MEDIAkompakt Ausgabe 31
Die Zeitung des Studiengangs Mediapublishing an der Hochschule der Medien Stuttgart - www.mediapublishing.org
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DIE ZEITUNG DES STUDIENGANGS MEDIAPUBLISHING<br />
DER HOCHSCHULE DER MEDIEN STUTTGART<br />
AUSGABE 01/2022 05.02.2022<br />
media<br />
kompakt<br />
WHY?
2 WHY?<br />
mediakompakt<br />
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01/ 2022 WHY? 3<br />
Liebe Leserinnen,<br />
liebe Leser,<br />
vor Ihnen liegt die Nummer <strong>31</strong>! Die neue MediaKompakt. Die Zeitung des Studiengangs<br />
MediaPublishing. Entstanden einmal mehr unter erschwerten Bedingungen, da<br />
Corona den Studierenden (und dem Dozenten) die Lehre nicht so ermöglicht hat, wie<br />
wir uns das vorgestellt haben. Aber: Das Ergebnis spricht dennoch für sich und macht<br />
uns zugleich stolz. In wenigen Wochen haben die Studierenden aus einer Idee, gemeinsam<br />
eine Zeitung an den Start zu bringen, ein fertiges Produkt auf den Markt gebracht,<br />
das nun vor Ihnen liegt. So etwas funktioniert in perfektem Teamwork, wenn alle<br />
Rädchen ineinandergreifen. Die Gestaltung der Titelseite, die Entwicklung eines<br />
Leitmotivs, der Verkauf von Anzeigen, die Recherche nach spannenden Themen,<br />
schließlich das Layouten der Seiten: alle Prozess-Schritte müssen organisiert<br />
und absolviert werden. Dass dies geschafft werde, das sehen Sie selbst.<br />
Lassen Sie mich den Blick auf die Themen lenken, die unter dem Leitmotiv<br />
versammelt sind: Da sind tiefgründige Interviews zu Fake News oder zum<br />
Phänomen des Kletterns dabei. Ebenso wird die Situation von Studierenden<br />
beleuchtet, wenn sie sich in Praktika teils von Unternehmen ausgebeutet<br />
sehen. Oder wir blicken hinter die Kulissen der Tattoo-Szene, die sich<br />
durch die EU-Gesetzgebung in ihrer Existenz bedroht fühlt. Ein sehr breites<br />
Spektrum, wie diese Auswahl zeigt. Von der Arbeitswelt, der Kultur und dem Sport,<br />
über die Wirtschaft bis hin zu ganz persönlichen Problemen.<br />
Und nicht zuletzt versuchen wir, in allen Beiträgen nicht nur die Frage nach dem „WHY?“<br />
nicht nur zu stellen, sondern sie auch zu beantworten. Urteilen Sie selbst, liebe<br />
Leserinnen und Leser, ob dies gelungen ist.<br />
Viel Vergnügen bei der Lektüre.<br />
Reimund Abel,<br />
Chefredakteur<br />
INHALT<br />
4 No Pain! No gain!<br />
Studieren und Arbeiten<br />
6 Umbruch im 4/4-Takt<br />
Stuttgarter Nachtclub Proton<br />
8 Eine Frage des Vertrauens?<br />
Über linke und rechte Gewalt<br />
9 (she/he/they) Was?<br />
Gender Identity<br />
10 Die Psychologie hinter Fake News<br />
Warum wir lieber Lügen glauben als Fakten<br />
13 Heute schon was verpasst?<br />
Das Phänomen FOMO<br />
14 Du tust mir gut!<br />
Wir und das Tier<br />
16 Der Neugier auf der Spur<br />
Was ist Neugierde eigentlich?<br />
18 Du kommst mir nicht in die Tüte!<br />
Food-Waste in Deutschland<br />
20 Unter Strom<br />
Über E-Autos und Innenstädte<br />
22 Warum sind wir nostalgisch?<br />
Ein Gefühl von Sicherheit<br />
24 Tot. Und jetzt?<br />
Die alternative Bestattung<br />
26 Die Tattooszene sieht schwarz<br />
Das Ende der bunten Tattoo-Farbpalette<br />
28 Die politische Periode – ein Tabu!<br />
Das Buch von Franka Frei<br />
30 „Jede Route ist wie ein Rätsel“<br />
Faszination Klettern<br />
I M P R E S S U M<br />
32 Sharing is caring<br />
Was tun gegen Fast Fashion?<br />
mediakompakt<br />
Zeitung des Studiengangs Mediapublishing<br />
Hochschule der Medien Stuttgart<br />
HERAUSGEBER<br />
Professor Christof Seeger<br />
Hochschule der Medien<br />
Nobelstraße 10<br />
70569 Stuttgart<br />
REDAKTION<br />
Reimund Abel (v.i.S.d.P.)<br />
abel@hdm-stuttgart.de<br />
TITELSEITE<br />
Franziska Döttling, Larissa Hilgers, Giulia Cantatore<br />
Caroline Tonn, Jonathan Kloß<br />
PRODUKTION<br />
Alle<br />
ANZEIGENVERKAUF<br />
Carolin Wacker, Selina Ellenberger, Nathalie Ehmann<br />
Sabrina Christmann, Laura Brösamle<br />
BLATTKRITIK<br />
Lisa Brettschneider, Vivienne Reim, Natasa Sipka, Vivien<br />
Müller, Carina Drost, Valeria Borgia<br />
MEDIA NIGHT<br />
Kim Kanstinger, Natalie Schmitt, Ines Brunenberg, Alex<br />
Bauer, Laura Schwarz<br />
DRUCK<br />
Z-Druck Zentrale Zeitungsgesellschaft GmbH & Co. KG<br />
Böblinger Straße 70<br />
71065 Sindelfingen<br />
ERSCHEINUNGSWEISE<br />
Einmal im Semester zur Medianight<br />
Copyright<br />
Stuttgart, 2022<br />
35 Kein Kinderspiel<br />
Das Junge Ensemble Theater in Stuttgart<br />
36 Out and Proud<br />
Homosexualität im Profisport<br />
38 Long hair,don’t care<br />
Menschliches Echthaar boomt
4 WHY?<br />
mediakompakt<br />
No pain! No gain!<br />
Drei Viertel der Studierenden arbeiten nebenher, so eine<br />
aktuelle Forsa-Umfrage. Doch die Fairness bleibt oft auf der<br />
Strecke. Warum Arbeitgeber tun, was sie tun, und warum<br />
wir Studierenden uns das gefallen lassen (müssen).<br />
VON CAROLIN WACKER<br />
10,36 Euro pro Stunde – das verdienen<br />
Studierende der HdM Stuttgart durchschnittlich<br />
im Werkstudent:Innen-<br />
Job. Kennzahlen, die eine Umfrage an<br />
der Hochschule unter 30 Teilnehmern<br />
liefert. Laut Angaben des Deutschen Studentenwerks<br />
(DSW) aus dem Jahr 2016 wird dieses<br />
Einkommen dringend benötigt. Gründe seien<br />
steigende Mieten sowie eine zu geringe staatliche<br />
Unterstützung: Fast drei Millionen Studierende<br />
waren im Jahr 2020 an deutschen Hochschulen<br />
eingeschrieben, nur 6,5 Prozent davon erhielten<br />
Bafög (Quelle: Statistisches Bundesamt).<br />
Gesetzlich darf ein Werkstudierender höchstens<br />
20 Stunden in der Woche arbeiten. „Mehr als<br />
eine Zwölf-Stunden-Woche ist eh nicht drin“<br />
erklärt Mia (Name geändert), „sonst hätte ich<br />
nicht genug Zeit für das Studium“. Für Mia macht<br />
das ein Einkommen von etwa 500 Euro im Monat.<br />
Sie hat das Glück, noch unter 25 Jahren zu sein<br />
und zusätzlich Kindergeld zu bekommen. „Damit<br />
und mit einem kleinen Zuschuss durch die Eltern<br />
reicht das gerade so“, sagt sie.<br />
Qualifikation steigt, Stundenlohn bleibt<br />
Wer besser qualifiziert sei, bekäme auch mehr<br />
Lohn, meint der Generalsekretär des Deutschen<br />
Studentenwerkes Achim Meyer auf der Heyde, zu<br />
lesen in der „Welt“ vor zwei Jahren. Auch einer<br />
Studie der Universität Maastricht zufolge werden<br />
Studierende besser bezahlt, wenn das Studienfach<br />
näher am Job ist. Dass das nicht unbedingt auf die<br />
Medienbranche zutrifft, zeigt die Umfrage an der<br />
HdM: Das Gehalt ist gerade mal im Cent-Bereich<br />
höher als der Mindestlohn. „Ich habe zuvor sogar<br />
eine berufsähnliche Ausbildung gemacht und<br />
auch mein Pflichtpraktikum absolviert“, sagt Mia,<br />
„das hat aber niemanden interessiert“.<br />
Unabhängig vom Gehalt gaben mehr als 75<br />
Prozent der befragten HdM-Studierenden an, dass<br />
ihnen im Werkstudierendenjob Sonderleistungen<br />
vorenthalten würden. Dabei haben Werkstudierende<br />
gesetzlich die gleichen Ansprüche wie andere<br />
Teilzeitkräfte. Der Anfahrtskosten-Zuschuss<br />
ist laut Umfrage die häufigste unterschlagene<br />
Leistung. Unbezahlter Urlaub, kein Weihnachtsgeld,<br />
keinen Essensgeldzuschuss, keinen Corona-<br />
Zuschuss, keine Möglichkeit für Home-Office und<br />
unterlassene Teilnahme an Betriebsveranstaltungen<br />
wurden ebenfalls genannt.<br />
Von Pflichtpraktikum und Pflichtgefühl<br />
Die meisten Studierenden müssen im Lauf ihres<br />
Studiums mindestens ein Pflichtpraktikum absolvieren.<br />
Ob oder wie sie ihre Praktikanten vergüten,<br />
ist den Unternehmen gesetzlich freigestellt.<br />
Manche Unternehmen sehen die Chance, an qualifizierte,<br />
aber billige Arbeitskräfte zu gelangen.<br />
Auch das zeigen die Umfrageergebnisse: Ein Fünftel<br />
der Befragten verdienten nicht einmal 200 Euro,<br />
etwa 17 Prozent müssen demnach mit nur<br />
rund 400 Euro im Monat zufrieden sein.<br />
Damit ist in Stuttgart höchstens die Kaltmiete<br />
gedeckt. Inklusive Nebenkosten, Lebensmitteln,<br />
Studienmitteln, Fahrtkosten und Freizeitgestaltung<br />
benötigt ein Studierender nach Angaben des<br />
Deutschen Studentenwerks durchschnittlich<br />
etwas mehr als den doppelten Betrag. In immerhin<br />
63 Prozent der Fälle zeigten sich dies Firmen<br />
aber pflichtbewusst und bezahlten ihre Praktikanten<br />
so, dass sie zumindest die Grundsicherung<br />
abdecken konnten.<br />
Von ausbaufähigem Pflichtgefühl gegenüber<br />
Werkstudierenden zeugen auch die Pandemie-<br />
Maßnahmen. Der erste Lockdown kündigt sich<br />
an, die Kündigung liegt im Briefkasten: So ähnlich<br />
scheint es der Umfrage zufolge zumindest einem<br />
Drittel der Befragten ergangen zu sein. Dabei muss<br />
den betroffenen Arbeitgebern die derzeit übliche<br />
Anstellungsbefristung von sechs bis zwölf Monaten<br />
zugute gekommen sein. Erfreulich ist immerhin:<br />
Etwa 70 Prozent aller Studierenden sind<br />
nicht in eine Notlage geraten.<br />
Ausbildung oder Ausbeutung – Der Berufseinstieg<br />
„Die Studierenden sind unsere Zukunft“, heißt es<br />
oft von Unternehmen. Sie brächten frischen<br />
Wind, würden verjüngen, modernisieren, seien<br />
auf dem aktuellen Wissensstand. Das Volontariat<br />
ist in der Medienbranche dabei ein gängiger Weg,<br />
um an die jungen Fachkräfte zu gelangen. Eine<br />
anschließende Übernahme wird jedoch nur in<br />
Ausnahmefällen gewährleistet. „Ich hatte viele<br />
Bewerbungsgespräche, aber lediglich ein Verlag<br />
bot mir einen Direkteinstieg an“, berichtet eine<br />
ehemalige Mediapublishing-Studentin aus ihrer<br />
Praxis. Dabei war das Volontariat in der Verlagsbranche<br />
ursprünglich für Quereinsteiger aus den<br />
Natur- oder Geisteswissenschaften gedacht.<br />
Dass der Begriff Volontariat gesetzlich nicht<br />
geschützt ist, hat nur Vorteile für Unternehmen.<br />
Für den:die Volontär:In hat das unschöne Konsequenzen.<br />
Selina Reimer von den Jungen Verlagsmenschen<br />
erklärt im Gespräch mit dem WILA-<br />
Arbeitsmarkt: „Es gibt keine verlässlichen Standards,<br />
keine festen Orientierungspunkte, Ziele<br />
oder Inhalte.“ Da es auch keine tarifvertraglichen<br />
Regelungen für Volontariate in der Buchbranche<br />
gebe, stünden „Tür und Tor offen, den eigentlichen<br />
Ausbildungscharakter des Volontariats zu<br />
unterwandern, indem man Volontäre zum Beispiel<br />
für Elternzeitvertretungen und somit als<br />
günstige Arbeitskräfte nutzt“. Die Jungen Verlagsmenschen<br />
sind ein interessenvertretender Nachwuchsverein<br />
der Buch- und Medienbranche. Sie<br />
setzen sich unter anderem für faire Arbeitsbedingungen,<br />
angemessene Gehälter und aktive Nachwuchsförderung<br />
ein. Um Studierende der Branche<br />
zu schützen, entwickelten sie unter anderem das<br />
Gütesiegel für Volontariate.<br />
Bild: Fotolia
01/ 2022 WHY? 5<br />
Good to know<br />
Sofern vertraglich nicht anders geregelt,<br />
stehen einem Werkstudierenden alle Leistungen<br />
zu, die eine reguläre Teilzeitkraft<br />
bekommt. Dazu zählen Anspruch auf bezahlten<br />
Urlaub und Entgeltfortzahlung im<br />
Krankheitsfall. Bei freiwilligen Praktika, die<br />
länger als drei Monate dauern, gilt eine andere<br />
Regelung als für Pflichtpraktika: Das<br />
Unternehmen muss für die gesamte Dauer<br />
des Praktikums den Mindestlohn bezahlen.<br />
Bild: Unsplash<br />
Arbeitsrecht und Pandemie<br />
Bei Bürotätigkeiten muss der Arbeitgeber<br />
während einer Pandemie Home-Office anbieten<br />
(§28b IfSG). Kündigungen aufgrund<br />
eines Umsatzrückgangs durch die Pandemie<br />
wurden in vielen Fällen für unwirksam<br />
erklärt (siehe Arbeitsgericht Berlin). Gerätst<br />
Du in eine solche Situation, solltest Du eine<br />
rechtliche Überprüfung in Betracht ziehen.<br />
Sofern ein Betrieb nicht durch staatliche<br />
Anordnung geschlossen wird, haben auch<br />
Werkstudierende – falls vertraglich nicht<br />
anders geregelt – einen Vergütungsanspruch,<br />
wenn sie von der Arbeit freigestellt<br />
werden (§ 616 BGB). Wirst Du durch eine<br />
behördliche Anordnung an der Arbeit gehindert<br />
(z.B. als Ansteckungsverdächtiger),<br />
hast Du ebenfalls Anspruch auf Entschädigung<br />
(§ 56 Abs. 1 IfSG).<br />
Bist du unsicher...<br />
Bild: Pixabay<br />
…ob Deine Arbeitsbedingungen fair sind?<br />
Dann empfiehlt die Jugendorganisation<br />
der DGB-Gewerkschaften, entweder den<br />
Betriebs-/Personalrat oder die zuständige<br />
Gewerkschaft vor Ort aufzusuchen (z.B. die<br />
ver.di-Jugend Bezirk Stuttgart). Dort wirst<br />
Du über eventuell anzuwendende Tarifverträge,<br />
Betriebsvereinbarungen und weitere<br />
Schutzbestimmungen beraten.
6 WHY?<br />
mediakompakt<br />
Umbruch im 4/4-Takt<br />
Mut. Musik. Machtlosigkeit. Während des Lockdowns hat im Stuttgarter Nachtclub Proton ein Tapetenwechsel<br />
stattgefunden. Ein Blick hinter die Turntables mit Bookingmanager Benjamin Reichert.<br />
VON CARINA DROST<br />
Mediakompakt: Benny, du hast dich<br />
während der langen Corona-<br />
Schließzeit aller Clubs für einen<br />
Wechsel vom Four Runners Club<br />
Ludwigsburg zum Proton Stuttgart<br />
entschieden. Was war der Impuls dafür?<br />
Benny: Ich betreibe den Four Runners Club bereits<br />
seit 2019 nicht mehr. Die Pandemie kam danach<br />
und hatte keinen direkten Einfluss auf meine Entscheidung,<br />
die Tätigkeit dort zu beenden. Standortbedingt<br />
konnte ich meine Vision in Ludwigsburg<br />
allerdings nicht weiter umsetzen. In mehreren<br />
Treffen mit dem Eigentümer des Protons<br />
entstand der Plan, dort weiterzumachen. Der Four<br />
Runners Club war die „Musical Madness“-Homebase<br />
– das sogenannte Wohnzimmer. Doch wir<br />
werden weiterhin dort Events planen.<br />
mediakompakt: Das heißt, Du kannst mit deiner<br />
Veranstaltungsfirma „Musical Madness“ eigene<br />
Events im Proton veranstalten. Also: zwei Fliegen<br />
mit einer Klappe?<br />
Benny: Genau. Endlich haben wir in Stuttgart eine<br />
Location, in der wir auch größere Acts buchen<br />
können. Die Anbindung ist besser und wir haben<br />
eine höhere Gästekapazität. Durch meine lange<br />
Verbundenheit mit dem Club freut es mich umso<br />
mehr, eine weitere Homebase im Ländle gefunden<br />
zu haben.<br />
mediakompakt: Du hast den Stillstand in der Eventbranche<br />
für den konzeptionellen Umbruch und<br />
den Umbau im Proton genutzt. Welche Renovierungsarbeiten<br />
haben stattgefunden?<br />
Benny: Grundlegend sind Musical Madness und<br />
das Proton zwei unterschiedliche Projekte. Bei<br />
Musical Madness haben wir alles runtergefahren<br />
und konnten keine Events veranstalten. Dadurch<br />
hatte ich Zeit, mich zusammen mit einem neuen<br />
Team um den Umbau und die Konzeptentwicklung<br />
im Proton zu kümmern. Wir haben uns für<br />
die Renovierung verschiedener Bereiche entschieden.<br />
Dazu gehört die VIP-Lounge, das DJ-Pult und<br />
der Backstage-Bereich der Artists. Außerdem<br />
haben wir die Licht- und Tonanlage erweitert.<br />
Eine besondere Neuerung sind die Schließfächer,<br />
die das kontaktlose Abgeben von Jacken und<br />
Wertsachen ermöglichen. Dadurch gibt es keine<br />
Wartezeiten mehr an der Garderobe wie früher.<br />
mediakompakt: Wie viel Geld hat die Renovierung<br />
gekostet?<br />
Benny: Über Geld spricht man bekanntlich nicht.<br />
Aber schon verrückt, was so ein Umbau kosten<br />
kann ...<br />
mediakompakt: Wie sah die Lockdown-Zeit aus?<br />
Benny: Fassungslosigkeit. Akzeptanz. Hoffnung.<br />
Enttäuschung. Auf den Punkt gebracht: Die Zeit<br />
war und ist eine Achterbahn der Gefühle. Als klar
01/ 2022 WHY? 7<br />
war, dass unser Unternehmen Hilfen in Anspruch<br />
nehmen kann, war zumindest die wirtschaftliche<br />
Unsicherheit geklärt. Wir haben viele interne<br />
Prozesse optimiert und an neuen Eventkonzepten<br />
gearbeitet. Das Ende der Pandemie ist leider noch<br />
nicht in Sicht. Deshalb müssen wir bei der<br />
Planung von Events immer noch auf Sicht fahren.<br />
mediakompakt: Für Feierwütige, die noch nie im<br />
Proton waren: Wie viele Floors gibt es? Gibt es eine<br />
VIP- oder Chillout-Area?<br />
Benny: Das Proton hat einen Floor, der mit einer<br />
top Sound- und Lichtanlage ausgestattet ist. Der<br />
zweite Floor musste durch den Umbau weichen.<br />
Dort befinden sich jetzt unsere Schließfächer.<br />
Hier können die Gäste ihre Jacken und/oder Wertsachen<br />
einschließen. Außerdem haben wir einen<br />
VIP-Bereich auf dem Balkon und einen VIP-<br />
Bereich auf der Tanzfläche.<br />
mediakompakt: Im Oktober 2021 das lang ersehnte<br />
Re-Opening. Für viele war es der erste Clubbesuch<br />
nach anderthalb Jahren. Wie war der Abend?<br />
Benny: Nach der langen Zeit waren wir alle sehr<br />
gespannt auf den Opening-Monat. Bisher sind wir<br />
sehr zufrieden. Auch von unseren Gästen haben<br />
wir viel positives Feedback erhalten.<br />
mediakompakt: Du hast auch das Genre im Proton<br />
angepasst. Auf welchen Musikstil können sich<br />
Besucher*Innen freuen?<br />
Benny: Das Proton steht für elektronische Musik.<br />
Frei nach dem Motto „Electronic Playground“<br />
sind hier alle elektronischen Subgenres zu Hause.<br />
Von House über Techno bis hin zu Hardstyle.<br />
mediakompakt: Du bist für das Booking der Artists<br />
zuständig. Wie lang dauert so ein Prozess von der<br />
Anfrage bis zum finalen Line-Up?<br />
Benny: Sehr unterschiedlich. Bei bekannten Agenturen<br />
und Künstlern ist sowas eigentlich recht<br />
schnell eingetütet. Buche ich Acts von Agenturen,<br />
mit denen ich in der Vergangenheit noch nicht<br />
zusammengearbeitet hatte, kann sich das schon<br />
etwas länger ziehen. Die Verhandlungen sind<br />
meist zäher. Eine weitere Herausforderung ist der<br />
internationale Tour-Kalender von gefragten Acts.<br />
Dadurch ist es manchmal schwierig, einen<br />
Termin zu finden, der nicht mit anderen Konkurrenzevents<br />
in der Umgebung kollidiert.<br />
mediakompakt: Wenn du deine/n Lieblingskünstler*In<br />
buchen könntest, wen würdest du wählen?<br />
Benny: Ich bin ein großer Fan von Eric Prydz. Aktuell<br />
bin ich in Verhandlungen, eine Show mit ihm<br />
zu planen. Das ist ein großer Traum von mir. Erics<br />
Musik verfolge ich seit 15 Jahren und ich bin immer<br />
wieder fasziniert, wie er es jedes Mal aufs<br />
Neue schafft, mich sprachlos zu machen.<br />
mediakompakt: Du pflegst eine jahrelange persönliche<br />
Beziehung zum Proton, hier hat 2004 deine<br />
musikalische Karriere begonnen. Was ist in der<br />
Zwischenzeit passiert?<br />
Benny: Tatsächlich habe ich 2001 das erste Mal im<br />
Proton gespielt. Ab 2004 war ich dann für ungefähr<br />
zwei Jahre Resident-DJ dort. Im Jahr 2006<br />
habe ich Musical Madness gegründet. Mittlerwei-<br />
le veranstalten wir Events mit bis zu 10.000 Besuchern<br />
in ganz Deutschland. Schon verrückt, wenn<br />
man sich überlegt, wie alles mit 50 Gästen im Four<br />
Runners Club im Jahr 2006 begann.<br />
mediakompakt: Du bist seit 20 Jahren im Nightlife<br />
Entertainment unterwegs. Was sind die größten<br />
Unterschiede zwischen den Nuller-Jahren und<br />
heute?<br />
Benny: Trends sind deutlich schnelllebiger geworden.<br />
Heute können sie quasi über Nacht entstehen<br />
und genauso schnell wieder verschwinden.<br />
Heute in. Morgen out. Zudem hat Social Media<br />
einen Stellenwert wie nie zu vor. Ohne ausgereiftes<br />
Konzept, hat man keine Chance gesehen oder<br />
gehört zu werden.<br />
mediakompakt: Wo geht die Reise hin? Was dürfen<br />
Besucher*Innen im Proton erwarten?<br />
Benny: Wir haben für die nächsten Monate einige<br />
hochkarätige nationale und internationale<br />
Bookings geplant. Aktuell sind wir etwas zögerlich<br />
was Bookings angeht, da wir nicht wissen, wie<br />
sich die Pandemie entwickelt. Wir hoffen jedoch,<br />
dass das gemeinsame und unbeschwerte Feiern<br />
bald wieder in vollem Umfang möglich sein wird.<br />
mediakompakt: Bist du ein mutiger Mensch?<br />
Benny: Ich glaube, ohne Mut wäre ich heute nicht<br />
da, wo ich jetzt bin. Nicht immer wurde mein Mut<br />
belohnt, aber so ist das Leben eben. You win,<br />
you lose.<br />
Über: Benjamin Reichert<br />
Alter: 36<br />
Tätigkeit: Gründer und CEO Musical<br />
Madness GmbH, Booker Proton The Club<br />
Essen: Zwiebelrostbraten mit Spätzle<br />
Lieblingsfilm: In China essen sie Hunde<br />
www.protontheclub.de<br />
www.musical-madness.de<br />
Fotos: Luisa Art
8 WHY?<br />
mediakompakt<br />
Bild: dpa<br />
Eine Frage des Vertrauens?<br />
Stellt uneingeschränkte Toleranz eine Gefahr für die Demokratie dar? Warum Menschen sich nicht<br />
auf die Polizei verlassen und auch mal zu militanten Mitteln greifen: Eine Standortbestimmung.<br />
VON NATASA SIPKA<br />
November 2020: Die Leipziger<br />
Studentin Lina E. wurde verhaftet.<br />
Der Vorwurf der Bundesanwaltschaft:<br />
Sie soll mit drei Mitbeschuldigten<br />
eine kriminelle Vereinigung<br />
gebildet und sich an Angriffen auf Rechtsextreme<br />
beteiligt haben. Seitdem sitzt sie in der Justizvollzugsanstalt<br />
Chemnitz in Untersuchungshaft, der<br />
Prozess ist bis März dieses Jahres angesetzt.<br />
In derselben JVA ist Beate Zschäpe inhaftiert,<br />
Mitglied der rechtsradikalen Terrorgruppe NSU.<br />
Verurteilt für die Mitverantwortung an zehn Morden<br />
sowie für zahlreiche Sprengstoffanschläge.<br />
Das Magazin „Focus“ druckte im April des vergangenen<br />
Jahres einen Artikel ab, der Lina E. mit<br />
Zschäpe vergleicht. Darin heißt es, E. sei „laut Behörden<br />
eine der gefährlichsten Linksextremistinnen<br />
Deutschlands“.<br />
Das Solidaritätskomitee „Free Lina“ fordert ihre<br />
Freilassung und kritisiert die Berichterstattung.<br />
So heißt es auf deren Website: „Ein solcher Vergleich<br />
zwischen vermeintlich linker Gewalt und<br />
rechtem Terror beinhaltet eine erschreckende<br />
Bagatellisierung des rechten Terrors, der in den<br />
letzten Jahren in Deutschland zu beobachten war.<br />
Er entspricht jedoch der sogenannten Hufeisentheorie,<br />
die eine Gleichsetzung von links und<br />
rechts beinhaltet und offensichtlich noch immer<br />
wirkmächtig in Teilen der medialen Berichterstattung<br />
ist.“<br />
Warum die Gleichsetzung von links und<br />
rechts problematisch und schlicht falsch ist, ist<br />
leicht zu verstehen: Gemeinsamkeiten gibt es<br />
allenfalls, was die Kritik am Kapitalismus angeht.<br />
Doch die Unterschiede sind tiefgreifender. Rechte<br />
Gewalt entspringt einem menschenverachtenden<br />
Weltbild und gipfelt in brutalster Weise in Mordanschlägen.<br />
Das geht aus Zahlen der Amadeu-<br />
Antonio-Stiftung hervor, benannt nach einem<br />
der ersten Todesopfer von Neonazis im wiedervereinigten<br />
Deutschland. Ziel der Stiftung ist die<br />
Stärkung einer demokratischen Zivilgesellschaft,<br />
die konsequent gegen Rassismus und Antisemitismus<br />
vorgeht. Die Stiftung zählt seit der deutschen<br />
Wiedervereinigung 206 Todesopfer rechter Gewalt<br />
sowie 13 weitere Verdachtsfälle.<br />
Rechte Ideologien fantasieren Verschwörungen<br />
gegen das deutsche Volk herbei und fordern<br />
die Unterdrückung, Vertreibung und den Tod von<br />
Menschen. Linke Gewalt wendet sich jedoch<br />
gegen jene Formen der Ausgrenzung und Bedrohung.<br />
Ziel ist es, die Aufmerksamkeit von Politik<br />
und Behörden auf die Missstände und Gefahren<br />
zu lenken. In den allermeisten Fällen wird Gewalt<br />
nur gegen Gegenstände eingesetzt, wie beispielsweise<br />
immer wieder bei Demonstrationen und<br />
Protestaktionen zu beobachten.<br />
Und dennoch ist die Kritik an linker Militanz<br />
ein beliebtes Werkzeug in Politik und Medien, um<br />
Ängste und Vorurteile gegen linke Bündnisse zu<br />
schüren und staatliche Repression an Menschen<br />
wie Lina E. zu rechtfertigen.<br />
So verurteilt die sogenannte “bürgerliche Mitte”<br />
es gnadenlos, wenn Linke Häuser besetzen um<br />
gegen den Notstand auf dem Wohnungsmarkt zu<br />
protestieren, während zeitgleich gewaltbereite<br />
Rechte unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit<br />
toleriert werden. Wie im Oktober 2021 auf<br />
der Frankfurter Buchmesse: Die Schwarze Autorin<br />
Jasmina Kuhnke musste ihren Auftritt absagen,<br />
weil sie sich durch die Präsenz des rechtsextremen<br />
Verlags „Jungeuropa“ bedroht sah.<br />
Wie gefährlich Toleranz nach rechts sein<br />
kann, beschrieb der Philosoph Karl Popper schon<br />
1945 in seinem Werk „Die offene Gesellschaft<br />
und ihre Feinde” als Reaktion auf den Nationalsozialismus.<br />
Seine Botschaft: „Wenn wir die unbeschränkte<br />
Toleranz auf die Intoleranten ausdehnen,<br />
wenn wir nicht bereit sind, eine tolerante<br />
Gesellschaftsordnung gegen die Angriffe der Intoleranz<br />
zu verteidigen, dann werden die Toleranten<br />
vernichtet werden und die Toleranz mit<br />
ihnen.“<br />
Prozesse wie der gegen Lina E. zeigen, dass sich<br />
der Staat eher auf die Verfolgung derer konzentriert,<br />
die eine tolerante Gesellschaft zu verteidigen<br />
versuchen, statt auf die dafür ursächliche Gewalt:<br />
menschenverachtende Ideologien und Verschwörungsmythen<br />
von rechts.<br />
Als der NSU aufflog, war das nicht den Behörden<br />
zu verdanken – er enttarnte sich selbst, nach<br />
dem die Polizei Opfer der Attentate nicht<br />
geschützt hatte, Angehörige der Opfer verdächtigt<br />
und jahrelang in die falsche Richtung ermittelt<br />
hatte. Dass immer wieder rechte Chatgruppen in<br />
der Polizei oder in der Bundeswehr aufgedeckt<br />
werden, zeigt eindeutig, dass die Aufarbeitung<br />
und Bekämpfung rechter Strukturen bei staatlichen<br />
Behörden einen langen Weg vor sich hat.
01/ 2022 WHY? 9<br />
(she/he/they) Was?<br />
In sozialen Netzwerken sind auf vielen Profilen Pronomen in<br />
Klammern hinter dem Namen zu sehen, etwa bei der Autorin<br />
Tupoka Ogette (she/her). Dadurch soll die Verwendung falscher<br />
Pronomen vermieden werden. Aber warum ist das wichtig?<br />
VON FRANZISKA DÖTTLING (SIE/IHR)<br />
Bild: Unsplash<br />
Triggerwarnung: In diesem Text wird von<br />
Misgendern und dessen emotionalen Folgen<br />
geschrieben. Die deutsche Sprache<br />
ist voller Geschlechtszuweisungen.<br />
Zwar wird immer häufiger gegendert,<br />
zum Beispiel werden Studenten zu Studierenden<br />
oder Forscher zu Forscher:Innen. Aber auch durch<br />
die Nutzung von Personalpronomen, wie sie/ihr<br />
und er/ihm, wird ein Geschlecht zugewiesen.<br />
Neben Eigennamen sind Pronomen die<br />
gängigste Art, wie Menschen sich aufeinander<br />
beziehen. Oft wird davon ausgegangen, dass man<br />
aufgrund des Aussehens weiß, mit welchem Pronomen<br />
eine andere Person angesprochen werden<br />
möchte. Dies ist jedoch nicht immer zutreffend:<br />
„Allein anhand von Äußerlichkeiten kann man<br />
nicht festlegen, wie die Person sich wahrnimmt“,<br />
sagt Joshy (er/sie), eine genderfluide Person. Joshy<br />
trägt beispielsweise Röcke, möchte aber nur allein<br />
deshalb nicht als Frau wahrgenommen werden.<br />
Was ist Misgendern?<br />
Wenn eine Person von ihrem Umfeld mit falschem<br />
Pronomen angesprochen und dadurch<br />
dem falschen Geschlecht zugeordnet wird, wird es<br />
als „Misgendern“ bezeichnet. Natürlich kann das<br />
unabsichtlich passieren. Auch wenn es nicht böse<br />
gemeint ist, kann das für die Betroffene verletzend<br />
sein. Zudem können sie in Geschlechterrollen gedrängt<br />
werden, in denen sie sich unwohl fühlen.<br />
Nicht-binäre Personen sind häufig von<br />
Misgendern betroffen. Auch Lee (they/them, er/<br />
ihm) kennt das: „Wenn die Personen nicht<br />
respektieren, wie ich gern angesprochen werden<br />
möchte, weil meine äußere Erscheinung nicht zu<br />
meinen Pronomen passt oder weil man mich auf<br />
das biologische Geschlecht reduziert, dann ist das<br />
für mich wie eine Ohrfeige.“<br />
Was sind deine Pronomen?<br />
Um Misgendern vorzubeugen, gibt es einfache<br />
Wege. Entweder du fragst eine Person direkt beim<br />
Kennenlernen: Was sind deine Pronomen? Oder:<br />
Mit welchen Pronomen möchtest du angesprochen<br />
werden? Dabei ist es wichtig, nicht nur Menschen<br />
zu fragen, bei denen du unsicher bist, welches<br />
Geschlecht sie haben. Denn das kannst du einer<br />
Person nicht einfach ansehen. Das ist auch<br />
Lee besonders wichtig: „Wenn man alle gleich<br />
nach ihren Pronomen fragt, muss sich niemand<br />
ausgegrenzt fühlen.“ So werde Normalität um die<br />
Frage geschaffen.<br />
Solltest du dich mit der Frage unwohl fühlen oder<br />
befürchtest, dadurch Druck bei deinem Gegenüber<br />
aufzubauen, gibt es eine weitere Möglichkeit.<br />
Du kannst dich selbst mit deinen Pronomen<br />
vorstellen. So haben andere die Möglichkeit, dies<br />
in einer offenen und respektvollen Umgebung<br />
ebenso zu tun.<br />
Wenn du unabsichtlich ein falsches Pronomen<br />
benutzt hast, kannst du dich ehrlich, aber<br />
unaufgeregt, entschuldigen und anschließend das<br />
richtige verwenden. Angst vor Fehlern sollten<br />
niemanden davon abhalten, sich mit dem Thema<br />
auseinanderzusetzen.<br />
Durch das Eintragen der Pronomen in die<br />
Biographie eines sozialen Netzwerkes geht man<br />
bereits einen Schritt in Richtung Anerkennung<br />
geschlechtlicher Vielfalt und gleichberechtigtem<br />
Miteinander. Auch das Fragen nach Pronomen<br />
trägt hierzu bei. Diese Grundsätze des Zusammenlebens<br />
können wir so in unsere Sprache übertragen,<br />
welche unsere Realität maßgeblich prägt.<br />
Gender Identity<br />
cis = Personen, deren Geschlechtsidentität<br />
übereinstimmt mit ihrem im Geburtenregister<br />
eingetragenen Geschlecht<br />
trans = Menschen, deren Geschlechtsidentität<br />
nicht übereinstimmt mit ihrem im Geburtenregister<br />
eingetragenen Geschlecht<br />
inter = Menschen, die sowohl mit männlich<br />
als auch weiblich gelesenen Geschlechtsmerkmalen<br />
geboren wurden.<br />
genderfluid = Personen, die sich nicht mit einem<br />
festgelegten Geschlecht identifizieren,<br />
sondern ihre Geschlechtsidentifizierung im<br />
Laufe der Zeit immer wieder ändern.<br />
binär = Binär steht für zweiteilig und reduziert<br />
auf nur zwei Geschlechter: männlich und<br />
weiblich.<br />
nicht-binär = Menschen, die sich nicht (oder<br />
nicht zu 100 Prozent) als Mann/Frau identifizieren,<br />
sondern zum Beispiel als beides<br />
gleichzeitig, zwischen männlich und weiblich<br />
oder als weder männlich noch weiblich.<br />
agender = Personen, die sich keinem<br />
Geschlecht zuordnen, sondern sich mehr als<br />
Individuum und nicht als ein bestimmtes<br />
Geschlecht identifizieren.
10 WHY?<br />
mediakompakt<br />
Bilder: Unsplash<br />
Die Psychologie hinter Fake News<br />
Maren Urner ist Neurowissenschaftlerin,<br />
Professorin für<br />
Medienpsychologie und Bestsellerautorin.<br />
Im Interview<br />
beleuchtet sie die psychologischen<br />
Hintergründe von Fake<br />
News und erklärt, warum<br />
wir lieber Lügen glauben<br />
als Fakten.<br />
VON LISA BRETTSCHNEIDER<br />
UND LAURA BRÖSAMLE<br />
Mediakompakt: Warum glauben und<br />
verbreiten Menschen Falschnachrichten,<br />
auch wenn es gesicherte<br />
Fakten und Statistiken<br />
gibt?<br />
Maren Urner: Der wichtigste Grund ist, dass unser<br />
Gehirn kein objektiver Informationsverarbeiter<br />
oder ein Computer ist, wo wir eine „Löschen-“<br />
und „Speichern“-Taste drücken können, unabhängig<br />
von dem, was bisher vorher passiert ist.<br />
Wir haben vielmehr eine Art psychologisches<br />
Immunsystem und in diesem sorgt zum Beispiel<br />
der sogenannte Bestätigungsfehler – auch Confirmation<br />
Bias genannt – dafür, dass wir Dinge eher<br />
in unser Weltbild aufnehmen, wenn sie unseren<br />
bisherigen Ansichten entsprechen. Zum Beispiel<br />
glauben und vertrauen wir Menschen eher, wenn<br />
sie die gleichen Überzeugungen haben wie wir.<br />
mediakompakt: Sind manche Menschen anfälliger<br />
für Fake News?<br />
Maren Urner: Ja, das ist tatsächlich von verschiedenen<br />
Komponenten abhängig, zum Beispiel in welcher<br />
Lage wir uns befinden. Wenn wir in Situationen<br />
sind, in denen wir gestresst und unsicher<br />
sind, dann tendieren wir eher dazu, Fake News zu<br />
glauben. Gerade in Zeiten einer weltweiten Pandemie<br />
kann es dafür eine Hochzeit geben. Wenn<br />
sehr viele Menschen in der Bevölkerung unsicher<br />
sind und ein Gefühl des Kontrollverlustes haben,<br />
dann kann das dazu führen, dass Fake News und<br />
Verschwörungserzählungen ein sehr viel leichteres<br />
Einfallstor haben. Weil wir uns, beziehungsweise<br />
unser Gehirn, noch mehr nach Sicherheit<br />
und einfachen Erklärungen sehnen. Und es hat<br />
natürlich auch ein Stück weit etwas mit Bildung<br />
zu tun, gerade auch was Medienkompetenz anbelangt.<br />
mediakompakt: Wie verarbeitet unser Gehirn Nachrichten?<br />
Wie wählt es Nachrichten aus, denen es<br />
vertraut?<br />
Maren Urner: Das Gehirn hat die zentrale Aufgabe,<br />
den Organismus, in dem es steckt, am Leben zu erhalten.<br />
Der erste wichtige Faktor, der eine ganz<br />
große Rolle dabei spielt, wie das Gehirn Wissen<br />
einordnet, ist Negativität. Also wenn das Gehirn<br />
versucht, uns am Leben zu erhalten, ist es gut beraten,<br />
möglichst intensiv auf alles zu reagieren,<br />
was negativ ist und so potenzielle Gefahren bildet.<br />
Das sehen wir zum Beispiel an Studien, bei denen<br />
Menschen negative, positive und neutrale<br />
Wörter gezeigt bekommen. Die negativen wie<br />
„Krieg“ und „Krise“ werden sehr viel schneller, intensiver<br />
und besser verarbeitet als die positiven<br />
und neutralen. Unser Körper reagiert also intensiver,<br />
wenn es sich um negative Worte handelt. Das<br />
geht so weit, dass, auch wenn die semantische
01/ 2022 WHY? 11<br />
Bedeutung noch nicht klar da ist, wir bereits wissen,<br />
dass es etwas Negatives ist und in einen<br />
Alarmmodus gehen sollten.<br />
mediakompakt: Und der zweite Aspekt?<br />
Maren Urner: Da sind wir bei den Stichworten<br />
Alarmmodus, Stress. Die Auswahl vertrauenswürdiger<br />
Nachrichten erfolgt auch aufgrund von Relevanz.<br />
Die Relevanz wird nicht nur nach Negativität,<br />
sondern auch nach Betroffenheit ausgewählt.<br />
Also etwa zeitliche, räumliche und soziale<br />
Nähe. Geschieht etwas direkt vor meiner Haustür<br />
und betrifft es mich oder Menschen, die mir wichtig<br />
sind, schenkt das Gehirn dem deutlich mehr<br />
Aufmerksamkeit.<br />
mediakompakt: Spielen Emotionen ebenfalls eine<br />
Rolle bei der Entscheidung, ob unser Gehirn<br />
Nachrichten für glaubhaft hält?<br />
Maren Urner: Das ist die dritte Komponente, die<br />
Emotionalität. Je emotionaler eine Nachricht<br />
oder eine Information ist, desto stärker und intensiver<br />
wird sie verarbeitet und gespeichert. Die<br />
emotionalsten Überschriften, das sind die, die am<br />
meisten geklickt werden, weil das Gehirn da<br />
schneller und intensiver reagiert. Im Gehirn aktivieren<br />
sich dabei die entsprechenden Bereiche,<br />
die für die emotionale Verarbeitung zuständig<br />
sind.<br />
mediakompakt: Was hat die Häufigkeit, mit der wir<br />
mit Fake News konfrontiert werden, damit zu tun,<br />
ob wir diese Nachrichten glauben?<br />
Maren Urner: Sehr, sehr viel. Einer der stärksten<br />
Lernmechanismen unseres Gehirns ist über Wiederholung.<br />
Das bedeutet, je häufiger wir etwas hören,<br />
sehen und wahrnehmen, umso stärker speichern<br />
wir es ab. Und bei Fake News ist das besonders<br />
gefährlich. Hören wir etwas in den unterschiedlichsten<br />
Rahmenbedingungen von den unterschiedlichsten<br />
Menschen und von verschiedenen<br />
Quellen immer wieder, fängt das Gehirn irgendwann<br />
an zu zweifeln, selbst wenn wir auf kognitiver<br />
Ebene wissen, dass dies Quatsch ist. Und<br />
irgendwann, so nach dem x-ten Mal, schleicht<br />
sich dieses Gefühl ein: Moment mal, wenn das so<br />
viele Menschen sagen, denken, verbreiten – vielleicht<br />
ist da doch was dran. Das ist natürlich das<br />
Perfide am Internet. Bewegen sich Menschen nur<br />
noch in einem medialen Umfeld, in dem Fake<br />
News rauf und runter wiederholt werden, gerät<br />
die gemeinsame Faktengrundlage einer Gesellschaft<br />
in Gefahr. Das Hirn lernt über die Wiederholung<br />
der faktisch falschen Aussagen und möglicherweise<br />
Verschwörungserzählungen. Nach dem<br />
Motto: Ah, okay, das ist also die vermeintlich richtige<br />
Welt.<br />
mediakompakt: Wie können wir diese psychologischen<br />
und neurowissenschaftlichen Erkenntnisse<br />
nutzen, um Fake News zu bekämpfen?<br />
Maren Urner: Wenn beispielsweise in einer Überschrift<br />
die Fake News wörtlich aufgeführt wird,<br />
dann sorgt das automatisch für „Ah, einmal mehr<br />
gehört“ und wird von den Menschen abgespeichert.<br />
Auch weil Menschen gerade im Internet<br />
häufig nur die Überschrift wahrnehmen. Die sehr<br />
viel bessere Praxis besteht darin, in der Überschrift<br />
den Fake-Inhalt nicht zu reproduzieren. Im<br />
eigentlichen Artikel oder Beitrag kann der falsche<br />
Inhalt genannt und richtiggestellt werden. Die<br />
Kennzeichnung der Nachrichten als Fake News,<br />
also quasi eine Warnung, hilft tatsächlich auch.<br />
Wir können alle den richtigen Umgang mit (digitalen)<br />
Medien lernen, zwischen wahr und falsch<br />
zu unterscheiden und erkennen, ob etwas angemessen<br />
recherchiert und journalistisch gut gearbeitet<br />
ist. So durchschauen wir Fake News und<br />
Verschwörungsgeschichten.<br />
mediakompakt: Heißt das, dass wir weniger anfällig<br />
für Fake News sind, wenn wir wissen, wie sie funktionieren?<br />
Maren Urner: Weniger anfällig nicht unbedingt,<br />
weil wir alle die Tendenz in uns haben, Fake News<br />
zu glauben. Das ist abhängig von bestimmten soziodemografischen<br />
und bestimmten situativen<br />
Komponenten, wie schon erwähnt. Wir können<br />
aber trainieren, Fake News zu erkennen. Der Bildungsauftrag<br />
und die journalistische Praxis spielen<br />
hier eine große Rolle. In Finnland ist kritisches<br />
Denken im gesamten Lehrplan mit eingebaut.<br />
Schülerinnen und Schüler lernen zum Beispiel,<br />
wie sie eine gute historische Quelle von der<br />
schlechten unterscheiden, also auch das Erkennen<br />
von Fake News. Das hat dazu geführt, dass<br />
Finnland Spitzenreiter im internationalen Ranking<br />
der Media Literacy, sprich Medienkompetenz<br />
ist. Wir können das also lernen. Deshalb ist es<br />
so wichtig, dass in den unterschiedlichen gesellschaftlichen<br />
Bereichen, in der Bildung, im Journalismus,<br />
ebenso in Unternehmen und in der Politik<br />
Medienkompetenzen vermittelt werden. Damit<br />
wir besser darin werden, Fake News von Nicht<br />
Fake News zu unterscheiden.<br />
Prof. Dr. Maren Urner<br />
Prof. Dr. Maren Urner studierte Kognitionsund<br />
Neurowissenschaften und wurde am<br />
University College London promoviert. 2016<br />
gründete sie das erste werbefreie Online-Magazin<br />
„Perspective Daily“ für Konstruktiven<br />
Journalismus mit. Sie leitete die Redaktion bis<br />
März 2019 als Chefredakteurin und war Geschäftsführerin.<br />
Ihre beiden Bücher „Schluss<br />
mit dem täglichen Weltuntergang“ (Droemer<br />
2019) und „Raus aus der ewigen Dauerkrise“<br />
(Droemer 2021) sind SPIEGEL-Bestseller.<br />
Bild: Lea Franke
12 WHY?<br />
mediakompakt<br />
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01/ 2022 WHY?<br />
13<br />
Heute schon<br />
was verpasst?<br />
Konzentrationsschwierigkeiten und Selbstzweifel.<br />
Das können Folgen von FOMO sein. Was verbirgt<br />
sich hinter dem Phänomen? Und warum ist es<br />
heutzutage so weitverbreitet?<br />
VON GIULIA CANTATORE<br />
Bild: Unsplash<br />
Die Freundin postet ein Foto vom Urlaub<br />
auf Mallorca, ein Bekannter ein<br />
Video vom lustigen Spieleabend mit<br />
Kolleg:innen. Wir selbst sitzen im<br />
Pyjama auf der Couch und scrollen<br />
durch den Instagram-Feed. Obwohl wir uns auf einen<br />
gemütlichen Freitagabend zu Hause gefreut<br />
haben, schleicht sich das Gefühl ein, ein viel langweiligeres<br />
Leben als alle anderen zu führen. Sollten<br />
wir nicht auch unterwegs sein und Spaß<br />
haben? Was ist, wenn wir den Gesprächen der<br />
Kolleg:innen am Montag nicht folgen können?<br />
Wem diese Gedanken bekannt vorkommen,<br />
könnte unter FOMO leiden.<br />
FOMO steht kurz für Fear Of Missing Out. Die<br />
Angst, spannende Ereignisse zu verpassen. Oft<br />
verspüren wir diese, wenn wir nicht an realen<br />
sozialen Anlässen teilnehmen können. Beispielsweise<br />
der Geburtstag eines Freundes. Diese Angst<br />
wird durch die sozialen Medien noch verstärkt.<br />
Wir möchten immer auf dem Laufenden bleiben<br />
und keine Nachrichten verpassen. Hinzu kommen<br />
die vielen Möglichkeiten, die wir haben und<br />
die Angst, die falsche Entscheidung zu treffen.<br />
Haben wir das richtige Studium, den richtigen<br />
Job, den richtigen Partner oder die richtige Partnerin<br />
gewählt? Oder kommt womöglich noch<br />
eine bessere Option?<br />
FOMO kann jeden treffen. Unabhängig von<br />
Alter oder Persönlichkeitstyp. Jedoch leiden Menschen,<br />
die ein hohes Bedürfnis verspüren, sich mit<br />
anderen zu vergleichen und unzufrieden mit<br />
ihrem Leben sind, häufiger darunter. Außerdem<br />
betrifft die Angst vor allem Menschen mit einer<br />
hohen Social-Media-Nutzung. In Deutschland<br />
haben laut einer Umfrage des Bundesverbands<br />
Digitale Wirtschaft im Jahr 2019 die 14– bis<br />
24-Jährigen die längste Nutzungsdauer von sozialen<br />
Medien.<br />
Doch wie beeinflussen sich die Fear Of Missing<br />
Out und Social Media? Durch Plattformen wie<br />
Instagram, Facebook und Snapchat werden wir<br />
permanent damit konfrontiert, was andere gerade<br />
erleben. Ohne zeitliche und inhaltliche Grenzen.<br />
Der Feed, durch den wir scrollen, ist endlos.<br />
Neuigkeiten werden wieder und wieder aktualisiert.<br />
Wir sehen vermeintlich perfekte Bilder und<br />
Situationen, in denen andere Menschen Spaß<br />
haben. Ohne uns. Und wir vergleichen diese mit<br />
unserer eigenen Lebenssituation.<br />
Dabei wird vergessen, dass die Bilder nur<br />
Ausschnitte des Lebens sind und nicht die Realität<br />
widerspiegeln. Soziale Medien bieten mehr Möglichkeiten:<br />
Schauen wir das neue Video unseres<br />
Lieblings-YouTubers? Oder hören wir lieber den<br />
aktuellen Podcast, von dem alle reden? Wer Angst<br />
hat, etwas zu verpassen, greift häufiger zum<br />
Smartphone, um sich in den sozialen Medien<br />
anderen Menschen näher zu fühlen. Dabei<br />
bewirkt es oft genau das Gegenteil: Wir fühlen uns<br />
ausgegrenzt.<br />
Tim, 24, studiert Wirtschaftsinformatik an der<br />
Hochschule der Medien. Er verspürt FOMO häufig<br />
in Situationen, in denen er abends nicht mit seinen<br />
Freunden unterwegs sein kann, weil er eine<br />
Abgabe vorbereiten muss. „Ich merke, wie ich,<br />
ohne es zu merken, zum Handy greife, um zu<br />
schauen, was in der Welt passiert.“ Damit ist er<br />
nicht allein. Forschende der Universitäten Carleton<br />
und McGill untersuchten 2018 die Erfahrungen<br />
von Studierenden mit FOMO. Sie fanden<br />
heraus, dass die Angst vor allem abends, am<br />
Wochenende und während des Arbeitens oder<br />
Lernens aufkam. Folgen: Müdigkeit, Stress und<br />
weniger Schlaf. Der permanente Vergleich mit anderen<br />
kann aber durchaus zu Selbstzweifeln und<br />
depressiven Verstimmungen führen.<br />
So kannst Du<br />
die FOMO mindern:<br />
1. Reflektiere Deine Social Media Nutzung.<br />
Beobachte, wie oft und wie lange Du täglich<br />
zum Smartphone greifst. Setze Dir mit offline<br />
Zeiten eine künstliche Grenze von außen. Entfolge<br />
Accounts, die Dir nicht guttun.<br />
2. Konzentriere Dich auf das Hier und Jetzt,<br />
statt Dich mit anderen Menschen zu vergleichen.<br />
Dabei können Meditation und Dankbarkeitsübungen<br />
helfen.<br />
3. Nimm Dir Zeit für Freunde und Familie im<br />
realen Leben. Lege Dein Smartphone dabei<br />
zur Seite.<br />
4. Probiere es mal mit JOMO (Joy Of Missing<br />
Out). Habe Freude daran, etwas zu verpassen.<br />
Vergiss nicht, dass unangenehme Erfahrungen,<br />
wie der Kater am Tag nach der Party,<br />
meistens nicht in den sozialen Medien geteilt<br />
werden.
14 WHY?<br />
mediakompakt<br />
Bild: Pixabay<br />
Du tust mir gut!<br />
Wir und das Tier: Sie begrüßen uns, wenn sie uns sehen, sind kritiklose Zuhörer und leisten Gesellschaft<br />
im Alltag. Sie sind Freunde und Therapeuten, die positive Auswirkungen auf unsere Gesundheit<br />
und das Wohlbefinden haben.<br />
VON VIVIEN MÜLLER<br />
Dass Menschen gerne Haustiere um<br />
sich haben, ist kein Geheimnis.<br />
Allein im Jahr 2020 lebten 34,9 Millionen<br />
Haustiere in Deutschlands<br />
privaten Haushalten. Egal ob Hund,<br />
Katze, Kaninchen oder doch etwas ganz Anderes –<br />
es scheint, als spüren wir, dass uns das Zusammensein<br />
mit den Tieren gut tut. Aber ist da wirklich<br />
etwas dran? Tatsächlich gibt es mittlerweile<br />
zahlreiche Studien, die den positiven Einfluss von<br />
Tieren auf Menschen belegen.<br />
Der Forschungskreis Heimtiere in der Gesellschaft<br />
aus Bremen (www.mensch-heimtier.de)<br />
beschäftigt sich seit 1988 intensiv mit den sozialen<br />
Beziehungen zwischen Menschen und Heimtieren.<br />
Die Ergebnisse der Studien werden in Broschüren<br />
zusammengefasst und auf Anfrage an<br />
Interessierte verschickt.<br />
Einfluss auf Gesundheit und Stimmung<br />
Ob Menschen mit Tieren glücklicher sind, ist<br />
schwer festzustellen, da man Glück nicht messen<br />
kann. „Aber sie sind gesünder, haben zum Beispiel<br />
weniger Schlafstörungen oder kardiovaskuläre<br />
Probleme, machen weniger Arztbesuche, und das<br />
ist signifikant durch Heimtierbesitz beeinflusst“<br />
sagt Prof. Dr. Dr. Andrea Beetz, Diplom Psychologin<br />
von der IU Internationale Hochschule Bad<br />
Reichenhall. Dies wurde in groß angelegten Studien<br />
mit Tausenden Teilnehmern belegt. „Zudem<br />
wissen wir aus vielen Untersuchungen über Heimtierbesitz<br />
oder Effekte von Interaktionen mit Tieren<br />
in Experimenten oder Interventionsstudien,<br />
dass der Kontakt mit ihnen die Stimmung verbessern<br />
kann“, so Andrea Beetz. So würden negative<br />
Gefühle wie Angst, Schmerzen und physiologische<br />
Stressreaktionen verringert und unter anderem<br />
Interaktion und Konzentration gefördert.<br />
Heimtier oder Alpaka-Wanderung?<br />
Doch um welche Tiere handelt es sich dabei?<br />
Die Forschung bezieht sich aktuell in erster Linie<br />
auf Hund, Katze & Co. Ebenso sind über die Arbeit<br />
mit Pferden positive Effekte dokumentiert. Unter<br />
anderem werden sie zu Therapiezwecken bei Menschen<br />
mit Behinderung eingesetzt. „Allerdings<br />
lassen sich aus den zugrundeliegenden Mechanismen<br />
für die positiven Effekte auch Potenziale für<br />
andere Arten ableiten“, sagt die Professorin.<br />
Wichtig sei, dass es sich um domestizierte Tiere<br />
handelt. Das bedeutet, die Tiere wurden über<br />
Generationen von der Wildform genetisch isoliert<br />
und mit Menschen sozialisiert. „Dann lässt sich<br />
gut ableiten, dass auch das Streicheln von Hühnern,<br />
Führen von Eseln oder Alpakas zu Ruhe,<br />
Entspannung, Freude und einem besonderen Erlebnis<br />
beitragen.“<br />
Hunde für Schüler*Innen<br />
Aus diesen Gründen werden Tiere auch oft im<br />
Job und in Schulen eingesetzt. Vor allem bei<br />
Hunden in der Leseförderung zeigen die Studien,<br />
dass deren Einsatz hier sehr sinnvoll ist. „Hunde<br />
können durch ihre Anwesenheit Ruhe und Konzentration<br />
fördern, Stress verringern und die Freude<br />
am Lernen fördern“, begründet Beetz. Warum
01/ 2022 WHY?<br />
15<br />
gibt es dann noch so wenig Einsatz von Tieren in<br />
den Klassenzimmern? Laut Beetz mangele es an<br />
der Initiative einzelner Lehrkräfte, die ihr eigenes<br />
Tier in die Klasse mitbringen oder sich um das Tier<br />
kümmern müssen. „Zudem gibt es Bedenken wegen<br />
Hygiene, Allergien, Tierschutz, Organisation<br />
– und auch die Voraussetzungen, vor allem bei<br />
Schulhunden, sind bisher nicht einheitlich geregelt“<br />
ergänzt sie.<br />
Was haben die Tiere davon?<br />
Bei all den positiven Effekten, die unsere tierischen<br />
Begleiter auf uns haben können, stellt sich<br />
nun die Frage: Springt für sie etwas Positives dabei<br />
heraus? Laut Beetz berichten viele tiergestützte<br />
Therapien, dass die Tiere gern zur Arbeit gehen.<br />
„Das merkt man, wenn sie gerne ihr Arbeitsgeschirr<br />
anlegen lassen, auf einen Anhänger verladen<br />
werden und das gut mitmachen, oder wenn<br />
sie eben lieber nicht mitgehen würden“, erklärt<br />
Beetz. Tiere zeigen deutlich, ob sie etwas wollen<br />
oder nicht, daher sind in der Therapie immer die<br />
Bezugspersonen dabei. Herrchen oder Frauchen<br />
kennen ihre Schützlinge, wissen ihr Verhalten zu<br />
deuten und achten darauf, dass auch das Tier mit<br />
Spaß dabei ist.<br />
Die Beziehung zwischen Menschen und Tieren<br />
ist also eine ganz besondere. „Tiere füllen viele<br />
soziale Funktionen – vor allem aber die eines echten<br />
Sozialpartners“, sagt Beetz.<br />
Bild: Pixabay<br />
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16 WHY?<br />
mediakompakt<br />
Der Neugier auf der Spur<br />
Wenn draußen ein Polizeiwagen<br />
mit Blaulicht vorbeirast,<br />
wenn auf Whatsapp rumgeht,<br />
dass endlich die Noten draußen<br />
sind: Dann sind wir alle<br />
wahnsinnig neugierig. Aber<br />
was ist Neugierde eigentlich?<br />
Und warum brauchen wir<br />
sie überhaupt?<br />
VON SELINA ELLENBERGER<br />
Ein Leben lang begleitet uns der Entdeckerdrang:<br />
Bereits im Alter von wenigen<br />
Monaten beginnen Kleinkinder,<br />
ihre Umgebung und ihren Körper zu<br />
erkunden. Alles, was neu ist, ist spannend.<br />
Dieses sogenannte Neugier-Motiv haben<br />
Menschen laut Forschern von Geburt an. Es liegt<br />
einfach in den Genen, Neues wissen zu wollen.<br />
Der Duden beschreibt Neugier als „beherrscht<br />
sein von dem Wunsch, etwas Bestimmtes zu<br />
erfahren“.<br />
In der Psychologie wird dieses Verhalten als<br />
Instinkt und Kern der Motivation aufgefasst. Erst,<br />
wenn etwas unsere Neugier weckt, haben wir<br />
auch die Motivation, uns näher damit zu beschäftigen.<br />
Im Gehirn wird dann der Hippocampus<br />
aktiviert. Das ist die Region, die für die Verarbeitung<br />
neu gewonnener Erinnerungen zuständig<br />
ist. Deswegen fällt es in der Regel leichter, Informationen<br />
abzuspeichern, die wir interessant<br />
finden. Wird der Wissensdurst dann befriedigt,<br />
schüttet das Gehirn Dopamin aus.<br />
Dieses Antriebshormon entsteht im sogenannten<br />
Belohnungszentrum und vermittelt ein<br />
Gefühl von Erfolg. „Dopamin steht am Anfang<br />
einer molekularen Kaskade, die schließlich zu<br />
Zufriedenheit und sogar Euphorie führen kann“,<br />
sagt Andreas Heinz, der Suchtmediziner an der<br />
Charité in Berlin ist.<br />
Jetzt wissen wir, was Neugier ist und was im<br />
Körper passiert, wenn etwas interessant ist. Aber<br />
was bringt das im Alltag? Die meisten werden<br />
schon die Erfahrung gemacht haben, dass Dinge<br />
sich leichter lernen lassen, wenn sie einen interessieren.<br />
Im Rahmen einer Studie fanden kalifornische<br />
Forscher*innen aber heraus, dass Neugier<br />
zusätzlich dazu beitragen kann, sich langweilige,<br />
uninteressante Sachverhalte besser einzuprägen.<br />
Teilnehmer*innen der Studie wurde zunächst<br />
eine von ihnen als spannend eingestufte Quizfrage<br />
gestellt.<br />
Beim Warten auf die richtige Antwort sahen<br />
sie sich ein Foto an, das nichts mit der Frage zu tun<br />
hatte. Im Nachhinein konnten Fotomotive, die<br />
auf eine spannende Frage folgten, viel detaillierter<br />
wiedergegeben werden als jene, die nach<br />
langweiligen Fragen gezeigt wurden. Dieser Effekt<br />
war auch 24 Stunden später noch zu beobachten.<br />
Der US-Wissenschaftler Bowen Ruan fand<br />
heraus, dass es neugierigen Menschen deutlich<br />
leichter fällt, neue Kontakte zu knüpfen. Die<br />
Proband*innen konnten in einem Experiment<br />
sowohl im Smalltalk als auch in intimeren Gesprächen<br />
engere Beziehungen herstellen. Das läge<br />
daran, so schlussfolgert Ruan, dass Neugierige<br />
sich stark für ihr Gegenüber interessieren und<br />
nicht mit oberflächlichen Details zufriedengeben.<br />
Abgesehen von persönlichen Faktoren kann<br />
sich Neugier aber auch auf unseren Bildungs- und<br />
Berufsweg positiv auswirken.<br />
Bild: Pixabay<br />
Während der Schulzeit wurden wir davon<br />
überzeugt, dass Erfolg unmittelbar mit Intelligenz<br />
verbunden ist. Britische und Schweizer Forscher*innen<br />
starteten eine Studie, an der mehr als<br />
50.000 Studierende teilnahmen. Die Auswertung<br />
der Daten ergab, dass interessierte Leute deutlich<br />
bessere Leistungen in ihrem Studium erbrachten<br />
als Menschen mit hohem Intelligenzquotienten.<br />
Beruhigend, oder? Interesse am Studium ist also<br />
schon die halbe Miete.<br />
Im Job ist der umgangssprachliche Wissensdurst<br />
ebenfalls nicht mehr wegzudenken.<br />
Die Unternehmensberatung PriceWaterhouse-<br />
Coopers (PwC) befragte 1.300 CEOs aus 77<br />
Ländern. Die meisten davon gaben an, dass
01/ 2022 WHY? 17<br />
Neugier speziell für Führungskräfte besonders<br />
wichtig sei. Auf der westlichen Seite des Globus<br />
sind wir vor allem im Berufsalltag häufig von sogenannter<br />
extrinsischer Motivation getrieben.<br />
Wir gehen an die Arbeit, um am Ende des Monats<br />
Geld auf dem Konto zu haben und nicht auf der<br />
Straße zu landen. Wir arbeiten also entweder aus<br />
Angst vor einer Bestrafung oder aus Vorfreude auf<br />
eine Belohnung. Beides sind Einflüsse, die von<br />
außen kommen. Wer hingegen intrinsisch motiviert<br />
ist, also sich immer wieder aus Freude und<br />
Interesse an der Arbeit von innen heraus selbst anspornen<br />
kann, hat seltener Probleme damit morgens<br />
aus dem Bett zu kommen und schläft auch<br />
viel erholsamer.<br />
Diese neugierigen Menschen bleiben auf<br />
Dauer zudem auch deutlich leistungsstärker. Bei<br />
einem Neugier-Test mit 320 Auszubildenden wurde<br />
genau das erneut nachgewiesen: Wer bei der<br />
Studie am besten abschnitt, gehörte gleichzeitig<br />
zu den Mitarbeiter*innen, denen vom Arbeitgeber<br />
die beste Leistung an ihre Tätigkeit nachgesagt<br />
wurde.<br />
Das Unternehmen Viking hat einen<br />
sogenannten Neugier-Index angelegt und dafür<br />
die EU-Staaten miteinander verglichen: Welches<br />
Land hat die neugierigste Bevölkerung? Auf dem<br />
ersten Rang landete dabei Malta. Überraschenderweise<br />
belegt Deutschland lediglich Platz 20. Die<br />
wichtigsten Parameter für die Ermittlung des<br />
Neugier-Index waren unter anderem die Anzahl<br />
aktiver Duolingo-Nutzer*innen pro 1000 Internetnutzer*innen,<br />
die Stundenanzahl in der beruflichen<br />
Weiterbildung pro Arbeitnehmer*in und<br />
Pro-Kopf-Bibliotheks-Ausleihen pro Jahr.<br />
Das Unternehmen sagt selbst, dass Neugier<br />
natürlich viel diverser ist und nicht über ein paar<br />
spezifische Daten umfassend abgebildet werden<br />
kann. Trotzdem ist es doch ein netter Ansporn,<br />
der eigenen Neugier mal auf den Zahn zu fühlen!<br />
Wer weiß, vielleicht landet Deutschland bei der<br />
nächsten Datenerhebung unter den Top 10?<br />
Also packt alle eure metaphorischen Lupen<br />
aus und zelebriert eure Neugier. Das ist absolut<br />
gesund!<br />
Als ich mit Freundinnen ein<br />
Exit-Game gespielt habe,<br />
das mir geschenkt wurde.<br />
Als ein Freund ein Foto aus<br />
dem Studio des Podcasts<br />
„Gemischtes Hack“ gepostet hat.<br />
Alina, 23<br />
Als ich zu meiner letzten<br />
größeren Reise ins Ausland<br />
aufgebrochen bin.<br />
Anna, 24<br />
In welcher Situation<br />
warst du zuletzt<br />
neugierig?<br />
Ben, 20<br />
Als ich ein Projekt für meine<br />
Weiterbildung begonnen habe.<br />
Als eine Freundin sagte, sie<br />
müsse mir später etwas<br />
Wichtiges erzählen.<br />
Tobias, 28<br />
Vivien, 25<br />
Als das neue Album meiner<br />
Lieblingskünstlerin<br />
erschienen ist.<br />
Als ich herausfinden wollte,<br />
ob die Preise bei Penny wirklich so<br />
viel günstiger sind als bei Edeka.<br />
Laura, 21<br />
Jörg, 25<br />
Bilder: Pixabay
18 WHY?<br />
mediakompakt<br />
Du kommst mir nicht in die Tüte!<br />
Krumme Gurken, knubblige Karotten oder verformte Auberginen.<br />
Gibt’s nicht? Gibt’s doch! Sie schaffen es nur nicht auf die Verkaufsfläche<br />
von Edeka, Aldi und Co. Warum eigentlich nicht?<br />
Und was passiert damit? Wird das einfach weggeschmissen?<br />
VON KIM KANSTINGER<br />
wurde die entsprechende Regulierung wieder<br />
abgeschafft und mit ihr weitere 26 Gemüsenormungen.<br />
Überraschenderweise sieht man in den<br />
Supermärkten immer noch nicht viel Obst und<br />
Gemüse außerhalb der Norm.<br />
Wo ist das ganze krumme Gemüse?<br />
Im besten Fall wird das Gemüse noch zu Tierfutter<br />
geschreddert oder anders weiterverarbeitet. Dafür<br />
benötigt es eine:n Abnehmer:in in der Nähe und<br />
dies ist nicht oft der Fall, so Frank Waskow von der<br />
Verbraucherzentrale NRW in einem Artikel, der<br />
im „Deutschlandfunk“ gesendet wurde. Daher<br />
wird es meist untergepflügt oder weggeschmissen.<br />
Das passiert mit 15 bis 50 Prozent der gesamten<br />
Ernte in Deutschland – je nach Sorte und Produktionsart.<br />
Dabei unterscheidet sich das krumme<br />
Gemüse von den Inhaltsstoffen und der Qualität<br />
nicht von gerade gewachsenem Gemüse. Schuld<br />
daran sind zum Teil immer noch EU-Normen, die<br />
bestimmen, wie groß zum Beispiel eine Kartoffel<br />
sein darf. Kritisch, was das Aussehen angeht, ist<br />
vor allem der Großhandel. „Schon an der Warenannahme<br />
wird solche Ware direkt blockiert und<br />
wieder zurückgeschickt und vernichtet“, so Heinz<br />
Bursch vom Biohof Bursch in Bornheim, ebenfalls<br />
im „Deutschlandfunk“.<br />
In Deutschland landen 12,7 Millionen Tonnen<br />
Lebensmittel jedes Jahr im Müll. Der<br />
Pro-Kopf-Verbrauch liegt bei 154 Kilogramm<br />
jährlich. Dies geht aus einem Statista-Dossier<br />
zum Thema Food Waste aus dem<br />
Jahr 2020 hervor. Im landesweiten Vergleich<br />
schließt Deutschland mit diesen Zahlen noch gut<br />
ab. Lebensmittel werden auf der gesamten Verwertungskette<br />
weggeschmissen. Einer der Gründe:<br />
Obst und Gemüse, dass nicht den Normen der<br />
EU entspricht.<br />
Die Gurke, die die Welt verändert<br />
Eines der bekanntesten Beispiele dafür ist die<br />
EU-Gurkenverordnung von 1988. Die Süddeutsche<br />
Zeitung fasst dies in einem Artikel vom 17.<br />
Mai 2010 so zusammen: „Dieses Meisterstück der<br />
Bild: Kim Kanstinger<br />
Regulierungskunst aus dem Jahr 1988 besagt, dass<br />
eine Gurke, gut geformt und praktisch gerade sein<br />
muss (maximale Krümmung: zehn Millimeter auf<br />
zehn Zentimetern Länge der Gurke)‘“. Jede Gurke,<br />
die nicht dieser Norm entspricht, darf also nicht<br />
auf die Verkaufsfläche. Gegen diese absurde Normung<br />
sträubte sich überraschenderweise aber niemand.<br />
Die Agrarminister:innen aus Deutschland,<br />
Spanien, Italien und Ungarn waren gegen eine<br />
Deregulierung, da Verbraucher:innen sich eventuell<br />
mit Waren minderwertiger Qualität begnügen<br />
müssten.<br />
Ein weiteres Argument: Genormte Gurken<br />
sind einfacher zu verpacken und zu transportieren,<br />
wovon der Handel profitiere. Profitieren in<br />
diesem Sinne heißt Standardisierung, ergo, auch<br />
Kosten und Zeitersparnisse. Glücklicherweise<br />
Kreativität ist gefragt<br />
Auch die Mitarbeitenden von Heinz Bursch mussten<br />
demnach zehn bis 20 Prozent der Ernte, aufgrund<br />
der Regulierungen, wegschmeißen. Ein Lösungsansatz:<br />
Resteverwertung. In Form von Eingelegtem,<br />
selbstgemachtem Chutney und Curry.<br />
So kann der Hof seine Reste komplett verwerten.<br />
Eine weitere Möglichkeit sind Reste-Supermärkte,<br />
sowie „The Good Food“ von Nicole Klaski. Sie hat<br />
mehrere Kooperationen mit Landwirt:innen und<br />
betreibt regelmäßig Nachernten bei Bauern und<br />
Bäuerinnen und rettet so, was übrig geblieben ist.<br />
Eine weitere Alternative für das krumme Gemüse<br />
bietet ein Landwirt in Köln. Christian Fuchs verteilt<br />
seit 15 Jahren überschüssiges Gemüse auf seinem<br />
Acker kostenlos zum Mitnehmen. Teilweise<br />
kommen die Leute von weit her. Mit großen<br />
Taschen und Anhängern, um das nicht normgerechte<br />
Gemüse mitzunehmen.<br />
Wieso unternehmen die Abnehmer:innen nichts?<br />
Wieso geht der Großhandel nicht auf diese Lebensmittelverschwendung<br />
ein? Werner Kanstinger,<br />
ehemaliger Geschäftsführer des Edeka-Aktiv-<br />
Markts Kanstinger in Stetten a.k.M. und jahrelang<br />
Verkaufsleiter bei Edeka sagt: „Unglaublich, was<br />
wir früher alles an Lebensmitteln wegschmeißen<br />
mussten, weil der Kunde es nicht mehr kaufen<br />
wollte. Wegen ein paar Druckstellen, entstanden<br />
durch den Transport oder weil alle Kunden den<br />
Apfel vorher erst mal prüfen mussten.“ Oder aufgrund<br />
von Apfel-Warzen, ein ganz natürliches<br />
Vorkommen bei Äpfeln, aber der Kunde habe es<br />
nicht mehr gewollt, weil er denkt, er hat ein minderwertiges<br />
Produkt in der Hand. Eigentlich sei es<br />
aus seiner Sicht in den 1960er und 1970er Jahren
01/ 2022 WHY? 19<br />
besser gewesen, „da stand eine Verkäuferin hinter<br />
der Theke, die einem genau das gegeben hat, was<br />
gebraucht wurde“. Kein Verpackungsmüll, kein<br />
Hinterfragen an der Qualität der Ware, kein unnötiger<br />
Kilo-Sack Karotten, den man eh nicht verbrauchen<br />
kann. „Auch ich kaufe lieber meine drei<br />
losen Karotten ein, bei denen ich weiß, sie kommen<br />
sicher weg, anstatt einem Sack, bei dem ich<br />
die Hälfte wegschmeißen muss. Das Geld ist es<br />
mir nicht wert.“<br />
Kein Platz für etepetete<br />
Nachfrage regelt das Angebot, so scheint die Devise<br />
im Großhandel. Wir Kund:innen sind also ein<br />
Teil des Problems. Aber auch hier gilt: Die Ausnahme<br />
bestätigt die Regel. So wie auf dem Hof<br />
von Christian Fuchs und eben die Kunden von<br />
Nicole Klaski. Daneben haben sich weitere Vertriebswege<br />
etabliert, die in Anspruch genommen<br />
werden, um Gemüse und Obst zu retten. Ein Beispiel:<br />
Die etepetete-Box. Ein Ansatz dabei ist, auf<br />
die Normen zu pfeifen. In die etepetete-Box<br />
kommt „alles vom Feld – egal ob krumm oder<br />
schief – Hauptsache frisch und gesund“, so schreiben<br />
es die Anbieter auf ihrer Website.<br />
Oder die Berliner Manufaktur Dörrwerk, die<br />
Fruchtpapier aus liegengebliebenen Obst herstellt.<br />
Auch Frank Waskow sieht das als guten Ansatz,<br />
es regt das Bewusstsein der Verbraucher:innen<br />
an. Aber: „Man muss am Ende immer die<br />
gesamte Ökobilanz sehen, ein Lebensmittel zu<br />
retten, ergibt nicht immer Sinn. Etwa, wenn die<br />
Bilanz kippt, weil man drei Kilo Gemüse durch die<br />
ganze Republik schickt.“<br />
Was muss sich ändern?<br />
Die Bilanz zeigt: Lebensmittelnormen haben die<br />
Konsument:innen geprägt. Wir sehen im Großhandel<br />
perfektes Obst und Gemüse, alles Unperfekte<br />
scheint minderwertig und nicht nahrhaft –<br />
was nicht stimmt. Es benötigt ein neues – oder<br />
vielleicht stärkeres – Bewusstsein der Konsumierenden,<br />
dass nicht die Form und das Aussehen<br />
zählt, sondern der Geschmack. Damit wir alle diese<br />
Realität verinnerlichen, müssen wir sie natürlich<br />
auch auf den Verkaufsflächen des Großhandels<br />
sehen können und damit der Großhandel<br />
sich dem optisch unförmigen Obst und Gemüse<br />
öffnet, müssen Handelsnormen und Güteklassen<br />
vielleicht auch neu definiert werden. Zum Beispiel<br />
könnten sich die Qualitätsmerkmale eines<br />
Güteklasse I Produkts auf Geschmack, Nachhaltigkeit<br />
und Nährwert beziehen und nicht auf Aussehen,<br />
Größe und Form.<br />
Erste Schritte Richtung „Akzeptanz auf der<br />
Verkaufsfläche“ geht Penny. Seit Jahren verkauft<br />
die Discounter-Kette unperfektes Bio-Obst und<br />
Gemüse zu Bio-Preisen unter dem Namen „Bio-<br />
Helden“. „Nach allen Aussagen, die wir gehört haben,<br />
ist das ein sehr erfolgreiches Projekt, wo richtig<br />
viele Menschen einkaufen. Da kann man was<br />
verringern, da können wir unsere Essensreste bis<br />
spätestens 2030 halbieren. Das würde nur über<br />
solche Aktionen funktionieren.“ Penny alleine<br />
gelingt es nicht, ein Umdenken auszulösen. Da<br />
helfen keine PR-wirksamen Aktionswochen von<br />
Supermarktketten wie Edeka, Rewe und Netto, die<br />
in dieser Zeit krummes Gemüse verkaufen. Es benötigt<br />
ein stärkeres Umdenken der Großhändler:innen,<br />
ebenso wie eine Überarbeitung der Anforderungen<br />
an qualitativ ausgezeichneter Ware.<br />
Lebensmittel-Retter-Tipp<br />
Wer aussortierte Lebensmittel retten möchte,<br />
sollte sein Obst und Gemüse direkt beim Erzeuger<br />
einkaufen. Dazu gehören Landwirtschaftsbetriebe,<br />
die ihre Ware direkt vermarkten<br />
und auf lokalen Märkten oder über einen<br />
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20 WHY?<br />
mediakompakt<br />
Nur mal kurz die Welt retten,<br />
oder auch: wie man<br />
mit Elektroauto ein kleines<br />
bisschen zum/zur Alltagsheld:in<br />
wird! Durch Umdenken<br />
und Eigeninitiative<br />
durchaus möglich<br />
VON INES BRUNENBERG<br />
Unter<br />
Der Klimawandel ist unaufhaltsam.<br />
Das wissen wir nicht erst seit Greta<br />
Thunberg und “Fridays for Future”.<br />
Schon das Pariser Klimaabkommen<br />
aus dem Jahr 2015 schreibt so einige<br />
Grenzwerte vor. Unter anderem auch, dass die<br />
Bundesrepublik Deutschland, bis 2030 ihren<br />
CO 2<br />
-Ausstoß um 55% verringern soll. Dass das<br />
schwierig wird, wird immer deutlicher. Zuletzt in<br />
Glasgow auf der internationalen Klimakonferenz.<br />
Oder wie Greta es formulierte: die<br />
Veranstaltung mit viel “Blablabla“.<br />
Deswegen hier mein Lösungsvorschlag:<br />
Jeder und jede von uns kann durch ein persönliches<br />
Umdenken und Eigeninitiative<br />
zum /zur Klimaretter:in werden! Manchmal<br />
benötigt das ein wenig Überwindung. Fahren<br />
mit dem Fahrrad und dem ÖPNV ist<br />
zum Beispiel ein Schritt in die richtige Richtung.<br />
Oder Fahrgemeinschaften bilden.<br />
Aber was, wenn man nun einmal auf ein<br />
Auto angewiesen ist? Genau da kommt die<br />
Elektromobilität ins Spiel. Elektroautos sind<br />
leise. Umweltfreundlicher als Benziner und<br />
Diesel, wie das Bundesministerium für Umwelt,<br />
Naturschutz und nukleare Sicherheit<br />
(BMU) bestätigt hat (siehe Abb. 1). Deutlich<br />
günstiger im Unterhalt und haben dazu<br />
noch einen hohen Fahrspaß! Woher ich das<br />
weiß? Meine Eltern fahren ein Elektroauto. Seit<br />
nun fast zwei Monaten haben sie ein neues “heilig’s<br />
Blechle”, wie der Schwabe sagen würde: einen<br />
Skoda Enyaq.<br />
Anfangs war ich skeptisch. Man hört es überall:<br />
Ladesäulen sind in Deutschland eher eine Seltenheit<br />
und im Auto Bundesland Baden-Württemberg<br />
sowieso rar gesät. In der Zwischenzeit<br />
muss ich jedoch zugeben, dass die Wahl auf Elektro<br />
umzusteigen nicht die schlechteste war. Vor<br />
allem bei den Benzinpreisen: 1,70 Euro für den Liter<br />
E10 – da wird jedem Autofahrer und jeder<br />
Autofahrerin schwer ums Herz. Das Elektroauto<br />
kann jedoch bequem zu Hause geladen werden.<br />
Praktisch mit ganz persönlicher Tankstelle vor der<br />
Haustür. Noch dazu ist es deutlich günstiger und<br />
mit einer Schnell-Lademöglichkeit innerhalb von<br />
40 Minuten wieder voll geladen. Wichtig an dieser<br />
Stelle: der Strom für ein Elektroauto sollte aus<br />
CO 2 -Emissionen über den gesamten Lebenszyklus eines<br />
PKW<br />
Quelle: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Nuklearsicherheit<br />
erneuerbaren Energien kommen. Es bringt der<br />
Umwelt nichts, wenn darauf nicht geachtet wird.<br />
Was das häufig angesprochene Thema Reichweite<br />
betrifft: Für Kurzstrecken ist ein Elektroauto<br />
auf jeden Fall die richtige Wahl. Auch gut geeignet<br />
ist es für Pendler:innen, die nicht mehr als 300<br />
bis 450 km fahren müssen. Danach ist meistens<br />
Schluss.<br />
Aber jetzt mal Hand aufs Herz: wie oft fährt<br />
man selbst Langstrecke, also 500 km und mehr?<br />
Einmal? Zweimal im Jahr? Höchstens, würde ich<br />
behaupten! Natürlich immer vorausgesetzt man<br />
ist kein/e Außendienstler:in oder Langstreckenpendler:in.<br />
Und die Ladesäulen Infrastruktur<br />
nimmt ja zu und nicht ab. Stand November 2021<br />
laut ADAC: rund 26.000 Ladesäulen in Deutschland.<br />
Der Fahrspaß kommt übrigens auch nicht zu<br />
kurz. Denn die Kiste hat Wumms! Elektroautos<br />
haben eine höhere Beschleunigung, da sie nicht<br />
erst durch die Gänge durchschalten<br />
müssen um eine gewisse<br />
Drehzahl zu erreichen. Somit<br />
sieht selbst jeder Porsche an der<br />
Ampel alt aus (außer es handelt<br />
sich um einen Taycan).<br />
Auch der Verschleiß ist geringer.<br />
Das Auto hat somit geringere<br />
Wartungskosten, denn ein<br />
Elektromotor hat weniger Teile<br />
als ein herkömmliches Fahrzeug.<br />
Es fehlen beispielsweise<br />
das Getriebe, die Lichtmaschine<br />
und der Keilriemen.<br />
Und der nächste Vorteil<br />
kommt auch schon um die Ecke:<br />
Elektroautos, die bis zum <strong>31</strong>.Dezember<br />
vergangenen Jahres angemeldet<br />
worden sind, sind bis<br />
zum Jahr 2030 von der KfZ-Steuer<br />
befreit! Aber auch sonst gilt ein ermäßigter KfZ-<br />
Steuersatz für jede Anmeldung eines E-Fahrzeugs.<br />
Außerdem gibt es vom Staat eine sogenannte “Innovationsprämie”.<br />
Damit ist praktisch eine direkte<br />
Ermäßigung des Listenpreises gemeint. Und die<br />
kann bei einem reinen E-Auto bis zu 9000 € betragen.<br />
Ihr seht also: es ist leicht nur mal kurz die<br />
Welt zu retten und macht obendrein noch Spaß!<br />
Elektromobilität mag vielleicht nicht das Ende<br />
der Fahnenstange sein, wenn es um Klimaschutz<br />
geht. Aber es ist auf jeden Fall ein Schritt in die<br />
richtige Richtung!
01/ 2022 WHY? 21<br />
Strom<br />
Private PKW müssen raus aus<br />
den Innenstädten, der Umstieg<br />
auf Elektroantriebe löst dieses<br />
Problem nicht. Und für die Bereiche,<br />
in denen das Auto gebraucht<br />
wird, ist das E-Auto<br />
(noch) nicht zukunftsreif.<br />
VON JONATHAN KLOSS<br />
Elektroautos machen Spaß. Sie sind leise,<br />
technisch bestens ausgerüstet,<br />
schnell und sehen in manchen Fällen<br />
auch noch futuristisch aus. Und das<br />
Beste daran: Man braucht beim Kauf<br />
kein schlechtes Gewissen zu haben, der Staat zahlt<br />
ja noch oben drauf! Und wenn man trotzdem darauf<br />
angesprochen wird, ob es denn nötig war,<br />
sich noch einen weiteren Neuwagen zuzulegen,<br />
so kann man antworten, man tue etwas<br />
für den Klimaschutz. Und es ist ja richtig,<br />
der Klimawandel muss höchste Priorität<br />
im politischen und gesellschaftlichen<br />
Diskurs der nächsten Jahre und Jahrzehnte<br />
einnehmen. Und jede Lösung, die<br />
dazu beiträgt, das Pariser Klimaabkommen<br />
einzuhalten, sollte wahrgenommen<br />
und weiterentwickelt werden. Doch Elektroautos<br />
sind meiner Meinung nach der<br />
falsche Weg, um umwelt- und menschenfreundliche<br />
Mobilität weiterzuentwickeln.<br />
Der Faktor CO 2<br />
-Neutralität ist<br />
das naheliegendste Argument für Elektroautos.<br />
Doch laut einer Studie des Instituts<br />
für Umwelt- und Energieforschung<br />
machen 64 Prozent der Klimabilanz eines<br />
Elektroautos allein die Bereitstellung der<br />
Energie zur Ladung der Akkus aus. 35 Prozent<br />
der Energieerzeugung aus Deutschland stammen<br />
aus Braunkohle oder Kernenergie – genau so<br />
viel wie aus erneuerbaren Quellen. Dazu kommt<br />
noch die aus Gas gewonnene Energie aus dem<br />
Ausland. Solange die Energie nicht zu einem<br />
Großteil aus erneuerbaren Quellen kommt, sind<br />
Elektroautos nur ein weiterer CO 2<br />
-Produzent. Nur<br />
kommt dieses CO 2<br />
nicht aus einer Röhre am Heck<br />
des Autos – kann also nicht so schlimm sein. Hinzu<br />
kommt hierbei außerdem noch die Herstellung<br />
der Lithium-Batterien. Neben giftigen und seltenen<br />
Materialien, die für die Herstellung importiert<br />
werden, ist auch die Dauer der Batterien be-<br />
grenzt, bei einem nötigen Austausch geht steigt<br />
der Energiebedarf erneut an. Des weiteren sprechen<br />
auch die geringe Reichweite sowie das<br />
schlecht ausgebaute Ladenetz gegen das Elektroauto,<br />
zumindest außerhalb der Stadt. Wer also Geschäfts-<br />
oder Urlaubsreisen plant, muss entweder<br />
irrsinnige Umwege sowie mehrere stundenlange<br />
Pausen mitplanen, oder greift doch zum Verbrenner.<br />
Das Elektroauto wird bei Gutverdienern also<br />
Ein bekanntes Bild in den meisten Innenstädten: Bei all den Autos bleibt nicht viel<br />
Platz für Fahrräder, Fußgänger*innen oder Grünflächen<br />
meistens als zusätzlicher Neuwagen angeschafft<br />
(mit freundlicher Unterstützung der Regierung),<br />
anstatt den Diesel, den so manche*r Pendler*in<br />
für den Weg zur Arbeit benötigt, zu ersetzen.<br />
Nun will ich mir doch mal ein wenig Optimismus<br />
vom größten Jünger des freien Marktes,<br />
Christian Lindner, leihen, und gehe davon aus,<br />
dass Deutschland in zehn Jahren über 90 Prozent<br />
Energie aus erneuerbaren Quellen gewinnt, das<br />
Speicherproblem von Energie gelöst wurde, Wasserstoff<br />
markttauglich geworden ist und selbst in<br />
Mecklenburg-Vorpommern genug Ladesäulen für<br />
den Urlaub an der Ostsee verfügbar sind – das<br />
heißt, das Elektroauto tatsächlich zu dem<br />
CO 2<br />
-neutralem Gefährt geworden ist, zu dem wir<br />
es heute bereits machen. Selbst dann ist das Elektroauto<br />
nicht zukunftstauglich. Denn in meiner<br />
Vision der Zukunft fahren in Innenstädten überhaupt<br />
keine Autos mehr. In Stuttgart nehmen parkende<br />
Autos 12,12 Prozent der Gesamtfläche(!)<br />
der Stadt ein, bundesweit sind es 9,2 Prozent. Der<br />
Autoverkehr ist das größte Argument gegen<br />
CO²-neutrale und sichere Mobilität wie<br />
Lasten- oder Fahrräder. Statt Grünflächen<br />
und Sitz- und Spielgelegenheiten<br />
vor Cafes tummeln sich die parkenden<br />
Vierräder Haube an Haube, nur um eine<br />
Stunde am Tag benutzt zu werden. Solange<br />
der Autoverkehr die Infrastruktur einer<br />
Innenstadt vorgibt, kann der ÖPNV<br />
es nicht schaffen, sich flächendeckend<br />
und zeitsparend auszubreiten.<br />
Wenn das Elektroauto also das perfekte<br />
Stadtauto ist, dann ist er ein Gefährt<br />
für eine Zukunft, die auto- und<br />
nicht menschenfreundlich ist. Soll das<br />
Foto: Pexels<br />
Elektroauto wirklich CO 2<br />
einsparen,<br />
muss es auch für die Landbevölkerung<br />
bezahlbar und rentabel sein, sowie den<br />
Gütertransport via Lkws ersetzen, was bei<br />
der momentanen Reichweite als sehr unwahrscheinlich<br />
gilt. In der Stadt muss die Elektromobilität<br />
in andere Verkehrsmittel eingesetzt<br />
werden, z.B. in E-Bikes, E-Motorrollern, E-Scootern<br />
und E-Bussen. Die nehmen nämlich deutlich<br />
weniger Platz ein, sind weniger gefährlich für andere<br />
Verkehrsteilnehmer und verwenden den<br />
Strom damit tatsächlich effizient und CO 2<br />
-sparend.<br />
Doch eine Prämie ist für genannten Verkehrsmittel<br />
noch nicht vorgesehen. Wer sich also<br />
als Alltagsheld:in versteht, wenn er zum E-Auto<br />
greift statt zum Fahrrad oder zum Bus, der möchte<br />
vor Allem Unbequemlichkeiten im Kampf gegen<br />
den Klimawandel aus dem Weg gehen.
22 WHY?<br />
mediakompakt<br />
Warum sind wir<br />
nostalgisch?<br />
Nostalgie – dieser Begriff ist uns allen bekannt und wir<br />
benutzen das Wort ganz alltäglich in unserem Sprachgebrauch.<br />
Aber die wenigsten befassen sich genauer damit,<br />
was das eigentlich bedeutet.<br />
VON NATALIE SCHMITT<br />
Bild: Unsplash<br />
Bild: Unsplash<br />
Vom Unbehagen an der Gegenwart ausgelöste,<br />
von unbestimmter Sehnsucht<br />
erfüllte Gestimmtheit, die sich in der<br />
Rückwendung zu einer vergangenen,<br />
in der Vorstellung verklärten Zeit äußert,<br />
deren Mode, Kunst, Musik o. Ä. man wiederbelebt”,<br />
sagt der Duden über die Nostalgie. Doch<br />
so breit gefächert dieser Begriff ist, interpretiert jeder<br />
Mensch etwas Anderes damit.<br />
Im 17. Jahrhundert hatten die Menschen den<br />
Nostalgiebegriff anders definiert. Der Schweizer<br />
Mediziner Johannes Hofer deutete dies als dämonische<br />
Nervenkrankheit. Diese “Krankheit” sollte<br />
zu obsessiven Gedanken an die Heimat verbunden<br />
sein, deren Auswirkung Schlaflosigkeit und<br />
Appetitlosigkeit sein können. Diese Ansichten basieren<br />
jedoch auf unwissenschaftlichen Annahmen.<br />
Im Laufe des 21. Jahrhunderts hat sich Nostalgie<br />
als menschliche Stärke entpuppt. Sie dient<br />
dazu, in schweren Zeiten das Wohlbefinden wiederherzustellen<br />
und gibt uns ein Gefühl von Sicherheit.<br />
Die Fähigkeit, die Gegenwart kurzzeitig<br />
auszublenden und uns damit klar zu machen,<br />
dass wir Teil von etwas Größerem sind, lässt uns<br />
Bedeutung und Optimismus für das Leben schöpfen.<br />
Erst kürzlich überkam mich ebenfalls die Nostalgie.<br />
Beim Durchwühlen alter Kisten gefüllt mit<br />
Kinderfotos und alten Zeichnungen, fiel mir mein<br />
altes Tagebuch in die Hand. „Die Wilden Hühner“<br />
stand groß auf dem Cover geschrieben. Damals,<br />
mit ungefähr elf Jahren, habe ich die „Wilden<br />
Hühner“-Bücher – und später auch die Filme geliebt.<br />
Die krakelige Handschrift, der Geruch von<br />
altem Papier, beim Durchblättern nach so vielen<br />
Jahren fühlte ich mich wieder in meine Kindheit<br />
versetzt und begann in Erinnerungen zu schwelgen.<br />
Manchmal sind es kleine Dinge, um so eine<br />
Stimmung Gefühl auszulösen. Räuchermännchen<br />
zum Beispiel. Besonders jetzt, in der kalten<br />
Jahreszeit reicht, der würzige Geruch aus, um in<br />
mir ein wohliges Gefühl auszulösen, dass mich an<br />
viele schöne vergangene Wintertage denken lässt.<br />
Warum ist das so? Und wie empfinden andere<br />
nostalgische Gefühle?<br />
In diesem Artikel sollen authentische Erfahrungen<br />
und Geschichten über Nostalgie aus dem<br />
Leben von Freunden und Familie festgehalten<br />
werden.<br />
Über sonnige Feldwege und Waschmittel<br />
Nostalgie ist für mich, Dinge, die ich früher geliebt<br />
habe, zufällig oder absichtlich wiederzufinden<br />
und das gleiche schöne Gefühl dabei zu empfinden<br />
wie damals, als wäre überhaupt keine Zeit<br />
vergangen. Beispielsweise meine alten Kinderbücher,<br />
frühere Lieblingskleidung oder Briefe. Für<br />
mich sind besonders Gerüche nostalgisch. Das<br />
Waschmittel meiner Mutter, der Holzgeruch in<br />
den Einbauschränken im Haus meiner Oma oder<br />
das Parfum einer geliebten Person, dass man zufällig<br />
auf der Straße riecht. Ich bin ein melancholischer<br />
Mensch und werde bei solchen Erlebnissen<br />
nach einem kurzen Moment der Freude eher traurig,<br />
da es mir vor Augen führt, dass ich die Zeit<br />
nicht zurückdrehen und meine schönsten Momente<br />
nicht nochmal erleben kann. Deshalb versuche<br />
ich im Jetzt zu leben! Aber dennoch gibt es<br />
so vieles, das mich nostalgisch werden lässt. Vielleicht<br />
das Fahrradfahren über die Feldwege im<br />
Sommer, das glückliche Erinnerungen aus sämtlichen<br />
meiner bisherigen Lebensphasen mit sich<br />
bringt. Das erste Fahren ohne Stützräder mit vier<br />
Jahren, das Radeln in der Mittagssonne zum See<br />
oder die heimlich-nächtlichen Radtouren zum<br />
Freund oder irgendeiner Party. Einfach schön!<br />
Sophie, 24 Jahre<br />
Nochmal Jung sein<br />
Ich verbinde mit Vergangenem positive Erinnerungen,<br />
die mir ein Gefühl von Wärme und Geborgenheit<br />
geben. Vor allem Musik von früher aus<br />
den 1970er- und 1980er-Jahren lassen diese Gefühle<br />
in mir entstehen. Meine Lieblingsserie aus<br />
den 1980er-Jahren, „Mord ist ihr Hobby”, schaue<br />
ich immer noch gerne an. Auch wenn ich Gerichte<br />
nachkoche, die meine Großeltern immer gemacht<br />
haben, bekomme ich so ein wohliges, warmes<br />
Gefühl. Und dann die Punk-Szene der 80er,<br />
das war meine Zeit. Damals war ich mit dem ersten<br />
Punker meiner Heimatstadt zusammen.<br />
Wenn ich Mode aus dieser Zeit in Vintage-Läden<br />
oder Flohmärkten sehe, werde ich tatsächlich<br />
nostalgisch. Da will man nochmal jung sein!<br />
Sabine, 53 Jahre<br />
Von flackernden Kerzen auf dem Weihnachtsbaum<br />
Nostalgie ist für mich, sich an die guten Erinnerungen<br />
und Erlebnisse aus der Vergangenheit<br />
oder Kindheit zu erinnern. Da darf es gern auch<br />
kitschig und peinlich werden. Wärme, Glück, Geborgenheit<br />
sind Gefühle, die Nostalgie auslösen.<br />
Auch alte Serien, Musik und Spiele, Stopfeier, Ga-
01/ 2022 WHY? 23<br />
lileo-Thermometer, Taschenuhren, Musik- und<br />
VHS-Kassetten: Vieles aus den 1990er-Jahren erwecken<br />
Emotionen. Wenn die Weihnachtszeit<br />
anbricht, denke ich immer an den Baum, den<br />
meine Oma geschmückt hat. Mit richtigen Kerzen,<br />
Strohsternen, goldenen und roten Weihnachtskugeln<br />
und Lametta. Vielleicht klingt das<br />
kitschig, aber das war der Weihnachtsbaum meiner<br />
Kindheit. Dieses Bild vor meinen Augen gibt<br />
mir immer ein wohliges Gefühl. Manchmal<br />
macht es mich etwas traurig, ich denke, das gehört<br />
zur Nostalgie jedoch dazu. Sogar, wenn ich<br />
Geschichten von Freunden oder Bekannten höre,<br />
die meinen Erinnerungen oder dem Erlebten ähneln,<br />
oder auch auf Floh- oder Vintage-Märkten,<br />
werde ich von nostalgischen Eindrücken übermannt.<br />
Kim, 28 Jahre<br />
Nostalgie auf vier Rädern<br />
Es ist für mich die Sehnsucht, Dinge, die man<br />
als junger Mensch gemacht hat, im Alter zu wiederholen.<br />
Es kann einem da fast etwas wehmütig<br />
ums Herz werden, da man seine Jugend nicht zurückholen<br />
kann. Erst vor kurzem hatte ich dazu<br />
ein besonderes Erlebnis, das ich gern schildern<br />
möchte. Ich bin mit dem Fahrrad hinter einem<br />
VW-Käfer gefahren. Der Geruch aus dem Auspuff<br />
hat mich an früher erinnert, da damals alle Autos<br />
so gerochen haben. Und natürlich die Musik. Ich<br />
habe mir erst vor kurzem einen Plattenspieler gekauft,<br />
damit ich meine alten Platten wieder hören<br />
kann.<br />
Axel, 62 Jahre<br />
Nostalgie mit Geschmack<br />
Ich koche gern so wie früher. Viele Rezepte,<br />
die ich bis heute verwende, haben meine Eltern<br />
und Großeltern an mich weitergegeben. Mein<br />
Mann wünscht sich oft Dampfnudeln nach dem<br />
Rezept seiner Mutter. Es fühlt sich gut an, Mahlzeiten<br />
auf diese Art zuzubereiten. Ich finde, das<br />
schmeckt einfach am besten! Was mir auch noch<br />
im Gedächtnis geblieben ist: Als Kinder haben wir<br />
auf der Straße spielen können, da nicht so viele<br />
Autos unterwegs waren. Daran erinnere ich mich<br />
gerne, wenn ich alte Fotoalben durchblättere. Ach<br />
ja: Briefe zu schreiben, gehört für uns ebenfalls zur<br />
Nostalgie. Früher gab es ja keine Smartphones<br />
oder das Internet, weswegen wir Brieffreundschaften<br />
geführt haben. Eine davon habe ich nach vielen<br />
Jahren sogar persönlich getroffen!<br />
Waltraud, 79 Jahre<br />
Bild: Unsplash<br />
Bild: Natalie Schmitt<br />
Bild: „Mord ist ihr Hobby“ 1984-1996<br />
Bild: Natalie Schmitt<br />
Bild: Natalie Schmitt<br />
Bild: The Beatles 1969 „Abbey Road“ Album Cover
24 WHY?<br />
mediakompakt<br />
Tot. Und jetzt?<br />
In der Vorlesung zu Tode gelangweilt? Vergraben oder Verbrennen<br />
sind jetzt nicht mehr die einzigen Optionen für Verstorbene.<br />
Von Verflüssigung durch Lauge über Baumbestattungen bis zu<br />
menschlichem Kompost ist für jeden etwas dabei.<br />
VON CAROLINE TONN<br />
Bild: Pexels<br />
Wehe, Zerstörung, Verderben und<br />
Verfall; das Schlimmste ist der<br />
Tod, und der Tod wird seinen Tag<br />
haben”, wie William Shakespeare<br />
so schön sagt. Fakt ist: Wir müssen<br />
alle sterben. Das sollte jedem spätestens beim<br />
Unterschreiben des Organspende-Ausweises aus<br />
der Ersti-Tüte klar geworden sein. Ob man nach<br />
dem Ableben in den Himmel aufsteigt, in die Hölle<br />
verdammt wird oder die Unendlichkeit in Walhalla<br />
verbringt, ist Ansichtssache. Was mit unseren<br />
sterblichen Überresten geschieht können wir,<br />
bis zu einem gewissen Grad, selbst kontrollieren.<br />
Über die eigene Bestattung nachzudenken,<br />
mag morbide klingen, doch wenn alles geregelt<br />
ist, kann man sich voll aufs Leben konzentrieren.<br />
Eine breite Palette an Alternativen zur klassischen<br />
Beerdigung bietet sich an: Vom Verstreuen der<br />
Überreste aus einem Heißluftballon über alkalische<br />
Hydrolyse, bei der der Körper durch Lauge<br />
verflüssigt und ins Abwasser entsorgt wird, bis hin<br />
zu aus Asche gepressten Vinylplatten. Die Zurückgebliebenen<br />
noch nach dem Tod mit dem stets<br />
kritisierten Lieblingssong nerven zu können, hat<br />
schließlich seinen Charme.<br />
Etwas extravaganter kann die Asche auch zu<br />
einem Diamanten gepresst werden oder als Füllung<br />
für ein Kuscheltier dienen. Wer sich auf der<br />
Erde nicht richtig zuhause gefühlt hat, kann seine<br />
Asche auch mit einem Ballon in die Stratosphäre<br />
fliegen lassen, wo ein Mechanismus sie in circa<br />
30 Kilometern Höhe verstreut.<br />
Leider ist keines dieser Verfahren in Deutschland<br />
zulässig. Hier herrscht Beisetzungspflicht<br />
und Friedhofszwang mit strengen Vorgaben<br />
bezüglich Ort und Bodenbeschaffenheit der Grabstätte.<br />
Erlaubt sind Erd-, Feuer oder Seebestattungen,<br />
wobei eine Seebestattung eine Kremation<br />
voraussetzt und eine Kremation nur mit der<br />
Leiche in einem Sarg vorgenommen werden darf.<br />
Um den Sarg kommt man also nicht herum. Nach<br />
einer Feuerbestattung dürfen die Angehörigen des<br />
Verstorbenen die Urne in Deutschland übrigens<br />
nicht mit nach Hause nehmen und auf dem<br />
Kaminsims platzieren, wie man es häufig in Hollywood-Filmen<br />
sieht. Sie muss fachgerecht beigesetzt<br />
werden, wobei je nach Art der Bestattung das<br />
Material der Urne variiert.<br />
Für Wald- oder Baumbestattungen wird beispielsweise<br />
eine Urne aus biologisch abbaubaren<br />
Materialien benötigt, die dann im Wurzelbereich<br />
eines Baumes in die Erde herabgelassen wird, um<br />
von ihm absorbiert zu werden. Solche Bestattungen<br />
werden in Deutschland immer beliebter, und<br />
auch wenn sie nur auf bestimmten, behördlich<br />
genehmigten Waldfriedhöfen zulässig sind, gibt<br />
es inzwischen eine große Auswahl an Wäldern, in<br />
denen man seine letzte Ruhe finden kann.<br />
Wem ein Baum zu werden dennoch nicht originell<br />
genug ist, der kann seine Urne in ein anderes<br />
Land überführen lassen und so trotzdem eine<br />
der vielen weiteren Alternativen zur klassischen<br />
Beerdigung nutzen. Das ist legal.<br />
Dabei muss die Urne nicht zwangsläufig um<br />
die halbe Welt reisen: Auch direkte Nachbarländer<br />
bieten interessante Perspektiven. In der<br />
Schweiz beispielsweise kann man seine Asche im<br />
Zug einer Almwiesenbestattung unter einem Edelweiß<br />
vergraben oder auf der Wiese verstreuen<br />
lassen. In Belgien und den Niederlanden ist als<br />
Alternative zur See- eine Flussbestattung möglich.<br />
Die Trauernden können mit einem Schiff in die<br />
Mitte eines Stromes gefahren werden, um dort die<br />
Asche in einer wasserlöslichen Urne hinab zu lassen.<br />
Es gibt also viele Wege, seine Spuren auf der<br />
Erde zu hinterlassen. Aber was ist mit dem letzten<br />
CO 2<br />
-Fußabdruck? Beim Notieren der bevorzugten<br />
Bestattungsform kann und sollte man nicht nur<br />
an die Effekte denken, die das eigene Ableben auf<br />
Angehörige hat, sondern auch, welche es für den<br />
Planeten mit sich zieht. Klassische Beerdigungen<br />
im Sarg werden oftmals als Belastung für die Umwelt<br />
angesehen, denn Spuren aus behandeltem<br />
Holz, Metallen, Beton oder für die Balsamierung<br />
benötigten Chemikalien könnten ins Grundwasser<br />
gelangen.<br />
Da mag eine Einäscherung weniger umweltschädlich<br />
erscheinen, als die mit Formaldehyd<br />
vollgepumpte Leiche unter einer Betonplatte zu<br />
vergraben. Aber beim Verbrennen des Leichnams<br />
wird eine Menge Brennstoff benötigt, was zu hohem<br />
Ausstoß an Treibhausgasen führt. Selbst eine<br />
Beisetzung im Wald ist als Variante zur Feuerbestattung<br />
nicht hundertprozentig umweltbewusst.<br />
Diese Wahl zwischen Pest und Cholera ließe sich<br />
vermeiden, indem man den Leichnam ohne synthetische<br />
Materialien, Chemikalien oder Beton<br />
im Boden vergraben und dort verrotten lassen<br />
dürfte. Solche Naturbestattungen sind in einigen<br />
Ländern erlaubt, nicht aber in Deutschland.
01/ 2022 WHY? 25<br />
Bilder: Facebook / @recomposelife<br />
Eine weitere Version dieser natürlichen Bio-<br />
Reduktion wurde vom amerikanischen Startup<br />
Recompose ins Leben gerufen: Sie kombiniert die<br />
rituellen Aspekte einer Beerdigung mit den wissenschaftlichen<br />
Vorzügen einer Naturbestattung<br />
im Prinzip des Human composting. Die Architektin<br />
und Gründerin des Unternehmens Katrina<br />
Spade entwickelte die Idee des kompostierbaren<br />
Menschen in 2011 im Rahmen ihrer Thesis über<br />
den Umgang mit Leichen in dicht bevölkerten<br />
Städten als Alternative zur Einäscherung.<br />
Inspiriert wurde die Idee von Farmern, die<br />
Tierkadaver kompostieren. Seit Dezember 2020<br />
können sich Verstorbene im ersten Standort des<br />
US-Unternehmens in Seattle von Recompose<br />
kompostieren lassen. Die Legalisierung des Prozesses<br />
stellt die größte Hürde des Unternehmens<br />
dar, weshalb das Verfahren außer in Washington<br />
bisher nur in Oregon und Colorado legal ist, wo in<br />
den nächsten Jahren ebenfalls Standorte errichtet<br />
werden sollen. Innerhalb von 30 Tagen kann<br />
Recompose einen Leichnam in knapp einen<br />
Kubikmeter nährstoffreiche Erde verwandeln. Im<br />
Vergleich zur Verbrennung werden so zwischen<br />
0,84 und 1,4 Tonnen Kohlendioxid gespart.<br />
So funktioniert das Ganze: Die Verstorbenen<br />
werden in eine offene Stahlwanne gelegt, mit<br />
Holzspänen, ewigem Klee, Stroh und weiteren<br />
Pflanzen oder Blumen bedeckt und anschließend<br />
in eine Einzelzelle geschoben, durch die lediglich<br />
Luft für ungehinderte Sauerstoffzufuhr geleitet<br />
wird. Die Mikroben, die für die Zersetzung des organischen<br />
Materials zuständig sind, befinden sich<br />
bereits während des Lebens im menschlichen Körper<br />
und starten den Abbau mit Eintritt des Todes.<br />
In den folgenden drei bis sechs Wochen zersetzen<br />
die Mikroben das organische Material zu Erde, die<br />
dabei Temperaturen von über 50 Grad erreicht<br />
und mögliche Schadstoffe neutralisiert.<br />
Anschließend werden künstliche Gelenke und<br />
ähnliches aussortiert und übrig gebliebene Knochenteile<br />
zermalmt, damit eine homogene Masse<br />
entsteht. Die entstandene Erde wird dann den<br />
Vorschriften entsprechend getestet. Anzumerken<br />
ist dabei, dass menschliche Erde wider Erwarten<br />
nicht besser oder besonderer ist als anderer Kompost.<br />
Für die Angehörigen der Verstorbenen mag<br />
sie dennoch eine spezielle Bedeutung haben. Es<br />
kann nach Belieben entweder die komplette Erde<br />
oder lediglich eine kleinere Menge für die Balkonpflanze<br />
abgeholt werden.<br />
Die restliche Erde spendet Recompose an das<br />
Bells-Mountain-Project der Organisation Remember-Land,<br />
das sich der Restauration eines abgeholzten<br />
Waldstückes verschrieben hat und mit<br />
den Nährstoffen aus dem Kompost den Boden<br />
wiederbelebt. Schon 28 Menschen sind inzwischen<br />
Teil von Bells-Mountain. Romantisch betrachtet,<br />
wird der Mensch am Ende des Prozesses<br />
komplett in die Erde aufgenommen und schließt<br />
so den Kreislauf des Lebens.<br />
Human Composting<br />
Das amerikanische Startup Recompose nutzt<br />
das Prinzip der natürlichen organischen Reduktion<br />
(NOR) um Körper innerhalb von 30<br />
Tagen in nährstoffreiche Erde zu verwandeln.<br />
Mehr Informationen unter: recompose.life
26 WHY?<br />
mediakompakt<br />
Bilder: Robyn Klittich/ Lasmiranda Tattoo<br />
Die Tattooszene sieht schwarz<br />
Etwa jeder fünfte Bundesbürger<br />
ist laut einer Umfrage des<br />
Ipsos-Institus tätowiert, viele<br />
davon bunt. Doch damit ist<br />
Schluss. Eine neue EU-Verordnung<br />
sorgt seit Januar 2022<br />
dafür, dass Tätowierer und<br />
Fans im wahrsten Sinne des<br />
Wortes schwarzsehen.<br />
VON SABRINA CHRISTMANN<br />
Wegen einer Änderung in der EU-<br />
Chemikalienverordnung REACH<br />
sind seit dem Jahreswechsel rund<br />
zwei Drittel der Tattoo-Farben<br />
verboten. Der Grund: laut der<br />
Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) enthalten<br />
die Farben „gefährliche Stoffe Außerdem<br />
sollen sie Hautallergien auslösen, genetische Mutationen<br />
hervorrufen und zu Krebs führen können.<br />
Die Besitzerinnen des Lasmiranda Tattoo in<br />
Gültstein, Lisa und Robyn Klittich, können darüber<br />
nur den Kopf schütteln. „Wir hatten in unserer<br />
siebenjährigen Laufbahn erst eine negative<br />
Reaktion auf einen Farbton. Für uns ist das ein<br />
Tiefschlag. Die Ungewissheit welche Auswirkungen<br />
das tatsächlich für uns und unser Geschäft<br />
haben wird ist belastend.“<br />
Vor acht Jahren haben die Schwestern ihr Studio<br />
eröffnet. Jeder zwanzigste Kunde wünscht ein<br />
farbiges Tattoo. Viele haben sie in den vergangenen<br />
Wochen auf die Verordnung angesprochen –<br />
es herrsche große Verunsicherung. „Zum einen<br />
betrifft das Verbot bestimmte Konservierungsmittel<br />
wie beispielsweise Titandioxid, welches schon<br />
seit Jahrzehnten in Lebensmitteln enthalten ist.<br />
Zum anderen betrifft es Farbpigmente, die aus reiner<br />
Vorsorge verboten werden sollen, ohne dass<br />
es ausreichend Studien zu möglichen Allergien<br />
gibt“, sagen sie.<br />
Von 2023 an sollen zusätzlich die Pigmente<br />
Blau 15:3 und Grün 7 verboten werden. Die<br />
EU-Kommission und die EU-Mitgliedsstaaten haben<br />
sich auf einen längeren Übergangszeitraum<br />
geeinigt, damit die Branche geeignete Alternativen<br />
finden kann. Doch ein Problem bleibt: „Über<br />
mehrere Jahre haben wir uns die Arbeit mit den<br />
Pigmenten aus unseren derzeitigen Farben angeeignet<br />
und unsere Mischverhältnisse für bestimmte<br />
Schattierungstechniken perfektioniert.<br />
Die Umstellung auf eine neue Farbe bedeutet für<br />
uns wieder mehrere Jahre Zeit und Erfahrung zu<br />
investieren“, sagen Robyn und Lisa.<br />
Außerdem entsteht ein weiteres, großes Problem<br />
in der professionellen Tattoo-Branche: der<br />
Schwarzmarkt wächst. Seit zwei Jahren beobachten<br />
die Besitzerinnen des Lasmiranda-Tattoo-Studios<br />
einen besorgniserregenden Anstieg der sogenannten<br />
„Hinterhof Tätowierer“ wegen des pandemiebedingten<br />
Lockdowns. Während professionelle<br />
Anbieter und deren Arbeitsmaterialien regelmäßig<br />
vom Gesundheitsamt kontrolliert werden<br />
müssten, spiele sich der Schwarzmarkt im Privaten<br />
ab, und keiner wisse, was da geschehe, sagen<br />
Robyn und Lisa.<br />
Für den Erhalt der ab 2023 verbotenen Pigmente,<br />
kämpft auch die „Save the Pigments“-Petition<br />
auf EU-Ebene, die von Tätowiermittel-Experte<br />
Michael Dirks und von Erich Mähnert, Branchensprecher<br />
der Wirtschaftskammer Wien und<br />
Österreich, ins Leben gerufen wurde . Mehr als<br />
120.000 Unterstützer kann die Petition inzwischen<br />
vorweisen. An einen Erfolg oder gar eine<br />
Änderung des Verbots glauben die Profis aus Gültstein<br />
leider nicht. Der öffentliche Druck bei dieser<br />
Thematik sei zu gering, eine Aufklärung in den<br />
Medien finde nicht statt.<br />
Das Ende der bunten Tattoo-Farbpalette<br />
scheint unausweichlich. Wünsche für die Zukunft<br />
haben die Schwestern dennoch. Nach wie vor<br />
wird die Tattoo- Branche als Nischenmarkt abgetan.<br />
Das müsse sich ändern und sie als essenziell<br />
wichtiger Wirtschaftszweig von der Regierung<br />
anerkannt und gesehen werden. Jüngste Beispiele<br />
seien die Ereignisse der Corona-Politik gewesen,<br />
in denen die Branche schlicht vergessen wurde.<br />
Viele Monate hatte das Lasmiranda-Tattoo wegen<br />
des Lockdowns geschlossen – ein enormer Druck<br />
finanziell sowie mental. Auch in diesem Winter<br />
herrscht erneut große Verunsicherung.<br />
Und deshalb appellieren Robyn und Lisa an<br />
die Regierung – und die Bevölkerung: „Es wird<br />
endlich Zeit, dass wir wahrgenommen werden.<br />
Wir möchten uns nicht orientierungslos selbstverwirklichen,<br />
sondern führen erfolgreiche Unternehmen,<br />
schaffen Arbeitsplätze und vertreten<br />
einen enorm großen Wirtschaftszweig.“<br />
Das Lasmiranda Tattoo<br />
Grünewaldstraße 4/1, 71083 Herrenberg<br />
Website: lasmiranda.eu<br />
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01/ 2022 WHY? 27<br />
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28 WHY?<br />
mediakompakt<br />
Die politische<br />
Periode – ein Tabu!<br />
Franka Frei zeigt in ihrem Buch „Periode ist politisch“, welche<br />
weitreichenden Konsequenzen das Menstruationstabu für<br />
Umwelt, Wirtschaft sowie die finanzielle und soziale<br />
Geschlechtergleichstellung hat. Ihre Forderung: Es ist<br />
höchste Zeit, etwas dagegen zu tun.<br />
VON VIVIENNE REIM<br />
Bild: Adobe Stock Photo<br />
Jede fünfte Frau schämt sich nach Angabe<br />
beim Kauf von Periodenprodukten.<br />
Grund ist die Tabuisierung dieses Themas.<br />
Franka Frei wurde als Studentin gewarnt,<br />
ihre Bachelorarbeit darüber zu<br />
verfassen. Nun hat sie ein Buch geschrieben, um<br />
mit dem Tabu dieser faszinierenden Körperfunktion<br />
zu brechen. „Am Ende geht es weniger um Bluten<br />
oder Nichtbluten als um die globale geschlechterspezifische<br />
Ungleichheit, die sich auch<br />
in dem Thema Periode spiegelt“, sagt sie.<br />
Abgesehen davon, dass Periodenblut in der<br />
Geschichte der Menschheit lang als giftig, tödlich<br />
oder sogar als Strafe Gottes angesehen wurde,<br />
wird bis heute menstruierenden Frauen grundsätzlich<br />
weniger zugetraut. So wurde Hillary Clinton<br />
2017 öffentlich als potenzielle Präsidentin infrage<br />
gestellt. Grund: nichts Geringeres als ihre<br />
Periode. Was wäre, wenn die Präsidentin zu dieser<br />
Zeit des Monats immer krank und unbrauchbar<br />
sei, hieß es dazu vom politischen Gegner.<br />
Doch nicht nur Aberglaube und Mythen sind<br />
Grund für das weltweit strukturelle Problem dieses<br />
Themas. In Indien brechen 20 Prozent aller<br />
Mädchen nach Eintreten der ersten Periode die<br />
Schule ab. Der Grund: fehlende Aufklärung und<br />
Unverständnis. Jungen Frauen wird früh vermittelt,<br />
sie hätten sich während der Monatsblutung<br />
von nicht menstruierenden Menschen fernzuhalten.<br />
In manchen Kulturen steht die Menstruation<br />
immer noch für Unreinheit.<br />
Mädchen verstecken ihre blutigen Perioden-<br />
Lappen vor den Augen anderer. Denn die Periode<br />
sei etwas Schlimmes, für was sie sich schämen<br />
müssten. Zur Schule gehen ist schlicht nicht möglich.<br />
Selbst wenn Hygieneartikel zur Verfügung<br />
stehen, gibt es oft keine Möglichkeiten diese in<br />
der Schule zu wechseln oder zu entsorgen, da andere<br />
das Blut sehen könnten.<br />
Selbst wenn die Aufklärung über Hygieneprodukte<br />
vorhanden ist, fehlt es oft dennoch an diesen.<br />
Wie Franka Frei auf ihrer Reise nach Indien<br />
erfährt, sparen selbst bettelarme Familien in<br />
Slums Geld für Menstruationsprodukte der Töchter.<br />
Die Kosten für eine Packung Binden entsprechen<br />
oft einem gesamten Tageslohn. Doch die sogenannte<br />
„Periodenarmut“ ist nicht nur in unterentwickelten<br />
Ländern der Welt präsent. Laut der<br />
Hilfsorganisation Plant International hat eine<br />
von sieben Schülerinnen in Großbritannien Probleme,<br />
sich Binden oder Tampons leisten zu können.<br />
Das heißt: Auch dort bleiben viele Mädchen<br />
aus Scham zuhause und verpassen deshalb ihren<br />
Unterricht.<br />
Bild: Penguin Random House<br />
Denn in einer Gesellschaft, in der kein Tropfen<br />
Blut zu sehen sein darf, sind Monatsprodukte,<br />
anders als beispielsweise Rasierschaum, eine Notwendigkeit.<br />
Trotz der Mehrwerts-Steuersenkung<br />
auf Binden und Tampons in Deutschland 2019<br />
sind diese immer noch für viele zu teuer.<br />
In Frankreich wird bereits eingegriffen, seit 2021<br />
gibt es an allen Hochschulen des Landes kostenlose<br />
Periodenprodukte. Einige deutsche Hochschulen<br />
setzen sich ebenfalls dafür ein.<br />
Insgesamt fünf freizugängliche Selbstbedienautomaten<br />
stehen auf dem Gelände der Hochschule<br />
Saarbrücken. Das Team der Beteiligten betont:<br />
„Menstruationsprodukte gehören zum täglichen<br />
Bedarf wie Seife und Papiertücher. Die Spender-Automaten<br />
sind ein unterstützendes Signal,<br />
das im Studienalltag erleichternd spürbar sein<br />
wird.“. Judith Bühler, Studentin an der Hochschule<br />
Saarbrücken und Mitwirkende an dem Projekt<br />
sagte der „Tagesschau“, sie wünsche sich, dass<br />
sich „alle Frauen auf dem Campus durch die Automaten<br />
sicher und aufgehoben fühlen.“<br />
Wichtig ist allerdings zu sagen, dass das Thema<br />
Menstruation in einer politischen Diskussion<br />
seine Berechtigung hat. Und dafür setzt sich auch<br />
Franka Frei ein, wie sie schreibt: „Die Periode existiert.<br />
Und wir existieren alle nur wegen der Periode.<br />
Ginge sie uns so geschickt aus dem Weg wie<br />
wir ihr, hätten wir ein kleines Problem, was den<br />
Erhalt der Menschheit anbelangt.“<br />
Periode ist politisch<br />
ein Manifest gegen das<br />
Menstruationstabu<br />
von Franka Frei<br />
bei Penguin Random<br />
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01/ 2022 WHY? 29<br />
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30 WHY?<br />
mediakompakt<br />
Bilder: Pexels
01/ 2022 WHY? <strong>31</strong><br />
„Jede Route ist wie ein Rätsel“<br />
Klettern ist schon lange kein Modesport mehr. In jeder größeren Stadt gibt es mittlerweile<br />
eine Boulderhalle, in denen sich Amateure und Profis an den Routen versuchen.<br />
Was macht die Faszination des Kletterns aus? Ein Gespräch<br />
VON ALEXANDER BAUER<br />
Vor etwa vier Jahren kam Bouldern als<br />
neue Trendsportart nach Deutschland<br />
und überall wurden Kletterhallen gebaut.<br />
Bouldern zeichnet sich dadurch<br />
aus, dass man an Kletterwänden nur<br />
bis zur Absprunghöhe klettert. Nach zwei Jahren<br />
und bedingt durch die Pandemie ebbte der Hype<br />
jedoch ab. Das änderte sich mit den Olympischen<br />
Sommerspielen 2021. Hier wurde erstmals Sportklettern<br />
als Disziplin aufgenommen, das dadurch<br />
einem breiteren Publikum eine Kombination aus<br />
Speedklettern, Bouldern und Leadklettern präsentierte<br />
und damit eine neue Begeisterungswelle<br />
auslöste. Wir haben Hobby-Kletterer Sebastian<br />
Bauer gefragt, was denn die Faszination des Kletterns<br />
ausmacht und wie sich der Sport wandelt.<br />
Der 30-jährige Sonderschullehrer ist noch vor<br />
dem Hype ums Bouldern in den Sport eingestiegen<br />
und ist seit Jahren so wohl in Hallen als auch<br />
am Felsen unterwegs.<br />
mediakompakt: Wie bist Du zum Klettern gekommen?<br />
Sebastian: Ich habe 2009 mit ein paar Freunden einen<br />
Seilkletterkurs besucht, habe aber schnell gemerkt,<br />
dass ich dabei mit der Höhe an meine<br />
Grenzen stoße. Mit dem Bouldern habe ich 2017<br />
mit meinem ehemaligen Mitbewohner angefangen.<br />
Da liegt mir die Höhe und die Klettertechniken<br />
finde ich spannender.<br />
mediakompakt: Was macht für Dich die Faszination<br />
des Kletterns aus?<br />
Sebastian: Dass es beim Bouldern keine Hilfsmittel<br />
braucht. Nur Kletterschuhe anziehen, schon kann<br />
man so gut wie überall klettern. Man kann sogar<br />
barfuß loslegen. Außerdem finde ich die Verbindung<br />
aus Balance, Kraft und Konzentration sehr<br />
spannend. Jede Route ist wie ein Rätsel, bei dem<br />
man mit Körper und Geist eine Lösung sucht.<br />
mediakompakt: Was motiviert Dich, immer neue<br />
Routen zu meistern?<br />
Sebastian: Mich motiviert vor allem, im Austausch<br />
mit anderen zu klettern. Wenn man mit anderen<br />
Kletternden die Routen macht und sich über Probleme<br />
austauschen kann. Bouldern ist ein sozialer<br />
Sport, bei dem man gemeinsam Routen als Projekt<br />
angeht und meistert.<br />
mediakompakt: Man klettert beim Bouldern eher<br />
quer als in die Höhe. Dennoch ist ein Absturz bestimmt<br />
nicht ungefährlich. Wie gehst Du mit<br />
Angst beim klettern um?<br />
Sebastian: Als der Hype ums Bouldern begann,<br />
sind viele ohne die grundlegenden Verhaltensregeln<br />
zu kennen an die Wand. Da hat sich kaum jemand<br />
vorher informiert, wie man bei einem Sturz<br />
sicher landet und was zu beachten ist, um sich<br />
und andere zu nicht zu gefährden. In der Halle<br />
gibt es die Matte als Sicherheit, aber wenn man<br />
sich nicht richtig abfängt, besteht dennoch eine<br />
Verletzungsgefahr. Draußen am Felsen ist es noch<br />
gefährlicher, weil man höchstens eine selbst mitgebrachte<br />
Matte hat. Da klettert man am besten<br />
zu zweit, damit eine Person die Matte unter dem<br />
Kletternden hinterherziehen kann.Zum Thema<br />
Angst: Man trainiert bewusst damit umzugehen.<br />
Ich klettere in der Halle dann eher scary Routen,<br />
weil ich die Sicherheit der Matte habe. Es hilft,<br />
sich schrittweise an Routen ranzutasten und mit<br />
Konzentration bei der Route zu sein. Beherrscht<br />
man die grundlegenden Techniken, existiert eine<br />
gewisse Sicherheit.<br />
mediakompakt: Wo könnte sich die Kletterszene<br />
Deiner Meinung nach in zehn oder in 20 Jahren<br />
hin entwickeln?<br />
Sebastian: Ich bin der Meinung, dass der Hype um<br />
Bouldern abnimmt. Die Zeit der völlig überfüllten<br />
Hallen geht nicht nur durch die Pandemie zu Ende.<br />
Die Leute zieht es eher zum Seilklettern. Das<br />
mag zwar ähnlich aussehen, es sind jedoch grundsätzlich<br />
verschiedene Bereiche und Techniken.<br />
Der Klettersport steht aus meiner Sicht am Scheideweg.<br />
Durch die Olympischen Spiele wurde ein<br />
breiteres Publikum erreicht und viele Veranstalter<br />
sehen jetzt die Chance, Kapital aus Wettkämpfen<br />
zu ziehen. Über kurz oder lang dürfte sich die Szene<br />
in zwei Lager spalten: Die Freizeitkletterer werden<br />
weiter nur für sich klettern, ohne Ansporn,<br />
die Besten in der Szene zu werden. Die andere<br />
Gruppe wird sich auf die finanziell attraktiveren<br />
Wettbewerbe stürzen und sich Sponsoren suchen.
32 WHY?<br />
mediakompakt<br />
Sharing is caring<br />
Capsule Wardrobe extrem:<br />
Basics besitzen und den Rest<br />
mieten. Können wir so dem<br />
Fast Fashion Wahnsinn gut<br />
gekleidet die Stirn bieten?<br />
VON LAURA SCHWARZ<br />
Lena Schröder, Geschäftsleitung der<br />
Kleiderei vor ihrem Store in Köln<br />
Bild: Kleiderei<br />
Die Deutschen kaufen im Schnitt 60<br />
Kleidungsstücke im Jahr. 40 Prozent<br />
davon, also 24 Teile, werden nie,<br />
oder nur selten, getragen. Jede*r<br />
kennt das Gefühl vor dem vollen<br />
Kleiderschrank, man hätte nichts anzuziehen.<br />
Wie kann das sein, wenn wir doch so fleißige<br />
Shopper*Innen sind? Und das, obwohl die<br />
meisten Verbraucher*Innen von den Bedingungen<br />
wissen, unter denen sogenannte Fast Fashion<br />
produziert wird. Als Fast Fashion werden<br />
Kleidungsstücke bezeichnet, die für eine Saison<br />
oder einen Trend billig produziert werden und<br />
schnell wieder durch Neues ersetzt werden sollen.<br />
Ökologische und soziale Aspekte sind bei der<br />
Produktion solcher Kleidungsstücke meist mehr<br />
als fragwürdig.<br />
Doch Jede*r kann mit dem Kaufverhalten zum<br />
Schutz der Umwelt und aller in der Produktionskette<br />
betroffenen Personen beitragen – durch den<br />
Kauf von Fair Fashion, also nachhaltig produzierten<br />
Kleidungsstücken. Diese sind meist teurer als<br />
die herkömmliche Mode der großen Ketten. Doch<br />
durch eine bessere Qualität können sie länger<br />
getragen werden und landen nicht im Müll. Wer<br />
weniger und fair kauft, reduziert seinen CO 2<br />
-<br />
Abdruck drastisch und hat außerdem einen<br />
übersichtlicheren Kleiderschrank.<br />
Wer einen Schritt weitergehen will, kann den<br />
Inhalt seines/ihres Kleiderschranks auf eine sogenannte<br />
Capsule Wardrobe reduzieren. Hier wird<br />
auf Kleidungsstücke minimiert, die gern getragen<br />
werden, gute Qualität haben und möglichst gut<br />
untereinander kombinierbar sind. Dabei werden<br />
möglichst zeitlose Stücke ausgewählt und durch<br />
einige besondere Teile aufgewertet. Aber muss<br />
man deshalb aufs Shoppen verzichten? Im Idealfall<br />
ja, es gibt aber eine Alternative. Immer mehr<br />
Startups bieten die Möglichkeit, Kleidung zu<br />
mieten. In verschiedenen Mietmodellen kann so<br />
Vorhandenes durch besondere Einzelteile ergänzt<br />
werden. Diese werden allerdings nicht gekauft,<br />
sondern für einen bestimmten Zeitraum gemietet<br />
und danach wieder zurückgegeben.<br />
Um diese besonderen Kleidungsstücke<br />
kümmert sich zum Beispiel das Unternehmen<br />
Fairnica. Die Gründer*Innen haben sich komplett<br />
auf die Vermietung von „Kapseln“ spezialisiert.<br />
Eine Kapsel besteht aus einer fest zusammengesetzten<br />
Auswahl an Kleidungsstücken. Diese<br />
sollen einen Schrank voller Basics aufpeppen und<br />
ergänzen.<br />
Fairnica startete 2017 als Fair Fashion Blog von<br />
Nicola Henseler. Gemeinsam mit Freunden nahm<br />
Henseler im Sommer 2018 mit ihrem Vermietkonzept<br />
beim Gründerwettbewerb Senkrechtstarter<br />
teil, landete auf dem 4. Platz und bekam den<br />
Sonderpreis für Nachhaltigkeit, der von der GLS<br />
Bank verliehen wird. So gelangten die<br />
Gründer*Innen an ein kleines Startkapital, mit<br />
dem sie ihre erste Kapsel auf den Markt brachten.<br />
Diese war innerhalb kürzester Zeit ausgebucht<br />
Das Konzept von Fairnica orientiert sich stark<br />
an der Idee einer Capsule Wardrobe. Es werden<br />
einige Basics vorausgesetzt: eine blaue und eine<br />
schwarze Jeans, ein schwarzes und ein weißes<br />
T-Shirt. Zusammen mit einer Kapsel von Fairnica,<br />
die fünf bis acht Teile enthält, sollen mindestens<br />
30 Outfits gestylt werden können. Zu mieten gibt<br />
es nur Kleidungsstücke von fair produzierenden<br />
Marken, oft auch von kleineren Labels. Die Mietdauer<br />
beträgt ein, zwei oder drei Monate. Wer
01/ 2022 WHY? 33<br />
seine Kapsel verlängert, zahlt ab dem zweiten<br />
Monat weniger Miete – nach sechs Monaten<br />
Verlängerung darf die Kapsel behalten werden.<br />
Das Unternehmen bietet sowohl Kleidung für<br />
Frauen, als auch für Männer an. Die Preise belaufen<br />
sich auf 59 bis 89 Euro pro Monat. Den hohen<br />
Preis erklärt Fairnica mit der Qualität der<br />
Kleidungsstücke.<br />
In einer Umfrage aus dem Jahr 2017<br />
gaben 63 Prozent der Befragten an, monatlich 50<br />
Euro oder mehr für Kleidung auszugeben, etwas<br />
mehr als ein Drittel investierten demnach durchschnittlich<br />
sogar 75 Euro oder mehr im Monat.<br />
Fairnica liegt mit ihrer Preisgestaltung in einer<br />
realistischen Höhe. Zumindest, wenn davon<br />
ausgegangen wird, dass die geforderten Basics<br />
vorhanden sind, und dies gemeinsam mit einer<br />
ausgewählten Kapsel genug Kleidung für eine<br />
Person ist.<br />
Kund*Innen können bei Fairnica online die<br />
gewünschte Kapsel auswählen oder in einer „Mix<br />
and Match“-Kapsel die gewünschten Kleidungsstücke<br />
selbst zusammenstellen. Nach Auswahl der<br />
Mietdauer wird die Kleidung nach Hause versandt<br />
und kann dort den eigenen Kleiderschrank<br />
bereichern. Zuhause können die Teile ganz<br />
normal gewaschen werden, den letzten Waschgang<br />
vorm Zurücksenden können sich die<br />
Kund*Innen jedoch sparen, denn Fairnica wäscht<br />
vor einem erneuten Verleih alles professionell. So<br />
ist die Hygiene zwischen einem Wechsel auf jeden<br />
Fall gegeben.<br />
Die allermeisten Mietmodelle für Kleidung<br />
sind nur online zugänglich. Wer lieber offline<br />
leiht, wird aber zum Beispiel bei der Kleiderei in<br />
Köln und Freiburg fündig. In den beiden Stores<br />
werden Vintage- und Fair-Fashion-Teile angeboten.<br />
Um sich Kleidungsstücke zu leihen, muss<br />
man Mitglied werden. Dafür unterschreibt man<br />
vor Ort einen Mitgliedsvertrag und bekommt<br />
einen entsprechenden Ausweis. Für 29 Euro im<br />
Monat können immer vier Teile parallel geliehen<br />
werden.<br />
Diese können sich die Mitglieder*Innen<br />
jedoch frei aus dem Sortiment aussuchen und, im<br />
Gegensatz zu Fairnica und anderen Onlineanbietern,<br />
anprobieren. Kleiderei-Kund*Innen sind<br />
nicht an eine bestimmte Auswahl oder begrenzte<br />
Mietdauer gebunden. Sie entscheiden sich selbst<br />
für jedes einzelne Stück und können ihre vier<br />
Teile ganz flexibel jederzeit in den Stores tauschen.<br />
Kleiderei gibt an, dass sie sich für vier Kleidungsstücke<br />
entschieden haben, weil damit für<br />
jeden Anlass ein Outfit gestylt werden könne und<br />
audf diese Art und Weise unnötige Einkäufe<br />
minimiert werden könnten.<br />
Vor der Rückgabe werden die Kleidungsstücke<br />
zuhause selbst gewaschen, die Reinigung wird nur<br />
gegen einen kleinen Aufpreis von der Kleiderei<br />
übernommen. Teile, die nicht gewaschen werden<br />
dürfen, sind extra gekennzeichnet und müssen in<br />
die Reinigung. Dies können die Kund*Innen<br />
selbst übernehmen, oder für 16 Euro die Kleiderei<br />
beauftragen.<br />
Warum Kleidung mieten für Jeden eine gute<br />
Idee sein kann? Die nachhaltigste Variante<br />
Kleidungsstücke zu kaufen, ist sicherlich sie nicht<br />
zu kaufen, sondern sie mit anderen zu teilen.<br />
Genau das ist der Kern des Kleider-Sharings. Gut<br />
für die Umwelt, gut für die Menschen, die hinter<br />
der Produktion stehen. Fehlkäufe werden verhindert,<br />
der Kleiderschrank nicht gefüllt mit Teilen,<br />
die nie getragen werden.<br />
Das Gefühl beim Blick in den Schrank wird<br />
nicht mehr ganz so ratlos sein. Kund*Innen der<br />
vorgestellten Mietmodelle können außerdem<br />
ganz neue Stile ausprobieren, ganz ohne Druck,<br />
ganz verrückte Styles, ganz normale Basics. Denn<br />
was nicht gefällt, kann einfach zurückgegeben<br />
werden. Und im Fall der Kleiderei ist es wahrscheinlich<br />
sogar günstiger, als Kleidung neu zu<br />
kaufen. Günstiger für unseren Planeten auf jeden<br />
Fall. Und wenn etwas zum Lieblingsteil wird,<br />
kann es auch gekauft werden.<br />
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34 WHY?<br />
mediakompakt<br />
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01/ 2022 WHY? 35<br />
Kein Kinderspiel<br />
Bilder: Ronny Schoenebaum (JES)<br />
In Stuttgart macht das Junge Ensemble Theater für junge Menschen und schafft es für<br />
Zuschauende aller Altersgruppen Anknüpfungspunkte zu finden. Daphna Horowitz<br />
erläutert, wie und warum das gelingt und welche Schwierigkeiten es zu überwinden gibt.<br />
VON LARISSA HILGERS<br />
Ein kühler Samstagabend im November:<br />
Das Junge Ensemble Stuttgart (JES)<br />
zeigt zuerst ein Stück über die Diskriminierung<br />
von weiblich gelesenen<br />
Körpern („Archiv der Körper“),<br />
anschließend wird auf der Hauptbühne die Frage<br />
nach dem Erwachsenwerden („Generation S“)<br />
thematisiert.<br />
Sehr viel passender lässt sich der Zeitgeist der<br />
Jugend kaum veranschaulichen. Aber wie gelingt<br />
das? „Im JES diskutieren wir natürlich<br />
aktuelle Themen. Wir fragen uns: Was beschäftigt<br />
das Publikum? Und wie können wir das auf die<br />
Bühne bringen“, erläutert Daphna Horowitz, die<br />
sich als Theaterpädagogin am JES auch als<br />
Vermittlerin zwischen dem jungen Publikum und<br />
der Bühne versteht.<br />
Dabei dürfe man sich laut Horowitz nicht<br />
beschränken. Kinder beschäftigen dieselben<br />
Themenkomplexe wie Erwachsene – allerdings in<br />
ihrer eigenen Lebenswelt. Bei der Aufbereitung<br />
für ein junges Publikum achte sie vor allem auf die<br />
Sprache und dass alle Stücke Elemente haben, mit<br />
denen sich die Zuschauenden identifizieren<br />
können. „Theater kann nicht als reines<br />
Unterhaltungsformat verstanden werden. Ein<br />
Theaterbesuch soll zum Nachdenken und zur<br />
Diskussion anregen“, sagt sie. Wichtig sei, zu<br />
fragen, was Theater ist. Vor allem Kinder haben<br />
ein sehr klassisches Verständnis von Theater:<br />
Texte, Kostüme und Rollen. Da kommt unmittelbar<br />
die Frage auf: „Moment, was ist für dich<br />
Theater, was kann es alles sein?“ Es begrenzt sich<br />
nicht auf einen Raum oder eine Bühne oder ein<br />
Publikum. „Theater ist ein Ort, der sich ständig<br />
wandelt“, sagt Daphna Horowitz.<br />
Das JES konnte wegen der Corona-Pandemie<br />
über Monate hinweg fast ausschließlich im<br />
digitalen Raum Stücke aufführen. Als die<br />
Regelungen es wieder zugelassen hätten, besuchten<br />
Schulklassen das Theater wieder. Die<br />
Pädagog*innen legten dabei Wert darauf, dass die<br />
Gruppendynamik der Klassen von Theatervermittler*innen<br />
gestärkt wird. Dieses Gefühl der<br />
Dynamik habe in den langen Home-Schooling-<br />
Phasen stark gelitten. Durch interaktive Workshops<br />
des JES können die sozialen Aspekte des<br />
Theaterspielens ausgeschöpft und so die<br />
Beziehungen zwischen den Teilnehmenden<br />
gestärkt werden.<br />
In den Vorstellungen sollen die Zuschauenden<br />
herausgefordert werden. Das Theater ist dabei<br />
ein sich anpassender Beitrag, der die Gesellschaft<br />
kritisch spiegelt. Das JES zeichnet aus, dass es als<br />
Kinder- und Jugendtheater das Publikum ernst<br />
nimmt. „Wir machen hier kein Kasperle-Theater<br />
mit den Kindern“, sagt Horowitz, „sondern<br />
suchen Themen, die sie interessieren und<br />
beschäftigen und versuchen diese, in die Stücke<br />
aufzunehmen und in unseren Workshops mit den<br />
Kindern und Jugendlichen zu erarbeiten.“<br />
In diesem Sinne: Bühne frei!<br />
Das Junge Ensemble Stuttgart<br />
Als Kinder- und Jugendtheater bietet das<br />
Junge Ensemble Stuttgart auf drei Bühnen<br />
im Kulturzentrum „Unterm Turm“<br />
verschiedene Produktionen von und für<br />
junge Menschen. Ein wechselndes<br />
Ensemble präsentiert dabei klassische<br />
Erzähltheater bis hin zu partizipativen Projekten<br />
und interaktiven Vorstellungen. Zudem<br />
ist das JES alle zwei Jahre selbst Gastgeber<br />
des Festivals „Schöne Aussicht“ und<br />
arbeitet national, ebenso international,<br />
mit verschiedenen Theatermacher*innen<br />
zusammen.<br />
www.jes-stuttgart.de/
36 WHY?<br />
mediakompakt<br />
OUT AND PROUD<br />
Bild: Marco Lehmann / Instagram
01/ 2022 WHY? 37<br />
Homosexualität ist insbesondere bei Männern im<br />
Profisport immer noch ein Tabuthema. Nur wenige<br />
Spitzensportler outen sich öffentlich. Marco Lehmann<br />
wagte den Schritt an die Öffentlichkeit. Der<br />
Basketballer ist schwul.<br />
VON VALERIA BORGIA<br />
Homosexualität ist ein sehr präsentes<br />
Thema. Vor allem im männlichen<br />
Profisport stellt dies immer noch<br />
ein Tabuthema dar. Ein öffentliches<br />
Coming-out ist ein großer und<br />
mutiger Schritt, der für viel Aufmerksamkeit<br />
sorgt. Die Frauen sind den Männern etliche<br />
Schritte voraus. Einige Spitzenathletinnen haben<br />
ein Outing gewagt. Im Mannschaftssport der<br />
Männer ist die Zurückhaltung jedoch viel größer.<br />
Äußerst selten kommt es hier zu einem öffentlichen<br />
Coming-out. Die meisten haben dazu, wenn<br />
überhaupt, erst nach ihrer Karriere den Mut. Viele<br />
haben große Angst davor, sich als schwul zu<br />
outen, weshalb bisher nur wenige davon bekannt<br />
sind. Trotz allem kommt es immer wieder vor,<br />
dass einige sich öffentlich zu ihrer Homosexualität<br />
bekennen. So wie der Schweizer Basketballprofi<br />
Marco Lehmann. Der studierte Landschaftsarchitekt<br />
ist seit 2016 in der Nationalliga A bei<br />
Swiss Central Basket unter Vertrag und spielt<br />
weltweit auf der FIBA 3x3 World Tour im Team<br />
Lausanne Sport 3x3.<br />
Viele Jahre führte er ein Doppelleben. Bereits<br />
mit 17 Jahren merkte er, dass er sich zu Männern<br />
hingezogen fühlt. Niemand im Team wusste<br />
Bescheid: weder der Trainer noch der Klub-Präsident,<br />
nicht einmal sein bester Kumpel. Zu einer<br />
Topscorer-Gala nahm er seine Eltern mit, nicht<br />
seinen Freund. Und bei Fragen nach einer Freundin<br />
sagte er immer, er sei mit dem Sport verheiratet<br />
und habe keine Zeit für eine Beziehung.<br />
„Als schwuler Spitzensportler wirst du ein guter<br />
Lügner“, sagt er gegenüber der MediaKompakt.<br />
Diese Art, nicht zu sich selbst stehen zu können,<br />
belastete den heute 28-Jährigen lange Zeit.<br />
Nach unzähligen schlaflosen Nächten und<br />
dauerhafter körperlicher Überlastung erlitt er<br />
Ende 2019 einen mentalen Zusammenbruch.<br />
Angstzustände und körperliche Erschöpfung verfolgten<br />
ihn. Er war nicht mehr in der Lage, seinen<br />
Sport auszuüben. Durch die Corona-Pandemie<br />
wurde die Meisterschaft abgesagt, wodurch<br />
Lehmann Zeit hatte, sich zu erholen. Im Laufe des<br />
Jahres 2020 wurde ihm bewusst, dass das Versteckspiel,<br />
welches er ein Leben lang im sportlichen<br />
Bereich gespielt hatte, beendet werden<br />
müsse. „Ich hatte mich zu entscheiden, entweder<br />
meine Karriere zu beenden oder zu mir zu<br />
stehen“, sagt er. Die Liebe zum Sport war und ist<br />
für den Schweizer jedoch unermesslich. Ihm war<br />
klar, dass er als geouteter Basketball-Spieler<br />
zurückkehren möchte. Für Lehmann war der<br />
Moment gekommen, nach über zehn Jahren<br />
endlich zu sich selbst zu stehen. Im Januar 2021<br />
wendete er sich an die Schweizer Zeitung<br />
„Tages-Anzeiger“, in der sein Coming-out veröffentlicht<br />
wurde.<br />
Die unzähligen Reaktionen darauf waren sehr<br />
positiv und bestärkten ihn in seiner Entscheidung.<br />
Die damit verbundenen Befürchtungen,<br />
wie Diskriminierung im Job oder Ausgrenzung,<br />
haben sich nicht bewahrheitet. Lehmann war<br />
überwältigt von der medialen Aufmerksamkeit,<br />
welche seinem Coming-out weltweit zugeteilt<br />
wurde. Verschiedene Medien auf der ganzen Welt<br />
berichteten über ihn, seine<br />
Geschichte berührte die<br />
Menschen. Für Lehmann<br />
war sein Outing ein sehr<br />
befreiender Moment: „Mir<br />
geht es so gut wie noch<br />
nie.“ Dass diese Erfahrung<br />
nicht automatisch auf jede<br />
Sportart übertragbar ist, weiß er aber auch. Trotz<br />
allem sind weitere Coming-outs, weitere „Ich bin<br />
es auch“ von Profisportlern notwendig. Nur so<br />
werde es möglich, dass das Thema Homosexualität<br />
im männlichen Profisport irgendwann als<br />
Normalität angesehen wird.<br />
Mut machen kann Lehmanns Offenheit auf<br />
alle Fälle. Genau wie die Geschichte des Australiers<br />
Joshua Cavallo. Es waren wenige, aber gut<br />
gewählte Worte. „Ich bin ein Fußballer und ich<br />
bin schwul“, sagte der 21-Jährige in einem Video-<br />
Statement. Der positive Zuspruch für Cavallos<br />
Outing ist enorm und seine Geschichte wird<br />
weltweit thematisiert. „Das ist ein großartiger<br />
Schritt von Joshua Cavallo. Die Reaktionen zeigen,<br />
dass wir auf einem sehr guten Weg sind, im<br />
Thema Homophobie im Fußball“, schildert<br />
Alexander Wehrle, der Geschäftsführer des 1. FC<br />
Köln, im Gespräch mit dem Nachrichtensender<br />
ntv.de. „Dass diese Nachricht von Australien aus<br />
so ein großes mediales Echo erzeugt, zeigt aber<br />
auch, dass wir noch nicht dort angekommen sind,<br />
wo wir hinwollen: nämlich bei einem normalen<br />
Umgang.“<br />
Als schwuler Spitzensportler<br />
wirst du ein<br />
guter Lügner.<br />
Leider wird die Homosexualität im Männerfußball<br />
immer noch weitestgehend tabuisiert.<br />
Traditionelle Vorstellungen von „Männlichkeit“<br />
spielen dabei eine große Rolle. In den vergangenen<br />
Jahren wagten es nur vereinzelt Fußballer<br />
aus den unteren Klassen, sich öffentlich zu outen,<br />
während in den oberen Ligen lange Zeit nichts<br />
passierte. Als erster Profi-Fußballer hatte sich<br />
Justin Fashanu im Jahr 1990 während seiner<br />
aktiven Karriere geoutet. Der Engländer zerbrach<br />
daran und nahm sich später das Leben.<br />
Insgesamt haben sich weltweit erst 13 Fußballer<br />
während ihrer Karriere öffentlich geoutet. Der<br />
frühere deutsche Nationalspieler Thomas<br />
Hitzlsperger wagte diesen Schritt bewusst erst kurz<br />
nach dem Ende seiner aktiven Laufbahn. Für ihn<br />
war ein früheres Coming-out damals unvorstellbar,<br />
da die Angst vor Diskriminierung zu groß<br />
war. Doch auch im deutschen Fußball kommt Bewegung<br />
in diese Debatte. Unter dem Motto „Ihr<br />
könnt auf uns zählen“ haben 800 Spielerinnen<br />
und Spieler in dem Fußball-Magazin „11 Freunde“<br />
ihre Unterstützung für homosexuelle Profis zugesichert<br />
und diese zum Outing ermutigt.<br />
Dass Homosexualität im Spitzensport ein präsentes<br />
Thema ist, zeigt auch die Geschichte von<br />
Carl Nassib. Der Footballspieler von den Las Vegas<br />
Raiders hat einen ermutigenden Schritt gewagt<br />
und als erster Profi aus der amerikanischen Liga<br />
NFL seine Homosexualität<br />
öffentlich gemacht. Er sei<br />
froh, dass er nach über 15<br />
Jahren endlich zu sich<br />
selbst stehen kann. Von<br />
seinen Trainern und Mitspielern<br />
habe Nassib große<br />
Unterstützung erhalten<br />
und er sei sofort mit „dem größten Respekt und<br />
mit Akzeptanz“ begrüßt worden.<br />
Wie Cavallo, Hitzlsperger und Nassib hat auch<br />
Lehman mit seinem Coming-out einen weiteren<br />
Schritt in der Enttabuisierung der Homosexualität<br />
im Spitzensport gemacht. Im Herbst dieses Jahres<br />
wurde er mit dem Swiss Diversity Award ausgezeichnet.<br />
Er möchte sich auch zukünftig für<br />
Homosexualität und Diversität einsetzen und<br />
andere ermutigen. Durch sein Engagement in der<br />
Öffentlichkeit will er als Vorbild auftreten. „Sexuelle<br />
Orientierung sollte im Sport genau so wenig<br />
eine Rolle spielen wie die Augenfarbe oder die<br />
Schuhmarke an den Füßen. In Zukunft soll jeder<br />
Teenager in einem Sportteam mit einer Selbstverständlichkeit<br />
zu seiner sexuellen Orientierung<br />
stehen können. Jeder muss die Möglichkeit<br />
haben, seiner Leidenschaft unabhängig davon,<br />
wen er liebt, nachzugehen.“, sagt Lehmann. „Es<br />
braucht vor allem Sensibilisierung in der Öffentlichkeit,<br />
unter Sportlern, in der Trainerausbildung<br />
und anderen Bereichen des Nachwuchs- und<br />
Spitzensports“. Und genau hier möchte Lehmann<br />
auch zukünftig seinen Beitrag leisten.
38 WHY?<br />
mediakompakt<br />
Long hair,<br />
don’t care<br />
Grafik: Freepik<br />
Vital, glänzend, lang und in<br />
jeder denkbaren Farbe<br />
und Form: Der Markt für<br />
menschliches Echthaar<br />
boomt wie nie zuvor.<br />
Doch was sich hinter der<br />
Milliarden Euro schweren<br />
Fassade verbirgt, wirft Fragen<br />
auf. Bei der Recherche trifft<br />
man auf eine Mauer des<br />
Schweigens.<br />
VON NATHALIE EHMANN
01/ 2022 WHY? 39<br />
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DTP-Software für die<br />
gemeinsame Gestaltung<br />
von Publikationen<br />
Print und Digital<br />
Haare gelten mindestens seit der Antike<br />
als natürlicher Kopfschmuck,<br />
als Symbol für Vitalität und Jugend.<br />
Seit der Jahrtausendwende entwickelt<br />
sich menschliches Echthaar<br />
zum Konsumgut, um den eigenen Look zu frisieren.<br />
Dabei kommen sogenannte Clip-in-Extensions,<br />
in das eigene Haar eingearbeitete<br />
Fremdhaar und Perücken zum Einsatz. Doch die<br />
Berichterstattung in den Medien lässt auf bedenkliche<br />
Praktiken schließen. So berichtet CNN im<br />
Jahr 2013 von der Gruppe der sogenannten<br />
Pirañas, die Frauen in Venezuela auf offener Straße<br />
gewaltsam die Haare abschneide. Aus Angst davor,<br />
spendeten laut CNN viele ihre Haare. 2015<br />
porträtierte der Nachrichtensender Al Jazeera<br />
English eine Frau, deren einziger Weg der Haarverkauf<br />
gewesen sei, um Windeln für ihr Kind zu<br />
besorgen und den Lebensunterhalt zu bestreiten.<br />
Ein Beispiel aus Vietnam zeigt, dass es auch<br />
anders laufen kann. Dan Choi, Gründer des<br />
Unternehmens REMY NY, versucht als einer der<br />
Ersten einen Wandel einzuleiten. Er verfolgt eine<br />
nachhaltige Idee, die den von Armut betroffenen<br />
Frauen Chancen eröffnet, indem REMY NY einen<br />
fairen Preis für ihr Haar bezahlt – und zudem<br />
Arbeit anbietet. Was er macht, ist auf seinen<br />
Social-Media-Kanälen zu sehen. Eine Transparenz,<br />
die es bei der Konkurrenz nicht gibt.<br />
Was gutes Haar ausmacht<br />
Um die Qualität der Haare festzustellen, gilt es<br />
genau hinzusehen. Hochwertiges Echthaar wird<br />
als „Remy Hair“ gekennzeichnet, weshalb Dan<br />
Choi sein Unternehmen danach benannt hat. Für<br />
diesen Branchen-Standard muss der ursprüngliche<br />
Verlauf der Haarschuppen vom Ansatz bis zur<br />
Spitze erhalten sein. Für das natürlichste Resultat<br />
ist es notwendig, dass das Haar nie gefärbt oder<br />
chemisch behandelt wurde. Für das Attribut<br />
„Remy Hair“ gibt es allerdings keine offizielle<br />
Produktkennzeichnung oder ein Qualitätssiegel.<br />
Manche Anbieter tricksen mit Begriffen wie<br />
„Echthaar“ oder „veredeltem Echthaar“, hinter<br />
welchem sich jedoch meist mit Kunsthaar<br />
gemischte Haarreste verbergen.<br />
Der Ursprung der Luxusware<br />
Woher und von wem stammen die Haare heutzutage?<br />
Blicken wir nach Südasien. Die begehrteste<br />
Ware für Europa kommt aufgrund der sehr ähnlichen<br />
Haarstruktur aus Indien. Millionen Hindus<br />
pilgern jedes Jahr zu den Tempeln im Süden<br />
Indiens. Bei religiösen Zeremonien erbitten die<br />
Pilger den göttlichen Segen oder drücken ihre<br />
Dankbarkeit aus. Als Opfergabe überlassen sie ihr<br />
gesamtes Haar ihrer Gottheit. Diese werden von<br />
Mitarbeitenden im Tempel geschnitten und gebündelt.<br />
Für die Tempel eröffnet sich dadurch ein<br />
lukratives Geschäft. Viele Pilger wissen nicht, was<br />
mit ihrem Haar nach der Opferung geschieht; andere<br />
wissen zwar vom Verkauf der Haare, interessieren<br />
sich jedoch nur für die Zeremonie.<br />
Das sogenannte Tempelhaar verkaufen die<br />
religiösen Einrichtungen entweder an den<br />
höchstbietenden Kunden oder an Unternehmen,<br />
mit denen meist feste Handelsverträge bestehen.<br />
Laut Aussagen des Magazins „Spiegel“ erzielt<br />
Tirumala-Tirupati, einer der reichsten Tempel des<br />
Landes, damit rund 250 Millionen Euro pro Jahr.<br />
Dafür investieren die Tempel das eingenommene<br />
Geld wieder in die Gemeinschaft, um soziale<br />
Projekte oder den Erhalt der religiösen Stätten zu<br />
fördern. Die Spender erhalten nichts.<br />
Auch Russland mischt in dem globalen Geschäft<br />
mit. Laut OEC ist jedoch China der weltweit<br />
größte Exporteur von Haar mit einem Anteil<br />
von 44,3 Prozent. Für Mitteleuropa ist das chinesische<br />
Haar aber zu dick und wird daher selten<br />
verwendet. Über Herkunft und Beschaffung der<br />
Haare aus den beiden Ländern finden sich auf den<br />
Herstellerseiten keine Anhaltspunkte.<br />
(K)eine ethische Lieferkette<br />
Anfragen bei Anbietern von Echthaar oder regionalen<br />
Perückenherstellern führen ins Leere. Eines<br />
der weltweit führenden Unternehmen für<br />
Deutschland lehnte ein zunächst vereinbartes<br />
Interview ab, als Fragen zu Ethik oder den Lieferketten<br />
gestellt wurden. In der Branche wird damit<br />
argumentiert, der Haarhandel sei ethisch korrekt,<br />
da die Tempel das Geld ja in die Gemeinschaft<br />
stecken würden. Doch bei Fragen zu Informationen<br />
über die Beschaffung der Ware trifft man auf<br />
eine Mauer des Schweigens. In einer Zeit, in der<br />
Fairtrade, Transparenz und Herkunftssiegel in das<br />
Bewusstsein der breiten Öffentlichkeit und der<br />
Wirtschaft eindringen, scheint dies im Haarhandel<br />
noch nicht angekommen zu sein.<br />
Zur weiteren Diskussion<br />
TEDx Talks: Dan Choi spricht über seine<br />
Mission, die Menschenleben verbessern soll<br />
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