<br />
der Ansaugung ins Gerätefass, in einem nebenstehenden<br />
IBC-Container vorgenommen. Die Ablage des<br />
Güllebandes im Boden ist etwa 15 Zentimeter unterhalb<br />
der Erdoberfläche erfolgt, wobei hier der relativ<br />
hohe pH-Wert der Gülle oder des Gärrestes die Struvit-<br />
Bildung noch begünstigt (siehe Abbildung 8).<br />
uchsergebnis der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein am Standort Wallsbüll zur Silomais-Gülle-Depot-Düngung im Jahr 2021. In allen Varianten wurden 45m³ Rindergülle / ha im Depotn<br />
als Gülleband im Boden ca. 15 cm unterhalb der Erdoberfläche appliziert. Die Ergänzungen von Kalkammonsalpeter (KAS) und Triplesuperphosphat (TSP) erfolgten im klassischen<br />
sverfahren bei der Aussaat. ESTA® Kieserit fein wurde direkt vor der Fassbefüllung mit der Rindergülle vermischt. Die Rindergülle wurde zusätzlich mit einem Nitrifikationshemmstoff stabilisiert.<br />
gung wurde ceteris paribus auf 170 kg N / ha ausgeglichen. Boden: hl´S; pH 5,4 (C); 15 mg P2O5 (C); 7 mg K2O (B); 11 Mg (C).<br />
Abbildung 8: Fassbefüllung der Versuchsparzellenmaschine und Blick in den Boden<br />
Links: Fassbefüllung des Versuchsgerätes mit dem Gülle-ESTA ® -Kieserit-fein-Gemisch. Rechts: Das abgelegte Gülleband im Boden.<br />
Hier wirkt sich der relativ hohe pH-Wert von Gülle oder Gärresten im Gegensatz zur oberflächigen Ausbringung (NH 3<br />
-Verluste)<br />
Abbildung 8: links: Fassbefüllung des Versuchsgerätes mit dem Gülle-ESTA®-Kieserit-fein-Gemisch; rechts: Das abgelegte Gülleband im Boden. Hier wirkt sich der relativ hohe pH-Wert von Gülle oder Gärresten<br />
Gegensatz zur oberflächigen sogar positiv Ausbringung aus, da (NH3-Verluste) die Struvit-Bildung sogar positiv im pH-Bereich aus, da die zwischen Struvit-Bildung 7 und im 9 pH-Bereich begünstigt zwischen wird (Fotos: 7 und C. 9 begünstigt Weidemann). wird. (Fotos: C. Weidemann)<br />
71
praxis / Titel<br />
Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />
Abbildung 9: Magnesium-Mangelerscheinungen<br />
+K/+Mg -K -Mg<br />
Magnesiumversorgung von Mais<br />
sicherstellen, Nährstofflücken organischer<br />
Wirtschaftsdünger schließen<br />
Neben diesen Stickstoff- und Phosphor-Effizienz<br />
verbessernden Aspekten der Struvit-Bildung kommt<br />
dieser Unterfuß- und Depot-Düngungsstrategie mit<br />
Magnesiumsulfat auch eine wesentliche Bedeutung<br />
bei der gezielten und bedarfsgerechten Magnesiumund<br />
Schwefelernährung von Mais zu. Silomais hat<br />
zum Beispiel bei einem Ertragsniveau von 450 dt<br />
Frischmasse/ha einen Magnesiumbedarf von 50 kg<br />
MgO/ha. Dieser nimmt bei steigendem Ertragsniveau<br />
weiter zu, sodass ein Energiemais mit sehr hohen Erträgen<br />
von 800 dt Frischmasse schon mehr als 90 kg<br />
MgO/ha benötigt. Daneben braucht Mais mindestens<br />
20 kg Schwefel/ha. In organischen Wirtschaftsdüngern<br />
sind zwar Magnesium und Schwefel enthalten,<br />
dies aber nur in geringen Gehalten und aufgrund der<br />
Bindung in der organischen Substanz mit niedriger<br />
bis sehr niedriger Verfügbarkeit (siehe Tabelle).<br />
Auch aus Sicht der klassischen Pflanzenernährung<br />
macht es Sinn, Gülle oder Gärreste mit pflanzenver-<br />
Links: Einfluss von Magnesium- und Kaliummangel auf die Verteilung von Kohlenhydraten in Spross und Wurzeln sowie auf das Wurzelwachstum von<br />
Abbildung Buschbohnen 10: links: (Quelle: Einfluss Cakmak von et al., Magnesium- 1994b, J. Exp. und Bot.). Kaliummangel Rechts: Einfluss auf die der Verteilung Magnesiumversorgung von Kohlenhydraten auf die Kornfüllung in Spross- von und Maiskolben Wurzeln, (Foto: sowie K+S). auf das Wurzelwachstum von<br />
Buschbohnen (Quelle: Cakmak et al., 1994b, J. Exp. Bot.). rechts: Einfluss der Magnesiumversorgung auf die Kornfüllung von Maiskolben (Foto: K+S).<br />
Abbildung 10: links: Einfluss von Magnesium- und Kaliummangel auf die Verteilung von Kohlenhydraten in Spross- und Wurzeln, sowie auf das<br />
Abbildung Abbildung<br />
Buschbohnen 10: links: 10:<br />
(Quelle:<br />
links: Einfluss Einfluss<br />
Cakmak von Magnesium- von<br />
et al.,<br />
Magnesium-<br />
1994b, und J. Exp. Kaliummangel und<br />
Bot.). rechts: auf Einfluss die auf Verteilung die<br />
der<br />
Verteilung<br />
Magnesiumversorgung von Kohlenhydraten von auf in die Spross- Kornfüllung<br />
in Spross- und Wurzeln, und<br />
von<br />
Wurzeln,<br />
Maiskolben sowie sowie auf (Foto: das auf<br />
K+S). Wurz das<br />
Buschbohnen Nährstoffgehalte (Quelle: (Quelle: Cakmak in Gärresten, Cakmak et al., et 1994b, n al., = 249 1994b, J. Proben Exp. J. Bot.). Exp. aus Bot.). 2005 rechts: rechts: bis Einfluss Einfluss der Magnesiumversorgung der auf die auf Kornfüllung die Kornfüllung von Maiskolben von Maiskolben (Foto: (Foto: K+S). K+S).<br />
2008, verändert nach Dr. Kluge, LUFA Augustenberg, 2009<br />
fügbarem Magnesiumsulfat zu ergänzen. Fehlt es<br />
dagegen an Magnesium oder auch Kalium, kommt<br />
Nährstoffgehalte Nährstoffverfügbarkeit<br />
Bewertung<br />
es schon vor dem Sichtbarwerden der Mangelsymptome<br />
(kg/t Frischsubstanz)<br />
(CaCl 2<br />
)<br />
zu empfindlichen Störungen des Stoffwechsels<br />
Stickstoff (N): 4-5<br />
40 – 60 %<br />
mittel<br />
und der Translokationsprozesse von Photosynthesedavon<br />
Ammonium (NH 4<br />
-N):2-3 70 – 90 %<br />
hoch<br />
Assimilaten in Wurzeln und Ertragsorganen (siehe<br />
Phosphor (P 2<br />
O 5<br />
) 1,5 – 2,0 60 – 70 % mittel – hoch<br />
Abbildung 9).<br />
10 Regionalberater: Christoph Weidemann<br />
Kalium (K 2<br />
O): 4,5 – 5,5 90 – 100 % sehr hoch<br />
Fazit:<br />
Magnesium (MgO): 0,6 – 1,0 15 – 20 % niedrig<br />
10 Regionalberater: Christoph Weidemann<br />
10 Regionalberater: Schwefel Christoph (S): 0,3 Christoph – Weidemann 0,4 Weidemann – sehr niedrig!<br />
Nährstoffausgleich bei Magnesium und Schwefel erforderlich<br />
ffDie Ausfällung von Magnesium-Ammonium-Phosphat<br />
(MAP) beziehungsweise Struvit durch eine<br />
gezielte Zugabe von Magnesiumsulfat in der mineralischen<br />
Unterfußdüngung von NP-Düngemitteln<br />
oder der Depotdüngung von flüssigen organischen<br />
Wirtschaftsdüngern kann eine deutliche Effizienzverbesserung<br />
der umweltrelevanten Nährstoffe<br />
Stickstoff und Phosphor bewirken.<br />
ffHierbei ist insbesondere die 1:1-Kombination<br />
von DAP mit ESTA ® Kieserit gran. in der mineralischen<br />
Unterfußdüngung sowie die Zumischung<br />
des 1,4-Fachen des P 2<br />
O 5<br />
-Gehaltes des flüssigen<br />
organischen Wirtschaftsdüngers an ESTA ® Kieserit<br />
fein empfehlenswert.<br />
ffDurch diese Düngungsstrategie werden neben den<br />
positiven Effekten der Struvit-Bildung auch die<br />
Nährstofflücken von Güllen oder Gärresten im Bereich<br />
Magnesium und Schwefel geschlossen. Infolgedessen<br />
kann die bedarfsgerechte Ernährung<br />
der Kultur sichergestellt werden.<br />
Autor<br />
M.Sc. agr. Christoph Weidemann<br />
K+S Minerals and Agriculture GmbH<br />
Regionalberatung Schleswig-Holstein, Hamburg, Nord-West-<br />
Mecklenburg, Bremen und nördliches Niedersachsen<br />
Stauenwiese 11 · 23717 Stendorf<br />
01 76/12348 345<br />
christoph.weidemann@k-plus-s.com<br />
72
Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />
praxis / Titel<br />
schlüsselfertige Komplettanlage<br />
schlüsselfertige Komplettanlage<br />
Wir<br />
Wir<br />
bewegen<br />
bewegen<br />
jegliche<br />
jegliche<br />
Art<br />
Art<br />
von<br />
von<br />
Gasen<br />
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allen<br />
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Drücken<br />
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und<br />
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allen<br />
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Volumenströmen.<br />
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Von<br />
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Klimaschutz<br />
Landwirtschaftsbetriebe<br />
nicht überfordern<br />
Auch die Landwirtschaft wird ihren Beitrag für den Klimaschutz<br />
leisten. Es gibt viele Ansätze. Sie reichen von Ökologisierung,<br />
Carbon-Farming über Wiedervernässung von Mooren bis<br />
hin zur „ökologischen Intensivierung“. Aber: Wie soll<br />
es im Einzelnen funktionieren, wer soll es bezahlen?<br />
Es fehlt an praktikablen Szenarien.<br />
Von Dierk Jensen<br />
Es ist ein schwarzer Tag für die europäische<br />
Klimapolitik und für die Umweltpolitik,<br />
aber auch für die Bauern in Europa.“ Der<br />
agrarpolitische Sprecher der Europäischen<br />
Grünen im EU-Parlament, Martin Häusling,<br />
fand deutliche Worte im Straßburger Plenum,<br />
als am 23. November 2021 die Reform der Gemeinsamen<br />
Agrarpolitik (GAP) verabschiedet wurde. Für<br />
den hessischen Grünen ein absolutes Unding, denn<br />
die Reformen der GAP für den Zeitraum von 2023<br />
bis 2030 sind aus seiner Sicht vollkommen kontraproduktiv<br />
zu allen anderen klima- und umweltpolitischen<br />
Zielsetzungen der EU, die an die Landwirtschaft<br />
schon gestellt worden sind. Das sieht nicht nur<br />
der europäische Parlamentarier Häusling so. So werden<br />
diese eklatanten Widersprüche zwischen hehren<br />
Ansprüchen einerseits und politischen Wirklichkeiten<br />
andererseits zukünftig auch den neuen Bundeslandwirtschaftsminister<br />
Cem Özdemir beschäftigen;<br />
ja, er wird sich mit ihnen herumplagen müssen.<br />
Dabei ist seine Losung, wie er vor seiner Benennung<br />
am ersten Advent bei Deutschlandradio darlegte,<br />
durchaus ambitioniert: „Der Ökolandbau soll<br />
bis 2030 einen Anteil von 30 Prozent einnehmen“,<br />
sagte der baden-württembergische Grüne, der zwar<br />
einräumt, er sei nicht vom Fach, aber jemand, der<br />
sehr viel Wert auf gute, gesunde Ernährung lege. Es<br />
sei eine „hammerehrgeizige!“ Aufgabe, die auf ihn<br />
zukomme, bekannte er, doch sei er ein Brückenbauer,<br />
selbsternannt „ein Mann des Ausgleichs“.<br />
Landwirtschaft: Klimaschutzweg noch<br />
nicht klar definiert<br />
Sein Wort in Gottes Ohr, will er doch die klaffende<br />
Lücke, die sich zwischen agrarwirtschaftlichen Realitäten<br />
und der Dekarbonisierungs-Reklame à la Ursula<br />
von der Leyen auftut, schließen. Während die neue<br />
Bundesregierung im Bereich der Mobilität 15 Millionen<br />
Elektromobile bis 2030 auf die Straßen bringen<br />
und damit das Ende des Verbrennungsmotors besiegelt<br />
haben will, ist noch nicht ganz klar, wohin es mit<br />
der Landwirtschaft und der ihr im Klimaschutzgesetz<br />
auferlegten Reduktionen von Emissionen gehen wird.<br />
Derzeit beziffern Wissenschaftler den jährlichen Ausstoß<br />
der deutschen Landwirtschaft mit 68 Millionen<br />
Tonnen CO 2<br />
-Äquivalente. Der Hauptanteil der Emissionen<br />
beruht auf systemimmanente Prozesse, wie<br />
bei der Entstehung von Wiederkäuergasen und Ausscheidungen<br />
(Mist, Urin, Gülle) im Nutztierbestand<br />
und insbesondere bei Kühen. Für das Jahr 2019 ist<br />
dieser Anteil am landwirtschaftlichen Gesamtausstoß<br />
mit 52 Prozent ermittelt worden.<br />
Dabei entfallen auf die Fraktion der Wiederkäuergase<br />
und dem Entweichen von Gasen bei der Lagerung der<br />
Exkremente rund 23,7 Millionen Tonnen, während<br />
8,8 Millionen Tonnen CO 2<br />
-Äquivalente auf den Bereich<br />
des Managements von Wirtschaftsdünger entfallen.<br />
Des Weiteren ist der Ackerbau, bedingt durch<br />
die Entstehung von Lachgasen (N 2<br />
O), für rund 40<br />
Prozent der Emissionen verantwortlich. Der Rest in<br />
Höhe von 8 Prozent entfällt auf Faktoren wie Kalkung<br />
und andere Denitrifizierungsprozesse im Boden.<br />
Nun schreibt das Klimaschutzgesetz von 2019 aber<br />
vor, dass die deutsche Landwirtschaft bis 2030 ihre<br />
Emissionen auf 56 Millionen Tonnen reduzieren<br />
muss. „Wir möchten unseren Teil dazu leisten, dass<br />
Foto: Adobe Stock_Daniel<br />
74
Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />
praxis<br />
Biogasfördertechnik<br />
diese Ziele erreicht werden“, bekennt sich<br />
Robert Kero, Fachreferent für Umweltpolitik<br />
und Nachhaltigkeit beim Deutschen<br />
Bauernverband (DBV), zu den klimapolitischen<br />
Forderungen an die Landwirtschaft.<br />
Allerdings betrachtet Kero die<br />
Landwirtschaft nicht nur als Emittenten<br />
und Betroffenen, sondern sieht sie als<br />
„Teil der Lösung“.<br />
Milchproduktion nicht mit<br />
Emissionen von Kohlekraftwerken<br />
gleichstellen<br />
Dennoch stellt Kero klipp und klar dar,<br />
dass die Produktion von Nahrungsmitteln<br />
„natürlicherweise“ mit Emissionen einhergeht.<br />
So sei die Milchkuh mitnichten<br />
ein Klimakiller. Kero empört sich darüber,<br />
dass die Milchproduktion mit den Emissionen<br />
von Kohlekraftwerken gleichstellt<br />
wird. „Das ist in sich ein Widerspruch,<br />
weil die Kohlekraftwerke mit fossilen<br />
Brennstoffen gefeuert werden, während<br />
die Kuh doch nonfossiles Gras frisst!“<br />
Hinsichtlich der Neubewertung von Wiederkäuern<br />
als Treibhausgasemittenten<br />
verweist er auf Forschungsarbeiten von<br />
Professor Dr. Wilhelm Windisch vom<br />
Lehrstuhl für Tierernährung an der Technischen<br />
Universität München. Ganz abgesehen<br />
davon ist Methan im Verhältnis zu<br />
Kohlendioxid ein relativ kurzlebiges Treibhausgas,<br />
fügt der Umweltreferent hinzu.<br />
„Während Methan nach zehn bis zwölf<br />
Jahren abgebaut sind, ist Kohlendioxid<br />
viel langlebiger.“<br />
Produktionsverlagerung ins<br />
Ausland vermeiden<br />
Wenn der gesellschaftliche Diskurs Kuhhaltung<br />
und Milchproduktion verurteilt<br />
und am Ende hiesige Produktionskapazitäten<br />
abgebaut werden und in andere<br />
Länder abwandern, dann erreiche man<br />
am Ende für den Klimaschutz nur wenig,<br />
meint Kero. Deshalb, weil jenseits<br />
der Grenzen, zumeist an schlechteren<br />
Standorten, eine Produktion bei höheren<br />
Emissionen stattfinde würde.<br />
Mag sein, dass dies für manche Segmente<br />
der landwirtschaftlichen Produktion<br />
stimmen mag, jedoch nicht für die<br />
Schweinezucht. „Schauen Sie sich doch<br />
mal die Entwicklung an. Der deutsche<br />
Selbstversorgungsgrad bei Schweinefleisch<br />
lag im Jahr 2000 bei 95 Prozent,<br />
heute liegt er bei 125 Prozent“, klagt<br />
Prof. Dr. Friedhelm Taube vom Institut<br />
für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung<br />
an der Christian-Albrechts-Universität in<br />
Kiel an.<br />
„Dadurch verlieren wir hier in Deutschland<br />
eine Million Hektar Ackerland, rund<br />
20 Prozent unserer Getreideproduktion“,<br />
kritisiert er und verweist auf eine<br />
Stickstoffüberlastung von mehr als 7<br />
Millionen Tonnen. Mit anderen Worten:<br />
Zuviel Schwein in Zeiten abnehmenden<br />
Fleischkonsums. Weshalb Taube für einen<br />
moderaten Abbau des Tierbestandes<br />
von 30 Prozent plädiert.<br />
Unabhängig von Taubes Position denkt<br />
DBV-Fachreferent Kero über eine Emissionsreduzierung<br />
pro Produkteinheit<br />
nach. Tatsächlich sieht der DBV-Mann<br />
noch Potenziale in der Minimierung von<br />
Futterverlusten, aber auch in der Züchtung.<br />
Zudem gibt es neue Ansätze, um<br />
die Methanproduktion im Verdauungsapparat<br />
der Kuh zu verringern, indem die<br />
Landwirte spezielle Zusatzstoffe wie beispielsweise<br />
Rotalgen dem Futter beimischen.<br />
Produktionsintegrierte Reduzierungen<br />
sind aber nur die eine Seite der<br />
Medaille. Die andere ist der Aufbau von<br />
organischem Kohlenstoff in Böden, der<br />
dazu dient, den Kohlenstoffgehalt in der<br />
Atmosphäre zu senken. Dies lässt sich<br />
durch eine ganze Reihe von Maßnahmen<br />
bewerkstelligen: Beispielsweise mit der<br />
Ausweitung der pfluglosen Bewirtschaftung,<br />
durch das Belassen von Ernteresten<br />
auf dem Acker oder durch intensiveren<br />
Zwischenfruchtanbau.<br />
75<br />
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praxis<br />
Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />
Manche Wissenschaftler<br />
propagieren<br />
eine klimafreundlichere<br />
Milchviehhaltung,<br />
die mit<br />
einem ausgeklügelten<br />
Kleegras- und<br />
Beweidungssystem<br />
möglich sei.<br />
Jeden Produktionszweig analysieren<br />
In diesem Zusammenhang ist die Produktion von<br />
Pflanzenkohle auch eine Option. Letzten Endes<br />
stimmt auch ein Agrarwissenschaftler wie Taube<br />
dieser Betrachtungsweise zu und bringt ein Beispiel<br />
aus seinem Forschungsumfeld: Es geht um eine klimafreundlichere<br />
Milchviehhaltung, die mit einem<br />
ausgeklügelten Kleegras- und Beweidungssystem<br />
möglich sei. Dies würde sowohl die Lachgasemissionen<br />
erheblich vermindern helfen und den Stickstoff-<br />
Footprint auf einen Liter Milch auf ganze 5<br />
Gramm reduzieren.<br />
Zum Vergleich: Herkömmliche<br />
Methoden in der Milchwirtschaft<br />
kommen auf 12 Gramm<br />
Stickstoff-Output pro Liter<br />
Milch. Wenngleich sich<br />
vieles optimieren ließe,<br />
vor allem hinsichtlich der<br />
Stickstofffrachten, lässt<br />
sich die Stickstoffmenge in<br />
der Produktion aber nicht auf<br />
null runterfahren. „Sinnvoll<br />
und angemessen ist eine Reduzierung<br />
der Stickstofffrachten auf<br />
50 Kilogramm Stickstoff pro Hektar“,<br />
so Taube weiter, der seit vielen Jahren neue<br />
Wege zwischen Ökolandbau und konventionellem<br />
Landbau sucht.<br />
Dass die konventionelle Landwirtschaft nicht so<br />
weitermachen kann wie bisher, stellte sogar die<br />
Zukunftskommission der Landwirtschaft (ZKL) in<br />
ihrem Abschlussbericht dar: „Die Ökologisierung<br />
einer ökonomisch ertragsstarken Landwirtschaft am<br />
Gunststandort Deutschland hat ihren Preis. Sie zu<br />
unterlassen ist teurer. Sehr viel teurer – für die Landwirtschaft,<br />
für die Volkswirtschaft und für den sozialen<br />
Zusammenhalt der Gesellschaft auch in Zukunft.“<br />
Neben diesen produktionsimmanenten Erwägungen<br />
gibt es noch weitere Einsparmöglichkeiten bei einem<br />
„Rund eine<br />
Million Hektar sind<br />
zu fluten“<br />
Prof. Dr. Friedhelm Taube<br />
besseren, emissionsärmeren<br />
Umgang mit Gülle respektive<br />
Gärdünger. „Die Vergärung<br />
von Wirtschaftsdüngern in<br />
einer Biogasanlage reduziert<br />
Methanemissionen auf<br />
ein Minimum. Ende 2020<br />
sind rund 25 Prozent der<br />
in Deutschland anfallenden<br />
Wirtschaftsdünger vergoren<br />
worden, wodurch etwa 2,2<br />
Millionen Tonnen CO 2<br />
-Äquivalente<br />
allein durch die Vermeidung<br />
der Methanemissionen<br />
vermieden wurden“,<br />
weiß Kero.<br />
Mehr Güllevergärung gleich mehr<br />
THG-Einsparung<br />
Immerhin, aber am Ende zu wenig. Daher strebt das<br />
Klimaschutzprogramm bis 2030 einen Ausbau der<br />
Güllevergärung auf 70 Prozent an. Dies würde gegenüber<br />
heute weitere rund 3 Millionen Tonnen CO 2<br />
-<br />
Äquivalente einsparen. Allerdings ist die Vergärung<br />
kostenintensiv, ebenso wie die Überdachung von Güllelagern<br />
sowie die bedarfs- beziehungsweise pflanzengerechte<br />
Ausbringung der Wirtschaftsdünger.<br />
Und der ökologische Landbau? „Der hat<br />
seine Daseinsberechtigung“, entgegnet<br />
Kero trocken, undogmatisch,<br />
„obschon der Ökolandbau nicht<br />
per se weniger emittiere als der<br />
konventionelle Landbau“.<br />
Trotzdem erzielen die Ökobauern<br />
wertvolle Umwelteffekte<br />
und setzen dabei<br />
dezidiert auf Nährstoffkreisläufe<br />
mit Nutztieren, ohne<br />
die es trotz einer zunehmenden<br />
Vegetarisierung oder sogar<br />
Veganisierung der Ernährungsgewohnheiten<br />
nicht gehen wird,<br />
unterstreicht Kero. Denn wie will man<br />
all die wertvollen Grünlandstandorte, wie<br />
beispielsweise die Weiden in den Mittelgebirgslagen,<br />
bewirtschaften, wenn keine Tiere darauf grasen? Will<br />
man dort Karotten und Artischocken anbauen?<br />
Dabei spielt gerade das Grünland wegen seiner hohen<br />
Humusanteile eine wichtige Rolle für eine nachhaltige,<br />
klimaneutrale Landwirtschaft. Das Gleiche gilt<br />
für die Moorstandorte, die jedoch ihre Kohlenstoff<br />
bindenden Eigenschaften durch flächendeckende<br />
Trockenlegung in den letzten Jahrzehnten fast gänzlich<br />
verloren haben.<br />
Eine Wiedervernässung dieser Moore würde große<br />
Effekte erzielen. „Rund eine Million Hektar sind<br />
zu fluten“, proklamiert Friedhelm Taube. Wie viele<br />
Foto: landpixel.eu<br />
76
Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />
praxis shop<br />
Foto: Jörg Böthling<br />
Hektar es am Ende werden und wie viele Prozente<br />
der früheren Moor-Landschaften am Ende renaturiert<br />
werden, darüber besteht noch Ungewissheit. Ebenso<br />
offen ist zwischen vielen Agrar- und Klimapolitikern<br />
auch die Frage, wer dies überhaupt bezahlen soll. Angesichts<br />
der knappen Kassen bei den Landwirten wird<br />
dies wohl eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe sein<br />
werden.<br />
Welche Mechanismen dort greifen werden, darüber<br />
gehen die Meinungen noch weit auseinander. Auch<br />
an dieser Stelle müsste Cem Özdemir eine seiner geplanten<br />
„Brücken des Ausgleichs“ bauen! Der Druck<br />
auf die moorigen Standorte wird ohnehin noch zunehmen,<br />
da der Wald aufgrund seiner schlechten Verfassung<br />
nicht mehr in der Lage ist, die prognostizierten<br />
Senkungsleistungen überhaupt erfüllen zu können.<br />
Welche Optionen für mehr Klimaschutz stehen noch<br />
bereit? Ja, nicht zu vergessen, der Humusaufbau!<br />
Der sei ein unverzichtbarer Baustein der Dekarbonisierung<br />
– heißt es von vielen Seiten. Diese Aussage<br />
nimmt zumindest eine große, illustre Koalition<br />
verschiedener Akteure, ob nun aus den Reihen der<br />
regenerativen (konservierenden) Landwirtschaft,<br />
der Pflanzenkohlen-Welt oder des CO 2<br />
-Handels, in<br />
Anspruch. Dennoch wächst auch der Humusaufbau<br />
nicht plötzlich in den Himmel.<br />
Manche halten die regenerative Landwirtschaft auch<br />
für überschätzt, seien die Potenziale am Ende doch<br />
begrenzt, weil durch steigende Temperaturen auch<br />
die mikrobiellen Abbauaktivitäten analog zunehmen<br />
werden. Landwirtschaftliche Experten erwarten zwar,<br />
dass der Humusaufbau rund acht bis zehn Millionen<br />
Tonnen CO 2<br />
-Äquivalente Einsparung generieren<br />
könnte, doch sind viele nicht davon überzeugt, dass<br />
der Emissionshandel für den Humusaufbau tatsächlich<br />
langfristig tauglich sei. Darüber hinaus warnt<br />
man davor, mit dem Humusaufbau die Lebensmittelproduktion<br />
zu verdrängen.<br />
Biokraftstoffe in Landmaschinen einsetzen<br />
Einen weiteren wichtigen Ansatz zur Reduktion von<br />
CO 2<br />
-Äquivalenten ist die klimaneutrale Umstellung<br />
der in der Landwirtschaft eingesetzten Zug- und Erntemaschinen.<br />
Laut Statistik haben die Traktoren & Co.<br />
mit ihrem Diesel rund 6 Millionen Tonnen CO 2<br />
-Äquivalente<br />
ausgestoßen. „Wir sehen großes Potenzial in<br />
der Nutzung von Biokraftstoffen für landwirtschaftliche<br />
Maschinen. Aufgrund der fehlenden Alternativen<br />
sollte die Biokraftstoffnutzung für die Landwirtschaft<br />
priorisiert werden“, appelliert denn auch Kero an die<br />
Politik und damit sicherlich auch in Richtung des<br />
neuen Landwirtschaftsministers.<br />
Dann würden die Dieselemissionen auf null reduziert<br />
sein. Marktreife Alternativen stehen ja schon zur Verfügung:<br />
Beispielsweise die mit Biomethan betriebenen<br />
Traktoren von Herstellern wie Valtra und New Holland.<br />
Dabei muss sich auch die Bioenergie dem Nachhaltigkeits-Diskurs<br />
stellen, wie beispielsweise der Kritik vom<br />
Theologen und Aufsichtsratsvorsitzenden der Stiftung<br />
Weltzukunftsrat Franz-Theo Gottwald. Er schreibt im<br />
neuen Sammelband „Klimapositive Landwirtschaft“<br />
zur Weiterentwicklung der Landnutzung: „Wenn<br />
Bioenergie ausgebaut wird und sich dabei landwirtschaftliche<br />
Fläche in artenreiche Ökosysteme hineinfrisst,<br />
ist diese keine nachhaltige Lösung.“ Stimmt.<br />
Genauso wie es stimmt, wenn im Abschlussbericht<br />
der Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) artikuliert<br />
wird, dass die anstehende landwirtschaftliche<br />
Transformation so gestaltet sein sollte, „dass sie mit<br />
einer fairen gesellschaftlichen Lastenverteilung und<br />
gesamtvolkswirtschaftlichen Einsparungen verbunden<br />
sind“. Cem Özedemir hat wahrlich viel zu tun!<br />
Würden Biokraftstoffe in Landmaschinen mehr eingesetzt, könnten<br />
erhebliche dieselbedingte Treibhausgasmengen reduziert werden. Hier<br />
im Bild ein New-Holland-Schlepper mit Gasmotor, der Biomethan aus<br />
Biogasanlagen nutzen kann.<br />
Autor<br />
Dierk Jensen<br />
Freier Journalist<br />
Bundesstr. 76 · 20144 Hamburg<br />
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dierk.jensen@gmx.de<br />
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77
praxis<br />
Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />
Steigerung der<br />
Methanausbeute<br />
durch biologische<br />
Methanisierung<br />
Foto 1: Luftbild<br />
des Standortes der<br />
AWR in Borgstedt.<br />
Die stark steigende Nachfrage nach erneuerbarem Methan und die im Mai 2021<br />
beschlossenen Änderungen der Treibhausgasminderungsquote (THG-Quote) bieten<br />
nun gute Chancen, die innovative Technologie der mikrobiologischen Methanisierung<br />
wirtschaftlich zu betreiben und die Methanausbeute einer Biogasanlage nahezu zu<br />
verdoppeln: Zusammen mit aus erneuerbarem Strom hergestelltem Wasserstoff wandeln<br />
Mikroorganismen das im Biogas enthaltene CO 2<br />
in Methan um.<br />
Von Ralph Hohenschurz-Schmidt, Jens Strahl, Tino Sperk, Oliver Viertmann<br />
und Prof. Dr.-Ing. Frank Scholwin<br />
Wir zeigen Ihnen das Ergebnis einer<br />
kürzlich durchgeführten Machbarkeitsstudie<br />
zur biologischen Methanisierung<br />
für die AWR GmbH.<br />
Obwohl die mikrobiologische Methanisierung<br />
im industriellen Maßstab technologisch<br />
noch nicht ausgereift ist und am Anfang der technischen<br />
und ökonomischen Lernkurve steht, können<br />
zwei der untersuchten Varianten bei veränderten<br />
Rahmenbedingungen in Kombination mit einer Pilotanlagenförderung<br />
wirtschaftlich umgesetzt werden.<br />
Die AWR in Borgstedt ist Vorreiterin mit idealen<br />
Bedingungen für innovative Lösungen für eine biobasierte<br />
Wertschöpfung. Die Bioabfallbehandlungsanlage<br />
Borgstedt (BBA) ist eine Verwertungsanlage<br />
nach dem Stand der Technik, die das angelieferte<br />
Biogut (Biotonne) in zwei Stufen, Vergärung und<br />
Kompostierung, nutzt. Die Anlage hat nach mehreren<br />
Erweiterungen heute eine genehmigte Verarbeitungskapazität<br />
von 85.000 Tonnen pro Jahr (t/a), wovon<br />
60.000 t/a auch in die Vergärung gehen.<br />
Die Erlöse aus der Verstromung des in der BBA erzeugten<br />
Biogases decken die Aufbereitungskosten des<br />
Bioabfalls nur zu geringen Teilen. Die Kostendifferenz<br />
muss über die Abfallgebühren gedeckt werden. Das<br />
Ziel einer ständigen Überprüfung des Anlagenbetriebes<br />
auf potenzielle Optimierungsoptionen durch den<br />
AWR ist aber neben der Generierung wirtschaftlicher<br />
Vorteile auch die Identifizierung innovativer Ideen auf<br />
dem Weg zur vollständigen Nutzung der im Bioabfall<br />
enthaltenen Ressourcen. Dass dieser Weg möglich ist,<br />
wollen die AWR und ihre Partner im Rahmen mehrerer<br />
Modellprojekte beweisen. Zu einer konsequenten<br />
Strategie einer wertschöpfenden Reststoffnutzung gehört<br />
dabei auch die Nutzbarmachung des im Biogas<br />
enthaltenen CO 2<br />
. Aus diesem Anspruch heraus ist die<br />
hier vorgestellte Machbarkeitsstudie zur biologischen<br />
Methanisierung entstanden.<br />
Foto: awr<br />
78
Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />
praxis<br />
wir haben<br />
immer was<br />
auf lager.<br />
Foto: Micropyros BioEnerTec GmbH<br />
Foto 2: Pilotanlage, biologische Methanisierung der Micropyros BioEnerTec GmbH,<br />
Betriebszeitraum 2018 bis 2019.<br />
Biologische Methanisierung:<br />
Hochwertige Nutzung des CO 2<br />
im Biogas<br />
Biogas besteht nur zu gut 50 bis 60 Prozent<br />
aus Methan. Der Rest ist im Wesentlichen<br />
Kohlendioxid (CO 2<br />
). Aus diesem<br />
Grund ist die Produktion und Nutzung<br />
von Biogas im Sinne einer vollständigen<br />
Wertschöpfung nur bedingt werthaltig.<br />
Eine vollständige Kreislaufführung der<br />
Biomasse aus der Biotonne ist damit<br />
nicht erreicht.<br />
Die Alternative und damit die vollständige<br />
Nutzung des Kohlenstoffs im Biogas<br />
ist dessen Nutzung zur Herstellung von<br />
Biomethan durch Zuführung des Energieträgers<br />
Wasserstoff (H 2<br />
). Für diesen Prozess<br />
stehen unterschiedliche technische<br />
Möglichkeiten zur Verfügung: die katalytische<br />
oder die mikrobiologische Methanisierung<br />
(Fotos 2 bis 5 zeigen Pilotanlagen<br />
der biologischen Methanisierung der<br />
Firmen Micropyros BioEnerTec GmbH,<br />
electrochaea GmbH, PFI Bioraffinerietechnik<br />
GmbH und Microbenergy GmbH).<br />
Die Technologie der biologischen Methanisierung<br />
ist in verschiedenen Pilotanlagen<br />
realisiert worden, eine Marktreife ist<br />
aber noch nicht erreicht. Im Ergebnis des<br />
Prozesses entsteht zusätzliches Methan,<br />
das vielfältige Nutzungsmöglichkeiten<br />
bietet. Die AWR hat sich entschieden,<br />
im Rahmen einer von Land und EU geförderten<br />
Machbarkeitsstudie die Verfahren<br />
der mikrobiologischen Methanisierung<br />
von Biogas auf ihren Entwicklungsstand,<br />
ihre technische Umsetzbarkeit und auf<br />
die wirtschaftlichen Perspektiven der Integration<br />
dieser Verfahren in die eigene<br />
Biogutverwertungsanlage untersuchen<br />
zu lassen. Die AWR gab Mitte 2020 die<br />
Erstellung der Studie beim Institut für<br />
Biogas, Kreislaufwirtschaft und Energie<br />
(IBKE) in Auftrag. Anfang 2021 lag die<br />
Endfassung der Studie vor, deren Vorgehensweise<br />
und wesentliche Ergebnisse<br />
im Folgenden dargestellt werden.<br />
Umsetzbarkeit der biologischen<br />
Methanisierung von CO 2<br />
aus<br />
technischer Sicht<br />
Das Ziel der Machbarkeitsstudie war die<br />
Prüfung der biologischen, technischen<br />
und wirtschaftlichen Machbarkeit einer<br />
biomassebasierten Power-to-Gas-Anlage<br />
am Standort der BBA Borgstedt sowie<br />
die Ermittlung von Bedingungen, unter<br />
denen ein wirtschaftlicher Betrieb einer<br />
derartigen Anlage machbar ist. Mit der<br />
Ergänzung einer mikrobiologischen Methanisierung<br />
am Anlagenstandort würde<br />
die Verwertung des Bioabfalls um eine<br />
Nutzungskaskade erweitert, fossiles<br />
Erdgas substituiert und durch die Methanisierung<br />
des CO 2<br />
im Biogas die Freisetzung<br />
zusätzlicher Treibhausgasemissionen<br />
bei der energetischen Nutzung von<br />
Biogut verhindert.<br />
Um belastbare Aussagen zu ermöglichen,<br />
führte das IBKE eine detaillierte<br />
79<br />
sie wollen die aktivkohle in<br />
ihrer biogasanlage selbst<br />
austauschen oder sich für<br />
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praxis<br />
Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />
Abbildung 1: Integration einer biologischen Methanisierung zur Gasnetzeinspeisung (Konzept K4_P2G2Grid)<br />
Abbildung 2: Integration einer biologischen Methanisierung als Bio-LNG-Tankstelle (Konzept K4_P2G2Fuel)<br />
Standortanalyse durch, analysierte den<br />
Stand der Anwendbarkeit der mikrobiologischen<br />
Methanisierung für die Anwendung<br />
im Praxismaßstab und verglich für<br />
den Praxismaßstab verfügbare Verfahren<br />
hinsichtlich der Integration in den Anlagenstandort<br />
Borgstedt. Die betrachteten<br />
Konzepte sind in der Tabelle zusammengefasst.<br />
Die ökonomische Bewertung der<br />
mikrobiologischen Methanisierung (K4<br />
und K5) erfolgte im Vergleich zum Status<br />
quo (K1) und zur herkömmlichen Aufbereitung<br />
zu Biomethan (K2 und K3). Daher<br />
werden die Konzepte 1 bis 3 hier nicht<br />
detaillierter erläutert.<br />
In Konzept 4 wird das bestehende System<br />
durch die Integration einer mikrobiologischen<br />
Methanisierungsanlage (BMA) zur<br />
zusätzlichen Methanproduktion erweitert.<br />
Wie in Abbildung 1 beschrieben, wird das<br />
vorhandene Rohbiogas unter Zuführung<br />
von Wasserstoff zu Methan mit Netzqualität<br />
aufbereitet und kann so in das öffentliche<br />
Gasnetz eingespeist werden.<br />
Die Biogasaufbereitung auf Erdgasqualität<br />
erfolgt vollständig im Prozess der mikrobiologischen<br />
Methanisierung, der in<br />
zusätzlichen Reaktoren zur bestehenden<br />
Biogasanlage erfolgt. Zusätzliche Technik<br />
für die Biogasaufbereitung auf Erdgasqualität<br />
ist bei den meisten Technologieanbietern<br />
nicht erforderlich. Weiterhin<br />
wird in den Modellrechnungen ein Anteil<br />
des vorhandenen Rohbiogases für den<br />
Weiterbetrieb der bestehenden BHKW<br />
angesetzt.<br />
80
Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />
praxis<br />
Im Verlauf eines Betriebsjahres entsteht während der<br />
Methanisierung eine Abwärmemenge von rund 5,7<br />
Millionen (Mio.) Kilowattstunden (kWh). Neben der<br />
Abwärme der Methanisierung entstehen weitere erhebliche<br />
Abwärmemengen aus der Elektrolyse. Unter<br />
den aktuellen Annahmen kann nur ein Teil dieser<br />
Abwärme durch die am Standort ermittelten Wärmesenken<br />
aufgenommen werden. Es ergeben sich somit<br />
weitere relevante Optimierungspotenziale, welche im<br />
Rahmen einer Projektentwicklung detailliert zu prüfen<br />
sind.<br />
Foto: electrochaea GmbH<br />
H 2<br />
-Produktion aus erneuerbarem Strom<br />
Der für die mikrobiologische Methanisierung erforderliche<br />
Wasserstoff wird durch ein Elektrolyseverfahren<br />
erzeugt. Die dazu notwendige Energie wird als<br />
Grünstrom mit Herkunftsnachweis aus dem Stromnetz<br />
bezogen werden. Nach Auslaufen der attraktiven<br />
EEG-Vergütung wird ein sehr geringer Anteil zusätzlich<br />
aus lokal errichteten PV-Anlagen bereitgestellt.<br />
Die Möglichkeit der Realisierung einer Windkraftanlage<br />
und damit ein weiterer Beitrag zur Stromproduktion<br />
für die Wasserhydrolyse vor Ort wird im Rahmen<br />
der Projektierung geprüft, es ist aber ein durchgehender<br />
Volllastbetrieb erforderlich, der ohne Bezug<br />
von erneuerbarem Netzstrom nicht wirtschaftlich<br />
realisiert werden kann. In Konzept 5 wird das methanisierte<br />
Biogas zu Bio-LNG auf Kraftstoffqualität<br />
aufbereitet und kann anschließend an einer öffentlichen<br />
LNG-Tankstelle am Standort der BBA vertankt<br />
werden (Abbildung 2).<br />
Unter welchen Bedingungen ist die Umsetzung der mikrobiologischen<br />
Methanisierung von CO 2<br />
aus dem Biogas<br />
der BBA Borgstedt wirtschaftlich? Die wirtschaftliche<br />
Bewertung und der Vergleich der technischen<br />
Konzepte erfolgt auf Basis der dynamischen Investitionsrechnung<br />
unter Anwendung der Kapitalwertmethode<br />
sowie der Methode des modifizierten internen<br />
Zinsfußes. Für die einfache Darstellung der<br />
Foto 3: Pilotanlage,<br />
biologische Methanisierung<br />
electrochaea<br />
GmbH in einem Vorort<br />
von Kopenhagen.<br />
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81
praxis<br />
Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />
Abbildung 3: Ergebnisse der dynamischen Wirtschaftlichkeitsbewertung im Überblick<br />
Abbildung 4: Ergebnisse der Sensitivitätsanalyse für die wirtschaftlichste Variante der Biomethanisierung<br />
wirtschaftlichen Vorzüglichkeit wird ermittelt,<br />
welcher Rohbiogaspreis im jeweiligen<br />
technischen Konzept maximal tolerierbar<br />
ist, um eine Gesamtkapitalrendite von 4,5<br />
Prozent vor Steuern zu generieren. Abbildung<br />
3 zeigt die maximalen Rohbiogasbezugspreise<br />
der verschiedenen Konzepte im<br />
Vergleich. Je höher der tolerierbare Rohbiogasbezugspreis<br />
ist, umso wirtschaftlicher<br />
stellt sich das Konzept dar. Für den<br />
Status quo liegt diese Grenze bei 5,5 Cent<br />
pro Kilowattstunde (ct/kWh).<br />
Ergebnisse<br />
Die wesentlichen Erkenntnisse zur Umsetzbarkeit<br />
der mikrobiologischen Methanisierung<br />
am Standort Borgstedt sind im<br />
Folgenden zusammengefasst: Die konventionelle<br />
Biogasaufbereitung mit der<br />
Biomethaneinspeisung in das öffentliche<br />
Gasnetz ist unter den zugrunde gelegten<br />
Annahmen das wirtschaftlichste Konzept,<br />
sogar wirtschaftlicher als die praktizierte<br />
Strom- und Wärmebereitstellung nach<br />
EEG. Die Biomethaneinspeisung in das<br />
öffentliche Gasnetz ist wirtschaftlicher<br />
als die Vertankung als Kraftstoff vor Ort.<br />
Dies ist aber stark von den vor Ort realisierbaren<br />
Abnahmemengen an CNG als<br />
auch der erzielbaren Treibhausgas-Minderungsquote<br />
im freien Handel abhängig.<br />
Eine interne, nicht öffentliche CNG-Tankstelle<br />
ist am Standort AWR wirtschaftlicher<br />
als eine öffentliche CNG-Tankstelle<br />
oder LNG-Tankstelle. Obwohl die mikrobiologische<br />
Methanisierung im industriellen<br />
Maßstab noch nicht Stand der Technik<br />
82
Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />
praxis<br />
Foto: Frank Scholwin<br />
ist und am Anfang der technischen und<br />
ökonomischen Lernkurve steht, können<br />
zwei Varianten (K4-P2G2Grid_3 und<br />
K4-P2G2Grid_4) die Zielrendite bei einem<br />
Rohbiogasbezugspreis oberhalb der<br />
Rohbiogasgestehungskosten erreichen.<br />
Jedoch stellen sie sich deutlich unwirtschaftlicher<br />
als die Varianten mit Biogasaufbereitung<br />
und -einspeisung dar.<br />
Der Nutzungspfad LNG-Erzeugung und<br />
-vermarktung ist stark von der erzielbaren<br />
Treibhausgas-Minderungsquote im<br />
freien Handel abhängig und zeigt unter<br />
den getroffenen Annahmen eine deutlich<br />
geringere Wirtschaftlichkeit als die Biomethaneinspeisung<br />
in das Erdgasnetz.<br />
Eine wirtschaftliche Projektrealisierung<br />
eines BMA-Konzeptes am Standort AWR<br />
ist bei Optimierung der Eingangsparameter<br />
(Investitionen, Betriebskosten, Eigenstromverbrauch,<br />
Strombezugskosten,<br />
Förderoptionen, Anlagendimensionierung)<br />
denkbar und sollte geprüft werden.<br />
Für die wirtschaftlich vorzüglichste Variante<br />
der Biomethankonzepte (K4-P2G-<br />
2Grid_3) wurde auf Basis einer Sensitivitätsanalyse<br />
ermittelt, in welchem Maße<br />
Foto 4: Pilotanlage, biologische Methanisierung<br />
PFI Bioraffinerietechnik GmbH in Pirmasens.<br />
ausgewählte Eingangsparameter variiert<br />
werden müssen, um unter der Annahme<br />
des gleichen Rohbiogasbezugspreises des<br />
Status quo (K1) eine Gesamtkapitalrendite<br />
von 4,5 Prozent (%) zu erreichen (Kapitalwert<br />
entspricht dann 0).<br />
Abbildung 4 zeigt, dass bei dem Rohbiogasbezugspreis<br />
des Status quo das Biomethankonzept<br />
keine positive Rendite<br />
erwirtschaften kann (Kapitalwert ca. -10<br />
Mio. Euro). Die Variation eines Faktors<br />
verändert jedoch den Kapitalwert und somit<br />
das wirtschaftliche Gesamtergebnis.<br />
So führt beispielsweise die Erhöhung der<br />
Biomethanerlöse um knapp 20 % zu einem<br />
Anstieg des Kapitalwertes auf 0 und<br />
somit zu der Verzinsung des Projektes<br />
entsprechend des Kalkulationszinses von<br />
4,5 %, vergleichbar zu dem Ergebnis des<br />
Status quo.<br />
Die Sensitivitätsanalyse lässt zusammenfassend<br />
die folgenden Aussagen und<br />
Schlussfolgerungen zu: Ein positiver Kapitalwert<br />
(i > 4,5 %) kann bei dem unterstellten<br />
Rohbiogasbezugspreis von 5,52<br />
ct/kWh theoretisch erreicht werden durch:<br />
ffIsolierte Erhöhung des Biomethanerlöses<br />
um rund 25 %.<br />
ffIsolierte Reduzierung des Strombedarfs<br />
der Elektrolyse um rund 40 %.<br />
ffIsolierte Reduzierung des Strompreises<br />
der Elektrolyse um rund 40 %.<br />
ffKombinierte Variation der betrachteten<br />
Faktoren.<br />
Durch die kombinierte Variation der Faktoren<br />
der Sensitivitätsanalyse im Rahmen<br />
einer Szenarienrechnung mit der:<br />
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83
praxis<br />
Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />
Übersicht der technischen Konzepte<br />
KURZBEZEICHNUNG<br />
K1_Status quo<br />
K2_Methane2Grid<br />
K3_Methane2Fuel<br />
K4_P2G2Grid<br />
K5_P2G2Fuel<br />
KURZBESCHREIBUNG<br />
Basiskonzept zum Vergleich – Rohbiogasverwertung über bestehende<br />
Kraft-Wärme-Kopplung wie bisher.<br />
Integration einer Biogasaufbereitung und Einspeisung in das Erdgasnetz<br />
in Kombination mit der bestehenden KWK.<br />
Integration einer Biogasaufbereitung auf Fahrzeugkraftstoffqualität zur<br />
Kraftstoffversorgung in 3 verschiedenen Tankstellenoptionen als CNG oder<br />
LNG in Kombination mit der bestehenden KWK.<br />
Integration einer mikrobiologischen Methanisierung zur zusätzlichen<br />
Methanproduktion mit Biogaseinspeisung in das Erdgasnetz mit 4 verschiedenen<br />
Technologien als Optionen in Kombination mit der bestehenden KWK.<br />
Integration einer mikrobiologischen Methanisierung zur zusätzlichen<br />
Methanproduktion und Bereitstellung von Kraftstoff an einer LNG-Tankstelle<br />
in Kombination mit der bestehenden KWK.<br />
ffReduzierung des durchschnittlichen Eigenstrombedarfs<br />
der BMA auf 85 kW/h,<br />
ffReduzierung des durchschnittlichen Eigenstrombedarfs<br />
der Elektrolyse um 10 %,<br />
ffAnnahme einer Investitionsförderung<br />
i.H.v. 20 % der Gesamtinvestition,<br />
ffErhöhung der Biomethanerlöse aus<br />
Bioabfall um 5 %,<br />
ffErhöhung der Biomethanerlöse aus<br />
Elektrolyse um 5 %<br />
ergibt sich für das Biomethankonzept K4-P2G2Grid<br />
ein maximal tolerierbarer Rohbiogasbezugspreis von<br />
5,03 ct/kWh bei einer Gesamtkapitalrendite von<br />
4,5 %. Damit liegt der Rohbiogaspreis nur geringfügig<br />
unterhalb des Maximalwertes des Status quo.<br />
Schlussfolgerungen: Die Machbarkeitsstudie lieferte<br />
neben einer Vielzahl von Einzelergebnissen drei<br />
zentrale Erkenntnisse: Es existieren bereits Verfahren<br />
der mikrobiologischen Methanisierung, die über den<br />
Pilotmaßstab hinaus entwickelt wurden und die geeignet<br />
sind für eine großtechnische Umsetzung.<br />
Vor dem Hintergrund der aktuellen Veränderungen<br />
der Nachhaltigkeitsverordnungen lässt sich ein wirtschaftlicher<br />
Betrieb einer mikrobiologischen Methanisierungsanlage<br />
im Vergleich zu den anderen<br />
betrachteten Nutzungsoptionen des Biogases unter<br />
Annahme einer Investitionsförderung erhoffen.<br />
Entscheidend für die Wirtschaftlichkeit des Anlagenbetriebs<br />
sind dabei nicht die hohen Investitionen in<br />
die Verfahrenstechnik, sondern die Kosten des laufenden<br />
Anlagenbetriebs und hier insbesondere die<br />
Gestehungskosten des Wasserstoffs für den Methanisierungsprozess.<br />
Weitere, wenngleich weniger bedeutsame<br />
Faktoren der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung<br />
sind die Verwertungsmöglichkeiten der im Zuge<br />
der Methanisierung anfallenden Nebenprodukte<br />
(Ab-)Wärme und Sauerstoff (O 2<br />
).<br />
Für die Integration einer derart komplexen Technologie<br />
benötigt die AWR als regionales Unternehmen mit<br />
Kernaufgabe in der kommunalen Abfallwirtschaft in<br />
verschiedenen Bereichen Unterstützung. Neben den<br />
technischen und wirtschaftlichen Herausforderungen<br />
müssen beispielsweise auch Erfahrungen in der<br />
Vermarktung von Biomethan als Energieträger eingebracht<br />
werden. Hierzu und zu einer bestmöglichen<br />
Erschließung von Synergiepotenzialen bedarf es im<br />
Falle der Umsetzung einer mikrobiologischen Methanisierung<br />
zuverlässiger und motivierter Partner.<br />
Übertragbarkeit der Ergebnisse auf<br />
andere Standorte<br />
Bio-CNG, Bio-LNG und zukünftig synthetisches Methan<br />
aus der biologischen Methanisierung sind technologisch<br />
gesehen schon heute verfügbare Lösungen,<br />
die dort dringend benötigte THG-Minderungen her-<br />
84
Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />
praxis<br />
Foto: Microbenergy GmbH<br />
beiführen können, wo es auch auf mittlere<br />
Sicht keine elektrische Alternative geben<br />
wird, so zum Beispiel im Schwerlastverkehr.<br />
Die Vermarktungspotenziale von<br />
Biomethan im Hinblick auf die Anforderungen,<br />
die sich aus der Umsetzung der<br />
RED II in nationales Recht insbesondere<br />
für den Verkehrssektor ergeben werden,<br />
sind daher der hauptsächliche Treiber für<br />
die Wirtschaftlichkeit.<br />
Für die Vermarktung von synthetischem<br />
Methan sind in erster Linie die im September<br />
beschlossenen Änderungen der<br />
Treibhausgasminderungs-Quote (THG-<br />
Quote) zu nennen, die zu einem erheblichen<br />
Anstieg der erzielbaren Erlöse<br />
führen. Die Änderungen sehen Mehrfachanrechnungen<br />
für fortschrittliche Biokraftstoffe<br />
(Herstellung aus Rest- und Abfallstoffen)<br />
sowie Power-to-X-Kraftstoffe (wie zum Beispiel das<br />
in der Biomethanisierung erzeugte synthetische Methan)<br />
vor. Eine wirtschaftliche Umsetzung der Biomethanisierung<br />
rückt damit deutlich näher.<br />
Entscheidend ist dabei, möglichst günstigen grünen<br />
Wasserstoff einzusetzen. Für möglichst geringe<br />
Gestehungskosten wird es nötig sein, dass auch zukünftig<br />
Netzstrom für die Elektrolyse mit einem nachweisbaren<br />
Grünstrombezug von Umlagen befreit ist.<br />
Der Gesetzgeber hat dieses zumindest erkannt und in<br />
der RED II in Ansätzen in die Begründung Nummer<br />
90 aufgenommen, die Regelungen zum Netzbezug<br />
in Verbindung mit Stromdirektlieferverträgen (PPAs)<br />
vorsieht.<br />
Neben der gesicherten Grünstromversorgung für die<br />
Elektrolyse sind die wichtigsten Vorrausetzungen aus<br />
Betreibersicht zunächst die Nähe zum Erdgasnetz<br />
(maximal 5 Kilometer Entfernung) und die Verfügbarkeit<br />
günstiger, abfallstämmiger Substrate oder Reststoffe<br />
aus der Landwirtschaft. Mit diesen Substraten<br />
bieten sich gleich zwei wirtschaftliche Vorteile: niedrige<br />
Gasgestehungskosten und ein besonders hohes<br />
THG-Minderungspotenzial.<br />
Autoren<br />
Ralph Hohenschurz-Schmidt<br />
Abfallwirtschaft Rendsburg-Eckernförde GmbH<br />
Hoschmi@awr.de<br />
M.Eng. Oliver Viertmann<br />
Prof. Dr.-Ing. Frank Scholwin<br />
Institut für Biogas, Kreislaufwirtschaft & Energie<br />
Weimar<br />
info@biogasundenergie.de<br />
Foto 5: Pilotanlage,<br />
biologische Methanisierung<br />
Microbenergy<br />
GmbH in Allendorf/<br />
Eder.<br />
85
praxis<br />
Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />
Anlage des Monats November:<br />
Biostrom Volkert GbR<br />
Die 2006 in Betrieb genommene<br />
doppelt überbaute Nawa-<br />
Ro-Anlage aus Mittelfranken<br />
erzeugt mit einer Bemessungsleistung<br />
von 368 Kilowatt (kW)<br />
rund 3,2 Millionen Kilowattstunden (kWh)<br />
Strom pro Jahr. Vergoren werden vor allem<br />
Gülle und Mist von benachbarten landwirtschaftlichen<br />
Betrieben sowie Gras,<br />
verschiedene Blühpflanzen, Getreideganzpflanzen,<br />
Getreideschrot und Mais.<br />
Durch den Anbau der Energiepflanzen<br />
und humusaufbauender Zwischenfrüchte<br />
sowie die ganzjährige Bodenbedeckung<br />
wird CO 2<br />
im Boden gebunden. Der Strom<br />
wird direkt vermarktet, steht als negative<br />
Regelenergie und flexibel nach Bedarf zur<br />
Verfügung. Ein Teil der Wärme gelangt<br />
über eine Wärmeleitung ins benachbarte<br />
Dorf, wo sie zur Tabaktrocknung und<br />
als Heizenergie für Wohnhäuser genutzt<br />
wird; der Rest wird zur Brennholztrocknung<br />
direkt an der Anlage eingesetzt. Dadurch<br />
ist eine ganzjährige Wärmenutzung<br />
gesichert. Die Biogasanlage vermeidet<br />
jährlich rund 2.500 Tonnen fossiles CO 2<br />
.<br />
Anlage des Monats Dezember:<br />
BBB Biogas Breuna GmbH & Co.KG<br />
Die Biogas-Gemeinschaftsanlage<br />
im hessischen Breuna ging im<br />
Frühjahr 2007 ans Netz. Aus<br />
Festmist, der zu 90 Prozent aus<br />
dem eigenen Stall stammt, Maissilage,<br />
Zuckerrüben, GPS und Getreideschrot<br />
werden in den beiden Blockheizkraftwerken<br />
(BHKW) klimafreundlicher Strom und Wärme<br />
erzeugt: 3,5 Millionen Kilowattstunden<br />
(kWh) Strom entstehen an der Hauptanlage<br />
mit einer BHKW-Leistung von 499 Kilowatt<br />
(kW), knapp 3 Millionen kWh erzeugt das<br />
Satelliten-BHKW mit 366 kW Leistung. Die<br />
anfallende Wärme versorgt über ein Nahwärmenetz<br />
214 Haushalte und ein Gewerbegebiet<br />
im Bioenergiedorf Wettesingen mit Heizenergie,<br />
die Überschusswärme im Sommer<br />
wird zur Trocknung von Getreide, Heu und<br />
Holz genutzt. Die Biogasanlage vermeidet<br />
jährlich rund 1.300 Tonnen CO 2<br />
.<br />
86
Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />
praxis<br />
Biogas_115x77_EVIT <strong>2022</strong>.qxp_EVIT 11.10.21 15:01 Seite 1<br />
Februar <strong>2022</strong><br />
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Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />
Ein Jahrzehnt Biogasdachsysteme<br />
aus dem Rheinland<br />
Als die dbds-Deutsche Biogas Dach-Systeme GmbH 2011 von der der VERSEIDAG-INDUTEX GmbH und der<br />
H. Seybold GmbH & Co. KG gegründet wurde, taten sich zwei etablierte Partnerunternehmen zusammen, die<br />
über generationenübergreifende Erfahrung in der Industrietextilherstellung und -konfektionierung verfügen.<br />
In der aufstrebenden Biogasbranche identifizierten sie im Bereich der Dachsysteme ein geeignetes neues<br />
Geschäftsfeld für ihre Erzeugnisse.<br />
Von Eur Ing Marie-Luise Schaller<br />
Die Firmengründer starteten<br />
mit einer gründlichen Analyse<br />
bisheriger Erfahrungswerte<br />
und entwickelten daraus ihre<br />
eigenen Standards als Anbieter<br />
von kompletten Dachsystemen. Mit<br />
stetig wachsendem Erfolg vertreiben sie<br />
ihre Erzeugnisse national wie international.<br />
In Forschungskooperationen entwickeln<br />
sie Materialien und Funktionen<br />
kontinuierlich weiter.<br />
Christopher Seybold, einer der beiden<br />
Geschäftsführer, gehört zur fünften Generation<br />
der Unternehmerfamilie Seybold.<br />
1876 gründeten seine Vorfahren mit der<br />
„Gummi- und Gutta Percha-Handlung“<br />
ihre erste Firma im rheinischen Düren.<br />
Daraus ging unter anderem die H. Seybold<br />
GmbH & Co. KG hervor, ein mittelständisches<br />
und inhabergeführtes Unternehmen,<br />
das auf technische Konfektionen<br />
und industrielle Ausstattungen spezialisiert<br />
ist. Das Unternehmen erstellt Planen<br />
und Membranen für textile Bauten wie<br />
beispielsweise Veranstaltungspavillons<br />
oder Lagerzelte, ein gutes Ausgangsprodukt<br />
für die Entwicklung von Biogasmembrandächern.<br />
Seybold schildert die Anfänge der dbds:<br />
„Als sich die Biogasbranche 2008 und<br />
2009 in Deutschland erfolgreich etablierte,<br />
entstand bei meinem Onkel, Bernd<br />
Seybold, die Idee, dort mit der Fertigung<br />
von Dachsystemen aus Industriegewebe<br />
Fuß zu fassen.“ Mit dem langjährigen<br />
Partner VERSEIDAG als Industrietextilhersteller<br />
bestanden bereits bewährte Lieferantenbeziehungen,<br />
so dass beide die<br />
dbds GmbH als Joint Venture gründeten.<br />
Als Spezialisten ihres Faches hatten sie<br />
Christopher Seybold (rechts)<br />
und Simon Schmidt (links) in<br />
einer der Produktionsstätten<br />
in Düren.<br />
zuvor bestehende Biogasanlagen und<br />
deren Dächern genauer unter die Lupe<br />
genommen und die Stärken und Schwächen<br />
unterschiedlicher Ausführungen<br />
überprüft. Darauf aufbauend und mit Hilfe<br />
statischer Untersuchungen durch ihre<br />
Ingenieurpartner entwickelte die dbds<br />
GmbH ihre Standards.<br />
Christopher Seybold führt fort: „Sehr früh<br />
kristallisierte sich heraus, dass man sich<br />
auf das Angebot kompletter Systeme konzentrieren<br />
und neben dem eigentlichen<br />
Dach auch weitere Komponenten wie die<br />
Befestigung und das Stützluftsystem anbieten<br />
sollte. Dabei präferieren wir das<br />
Doppelmembrandach, das unter anderem<br />
Vorteile hinsichtlich des Gasspeichervolumens<br />
bietet. Von Anfang an war klar, dass<br />
wir auf eine geschraubte Befestigung der<br />
Dächer setzen müssen, was als ein Vorgriff<br />
auf Regelungen der TRAS 120 betrachtet<br />
werden kann. Des Weiteren war uns der<br />
Einsatz von langlebigen und korrosionsbeständigen<br />
Edelstahlbauteilen wichtig,<br />
wie beispielsweise einer Edelstahlmittelstütze.“<br />
Das Mutterunternehmen H. Seybold besitzt<br />
zwei Fertigungsstandorte in Düren,<br />
ein weiterer ist im Aufbau. Christopher<br />
Seybold und Simon Schmidt, der Vertriebsingenieur,<br />
stellen die Produktionsanlagen<br />
in Düren-Mariaweiler vor.<br />
Als erstes fallen die außergewöhnlichen<br />
Dimensionen der Arbeitstische ins Auge.<br />
Auf einem großen Zuschneidetisch wird<br />
das von VERSEIDAG hergestellte Flächenmaterial<br />
mit einer automatisierten<br />
Schneidanlage in einzelne Dachelemente<br />
aufgeteilt. Ein Mitarbeiter hat dabei<br />
ein Auge auf die Qualität der Membrane,<br />
ein PVC-beschichtetes Polyestergewebe.<br />
Es wurde speziell für die Anwendung als<br />
Fotos: Marie-Luise Schaller<br />
88
Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />
praxis<br />
Biogasspeicher entwickelt, ist schwer entflammbar<br />
und UV-beständig.<br />
Auf einem der vier riesigen Schweißtische<br />
fügen zwei Mitarbeiter die Einzelteile<br />
dann mittels Hochfrequenzschweißmaschine<br />
zu einem Membrandach zusammen.<br />
Mittels Wärme und Druck werden<br />
4 bis 10 Zentimeter breite durchgehende<br />
Schweißstöße erstellt, die eine sehr hohe<br />
Belastbarkeit aufweisen. Der Schweißvorgang<br />
wird kontinuierlich aufgezeichnet.<br />
Die gesamte Fertigung wird in einem Qualitätsmanagement<br />
in Anlehnung an die<br />
DIN EN ISO 9001 dokumentiert.<br />
Deutschland: Sanierungsmarkt<br />
im Fokus<br />
„Anfänglich hat dbds den<br />
deutschen Markt über Komplettanlagenbauer<br />
erschließen<br />
können, die Neuanlagen errichten“,<br />
setzt Seybold seine Ausführungen<br />
fort. Seit 2013, als<br />
das Geschäft in Deutschland<br />
rückläufig wurde, setzte das<br />
Unternehmen zusammen mit<br />
den Anlagenbauern auf internationale<br />
Absatzmärkte, vor allem<br />
Frankreich und zunehmend<br />
die USA, aber auch Japan oder<br />
Südkorea. In Deutschland widme<br />
man sich nun vermehrt dem<br />
Sanierungsmarkt.<br />
Der Austausch der Dächer im<br />
Bestand sei eine besondere Herausforderung,<br />
da sich individuell<br />
sehr unterschiedliche Verhältnisse und<br />
Besonderheiten auftun. Insgesamt sei die<br />
Auftragslage jedoch sehr gut, und Corona-<br />
Einbußen habe es bisher keine gegeben.<br />
In diesem Jahr sei ein eigenes Montageteam<br />
zusammengestellt worden, um auf<br />
Baustellenerfahrungen aus erster Hand<br />
zugreifen zu können.<br />
Bei all den positiven Entwicklungen gibt<br />
es jedoch auch bei dbds gewisse unternehmerische<br />
Risiken, die sich durch die<br />
massiv steigenden Einkaufspreise, aber<br />
auch durch den Mangel an geeigneten<br />
Fachkräften ergeben. Die Angebotsgestaltung<br />
wird aktuell angesichts der ungewissen<br />
Materialpreisentwicklung vor allem<br />
im Kunststoffbereich erschwert. Hier sei<br />
erforderlich, die richtigen Abwägungen zu<br />
treffen. „Denn es muss sich auch für den<br />
Kunden immer noch auszahlen, doch für<br />
manches Projekt ergeben sich durch die<br />
Preissteigerungen massive Verschlechterungen<br />
gegenüber den Vorplanungen,“<br />
meint Simon Schmidt.<br />
Angebot: Duales Studium<br />
Im Bereich der Fachkräfteentwicklung<br />
setzt die dbds auf das Angebot eines dualen<br />
Studiums. In Kooperation mit der<br />
Europäischen Fachhochschule in Brühl<br />
kann jungen Nachwuchskräften so ein<br />
attraktives Einstiegsmodell für die Berufskarriere<br />
geboten werden. Dabei können<br />
auch sehr interessante Bachelor- und<br />
Masterarbeiten zu Themen entwickelt<br />
werden, die für das Unternehmen von Relevanz<br />
sind. Ein solches Thema ist zurzeit<br />
zum Beispiel die Messung des Methangehalts<br />
in Membrandachzwischenräumen<br />
und die Bewertung der Dichtigkeit.<br />
„Als Komplettanbieter verstehen wir uns<br />
auch als Berater“, erläutert Christopher<br />
Seybold den Mehrwertansatz seiner Firma.<br />
Man sei stets darauf bedacht, dem<br />
Kunden einen durch Kosten-Nutzen-<br />
Analyse optimierten Ansatz oder gar eine<br />
günstigere Alternative zu bieten. Zudem<br />
sei die kontinuierliche Verbesserung der<br />
Produkte ein wichtiges Leitmotiv. So arbeite<br />
die Firma mit verschiedenen Forschungspartnern<br />
an Kooperationsprojekten<br />
für Materialverbesserungen.<br />
Bei der Zunahme an Anlagen für die Biogasaufbereitung<br />
werde die Energieeffizienz<br />
noch wichtiger, da dort in der Regel<br />
die BHKW und ihre Abwärme entfallen.<br />
Dbds verfolgt daher nicht nur Aspekte der<br />
Dichtigkeit und Methanschlupfüberwachung,<br />
sondern geht auch den Ansätzen<br />
für eine Effizienzsteigerung im Eigenenergiemanagement<br />
nach, wie durch den Einsatz<br />
von LowE-beschichteten Materialien<br />
zur Reduktion des Wärmedurchgangs im<br />
Dachsystem.<br />
Zukunftsprojekte<br />
Ein gerade zur Förderung bewilligtes Forschungsprojekt<br />
beschäftige sich mit der<br />
Möglichkeit der Isolation der Membrandächer.<br />
Es wird in Zusammenarbeit mit<br />
der Universität Karlsruhe durchgeführt.<br />
Andere Zukunftsprojekte behandeln die<br />
Schneeabräumung, die Integration von<br />
PV-Folien-Modulen oder die Speicherung<br />
von Wasserstoffverbindungen.<br />
Daher blicken die Geschäftsführer sehr<br />
zuversichtlich in die Zukunft. Das Jubiläumsjahr<br />
2021 verläuft positiv: Mit einer<br />
Schweißstoß der Hochfrequenzschweißmaschine.<br />
Produktion von etwa 220 Dachsystemen<br />
konnte der Umsatz um rund 30 Prozent<br />
im Vergleich zum Vorjahr gesteigert werden.<br />
Zudem wurde ein Großauftrag zur<br />
Lieferung von 32 Doppelmembrandächern<br />
vertraglich abgeschlossen. Insgesamt<br />
sieht Seybold die Weiterentwicklung<br />
sehr vielversprechend, die kontinuierlichen<br />
Innovationsbestrebungen werden<br />
sich auszahlen.<br />
Das ist nachvollziehbar, denn alle Aktivitäten<br />
helfen bei der Erfüllung der Vorgaben<br />
der EU, wie zum Beispiel bei den neuen<br />
Taxonomie-Bestimmungen, die einen<br />
Nachweis der Nachhaltigkeit fordern. Methan<br />
rückt dort als ein starkes Treibhausgas<br />
immer stärker in den Fokus. Daher soll<br />
Mitte Dezember als Teil eines Gaspakets<br />
eine Verordnung zur Verringerung der Methanemissionen<br />
verabschiedet werden.<br />
Hier bieten sich für die Biogasbranche<br />
steigende Herausforderungen, aber auch<br />
Chancen für die innovationsorientierten<br />
Unternehmen. System- und Komponentenhersteller<br />
leisten mit ihrer Kompetenz<br />
einen wesentlichen Beitrag zu Klimaschutz<br />
und Nachhaltigkeit und somit zur<br />
Akzeptanz der grünen Gase.<br />
Autorin<br />
Eur Ing Marie-Luise Schaller<br />
ML Schaller Consulting<br />
mls@mlschaller.com<br />
89
International<br />
Tamarah Swensen vor dem<br />
Aufbereitungscontainer.<br />
Niederlande<br />
Biogasaufbereitung mit CO 2 -Verwertung<br />
Die Biogasanlage WABICO im niederländischen Waalwijk ist ein Beispiel für eine umfassende Verwertung<br />
von Abfall- beziehungsweise Reststoffen in einer Biogasanlage. Dort wird neben Biomethan und dem<br />
Gärrest auch das bei der Biogasreinigung anfallende Kohlendioxid vermarktet. Die Verwertung von CO 2<br />
gewinnt zunehmend an Bedeutung. Denn sie ist nicht nur aus Klimaschutzsicht interessant: Nutzer, wie<br />
zum Beispiel Gärtnereien, haben aktuell CO 2<br />
-Beschaffungsprobleme.<br />
Von Eur Ing Marie-Luise Schaller<br />
In den Niederlanden gibt es mehr als<br />
270 Biogasanlagen. 169 Biogasanlagen<br />
mit einer Gesamtkapazität von<br />
194 Megawatt (MW) liefern Biogas<br />
für die Stromerzeugung. Darunter<br />
sind 157 Kombianlagen mit einer Gesamtkapazität<br />
von 447 MW, die Biogas für<br />
die Strom- und Wärmeerzeugung liefern.<br />
Ansonsten gibt es 23 Biogasanlagen, die<br />
nur der Wärmeproduktion dienen, darüber<br />
hinaus 15 Deponiegasanlagen mit einer<br />
Gesamtkapazität von 10 MW, die Biogas<br />
zur Stromerzeugung produzieren. Im Jahr<br />
2019 wurden 60 Anlagen registriert, die<br />
Biogas für die Produktion von Biomethan<br />
liefern.<br />
Der Ecopark von Waalwijk in der niederländischen<br />
Provinz Noord-Brabant ist einer<br />
der fortschrittlichsten Industriegebiete<br />
der Niederlande, wo die Erzeugung Erneuerbarer<br />
Energien ein wichtiges Merkmal<br />
ist. Eine Solarfreiflächenanlage auf einem<br />
Deich, mehrere Windenergieanlagen sowie<br />
eine Biogasanlage dienen der lokalen<br />
Energieversorgung. Errichter und Betreiber<br />
der Biogasanlage WABICO (Waalwijkse<br />
Biomassa Combinatie) ist HoSt, nach eigenem<br />
Bekunden der größte niederländische<br />
Lieferant von Bioenergiesystemen.<br />
Die Holding bestand im Oktober 2021<br />
bereits 30 Jahre. Biogasanlagen, Biomassevergaser,<br />
Biomasse-/Holzkessel und<br />
Biomasse-Blockheizkraftwerke (BHKW)<br />
mit Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) gehören<br />
zum Angebotsportfolio. Das Tochterunternehmen<br />
Bright Biomethane bietet<br />
die entsprechenden Aufbereitungstechnologien<br />
an. Die HoSt-Gruppe betreibt<br />
die Anlage sowohl kommerziell als auch<br />
als Reallabor, um im Produktionsalltag<br />
gezielt Praxiserfahrungen für die Entwicklung<br />
ihrer breiten Technologiepalette zu<br />
sammeln. Der Spatenstich war 2014, die<br />
Inbetriebnahme hat bereits im Jahr 2015<br />
stattgefunden. Die Anlage wurde danach<br />
mehrfach erweitert.<br />
Nachhaltige Wertschöpfung<br />
zu Ende gedacht<br />
Tamarah Swensen, die Kommunikationsmanagerin<br />
von Bright Biomethane, führt<br />
über die Anlage und stellt eingangs die<br />
Unternehmen vor. Wesentliches Merkmal<br />
der Unternehmen der HoSt-Gruppe<br />
ist der ganzheitliche Ansatz. Man verfüge<br />
über umfassende Erfahrungen in der<br />
Verarbeitung der verschiedensten Abfall-<br />
Fotos: Marie-Luise Schaller<br />
90
Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />
International<br />
ströme aus der Lebensmittelindustrie und von landwirtschaftlichen<br />
Reststoffen wie Stroh, Spreu und<br />
Gras. „Bright Biomethane strebt stets nach optimaler<br />
Verwertung der eingesetzten Stoffe, WABICO ist dafür<br />
ein Leuchtturmprojekt.“<br />
WABICO verwertet dementsprechend ausschließlich<br />
Reststoffe wie pflanzliche Abfälle, Flotationsschlämme<br />
und entpackte Supermarktabfälle. Mittels anaerober<br />
Vergärung erzeugt die Anlage damit bis zu 2.000<br />
Normkubikmeter (Nm³) Rohbiogas pro Stunde (h). In<br />
einer Membrananlage wird dieses zu Biomethan aufbereitet.<br />
Die Aufbereitungskapazität beträgt 1.200<br />
Nm³/h, wobei die Qualität den für niederländische<br />
Netze geltenden Anforderungen für Gase mit niedrigerem<br />
Heizwert entspricht. Jährlich werden rund 10<br />
Millionen (Mio.) Nm³ ins Erdgasnetz eingespeist.<br />
Die Gärreste werden entwässert und als Kompost verwertet.<br />
Mit der Errichtung eines weiteren Fermenters<br />
und eines Nachgärers sowie einer größeren Aufbereitung<br />
wurde ein biologisches Wasserreinigungssystem,<br />
der sogenannte „Sequencing Batch Reactor“<br />
(SBR), hinzugefügt. Das gereinigte Wasser wird in die<br />
Kanalisation eingeleitet. Außerdem wurden externe<br />
Wärmetauscher installiert, um die Eigenenergiebilanz<br />
zu optimieren. Dieses innovative Wärmerückgewinnungssystem<br />
der Biogasaufbereitung deckt die<br />
Wärmeversorgung der Fermenter. Ein weiteres<br />
fortschrittliches Plus: Das aus dem Biogas<br />
entfernte Kohlendioxid wird nicht in die Atmosphäre<br />
abgeleitet, sondern in einem<br />
weiteren Verfahrensschritt aufgefangen<br />
und verflüssigt. Somit erzeugt<br />
und vermarktet die Anlage drei<br />
Produkte: Biomethan, Gärdünger<br />
und Kohlendioxid.<br />
Kompakte Containermodule<br />
Alle Baugruppen werden bei Bright<br />
Biomethane in kompakter modularer<br />
Containerbauweise ausgeführt. Damit<br />
können die Anlagen schnell errichtet und<br />
in Betrieb genommen werden, da keine Gebäude<br />
erstellt werden müssen. Die Aufbereitungseinheit<br />
umfasst: Kompressor, Membranen, Bedientafel, Wärmerückgewinnungssystem,<br />
Odorierung und Analyse-<br />
Einrichtung. Alle Elemente werden in drei Containern<br />
in unmittelbarer Nachbarschaft zu den Gärbehältern<br />
untergebracht. Dabei besitzt die Membrananlage aktuell<br />
noch ein dreifaches Erweiterungspotenzial.<br />
Das dort aufgefangene Kohlendioxid wird über einen<br />
ölfreien zweistufigen Kompressor zu zwei Aktivkohlefiltern<br />
geleitet, die restliche Verunreinigungen<br />
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91
International<br />
Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />
WABICO: CO 2<br />
-Tanks und<br />
Abtransport im Lkw.<br />
die mit CO 2<br />
arbeiten. Tamarah Swensen weist<br />
auf die guten Absatzchancen hin. Im vergangenen<br />
Jahr sei es durch den Ausfall von zwei<br />
sehr großen CO 2<br />
-Produktionsanlagen zu einer<br />
Mangelsituation gekommen. Die Aufnahme<br />
der Produktion in zahlreichen kleineren Biogasanlagen<br />
würde auch den Vorteil einer größeren<br />
Unabhängigkeit von Markt beherrschenden<br />
Großproduzenten schaffen.<br />
Jeffrey Kruit, ehemaliger Planungsingenieur<br />
und jetziger Verkaufsingenieur bei Bright Biomethane,<br />
informiert im Marketing-Jargong:<br />
„Bright Biomethane verbessert auf WABICO<br />
seine Technologien kontinuierlich und in signifikantem<br />
Umfang, sei es hinsichtlich der<br />
Vergärung unterschiedlicher Abfallstoffe, der<br />
Gärrestbehandlung oder bei der Biogasaufbereitung<br />
und nun bei der CO 2<br />
-Verflüssigung.“<br />
Drohnenaufnahme<br />
WABICO (Waalwijkse<br />
Biomassa Combinatie).<br />
und Geruchsstoffe eliminieren. Das gefilterte Gas<br />
durchläuft einen automatisierten Molekularsiebtrockner,<br />
der die Restfeuchte entfernt. Von dort wird<br />
es zum CO 2<br />
-Verflüssiger geleitet. Während CO 2<br />
im<br />
Verflüssiger kondensiert, bleiben die Spuren nicht<br />
kondensierbarer Gase wie Sauerstoff, Methan und<br />
Stickstoff gasförmig. Sie werden im Strippturm entfernt<br />
und wieder zur Membranaufbereitung zurückgeführt.<br />
„Hiermit erreicht die Anlage einen außergewöhnlich<br />
niedrigen Methan-Schlupf“, erläutert<br />
Tamarah Swensen. Das reine flüssige CO 2<br />
fließt in<br />
isolierte Speichertanks.<br />
Wertstoff für Lebensmittel- und<br />
Getränkeproduktion<br />
Die Anlage erzeugt flüssiges Kohlendioxid mit einer<br />
Menge von 600 Kilogramm pro Stunde, das eine<br />
Reinheit von mehr als 99,97 Prozent besitzt und damit<br />
lebensmitteltauglich ist. Es wird in Tankwagen zu<br />
den Abnehmern abtransportiert. Das sind zum Beispiel<br />
Gewächshäuser, in denen das CO 2<br />
als Pflanzendünger<br />
eingesetzt wird. Es kann aber auch in Kühlanlagen<br />
in der Lebensmittel- und Getränkeproduktion<br />
oder in Schlachthäusern zum Einsatz kommen. Darüber<br />
hinaus gibt es Abwasserbehandlungsmethoden,<br />
CO 2<br />
-Verflüssigung: ab 500 Nm³/h<br />
lohnend<br />
Die Nutzung von CO 2<br />
als Einsatzstoff perfektioniert<br />
den Ansatz der Kreislaufwirtschaft bei<br />
der Biomethanerzeugung und eröffnet neue<br />
Wertschöpfungsmöglichkeiten für Anlagenbetreiber.<br />
Nach derzeitigem Stand könne sich<br />
eine CO 2<br />
-Verflüssigung bereits bei Biogasanlagen<br />
ab einer Kapazität von 500 Nm³/h lohnen,<br />
so Kruit. Die individuellen Rahmenbedingungen<br />
des Standortes seien entscheidend, wie<br />
zum Beispiel der Marktpreis für CO 2<br />
.<br />
Inzwischen habe man eine eigene CO 2<br />
-Verflüssigungsanlage<br />
entwickelt und biete als Komplettanlagenbauer<br />
alles aus einer Hand. Sechs derartige<br />
Anlagen seien aktuell in Arbeit. Zudem arbeite das<br />
Unternehmen an einem eigenen LNG-Verflüssiger,<br />
um das Angebotsportfolio zu vervollständigen. Darüber<br />
hinaus sei angedacht, auch in die Wasserstofferzeugung<br />
einzusteigen, wofür Bright Biomethane<br />
derzeit verschiedene Konzepte untersuche.<br />
Alles in allem zeigt sich, dass der CO 2<br />
-Abdruck<br />
durch kontinuierliche technologische Fortschritte<br />
und konsequent in die Praxis umgesetzte Pilotprojekte<br />
verbessert werden kann. Langfristig werden<br />
Technologien zur Gewinnung von CO 2<br />
aus Abgasen<br />
oder der Luft und die anschließende Verwertung entscheidend<br />
für den Klimaschutz sein. Aber schon der<br />
aktuell herrschende Mangel an CO 2<br />
kann Anlagenbetreiber<br />
bewegen, über dieses zusätzliche Produkt<br />
nachzudenken.<br />
Autorin<br />
Eur Ing Marie-Luise Schaller<br />
ML Schaller Consulting<br />
mls@mlschaller.com<br />
Fotos: Marie-Luise Schaller (oben), Bright Biomethane<br />
92
Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />
International<br />
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93
International<br />
Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />
London<br />
GroSSbritannien<br />
Schon 10 Biogasanlagen<br />
produzieren „Grünes CO 2<br />
“<br />
Großbritannien hat Potenzial, ein gut ausgebautes Gasnetz und Mut zur Innovation.<br />
Doch in der Strategie der britischen Regierung gegen die Klimakrise findet Biogas<br />
kaum statt. Zudem setzen der Brexit und stark steigende Rohstoffpreise der Branche<br />
zu. Trotzdem lohnt der Blick auf die Insel.<br />
Von Klaus Sieg<br />
Hecken, schmale Straßen, sanfte Hügel<br />
und grüne Wiesen, auf denen noch der<br />
Raureif einer kalten Novembernacht<br />
liegt. Cottages mit markanten Schornsteinen<br />
und anglikanische Kirchen aus<br />
Naturstein ziehen vorbei. In den Dörfern Pubs mit<br />
Namen wie The Crown, Hunter‘s Room oder Three<br />
Horsehoes, gepflegte Rasenflächen, Stechpalmen<br />
sowie rote Telefonzellen und Briefkästen aus Gusseisen.<br />
Der idyllische Südwesten Englands ist ein<br />
Hort britischer Tradition. Angeblich steht hier, in der<br />
Grafschaft Dorset, der ältesten Briefkasten des Vereinigten<br />
Königreichs. Eine der innovativsten Biogasanlagen<br />
Großbritanniens würde man in diesem Teil des<br />
Landes nicht unbedingt erwarten.<br />
Einfach zu finden ist die Rainbarrow Farm nicht. Sie<br />
versteckt sich in einer Senke, die aus Rücksicht auf<br />
das Landschaftsbild beim Bau ausgebaggert werden<br />
musste, so wie es auch in vielen anderen Regionen<br />
auf der Insel vorgeschrieben ist.<br />
„Wir waren die erste Anlage mit Biogasaufbereitung<br />
und Einspeisung in Großbritannien“, sagt der technische<br />
Leiter Sebastian Ganser bei der Begrüßung.<br />
Die Reinigung mit Membranen war damals ein Prototyp.<br />
Das erste Biomethan wurde am 11. Oktober<br />
2012 eingespeist. „Heute versorgen wir im Winter<br />
9.000 Haushalte im benachbarten Poundbury.“ Ganser<br />
blickt nickend in Richtung Norden. Stünde die<br />
Biogas-Anlage nicht in besagter Senke, könnte man<br />
dort vielleicht am Rande der Stadt Dorchester den<br />
Ortsteil Poundbury sehen.<br />
Die Modellstadt aus überwiegend klassizistischen<br />
Gebäuden folgt Grundsätzen nachhaltiger Gestaltung<br />
und Entwicklung, die der britische Thronfolger Prinz<br />
Charles entworfen hat. Prinz Charles war auch maßgeblich<br />
an der Entwicklung des baulichen Konzeptes<br />
beteiligt. Ein Teil davon ist die Auflage, dass mindestens<br />
20 Prozent der in Poundbury verbrauchten<br />
Energie aus erneuerbaren Quellen stammen muss.<br />
Fotos: Martin Egbert<br />
94
Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />
International<br />
Oben links: Speichertanks für grünes CO 2<br />
.<br />
Unten: Der Tanklaster kommt auf die Rainbarrow<br />
Farm fast jeden Tag, weil die Nachfrage nach<br />
„Grünem CO 2<br />
“ hoch ist.<br />
Prinz Charles an Biogasanlage beteiligt<br />
Dank der Rainbarrow Farm sind es mittlerweile 40<br />
Prozent, vor allem durch das Biomethan, aber auch<br />
durch den überschüssigen Strom aus dem Blockheizkraftwerk<br />
der Farm, das ansonsten vor allem für den<br />
Eigenbedarf der Biogasanlage produziert. Der Thronfolger<br />
ist auch wichtigster Anteilseigner der JV Energen,<br />
der Betreiberin der Biogasanlage, neben vier<br />
Farmern aus der Umgebung.<br />
Von deren 1.800 Hektar Land stammt das Substrat<br />
aus Roggen und Hafer als Ganzpflanzensilage sowie<br />
Mais. „Die Böden hier sind sehr kreidehaltig.“ Sebastian<br />
Ganser zeigt auf die Kante der Senke,<br />
die einen guten Blick in das Bodenprofil<br />
bietet. „Das beschränkt den Anbau von<br />
Mais.“ Anfangs bestand ein Viertel des<br />
Substrates aus Lebensmittelabfällen,<br />
unter anderem von einem Müslihersteller<br />
und einer Schokoladenmanufaktur aus<br />
der Umgebung. „Um den Methanertrag<br />
zu steigern, haben wir das aber geändert, zumal die<br />
lokalen Lebensmittelproduzenten ihren Betrieb eingestellt<br />
haben“, erklärt Ganser.<br />
Eine Tonne Lebensmittelabfälle bringt einen Ertrag<br />
von 120 Kubikmeter Biogas, der energiereiche Mais<br />
hingegen 210 Kubikmeter. Mit der Umstellung auf<br />
ausschließlich nachwachsende Rohstoffe und einigen<br />
technischen Veränderungen konnten die Betreiber<br />
ihre Einspeiseleistung von 365 Kubikmeter<br />
pro Stunde auf 450 Kubikmeter steigern. Seit einer<br />
Erweiterung der Anlage im vergangenen Jahr speist<br />
diese nun 650 Kubikmeter stündlich ein.<br />
Allein die Membranen<br />
für die Aufbereitung<br />
von Biogas zu Biomethan<br />
kosten einige<br />
Tausend Euro.<br />
95
International<br />
Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />
Vor seiner Lagerung in den<br />
Außtentanks muss das CO 2<br />
gekühlt und komprimiert werden.<br />
Blooming Amazing,<br />
der Dünger aus den<br />
Gärresten der Rainbarrow<br />
Farm, ist in<br />
vielen Gartencentern<br />
präsent.<br />
„Wir streben einen<br />
Club von Erzeugern von<br />
Green CO 2<br />
an“<br />
Sebastian Ganser<br />
Mitbetreiber Nick Finding hat die Entwicklung<br />
der eigenen Düngermarke maßgeblich<br />
vorangetrieben.<br />
CO 2<br />
-Gewinnungsanlage in Betrieb<br />
genommen<br />
Wie die Idealstadt Poundbury hat auch die Biogasanlage<br />
der Rainbarrow Farm Modellcharakter. Das<br />
Vorantreiben grüner Ideen hat Vorrang. „Wir bringen<br />
die Anlage alle zwei bis drei Jahre auf ein neues Level<br />
– das ist sehr spannend“, berichtet Ganser, der<br />
vor seiner Anstellung in Dorset vor sieben Jahren bei<br />
Agrarferm in Pfaffenhofen gearbeitet hat, dem Erbauer<br />
der Biogasanlage der Rainbarrow Farm. Wie<br />
zum Beweis fährt hinter Ganser ein Tanklastzug an<br />
die erst vor wenigen Monaten eröffnete Abscheideund<br />
Lageranlage für CO 2<br />
, deren blitzblanke Tanks in<br />
der Morgensonne funkeln. Auch der Beton der Rampe<br />
leuchtet noch sauber und hell. Mit einem lauten<br />
Zischen schließt der Fahrer den Lastzug zur Befüllung<br />
an.<br />
Fast umgerechnet 2,4 Millionen Euro hat die CO 2<br />
-<br />
Aufbereitung inklusive der Lagertanks sowie einer eigenen<br />
Zertifizierungseinheit gekostet. Die Investition<br />
soll den wirtschaftlichen Betrieb der Biogasanlage<br />
sichern, auch dann noch, wenn die Einspeiseförderung<br />
in elf Jahren auslaufen wird. „Wir sind 2012 mit<br />
einer Vergütung von komfortablen 16,6 Eurocent pro<br />
Kilowattstunde (kWh) Biomethan gestartet“, erklärt<br />
Ganser. Eine heute ans Netz angeschlossene Anlage<br />
muss nach dem Green Gas Support Scheme der<br />
britischen Regierung mit knapp 6 Eurocent pro kWh<br />
auskommen.<br />
Auf diese 6 Eurocent kommt der aktuelle Marktpreis<br />
für Gas. Der beträgt gerade rund 8 Eurocent pro kWh.<br />
Eine neue Anlage erzielt in diesem Jahr also rund 14<br />
Eurocent pro kWh. Damit lässt es sich leben. Letztes<br />
Jahr aber lag der Marktpreis bei gerade einmal 0,6<br />
Eurocent pro kWh. Damit lässt es sich nicht leben.<br />
Die Lagerung und Vermarktung von CO 2<br />
regelt eine<br />
britische Vorgabe, die den Klimagas-Fußabdruck der<br />
Anlagen begrenzt. In die jährliche Bilanzierung für<br />
die Regulierungsbehörde Ofgem fließen der Dieselverbrauch<br />
der Anlieferung von Substrat ebenso ein<br />
wie der Einsatz von Dünger – und eben auch der Ausstoß<br />
von CO 2<br />
bei der Biogas-Aufbereitung.<br />
Auch deshalb lagern und verkaufen mittlerweile von<br />
den 90 in das Erdgasnetz einspeisenden Anlagen<br />
Großbritanniens bereits zehn ihr CO 2<br />
, anstatt es in<br />
96
Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />
International<br />
die Atmosphäre auszustoßen. Die meisten davon<br />
vermarkten es als Green CO 2<br />
über den französischen<br />
Gasgiganten Air Liquide. Nicht so Rainbarrows JV<br />
Energen. Mit Biocarbonics hat das Konsortium ein<br />
weiteres Joint Venture gegründet, um das Green CO 2<br />
direkt zu vermarkten. „Wir streben einen Club von<br />
Erzeugern von Green CO 2<br />
an“, sagt Ganser. Zurzeit<br />
versorgt Biocarbonics eine Cidre-Brauerei sowie eine<br />
Obstfarm in der Nachbarschaft, die CO 2<br />
als Dünger in<br />
ihren Gewächshäusern einsetzt.<br />
Das in der Lebensmittelbranche vielfältig benötigte<br />
CO 2<br />
ist auf der Insel ein hochgefragtes Gut. Kürzlich<br />
scheuchten die Boulevardblätter ihre Leser mit der<br />
Ankündigung auf, dass es wegen der Knappheit an<br />
CO 2<br />
bald kein Bier mehr gebe. Der Hintergrund: CO 2<br />
ist ein Nebenprodukt der Düngemittelherstellung, die<br />
auf der Insel vor allem in zwei Fabriken stattfindet,<br />
die der US-amerikanischen Firma CF Industries gehören.<br />
Diese hatten wegen der hohen Energiepreise<br />
vorübergehend ihre Produktion an andere Standorte<br />
verlagert.<br />
Erst die Zusicherung vieler Millionen Pfund aus Steuergeldern,<br />
die genaue Summe wurde nicht bekanntgegeben,<br />
ließ den Konzern die Produktion wieder<br />
aufnehmen. Der Preis für CO 2<br />
aber bleibt hoch. Zurzeit<br />
kann man 350 bis 450 Euro pro Tonne erzielen,<br />
anstatt den vorher üblichen 120 Euro.„Wir haben die<br />
Anlage also zur richtigen Zeit in Betrieb genommen“,<br />
zeigt sich Sebastian Ganser zufrieden.<br />
CO 2<br />
für Lebensmittelindustrie<br />
Pro Stunde produziert die Anlage von Biocarbonics<br />
700 bis 750 Kilogramm Green CO 2<br />
. Aufgrund seiner<br />
Reinheit von 99,7 Prozent ist dieses tauglich für den<br />
Einsatz in Lebensmitteln und nicht nur als Dünger in<br />
Gewächshäusern. Die beiden Tanks, in denen das CO 2<br />
unter einem Druck von 20 bar bei einer Temperatur<br />
von minus 20 Grad Celsius lagert, fassen die Produktion<br />
von vier Tagen. „Viel lagern können wir also<br />
nicht“, weiß Sebastian Ganser. Müssen sie aber auch<br />
nicht. „Was nicht an die beiden festen, vertraglich<br />
gebundenen Abnehmer geht, verkaufen wir immer<br />
schnell auf dem freien Markt.“<br />
Auch was Dünger angeht, hat die Rainbarrow Farm<br />
eine Alternative zu bieten. Mit einem Dünger aus den<br />
Gärresten konnten die vier Farmer auf ihren eigenen<br />
Feldern die Erträge um zwei bis vier Prozent steigern<br />
und zwei Drittel gekauften Mineraldünger einsparen.<br />
Und der hohe Anteil organischer Masse verbessert<br />
nachhaltig die Böden. Als Mulch sorgt er für Feuchtigkeit.<br />
Vor allem aber hat die Rainbarrow Farm mit<br />
der Entwicklung der Dünger-Marke Bloomin Amazing<br />
ein weiteres zukunftsweisendes Produkt erarbeitet.<br />
In einem der Ställe des ehemaligen Milchviehbetriebes<br />
der Farm rattert eine Verpackungsanlage. Pro<br />
Stunde stapelt ein Roboter über 400 grünbraune Säcke<br />
je 50 Liter beziehungsweise 10 Kilogramm auf<br />
Paletten. Sie werden an Gartencenter in England,<br />
Schottland und Wales geliefert. Von den 12.000<br />
Tonnen Gärrest pro Jahr gehen immerhin mittlerweile<br />
3.000 Tonnen diesen Weg. Weitere 3.000 Tonnen<br />
verkauft die Farm an ein lokales Kompostwerk.<br />
Gärdünger für 450 Gartencenter<br />
„Wir haben sehr viel Zeit und Geld in die Entwicklung<br />
der Marke gesteckt“, sagt Nick Finding, einer der an<br />
der Biogasanlage beteiligten Farmer. Finding hat die<br />
Herstellung und Vermarktung des Düngers maßgeblich<br />
vorangetrieben. „Am Anfang, vor drei Jahren,<br />
belieferten wir drei Gartencenter, heute sind es 450,<br />
dazu zählen die Filialen der wichtigsten Ketten.“<br />
Beim Boom geholfen hat der Trend zum Gärtnern<br />
während der Covid-19-Pandemie. Ein Sack kostet im<br />
Handel umgerechnet rund 7 Euro. Selbst wenn das<br />
nicht viel Marge verspricht, weiß Finding um<br />
Oben: Leitungsverlegung<br />
in Attleborough,<br />
eine der beiden<br />
aktuellen Baustellen<br />
von Bioconstruct in<br />
Großbritannien.<br />
Unten: In Evercreech<br />
sind bereits die<br />
Entschwefelungsnetze<br />
über die Fermenter<br />
gespannt.<br />
97
International<br />
Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />
Das Lager für komprimiertes Biomethan<br />
im Busdepot von Nottingham.<br />
Entpackung und Befüllung auf der Bore Hill Farm, eine<br />
der ersten Anlagen in England für Lebensmittelabfälle.<br />
den entscheidenden Vorteil: „Wir verkaufen unsere<br />
Reststoffe, anstatt sie gegen Bezahlung entsorgen zu<br />
müssen.“<br />
Großbritannien hat also vielversprechende Ansätze<br />
zu bieten. Aber nutzt das Land sein Potenzial für grüne<br />
Energie ausreichend? Bis 2050 will das britische<br />
Königreich klimaneutral werden, etwa indem bereits<br />
2024 das letzte Kohlekraftwerk abgeschaltet wird.<br />
Atomstrom soll als Übergangstechnologie die Lücke<br />
schließen. Gleichzeitig will man das „Saudi-Arabien<br />
der Windenenergie“ werden. Bis 2030 soll die aktuelle<br />
Windkraftleistung von 10 Gigawatt vervierfacht<br />
werden, vor allem durch den Ausbau der Offshore-<br />
Windkraft. Biogas kommt bisher wenig in der Strategie<br />
der konservativen Regierung vor.<br />
Anlässlich der Weltklimakonferenz COP26 in Glasgow<br />
forderte der britische Biogasverband Anaerobic<br />
Digestion and Bioresources Association (ADBA) mehr<br />
Unterstützung für eine Technologie, die nach seiner<br />
Einschätzung für 6 Prozent der bis 2030 geplanten<br />
Klimagas-Reduktion sorgen könnte.<br />
Biomethan rechnerisch für 1,3 Millionen<br />
Haushalte<br />
Bislang tragen die 685 Biogasanlagen Großbritanniens<br />
gerade einmal zu einem Prozent zur Reduktion<br />
bei. Sie produzieren 16 Terawattstunden Biogas<br />
pro Jahr. Ein Teil wird als aufbereitetes Biomethan<br />
ins nationale Netz eingespeist, um für Wärme und<br />
Kraftstoff genutzt zu werden. Rein rechnerisch wür-<br />
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Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />
International<br />
Gary Mason hat bei Nottingham City<br />
Transport einen Großteil der Doppeldeckerflotte<br />
auf Biomethan umgestellt.<br />
Der bereits vielfach ausgezeichnete<br />
Thomas Minter ist einer der Pioniere<br />
der britischen Biogasbranche.<br />
Die Erträge der Bore Hill Farm zeigen, dass<br />
sich ständige Optimierung lohnt.<br />
de dieser Anteil zurzeit für 1,3 Millionen britische<br />
Haushalte ausreichen. Würde das Potenzial voll ausgeschöpft,<br />
ließen sich damit jedoch 6,4 Millionen<br />
Haushalte versorgen.<br />
Anstatt aber diese bereits entwickelte Technologie zu<br />
fördern, hat die britische Regierung die Einspeisetarife<br />
für Strom aus Biogas gestrichen und sie für die<br />
Methaneinspeisung immer weiter heruntergefahren.<br />
Auch die Verkehrsemissionen ließen sich mit Biomethan<br />
senken. Der Verkehr ist mit 27 Prozent der<br />
Sektor mit dem höchsten Anteil der Klimagasemission<br />
Großbritanniens. Lkw und Busse verantworten<br />
davon ein Fünftel. Mit Biomethan könnte dieser Anteil<br />
nach Angaben des ADBA um 38 Prozent gesenkt<br />
werden.<br />
„Kommunen und große Einzelhändler nutzen bereits<br />
erfolgreich mit Biomethan betriebene Fahrzeugflotten,<br />
um ihren Betrieb zu dekarbonisieren – warum unterstützen<br />
die politischen Entscheidungsträger diese<br />
Option nicht stärker?“, fragt Charlotte Morton. Die<br />
Vorsitzende des ADBA bemängelt einen fehlenden<br />
gesetzlichen Rahmen, zu wenig Unterstützung durch<br />
Förderungen sowie Chaos in der Regierung. „Minister<br />
haben angekündigt, die Produktion von Biogas<br />
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International<br />
„Die<br />
Betriebskosten sind<br />
gleich zum Diesel, das wird<br />
sich jedoch ändern bei den<br />
rasant steigenden<br />
Kraftstoffpreisen“<br />
Gary Mason<br />
bis 2030 verdreifachen zu wollen, im aktuellen Plan<br />
zur Dekarbonisierung des Transportsektors kommt<br />
Anaerobic Digestion noch nicht einmal vor.“<br />
Nottingham – Stadt der Biogasbusse<br />
Dabei gibt es sehr erfolgreiche Beispiele. Eines lässt<br />
sich in der mittelenglischen Stadt Nottingham besichtigen.<br />
„Unsere Biomethan betriebenen Doppeldeckerbusse<br />
vermeiden 8.000 Tonnen CO 2<br />
-Emissionen<br />
pro Jahr im Vergleich zu Diesel betriebenen<br />
Fahrzeugen der Euro Norm 6“, sagt Gary Mason,<br />
technischer Leiter von Nottingham City Transport.<br />
„Hinzu kommt die Vermeidung von 81 Tonnen Stickoxiden<br />
sowie 1,6 Tonnen Feinstaub.“<br />
Hinter Mason herrscht reger Betrieb im Busdepot der<br />
Stadt. In dem Asphalt des Hofes sind noch alte Straßenbahnschienen<br />
auszumachen. Das Gebäude wurde<br />
1926 gebaut. Nun stehen hier moderne Füllstationen<br />
für Biomethan und eine Anlage zur Kompression.<br />
„Das Gas kommt mit einem Druck von 25 Millibar aus<br />
100
Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />
Dem öffentlichen Nahverkehr im bunten Nottingham verhilft Biogas zu einem<br />
neuen Image. Wo früher Straßenbahnen parkten, steht heute eine hochmoderne Anlage<br />
zur Befüllung der Busse. Für die Mitarbeiter ist der Umgang mit den gasbetriebenen<br />
Bussen längst Routine.<br />
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Meßstellen (44. BlmSchV.)<br />
*<br />
SSM 6000 ECO<br />
*<br />
*<br />
dem Netz,“ erklärt Mason. „Wir komprimieren<br />
es auf 300 bar, damit die Busse<br />
eine Reichweite von 250 Meilen (rund<br />
400 Kilometer) haben, das genügt für<br />
den Schnitt von täglich 150 Meilen.“<br />
Es ist 19.00 Uhr. Die meisten Bus-Linien<br />
der Universitätsstadt werden nun<br />
ausgedünnt. Entsprechend viele Busse<br />
kommen zum Auftanken an eine der fünf<br />
Füllstationen. Fahrer in schwarzen Uniformen<br />
unter ihren Sicherheitswesten<br />
klettern mit müden Gesichtern aus den<br />
Bussen. Das Fahrverhalten der mit Gas<br />
betriebenen Busse sei ruhiger, berichten<br />
die meisten, was sie selbst und die<br />
Passagiere sehr zu schätzen wüssten. Die<br />
ersten Biomethan-Busse hat Gary Mason<br />
2017 in Betrieb genommen.<br />
Seit 2019 laufen 120 Doppeldeckerbusse<br />
von Nottingham City Transport damit.<br />
Im Februar <strong>2022</strong> kommen weitere 23<br />
hinzu. „Dann fährt die Hälfte unserer gesamten<br />
Doppeldecker-Flotte mit grünem<br />
Gas“, freut sich Gary Mason. Nottingham<br />
ist die britische Stadt mit der größten<br />
Biogas-Doppeldeckerflotte in Großbritannien,<br />
dicht gefolgt von Bristol mit 100<br />
Doppeldeckern.<br />
Und die Kosten? Die zum Teil von der Regierung<br />
bezuschusste Infrastruktur hat<br />
umgerechnet 3 Millionen Euro gekostet.<br />
Nicht viel im Vergleich zu den Anschaffungskosten<br />
von 300.000 Euro für einen<br />
Diesel-Doppeldecker. Die Umrüstung pro<br />
Bus wiederum kostet rund 50.000 Euro.<br />
„Die Betriebskosten sind gleich zum<br />
Diesel, das wird sich jedoch ändern bei<br />
den rasant steigenden Kraftstoffpreisen,<br />
dann kommen wir mit Biogas wahrscheinlich<br />
deutlich günstiger weg“, sagt Gary<br />
Mason.<br />
Trotzdem will er mit dem Versorger Air Liquide<br />
um einen Anteil an den Einnahmen<br />
aus den CO 2<br />
-Zertifikaten verhandeln, von<br />
denen Nottingham City Transport bisher<br />
nichts abbekommt. Zurzeit stammt<br />
das Biomethan für die Busse aus einer<br />
Anlage in dem gut 240 Kilometer entfernten<br />
Gloucester. Solcherart bilaterale<br />
Vereinbarungen zwischen Erzeuger und<br />
Verbraucher sind in Großbritannien möglich.<br />
Bald soll das Gas aus einer Anlage<br />
direkt bei Nottingham stammen, die mit<br />
Brauereiresten und Lebensmittelabfällen<br />
betrieben wird. „Dann schließt sich ein<br />
noch kleinerer Kreislauf “, sagt Gary Mason.<br />
Um die Nutzung von organischen Abfällen<br />
in Biogasanlagen zu fördern, erhalten<br />
die Betreiber nur den im Green Gas<br />
Support Scheme festgelegten Fördertarif,<br />
wenn sie die Hälfte des Methans aus<br />
Lebensmittelabfällen gewinnen. Nach<br />
Berechnungen des ADBA werden zurzeit<br />
45 Millionen Tonnen organischer Abfälle<br />
in Biogasanlagen genutzt. Mit 170<br />
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Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />
Millionen Tonnen wäre das Potenzial fast viermal so<br />
hoch. Thomas Minter ist eine Art Pionier der nachhaltigen<br />
Nutzung von organischen Abfällen. Minter<br />
kommt aus der Immobilienbranche. Zum Biogas ist<br />
er über das Thema nachhaltiges Bauen gekommen.<br />
Bore Hill Farm – erste britische<br />
Bioabfallanlage<br />
„Unsere Anlage war eine der ersten in Großbritannien,<br />
die ausschließlich mit organischen Abfällen<br />
lief“, so Minter. Er steht auf dem Hof der vielfach<br />
ausgezeichneten Bore Hill Farm. Seine Anlage mit<br />
zwei 400 Kubikmetern großen Fermentern und einem<br />
300 Kubikmeter großen Vorhaltetank liefert seit<br />
2012 Methan. Die organischen Abfälle bezieht Minter<br />
von Molkereien, Schlachthöfen oder Lebensmittelbetrieben<br />
aus einem Umkreis von 80 Kilometern.<br />
Organische Siedlungsabfälle verwertet er nicht mehr.<br />
Der Grund dafür ist in seinem Büro zu besichtigen:<br />
Auf der Bank des Fensters mit Blick in die Halle mit<br />
der Entpackungsmaschine liegen Eisenketten, Plastikstücke,<br />
Stofftiere, Batterien und Turnschuhe. „Der<br />
Aufwand, das alles herauszutrennen, war zu hoch.“<br />
Anfangs gingen 17.000 Tonnen Abfall pro Jahr durch<br />
die Fermenter, heute sind es fast doppelt so viele.<br />
Die Verweildauer beträgt 30 bis 34 Tage. „Das haben<br />
wir durch die ständige Optimierung der Prozesse geschafft“,<br />
sagt Minter und nestelt an dem Funkgerät,<br />
das an seine gelben Sicherheitsweste geklippt ist.<br />
Zum Beispiel wird alle 15 Minuten neues Substrat<br />
in die Anlage gefüllt. „Das trainiert die Bakterien und<br />
fördert die Gasproduktion.“<br />
Ständig verbessern Minter und seine Mitarbeiter<br />
die Vorbereitung und Mischung der verschiedenen<br />
Substrate, die Effizienz der Pumpen und viele andere<br />
Dinge mehr. Das dankt die Anlage ihnen mit einem<br />
Methangehalt im Gas von 60 bis 64 Prozent.<br />
Damit betreibt Minter zwei Blockheizkraftwerke. Den<br />
erzeugten Strom speist er ein. Vor kurzem hat eine<br />
Studie der University of Bath nachgewiesen, dass die<br />
Stromerzeugung auf der Borehill Farm nicht nur kein<br />
Klimagas verursacht, sondern etwa 200 Gramm CO 2<br />
pro erzeugter kWh einspart.<br />
Anfangs bekam Minter für diesen Strom 19 Eurocent<br />
pro kWh, jetzt sind es noch 7. Die Biogas-Überschüsse<br />
der Anlage würden eine Erweiterung der Stromproduktion<br />
erlauben. Seit die Regierung die Fördertarife<br />
für elektrische Energie aus Biogas gestrichen hat,<br />
müssen Neuanlagen mit dem Marktpreis auskommen.<br />
„Zurzeit ist der zwar ganz gut, das aber ist sehr<br />
unsicher.“ Eine Einspeisemöglichkeit ins Gasnetz<br />
gibt es nicht in der Nähe der Borehill Farm. Zudem<br />
„Ein Produktionsprozess mit unzäh-<br />
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Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />
International<br />
erfordert die Aufbereitung hohe Investitionen. Deshalb<br />
fackelt Minter seine Überschüsse bislang ab. So<br />
werden wertvolle Ressourcen nicht genutzt.<br />
Großunternehmen, Banken und<br />
Aktiengesellschaften treten neuerdings als<br />
Investoren auf<br />
Die Festlegung der britischen Regierung auf Bioabfall<br />
als Substrat sowie die bevorzugte Einspeisung von<br />
Biomethan bestimmt, was auf der Insel neu gebaut<br />
wird – und ruft neue Akteure auf den Plan. Anstelle<br />
von Farmern und anderen kleinen Investoren sind es<br />
nun Infrastrukturunternehmen, Banken und Aktiengesellschaften,<br />
die in Biogasanlagen investieren. Das<br />
zeigen auch die beiden aktuellen Projekte von Bioconstruct<br />
aus Deutschland.<br />
Großbritannien gehört mit bisher 25 fertiggestellten<br />
Anlagen zu den wichtigsten Märkten des Unternehmens<br />
aus Melle bei Osnabrück. Zurzeit baut Bioconstruct<br />
in Attleborough in der Grafschaft Norfolk<br />
und in Evercreech in Sommerset zwei Anlagen zur<br />
Einspeisung von Biomethan, die mit organischen<br />
Abfällen betrieben werden. Die in Attleborough soll<br />
den Großteil der fast 4.500 Haushalte des Ortes mit<br />
Wärme versorgen. Noch etwas größer wird die Anlage<br />
in Evercreech mit insgesamt 9.000 Kubikmeter fassenden<br />
Fermentern und einer Nachgärung mit 8.500<br />
Kubikmeter Volumen.<br />
Beide Anlagen sollen ab März <strong>2022</strong> einspeisen. Im<br />
Winter wird deshalb auch nach Einbruch der Dunkelheit<br />
unter Flutlicht auf den Baustellen geklotzt.<br />
In Evercreech wurden bereits einige Rührwerke montiert.<br />
Die grünen Entschwefelungsnetze sind über die<br />
Fermenter gespannt, in Kürze folgen die Doppelmembranspeicher.<br />
Daneben decken Männer mit Helmen<br />
und Sicherheitswesten das Dach der riesigen Entpackungshalle.<br />
Auftraggeber in Attleborough ist Privilege Finance,<br />
die nach eigenen Angaben in den letzten 18 Jahren<br />
mit rund 350 Millionen Euro 30 Biogasanlagen finanziert<br />
hat. In Evercreech ist es die international tätige<br />
Macquarie Capital. Die englische Schwesterfirma von<br />
Bioconstruct wird beide Anlagen warten und betreiben.<br />
Das ist aufgrund des Substrates eine anspruchsvolle<br />
Aufgabe.<br />
Überhaupt ist so einiges schwieriger geworden in<br />
Großbritannien. Zunächst stürzte nach dem Brexit<br />
das britische Pfund ab. Dann kamen Zölle auf Stahl.<br />
Ab <strong>2022</strong> gelten neue Baustandards, die eingehalten<br />
werden müssen. „Das hilft alles nicht gerade“, sagt<br />
Andreas Bröcker, verantwortlich bei Bioconstruct für<br />
den englischen Markt. Hinzu kommen stark<br />
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103
International<br />
Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />
Brian Harper und<br />
seine Biogas-Anlage<br />
für dog poo.<br />
Leuchtendes Beispiel<br />
für die Wertigkeit von<br />
Hundekot: Brian Harpers<br />
Gaslaterne. <br />
gestiegene Rohstoffpreise, die man nicht<br />
weitergeben kann. „Die hohen Preise für<br />
Stahl und Beton könnten auch die Finanzierung<br />
von Projekten gefährden, die noch<br />
in der Pipeline stecken“, lässt Andreas<br />
Bröcker einblicken.<br />
Mobile Container-Biogasanlagen<br />
Das wäre schade. Großbritannien hat<br />
Potenzial, ein gut ausgebautes Gasnetz<br />
und Mut zur Innovation. Das zeigen auch<br />
die Ideen der mehrfach ausgezeichneten<br />
Firma SEaB Energy, die mit ihren Biogasanlagen<br />
in Containern die Technik zum<br />
Substrat bringt anstatt andersherum. Die<br />
Container werden komplett gefertigt zum<br />
Standort transportiert und dort in wenigen<br />
Tagen aufgebaut. „Das spart Klimagasemissionen,<br />
Baukosten und Transportaufwand“,<br />
sagt Gründerin Sandra Sassow.<br />
Ab einer Menge von 400 Kilogramm Lebensmittelabfällen<br />
oder<br />
Dung soll sich der Betrieb<br />
einer solchen modularen<br />
Anlage lohnen,<br />
die aus mindestens drei<br />
Containern besteht, einem<br />
Fermenter, einem<br />
Steuerungszentrum sowie<br />
einem BHKW. Kombinieren<br />
kann man diese<br />
noch mit einer Einheit<br />
zur Düngerherstellung.<br />
Die Besitzer oder Mieter<br />
der Anlagen können<br />
damit ihren Standort<br />
wechseln oder je nach<br />
Substrataufkommen die<br />
Anzahl der Fermenter<br />
verändern.<br />
Das System kommt ohne<br />
Rührwerk aus. Für Bewegung<br />
im Substrat sorgen<br />
ausschließlich die Pumpen.<br />
Auch braucht es<br />
kein zusätzliches Wasser,<br />
weil die im Substrat<br />
enthaltene Feuchtigkeit<br />
im System zirkuliert.<br />
Bei der maximalen Substratzufuhr<br />
von 2.500<br />
Kilogramm Lebensmittelabfällen<br />
soll die Anlage<br />
pro Tag nach Abzug<br />
des Eigenbedarfs 40<br />
kWh Strom und 70 kWh<br />
Wärme liefern. Vor allem<br />
aber spart sie den Betreibern Entsorgungskosten.<br />
Der genaue Preis wird nicht<br />
verraten. Nach Angaben von SEaB aber<br />
soll sie sich schon nach zwei bis sechs<br />
Jahren amortisieren. Bisher konnte SEaB<br />
Energy zwölf Anlagen verkaufen, davon<br />
sieben ins Ausland. Zu den Kunden zählen<br />
Supermärkte, Krankenhäuser oder<br />
Großunternehmen mit eigener Kantine.<br />
Hundekot für Gaslaterne<br />
Den wohl eigenwilligsten Innovator treffen<br />
wir am Ende der Reise. „Ich bin nicht der<br />
verrückte Erfinder, für den Sie mich halten“,<br />
sagt Brian Harper zur Begrüßung.<br />
Er steht vor seinem Haus im malerischen<br />
Malvern in Worcestershire auf einer Leiter,<br />
um eine Gaslaterne zu illuminieren.<br />
Betrieben wird sie mit Methan aus seinem<br />
selbst konstruierten Fermenter für Hundekot.<br />
Etwa 30 Papiertüten gefüllt mit<br />
Hundekot genügen für eine Stunde Licht.<br />
„Die Hundebesitzer erkennen so den Wert<br />
der Hinterlassenschaften ihrer Tiere“, erklärt<br />
Brian Harper. Und entfernen diese<br />
wirklich von Wegen, Wiesen und Straßen.<br />
„Manche trainieren sogar ihre Hunde<br />
dazu, ihr Geschäft möglichst nah an<br />
der Anlage zu erledigen.“ Die Idee dazu<br />
stammt ursprünglich von einer Studentengruppe<br />
am Massachusetts Institute<br />
of Technology (MIT). Brian Harper hat sie<br />
mit finanzieller Unterstützung der Landschaftsschutzbehörde<br />
Malvern Hills Area<br />
of Outstanding Natural Beauty umgesetzt.<br />
Mit seiner Mini-Biogasanlage hat der<br />
70-jährige Elektroingenieur, der früher<br />
ein international erfolgreiches Unternehmen<br />
für hochsensitive Kamerasysteme<br />
betrieben hat, schon bis ins japanische<br />
Fernsehen gebracht. Das Ganze aber ist<br />
kein Scherz. Mit seiner Firma Sight Designs<br />
will Harper die Anlage an Gemeinden,<br />
Parkverwaltungen oder Hundevereine<br />
verkaufen. Die spinnen, die Briten? Auf<br />
gar keinen Fall.<br />
Autor<br />
Klaus Sieg<br />
Freier Journalist<br />
klaus@siegtext.de<br />
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104
Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />
International<br />
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105
International<br />
Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />
Zagreb<br />
Kroatien<br />
Biogaspotenzial noch<br />
nicht ausgeschöpft<br />
Zagreb: Noch fährt<br />
die Tram in der kroatischen<br />
Hauptstadt mit<br />
grauem Strom<br />
Die Biogasbranche in Kroatien ist zwar noch klein, aber im ländlichen Raum schon<br />
vielerorts sichtbar. Allerdings sind die Betriebskonzepte nicht überall optimal gestaltet.<br />
Es bedarf noch mancher Nachbesserung, damit die Biogasbranche den Umbau des<br />
kroatischen Energiesystems nachhaltig mitgestalten kann.<br />
Von Dierk Jensen<br />
Ein Zaun umrandet das landwirtschaftliche<br />
Betriebsgelände. Der Besucher am Werkstor<br />
muss erst einmal durch ein Desinfektionsbad<br />
waten, will er im Örtchen Mala<br />
Branjevina in der Nähe der Stadt Osijek<br />
den Großbetrieb, der zum Mischkonzern Žito Grupa<br />
gehört, von Nahem betrachten. 800 Kühe werden<br />
hier in mehreren Großställen gemolken; vor fünf<br />
Jahren ist eine Biogasanlage in Betrieb genommen<br />
worden. An einem Standort, wo früher, in jugoslawisch-sozialistischer<br />
Zeit, eine Landwirtschaftliche<br />
Produktionsgenossenschaft existierte.<br />
„Jede große Farm sollte so eine Anlage wie unsere<br />
haben“, meint Jakob Zvonarić ziemlich selbstbewusst<br />
vor den Containern stehend, in denen zwei Blockheizkraftwerke<br />
(BHKW) mit je 2 Megawatt (MW) elektrischer<br />
Leistung des Herstellers Jenbacher untergebracht<br />
sind. Sie speisen den Strom ins Stromnetz des<br />
staatlichen Energieversorgungsunternehmens HEP<br />
(Hrvatska Elektroprivreda d.d.). Gefüttert wird die<br />
Biogasanlage, die über drei Fermenter und zwei große<br />
Gülle-Lagunen verfügt, zum einen mit Mais, zum<br />
anderen mit Gülle und Festmist, der vom Kuhbestand<br />
und dessen Nachzucht herrührt.<br />
18 Eurocent pro Kilowattstunde Strom<br />
Eine Flexibilisierung der Stromproduktion ist auf dieser<br />
Biogasanlage im östlichen Landesteil Slawonien,<br />
dem landwirtschaftlichen Herz Kroatiens unweit der<br />
EU-Außengrenze zum östlichen Nachbarn Serbien,<br />
noch gar kein Thema. „Unsere Motoren laufen 24<br />
Stunden auf volle Power“, verrät Zvonarić zum Abschied.<br />
Der garantierte Einspeisepreis liegt bei 1,35<br />
Kunas pro Kilowattstunde – umgerechnet knapp 18<br />
Eurocent.<br />
Während in der weiteren Umgebung von Branjevina<br />
keine weitere Biogasanlage existiert, stehen am<br />
Rande des Ortes Slatina gleich zwei große Anlagen –<br />
kurioserweise nur ein paar hundert Meter voneinander<br />
entfernt. Beide Anlagen werden hauptsächlich<br />
mit Energiepflanzen gefüttert. So herrscht während<br />
der Maisbergung Mitte September reger Ernteverkehr<br />
auf der Straße. Funkelnagelneue Erntetechnik,<br />
große Traktoren mit entsprechenden Ladewagen fahren<br />
zwischen den Feldern und den Silos neben den<br />
Biogasanlagen unermüdlich hin und her. Bis in die<br />
Nacht hinein.<br />
Große Radlader schieben das Gehäckselte in atemberaubende<br />
Höhen. Die Temperaturen liegen Mitte<br />
Foto: Jörg Böthling<br />
106
Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />
International<br />
Oben: Silierung von Mais auf der Biogasanlage<br />
der Bioplin Proizvodnja d.o.o. bei Slatina;<br />
unten: Biogasanlage der Zito Gruppe<br />
„Jede große Farm sollte so eine<br />
Anlage wie unsere haben“, meint<br />
Anlagenleiter Jakob Zvonaric <br />
September sogar am frühen Abend noch<br />
knapp unter 30 Grad Celsius – und das<br />
nach einem extrem heißen wie trockenen<br />
Sommer in Slawonien. Nur wer seine Felder<br />
ausreichend bewässern konnte, hat<br />
Erträge von etwas über 40 Tonnen pro<br />
Hektar einfahren können.<br />
Auf der Anlage des Betreibers Bioplin<br />
Proizvodnaja d.o.o. mit einer elektrischen<br />
Leistung von 1 MW wird zum Erntezeitpunkt<br />
das Aggregat vom Hersteller MWM<br />
gewartet. Da es keine Gaslagerkapazitäten<br />
gibt, wird das anfallende Biogas notgedrungen<br />
abgefackelt. Die Flamme der<br />
Notfackel ragt hoch in den blauen kroatischen<br />
Abendhimmel.<br />
107
International<br />
Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />
Tesla Museum in<br />
Smiljan: Drahtlose<br />
Stromübertragung<br />
Biogasanlage in der<br />
Nähe von Osijek:<br />
Großer Milchviehbetrieb<br />
mit großer<br />
Gülle-Lagune.<br />
Energiemais – Preise haben angezogen<br />
Während die beauftragten Techniker routiniert ihren<br />
Wartungsarbeiten am Gasmotor und seiner Peripherie<br />
nachgehen, erzählt der Anlagen-Mitarbeiter Ivan Osniak<br />
etwas über seinen Arbeitsplatz. „Wir brauchen<br />
rund 10.000 Tonnen Mais pro Jahr“, verrät er offenherzig<br />
und zeigt auf das große Werbeschild „Otkup<br />
Silaže“, was übersetzt so viel heißt wie „Kaufe Silage“.<br />
Denn die Substratpreise sind auch in der kroatischen<br />
Landwirtschaft in den letzten Jahren nach<br />
oben geschnellt, während zugleich die Preise für<br />
Fleisch und Milch tendenziell nach unten gerutscht<br />
sind. „Wir zahlen pro Tonne aktuell 230 Kuna (rund<br />
29 Euro), vor drei Jahren waren es noch 210 Kuna<br />
(rund 26 Euro)“, verweist Osniak auf einen Preisdruck,<br />
der auf eine Biogaserzeugung ohne effiziente<br />
Wärmenutzung lastet.<br />
Nebenan auf der Anlage der Agro PMD, an der zur<br />
Straße zugewandt ein großes Banner der Allianz<br />
hängt, sieht die Situation nicht viel anders aus. Au-<br />
Ventile in modularer Bauform<br />
neue technologie ermöglicht kleinste ansprechdrücke<br />
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und Beatmungsventilen<br />
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Bauform. Wesentliche Vorteile der<br />
kubusförmigen Ventile sind:<br />
maximale modellflexibilität: Die<br />
modularen Ventile sind flexibel<br />
austausch- und kombinierbar –<br />
auch für seltene Ausführungen.<br />
optimale durchsatzleistung: Die<br />
kompakte Bauform sichert höhere<br />
Durchflussmengen mit geringeren<br />
Druckverlusten. Leckage-Raten<br />
werden auf ein Minimum reduziert.<br />
108<br />
Kleinste ansprechdrücke: Die vakuumseitige<br />
Ausführung mit einer Feder<br />
(statt Gewicht) ermöglicht kleinste<br />
Ansprechdrücke bis zu 1 mbar.<br />
Schnelle Wartung: Dass die Ventile<br />
von allen Seiten zugänglich sind,<br />
vereinfacht die Wartung und das<br />
Überprüfen der Innenteile.<br />
integrierte flammensperren: Mit<br />
Flammensperren kombinierte Ventile<br />
garantieren beste Leistungen und<br />
minimalen Druckverlust.<br />
Hohe Wirtschaftlichkeit: Kurze Lieferzeiten<br />
und geringer Lageraufwand<br />
reduzieren Kosten.<br />
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Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />
International<br />
Wenn die Notfackel<br />
emporragt, dann läuft<br />
es nicht optimal.<br />
ßer dass sie doppelt so groß ist; sie verfügt über zwei<br />
MWM-Aggregate zu jeweils 1,2 MW elektrischer Leistung.<br />
„Davon brauchen wir ungefähr 0,4 Megawatt<br />
Leistung allein für den Betrieb“, erklärt Betriebsleiter<br />
Josip Butka.<br />
Obgleich auch die von ihm betreute Anlage keine<br />
Wärmenutzung für Dritte vorweisen kann, wird die in<br />
großen Mengen anfallende Wärme über das notwendige<br />
Beheizen der Fermenter – in dieser Region mit<br />
manchmal bitterkalten Wintermonaten – immerhin<br />
auch für eine Gärrestetrocknung genutzt. Seit 2016<br />
ist die Anlage in Betrieb, erzählt der 30-jährige Butka<br />
beim Rundgang über die Anlage. Er hat eine Ausbildung<br />
zum Elektroingenieur absolviert und scheint die<br />
Technik souverän im Griff zu haben. Er fährt seine Anlage<br />
zu ungefähr einem Drittel mit Gülle und zu zwei<br />
Drittel mit Mais. Rund 90 Tonnen pro Tag werden<br />
in die Vergärung hineingegeben, macht insgesamt<br />
rund 30.000 Tonnen pro Jahr. So gibt es Verträge mit<br />
vielen Landwirtschaftsbetrieben in der Umge-<br />
Und die Gasspeicher<br />
sind prall gefüllt.<br />
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International<br />
Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />
Erneuerbare Energien<br />
sind im Kommen:<br />
wie hier bei einem<br />
Gemüseverkäufer im<br />
Neretva Tal.<br />
bung, die die Ernte auf einer Fläche von rund 500<br />
Hektar bereitstellen.<br />
Fehlende Akzeptanz aufgrund mangelnder<br />
Kenntnisse<br />
Dabei stehe die Biogaserzeugung in der Gunst der<br />
Bevölkerung offenbar nicht sonderlich hoch im Kurs.<br />
„Die Akzeptanz gegenüber unserer Arbeit und unserer<br />
Energieerzeugung ist in dieser Umgebung fast gegen<br />
null“, seufzt Butka, „die meisten verstehen auch gar<br />
nicht, was wir hier eigentlich machen.“ Butka identifiziert<br />
bei den meisten Kritikern einfach fehlende<br />
Kenntnisse zum Thema Biogas, das seiner Ansicht<br />
nach nur unterbelichtet in den Medien, in den Schulen<br />
oder auch in der Politik betrachtet wird.<br />
Nichtsdestotrotz sind die Voraussetzungen für einen<br />
behutsamen Ausbau der Biogasproduktion vor allem<br />
in den waldreichen mittleren und östlichen Landesteilen<br />
Kroatiens durchaus gegeben. So besteht ein<br />
großes Potenzial an aktuell unbebauten landwirtschaftlichen<br />
Flächen, das teilweise auf die Fluchtbewegungen<br />
während und nach dem kroatisch-serbischen<br />
Krieg in den Neunzigerjahren zurückzuführen<br />
ist, als viele hier ansässige Serbenfamilien Haus und<br />
Hof in Richtung Serbien verließen.<br />
Auf solchen Flächen wäre, ohne dass die bisherige<br />
landwirtschaftliche Erzeugung verdrängt werden<br />
würde, ein Anbau von Energiepflanzen durchaus<br />
denkbar. Zumal die Böden vielerorts fruchtbar sind<br />
und das Klima, wenn es nicht wie im Sommer 2021<br />
extrem heiß und trocken ist, vorteilhaft ist. In einer<br />
Publikation der Deutsch-Kroatischen Industrie- und<br />
Handelskammer (Stand Februar 2020) ist zu lesen,<br />
dass neben Energiepflanzen wie Mais & Co. auch 4,8<br />
Millionen Tonnen Gülle pro Jahr in Kroatien anfallen.<br />
Umgerechnet würde dies ein Biogaspotenzial<br />
ergeben, das ausreichen würde, so lautet es in der<br />
Dokumentation, um Anlagen mit einer installierten<br />
Leistung von 104 MW betreiben zu können.<br />
42 Biogasanlagen insgesamt in Betrieb<br />
Tatsächlich sind in ganz Kroatien bis Oktober 2021<br />
insgesamt aber erst 42 Biogasanlagen mit einer installierten<br />
Leistung von rund 47 MW in Betrieb. Fünf<br />
davon sind im Abfallsektor tätig, die einige Tausend<br />
Tonnen Bioabfälle vergären. Ebenso gibt es auch<br />
welche, die wie in der nördlichen Region Me imurje<br />
unter anderem aussortierte Kartoffeln und andere<br />
Gemüsereste vergären und vorbildlich in die landwirtschaftliche<br />
Produktion integriert sind.<br />
Für weitere, noch zu bauende Biogasanlagen mit einer<br />
Gesamtleistung von 8 MW Leistung ist zum Ende<br />
des dritten Quartals 2021 ein Einspeisevertrag zu<br />
festen Tarifen abgeschlossen worden. Da in Kroatien<br />
vor einigen Jahren ein Marktprämienmodell für Erneuerbare<br />
Energien eingeführt worden ist, wird die<br />
Lücke zu den konventionellen Strompreisen mit einer<br />
entsprechenden Prämie gefüllt.<br />
Ob nun die kroatische Biogasbranche sich weiter<br />
dynamisch entwickeln wird und am Ende das von<br />
einigen Experten genannte Potenzial von 360 Biogasanlagen<br />
wirklich umsetzt, ist allerdings mit Vorsicht<br />
abzuwarten. Vollkommen klar ist dagegen, dass<br />
Kroatien den Ausbau der Erneuerbaren Energien<br />
erheblich ankurbeln muss, um die ambitionierten<br />
Klimaschutzziele bis 2030 überhaupt errei-<br />
110
Biogas Journal | 1_<strong>2022</strong><br />
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Zeitraum bis 2030 mit Ausblick auf 2050 vor. Im<br />
Dokument werden zwei Szenarien aufgezeichnet: Im<br />
ersten, beschleunigten Szenario dominieren Erneuerbare<br />
Energien mit einem Anteil von 32 Prozent am<br />
Gesamtenergieverbrauch bis 2030 beziehungsweise<br />
52 Prozent bis 2050, während das zweite Szenario<br />
einen Anteil von 46 Prozent bis 2050 vorsieht.<br />
Ein Drittel Wasserkraft, ein Drittel<br />
fossile Kraftwerke<br />
Welches Szenario sich am Ende auch manifestiert,<br />
das westliche Balkanland steht zweifelsohne vor großen<br />
Herausforderungen. So basiert die Energieversorgung<br />
des knapp 4 Millionen Einwohner zählenden<br />
Landes immer noch zu einem großen Teil auf fossilen<br />
Brennstoffen. Wenngleich die Wasserkraft mit einer<br />
installierten Leistung von 2,2 Gigawatt (GW) mehr<br />
als ein Drittel des gesamten