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MEDIAkompakt Ausgabe 31

Die Zeitung des Studiengangs Mediapublishing an der Hochschule der Medien Stuttgart - www.mediapublishing.org

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DIE ZEITUNG DES STUDIENGANGS MEDIAPUBLISHING<br />

DER HOCHSCHULE DER MEDIEN STUTTGART<br />

AUSGABE 01/2022 05.02.2022<br />

media<br />

kompakt<br />

WHY?


2 WHY?<br />

mediakompakt<br />

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01/ 2022 WHY? 3<br />

Liebe Leserinnen,<br />

liebe Leser,<br />

vor Ihnen liegt die Nummer <strong>31</strong>! Die neue MediaKompakt. Die Zeitung des Studiengangs<br />

MediaPublishing. Entstanden einmal mehr unter erschwerten Bedingungen, da<br />

Corona den Studierenden (und dem Dozenten) die Lehre nicht so ermöglicht hat, wie<br />

wir uns das vorgestellt haben. Aber: Das Ergebnis spricht dennoch für sich und macht<br />

uns zugleich stolz. In wenigen Wochen haben die Studierenden aus einer Idee, gemeinsam<br />

eine Zeitung an den Start zu bringen, ein fertiges Produkt auf den Markt gebracht,<br />

das nun vor Ihnen liegt. So etwas funktioniert in perfektem Teamwork, wenn alle<br />

Rädchen ineinandergreifen. Die Gestaltung der Titelseite, die Entwicklung eines<br />

Leitmotivs, der Verkauf von Anzeigen, die Recherche nach spannenden Themen,<br />

schließlich das Layouten der Seiten: alle Prozess-Schritte müssen organisiert<br />

und absolviert werden. Dass dies geschafft werde, das sehen Sie selbst.<br />

Lassen Sie mich den Blick auf die Themen lenken, die unter dem Leitmotiv<br />

versammelt sind: Da sind tiefgründige Interviews zu Fake News oder zum<br />

Phänomen des Kletterns dabei. Ebenso wird die Situation von Studierenden<br />

beleuchtet, wenn sie sich in Praktika teils von Unternehmen ausgebeutet<br />

sehen. Oder wir blicken hinter die Kulissen der Tattoo-Szene, die sich<br />

durch die EU-Gesetzgebung in ihrer Existenz bedroht fühlt. Ein sehr breites<br />

Spektrum, wie diese Auswahl zeigt. Von der Arbeitswelt, der Kultur und dem Sport,<br />

über die Wirtschaft bis hin zu ganz persönlichen Problemen.<br />

Und nicht zuletzt versuchen wir, in allen Beiträgen nicht nur die Frage nach dem „WHY?“<br />

nicht nur zu stellen, sondern sie auch zu beantworten. Urteilen Sie selbst, liebe<br />

Leserinnen und Leser, ob dies gelungen ist.<br />

Viel Vergnügen bei der Lektüre.<br />

Reimund Abel,<br />

Chefredakteur<br />

INHALT<br />

4 No Pain! No gain!<br />

Studieren und Arbeiten<br />

6 Umbruch im 4/4-Takt<br />

Stuttgarter Nachtclub Proton<br />

8 Eine Frage des Vertrauens?<br />

Über linke und rechte Gewalt<br />

9 (she/he/they) Was?<br />

Gender Identity<br />

10 Die Psychologie hinter Fake News<br />

Warum wir lieber Lügen glauben als Fakten<br />

13 Heute schon was verpasst?<br />

Das Phänomen FOMO<br />

14 Du tust mir gut!<br />

Wir und das Tier<br />

16 Der Neugier auf der Spur<br />

Was ist Neugierde eigentlich?<br />

18 Du kommst mir nicht in die Tüte!<br />

Food-Waste in Deutschland<br />

20 Unter Strom<br />

Über E-Autos und Innenstädte<br />

22 Warum sind wir nostalgisch?<br />

Ein Gefühl von Sicherheit<br />

24 Tot. Und jetzt?<br />

Die alternative Bestattung<br />

26 Die Tattooszene sieht schwarz<br />

Das Ende der bunten Tattoo-Farbpalette<br />

28 Die politische Periode – ein Tabu!<br />

Das Buch von Franka Frei<br />

30 „Jede Route ist wie ein Rätsel“<br />

Faszination Klettern<br />

I M P R E S S U M<br />

32 Sharing is caring<br />

Was tun gegen Fast Fashion?<br />

mediakompakt<br />

Zeitung des Studiengangs Mediapublishing<br />

Hochschule der Medien Stuttgart<br />

HERAUSGEBER<br />

Professor Christof Seeger<br />

Hochschule der Medien<br />

Nobelstraße 10<br />

70569 Stuttgart<br />

REDAKTION<br />

Reimund Abel (v.i.S.d.P.)<br />

abel@hdm-stuttgart.de<br />

TITELSEITE<br />

Franziska Döttling, Larissa Hilgers, Giulia Cantatore<br />

Caroline Tonn, Jonathan Kloß<br />

PRODUKTION<br />

Alle<br />

ANZEIGENVERKAUF<br />

Carolin Wacker, Selina Ellenberger, Nathalie Ehmann<br />

Sabrina Christmann, Laura Brösamle<br />

BLATTKRITIK<br />

Lisa Brettschneider, Vivienne Reim, Natasa Sipka, Vivien<br />

Müller, Carina Drost, Valeria Borgia<br />

MEDIA NIGHT<br />

Kim Kanstinger, Natalie Schmitt, Ines Brunenberg, Alex<br />

Bauer, Laura Schwarz<br />

DRUCK<br />

Z-Druck Zentrale Zeitungsgesellschaft GmbH & Co. KG<br />

Böblinger Straße 70<br />

71065 Sindelfingen<br />

ERSCHEINUNGSWEISE<br />

Einmal im Semester zur Medianight<br />

Copyright<br />

Stuttgart, 2022<br />

35 Kein Kinderspiel<br />

Das Junge Ensemble Theater in Stuttgart<br />

36 Out and Proud<br />

Homosexualität im Profisport<br />

38 Long hair,don’t care<br />

Menschliches Echthaar boomt


4 WHY?<br />

mediakompakt<br />

No pain! No gain!<br />

Drei Viertel der Studierenden arbeiten nebenher, so eine<br />

aktuelle Forsa-Umfrage. Doch die Fairness bleibt oft auf der<br />

Strecke. Warum Arbeitgeber tun, was sie tun, und warum<br />

wir Studierenden uns das gefallen lassen (müssen).<br />

VON CAROLIN WACKER<br />

10,36 Euro pro Stunde – das verdienen<br />

Studierende der HdM Stuttgart durchschnittlich<br />

im Werkstudent:Innen-<br />

Job. Kennzahlen, die eine Umfrage an<br />

der Hochschule unter 30 Teilnehmern<br />

liefert. Laut Angaben des Deutschen Studentenwerks<br />

(DSW) aus dem Jahr 2016 wird dieses<br />

Einkommen dringend benötigt. Gründe seien<br />

steigende Mieten sowie eine zu geringe staatliche<br />

Unterstützung: Fast drei Millionen Studierende<br />

waren im Jahr 2020 an deutschen Hochschulen<br />

eingeschrieben, nur 6,5 Prozent davon erhielten<br />

Bafög (Quelle: Statistisches Bundesamt).<br />

Gesetzlich darf ein Werkstudierender höchstens<br />

20 Stunden in der Woche arbeiten. „Mehr als<br />

eine Zwölf-Stunden-Woche ist eh nicht drin“<br />

erklärt Mia (Name geändert), „sonst hätte ich<br />

nicht genug Zeit für das Studium“. Für Mia macht<br />

das ein Einkommen von etwa 500 Euro im Monat.<br />

Sie hat das Glück, noch unter 25 Jahren zu sein<br />

und zusätzlich Kindergeld zu bekommen. „Damit<br />

und mit einem kleinen Zuschuss durch die Eltern<br />

reicht das gerade so“, sagt sie.<br />

Qualifikation steigt, Stundenlohn bleibt<br />

Wer besser qualifiziert sei, bekäme auch mehr<br />

Lohn, meint der Generalsekretär des Deutschen<br />

Studentenwerkes Achim Meyer auf der Heyde, zu<br />

lesen in der „Welt“ vor zwei Jahren. Auch einer<br />

Studie der Universität Maastricht zufolge werden<br />

Studierende besser bezahlt, wenn das Studienfach<br />

näher am Job ist. Dass das nicht unbedingt auf die<br />

Medienbranche zutrifft, zeigt die Umfrage an der<br />

HdM: Das Gehalt ist gerade mal im Cent-Bereich<br />

höher als der Mindestlohn. „Ich habe zuvor sogar<br />

eine berufsähnliche Ausbildung gemacht und<br />

auch mein Pflichtpraktikum absolviert“, sagt Mia,<br />

„das hat aber niemanden interessiert“.<br />

Unabhängig vom Gehalt gaben mehr als 75<br />

Prozent der befragten HdM-Studierenden an, dass<br />

ihnen im Werkstudierendenjob Sonderleistungen<br />

vorenthalten würden. Dabei haben Werkstudierende<br />

gesetzlich die gleichen Ansprüche wie andere<br />

Teilzeitkräfte. Der Anfahrtskosten-Zuschuss<br />

ist laut Umfrage die häufigste unterschlagene<br />

Leistung. Unbezahlter Urlaub, kein Weihnachtsgeld,<br />

keinen Essensgeldzuschuss, keinen Corona-<br />

Zuschuss, keine Möglichkeit für Home-Office und<br />

unterlassene Teilnahme an Betriebsveranstaltungen<br />

wurden ebenfalls genannt.<br />

Von Pflichtpraktikum und Pflichtgefühl<br />

Die meisten Studierenden müssen im Lauf ihres<br />

Studiums mindestens ein Pflichtpraktikum absolvieren.<br />

Ob oder wie sie ihre Praktikanten vergüten,<br />

ist den Unternehmen gesetzlich freigestellt.<br />

Manche Unternehmen sehen die Chance, an qualifizierte,<br />

aber billige Arbeitskräfte zu gelangen.<br />

Auch das zeigen die Umfrageergebnisse: Ein Fünftel<br />

der Befragten verdienten nicht einmal 200 Euro,<br />

etwa 17 Prozent müssen demnach mit nur<br />

rund 400 Euro im Monat zufrieden sein.<br />

Damit ist in Stuttgart höchstens die Kaltmiete<br />

gedeckt. Inklusive Nebenkosten, Lebensmitteln,<br />

Studienmitteln, Fahrtkosten und Freizeitgestaltung<br />

benötigt ein Studierender nach Angaben des<br />

Deutschen Studentenwerks durchschnittlich<br />

etwas mehr als den doppelten Betrag. In immerhin<br />

63 Prozent der Fälle zeigten sich dies Firmen<br />

aber pflichtbewusst und bezahlten ihre Praktikanten<br />

so, dass sie zumindest die Grundsicherung<br />

abdecken konnten.<br />

Von ausbaufähigem Pflichtgefühl gegenüber<br />

Werkstudierenden zeugen auch die Pandemie-<br />

Maßnahmen. Der erste Lockdown kündigt sich<br />

an, die Kündigung liegt im Briefkasten: So ähnlich<br />

scheint es der Umfrage zufolge zumindest einem<br />

Drittel der Befragten ergangen zu sein. Dabei muss<br />

den betroffenen Arbeitgebern die derzeit übliche<br />

Anstellungsbefristung von sechs bis zwölf Monaten<br />

zugute gekommen sein. Erfreulich ist immerhin:<br />

Etwa 70 Prozent aller Studierenden sind<br />

nicht in eine Notlage geraten.<br />

Ausbildung oder Ausbeutung – Der Berufseinstieg<br />

„Die Studierenden sind unsere Zukunft“, heißt es<br />

oft von Unternehmen. Sie brächten frischen<br />

Wind, würden verjüngen, modernisieren, seien<br />

auf dem aktuellen Wissensstand. Das Volontariat<br />

ist in der Medienbranche dabei ein gängiger Weg,<br />

um an die jungen Fachkräfte zu gelangen. Eine<br />

anschließende Übernahme wird jedoch nur in<br />

Ausnahmefällen gewährleistet. „Ich hatte viele<br />

Bewerbungsgespräche, aber lediglich ein Verlag<br />

bot mir einen Direkteinstieg an“, berichtet eine<br />

ehemalige Mediapublishing-Studentin aus ihrer<br />

Praxis. Dabei war das Volontariat in der Verlagsbranche<br />

ursprünglich für Quereinsteiger aus den<br />

Natur- oder Geisteswissenschaften gedacht.<br />

Dass der Begriff Volontariat gesetzlich nicht<br />

geschützt ist, hat nur Vorteile für Unternehmen.<br />

Für den:die Volontär:In hat das unschöne Konsequenzen.<br />

Selina Reimer von den Jungen Verlagsmenschen<br />

erklärt im Gespräch mit dem WILA-<br />

Arbeitsmarkt: „Es gibt keine verlässlichen Standards,<br />

keine festen Orientierungspunkte, Ziele<br />

oder Inhalte.“ Da es auch keine tarifvertraglichen<br />

Regelungen für Volontariate in der Buchbranche<br />

gebe, stünden „Tür und Tor offen, den eigentlichen<br />

Ausbildungscharakter des Volontariats zu<br />

unterwandern, indem man Volontäre zum Beispiel<br />

für Elternzeitvertretungen und somit als<br />

günstige Arbeitskräfte nutzt“. Die Jungen Verlagsmenschen<br />

sind ein interessenvertretender Nachwuchsverein<br />

der Buch- und Medienbranche. Sie<br />

setzen sich unter anderem für faire Arbeitsbedingungen,<br />

angemessene Gehälter und aktive Nachwuchsförderung<br />

ein. Um Studierende der Branche<br />

zu schützen, entwickelten sie unter anderem das<br />

Gütesiegel für Volontariate.<br />

Bild: Fotolia


01/ 2022 WHY? 5<br />

Good to know<br />

Sofern vertraglich nicht anders geregelt,<br />

stehen einem Werkstudierenden alle Leistungen<br />

zu, die eine reguläre Teilzeitkraft<br />

bekommt. Dazu zählen Anspruch auf bezahlten<br />

Urlaub und Entgeltfortzahlung im<br />

Krankheitsfall. Bei freiwilligen Praktika, die<br />

länger als drei Monate dauern, gilt eine andere<br />

Regelung als für Pflichtpraktika: Das<br />

Unternehmen muss für die gesamte Dauer<br />

des Praktikums den Mindestlohn bezahlen.<br />

Bild: Unsplash<br />

Arbeitsrecht und Pandemie<br />

Bei Bürotätigkeiten muss der Arbeitgeber<br />

während einer Pandemie Home-Office anbieten<br />

(§28b IfSG). Kündigungen aufgrund<br />

eines Umsatzrückgangs durch die Pandemie<br />

wurden in vielen Fällen für unwirksam<br />

erklärt (siehe Arbeitsgericht Berlin). Gerätst<br />

Du in eine solche Situation, solltest Du eine<br />

rechtliche Überprüfung in Betracht ziehen.<br />

Sofern ein Betrieb nicht durch staatliche<br />

Anordnung geschlossen wird, haben auch<br />

Werkstudierende – falls vertraglich nicht<br />

anders geregelt – einen Vergütungsanspruch,<br />

wenn sie von der Arbeit freigestellt<br />

werden (§ 616 BGB). Wirst Du durch eine<br />

behördliche Anordnung an der Arbeit gehindert<br />

(z.B. als Ansteckungsverdächtiger),<br />

hast Du ebenfalls Anspruch auf Entschädigung<br />

(§ 56 Abs. 1 IfSG).<br />

Bist du unsicher...<br />

Bild: Pixabay<br />

…ob Deine Arbeitsbedingungen fair sind?<br />

Dann empfiehlt die Jugendorganisation<br />

der DGB-Gewerkschaften, entweder den<br />

Betriebs-/Personalrat oder die zuständige<br />

Gewerkschaft vor Ort aufzusuchen (z.B. die<br />

ver.di-Jugend Bezirk Stuttgart). Dort wirst<br />

Du über eventuell anzuwendende Tarifverträge,<br />

Betriebsvereinbarungen und weitere<br />

Schutzbestimmungen beraten.


6 WHY?<br />

mediakompakt<br />

Umbruch im 4/4-Takt<br />

Mut. Musik. Machtlosigkeit. Während des Lockdowns hat im Stuttgarter Nachtclub Proton ein Tapetenwechsel<br />

stattgefunden. Ein Blick hinter die Turntables mit Bookingmanager Benjamin Reichert.<br />

VON CARINA DROST<br />

Mediakompakt: Benny, du hast dich<br />

während der langen Corona-<br />

Schließzeit aller Clubs für einen<br />

Wechsel vom Four Runners Club<br />

Ludwigsburg zum Proton Stuttgart<br />

entschieden. Was war der Impuls dafür?<br />

Benny: Ich betreibe den Four Runners Club bereits<br />

seit 2019 nicht mehr. Die Pandemie kam danach<br />

und hatte keinen direkten Einfluss auf meine Entscheidung,<br />

die Tätigkeit dort zu beenden. Standortbedingt<br />

konnte ich meine Vision in Ludwigsburg<br />

allerdings nicht weiter umsetzen. In mehreren<br />

Treffen mit dem Eigentümer des Protons<br />

entstand der Plan, dort weiterzumachen. Der Four<br />

Runners Club war die „Musical Madness“-Homebase<br />

– das sogenannte Wohnzimmer. Doch wir<br />

werden weiterhin dort Events planen.<br />

mediakompakt: Das heißt, Du kannst mit deiner<br />

Veranstaltungsfirma „Musical Madness“ eigene<br />

Events im Proton veranstalten. Also: zwei Fliegen<br />

mit einer Klappe?<br />

Benny: Genau. Endlich haben wir in Stuttgart eine<br />

Location, in der wir auch größere Acts buchen<br />

können. Die Anbindung ist besser und wir haben<br />

eine höhere Gästekapazität. Durch meine lange<br />

Verbundenheit mit dem Club freut es mich umso<br />

mehr, eine weitere Homebase im Ländle gefunden<br />

zu haben.<br />

mediakompakt: Du hast den Stillstand in der Eventbranche<br />

für den konzeptionellen Umbruch und<br />

den Umbau im Proton genutzt. Welche Renovierungsarbeiten<br />

haben stattgefunden?<br />

Benny: Grundlegend sind Musical Madness und<br />

das Proton zwei unterschiedliche Projekte. Bei<br />

Musical Madness haben wir alles runtergefahren<br />

und konnten keine Events veranstalten. Dadurch<br />

hatte ich Zeit, mich zusammen mit einem neuen<br />

Team um den Umbau und die Konzeptentwicklung<br />

im Proton zu kümmern. Wir haben uns für<br />

die Renovierung verschiedener Bereiche entschieden.<br />

Dazu gehört die VIP-Lounge, das DJ-Pult und<br />

der Backstage-Bereich der Artists. Außerdem<br />

haben wir die Licht- und Tonanlage erweitert.<br />

Eine besondere Neuerung sind die Schließfächer,<br />

die das kontaktlose Abgeben von Jacken und<br />

Wertsachen ermöglichen. Dadurch gibt es keine<br />

Wartezeiten mehr an der Garderobe wie früher.<br />

mediakompakt: Wie viel Geld hat die Renovierung<br />

gekostet?<br />

Benny: Über Geld spricht man bekanntlich nicht.<br />

Aber schon verrückt, was so ein Umbau kosten<br />

kann ...<br />

mediakompakt: Wie sah die Lockdown-Zeit aus?<br />

Benny: Fassungslosigkeit. Akzeptanz. Hoffnung.<br />

Enttäuschung. Auf den Punkt gebracht: Die Zeit<br />

war und ist eine Achterbahn der Gefühle. Als klar


01/ 2022 WHY? 7<br />

war, dass unser Unternehmen Hilfen in Anspruch<br />

nehmen kann, war zumindest die wirtschaftliche<br />

Unsicherheit geklärt. Wir haben viele interne<br />

Prozesse optimiert und an neuen Eventkonzepten<br />

gearbeitet. Das Ende der Pandemie ist leider noch<br />

nicht in Sicht. Deshalb müssen wir bei der<br />

Planung von Events immer noch auf Sicht fahren.<br />

mediakompakt: Für Feierwütige, die noch nie im<br />

Proton waren: Wie viele Floors gibt es? Gibt es eine<br />

VIP- oder Chillout-Area?<br />

Benny: Das Proton hat einen Floor, der mit einer<br />

top Sound- und Lichtanlage ausgestattet ist. Der<br />

zweite Floor musste durch den Umbau weichen.<br />

Dort befinden sich jetzt unsere Schließfächer.<br />

Hier können die Gäste ihre Jacken und/oder Wertsachen<br />

einschließen. Außerdem haben wir einen<br />

VIP-Bereich auf dem Balkon und einen VIP-<br />

Bereich auf der Tanzfläche.<br />

mediakompakt: Im Oktober 2021 das lang ersehnte<br />

Re-Opening. Für viele war es der erste Clubbesuch<br />

nach anderthalb Jahren. Wie war der Abend?<br />

Benny: Nach der langen Zeit waren wir alle sehr<br />

gespannt auf den Opening-Monat. Bisher sind wir<br />

sehr zufrieden. Auch von unseren Gästen haben<br />

wir viel positives Feedback erhalten.<br />

mediakompakt: Du hast auch das Genre im Proton<br />

angepasst. Auf welchen Musikstil können sich<br />

Besucher*Innen freuen?<br />

Benny: Das Proton steht für elektronische Musik.<br />

Frei nach dem Motto „Electronic Playground“<br />

sind hier alle elektronischen Subgenres zu Hause.<br />

Von House über Techno bis hin zu Hardstyle.<br />

mediakompakt: Du bist für das Booking der Artists<br />

zuständig. Wie lang dauert so ein Prozess von der<br />

Anfrage bis zum finalen Line-Up?<br />

Benny: Sehr unterschiedlich. Bei bekannten Agenturen<br />

und Künstlern ist sowas eigentlich recht<br />

schnell eingetütet. Buche ich Acts von Agenturen,<br />

mit denen ich in der Vergangenheit noch nicht<br />

zusammengearbeitet hatte, kann sich das schon<br />

etwas länger ziehen. Die Verhandlungen sind<br />

meist zäher. Eine weitere Herausforderung ist der<br />

internationale Tour-Kalender von gefragten Acts.<br />

Dadurch ist es manchmal schwierig, einen<br />

Termin zu finden, der nicht mit anderen Konkurrenzevents<br />

in der Umgebung kollidiert.<br />

mediakompakt: Wenn du deine/n Lieblingskünstler*In<br />

buchen könntest, wen würdest du wählen?<br />

Benny: Ich bin ein großer Fan von Eric Prydz. Aktuell<br />

bin ich in Verhandlungen, eine Show mit ihm<br />

zu planen. Das ist ein großer Traum von mir. Erics<br />

Musik verfolge ich seit 15 Jahren und ich bin immer<br />

wieder fasziniert, wie er es jedes Mal aufs<br />

Neue schafft, mich sprachlos zu machen.<br />

mediakompakt: Du pflegst eine jahrelange persönliche<br />

Beziehung zum Proton, hier hat 2004 deine<br />

musikalische Karriere begonnen. Was ist in der<br />

Zwischenzeit passiert?<br />

Benny: Tatsächlich habe ich 2001 das erste Mal im<br />

Proton gespielt. Ab 2004 war ich dann für ungefähr<br />

zwei Jahre Resident-DJ dort. Im Jahr 2006<br />

habe ich Musical Madness gegründet. Mittlerwei-<br />

le veranstalten wir Events mit bis zu 10.000 Besuchern<br />

in ganz Deutschland. Schon verrückt, wenn<br />

man sich überlegt, wie alles mit 50 Gästen im Four<br />

Runners Club im Jahr 2006 begann.<br />

mediakompakt: Du bist seit 20 Jahren im Nightlife<br />

Entertainment unterwegs. Was sind die größten<br />

Unterschiede zwischen den Nuller-Jahren und<br />

heute?<br />

Benny: Trends sind deutlich schnelllebiger geworden.<br />

Heute können sie quasi über Nacht entstehen<br />

und genauso schnell wieder verschwinden.<br />

Heute in. Morgen out. Zudem hat Social Media<br />

einen Stellenwert wie nie zu vor. Ohne ausgereiftes<br />

Konzept, hat man keine Chance gesehen oder<br />

gehört zu werden.<br />

mediakompakt: Wo geht die Reise hin? Was dürfen<br />

Besucher*Innen im Proton erwarten?<br />

Benny: Wir haben für die nächsten Monate einige<br />

hochkarätige nationale und internationale<br />

Bookings geplant. Aktuell sind wir etwas zögerlich<br />

was Bookings angeht, da wir nicht wissen, wie<br />

sich die Pandemie entwickelt. Wir hoffen jedoch,<br />

dass das gemeinsame und unbeschwerte Feiern<br />

bald wieder in vollem Umfang möglich sein wird.<br />

mediakompakt: Bist du ein mutiger Mensch?<br />

Benny: Ich glaube, ohne Mut wäre ich heute nicht<br />

da, wo ich jetzt bin. Nicht immer wurde mein Mut<br />

belohnt, aber so ist das Leben eben. You win,<br />

you lose.<br />

Über: Benjamin Reichert<br />

Alter: 36<br />

Tätigkeit: Gründer und CEO Musical<br />

Madness GmbH, Booker Proton The Club<br />

Essen: Zwiebelrostbraten mit Spätzle<br />

Lieblingsfilm: In China essen sie Hunde<br />

www.protontheclub.de<br />

www.musical-madness.de<br />

Fotos: Luisa Art


8 WHY?<br />

mediakompakt<br />

Bild: dpa<br />

Eine Frage des Vertrauens?<br />

Stellt uneingeschränkte Toleranz eine Gefahr für die Demokratie dar? Warum Menschen sich nicht<br />

auf die Polizei verlassen und auch mal zu militanten Mitteln greifen: Eine Standortbestimmung.<br />

VON NATASA SIPKA<br />

November 2020: Die Leipziger<br />

Studentin Lina E. wurde verhaftet.<br />

Der Vorwurf der Bundesanwaltschaft:<br />

Sie soll mit drei Mitbeschuldigten<br />

eine kriminelle Vereinigung<br />

gebildet und sich an Angriffen auf Rechtsextreme<br />

beteiligt haben. Seitdem sitzt sie in der Justizvollzugsanstalt<br />

Chemnitz in Untersuchungshaft, der<br />

Prozess ist bis März dieses Jahres angesetzt.<br />

In derselben JVA ist Beate Zschäpe inhaftiert,<br />

Mitglied der rechtsradikalen Terrorgruppe NSU.<br />

Verurteilt für die Mitverantwortung an zehn Morden<br />

sowie für zahlreiche Sprengstoffanschläge.<br />

Das Magazin „Focus“ druckte im April des vergangenen<br />

Jahres einen Artikel ab, der Lina E. mit<br />

Zschäpe vergleicht. Darin heißt es, E. sei „laut Behörden<br />

eine der gefährlichsten Linksextremistinnen<br />

Deutschlands“.<br />

Das Solidaritätskomitee „Free Lina“ fordert ihre<br />

Freilassung und kritisiert die Berichterstattung.<br />

So heißt es auf deren Website: „Ein solcher Vergleich<br />

zwischen vermeintlich linker Gewalt und<br />

rechtem Terror beinhaltet eine erschreckende<br />

Bagatellisierung des rechten Terrors, der in den<br />

letzten Jahren in Deutschland zu beobachten war.<br />

Er entspricht jedoch der sogenannten Hufeisentheorie,<br />

die eine Gleichsetzung von links und<br />

rechts beinhaltet und offensichtlich noch immer<br />

wirkmächtig in Teilen der medialen Berichterstattung<br />

ist.“<br />

Warum die Gleichsetzung von links und<br />

rechts problematisch und schlicht falsch ist, ist<br />

leicht zu verstehen: Gemeinsamkeiten gibt es<br />

allenfalls, was die Kritik am Kapitalismus angeht.<br />

Doch die Unterschiede sind tiefgreifender. Rechte<br />

Gewalt entspringt einem menschenverachtenden<br />

Weltbild und gipfelt in brutalster Weise in Mordanschlägen.<br />

Das geht aus Zahlen der Amadeu-<br />

Antonio-Stiftung hervor, benannt nach einem<br />

der ersten Todesopfer von Neonazis im wiedervereinigten<br />

Deutschland. Ziel der Stiftung ist die<br />

Stärkung einer demokratischen Zivilgesellschaft,<br />

die konsequent gegen Rassismus und Antisemitismus<br />

vorgeht. Die Stiftung zählt seit der deutschen<br />

Wiedervereinigung 206 Todesopfer rechter Gewalt<br />

sowie 13 weitere Verdachtsfälle.<br />

Rechte Ideologien fantasieren Verschwörungen<br />

gegen das deutsche Volk herbei und fordern<br />

die Unterdrückung, Vertreibung und den Tod von<br />

Menschen. Linke Gewalt wendet sich jedoch<br />

gegen jene Formen der Ausgrenzung und Bedrohung.<br />

Ziel ist es, die Aufmerksamkeit von Politik<br />

und Behörden auf die Missstände und Gefahren<br />

zu lenken. In den allermeisten Fällen wird Gewalt<br />

nur gegen Gegenstände eingesetzt, wie beispielsweise<br />

immer wieder bei Demonstrationen und<br />

Protestaktionen zu beobachten.<br />

Und dennoch ist die Kritik an linker Militanz<br />

ein beliebtes Werkzeug in Politik und Medien, um<br />

Ängste und Vorurteile gegen linke Bündnisse zu<br />

schüren und staatliche Repression an Menschen<br />

wie Lina E. zu rechtfertigen.<br />

So verurteilt die sogenannte “bürgerliche Mitte”<br />

es gnadenlos, wenn Linke Häuser besetzen um<br />

gegen den Notstand auf dem Wohnungsmarkt zu<br />

protestieren, während zeitgleich gewaltbereite<br />

Rechte unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit<br />

toleriert werden. Wie im Oktober 2021 auf<br />

der Frankfurter Buchmesse: Die Schwarze Autorin<br />

Jasmina Kuhnke musste ihren Auftritt absagen,<br />

weil sie sich durch die Präsenz des rechtsextremen<br />

Verlags „Jungeuropa“ bedroht sah.<br />

Wie gefährlich Toleranz nach rechts sein<br />

kann, beschrieb der Philosoph Karl Popper schon<br />

1945 in seinem Werk „Die offene Gesellschaft<br />

und ihre Feinde” als Reaktion auf den Nationalsozialismus.<br />

Seine Botschaft: „Wenn wir die unbeschränkte<br />

Toleranz auf die Intoleranten ausdehnen,<br />

wenn wir nicht bereit sind, eine tolerante<br />

Gesellschaftsordnung gegen die Angriffe der Intoleranz<br />

zu verteidigen, dann werden die Toleranten<br />

vernichtet werden und die Toleranz mit<br />

ihnen.“<br />

Prozesse wie der gegen Lina E. zeigen, dass sich<br />

der Staat eher auf die Verfolgung derer konzentriert,<br />

die eine tolerante Gesellschaft zu verteidigen<br />

versuchen, statt auf die dafür ursächliche Gewalt:<br />

menschenverachtende Ideologien und Verschwörungsmythen<br />

von rechts.<br />

Als der NSU aufflog, war das nicht den Behörden<br />

zu verdanken – er enttarnte sich selbst, nach<br />

dem die Polizei Opfer der Attentate nicht<br />

geschützt hatte, Angehörige der Opfer verdächtigt<br />

und jahrelang in die falsche Richtung ermittelt<br />

hatte. Dass immer wieder rechte Chatgruppen in<br />

der Polizei oder in der Bundeswehr aufgedeckt<br />

werden, zeigt eindeutig, dass die Aufarbeitung<br />

und Bekämpfung rechter Strukturen bei staatlichen<br />

Behörden einen langen Weg vor sich hat.


01/ 2022 WHY? 9<br />

(she/he/they) Was?<br />

In sozialen Netzwerken sind auf vielen Profilen Pronomen in<br />

Klammern hinter dem Namen zu sehen, etwa bei der Autorin<br />

Tupoka Ogette (she/her). Dadurch soll die Verwendung falscher<br />

Pronomen vermieden werden. Aber warum ist das wichtig?<br />

VON FRANZISKA DÖTTLING (SIE/IHR)<br />

Bild: Unsplash<br />

Triggerwarnung: In diesem Text wird von<br />

Misgendern und dessen emotionalen Folgen<br />

geschrieben. Die deutsche Sprache<br />

ist voller Geschlechtszuweisungen.<br />

Zwar wird immer häufiger gegendert,<br />

zum Beispiel werden Studenten zu Studierenden<br />

oder Forscher zu Forscher:Innen. Aber auch durch<br />

die Nutzung von Personalpronomen, wie sie/ihr<br />

und er/ihm, wird ein Geschlecht zugewiesen.<br />

Neben Eigennamen sind Pronomen die<br />

gängigste Art, wie Menschen sich aufeinander<br />

beziehen. Oft wird davon ausgegangen, dass man<br />

aufgrund des Aussehens weiß, mit welchem Pronomen<br />

eine andere Person angesprochen werden<br />

möchte. Dies ist jedoch nicht immer zutreffend:<br />

„Allein anhand von Äußerlichkeiten kann man<br />

nicht festlegen, wie die Person sich wahrnimmt“,<br />

sagt Joshy (er/sie), eine genderfluide Person. Joshy<br />

trägt beispielsweise Röcke, möchte aber nur allein<br />

deshalb nicht als Frau wahrgenommen werden.<br />

Was ist Misgendern?<br />

Wenn eine Person von ihrem Umfeld mit falschem<br />

Pronomen angesprochen und dadurch<br />

dem falschen Geschlecht zugeordnet wird, wird es<br />

als „Misgendern“ bezeichnet. Natürlich kann das<br />

unabsichtlich passieren. Auch wenn es nicht böse<br />

gemeint ist, kann das für die Betroffene verletzend<br />

sein. Zudem können sie in Geschlechterrollen gedrängt<br />

werden, in denen sie sich unwohl fühlen.<br />

Nicht-binäre Personen sind häufig von<br />

Misgendern betroffen. Auch Lee (they/them, er/<br />

ihm) kennt das: „Wenn die Personen nicht<br />

respektieren, wie ich gern angesprochen werden<br />

möchte, weil meine äußere Erscheinung nicht zu<br />

meinen Pronomen passt oder weil man mich auf<br />

das biologische Geschlecht reduziert, dann ist das<br />

für mich wie eine Ohrfeige.“<br />

Was sind deine Pronomen?<br />

Um Misgendern vorzubeugen, gibt es einfache<br />

Wege. Entweder du fragst eine Person direkt beim<br />

Kennenlernen: Was sind deine Pronomen? Oder:<br />

Mit welchen Pronomen möchtest du angesprochen<br />

werden? Dabei ist es wichtig, nicht nur Menschen<br />

zu fragen, bei denen du unsicher bist, welches<br />

Geschlecht sie haben. Denn das kannst du einer<br />

Person nicht einfach ansehen. Das ist auch<br />

Lee besonders wichtig: „Wenn man alle gleich<br />

nach ihren Pronomen fragt, muss sich niemand<br />

ausgegrenzt fühlen.“ So werde Normalität um die<br />

Frage geschaffen.<br />

Solltest du dich mit der Frage unwohl fühlen oder<br />

befürchtest, dadurch Druck bei deinem Gegenüber<br />

aufzubauen, gibt es eine weitere Möglichkeit.<br />

Du kannst dich selbst mit deinen Pronomen<br />

vorstellen. So haben andere die Möglichkeit, dies<br />

in einer offenen und respektvollen Umgebung<br />

ebenso zu tun.<br />

Wenn du unabsichtlich ein falsches Pronomen<br />

benutzt hast, kannst du dich ehrlich, aber<br />

unaufgeregt, entschuldigen und anschließend das<br />

richtige verwenden. Angst vor Fehlern sollten<br />

niemanden davon abhalten, sich mit dem Thema<br />

auseinanderzusetzen.<br />

Durch das Eintragen der Pronomen in die<br />

Biographie eines sozialen Netzwerkes geht man<br />

bereits einen Schritt in Richtung Anerkennung<br />

geschlechtlicher Vielfalt und gleichberechtigtem<br />

Miteinander. Auch das Fragen nach Pronomen<br />

trägt hierzu bei. Diese Grundsätze des Zusammenlebens<br />

können wir so in unsere Sprache übertragen,<br />

welche unsere Realität maßgeblich prägt.<br />

Gender Identity<br />

cis = Personen, deren Geschlechtsidentität<br />

übereinstimmt mit ihrem im Geburtenregister<br />

eingetragenen Geschlecht<br />

trans = Menschen, deren Geschlechtsidentität<br />

nicht übereinstimmt mit ihrem im Geburtenregister<br />

eingetragenen Geschlecht<br />

inter = Menschen, die sowohl mit männlich<br />

als auch weiblich gelesenen Geschlechtsmerkmalen<br />

geboren wurden.<br />

genderfluid = Personen, die sich nicht mit einem<br />

festgelegten Geschlecht identifizieren,<br />

sondern ihre Geschlechtsidentifizierung im<br />

Laufe der Zeit immer wieder ändern.<br />

binär = Binär steht für zweiteilig und reduziert<br />

auf nur zwei Geschlechter: männlich und<br />

weiblich.<br />

nicht-binär = Menschen, die sich nicht (oder<br />

nicht zu 100 Prozent) als Mann/Frau identifizieren,<br />

sondern zum Beispiel als beides<br />

gleichzeitig, zwischen männlich und weiblich<br />

oder als weder männlich noch weiblich.<br />

agender = Personen, die sich keinem<br />

Geschlecht zuordnen, sondern sich mehr als<br />

Individuum und nicht als ein bestimmtes<br />

Geschlecht identifizieren.


10 WHY?<br />

mediakompakt<br />

Bilder: Unsplash<br />

Die Psychologie hinter Fake News<br />

Maren Urner ist Neurowissenschaftlerin,<br />

Professorin für<br />

Medienpsychologie und Bestsellerautorin.<br />

Im Interview<br />

beleuchtet sie die psychologischen<br />

Hintergründe von Fake<br />

News und erklärt, warum<br />

wir lieber Lügen glauben<br />

als Fakten.<br />

VON LISA BRETTSCHNEIDER<br />

UND LAURA BRÖSAMLE<br />

Mediakompakt: Warum glauben und<br />

verbreiten Menschen Falschnachrichten,<br />

auch wenn es gesicherte<br />

Fakten und Statistiken<br />

gibt?<br />

Maren Urner: Der wichtigste Grund ist, dass unser<br />

Gehirn kein objektiver Informationsverarbeiter<br />

oder ein Computer ist, wo wir eine „Löschen-“<br />

und „Speichern“-Taste drücken können, unabhängig<br />

von dem, was bisher vorher passiert ist.<br />

Wir haben vielmehr eine Art psychologisches<br />

Immunsystem und in diesem sorgt zum Beispiel<br />

der sogenannte Bestätigungsfehler – auch Confirmation<br />

Bias genannt – dafür, dass wir Dinge eher<br />

in unser Weltbild aufnehmen, wenn sie unseren<br />

bisherigen Ansichten entsprechen. Zum Beispiel<br />

glauben und vertrauen wir Menschen eher, wenn<br />

sie die gleichen Überzeugungen haben wie wir.<br />

mediakompakt: Sind manche Menschen anfälliger<br />

für Fake News?<br />

Maren Urner: Ja, das ist tatsächlich von verschiedenen<br />

Komponenten abhängig, zum Beispiel in welcher<br />

Lage wir uns befinden. Wenn wir in Situationen<br />

sind, in denen wir gestresst und unsicher<br />

sind, dann tendieren wir eher dazu, Fake News zu<br />

glauben. Gerade in Zeiten einer weltweiten Pandemie<br />

kann es dafür eine Hochzeit geben. Wenn<br />

sehr viele Menschen in der Bevölkerung unsicher<br />

sind und ein Gefühl des Kontrollverlustes haben,<br />

dann kann das dazu führen, dass Fake News und<br />

Verschwörungserzählungen ein sehr viel leichteres<br />

Einfallstor haben. Weil wir uns, beziehungsweise<br />

unser Gehirn, noch mehr nach Sicherheit<br />

und einfachen Erklärungen sehnen. Und es hat<br />

natürlich auch ein Stück weit etwas mit Bildung<br />

zu tun, gerade auch was Medienkompetenz anbelangt.<br />

mediakompakt: Wie verarbeitet unser Gehirn Nachrichten?<br />

Wie wählt es Nachrichten aus, denen es<br />

vertraut?<br />

Maren Urner: Das Gehirn hat die zentrale Aufgabe,<br />

den Organismus, in dem es steckt, am Leben zu erhalten.<br />

Der erste wichtige Faktor, der eine ganz<br />

große Rolle dabei spielt, wie das Gehirn Wissen<br />

einordnet, ist Negativität. Also wenn das Gehirn<br />

versucht, uns am Leben zu erhalten, ist es gut beraten,<br />

möglichst intensiv auf alles zu reagieren,<br />

was negativ ist und so potenzielle Gefahren bildet.<br />

Das sehen wir zum Beispiel an Studien, bei denen<br />

Menschen negative, positive und neutrale<br />

Wörter gezeigt bekommen. Die negativen wie<br />

„Krieg“ und „Krise“ werden sehr viel schneller, intensiver<br />

und besser verarbeitet als die positiven<br />

und neutralen. Unser Körper reagiert also intensiver,<br />

wenn es sich um negative Worte handelt. Das<br />

geht so weit, dass, auch wenn die semantische


01/ 2022 WHY? 11<br />

Bedeutung noch nicht klar da ist, wir bereits wissen,<br />

dass es etwas Negatives ist und in einen<br />

Alarmmodus gehen sollten.<br />

mediakompakt: Und der zweite Aspekt?<br />

Maren Urner: Da sind wir bei den Stichworten<br />

Alarmmodus, Stress. Die Auswahl vertrauenswürdiger<br />

Nachrichten erfolgt auch aufgrund von Relevanz.<br />

Die Relevanz wird nicht nur nach Negativität,<br />

sondern auch nach Betroffenheit ausgewählt.<br />

Also etwa zeitliche, räumliche und soziale<br />

Nähe. Geschieht etwas direkt vor meiner Haustür<br />

und betrifft es mich oder Menschen, die mir wichtig<br />

sind, schenkt das Gehirn dem deutlich mehr<br />

Aufmerksamkeit.<br />

mediakompakt: Spielen Emotionen ebenfalls eine<br />

Rolle bei der Entscheidung, ob unser Gehirn<br />

Nachrichten für glaubhaft hält?<br />

Maren Urner: Das ist die dritte Komponente, die<br />

Emotionalität. Je emotionaler eine Nachricht<br />

oder eine Information ist, desto stärker und intensiver<br />

wird sie verarbeitet und gespeichert. Die<br />

emotionalsten Überschriften, das sind die, die am<br />

meisten geklickt werden, weil das Gehirn da<br />

schneller und intensiver reagiert. Im Gehirn aktivieren<br />

sich dabei die entsprechenden Bereiche,<br />

die für die emotionale Verarbeitung zuständig<br />

sind.<br />

mediakompakt: Was hat die Häufigkeit, mit der wir<br />

mit Fake News konfrontiert werden, damit zu tun,<br />

ob wir diese Nachrichten glauben?<br />

Maren Urner: Sehr, sehr viel. Einer der stärksten<br />

Lernmechanismen unseres Gehirns ist über Wiederholung.<br />

Das bedeutet, je häufiger wir etwas hören,<br />

sehen und wahrnehmen, umso stärker speichern<br />

wir es ab. Und bei Fake News ist das besonders<br />

gefährlich. Hören wir etwas in den unterschiedlichsten<br />

Rahmenbedingungen von den unterschiedlichsten<br />

Menschen und von verschiedenen<br />

Quellen immer wieder, fängt das Gehirn irgendwann<br />

an zu zweifeln, selbst wenn wir auf kognitiver<br />

Ebene wissen, dass dies Quatsch ist. Und<br />

irgendwann, so nach dem x-ten Mal, schleicht<br />

sich dieses Gefühl ein: Moment mal, wenn das so<br />

viele Menschen sagen, denken, verbreiten – vielleicht<br />

ist da doch was dran. Das ist natürlich das<br />

Perfide am Internet. Bewegen sich Menschen nur<br />

noch in einem medialen Umfeld, in dem Fake<br />

News rauf und runter wiederholt werden, gerät<br />

die gemeinsame Faktengrundlage einer Gesellschaft<br />

in Gefahr. Das Hirn lernt über die Wiederholung<br />

der faktisch falschen Aussagen und möglicherweise<br />

Verschwörungserzählungen. Nach dem<br />

Motto: Ah, okay, das ist also die vermeintlich richtige<br />

Welt.<br />

mediakompakt: Wie können wir diese psychologischen<br />

und neurowissenschaftlichen Erkenntnisse<br />

nutzen, um Fake News zu bekämpfen?<br />

Maren Urner: Wenn beispielsweise in einer Überschrift<br />

die Fake News wörtlich aufgeführt wird,<br />

dann sorgt das automatisch für „Ah, einmal mehr<br />

gehört“ und wird von den Menschen abgespeichert.<br />

Auch weil Menschen gerade im Internet<br />

häufig nur die Überschrift wahrnehmen. Die sehr<br />

viel bessere Praxis besteht darin, in der Überschrift<br />

den Fake-Inhalt nicht zu reproduzieren. Im<br />

eigentlichen Artikel oder Beitrag kann der falsche<br />

Inhalt genannt und richtiggestellt werden. Die<br />

Kennzeichnung der Nachrichten als Fake News,<br />

also quasi eine Warnung, hilft tatsächlich auch.<br />

Wir können alle den richtigen Umgang mit (digitalen)<br />

Medien lernen, zwischen wahr und falsch<br />

zu unterscheiden und erkennen, ob etwas angemessen<br />

recherchiert und journalistisch gut gearbeitet<br />

ist. So durchschauen wir Fake News und<br />

Verschwörungsgeschichten.<br />

mediakompakt: Heißt das, dass wir weniger anfällig<br />

für Fake News sind, wenn wir wissen, wie sie funktionieren?<br />

Maren Urner: Weniger anfällig nicht unbedingt,<br />

weil wir alle die Tendenz in uns haben, Fake News<br />

zu glauben. Das ist abhängig von bestimmten soziodemografischen<br />

und bestimmten situativen<br />

Komponenten, wie schon erwähnt. Wir können<br />

aber trainieren, Fake News zu erkennen. Der Bildungsauftrag<br />

und die journalistische Praxis spielen<br />

hier eine große Rolle. In Finnland ist kritisches<br />

Denken im gesamten Lehrplan mit eingebaut.<br />

Schülerinnen und Schüler lernen zum Beispiel,<br />

wie sie eine gute historische Quelle von der<br />

schlechten unterscheiden, also auch das Erkennen<br />

von Fake News. Das hat dazu geführt, dass<br />

Finnland Spitzenreiter im internationalen Ranking<br />

der Media Literacy, sprich Medienkompetenz<br />

ist. Wir können das also lernen. Deshalb ist es<br />

so wichtig, dass in den unterschiedlichen gesellschaftlichen<br />

Bereichen, in der Bildung, im Journalismus,<br />

ebenso in Unternehmen und in der Politik<br />

Medienkompetenzen vermittelt werden. Damit<br />

wir besser darin werden, Fake News von Nicht<br />

Fake News zu unterscheiden.<br />

Prof. Dr. Maren Urner<br />

Prof. Dr. Maren Urner studierte Kognitionsund<br />

Neurowissenschaften und wurde am<br />

University College London promoviert. 2016<br />

gründete sie das erste werbefreie Online-Magazin<br />

„Perspective Daily“ für Konstruktiven<br />

Journalismus mit. Sie leitete die Redaktion bis<br />

März 2019 als Chefredakteurin und war Geschäftsführerin.<br />

Ihre beiden Bücher „Schluss<br />

mit dem täglichen Weltuntergang“ (Droemer<br />

2019) und „Raus aus der ewigen Dauerkrise“<br />

(Droemer 2021) sind SPIEGEL-Bestseller.<br />

Bild: Lea Franke


12 WHY?<br />

mediakompakt<br />

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01/ 2022 WHY?<br />

13<br />

Heute schon<br />

was verpasst?<br />

Konzentrationsschwierigkeiten und Selbstzweifel.<br />

Das können Folgen von FOMO sein. Was verbirgt<br />

sich hinter dem Phänomen? Und warum ist es<br />

heutzutage so weitverbreitet?<br />

VON GIULIA CANTATORE<br />

Bild: Unsplash<br />

Die Freundin postet ein Foto vom Urlaub<br />

auf Mallorca, ein Bekannter ein<br />

Video vom lustigen Spieleabend mit<br />

Kolleg:innen. Wir selbst sitzen im<br />

Pyjama auf der Couch und scrollen<br />

durch den Instagram-Feed. Obwohl wir uns auf einen<br />

gemütlichen Freitagabend zu Hause gefreut<br />

haben, schleicht sich das Gefühl ein, ein viel langweiligeres<br />

Leben als alle anderen zu führen. Sollten<br />

wir nicht auch unterwegs sein und Spaß<br />

haben? Was ist, wenn wir den Gesprächen der<br />

Kolleg:innen am Montag nicht folgen können?<br />

Wem diese Gedanken bekannt vorkommen,<br />

könnte unter FOMO leiden.<br />

FOMO steht kurz für Fear Of Missing Out. Die<br />

Angst, spannende Ereignisse zu verpassen. Oft<br />

verspüren wir diese, wenn wir nicht an realen<br />

sozialen Anlässen teilnehmen können. Beispielsweise<br />

der Geburtstag eines Freundes. Diese Angst<br />

wird durch die sozialen Medien noch verstärkt.<br />

Wir möchten immer auf dem Laufenden bleiben<br />

und keine Nachrichten verpassen. Hinzu kommen<br />

die vielen Möglichkeiten, die wir haben und<br />

die Angst, die falsche Entscheidung zu treffen.<br />

Haben wir das richtige Studium, den richtigen<br />

Job, den richtigen Partner oder die richtige Partnerin<br />

gewählt? Oder kommt womöglich noch<br />

eine bessere Option?<br />

FOMO kann jeden treffen. Unabhängig von<br />

Alter oder Persönlichkeitstyp. Jedoch leiden Menschen,<br />

die ein hohes Bedürfnis verspüren, sich mit<br />

anderen zu vergleichen und unzufrieden mit<br />

ihrem Leben sind, häufiger darunter. Außerdem<br />

betrifft die Angst vor allem Menschen mit einer<br />

hohen Social-Media-Nutzung. In Deutschland<br />

haben laut einer Umfrage des Bundesverbands<br />

Digitale Wirtschaft im Jahr 2019 die 14– bis<br />

24-Jährigen die längste Nutzungsdauer von sozialen<br />

Medien.<br />

Doch wie beeinflussen sich die Fear Of Missing<br />

Out und Social Media? Durch Plattformen wie<br />

Instagram, Facebook und Snapchat werden wir<br />

permanent damit konfrontiert, was andere gerade<br />

erleben. Ohne zeitliche und inhaltliche Grenzen.<br />

Der Feed, durch den wir scrollen, ist endlos.<br />

Neuigkeiten werden wieder und wieder aktualisiert.<br />

Wir sehen vermeintlich perfekte Bilder und<br />

Situationen, in denen andere Menschen Spaß<br />

haben. Ohne uns. Und wir vergleichen diese mit<br />

unserer eigenen Lebenssituation.<br />

Dabei wird vergessen, dass die Bilder nur<br />

Ausschnitte des Lebens sind und nicht die Realität<br />

widerspiegeln. Soziale Medien bieten mehr Möglichkeiten:<br />

Schauen wir das neue Video unseres<br />

Lieblings-YouTubers? Oder hören wir lieber den<br />

aktuellen Podcast, von dem alle reden? Wer Angst<br />

hat, etwas zu verpassen, greift häufiger zum<br />

Smartphone, um sich in den sozialen Medien<br />

anderen Menschen näher zu fühlen. Dabei<br />

bewirkt es oft genau das Gegenteil: Wir fühlen uns<br />

ausgegrenzt.<br />

Tim, 24, studiert Wirtschaftsinformatik an der<br />

Hochschule der Medien. Er verspürt FOMO häufig<br />

in Situationen, in denen er abends nicht mit seinen<br />

Freunden unterwegs sein kann, weil er eine<br />

Abgabe vorbereiten muss. „Ich merke, wie ich,<br />

ohne es zu merken, zum Handy greife, um zu<br />

schauen, was in der Welt passiert.“ Damit ist er<br />

nicht allein. Forschende der Universitäten Carleton<br />

und McGill untersuchten 2018 die Erfahrungen<br />

von Studierenden mit FOMO. Sie fanden<br />

heraus, dass die Angst vor allem abends, am<br />

Wochenende und während des Arbeitens oder<br />

Lernens aufkam. Folgen: Müdigkeit, Stress und<br />

weniger Schlaf. Der permanente Vergleich mit anderen<br />

kann aber durchaus zu Selbstzweifeln und<br />

depressiven Verstimmungen führen.<br />

So kannst Du<br />

die FOMO mindern:<br />

1. Reflektiere Deine Social Media Nutzung.<br />

Beobachte, wie oft und wie lange Du täglich<br />

zum Smartphone greifst. Setze Dir mit offline<br />

Zeiten eine künstliche Grenze von außen. Entfolge<br />

Accounts, die Dir nicht guttun.<br />

2. Konzentriere Dich auf das Hier und Jetzt,<br />

statt Dich mit anderen Menschen zu vergleichen.<br />

Dabei können Meditation und Dankbarkeitsübungen<br />

helfen.<br />

3. Nimm Dir Zeit für Freunde und Familie im<br />

realen Leben. Lege Dein Smartphone dabei<br />

zur Seite.<br />

4. Probiere es mal mit JOMO (Joy Of Missing<br />

Out). Habe Freude daran, etwas zu verpassen.<br />

Vergiss nicht, dass unangenehme Erfahrungen,<br />

wie der Kater am Tag nach der Party,<br />

meistens nicht in den sozialen Medien geteilt<br />

werden.


14 WHY?<br />

mediakompakt<br />

Bild: Pixabay<br />

Du tust mir gut!<br />

Wir und das Tier: Sie begrüßen uns, wenn sie uns sehen, sind kritiklose Zuhörer und leisten Gesellschaft<br />

im Alltag. Sie sind Freunde und Therapeuten, die positive Auswirkungen auf unsere Gesundheit<br />

und das Wohlbefinden haben.<br />

VON VIVIEN MÜLLER<br />

Dass Menschen gerne Haustiere um<br />

sich haben, ist kein Geheimnis.<br />

Allein im Jahr 2020 lebten 34,9 Millionen<br />

Haustiere in Deutschlands<br />

privaten Haushalten. Egal ob Hund,<br />

Katze, Kaninchen oder doch etwas ganz Anderes –<br />

es scheint, als spüren wir, dass uns das Zusammensein<br />

mit den Tieren gut tut. Aber ist da wirklich<br />

etwas dran? Tatsächlich gibt es mittlerweile<br />

zahlreiche Studien, die den positiven Einfluss von<br />

Tieren auf Menschen belegen.<br />

Der Forschungskreis Heimtiere in der Gesellschaft<br />

aus Bremen (www.mensch-heimtier.de)<br />

beschäftigt sich seit 1988 intensiv mit den sozialen<br />

Beziehungen zwischen Menschen und Heimtieren.<br />

Die Ergebnisse der Studien werden in Broschüren<br />

zusammengefasst und auf Anfrage an<br />

Interessierte verschickt.<br />

Einfluss auf Gesundheit und Stimmung<br />

Ob Menschen mit Tieren glücklicher sind, ist<br />

schwer festzustellen, da man Glück nicht messen<br />

kann. „Aber sie sind gesünder, haben zum Beispiel<br />

weniger Schlafstörungen oder kardiovaskuläre<br />

Probleme, machen weniger Arztbesuche, und das<br />

ist signifikant durch Heimtierbesitz beeinflusst“<br />

sagt Prof. Dr. Dr. Andrea Beetz, Diplom Psychologin<br />

von der IU Internationale Hochschule Bad<br />

Reichenhall. Dies wurde in groß angelegten Studien<br />

mit Tausenden Teilnehmern belegt. „Zudem<br />

wissen wir aus vielen Untersuchungen über Heimtierbesitz<br />

oder Effekte von Interaktionen mit Tieren<br />

in Experimenten oder Interventionsstudien,<br />

dass der Kontakt mit ihnen die Stimmung verbessern<br />

kann“, so Andrea Beetz. So würden negative<br />

Gefühle wie Angst, Schmerzen und physiologische<br />

Stressreaktionen verringert und unter anderem<br />

Interaktion und Konzentration gefördert.<br />

Heimtier oder Alpaka-Wanderung?<br />

Doch um welche Tiere handelt es sich dabei?<br />

Die Forschung bezieht sich aktuell in erster Linie<br />

auf Hund, Katze & Co. Ebenso sind über die Arbeit<br />

mit Pferden positive Effekte dokumentiert. Unter<br />

anderem werden sie zu Therapiezwecken bei Menschen<br />

mit Behinderung eingesetzt. „Allerdings<br />

lassen sich aus den zugrundeliegenden Mechanismen<br />

für die positiven Effekte auch Potenziale für<br />

andere Arten ableiten“, sagt die Professorin.<br />

Wichtig sei, dass es sich um domestizierte Tiere<br />

handelt. Das bedeutet, die Tiere wurden über<br />

Generationen von der Wildform genetisch isoliert<br />

und mit Menschen sozialisiert. „Dann lässt sich<br />

gut ableiten, dass auch das Streicheln von Hühnern,<br />

Führen von Eseln oder Alpakas zu Ruhe,<br />

Entspannung, Freude und einem besonderen Erlebnis<br />

beitragen.“<br />

Hunde für Schüler*Innen<br />

Aus diesen Gründen werden Tiere auch oft im<br />

Job und in Schulen eingesetzt. Vor allem bei<br />

Hunden in der Leseförderung zeigen die Studien,<br />

dass deren Einsatz hier sehr sinnvoll ist. „Hunde<br />

können durch ihre Anwesenheit Ruhe und Konzentration<br />

fördern, Stress verringern und die Freude<br />

am Lernen fördern“, begründet Beetz. Warum


01/ 2022 WHY?<br />

15<br />

gibt es dann noch so wenig Einsatz von Tieren in<br />

den Klassenzimmern? Laut Beetz mangele es an<br />

der Initiative einzelner Lehrkräfte, die ihr eigenes<br />

Tier in die Klasse mitbringen oder sich um das Tier<br />

kümmern müssen. „Zudem gibt es Bedenken wegen<br />

Hygiene, Allergien, Tierschutz, Organisation<br />

– und auch die Voraussetzungen, vor allem bei<br />

Schulhunden, sind bisher nicht einheitlich geregelt“<br />

ergänzt sie.<br />

Was haben die Tiere davon?<br />

Bei all den positiven Effekten, die unsere tierischen<br />

Begleiter auf uns haben können, stellt sich<br />

nun die Frage: Springt für sie etwas Positives dabei<br />

heraus? Laut Beetz berichten viele tiergestützte<br />

Therapien, dass die Tiere gern zur Arbeit gehen.<br />

„Das merkt man, wenn sie gerne ihr Arbeitsgeschirr<br />

anlegen lassen, auf einen Anhänger verladen<br />

werden und das gut mitmachen, oder wenn<br />

sie eben lieber nicht mitgehen würden“, erklärt<br />

Beetz. Tiere zeigen deutlich, ob sie etwas wollen<br />

oder nicht, daher sind in der Therapie immer die<br />

Bezugspersonen dabei. Herrchen oder Frauchen<br />

kennen ihre Schützlinge, wissen ihr Verhalten zu<br />

deuten und achten darauf, dass auch das Tier mit<br />

Spaß dabei ist.<br />

Die Beziehung zwischen Menschen und Tieren<br />

ist also eine ganz besondere. „Tiere füllen viele<br />

soziale Funktionen – vor allem aber die eines echten<br />

Sozialpartners“, sagt Beetz.<br />

Bild: Pixabay<br />

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16 WHY?<br />

mediakompakt<br />

Der Neugier auf der Spur<br />

Wenn draußen ein Polizeiwagen<br />

mit Blaulicht vorbeirast,<br />

wenn auf Whatsapp rumgeht,<br />

dass endlich die Noten draußen<br />

sind: Dann sind wir alle<br />

wahnsinnig neugierig. Aber<br />

was ist Neugierde eigentlich?<br />

Und warum brauchen wir<br />

sie überhaupt?<br />

VON SELINA ELLENBERGER<br />

Ein Leben lang begleitet uns der Entdeckerdrang:<br />

Bereits im Alter von wenigen<br />

Monaten beginnen Kleinkinder,<br />

ihre Umgebung und ihren Körper zu<br />

erkunden. Alles, was neu ist, ist spannend.<br />

Dieses sogenannte Neugier-Motiv haben<br />

Menschen laut Forschern von Geburt an. Es liegt<br />

einfach in den Genen, Neues wissen zu wollen.<br />

Der Duden beschreibt Neugier als „beherrscht<br />

sein von dem Wunsch, etwas Bestimmtes zu<br />

erfahren“.<br />

In der Psychologie wird dieses Verhalten als<br />

Instinkt und Kern der Motivation aufgefasst. Erst,<br />

wenn etwas unsere Neugier weckt, haben wir<br />

auch die Motivation, uns näher damit zu beschäftigen.<br />

Im Gehirn wird dann der Hippocampus<br />

aktiviert. Das ist die Region, die für die Verarbeitung<br />

neu gewonnener Erinnerungen zuständig<br />

ist. Deswegen fällt es in der Regel leichter, Informationen<br />

abzuspeichern, die wir interessant<br />

finden. Wird der Wissensdurst dann befriedigt,<br />

schüttet das Gehirn Dopamin aus.<br />

Dieses Antriebshormon entsteht im sogenannten<br />

Belohnungszentrum und vermittelt ein<br />

Gefühl von Erfolg. „Dopamin steht am Anfang<br />

einer molekularen Kaskade, die schließlich zu<br />

Zufriedenheit und sogar Euphorie führen kann“,<br />

sagt Andreas Heinz, der Suchtmediziner an der<br />

Charité in Berlin ist.<br />

Jetzt wissen wir, was Neugier ist und was im<br />

Körper passiert, wenn etwas interessant ist. Aber<br />

was bringt das im Alltag? Die meisten werden<br />

schon die Erfahrung gemacht haben, dass Dinge<br />

sich leichter lernen lassen, wenn sie einen interessieren.<br />

Im Rahmen einer Studie fanden kalifornische<br />

Forscher*innen aber heraus, dass Neugier<br />

zusätzlich dazu beitragen kann, sich langweilige,<br />

uninteressante Sachverhalte besser einzuprägen.<br />

Teilnehmer*innen der Studie wurde zunächst<br />

eine von ihnen als spannend eingestufte Quizfrage<br />

gestellt.<br />

Beim Warten auf die richtige Antwort sahen<br />

sie sich ein Foto an, das nichts mit der Frage zu tun<br />

hatte. Im Nachhinein konnten Fotomotive, die<br />

auf eine spannende Frage folgten, viel detaillierter<br />

wiedergegeben werden als jene, die nach<br />

langweiligen Fragen gezeigt wurden. Dieser Effekt<br />

war auch 24 Stunden später noch zu beobachten.<br />

Der US-Wissenschaftler Bowen Ruan fand<br />

heraus, dass es neugierigen Menschen deutlich<br />

leichter fällt, neue Kontakte zu knüpfen. Die<br />

Proband*innen konnten in einem Experiment<br />

sowohl im Smalltalk als auch in intimeren Gesprächen<br />

engere Beziehungen herstellen. Das läge<br />

daran, so schlussfolgert Ruan, dass Neugierige<br />

sich stark für ihr Gegenüber interessieren und<br />

nicht mit oberflächlichen Details zufriedengeben.<br />

Abgesehen von persönlichen Faktoren kann<br />

sich Neugier aber auch auf unseren Bildungs- und<br />

Berufsweg positiv auswirken.<br />

Bild: Pixabay<br />

Während der Schulzeit wurden wir davon<br />

überzeugt, dass Erfolg unmittelbar mit Intelligenz<br />

verbunden ist. Britische und Schweizer Forscher*innen<br />

starteten eine Studie, an der mehr als<br />

50.000 Studierende teilnahmen. Die Auswertung<br />

der Daten ergab, dass interessierte Leute deutlich<br />

bessere Leistungen in ihrem Studium erbrachten<br />

als Menschen mit hohem Intelligenzquotienten.<br />

Beruhigend, oder? Interesse am Studium ist also<br />

schon die halbe Miete.<br />

Im Job ist der umgangssprachliche Wissensdurst<br />

ebenfalls nicht mehr wegzudenken.<br />

Die Unternehmensberatung PriceWaterhouse-<br />

Coopers (PwC) befragte 1.300 CEOs aus 77<br />

Ländern. Die meisten davon gaben an, dass


01/ 2022 WHY? 17<br />

Neugier speziell für Führungskräfte besonders<br />

wichtig sei. Auf der westlichen Seite des Globus<br />

sind wir vor allem im Berufsalltag häufig von sogenannter<br />

extrinsischer Motivation getrieben.<br />

Wir gehen an die Arbeit, um am Ende des Monats<br />

Geld auf dem Konto zu haben und nicht auf der<br />

Straße zu landen. Wir arbeiten also entweder aus<br />

Angst vor einer Bestrafung oder aus Vorfreude auf<br />

eine Belohnung. Beides sind Einflüsse, die von<br />

außen kommen. Wer hingegen intrinsisch motiviert<br />

ist, also sich immer wieder aus Freude und<br />

Interesse an der Arbeit von innen heraus selbst anspornen<br />

kann, hat seltener Probleme damit morgens<br />

aus dem Bett zu kommen und schläft auch<br />

viel erholsamer.<br />

Diese neugierigen Menschen bleiben auf<br />

Dauer zudem auch deutlich leistungsstärker. Bei<br />

einem Neugier-Test mit 320 Auszubildenden wurde<br />

genau das erneut nachgewiesen: Wer bei der<br />

Studie am besten abschnitt, gehörte gleichzeitig<br />

zu den Mitarbeiter*innen, denen vom Arbeitgeber<br />

die beste Leistung an ihre Tätigkeit nachgesagt<br />

wurde.<br />

Das Unternehmen Viking hat einen<br />

sogenannten Neugier-Index angelegt und dafür<br />

die EU-Staaten miteinander verglichen: Welches<br />

Land hat die neugierigste Bevölkerung? Auf dem<br />

ersten Rang landete dabei Malta. Überraschenderweise<br />

belegt Deutschland lediglich Platz 20. Die<br />

wichtigsten Parameter für die Ermittlung des<br />

Neugier-Index waren unter anderem die Anzahl<br />

aktiver Duolingo-Nutzer*innen pro 1000 Internetnutzer*innen,<br />

die Stundenanzahl in der beruflichen<br />

Weiterbildung pro Arbeitnehmer*in und<br />

Pro-Kopf-Bibliotheks-Ausleihen pro Jahr.<br />

Das Unternehmen sagt selbst, dass Neugier<br />

natürlich viel diverser ist und nicht über ein paar<br />

spezifische Daten umfassend abgebildet werden<br />

kann. Trotzdem ist es doch ein netter Ansporn,<br />

der eigenen Neugier mal auf den Zahn zu fühlen!<br />

Wer weiß, vielleicht landet Deutschland bei der<br />

nächsten Datenerhebung unter den Top 10?<br />

Also packt alle eure metaphorischen Lupen<br />

aus und zelebriert eure Neugier. Das ist absolut<br />

gesund!<br />

Als ich mit Freundinnen ein<br />

Exit-Game gespielt habe,<br />

das mir geschenkt wurde.<br />

Als ein Freund ein Foto aus<br />

dem Studio des Podcasts<br />

„Gemischtes Hack“ gepostet hat.<br />

Alina, 23<br />

Als ich zu meiner letzten<br />

größeren Reise ins Ausland<br />

aufgebrochen bin.<br />

Anna, 24<br />

In welcher Situation<br />

warst du zuletzt<br />

neugierig?<br />

Ben, 20<br />

Als ich ein Projekt für meine<br />

Weiterbildung begonnen habe.<br />

Als eine Freundin sagte, sie<br />

müsse mir später etwas<br />

Wichtiges erzählen.<br />

Tobias, 28<br />

Vivien, 25<br />

Als das neue Album meiner<br />

Lieblingskünstlerin<br />

erschienen ist.<br />

Als ich herausfinden wollte,<br />

ob die Preise bei Penny wirklich so<br />

viel günstiger sind als bei Edeka.<br />

Laura, 21<br />

Jörg, 25<br />

Bilder: Pixabay


18 WHY?<br />

mediakompakt<br />

Du kommst mir nicht in die Tüte!<br />

Krumme Gurken, knubblige Karotten oder verformte Auberginen.<br />

Gibt’s nicht? Gibt’s doch! Sie schaffen es nur nicht auf die Verkaufsfläche<br />

von Edeka, Aldi und Co. Warum eigentlich nicht?<br />

Und was passiert damit? Wird das einfach weggeschmissen?<br />

VON KIM KANSTINGER<br />

wurde die entsprechende Regulierung wieder<br />

abgeschafft und mit ihr weitere 26 Gemüsenormungen.<br />

Überraschenderweise sieht man in den<br />

Supermärkten immer noch nicht viel Obst und<br />

Gemüse außerhalb der Norm.<br />

Wo ist das ganze krumme Gemüse?<br />

Im besten Fall wird das Gemüse noch zu Tierfutter<br />

geschreddert oder anders weiterverarbeitet. Dafür<br />

benötigt es eine:n Abnehmer:in in der Nähe und<br />

dies ist nicht oft der Fall, so Frank Waskow von der<br />

Verbraucherzentrale NRW in einem Artikel, der<br />

im „Deutschlandfunk“ gesendet wurde. Daher<br />

wird es meist untergepflügt oder weggeschmissen.<br />

Das passiert mit 15 bis 50 Prozent der gesamten<br />

Ernte in Deutschland – je nach Sorte und Produktionsart.<br />

Dabei unterscheidet sich das krumme<br />

Gemüse von den Inhaltsstoffen und der Qualität<br />

nicht von gerade gewachsenem Gemüse. Schuld<br />

daran sind zum Teil immer noch EU-Normen, die<br />

bestimmen, wie groß zum Beispiel eine Kartoffel<br />

sein darf. Kritisch, was das Aussehen angeht, ist<br />

vor allem der Großhandel. „Schon an der Warenannahme<br />

wird solche Ware direkt blockiert und<br />

wieder zurückgeschickt und vernichtet“, so Heinz<br />

Bursch vom Biohof Bursch in Bornheim, ebenfalls<br />

im „Deutschlandfunk“.<br />

In Deutschland landen 12,7 Millionen Tonnen<br />

Lebensmittel jedes Jahr im Müll. Der<br />

Pro-Kopf-Verbrauch liegt bei 154 Kilogramm<br />

jährlich. Dies geht aus einem Statista-Dossier<br />

zum Thema Food Waste aus dem<br />

Jahr 2020 hervor. Im landesweiten Vergleich<br />

schließt Deutschland mit diesen Zahlen noch gut<br />

ab. Lebensmittel werden auf der gesamten Verwertungskette<br />

weggeschmissen. Einer der Gründe:<br />

Obst und Gemüse, dass nicht den Normen der<br />

EU entspricht.<br />

Die Gurke, die die Welt verändert<br />

Eines der bekanntesten Beispiele dafür ist die<br />

EU-Gurkenverordnung von 1988. Die Süddeutsche<br />

Zeitung fasst dies in einem Artikel vom 17.<br />

Mai 2010 so zusammen: „Dieses Meisterstück der<br />

Bild: Kim Kanstinger<br />

Regulierungskunst aus dem Jahr 1988 besagt, dass<br />

eine Gurke, gut geformt und praktisch gerade sein<br />

muss (maximale Krümmung: zehn Millimeter auf<br />

zehn Zentimetern Länge der Gurke)‘“. Jede Gurke,<br />

die nicht dieser Norm entspricht, darf also nicht<br />

auf die Verkaufsfläche. Gegen diese absurde Normung<br />

sträubte sich überraschenderweise aber niemand.<br />

Die Agrarminister:innen aus Deutschland,<br />

Spanien, Italien und Ungarn waren gegen eine<br />

Deregulierung, da Verbraucher:innen sich eventuell<br />

mit Waren minderwertiger Qualität begnügen<br />

müssten.<br />

Ein weiteres Argument: Genormte Gurken<br />

sind einfacher zu verpacken und zu transportieren,<br />

wovon der Handel profitiere. Profitieren in<br />

diesem Sinne heißt Standardisierung, ergo, auch<br />

Kosten und Zeitersparnisse. Glücklicherweise<br />

Kreativität ist gefragt<br />

Auch die Mitarbeitenden von Heinz Bursch mussten<br />

demnach zehn bis 20 Prozent der Ernte, aufgrund<br />

der Regulierungen, wegschmeißen. Ein Lösungsansatz:<br />

Resteverwertung. In Form von Eingelegtem,<br />

selbstgemachtem Chutney und Curry.<br />

So kann der Hof seine Reste komplett verwerten.<br />

Eine weitere Möglichkeit sind Reste-Supermärkte,<br />

sowie „The Good Food“ von Nicole Klaski. Sie hat<br />

mehrere Kooperationen mit Landwirt:innen und<br />

betreibt regelmäßig Nachernten bei Bauern und<br />

Bäuerinnen und rettet so, was übrig geblieben ist.<br />

Eine weitere Alternative für das krumme Gemüse<br />

bietet ein Landwirt in Köln. Christian Fuchs verteilt<br />

seit 15 Jahren überschüssiges Gemüse auf seinem<br />

Acker kostenlos zum Mitnehmen. Teilweise<br />

kommen die Leute von weit her. Mit großen<br />

Taschen und Anhängern, um das nicht normgerechte<br />

Gemüse mitzunehmen.<br />

Wieso unternehmen die Abnehmer:innen nichts?<br />

Wieso geht der Großhandel nicht auf diese Lebensmittelverschwendung<br />

ein? Werner Kanstinger,<br />

ehemaliger Geschäftsführer des Edeka-Aktiv-<br />

Markts Kanstinger in Stetten a.k.M. und jahrelang<br />

Verkaufsleiter bei Edeka sagt: „Unglaublich, was<br />

wir früher alles an Lebensmitteln wegschmeißen<br />

mussten, weil der Kunde es nicht mehr kaufen<br />

wollte. Wegen ein paar Druckstellen, entstanden<br />

durch den Transport oder weil alle Kunden den<br />

Apfel vorher erst mal prüfen mussten.“ Oder aufgrund<br />

von Apfel-Warzen, ein ganz natürliches<br />

Vorkommen bei Äpfeln, aber der Kunde habe es<br />

nicht mehr gewollt, weil er denkt, er hat ein minderwertiges<br />

Produkt in der Hand. Eigentlich sei es<br />

aus seiner Sicht in den 1960er und 1970er Jahren


01/ 2022 WHY? 19<br />

besser gewesen, „da stand eine Verkäuferin hinter<br />

der Theke, die einem genau das gegeben hat, was<br />

gebraucht wurde“. Kein Verpackungsmüll, kein<br />

Hinterfragen an der Qualität der Ware, kein unnötiger<br />

Kilo-Sack Karotten, den man eh nicht verbrauchen<br />

kann. „Auch ich kaufe lieber meine drei<br />

losen Karotten ein, bei denen ich weiß, sie kommen<br />

sicher weg, anstatt einem Sack, bei dem ich<br />

die Hälfte wegschmeißen muss. Das Geld ist es<br />

mir nicht wert.“<br />

Kein Platz für etepetete<br />

Nachfrage regelt das Angebot, so scheint die Devise<br />

im Großhandel. Wir Kund:innen sind also ein<br />

Teil des Problems. Aber auch hier gilt: Die Ausnahme<br />

bestätigt die Regel. So wie auf dem Hof<br />

von Christian Fuchs und eben die Kunden von<br />

Nicole Klaski. Daneben haben sich weitere Vertriebswege<br />

etabliert, die in Anspruch genommen<br />

werden, um Gemüse und Obst zu retten. Ein Beispiel:<br />

Die etepetete-Box. Ein Ansatz dabei ist, auf<br />

die Normen zu pfeifen. In die etepetete-Box<br />

kommt „alles vom Feld – egal ob krumm oder<br />

schief – Hauptsache frisch und gesund“, so schreiben<br />

es die Anbieter auf ihrer Website.<br />

Oder die Berliner Manufaktur Dörrwerk, die<br />

Fruchtpapier aus liegengebliebenen Obst herstellt.<br />

Auch Frank Waskow sieht das als guten Ansatz,<br />

es regt das Bewusstsein der Verbraucher:innen<br />

an. Aber: „Man muss am Ende immer die<br />

gesamte Ökobilanz sehen, ein Lebensmittel zu<br />

retten, ergibt nicht immer Sinn. Etwa, wenn die<br />

Bilanz kippt, weil man drei Kilo Gemüse durch die<br />

ganze Republik schickt.“<br />

Was muss sich ändern?<br />

Die Bilanz zeigt: Lebensmittelnormen haben die<br />

Konsument:innen geprägt. Wir sehen im Großhandel<br />

perfektes Obst und Gemüse, alles Unperfekte<br />

scheint minderwertig und nicht nahrhaft –<br />

was nicht stimmt. Es benötigt ein neues – oder<br />

vielleicht stärkeres – Bewusstsein der Konsumierenden,<br />

dass nicht die Form und das Aussehen<br />

zählt, sondern der Geschmack. Damit wir alle diese<br />

Realität verinnerlichen, müssen wir sie natürlich<br />

auch auf den Verkaufsflächen des Großhandels<br />

sehen können und damit der Großhandel<br />

sich dem optisch unförmigen Obst und Gemüse<br />

öffnet, müssen Handelsnormen und Güteklassen<br />

vielleicht auch neu definiert werden. Zum Beispiel<br />

könnten sich die Qualitätsmerkmale eines<br />

Güteklasse I Produkts auf Geschmack, Nachhaltigkeit<br />

und Nährwert beziehen und nicht auf Aussehen,<br />

Größe und Form.<br />

Erste Schritte Richtung „Akzeptanz auf der<br />

Verkaufsfläche“ geht Penny. Seit Jahren verkauft<br />

die Discounter-Kette unperfektes Bio-Obst und<br />

Gemüse zu Bio-Preisen unter dem Namen „Bio-<br />

Helden“. „Nach allen Aussagen, die wir gehört haben,<br />

ist das ein sehr erfolgreiches Projekt, wo richtig<br />

viele Menschen einkaufen. Da kann man was<br />

verringern, da können wir unsere Essensreste bis<br />

spätestens 2030 halbieren. Das würde nur über<br />

solche Aktionen funktionieren.“ Penny alleine<br />

gelingt es nicht, ein Umdenken auszulösen. Da<br />

helfen keine PR-wirksamen Aktionswochen von<br />

Supermarktketten wie Edeka, Rewe und Netto, die<br />

in dieser Zeit krummes Gemüse verkaufen. Es benötigt<br />

ein stärkeres Umdenken der Großhändler:innen,<br />

ebenso wie eine Überarbeitung der Anforderungen<br />

an qualitativ ausgezeichneter Ware.<br />

Lebensmittel-Retter-Tipp<br />

Wer aussortierte Lebensmittel retten möchte,<br />

sollte sein Obst und Gemüse direkt beim Erzeuger<br />

einkaufen. Dazu gehören Landwirtschaftsbetriebe,<br />

die ihre Ware direkt vermarkten<br />

und auf lokalen Märkten oder über einen<br />

Onlinevertrieb verkaufen.<br />

Anbieter:innen in der Nähe finden<br />

www.erzeuger-direkt.de<br />

www.oekolandbau.de<br />

www.biokiste-ortlieb.de<br />

Direkt aus Stuttgart und Umgebung<br />

www.laiseacker.de<br />

www.biohof-braun.de<br />

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20 WHY?<br />

mediakompakt<br />

Nur mal kurz die Welt retten,<br />

oder auch: wie man<br />

mit Elektroauto ein kleines<br />

bisschen zum/zur Alltagsheld:in<br />

wird! Durch Umdenken<br />

und Eigeninitiative<br />

durchaus möglich<br />

VON INES BRUNENBERG<br />

Unter<br />

Der Klimawandel ist unaufhaltsam.<br />

Das wissen wir nicht erst seit Greta<br />

Thunberg und “Fridays for Future”.<br />

Schon das Pariser Klimaabkommen<br />

aus dem Jahr 2015 schreibt so einige<br />

Grenzwerte vor. Unter anderem auch, dass die<br />

Bundesrepublik Deutschland, bis 2030 ihren<br />

CO 2<br />

-Ausstoß um 55% verringern soll. Dass das<br />

schwierig wird, wird immer deutlicher. Zuletzt in<br />

Glasgow auf der internationalen Klimakonferenz.<br />

Oder wie Greta es formulierte: die<br />

Veranstaltung mit viel “Blablabla“.<br />

Deswegen hier mein Lösungsvorschlag:<br />

Jeder und jede von uns kann durch ein persönliches<br />

Umdenken und Eigeninitiative<br />

zum /zur Klimaretter:in werden! Manchmal<br />

benötigt das ein wenig Überwindung. Fahren<br />

mit dem Fahrrad und dem ÖPNV ist<br />

zum Beispiel ein Schritt in die richtige Richtung.<br />

Oder Fahrgemeinschaften bilden.<br />

Aber was, wenn man nun einmal auf ein<br />

Auto angewiesen ist? Genau da kommt die<br />

Elektromobilität ins Spiel. Elektroautos sind<br />

leise. Umweltfreundlicher als Benziner und<br />

Diesel, wie das Bundesministerium für Umwelt,<br />

Naturschutz und nukleare Sicherheit<br />

(BMU) bestätigt hat (siehe Abb. 1). Deutlich<br />

günstiger im Unterhalt und haben dazu<br />

noch einen hohen Fahrspaß! Woher ich das<br />

weiß? Meine Eltern fahren ein Elektroauto. Seit<br />

nun fast zwei Monaten haben sie ein neues “heilig’s<br />

Blechle”, wie der Schwabe sagen würde: einen<br />

Skoda Enyaq.<br />

Anfangs war ich skeptisch. Man hört es überall:<br />

Ladesäulen sind in Deutschland eher eine Seltenheit<br />

und im Auto Bundesland Baden-Württemberg<br />

sowieso rar gesät. In der Zwischenzeit<br />

muss ich jedoch zugeben, dass die Wahl auf Elektro<br />

umzusteigen nicht die schlechteste war. Vor<br />

allem bei den Benzinpreisen: 1,70 Euro für den Liter<br />

E10 – da wird jedem Autofahrer und jeder<br />

Autofahrerin schwer ums Herz. Das Elektroauto<br />

kann jedoch bequem zu Hause geladen werden.<br />

Praktisch mit ganz persönlicher Tankstelle vor der<br />

Haustür. Noch dazu ist es deutlich günstiger und<br />

mit einer Schnell-Lademöglichkeit innerhalb von<br />

40 Minuten wieder voll geladen. Wichtig an dieser<br />

Stelle: der Strom für ein Elektroauto sollte aus<br />

CO 2 -Emissionen über den gesamten Lebenszyklus eines<br />

PKW<br />

Quelle: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Nuklearsicherheit<br />

erneuerbaren Energien kommen. Es bringt der<br />

Umwelt nichts, wenn darauf nicht geachtet wird.<br />

Was das häufig angesprochene Thema Reichweite<br />

betrifft: Für Kurzstrecken ist ein Elektroauto<br />

auf jeden Fall die richtige Wahl. Auch gut geeignet<br />

ist es für Pendler:innen, die nicht mehr als 300<br />

bis 450 km fahren müssen. Danach ist meistens<br />

Schluss.<br />

Aber jetzt mal Hand aufs Herz: wie oft fährt<br />

man selbst Langstrecke, also 500 km und mehr?<br />

Einmal? Zweimal im Jahr? Höchstens, würde ich<br />

behaupten! Natürlich immer vorausgesetzt man<br />

ist kein/e Außendienstler:in oder Langstreckenpendler:in.<br />

Und die Ladesäulen Infrastruktur<br />

nimmt ja zu und nicht ab. Stand November 2021<br />

laut ADAC: rund 26.000 Ladesäulen in Deutschland.<br />

Der Fahrspaß kommt übrigens auch nicht zu<br />

kurz. Denn die Kiste hat Wumms! Elektroautos<br />

haben eine höhere Beschleunigung, da sie nicht<br />

erst durch die Gänge durchschalten<br />

müssen um eine gewisse<br />

Drehzahl zu erreichen. Somit<br />

sieht selbst jeder Porsche an der<br />

Ampel alt aus (außer es handelt<br />

sich um einen Taycan).<br />

Auch der Verschleiß ist geringer.<br />

Das Auto hat somit geringere<br />

Wartungskosten, denn ein<br />

Elektromotor hat weniger Teile<br />

als ein herkömmliches Fahrzeug.<br />

Es fehlen beispielsweise<br />

das Getriebe, die Lichtmaschine<br />

und der Keilriemen.<br />

Und der nächste Vorteil<br />

kommt auch schon um die Ecke:<br />

Elektroautos, die bis zum <strong>31</strong>.Dezember<br />

vergangenen Jahres angemeldet<br />

worden sind, sind bis<br />

zum Jahr 2030 von der KfZ-Steuer<br />

befreit! Aber auch sonst gilt ein ermäßigter KfZ-<br />

Steuersatz für jede Anmeldung eines E-Fahrzeugs.<br />

Außerdem gibt es vom Staat eine sogenannte “Innovationsprämie”.<br />

Damit ist praktisch eine direkte<br />

Ermäßigung des Listenpreises gemeint. Und die<br />

kann bei einem reinen E-Auto bis zu 9000 € betragen.<br />

Ihr seht also: es ist leicht nur mal kurz die<br />

Welt zu retten und macht obendrein noch Spaß!<br />

Elektromobilität mag vielleicht nicht das Ende<br />

der Fahnenstange sein, wenn es um Klimaschutz<br />

geht. Aber es ist auf jeden Fall ein Schritt in die<br />

richtige Richtung!


01/ 2022 WHY? 21<br />

Strom<br />

Private PKW müssen raus aus<br />

den Innenstädten, der Umstieg<br />

auf Elektroantriebe löst dieses<br />

Problem nicht. Und für die Bereiche,<br />

in denen das Auto gebraucht<br />

wird, ist das E-Auto<br />

(noch) nicht zukunftsreif.<br />

VON JONATHAN KLOSS<br />

Elektroautos machen Spaß. Sie sind leise,<br />

technisch bestens ausgerüstet,<br />

schnell und sehen in manchen Fällen<br />

auch noch futuristisch aus. Und das<br />

Beste daran: Man braucht beim Kauf<br />

kein schlechtes Gewissen zu haben, der Staat zahlt<br />

ja noch oben drauf! Und wenn man trotzdem darauf<br />

angesprochen wird, ob es denn nötig war,<br />

sich noch einen weiteren Neuwagen zuzulegen,<br />

so kann man antworten, man tue etwas<br />

für den Klimaschutz. Und es ist ja richtig,<br />

der Klimawandel muss höchste Priorität<br />

im politischen und gesellschaftlichen<br />

Diskurs der nächsten Jahre und Jahrzehnte<br />

einnehmen. Und jede Lösung, die<br />

dazu beiträgt, das Pariser Klimaabkommen<br />

einzuhalten, sollte wahrgenommen<br />

und weiterentwickelt werden. Doch Elektroautos<br />

sind meiner Meinung nach der<br />

falsche Weg, um umwelt- und menschenfreundliche<br />

Mobilität weiterzuentwickeln.<br />

Der Faktor CO 2<br />

-Neutralität ist<br />

das naheliegendste Argument für Elektroautos.<br />

Doch laut einer Studie des Instituts<br />

für Umwelt- und Energieforschung<br />

machen 64 Prozent der Klimabilanz eines<br />

Elektroautos allein die Bereitstellung der<br />

Energie zur Ladung der Akkus aus. 35 Prozent<br />

der Energieerzeugung aus Deutschland stammen<br />

aus Braunkohle oder Kernenergie – genau so<br />

viel wie aus erneuerbaren Quellen. Dazu kommt<br />

noch die aus Gas gewonnene Energie aus dem<br />

Ausland. Solange die Energie nicht zu einem<br />

Großteil aus erneuerbaren Quellen kommt, sind<br />

Elektroautos nur ein weiterer CO 2<br />

-Produzent. Nur<br />

kommt dieses CO 2<br />

nicht aus einer Röhre am Heck<br />

des Autos – kann also nicht so schlimm sein. Hinzu<br />

kommt hierbei außerdem noch die Herstellung<br />

der Lithium-Batterien. Neben giftigen und seltenen<br />

Materialien, die für die Herstellung importiert<br />

werden, ist auch die Dauer der Batterien be-<br />

grenzt, bei einem nötigen Austausch geht steigt<br />

der Energiebedarf erneut an. Des weiteren sprechen<br />

auch die geringe Reichweite sowie das<br />

schlecht ausgebaute Ladenetz gegen das Elektroauto,<br />

zumindest außerhalb der Stadt. Wer also Geschäfts-<br />

oder Urlaubsreisen plant, muss entweder<br />

irrsinnige Umwege sowie mehrere stundenlange<br />

Pausen mitplanen, oder greift doch zum Verbrenner.<br />

Das Elektroauto wird bei Gutverdienern also<br />

Ein bekanntes Bild in den meisten Innenstädten: Bei all den Autos bleibt nicht viel<br />

Platz für Fahrräder, Fußgänger*innen oder Grünflächen<br />

meistens als zusätzlicher Neuwagen angeschafft<br />

(mit freundlicher Unterstützung der Regierung),<br />

anstatt den Diesel, den so manche*r Pendler*in<br />

für den Weg zur Arbeit benötigt, zu ersetzen.<br />

Nun will ich mir doch mal ein wenig Optimismus<br />

vom größten Jünger des freien Marktes,<br />

Christian Lindner, leihen, und gehe davon aus,<br />

dass Deutschland in zehn Jahren über 90 Prozent<br />

Energie aus erneuerbaren Quellen gewinnt, das<br />

Speicherproblem von Energie gelöst wurde, Wasserstoff<br />

markttauglich geworden ist und selbst in<br />

Mecklenburg-Vorpommern genug Ladesäulen für<br />

den Urlaub an der Ostsee verfügbar sind – das<br />

heißt, das Elektroauto tatsächlich zu dem<br />

CO 2<br />

-neutralem Gefährt geworden ist, zu dem wir<br />

es heute bereits machen. Selbst dann ist das Elektroauto<br />

nicht zukunftstauglich. Denn in meiner<br />

Vision der Zukunft fahren in Innenstädten überhaupt<br />

keine Autos mehr. In Stuttgart nehmen parkende<br />

Autos 12,12 Prozent der Gesamtfläche(!)<br />

der Stadt ein, bundesweit sind es 9,2 Prozent. Der<br />

Autoverkehr ist das größte Argument gegen<br />

CO²-neutrale und sichere Mobilität wie<br />

Lasten- oder Fahrräder. Statt Grünflächen<br />

und Sitz- und Spielgelegenheiten<br />

vor Cafes tummeln sich die parkenden<br />

Vierräder Haube an Haube, nur um eine<br />

Stunde am Tag benutzt zu werden. Solange<br />

der Autoverkehr die Infrastruktur einer<br />

Innenstadt vorgibt, kann der ÖPNV<br />

es nicht schaffen, sich flächendeckend<br />

und zeitsparend auszubreiten.<br />

Wenn das Elektroauto also das perfekte<br />

Stadtauto ist, dann ist er ein Gefährt<br />

für eine Zukunft, die auto- und<br />

nicht menschenfreundlich ist. Soll das<br />

Foto: Pexels<br />

Elektroauto wirklich CO 2<br />

einsparen,<br />

muss es auch für die Landbevölkerung<br />

bezahlbar und rentabel sein, sowie den<br />

Gütertransport via Lkws ersetzen, was bei<br />

der momentanen Reichweite als sehr unwahrscheinlich<br />

gilt. In der Stadt muss die Elektromobilität<br />

in andere Verkehrsmittel eingesetzt<br />

werden, z.B. in E-Bikes, E-Motorrollern, E-Scootern<br />

und E-Bussen. Die nehmen nämlich deutlich<br />

weniger Platz ein, sind weniger gefährlich für andere<br />

Verkehrsteilnehmer und verwenden den<br />

Strom damit tatsächlich effizient und CO 2<br />

-sparend.<br />

Doch eine Prämie ist für genannten Verkehrsmittel<br />

noch nicht vorgesehen. Wer sich also<br />

als Alltagsheld:in versteht, wenn er zum E-Auto<br />

greift statt zum Fahrrad oder zum Bus, der möchte<br />

vor Allem Unbequemlichkeiten im Kampf gegen<br />

den Klimawandel aus dem Weg gehen.


22 WHY?<br />

mediakompakt<br />

Warum sind wir<br />

nostalgisch?<br />

Nostalgie – dieser Begriff ist uns allen bekannt und wir<br />

benutzen das Wort ganz alltäglich in unserem Sprachgebrauch.<br />

Aber die wenigsten befassen sich genauer damit,<br />

was das eigentlich bedeutet.<br />

VON NATALIE SCHMITT<br />

Bild: Unsplash<br />

Bild: Unsplash<br />

Vom Unbehagen an der Gegenwart ausgelöste,<br />

von unbestimmter Sehnsucht<br />

erfüllte Gestimmtheit, die sich in der<br />

Rückwendung zu einer vergangenen,<br />

in der Vorstellung verklärten Zeit äußert,<br />

deren Mode, Kunst, Musik o. Ä. man wiederbelebt”,<br />

sagt der Duden über die Nostalgie. Doch<br />

so breit gefächert dieser Begriff ist, interpretiert jeder<br />

Mensch etwas Anderes damit.<br />

Im 17. Jahrhundert hatten die Menschen den<br />

Nostalgiebegriff anders definiert. Der Schweizer<br />

Mediziner Johannes Hofer deutete dies als dämonische<br />

Nervenkrankheit. Diese “Krankheit” sollte<br />

zu obsessiven Gedanken an die Heimat verbunden<br />

sein, deren Auswirkung Schlaflosigkeit und<br />

Appetitlosigkeit sein können. Diese Ansichten basieren<br />

jedoch auf unwissenschaftlichen Annahmen.<br />

Im Laufe des 21. Jahrhunderts hat sich Nostalgie<br />

als menschliche Stärke entpuppt. Sie dient<br />

dazu, in schweren Zeiten das Wohlbefinden wiederherzustellen<br />

und gibt uns ein Gefühl von Sicherheit.<br />

Die Fähigkeit, die Gegenwart kurzzeitig<br />

auszublenden und uns damit klar zu machen,<br />

dass wir Teil von etwas Größerem sind, lässt uns<br />

Bedeutung und Optimismus für das Leben schöpfen.<br />

Erst kürzlich überkam mich ebenfalls die Nostalgie.<br />

Beim Durchwühlen alter Kisten gefüllt mit<br />

Kinderfotos und alten Zeichnungen, fiel mir mein<br />

altes Tagebuch in die Hand. „Die Wilden Hühner“<br />

stand groß auf dem Cover geschrieben. Damals,<br />

mit ungefähr elf Jahren, habe ich die „Wilden<br />

Hühner“-Bücher – und später auch die Filme geliebt.<br />

Die krakelige Handschrift, der Geruch von<br />

altem Papier, beim Durchblättern nach so vielen<br />

Jahren fühlte ich mich wieder in meine Kindheit<br />

versetzt und begann in Erinnerungen zu schwelgen.<br />

Manchmal sind es kleine Dinge, um so eine<br />

Stimmung Gefühl auszulösen. Räuchermännchen<br />

zum Beispiel. Besonders jetzt, in der kalten<br />

Jahreszeit reicht, der würzige Geruch aus, um in<br />

mir ein wohliges Gefühl auszulösen, dass mich an<br />

viele schöne vergangene Wintertage denken lässt.<br />

Warum ist das so? Und wie empfinden andere<br />

nostalgische Gefühle?<br />

In diesem Artikel sollen authentische Erfahrungen<br />

und Geschichten über Nostalgie aus dem<br />

Leben von Freunden und Familie festgehalten<br />

werden.<br />

Über sonnige Feldwege und Waschmittel<br />

Nostalgie ist für mich, Dinge, die ich früher geliebt<br />

habe, zufällig oder absichtlich wiederzufinden<br />

und das gleiche schöne Gefühl dabei zu empfinden<br />

wie damals, als wäre überhaupt keine Zeit<br />

vergangen. Beispielsweise meine alten Kinderbücher,<br />

frühere Lieblingskleidung oder Briefe. Für<br />

mich sind besonders Gerüche nostalgisch. Das<br />

Waschmittel meiner Mutter, der Holzgeruch in<br />

den Einbauschränken im Haus meiner Oma oder<br />

das Parfum einer geliebten Person, dass man zufällig<br />

auf der Straße riecht. Ich bin ein melancholischer<br />

Mensch und werde bei solchen Erlebnissen<br />

nach einem kurzen Moment der Freude eher traurig,<br />

da es mir vor Augen führt, dass ich die Zeit<br />

nicht zurückdrehen und meine schönsten Momente<br />

nicht nochmal erleben kann. Deshalb versuche<br />

ich im Jetzt zu leben! Aber dennoch gibt es<br />

so vieles, das mich nostalgisch werden lässt. Vielleicht<br />

das Fahrradfahren über die Feldwege im<br />

Sommer, das glückliche Erinnerungen aus sämtlichen<br />

meiner bisherigen Lebensphasen mit sich<br />

bringt. Das erste Fahren ohne Stützräder mit vier<br />

Jahren, das Radeln in der Mittagssonne zum See<br />

oder die heimlich-nächtlichen Radtouren zum<br />

Freund oder irgendeiner Party. Einfach schön!<br />

Sophie, 24 Jahre<br />

Nochmal Jung sein<br />

Ich verbinde mit Vergangenem positive Erinnerungen,<br />

die mir ein Gefühl von Wärme und Geborgenheit<br />

geben. Vor allem Musik von früher aus<br />

den 1970er- und 1980er-Jahren lassen diese Gefühle<br />

in mir entstehen. Meine Lieblingsserie aus<br />

den 1980er-Jahren, „Mord ist ihr Hobby”, schaue<br />

ich immer noch gerne an. Auch wenn ich Gerichte<br />

nachkoche, die meine Großeltern immer gemacht<br />

haben, bekomme ich so ein wohliges, warmes<br />

Gefühl. Und dann die Punk-Szene der 80er,<br />

das war meine Zeit. Damals war ich mit dem ersten<br />

Punker meiner Heimatstadt zusammen.<br />

Wenn ich Mode aus dieser Zeit in Vintage-Läden<br />

oder Flohmärkten sehe, werde ich tatsächlich<br />

nostalgisch. Da will man nochmal jung sein!<br />

Sabine, 53 Jahre<br />

Von flackernden Kerzen auf dem Weihnachtsbaum<br />

Nostalgie ist für mich, sich an die guten Erinnerungen<br />

und Erlebnisse aus der Vergangenheit<br />

oder Kindheit zu erinnern. Da darf es gern auch<br />

kitschig und peinlich werden. Wärme, Glück, Geborgenheit<br />

sind Gefühle, die Nostalgie auslösen.<br />

Auch alte Serien, Musik und Spiele, Stopfeier, Ga-


01/ 2022 WHY? 23<br />

lileo-Thermometer, Taschenuhren, Musik- und<br />

VHS-Kassetten: Vieles aus den 1990er-Jahren erwecken<br />

Emotionen. Wenn die Weihnachtszeit<br />

anbricht, denke ich immer an den Baum, den<br />

meine Oma geschmückt hat. Mit richtigen Kerzen,<br />

Strohsternen, goldenen und roten Weihnachtskugeln<br />

und Lametta. Vielleicht klingt das<br />

kitschig, aber das war der Weihnachtsbaum meiner<br />

Kindheit. Dieses Bild vor meinen Augen gibt<br />

mir immer ein wohliges Gefühl. Manchmal<br />

macht es mich etwas traurig, ich denke, das gehört<br />

zur Nostalgie jedoch dazu. Sogar, wenn ich<br />

Geschichten von Freunden oder Bekannten höre,<br />

die meinen Erinnerungen oder dem Erlebten ähneln,<br />

oder auch auf Floh- oder Vintage-Märkten,<br />

werde ich von nostalgischen Eindrücken übermannt.<br />

Kim, 28 Jahre<br />

Nostalgie auf vier Rädern<br />

Es ist für mich die Sehnsucht, Dinge, die man<br />

als junger Mensch gemacht hat, im Alter zu wiederholen.<br />

Es kann einem da fast etwas wehmütig<br />

ums Herz werden, da man seine Jugend nicht zurückholen<br />

kann. Erst vor kurzem hatte ich dazu<br />

ein besonderes Erlebnis, das ich gern schildern<br />

möchte. Ich bin mit dem Fahrrad hinter einem<br />

VW-Käfer gefahren. Der Geruch aus dem Auspuff<br />

hat mich an früher erinnert, da damals alle Autos<br />

so gerochen haben. Und natürlich die Musik. Ich<br />

habe mir erst vor kurzem einen Plattenspieler gekauft,<br />

damit ich meine alten Platten wieder hören<br />

kann.<br />

Axel, 62 Jahre<br />

Nostalgie mit Geschmack<br />

Ich koche gern so wie früher. Viele Rezepte,<br />

die ich bis heute verwende, haben meine Eltern<br />

und Großeltern an mich weitergegeben. Mein<br />

Mann wünscht sich oft Dampfnudeln nach dem<br />

Rezept seiner Mutter. Es fühlt sich gut an, Mahlzeiten<br />

auf diese Art zuzubereiten. Ich finde, das<br />

schmeckt einfach am besten! Was mir auch noch<br />

im Gedächtnis geblieben ist: Als Kinder haben wir<br />

auf der Straße spielen können, da nicht so viele<br />

Autos unterwegs waren. Daran erinnere ich mich<br />

gerne, wenn ich alte Fotoalben durchblättere. Ach<br />

ja: Briefe zu schreiben, gehört für uns ebenfalls zur<br />

Nostalgie. Früher gab es ja keine Smartphones<br />

oder das Internet, weswegen wir Brieffreundschaften<br />

geführt haben. Eine davon habe ich nach vielen<br />

Jahren sogar persönlich getroffen!<br />

Waltraud, 79 Jahre<br />

Bild: Unsplash<br />

Bild: Natalie Schmitt<br />

Bild: „Mord ist ihr Hobby“ 1984-1996<br />

Bild: Natalie Schmitt<br />

Bild: Natalie Schmitt<br />

Bild: The Beatles 1969 „Abbey Road“ Album Cover


24 WHY?<br />

mediakompakt<br />

Tot. Und jetzt?<br />

In der Vorlesung zu Tode gelangweilt? Vergraben oder Verbrennen<br />

sind jetzt nicht mehr die einzigen Optionen für Verstorbene.<br />

Von Verflüssigung durch Lauge über Baumbestattungen bis zu<br />

menschlichem Kompost ist für jeden etwas dabei.<br />

VON CAROLINE TONN<br />

Bild: Pexels<br />

Wehe, Zerstörung, Verderben und<br />

Verfall; das Schlimmste ist der<br />

Tod, und der Tod wird seinen Tag<br />

haben”, wie William Shakespeare<br />

so schön sagt. Fakt ist: Wir müssen<br />

alle sterben. Das sollte jedem spätestens beim<br />

Unterschreiben des Organspende-Ausweises aus<br />

der Ersti-Tüte klar geworden sein. Ob man nach<br />

dem Ableben in den Himmel aufsteigt, in die Hölle<br />

verdammt wird oder die Unendlichkeit in Walhalla<br />

verbringt, ist Ansichtssache. Was mit unseren<br />

sterblichen Überresten geschieht können wir,<br />

bis zu einem gewissen Grad, selbst kontrollieren.<br />

Über die eigene Bestattung nachzudenken,<br />

mag morbide klingen, doch wenn alles geregelt<br />

ist, kann man sich voll aufs Leben konzentrieren.<br />

Eine breite Palette an Alternativen zur klassischen<br />

Beerdigung bietet sich an: Vom Verstreuen der<br />

Überreste aus einem Heißluftballon über alkalische<br />

Hydrolyse, bei der der Körper durch Lauge<br />

verflüssigt und ins Abwasser entsorgt wird, bis hin<br />

zu aus Asche gepressten Vinylplatten. Die Zurückgebliebenen<br />

noch nach dem Tod mit dem stets<br />

kritisierten Lieblingssong nerven zu können, hat<br />

schließlich seinen Charme.<br />

Etwas extravaganter kann die Asche auch zu<br />

einem Diamanten gepresst werden oder als Füllung<br />

für ein Kuscheltier dienen. Wer sich auf der<br />

Erde nicht richtig zuhause gefühlt hat, kann seine<br />

Asche auch mit einem Ballon in die Stratosphäre<br />

fliegen lassen, wo ein Mechanismus sie in circa<br />

30 Kilometern Höhe verstreut.<br />

Leider ist keines dieser Verfahren in Deutschland<br />

zulässig. Hier herrscht Beisetzungspflicht<br />

und Friedhofszwang mit strengen Vorgaben<br />

bezüglich Ort und Bodenbeschaffenheit der Grabstätte.<br />

Erlaubt sind Erd-, Feuer oder Seebestattungen,<br />

wobei eine Seebestattung eine Kremation<br />

voraussetzt und eine Kremation nur mit der<br />

Leiche in einem Sarg vorgenommen werden darf.<br />

Um den Sarg kommt man also nicht herum. Nach<br />

einer Feuerbestattung dürfen die Angehörigen des<br />

Verstorbenen die Urne in Deutschland übrigens<br />

nicht mit nach Hause nehmen und auf dem<br />

Kaminsims platzieren, wie man es häufig in Hollywood-Filmen<br />

sieht. Sie muss fachgerecht beigesetzt<br />

werden, wobei je nach Art der Bestattung das<br />

Material der Urne variiert.<br />

Für Wald- oder Baumbestattungen wird beispielsweise<br />

eine Urne aus biologisch abbaubaren<br />

Materialien benötigt, die dann im Wurzelbereich<br />

eines Baumes in die Erde herabgelassen wird, um<br />

von ihm absorbiert zu werden. Solche Bestattungen<br />

werden in Deutschland immer beliebter, und<br />

auch wenn sie nur auf bestimmten, behördlich<br />

genehmigten Waldfriedhöfen zulässig sind, gibt<br />

es inzwischen eine große Auswahl an Wäldern, in<br />

denen man seine letzte Ruhe finden kann.<br />

Wem ein Baum zu werden dennoch nicht originell<br />

genug ist, der kann seine Urne in ein anderes<br />

Land überführen lassen und so trotzdem eine<br />

der vielen weiteren Alternativen zur klassischen<br />

Beerdigung nutzen. Das ist legal.<br />

Dabei muss die Urne nicht zwangsläufig um<br />

die halbe Welt reisen: Auch direkte Nachbarländer<br />

bieten interessante Perspektiven. In der<br />

Schweiz beispielsweise kann man seine Asche im<br />

Zug einer Almwiesenbestattung unter einem Edelweiß<br />

vergraben oder auf der Wiese verstreuen<br />

lassen. In Belgien und den Niederlanden ist als<br />

Alternative zur See- eine Flussbestattung möglich.<br />

Die Trauernden können mit einem Schiff in die<br />

Mitte eines Stromes gefahren werden, um dort die<br />

Asche in einer wasserlöslichen Urne hinab zu lassen.<br />

Es gibt also viele Wege, seine Spuren auf der<br />

Erde zu hinterlassen. Aber was ist mit dem letzten<br />

CO 2<br />

-Fußabdruck? Beim Notieren der bevorzugten<br />

Bestattungsform kann und sollte man nicht nur<br />

an die Effekte denken, die das eigene Ableben auf<br />

Angehörige hat, sondern auch, welche es für den<br />

Planeten mit sich zieht. Klassische Beerdigungen<br />

im Sarg werden oftmals als Belastung für die Umwelt<br />

angesehen, denn Spuren aus behandeltem<br />

Holz, Metallen, Beton oder für die Balsamierung<br />

benötigten Chemikalien könnten ins Grundwasser<br />

gelangen.<br />

Da mag eine Einäscherung weniger umweltschädlich<br />

erscheinen, als die mit Formaldehyd<br />

vollgepumpte Leiche unter einer Betonplatte zu<br />

vergraben. Aber beim Verbrennen des Leichnams<br />

wird eine Menge Brennstoff benötigt, was zu hohem<br />

Ausstoß an Treibhausgasen führt. Selbst eine<br />

Beisetzung im Wald ist als Variante zur Feuerbestattung<br />

nicht hundertprozentig umweltbewusst.<br />

Diese Wahl zwischen Pest und Cholera ließe sich<br />

vermeiden, indem man den Leichnam ohne synthetische<br />

Materialien, Chemikalien oder Beton<br />

im Boden vergraben und dort verrotten lassen<br />

dürfte. Solche Naturbestattungen sind in einigen<br />

Ländern erlaubt, nicht aber in Deutschland.


01/ 2022 WHY? 25<br />

Bilder: Facebook / @recomposelife<br />

Eine weitere Version dieser natürlichen Bio-<br />

Reduktion wurde vom amerikanischen Startup<br />

Recompose ins Leben gerufen: Sie kombiniert die<br />

rituellen Aspekte einer Beerdigung mit den wissenschaftlichen<br />

Vorzügen einer Naturbestattung<br />

im Prinzip des Human composting. Die Architektin<br />

und Gründerin des Unternehmens Katrina<br />

Spade entwickelte die Idee des kompostierbaren<br />

Menschen in 2011 im Rahmen ihrer Thesis über<br />

den Umgang mit Leichen in dicht bevölkerten<br />

Städten als Alternative zur Einäscherung.<br />

Inspiriert wurde die Idee von Farmern, die<br />

Tierkadaver kompostieren. Seit Dezember 2020<br />

können sich Verstorbene im ersten Standort des<br />

US-Unternehmens in Seattle von Recompose<br />

kompostieren lassen. Die Legalisierung des Prozesses<br />

stellt die größte Hürde des Unternehmens<br />

dar, weshalb das Verfahren außer in Washington<br />

bisher nur in Oregon und Colorado legal ist, wo in<br />

den nächsten Jahren ebenfalls Standorte errichtet<br />

werden sollen. Innerhalb von 30 Tagen kann<br />

Recompose einen Leichnam in knapp einen<br />

Kubikmeter nährstoffreiche Erde verwandeln. Im<br />

Vergleich zur Verbrennung werden so zwischen<br />

0,84 und 1,4 Tonnen Kohlendioxid gespart.<br />

So funktioniert das Ganze: Die Verstorbenen<br />

werden in eine offene Stahlwanne gelegt, mit<br />

Holzspänen, ewigem Klee, Stroh und weiteren<br />

Pflanzen oder Blumen bedeckt und anschließend<br />

in eine Einzelzelle geschoben, durch die lediglich<br />

Luft für ungehinderte Sauerstoffzufuhr geleitet<br />

wird. Die Mikroben, die für die Zersetzung des organischen<br />

Materials zuständig sind, befinden sich<br />

bereits während des Lebens im menschlichen Körper<br />

und starten den Abbau mit Eintritt des Todes.<br />

In den folgenden drei bis sechs Wochen zersetzen<br />

die Mikroben das organische Material zu Erde, die<br />

dabei Temperaturen von über 50 Grad erreicht<br />

und mögliche Schadstoffe neutralisiert.<br />

Anschließend werden künstliche Gelenke und<br />

ähnliches aussortiert und übrig gebliebene Knochenteile<br />

zermalmt, damit eine homogene Masse<br />

entsteht. Die entstandene Erde wird dann den<br />

Vorschriften entsprechend getestet. Anzumerken<br />

ist dabei, dass menschliche Erde wider Erwarten<br />

nicht besser oder besonderer ist als anderer Kompost.<br />

Für die Angehörigen der Verstorbenen mag<br />

sie dennoch eine spezielle Bedeutung haben. Es<br />

kann nach Belieben entweder die komplette Erde<br />

oder lediglich eine kleinere Menge für die Balkonpflanze<br />

abgeholt werden.<br />

Die restliche Erde spendet Recompose an das<br />

Bells-Mountain-Project der Organisation Remember-Land,<br />

das sich der Restauration eines abgeholzten<br />

Waldstückes verschrieben hat und mit<br />

den Nährstoffen aus dem Kompost den Boden<br />

wiederbelebt. Schon 28 Menschen sind inzwischen<br />

Teil von Bells-Mountain. Romantisch betrachtet,<br />

wird der Mensch am Ende des Prozesses<br />

komplett in die Erde aufgenommen und schließt<br />

so den Kreislauf des Lebens.<br />

Human Composting<br />

Das amerikanische Startup Recompose nutzt<br />

das Prinzip der natürlichen organischen Reduktion<br />

(NOR) um Körper innerhalb von 30<br />

Tagen in nährstoffreiche Erde zu verwandeln.<br />

Mehr Informationen unter: recompose.life


26 WHY?<br />

mediakompakt<br />

Bilder: Robyn Klittich/ Lasmiranda Tattoo<br />

Die Tattooszene sieht schwarz<br />

Etwa jeder fünfte Bundesbürger<br />

ist laut einer Umfrage des<br />

Ipsos-Institus tätowiert, viele<br />

davon bunt. Doch damit ist<br />

Schluss. Eine neue EU-Verordnung<br />

sorgt seit Januar 2022<br />

dafür, dass Tätowierer und<br />

Fans im wahrsten Sinne des<br />

Wortes schwarzsehen.<br />

VON SABRINA CHRISTMANN<br />

Wegen einer Änderung in der EU-<br />

Chemikalienverordnung REACH<br />

sind seit dem Jahreswechsel rund<br />

zwei Drittel der Tattoo-Farben<br />

verboten. Der Grund: laut der<br />

Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) enthalten<br />

die Farben „gefährliche Stoffe Außerdem<br />

sollen sie Hautallergien auslösen, genetische Mutationen<br />

hervorrufen und zu Krebs führen können.<br />

Die Besitzerinnen des Lasmiranda Tattoo in<br />

Gültstein, Lisa und Robyn Klittich, können darüber<br />

nur den Kopf schütteln. „Wir hatten in unserer<br />

siebenjährigen Laufbahn erst eine negative<br />

Reaktion auf einen Farbton. Für uns ist das ein<br />

Tiefschlag. Die Ungewissheit welche Auswirkungen<br />

das tatsächlich für uns und unser Geschäft<br />

haben wird ist belastend.“<br />

Vor acht Jahren haben die Schwestern ihr Studio<br />

eröffnet. Jeder zwanzigste Kunde wünscht ein<br />

farbiges Tattoo. Viele haben sie in den vergangenen<br />

Wochen auf die Verordnung angesprochen –<br />

es herrsche große Verunsicherung. „Zum einen<br />

betrifft das Verbot bestimmte Konservierungsmittel<br />

wie beispielsweise Titandioxid, welches schon<br />

seit Jahrzehnten in Lebensmitteln enthalten ist.<br />

Zum anderen betrifft es Farbpigmente, die aus reiner<br />

Vorsorge verboten werden sollen, ohne dass<br />

es ausreichend Studien zu möglichen Allergien<br />

gibt“, sagen sie.<br />

Von 2023 an sollen zusätzlich die Pigmente<br />

Blau 15:3 und Grün 7 verboten werden. Die<br />

EU-Kommission und die EU-Mitgliedsstaaten haben<br />

sich auf einen längeren Übergangszeitraum<br />

geeinigt, damit die Branche geeignete Alternativen<br />

finden kann. Doch ein Problem bleibt: „Über<br />

mehrere Jahre haben wir uns die Arbeit mit den<br />

Pigmenten aus unseren derzeitigen Farben angeeignet<br />

und unsere Mischverhältnisse für bestimmte<br />

Schattierungstechniken perfektioniert.<br />

Die Umstellung auf eine neue Farbe bedeutet für<br />

uns wieder mehrere Jahre Zeit und Erfahrung zu<br />

investieren“, sagen Robyn und Lisa.<br />

Außerdem entsteht ein weiteres, großes Problem<br />

in der professionellen Tattoo-Branche: der<br />

Schwarzmarkt wächst. Seit zwei Jahren beobachten<br />

die Besitzerinnen des Lasmiranda-Tattoo-Studios<br />

einen besorgniserregenden Anstieg der sogenannten<br />

„Hinterhof Tätowierer“ wegen des pandemiebedingten<br />

Lockdowns. Während professionelle<br />

Anbieter und deren Arbeitsmaterialien regelmäßig<br />

vom Gesundheitsamt kontrolliert werden<br />

müssten, spiele sich der Schwarzmarkt im Privaten<br />

ab, und keiner wisse, was da geschehe, sagen<br />

Robyn und Lisa.<br />

Für den Erhalt der ab 2023 verbotenen Pigmente,<br />

kämpft auch die „Save the Pigments“-Petition<br />

auf EU-Ebene, die von Tätowiermittel-Experte<br />

Michael Dirks und von Erich Mähnert, Branchensprecher<br />

der Wirtschaftskammer Wien und<br />

Österreich, ins Leben gerufen wurde . Mehr als<br />

120.000 Unterstützer kann die Petition inzwischen<br />

vorweisen. An einen Erfolg oder gar eine<br />

Änderung des Verbots glauben die Profis aus Gültstein<br />

leider nicht. Der öffentliche Druck bei dieser<br />

Thematik sei zu gering, eine Aufklärung in den<br />

Medien finde nicht statt.<br />

Das Ende der bunten Tattoo-Farbpalette<br />

scheint unausweichlich. Wünsche für die Zukunft<br />

haben die Schwestern dennoch. Nach wie vor<br />

wird die Tattoo- Branche als Nischenmarkt abgetan.<br />

Das müsse sich ändern und sie als essenziell<br />

wichtiger Wirtschaftszweig von der Regierung<br />

anerkannt und gesehen werden. Jüngste Beispiele<br />

seien die Ereignisse der Corona-Politik gewesen,<br />

in denen die Branche schlicht vergessen wurde.<br />

Viele Monate hatte das Lasmiranda-Tattoo wegen<br />

des Lockdowns geschlossen – ein enormer Druck<br />

finanziell sowie mental. Auch in diesem Winter<br />

herrscht erneut große Verunsicherung.<br />

Und deshalb appellieren Robyn und Lisa an<br />

die Regierung – und die Bevölkerung: „Es wird<br />

endlich Zeit, dass wir wahrgenommen werden.<br />

Wir möchten uns nicht orientierungslos selbstverwirklichen,<br />

sondern führen erfolgreiche Unternehmen,<br />

schaffen Arbeitsplätze und vertreten<br />

einen enorm großen Wirtschaftszweig.“<br />

Das Lasmiranda Tattoo<br />

Grünewaldstraße 4/1, 71083 Herrenberg<br />

Website: lasmiranda.eu<br />

Termine ausschließlich online über das<br />

Buchungsformular oder per E-Mail via<br />

info@lasmiranda.eu


01/ 2022 WHY? 27<br />

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28 WHY?<br />

mediakompakt<br />

Die politische<br />

Periode – ein Tabu!<br />

Franka Frei zeigt in ihrem Buch „Periode ist politisch“, welche<br />

weitreichenden Konsequenzen das Menstruationstabu für<br />

Umwelt, Wirtschaft sowie die finanzielle und soziale<br />

Geschlechtergleichstellung hat. Ihre Forderung: Es ist<br />

höchste Zeit, etwas dagegen zu tun.<br />

VON VIVIENNE REIM<br />

Bild: Adobe Stock Photo<br />

Jede fünfte Frau schämt sich nach Angabe<br />

beim Kauf von Periodenprodukten.<br />

Grund ist die Tabuisierung dieses Themas.<br />

Franka Frei wurde als Studentin gewarnt,<br />

ihre Bachelorarbeit darüber zu<br />

verfassen. Nun hat sie ein Buch geschrieben, um<br />

mit dem Tabu dieser faszinierenden Körperfunktion<br />

zu brechen. „Am Ende geht es weniger um Bluten<br />

oder Nichtbluten als um die globale geschlechterspezifische<br />

Ungleichheit, die sich auch<br />

in dem Thema Periode spiegelt“, sagt sie.<br />

Abgesehen davon, dass Periodenblut in der<br />

Geschichte der Menschheit lang als giftig, tödlich<br />

oder sogar als Strafe Gottes angesehen wurde,<br />

wird bis heute menstruierenden Frauen grundsätzlich<br />

weniger zugetraut. So wurde Hillary Clinton<br />

2017 öffentlich als potenzielle Präsidentin infrage<br />

gestellt. Grund: nichts Geringeres als ihre<br />

Periode. Was wäre, wenn die Präsidentin zu dieser<br />

Zeit des Monats immer krank und unbrauchbar<br />

sei, hieß es dazu vom politischen Gegner.<br />

Doch nicht nur Aberglaube und Mythen sind<br />

Grund für das weltweit strukturelle Problem dieses<br />

Themas. In Indien brechen 20 Prozent aller<br />

Mädchen nach Eintreten der ersten Periode die<br />

Schule ab. Der Grund: fehlende Aufklärung und<br />

Unverständnis. Jungen Frauen wird früh vermittelt,<br />

sie hätten sich während der Monatsblutung<br />

von nicht menstruierenden Menschen fernzuhalten.<br />

In manchen Kulturen steht die Menstruation<br />

immer noch für Unreinheit.<br />

Mädchen verstecken ihre blutigen Perioden-<br />

Lappen vor den Augen anderer. Denn die Periode<br />

sei etwas Schlimmes, für was sie sich schämen<br />

müssten. Zur Schule gehen ist schlicht nicht möglich.<br />

Selbst wenn Hygieneartikel zur Verfügung<br />

stehen, gibt es oft keine Möglichkeiten diese in<br />

der Schule zu wechseln oder zu entsorgen, da andere<br />

das Blut sehen könnten.<br />

Selbst wenn die Aufklärung über Hygieneprodukte<br />

vorhanden ist, fehlt es oft dennoch an diesen.<br />

Wie Franka Frei auf ihrer Reise nach Indien<br />

erfährt, sparen selbst bettelarme Familien in<br />

Slums Geld für Menstruationsprodukte der Töchter.<br />

Die Kosten für eine Packung Binden entsprechen<br />

oft einem gesamten Tageslohn. Doch die sogenannte<br />

„Periodenarmut“ ist nicht nur in unterentwickelten<br />

Ländern der Welt präsent. Laut der<br />

Hilfsorganisation Plant International hat eine<br />

von sieben Schülerinnen in Großbritannien Probleme,<br />

sich Binden oder Tampons leisten zu können.<br />

Das heißt: Auch dort bleiben viele Mädchen<br />

aus Scham zuhause und verpassen deshalb ihren<br />

Unterricht.<br />

Bild: Penguin Random House<br />

Denn in einer Gesellschaft, in der kein Tropfen<br />

Blut zu sehen sein darf, sind Monatsprodukte,<br />

anders als beispielsweise Rasierschaum, eine Notwendigkeit.<br />

Trotz der Mehrwerts-Steuersenkung<br />

auf Binden und Tampons in Deutschland 2019<br />

sind diese immer noch für viele zu teuer.<br />

In Frankreich wird bereits eingegriffen, seit 2021<br />

gibt es an allen Hochschulen des Landes kostenlose<br />

Periodenprodukte. Einige deutsche Hochschulen<br />

setzen sich ebenfalls dafür ein.<br />

Insgesamt fünf freizugängliche Selbstbedienautomaten<br />

stehen auf dem Gelände der Hochschule<br />

Saarbrücken. Das Team der Beteiligten betont:<br />

„Menstruationsprodukte gehören zum täglichen<br />

Bedarf wie Seife und Papiertücher. Die Spender-Automaten<br />

sind ein unterstützendes Signal,<br />

das im Studienalltag erleichternd spürbar sein<br />

wird.“. Judith Bühler, Studentin an der Hochschule<br />

Saarbrücken und Mitwirkende an dem Projekt<br />

sagte der „Tagesschau“, sie wünsche sich, dass<br />

sich „alle Frauen auf dem Campus durch die Automaten<br />

sicher und aufgehoben fühlen.“<br />

Wichtig ist allerdings zu sagen, dass das Thema<br />

Menstruation in einer politischen Diskussion<br />

seine Berechtigung hat. Und dafür setzt sich auch<br />

Franka Frei ein, wie sie schreibt: „Die Periode existiert.<br />

Und wir existieren alle nur wegen der Periode.<br />

Ginge sie uns so geschickt aus dem Weg wie<br />

wir ihr, hätten wir ein kleines Problem, was den<br />

Erhalt der Menschheit anbelangt.“<br />

Periode ist politisch<br />

ein Manifest gegen das<br />

Menstruationstabu<br />

von Franka Frei<br />

bei Penguin Random<br />

House


01/ 2022 WHY? 29<br />

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30 WHY?<br />

mediakompakt<br />

Bilder: Pexels


01/ 2022 WHY? <strong>31</strong><br />

„Jede Route ist wie ein Rätsel“<br />

Klettern ist schon lange kein Modesport mehr. In jeder größeren Stadt gibt es mittlerweile<br />

eine Boulderhalle, in denen sich Amateure und Profis an den Routen versuchen.<br />

Was macht die Faszination des Kletterns aus? Ein Gespräch<br />

VON ALEXANDER BAUER<br />

Vor etwa vier Jahren kam Bouldern als<br />

neue Trendsportart nach Deutschland<br />

und überall wurden Kletterhallen gebaut.<br />

Bouldern zeichnet sich dadurch<br />

aus, dass man an Kletterwänden nur<br />

bis zur Absprunghöhe klettert. Nach zwei Jahren<br />

und bedingt durch die Pandemie ebbte der Hype<br />

jedoch ab. Das änderte sich mit den Olympischen<br />

Sommerspielen 2021. Hier wurde erstmals Sportklettern<br />

als Disziplin aufgenommen, das dadurch<br />

einem breiteren Publikum eine Kombination aus<br />

Speedklettern, Bouldern und Leadklettern präsentierte<br />

und damit eine neue Begeisterungswelle<br />

auslöste. Wir haben Hobby-Kletterer Sebastian<br />

Bauer gefragt, was denn die Faszination des Kletterns<br />

ausmacht und wie sich der Sport wandelt.<br />

Der 30-jährige Sonderschullehrer ist noch vor<br />

dem Hype ums Bouldern in den Sport eingestiegen<br />

und ist seit Jahren so wohl in Hallen als auch<br />

am Felsen unterwegs.<br />

mediakompakt: Wie bist Du zum Klettern gekommen?<br />

Sebastian: Ich habe 2009 mit ein paar Freunden einen<br />

Seilkletterkurs besucht, habe aber schnell gemerkt,<br />

dass ich dabei mit der Höhe an meine<br />

Grenzen stoße. Mit dem Bouldern habe ich 2017<br />

mit meinem ehemaligen Mitbewohner angefangen.<br />

Da liegt mir die Höhe und die Klettertechniken<br />

finde ich spannender.<br />

mediakompakt: Was macht für Dich die Faszination<br />

des Kletterns aus?<br />

Sebastian: Dass es beim Bouldern keine Hilfsmittel<br />

braucht. Nur Kletterschuhe anziehen, schon kann<br />

man so gut wie überall klettern. Man kann sogar<br />

barfuß loslegen. Außerdem finde ich die Verbindung<br />

aus Balance, Kraft und Konzentration sehr<br />

spannend. Jede Route ist wie ein Rätsel, bei dem<br />

man mit Körper und Geist eine Lösung sucht.<br />

mediakompakt: Was motiviert Dich, immer neue<br />

Routen zu meistern?<br />

Sebastian: Mich motiviert vor allem, im Austausch<br />

mit anderen zu klettern. Wenn man mit anderen<br />

Kletternden die Routen macht und sich über Probleme<br />

austauschen kann. Bouldern ist ein sozialer<br />

Sport, bei dem man gemeinsam Routen als Projekt<br />

angeht und meistert.<br />

mediakompakt: Man klettert beim Bouldern eher<br />

quer als in die Höhe. Dennoch ist ein Absturz bestimmt<br />

nicht ungefährlich. Wie gehst Du mit<br />

Angst beim klettern um?<br />

Sebastian: Als der Hype ums Bouldern begann,<br />

sind viele ohne die grundlegenden Verhaltensregeln<br />

zu kennen an die Wand. Da hat sich kaum jemand<br />

vorher informiert, wie man bei einem Sturz<br />

sicher landet und was zu beachten ist, um sich<br />

und andere zu nicht zu gefährden. In der Halle<br />

gibt es die Matte als Sicherheit, aber wenn man<br />

sich nicht richtig abfängt, besteht dennoch eine<br />

Verletzungsgefahr. Draußen am Felsen ist es noch<br />

gefährlicher, weil man höchstens eine selbst mitgebrachte<br />

Matte hat. Da klettert man am besten<br />

zu zweit, damit eine Person die Matte unter dem<br />

Kletternden hinterherziehen kann.Zum Thema<br />

Angst: Man trainiert bewusst damit umzugehen.<br />

Ich klettere in der Halle dann eher scary Routen,<br />

weil ich die Sicherheit der Matte habe. Es hilft,<br />

sich schrittweise an Routen ranzutasten und mit<br />

Konzentration bei der Route zu sein. Beherrscht<br />

man die grundlegenden Techniken, existiert eine<br />

gewisse Sicherheit.<br />

mediakompakt: Wo könnte sich die Kletterszene<br />

Deiner Meinung nach in zehn oder in 20 Jahren<br />

hin entwickeln?<br />

Sebastian: Ich bin der Meinung, dass der Hype um<br />

Bouldern abnimmt. Die Zeit der völlig überfüllten<br />

Hallen geht nicht nur durch die Pandemie zu Ende.<br />

Die Leute zieht es eher zum Seilklettern. Das<br />

mag zwar ähnlich aussehen, es sind jedoch grundsätzlich<br />

verschiedene Bereiche und Techniken.<br />

Der Klettersport steht aus meiner Sicht am Scheideweg.<br />

Durch die Olympischen Spiele wurde ein<br />

breiteres Publikum erreicht und viele Veranstalter<br />

sehen jetzt die Chance, Kapital aus Wettkämpfen<br />

zu ziehen. Über kurz oder lang dürfte sich die Szene<br />

in zwei Lager spalten: Die Freizeitkletterer werden<br />

weiter nur für sich klettern, ohne Ansporn,<br />

die Besten in der Szene zu werden. Die andere<br />

Gruppe wird sich auf die finanziell attraktiveren<br />

Wettbewerbe stürzen und sich Sponsoren suchen.


32 WHY?<br />

mediakompakt<br />

Sharing is caring<br />

Capsule Wardrobe extrem:<br />

Basics besitzen und den Rest<br />

mieten. Können wir so dem<br />

Fast Fashion Wahnsinn gut<br />

gekleidet die Stirn bieten?<br />

VON LAURA SCHWARZ<br />

Lena Schröder, Geschäftsleitung der<br />

Kleiderei vor ihrem Store in Köln<br />

Bild: Kleiderei<br />

Die Deutschen kaufen im Schnitt 60<br />

Kleidungsstücke im Jahr. 40 Prozent<br />

davon, also 24 Teile, werden nie,<br />

oder nur selten, getragen. Jede*r<br />

kennt das Gefühl vor dem vollen<br />

Kleiderschrank, man hätte nichts anzuziehen.<br />

Wie kann das sein, wenn wir doch so fleißige<br />

Shopper*Innen sind? Und das, obwohl die<br />

meisten Verbraucher*Innen von den Bedingungen<br />

wissen, unter denen sogenannte Fast Fashion<br />

produziert wird. Als Fast Fashion werden<br />

Kleidungsstücke bezeichnet, die für eine Saison<br />

oder einen Trend billig produziert werden und<br />

schnell wieder durch Neues ersetzt werden sollen.<br />

Ökologische und soziale Aspekte sind bei der<br />

Produktion solcher Kleidungsstücke meist mehr<br />

als fragwürdig.<br />

Doch Jede*r kann mit dem Kaufverhalten zum<br />

Schutz der Umwelt und aller in der Produktionskette<br />

betroffenen Personen beitragen – durch den<br />

Kauf von Fair Fashion, also nachhaltig produzierten<br />

Kleidungsstücken. Diese sind meist teurer als<br />

die herkömmliche Mode der großen Ketten. Doch<br />

durch eine bessere Qualität können sie länger<br />

getragen werden und landen nicht im Müll. Wer<br />

weniger und fair kauft, reduziert seinen CO 2<br />

-<br />

Abdruck drastisch und hat außerdem einen<br />

übersichtlicheren Kleiderschrank.<br />

Wer einen Schritt weitergehen will, kann den<br />

Inhalt seines/ihres Kleiderschranks auf eine sogenannte<br />

Capsule Wardrobe reduzieren. Hier wird<br />

auf Kleidungsstücke minimiert, die gern getragen<br />

werden, gute Qualität haben und möglichst gut<br />

untereinander kombinierbar sind. Dabei werden<br />

möglichst zeitlose Stücke ausgewählt und durch<br />

einige besondere Teile aufgewertet. Aber muss<br />

man deshalb aufs Shoppen verzichten? Im Idealfall<br />

ja, es gibt aber eine Alternative. Immer mehr<br />

Startups bieten die Möglichkeit, Kleidung zu<br />

mieten. In verschiedenen Mietmodellen kann so<br />

Vorhandenes durch besondere Einzelteile ergänzt<br />

werden. Diese werden allerdings nicht gekauft,<br />

sondern für einen bestimmten Zeitraum gemietet<br />

und danach wieder zurückgegeben.<br />

Um diese besonderen Kleidungsstücke<br />

kümmert sich zum Beispiel das Unternehmen<br />

Fairnica. Die Gründer*Innen haben sich komplett<br />

auf die Vermietung von „Kapseln“ spezialisiert.<br />

Eine Kapsel besteht aus einer fest zusammengesetzten<br />

Auswahl an Kleidungsstücken. Diese<br />

sollen einen Schrank voller Basics aufpeppen und<br />

ergänzen.<br />

Fairnica startete 2017 als Fair Fashion Blog von<br />

Nicola Henseler. Gemeinsam mit Freunden nahm<br />

Henseler im Sommer 2018 mit ihrem Vermietkonzept<br />

beim Gründerwettbewerb Senkrechtstarter<br />

teil, landete auf dem 4. Platz und bekam den<br />

Sonderpreis für Nachhaltigkeit, der von der GLS<br />

Bank verliehen wird. So gelangten die<br />

Gründer*Innen an ein kleines Startkapital, mit<br />

dem sie ihre erste Kapsel auf den Markt brachten.<br />

Diese war innerhalb kürzester Zeit ausgebucht<br />

Das Konzept von Fairnica orientiert sich stark<br />

an der Idee einer Capsule Wardrobe. Es werden<br />

einige Basics vorausgesetzt: eine blaue und eine<br />

schwarze Jeans, ein schwarzes und ein weißes<br />

T-Shirt. Zusammen mit einer Kapsel von Fairnica,<br />

die fünf bis acht Teile enthält, sollen mindestens<br />

30 Outfits gestylt werden können. Zu mieten gibt<br />

es nur Kleidungsstücke von fair produzierenden<br />

Marken, oft auch von kleineren Labels. Die Mietdauer<br />

beträgt ein, zwei oder drei Monate. Wer


01/ 2022 WHY? 33<br />

seine Kapsel verlängert, zahlt ab dem zweiten<br />

Monat weniger Miete – nach sechs Monaten<br />

Verlängerung darf die Kapsel behalten werden.<br />

Das Unternehmen bietet sowohl Kleidung für<br />

Frauen, als auch für Männer an. Die Preise belaufen<br />

sich auf 59 bis 89 Euro pro Monat. Den hohen<br />

Preis erklärt Fairnica mit der Qualität der<br />

Kleidungsstücke.<br />

In einer Umfrage aus dem Jahr 2017<br />

gaben 63 Prozent der Befragten an, monatlich 50<br />

Euro oder mehr für Kleidung auszugeben, etwas<br />

mehr als ein Drittel investierten demnach durchschnittlich<br />

sogar 75 Euro oder mehr im Monat.<br />

Fairnica liegt mit ihrer Preisgestaltung in einer<br />

realistischen Höhe. Zumindest, wenn davon<br />

ausgegangen wird, dass die geforderten Basics<br />

vorhanden sind, und dies gemeinsam mit einer<br />

ausgewählten Kapsel genug Kleidung für eine<br />

Person ist.<br />

Kund*Innen können bei Fairnica online die<br />

gewünschte Kapsel auswählen oder in einer „Mix<br />

and Match“-Kapsel die gewünschten Kleidungsstücke<br />

selbst zusammenstellen. Nach Auswahl der<br />

Mietdauer wird die Kleidung nach Hause versandt<br />

und kann dort den eigenen Kleiderschrank<br />

bereichern. Zuhause können die Teile ganz<br />

normal gewaschen werden, den letzten Waschgang<br />

vorm Zurücksenden können sich die<br />

Kund*Innen jedoch sparen, denn Fairnica wäscht<br />

vor einem erneuten Verleih alles professionell. So<br />

ist die Hygiene zwischen einem Wechsel auf jeden<br />

Fall gegeben.<br />

Die allermeisten Mietmodelle für Kleidung<br />

sind nur online zugänglich. Wer lieber offline<br />

leiht, wird aber zum Beispiel bei der Kleiderei in<br />

Köln und Freiburg fündig. In den beiden Stores<br />

werden Vintage- und Fair-Fashion-Teile angeboten.<br />

Um sich Kleidungsstücke zu leihen, muss<br />

man Mitglied werden. Dafür unterschreibt man<br />

vor Ort einen Mitgliedsvertrag und bekommt<br />

einen entsprechenden Ausweis. Für 29 Euro im<br />

Monat können immer vier Teile parallel geliehen<br />

werden.<br />

Diese können sich die Mitglieder*Innen<br />

jedoch frei aus dem Sortiment aussuchen und, im<br />

Gegensatz zu Fairnica und anderen Onlineanbietern,<br />

anprobieren. Kleiderei-Kund*Innen sind<br />

nicht an eine bestimmte Auswahl oder begrenzte<br />

Mietdauer gebunden. Sie entscheiden sich selbst<br />

für jedes einzelne Stück und können ihre vier<br />

Teile ganz flexibel jederzeit in den Stores tauschen.<br />

Kleiderei gibt an, dass sie sich für vier Kleidungsstücke<br />

entschieden haben, weil damit für<br />

jeden Anlass ein Outfit gestylt werden könne und<br />

audf diese Art und Weise unnötige Einkäufe<br />

minimiert werden könnten.<br />

Vor der Rückgabe werden die Kleidungsstücke<br />

zuhause selbst gewaschen, die Reinigung wird nur<br />

gegen einen kleinen Aufpreis von der Kleiderei<br />

übernommen. Teile, die nicht gewaschen werden<br />

dürfen, sind extra gekennzeichnet und müssen in<br />

die Reinigung. Dies können die Kund*Innen<br />

selbst übernehmen, oder für 16 Euro die Kleiderei<br />

beauftragen.<br />

Warum Kleidung mieten für Jeden eine gute<br />

Idee sein kann? Die nachhaltigste Variante<br />

Kleidungsstücke zu kaufen, ist sicherlich sie nicht<br />

zu kaufen, sondern sie mit anderen zu teilen.<br />

Genau das ist der Kern des Kleider-Sharings. Gut<br />

für die Umwelt, gut für die Menschen, die hinter<br />

der Produktion stehen. Fehlkäufe werden verhindert,<br />

der Kleiderschrank nicht gefüllt mit Teilen,<br />

die nie getragen werden.<br />

Das Gefühl beim Blick in den Schrank wird<br />

nicht mehr ganz so ratlos sein. Kund*Innen der<br />

vorgestellten Mietmodelle können außerdem<br />

ganz neue Stile ausprobieren, ganz ohne Druck,<br />

ganz verrückte Styles, ganz normale Basics. Denn<br />

was nicht gefällt, kann einfach zurückgegeben<br />

werden. Und im Fall der Kleiderei ist es wahrscheinlich<br />

sogar günstiger, als Kleidung neu zu<br />

kaufen. Günstiger für unseren Planeten auf jeden<br />

Fall. Und wenn etwas zum Lieblingsteil wird,<br />

kann es auch gekauft werden.<br />

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34 WHY?<br />

mediakompakt<br />

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01/ 2022 WHY? 35<br />

Kein Kinderspiel<br />

Bilder: Ronny Schoenebaum (JES)<br />

In Stuttgart macht das Junge Ensemble Theater für junge Menschen und schafft es für<br />

Zuschauende aller Altersgruppen Anknüpfungspunkte zu finden. Daphna Horowitz<br />

erläutert, wie und warum das gelingt und welche Schwierigkeiten es zu überwinden gibt.<br />

VON LARISSA HILGERS<br />

Ein kühler Samstagabend im November:<br />

Das Junge Ensemble Stuttgart (JES)<br />

zeigt zuerst ein Stück über die Diskriminierung<br />

von weiblich gelesenen<br />

Körpern („Archiv der Körper“),<br />

anschließend wird auf der Hauptbühne die Frage<br />

nach dem Erwachsenwerden („Generation S“)<br />

thematisiert.<br />

Sehr viel passender lässt sich der Zeitgeist der<br />

Jugend kaum veranschaulichen. Aber wie gelingt<br />

das? „Im JES diskutieren wir natürlich<br />

aktuelle Themen. Wir fragen uns: Was beschäftigt<br />

das Publikum? Und wie können wir das auf die<br />

Bühne bringen“, erläutert Daphna Horowitz, die<br />

sich als Theaterpädagogin am JES auch als<br />

Vermittlerin zwischen dem jungen Publikum und<br />

der Bühne versteht.<br />

Dabei dürfe man sich laut Horowitz nicht<br />

beschränken. Kinder beschäftigen dieselben<br />

Themenkomplexe wie Erwachsene – allerdings in<br />

ihrer eigenen Lebenswelt. Bei der Aufbereitung<br />

für ein junges Publikum achte sie vor allem auf die<br />

Sprache und dass alle Stücke Elemente haben, mit<br />

denen sich die Zuschauenden identifizieren<br />

können. „Theater kann nicht als reines<br />

Unterhaltungsformat verstanden werden. Ein<br />

Theaterbesuch soll zum Nachdenken und zur<br />

Diskussion anregen“, sagt sie. Wichtig sei, zu<br />

fragen, was Theater ist. Vor allem Kinder haben<br />

ein sehr klassisches Verständnis von Theater:<br />

Texte, Kostüme und Rollen. Da kommt unmittelbar<br />

die Frage auf: „Moment, was ist für dich<br />

Theater, was kann es alles sein?“ Es begrenzt sich<br />

nicht auf einen Raum oder eine Bühne oder ein<br />

Publikum. „Theater ist ein Ort, der sich ständig<br />

wandelt“, sagt Daphna Horowitz.<br />

Das JES konnte wegen der Corona-Pandemie<br />

über Monate hinweg fast ausschließlich im<br />

digitalen Raum Stücke aufführen. Als die<br />

Regelungen es wieder zugelassen hätten, besuchten<br />

Schulklassen das Theater wieder. Die<br />

Pädagog*innen legten dabei Wert darauf, dass die<br />

Gruppendynamik der Klassen von Theatervermittler*innen<br />

gestärkt wird. Dieses Gefühl der<br />

Dynamik habe in den langen Home-Schooling-<br />

Phasen stark gelitten. Durch interaktive Workshops<br />

des JES können die sozialen Aspekte des<br />

Theaterspielens ausgeschöpft und so die<br />

Beziehungen zwischen den Teilnehmenden<br />

gestärkt werden.<br />

In den Vorstellungen sollen die Zuschauenden<br />

herausgefordert werden. Das Theater ist dabei<br />

ein sich anpassender Beitrag, der die Gesellschaft<br />

kritisch spiegelt. Das JES zeichnet aus, dass es als<br />

Kinder- und Jugendtheater das Publikum ernst<br />

nimmt. „Wir machen hier kein Kasperle-Theater<br />

mit den Kindern“, sagt Horowitz, „sondern<br />

suchen Themen, die sie interessieren und<br />

beschäftigen und versuchen diese, in die Stücke<br />

aufzunehmen und in unseren Workshops mit den<br />

Kindern und Jugendlichen zu erarbeiten.“<br />

In diesem Sinne: Bühne frei!<br />

Das Junge Ensemble Stuttgart<br />

Als Kinder- und Jugendtheater bietet das<br />

Junge Ensemble Stuttgart auf drei Bühnen<br />

im Kulturzentrum „Unterm Turm“<br />

verschiedene Produktionen von und für<br />

junge Menschen. Ein wechselndes<br />

Ensemble präsentiert dabei klassische<br />

Erzähltheater bis hin zu partizipativen Projekten<br />

und interaktiven Vorstellungen. Zudem<br />

ist das JES alle zwei Jahre selbst Gastgeber<br />

des Festivals „Schöne Aussicht“ und<br />

arbeitet national, ebenso international,<br />

mit verschiedenen Theatermacher*innen<br />

zusammen.<br />

www.jes-stuttgart.de/


36 WHY?<br />

mediakompakt<br />

OUT AND PROUD<br />

Bild: Marco Lehmann / Instagram


01/ 2022 WHY? 37<br />

Homosexualität ist insbesondere bei Männern im<br />

Profisport immer noch ein Tabuthema. Nur wenige<br />

Spitzensportler outen sich öffentlich. Marco Lehmann<br />

wagte den Schritt an die Öffentlichkeit. Der<br />

Basketballer ist schwul.<br />

VON VALERIA BORGIA<br />

Homosexualität ist ein sehr präsentes<br />

Thema. Vor allem im männlichen<br />

Profisport stellt dies immer noch<br />

ein Tabuthema dar. Ein öffentliches<br />

Coming-out ist ein großer und<br />

mutiger Schritt, der für viel Aufmerksamkeit<br />

sorgt. Die Frauen sind den Männern etliche<br />

Schritte voraus. Einige Spitzenathletinnen haben<br />

ein Outing gewagt. Im Mannschaftssport der<br />

Männer ist die Zurückhaltung jedoch viel größer.<br />

Äußerst selten kommt es hier zu einem öffentlichen<br />

Coming-out. Die meisten haben dazu, wenn<br />

überhaupt, erst nach ihrer Karriere den Mut. Viele<br />

haben große Angst davor, sich als schwul zu<br />

outen, weshalb bisher nur wenige davon bekannt<br />

sind. Trotz allem kommt es immer wieder vor,<br />

dass einige sich öffentlich zu ihrer Homosexualität<br />

bekennen. So wie der Schweizer Basketballprofi<br />

Marco Lehmann. Der studierte Landschaftsarchitekt<br />

ist seit 2016 in der Nationalliga A bei<br />

Swiss Central Basket unter Vertrag und spielt<br />

weltweit auf der FIBA 3x3 World Tour im Team<br />

Lausanne Sport 3x3.<br />

Viele Jahre führte er ein Doppelleben. Bereits<br />

mit 17 Jahren merkte er, dass er sich zu Männern<br />

hingezogen fühlt. Niemand im Team wusste<br />

Bescheid: weder der Trainer noch der Klub-Präsident,<br />

nicht einmal sein bester Kumpel. Zu einer<br />

Topscorer-Gala nahm er seine Eltern mit, nicht<br />

seinen Freund. Und bei Fragen nach einer Freundin<br />

sagte er immer, er sei mit dem Sport verheiratet<br />

und habe keine Zeit für eine Beziehung.<br />

„Als schwuler Spitzensportler wirst du ein guter<br />

Lügner“, sagt er gegenüber der MediaKompakt.<br />

Diese Art, nicht zu sich selbst stehen zu können,<br />

belastete den heute 28-Jährigen lange Zeit.<br />

Nach unzähligen schlaflosen Nächten und<br />

dauerhafter körperlicher Überlastung erlitt er<br />

Ende 2019 einen mentalen Zusammenbruch.<br />

Angstzustände und körperliche Erschöpfung verfolgten<br />

ihn. Er war nicht mehr in der Lage, seinen<br />

Sport auszuüben. Durch die Corona-Pandemie<br />

wurde die Meisterschaft abgesagt, wodurch<br />

Lehmann Zeit hatte, sich zu erholen. Im Laufe des<br />

Jahres 2020 wurde ihm bewusst, dass das Versteckspiel,<br />

welches er ein Leben lang im sportlichen<br />

Bereich gespielt hatte, beendet werden<br />

müsse. „Ich hatte mich zu entscheiden, entweder<br />

meine Karriere zu beenden oder zu mir zu<br />

stehen“, sagt er. Die Liebe zum Sport war und ist<br />

für den Schweizer jedoch unermesslich. Ihm war<br />

klar, dass er als geouteter Basketball-Spieler<br />

zurückkehren möchte. Für Lehmann war der<br />

Moment gekommen, nach über zehn Jahren<br />

endlich zu sich selbst zu stehen. Im Januar 2021<br />

wendete er sich an die Schweizer Zeitung<br />

„Tages-Anzeiger“, in der sein Coming-out veröffentlicht<br />

wurde.<br />

Die unzähligen Reaktionen darauf waren sehr<br />

positiv und bestärkten ihn in seiner Entscheidung.<br />

Die damit verbundenen Befürchtungen,<br />

wie Diskriminierung im Job oder Ausgrenzung,<br />

haben sich nicht bewahrheitet. Lehmann war<br />

überwältigt von der medialen Aufmerksamkeit,<br />

welche seinem Coming-out weltweit zugeteilt<br />

wurde. Verschiedene Medien auf der ganzen Welt<br />

berichteten über ihn, seine<br />

Geschichte berührte die<br />

Menschen. Für Lehmann<br />

war sein Outing ein sehr<br />

befreiender Moment: „Mir<br />

geht es so gut wie noch<br />

nie.“ Dass diese Erfahrung<br />

nicht automatisch auf jede<br />

Sportart übertragbar ist, weiß er aber auch. Trotz<br />

allem sind weitere Coming-outs, weitere „Ich bin<br />

es auch“ von Profisportlern notwendig. Nur so<br />

werde es möglich, dass das Thema Homosexualität<br />

im männlichen Profisport irgendwann als<br />

Normalität angesehen wird.<br />

Mut machen kann Lehmanns Offenheit auf<br />

alle Fälle. Genau wie die Geschichte des Australiers<br />

Joshua Cavallo. Es waren wenige, aber gut<br />

gewählte Worte. „Ich bin ein Fußballer und ich<br />

bin schwul“, sagte der 21-Jährige in einem Video-<br />

Statement. Der positive Zuspruch für Cavallos<br />

Outing ist enorm und seine Geschichte wird<br />

weltweit thematisiert. „Das ist ein großartiger<br />

Schritt von Joshua Cavallo. Die Reaktionen zeigen,<br />

dass wir auf einem sehr guten Weg sind, im<br />

Thema Homophobie im Fußball“, schildert<br />

Alexander Wehrle, der Geschäftsführer des 1. FC<br />

Köln, im Gespräch mit dem Nachrichtensender<br />

ntv.de. „Dass diese Nachricht von Australien aus<br />

so ein großes mediales Echo erzeugt, zeigt aber<br />

auch, dass wir noch nicht dort angekommen sind,<br />

wo wir hinwollen: nämlich bei einem normalen<br />

Umgang.“<br />

Als schwuler Spitzensportler<br />

wirst du ein<br />

guter Lügner.<br />

Leider wird die Homosexualität im Männerfußball<br />

immer noch weitestgehend tabuisiert.<br />

Traditionelle Vorstellungen von „Männlichkeit“<br />

spielen dabei eine große Rolle. In den vergangenen<br />

Jahren wagten es nur vereinzelt Fußballer<br />

aus den unteren Klassen, sich öffentlich zu outen,<br />

während in den oberen Ligen lange Zeit nichts<br />

passierte. Als erster Profi-Fußballer hatte sich<br />

Justin Fashanu im Jahr 1990 während seiner<br />

aktiven Karriere geoutet. Der Engländer zerbrach<br />

daran und nahm sich später das Leben.<br />

Insgesamt haben sich weltweit erst 13 Fußballer<br />

während ihrer Karriere öffentlich geoutet. Der<br />

frühere deutsche Nationalspieler Thomas<br />

Hitzlsperger wagte diesen Schritt bewusst erst kurz<br />

nach dem Ende seiner aktiven Laufbahn. Für ihn<br />

war ein früheres Coming-out damals unvorstellbar,<br />

da die Angst vor Diskriminierung zu groß<br />

war. Doch auch im deutschen Fußball kommt Bewegung<br />

in diese Debatte. Unter dem Motto „Ihr<br />

könnt auf uns zählen“ haben 800 Spielerinnen<br />

und Spieler in dem Fußball-Magazin „11 Freunde“<br />

ihre Unterstützung für homosexuelle Profis zugesichert<br />

und diese zum Outing ermutigt.<br />

Dass Homosexualität im Spitzensport ein präsentes<br />

Thema ist, zeigt auch die Geschichte von<br />

Carl Nassib. Der Footballspieler von den Las Vegas<br />

Raiders hat einen ermutigenden Schritt gewagt<br />

und als erster Profi aus der amerikanischen Liga<br />

NFL seine Homosexualität<br />

öffentlich gemacht. Er sei<br />

froh, dass er nach über 15<br />

Jahren endlich zu sich<br />

selbst stehen kann. Von<br />

seinen Trainern und Mitspielern<br />

habe Nassib große<br />

Unterstützung erhalten<br />

und er sei sofort mit „dem größten Respekt und<br />

mit Akzeptanz“ begrüßt worden.<br />

Wie Cavallo, Hitzlsperger und Nassib hat auch<br />

Lehman mit seinem Coming-out einen weiteren<br />

Schritt in der Enttabuisierung der Homosexualität<br />

im Spitzensport gemacht. Im Herbst dieses Jahres<br />

wurde er mit dem Swiss Diversity Award ausgezeichnet.<br />

Er möchte sich auch zukünftig für<br />

Homosexualität und Diversität einsetzen und<br />

andere ermutigen. Durch sein Engagement in der<br />

Öffentlichkeit will er als Vorbild auftreten. „Sexuelle<br />

Orientierung sollte im Sport genau so wenig<br />

eine Rolle spielen wie die Augenfarbe oder die<br />

Schuhmarke an den Füßen. In Zukunft soll jeder<br />

Teenager in einem Sportteam mit einer Selbstverständlichkeit<br />

zu seiner sexuellen Orientierung<br />

stehen können. Jeder muss die Möglichkeit<br />

haben, seiner Leidenschaft unabhängig davon,<br />

wen er liebt, nachzugehen.“, sagt Lehmann. „Es<br />

braucht vor allem Sensibilisierung in der Öffentlichkeit,<br />

unter Sportlern, in der Trainerausbildung<br />

und anderen Bereichen des Nachwuchs- und<br />

Spitzensports“. Und genau hier möchte Lehmann<br />

auch zukünftig seinen Beitrag leisten.


38 WHY?<br />

mediakompakt<br />

Long hair,<br />

don’t care<br />

Grafik: Freepik<br />

Vital, glänzend, lang und in<br />

jeder denkbaren Farbe<br />

und Form: Der Markt für<br />

menschliches Echthaar<br />

boomt wie nie zuvor.<br />

Doch was sich hinter der<br />

Milliarden Euro schweren<br />

Fassade verbirgt, wirft Fragen<br />

auf. Bei der Recherche trifft<br />

man auf eine Mauer des<br />

Schweigens.<br />

VON NATHALIE EHMANN


01/ 2022 WHY? 39<br />

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DTP-Software für die<br />

gemeinsame Gestaltung<br />

von Publikationen<br />

Print und Digital<br />

Haare gelten mindestens seit der Antike<br />

als natürlicher Kopfschmuck,<br />

als Symbol für Vitalität und Jugend.<br />

Seit der Jahrtausendwende entwickelt<br />

sich menschliches Echthaar<br />

zum Konsumgut, um den eigenen Look zu frisieren.<br />

Dabei kommen sogenannte Clip-in-Extensions,<br />

in das eigene Haar eingearbeitete<br />

Fremdhaar und Perücken zum Einsatz. Doch die<br />

Berichterstattung in den Medien lässt auf bedenkliche<br />

Praktiken schließen. So berichtet CNN im<br />

Jahr 2013 von der Gruppe der sogenannten<br />

Pirañas, die Frauen in Venezuela auf offener Straße<br />

gewaltsam die Haare abschneide. Aus Angst davor,<br />

spendeten laut CNN viele ihre Haare. 2015<br />

porträtierte der Nachrichtensender Al Jazeera<br />

English eine Frau, deren einziger Weg der Haarverkauf<br />

gewesen sei, um Windeln für ihr Kind zu<br />

besorgen und den Lebensunterhalt zu bestreiten.<br />

Ein Beispiel aus Vietnam zeigt, dass es auch<br />

anders laufen kann. Dan Choi, Gründer des<br />

Unternehmens REMY NY, versucht als einer der<br />

Ersten einen Wandel einzuleiten. Er verfolgt eine<br />

nachhaltige Idee, die den von Armut betroffenen<br />

Frauen Chancen eröffnet, indem REMY NY einen<br />

fairen Preis für ihr Haar bezahlt – und zudem<br />

Arbeit anbietet. Was er macht, ist auf seinen<br />

Social-Media-Kanälen zu sehen. Eine Transparenz,<br />

die es bei der Konkurrenz nicht gibt.<br />

Was gutes Haar ausmacht<br />

Um die Qualität der Haare festzustellen, gilt es<br />

genau hinzusehen. Hochwertiges Echthaar wird<br />

als „Remy Hair“ gekennzeichnet, weshalb Dan<br />

Choi sein Unternehmen danach benannt hat. Für<br />

diesen Branchen-Standard muss der ursprüngliche<br />

Verlauf der Haarschuppen vom Ansatz bis zur<br />

Spitze erhalten sein. Für das natürlichste Resultat<br />

ist es notwendig, dass das Haar nie gefärbt oder<br />

chemisch behandelt wurde. Für das Attribut<br />

„Remy Hair“ gibt es allerdings keine offizielle<br />

Produktkennzeichnung oder ein Qualitätssiegel.<br />

Manche Anbieter tricksen mit Begriffen wie<br />

„Echthaar“ oder „veredeltem Echthaar“, hinter<br />

welchem sich jedoch meist mit Kunsthaar<br />

gemischte Haarreste verbergen.<br />

Der Ursprung der Luxusware<br />

Woher und von wem stammen die Haare heutzutage?<br />

Blicken wir nach Südasien. Die begehrteste<br />

Ware für Europa kommt aufgrund der sehr ähnlichen<br />

Haarstruktur aus Indien. Millionen Hindus<br />

pilgern jedes Jahr zu den Tempeln im Süden<br />

Indiens. Bei religiösen Zeremonien erbitten die<br />

Pilger den göttlichen Segen oder drücken ihre<br />

Dankbarkeit aus. Als Opfergabe überlassen sie ihr<br />

gesamtes Haar ihrer Gottheit. Diese werden von<br />

Mitarbeitenden im Tempel geschnitten und gebündelt.<br />

Für die Tempel eröffnet sich dadurch ein<br />

lukratives Geschäft. Viele Pilger wissen nicht, was<br />

mit ihrem Haar nach der Opferung geschieht; andere<br />

wissen zwar vom Verkauf der Haare, interessieren<br />

sich jedoch nur für die Zeremonie.<br />

Das sogenannte Tempelhaar verkaufen die<br />

religiösen Einrichtungen entweder an den<br />

höchstbietenden Kunden oder an Unternehmen,<br />

mit denen meist feste Handelsverträge bestehen.<br />

Laut Aussagen des Magazins „Spiegel“ erzielt<br />

Tirumala-Tirupati, einer der reichsten Tempel des<br />

Landes, damit rund 250 Millionen Euro pro Jahr.<br />

Dafür investieren die Tempel das eingenommene<br />

Geld wieder in die Gemeinschaft, um soziale<br />

Projekte oder den Erhalt der religiösen Stätten zu<br />

fördern. Die Spender erhalten nichts.<br />

Auch Russland mischt in dem globalen Geschäft<br />

mit. Laut OEC ist jedoch China der weltweit<br />

größte Exporteur von Haar mit einem Anteil<br />

von 44,3 Prozent. Für Mitteleuropa ist das chinesische<br />

Haar aber zu dick und wird daher selten<br />

verwendet. Über Herkunft und Beschaffung der<br />

Haare aus den beiden Ländern finden sich auf den<br />

Herstellerseiten keine Anhaltspunkte.<br />

(K)eine ethische Lieferkette<br />

Anfragen bei Anbietern von Echthaar oder regionalen<br />

Perückenherstellern führen ins Leere. Eines<br />

der weltweit führenden Unternehmen für<br />

Deutschland lehnte ein zunächst vereinbartes<br />

Interview ab, als Fragen zu Ethik oder den Lieferketten<br />

gestellt wurden. In der Branche wird damit<br />

argumentiert, der Haarhandel sei ethisch korrekt,<br />

da die Tempel das Geld ja in die Gemeinschaft<br />

stecken würden. Doch bei Fragen zu Informationen<br />

über die Beschaffung der Ware trifft man auf<br />

eine Mauer des Schweigens. In einer Zeit, in der<br />

Fairtrade, Transparenz und Herkunftssiegel in das<br />

Bewusstsein der breiten Öffentlichkeit und der<br />

Wirtschaft eindringen, scheint dies im Haarhandel<br />

noch nicht angekommen zu sein.<br />

Zur weiteren Diskussion<br />

TEDx Talks: Dan Choi spricht über seine<br />

Mission, die Menschenleben verbessern soll<br />

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