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Februar_2022

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24. Jahrgang<br />

<strong>Februar</strong> <strong>2022</strong><br />

2,10 €, davon 1,- €<br />

für den Verkäufer<br />

UNABHÄNGIGE STRASSENZEITUNG FÜR FREIBURG UND DAS UMLAND<br />

ZUR UNTERSTÜTZUNG VON MENSCHEN IN SOZIALEN NOTLAGEN<br />

STREETPEOPLE – BENJAMIN<br />

Homeless-Freiburg<br />

900 JAHRE ARMUT IN FREIBURG<br />

Armenwesen und Pflege in Freiburg (Teil 13)<br />

TRÜBE TAGE, RAUE NÄCHTE<br />

Obdachlos im November – ein Selbstversuch


INHALT<br />

3<br />

VORWORT<br />

23<br />

DIE MITMACHSEITE<br />

4<br />

RECHT AUF STADT<br />

24<br />

BUCHTIPP VON UTASCH<br />

6<br />

STREETPEOPLE<br />

25<br />

KOCHEN<br />

10<br />

900 JAHRE ARMUT IN FREIBURG<br />

26<br />

SPORT<br />

14<br />

IM GESPRÄCH MIT...<br />

28<br />

KRIMI 22. FOLGE<br />

18<br />

TRÜBE TAGE, RAUE NÄCHTE<br />

30<br />

RÄTSEL<br />

22<br />

VERKÄUFERVORSTELLUNG<br />

31<br />

ÜBER UNS<br />

OHNE IHRE UNTERSTÜTZUNG<br />

GEHT ES NICHT<br />

Liebe LeserInnen,<br />

um weiterhin eine<br />

interessante Straßenzeitung<br />

produzieren und Menschen<br />

durch ihren Verkauf einen<br />

Zuverdienst ermöglichen<br />

zu können, benötigen<br />

wir Ihre Hilfe.<br />

Vielen Dank!<br />

Spendenkonto:<br />

DER FREIeBÜRGER e. V.<br />

IBAN: DE80 6809 0000 0002 4773 27<br />

BIC: GENODE61FR1<br />

Denken Sie bitte daran, bei einer Überweisung Ihren Namen<br />

und Ihre Anschrift für eine Spendenbescheinigung anzugeben.<br />

2<br />

FREIeBÜRGER 02 | <strong>2022</strong>


Liebe LeserInnen,<br />

ich weiß ja nicht, wie es Ihnen geht, aber ich habe so<br />

langsam die Nase voll von dieser Pandemie. Dabei ist es<br />

ja nicht mal COVID an sich, es ist das ganze Drumherum,<br />

was mich so nervt. Der Virus ist nun mal da, da kann<br />

keiner hier etwas dafür, kein Politiker, keine Virologen<br />

und schon gar keine Ärzte! Die einzige Devise ist, sich und<br />

andere bestmöglich zu schützen. Und da im Moment das<br />

Impfen das wohl einzig einleuchtende Gegenmittel ist,<br />

sollten wir auch darauf zurückgreifen! Seit über einem<br />

Jahr werden in Deutschland nun Coronaimpfungen<br />

durchgeführt und seitdem ist zumindest die Anzahl der<br />

an Corona gestorbenen Menschen sehr niedrig gehalten<br />

worden. Das sagt doch eigentlich genug über Sinn oder<br />

Unsinn der Impfungen aus. Im Bundestag wird jetzt<br />

gerade über eine allgemeine Impfpflicht diskutiert, doch<br />

ich bin mir nach wie vor sicher, dass Menschen, die klar<br />

denken und sich nicht von irgendwelchen Verschwörern<br />

und Panikmachern aufhetzen lassen, sich auch ohne<br />

Zwang impfen lassen.<br />

Doch ich kann nicht nachvollziehen, dass jeden Tag von<br />

neuem darüber diskutiert wird, was zu tun ist und was<br />

nicht und vor allem wenn jeden Tag etwas anderes bei<br />

den Überlegungen herauskommt. Sei es der Impfstoff an<br />

sich, die Impfpflicht oder wie lange eine Impfung denn<br />

nun schützt. Wenn man abends schlafen geht, weiß<br />

man nicht mit welchen Regeln und Bestimmungen man<br />

morgens aufwacht. Das alles nervt schrecklich und ganz<br />

nebenbei trägt es auch nicht wirklich zur Vertrauensbildung<br />

bei. Ich selbst bin dreimal geimpft und hoffe nun,<br />

dass ich meine Ruhe haben werde und ich wünsche mir,<br />

dass es jedem anderen auch so geht.<br />

Schlimm finde ich aber, dass es Menschen gibt, die gegen<br />

jede Vernunft alles (!) anzweifeln oder schlimmer, alles als<br />

Lüge darstellen. Von mir aus darf echt jeder seine Meinung<br />

haben und die darf er auch gern der Öffentlichkeit<br />

präsentieren, solange er damit niemandem wehtut oder<br />

sie mit Macht anderen aufzwingt. Denn das verstößt<br />

dann wirklich gegen Meinungs- und Redefreiheit und ist<br />

ein deutlich diktatorisches Verhalten! Und diese Queroder<br />

Leerdenker, Verschwörer und Flacherdler ziehen<br />

mit Schildern durch die Straßen, auf denen sie vor der<br />

Corona- und Impfdiktatur warnen, sämtliche öffentlichen<br />

Medien als Lügenpresse darstellen und die absurdesten<br />

Theorien über Gott und die Welt vorstellen. Die tun nicht<br />

einfach ihre Meinung kund, sie wollen bewusst mit Halbwahrheiten<br />

oder Lügen die Menschen verunsichern und<br />

in Angst versetzen.<br />

Ganz schlimm wird es dann, wenn sie alles was anders ist<br />

mit den Nazis und ihren Konzentrationslagern gleichstellen.<br />

Sich einen Stern auf die Jacke zu kleben, der denen<br />

der Judensterne im Nationalsozialismus fast gleicht,<br />

ist eine offene Verhöhnung all der jüdischen Opfer des<br />

deutschen Rassenwahnsinns! Wahrscheinlich wissen<br />

die meisten gar nicht, was auf ihren Plakaten steht, die<br />

hat ihnen vielleicht irgendein „Organisator“ in die Hand<br />

gedrückt und los gehts?!<br />

Auf jedem zweiten Plakat wird festgestellt, dass wir in<br />

einer Diktatur leben, in welcher, das wird unterschiedlich<br />

dargestellt. Da bin ich mir dann sicher, dass ein Großteil<br />

derer nicht wirklich weiß, was eine Diktatur ist und was<br />

es bedeutet, in einer zu leben. Gäbe es hier wirklich eine<br />

Diktatur, würde keiner von denen auf der Straße stehen<br />

und lautstark protestieren, da würde ein Polizeieinsatz<br />

völlig anders aussehen als das was momentan passiert.<br />

In einer Diktatur würde ein erheblicher Teil an Querdenkern<br />

für eine Weile inhaftiert und das einfach nur, weil<br />

sie mitgelaufen sind. Danach würden die meisten von<br />

ihnen nie wieder demonstrieren. In einer Diktatur gäbe es<br />

auch nicht die Möglichkeit, sich via Internet mit Gleichgesinnten<br />

zu verbünden. Und in einer Diktatur wären<br />

wahrscheinlich alle schon geimpft! An all das sollten die<br />

„friedlichen“ DemonstrantInnen doch bitte einmal denken,<br />

bevor sie den Begriff „Diktatur“ so inflationär benutzen!<br />

Traurig stimmt mich dabei, dass vor allem im Osten<br />

Deutschlands so viele mit den „Diktaturschildern“ auf die<br />

Straße gehen und „Wir sind das Volk“ skandieren. Wenn<br />

diese Menschen mal ein paar Minuten Zeit haben, sollten<br />

sie doch einmal die Diktatur, gegen die sie 1989 auf die<br />

Straße gegangen sind, mit der heutigen Regierung vergleichen.<br />

Wollen die das etwa wirklich gleichsetzen?<br />

Ein anderer Fall, der die Welt gerade beschäftigt, ist der<br />

von Julian Assange, den die Briten an die USA ausliefern<br />

sollen, damit er dann dort für 700 Jahre im Knast verschwindet.<br />

Was hat der noch verbrochen? Ach ja, der hat<br />

die Wahrheit über US-Militäreinsätze an die Öffentlichkeit<br />

gebracht. Doch wie der Fall Snowden schon zeigte,<br />

interessieren derartige Nachrichten in Berlin niemanden.<br />

Dabei hat Snowden sogar offengelegt, dass ein amerikanischer<br />

Geheimdienst uns Deutsche großflächig bespitzelt<br />

und das schon seit vielen Jahren. Damals sagte die<br />

Kanzlerin lapidar, das machen Freunde nicht untereinander<br />

und das war es dann auch schon. Ein Asylantrag von<br />

Snowden wurde abgelehnt. Jetzt geht es um Assange und<br />

wieder bleibt Berlin tatenlos. Warum schreitet unsere Regierung<br />

da nicht ein und hilft? Bei Nawalny haben sie es<br />

getan, der wurde hergeholt und hätte sogar noch länger<br />

hierbleiben dürfen...<br />

Für heute war es das mal wieder, wir wünschen Ihnen viel<br />

Spaß mit dem FREIeBÜRGER und bleiben Sie bitte gesund!<br />

Carsten<br />

FREIeBÜRGER 02 | <strong>2022</strong> 3


FREIBURG – STADT FÜR ALLE?!<br />

BAUT AUSSCHLIESSLICH SOZIALEN<br />

MIETWOHNUNGSRAUM!<br />

In ganz Deutschland haben zahlreiche Menschen Anspruch<br />

auf einen Wohnberechtigungsschein. Aber nur<br />

jedeR Zehnte bekommt auch eine Sozialwohnung. Das ist<br />

das Ergebnis einer Studie des Pestel Instituts.<br />

Bereits vor der Pandemie hätten die Wohnkosten vieler<br />

Haushalte bei mehr als 30 % des Nettoeinkommens gelegen.<br />

Gerade wenn man die aktuell stark steigenden Energiepreise<br />

als Teil der zweiten Miete und die Kurzarbeit<br />

während der Pandemie berücksichtigt, dürfte der Anteil,<br />

der vom verfügbaren Einkommen für das Grundbedürfnis<br />

Wohnen ausgegeben werden muss, weiter stark angestiegen<br />

sein. Zudem sind die VerbraucherInnenpreise von<br />

März 2012 bis Juli 2020 um 9,3 % gestiegen, die aktuell<br />

stark steigenden Preise sind noch gar nicht berücksichtigt.<br />

Die Mieten für Wohnungen mit einfachen Standards<br />

haben in diesem Zeitraum zwischen 25 % in Düsseldorf<br />

und 77 % in München zugenommen. Freiburg liegt bei<br />

über 50 % Steigerung. Die Sanierung in der Knopfhäuslesiedlung<br />

in der Wiehre, oder auch die anstehende Sanierung<br />

in der Sulzburger Straße in Weingarten, deren<br />

Verkauf zum Glück erst einmal verhindert werden konnte,<br />

oder der geplante Abriss im Metzgergrün in Haslach erhöhen<br />

deren bisher niedrigeres Preisniveau auf verheerende<br />

Weise.<br />

„Unter Berücksichtigung der regional unterschiedlichen<br />

Preisentwicklung im unteren Marktsegment des Mietwohnungsmarktes<br />

scheinen die über die vergangenen<br />

gut 20 Jahre erfolgten Verkäufe von mehr als 700.000<br />

Wohnungen durch Bund, Bundesunternehmen, Länder<br />

und Kommunen mehr denn je fragwürdig, denn die<br />

Kosten der Unterkunft sind aus öffentlichen Haushalten<br />

zu bestreiten“, so das Pestel Institut. Auch der fatale<br />

Einfluss des Staates auf die Wohnraumpolitik lässt sich in<br />

Freiburg gut mitverfolgen. Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben<br />

(BImA) will z. B. ihre Häuser im Stühlinger<br />

nahe dem Bahnhof in der Colmarer Straße abreißen und<br />

damit eine gewachsene BewohnerInnengemeinschaft<br />

zerstören, die Mieten von gut 7 Euro pro m² auf 10 Euro<br />

pro m² erhöhen und keine Sozialwohnungen bauen. Im<br />

Behördenareal verschwendet sie das alte Kreiswehrersatzamt<br />

als BImA-Verwaltung und lässt die zahlreichen<br />

Parkplätze ungenutzt, statt mit Wohnungen nachzuverdichten.<br />

Im Baugebiet Kleineschholz im Stühlinger wollen<br />

RECHT-AUF-STADT-NEWSLETTER<br />

Mit unserem RaS-Newsletter<br />

informieren wir einmal im Monat<br />

über„Recht auf Stadt“-Themen.<br />

info@rechtaufstadt-freiburg.de<br />

Homepage: www.rechtaufstadt-freiburg.de<br />

Weitere Infos: tacker.fr<br />

sich BImA und Bundesagentur für Arbeit nicht mit dem<br />

vom Gutachterausschuss ermittelten Grundstückswert<br />

zufriedengeben und verteuern damit schon mal präventiv<br />

das dortige Wohnen. Neubau kann nur für bezahlbaren<br />

Wohnraum sorgen, wenn er reguliert stattfindet, jenseits<br />

des Marktes und staatlichen Geldabschöpfens über hohe<br />

Erbpacht bzw. Grundstückspreise. Die Arbeitsgemeinschaft<br />

für zeitgemäßes Bauen e. V. (ARGE) kam schon im<br />

Dezember 2020 zum Ergebnis, dass der Median der Erstellungskosten<br />

für Wohnraum in deutschen Großstädten bei<br />

ca. 3.800 Euro pro m² liege. Ein „frei finanziert“ errichteter<br />

Wohnungsbau ließe eine Kaltmiete von unter ca. 12,50<br />

Euro nicht mehr zu. Die stark gestiegenen Baupreise dürften<br />

den Wert noch einmal verteuert haben.<br />

Hauptsache bauen? Jede Wohnung hilft? – Nein! Auch<br />

die ARGE macht noch einmal klar, dass es den Sickereffekt<br />

nicht gibt. In der Theorie zieht ein wohlhabender Haushalt<br />

in den teuren Neubau und macht dafür eine größere<br />

Altbauwohnung im mittleren Preissegment frei, wo dann<br />

eine Familie einziehen kann, die zuvor beengt in einer<br />

billigen Wohnung gewohnt hat. Eine Studie des Bundesinstituts<br />

für Bau-, Stadt- und Raumforschung zeigt, dass<br />

gerade in angespannten Wohnungsmärkten die durch<br />

Neubau ausgelösten Umzugsketten schnell abreißen oder<br />

sich nur in einem Preissegment abspielen. Ein Umzug<br />

und kurzfristiger Leerstand sei zudem häufig mit einer<br />

Modernisierung verbunden, der die Miete in den ehemals<br />

preisgünstigen Wohnungen verteuere.<br />

Die Studie kommt zu der Bewertung, dass gerade auf angespannten<br />

Märkten der (sozial) geförderte Wohnungsbau<br />

ein effektives Instrument bleibt, um Haushalte mit<br />

geringen Einkünften mit Wohnraum zu versorgen.<br />

Für Freiburg muss es also heißen: 100 % statt 50 %<br />

sozialer Mietwohnungsbau in Neubau- und Nachverdichtungsgebieten.<br />

4<br />

FREIeBÜRGER 02 | <strong>2022</strong>


STADT-FÜR-ALLE-NACHRICHTEN ( RÜCKBLICK VOM 15. DEZ. BIS 15. JAN. )<br />

HARTZ IV: HEIZKOSTENZUSCHUSS AUCH FÜRS ZELTEN<br />

Obdach- bzw. Wohnungslose, die Hartz IV beziehen,<br />

haben im Winter Anspruch auf Beihilfen für Heizmaterial<br />

vom Jobcenter, auch wenn sie kein festes Dach über<br />

dem Kopf haben, sondern im Zelt übernachten. Das hat<br />

das Freiburger Sozialgericht entschieden. Das Jobcenter<br />

Emmendingen hatte dem Betroffenen den Zuschuss<br />

versagt, mit der Begründung, dass ein Zuschuss nur<br />

für die Beheizung einer Unterkunft im Sinne des Sozialgesetzbuches<br />

gezahlt werden könne. Ein Zelt sei keine<br />

solche Unterkunft. Das Sozialgericht sah das anders. Das<br />

physische Existenzminimum dürfe auch im Zelt übernachtenden<br />

Menschen nicht versagt werden. Nun muss<br />

das Jobcenter dem Kläger voraussichtlich bis Ende März<br />

monatlich einen Heizkostenzuschuss zahlen.<br />

[FR] STADT WILL GEGEN MIETWUCHER VORGEHEN<br />

Seit Anfang des Jahres kooperiert die Stadt Freiburg mit<br />

der Firma Mietenmonitor, um überhöhten Mieten auf<br />

die Schliche zu kommen. Die Mietpreisbremse greift bei<br />

Mieten, die 10 % über dem Mietspiegel liegen, hat aber<br />

viele Schwächen. So sind Neubauwohnungen, umfassend<br />

modernisierte Wohnungen und auch Wohnungen ausgenommen,<br />

bei denen die VormieterInnen schon die zu<br />

hohe Miete gezahlt hatten. Ab 20 % über dem Mietspiegel<br />

liegt eine Ordnungswidrigkeit vor, ab 50 % ist es strafbarer<br />

Mietwucher. Die Stadtverwaltung hat angekündigt,<br />

mit den Informationen, die sie vom Mietenmonitor erhält,<br />

die betroffenen VermieterInnen zunächst anzuschreiben,<br />

um auf eine Senkung der Miete hinzuwirken. Gelingt dies<br />

nicht, werde die Stadt in geeigneten Fällen ein Bußgeldverfahren<br />

einleiten, wie es schon bei illegal vermieteten<br />

Ferienwohnungen der Fall sei. Im Falle von Mietwucher<br />

wollen man die verfügbaren Informationen an die<br />

Staatsanwaltschaft weiterleiten. In Freiburg sollen etwa<br />

die Hälfte der Wohnungen gegen die Mietpreisbremse<br />

verstoßen.<br />

[FR] PARKEN OHNE TICKET LOHNT SICH<br />

In Freiburg lohnt es sich finanziell, kein Parkticket zu<br />

lösen. Zu diesem Ergebnis kommen Mobilitätsforscher.<br />

Untersucht wurde das Verhältnis von Parkverstößen,<br />

Kontrolldichte, Ticketpreisen und Bußgeldern. Selbst in<br />

der relativ stark kontrollierten Innenstadt lohnt es sich in<br />

61,3 % der Gebiete, kein Ticket zu ziehen.<br />

In der Parkzone 2 lohnt es sich demnach in 95 % der Fälle.<br />

Wer im ÖPNV ohne Ticket fährt, landet hingegen über<br />

Ersatzfreiheitsstrafen im Knast.<br />

Die Aktion freiheitsfonds.de kauft bei Hinweisen gerade<br />

solche „Häftlinge“ aus dem Knast frei. Wie wär's, beim<br />

Parken statt mit mehr Kontrollen und höheren Bußgeldern<br />

mit deutlich weniger Parkplätzen und damit mehr<br />

Platz für Fuß- und Radverkehr und mit einem kostenlosen<br />

ÖPNV in Richtung Verkehrswende zu regulieren?<br />

LEBEN WIRD IMMER TEURER<br />

Um sage und schreibe 40 % könnten <strong>2022</strong> die Strompreise<br />

laut CHECK24 für 3,5 Millionen Haushalte in der Grundversorgung<br />

steigen. Der Anteil für Strom, der im Hartz<br />

IV-Satz für Wohnen und Energie vorgesehen ist, würde<br />

um 37 % überstiegen. 2021 stiegen die durchschnittlichen<br />

Stromkosten um 18,4 %. Hartz IV wurde zum Jahreswechsel<br />

21/22 um 3 Euro erhöht. Eine aktuelle Kampagne<br />

fordert eine Erhöhung der Regelsätze für Hartz IV-EmpfängerInnen<br />

um 100 Euro im Monat sofort. Menschen mit<br />

wenig Geld wurden bis jetzt konsequent in der Pandemie<br />

ignoriert. Das Vermögen der zehn reichsten Milliardäre<br />

hat sich zwischen März 2020 und November 2021 hingegen<br />

verdoppelt.<br />

[FR] WOHNUNGEN STATT GARAGEN<br />

Stuttgarter Investoren wollen auf einem Garagendeck in<br />

der Laufener Straße in Freiburg-Weingarten ein Haus mit<br />

19 Studierendenappartements errichten. Obwohl eine<br />

Bauanfrage an die Stadt schon 2014 gestellt worden sein<br />

soll, geht nichts voran. Das kritisiert Freiburg Lebenswert<br />

e. V. Wir sagen: Garagendeck bebauen ja, aber nur mit<br />

100 % Sozialwohnungen.<br />

[FR] MIETSTEIGERUNGEN IN DER KNOPFHÄUSLE-<br />

SIEDLUNG<br />

Obwohl „Soziale Stadt“-Gelder in die Sanierung geflossen<br />

sind und die MieterInnen nichts für die zuvor versäumte<br />

Instandhaltung können, erwartet die MieterInnen der<br />

denkmalgeschützten Knopfhäuslesiedlung in der Wiehre<br />

beim Rückzug eine ordentliche Mietsteigerung. So sollte<br />

die Miete für sie nach dem sogenannten Freiburger<br />

Modell in den ersten drei Jahren um 1,28 Euro pro m²<br />

steigen, nach vier Jahren dann noch mal um über 1,60<br />

Euro pro m². Aus der 6,45 Euro pro m²-Miete könnte dann<br />

eine Miete von über 8 Euro pro m² geworden sein.<br />

Höhere Sanierungskosten, u. a. wegen Unwägbarkeiten<br />

und höheren Baukosten, könnten die Miete über eine<br />

Umlage der sogenannten Modernisierungskosten weiter<br />

steigen lassen. Wirklich billige Wohnungen, wie hier mit<br />

45 m² Wohnfläche, werden immer weniger.<br />

[BER] BESETZUNG DURCH OBDACHLOSE<br />

Aus einer Hausbesetzung ist in Berlin eine längerfristige<br />

Bleibe für Obdach- und Wohnungslose, Geflüchtete und<br />

Menschen mit Migrationsgeschichte geworden. Erst die<br />

Besetzung Mitte Dezember hat dazu geführt, dass der zuständige<br />

Bezirk die schon lange leerstehenden Wohnungen<br />

in der Habersaathstraße auf Basis des Polizeigesetzes<br />

beschlagnahmte und etwas später u. a. zuvor obdachlose<br />

BesetzerInnen einziehen konnten. Der Investor will aber<br />

weiterhin abreißen und luxuriös neu bauen.<br />

Weiterführende Links zu den Meldungen finden Sie wie immer auf der Homepage<br />

FREIeBÜRGER 02 | <strong>2022</strong> 5


StreetPeople<br />

Auf der Straße zu überleben<br />

ist kein Problem. Auf dieser zu<br />

leben ist nichts, was man will.<br />

Benjamin<br />

Eine Reportage<br />

über die Menschen<br />

auf der Straße


BENJAMIN<br />

Homeless-Freiburg<br />

Heute möchte ich Ihnen gerne Eimer und Keks vorstellen.<br />

Eimer ist Benjamin und wie der zu seinem Spitznamen<br />

gekommen ist, das werde ich Ihnen noch erzählen. Keks<br />

wiederum ist der Hund seiner Lebensgefährtin Nadine<br />

und der trägt eine ziemlich stylische Sonnenbrille auf der<br />

Schnauze. Was es mit dieser auf sich hat? Auch das werde<br />

ich Ihnen noch verraten...<br />

Vielleicht kennen Sie Eimer und Keks bereits, denn die<br />

zwei sitzen fast täglich vor der Fielmann-Filiale in Freiburg,<br />

direkt an der Kaiser-Joseph-Straße 193, und zumindest<br />

Eimer verkauft dort den FREIeBÜRGER.<br />

Einigen wir uns darauf, dass ich ab jetzt Eimer bei seinem<br />

richtigen Namen Benjamin nenne, da ich ihn mittlerweile<br />

ganz gut kenne und auch weiß, wie er zu diesem Spitznamen<br />

gekommen ist. Eine absolut abstrakte und gleichzeitig<br />

unglaublich logische Geschichte, wie ich finde.<br />

Schlafplatz hatten, bot ich ihnen an, bei mir zu übernachten.”<br />

Vor allem Müll, dessen bürgerlicher Name unbekannt<br />

ist, und Benjamin schienen gut miteinander auszukommen<br />

und hingen dementsprechend miteinander ab.<br />

Daraus folgte sodann, dass das Duo als Müll und Eimer<br />

berüchtigt wurde und Benjamin seinen Spitznamen nie<br />

wieder ablegen konnte. So simpel wie er zu seinem Spitznamen<br />

kam, so simpel ist eben auch die Geschichte dazu.<br />

Eine Tatsache, die man von seinem bisherigen Lebensweg<br />

allerdings nicht behaupten kann. Seit seinem 18. Lebensjahr<br />

erlebte Benjamin einen rauen Wechsel zwischen der<br />

Platte und dem Wohnen auf Zeit und Wohlgefallen.<br />

Benjamin ist ein klassischer Punker, obwohl man ihm<br />

das heute nicht auf den ersten Blick ansehen kann. Seine<br />

Punk-Montur, zu dieser ebenfalls die obligatorische Irokesenfrisur<br />

gehört, hängt mittlerweile im Schrank. Längere<br />

Haare, großer Bart und sportliche Kleidung; exakt so begegnet<br />

Ihnen Benjamin im alltäglichen Leben. Dies habe<br />

ganz einfache und pragmatische Gründe, fügt er lächelnd<br />

hinzu. Punkmusik höre er jedoch immer noch sehr gerne<br />

und auch manchmal etwas lauter.<br />

In seinen Jugendzeiten, als er noch bei seinen Eltern gelebt<br />

hatte, sei der Punk-Look für ihn und seine Freunde<br />

prägend gewesen. ,,Eines Tages lernte ich im damaligen<br />

Atlantis in Herbolzheim das Pärchen Nora und Müll<br />

kennen”, erzählt mir Benjamin, ,,da sie keinen festen<br />

FREIeBÜRGER 02 | <strong>2022</strong> 7


Seit etwa vier Jahren jedoch lebt er mit Nadine zusammen<br />

in einer Wohnung in Freiburg und ist damit sehr<br />

glücklich. Sie ist seit ca. 14 Jahren seine feste Lebensgefährtin,<br />

die er in Berlin kennengelernt hatte.<br />

,,Bereits zuvor standen wir in Kontakt miteinander”,<br />

schwärmt mir Benjamin vor, ,,und zwar bei ‚Abgefuckt<br />

liebt Dich‘, einer Plattform ähnlich wie Facebook, nur<br />

eben für Punks gemacht. Als ich es in Freiburg nicht mehr<br />

ausgehalten habe, bin ich mit meinen zwei Hunden Rocky<br />

und Mozzarella nach Berlin gegangen. Dort hatte ich<br />

einen Kumpel, bei dem ich zunächst untergekommen<br />

bin. Allerdings ging das nicht lange gut, da er selbst nur<br />

bei seiner Freundin gewohnt hatte. Nach einer weiteren<br />

Zeit auf Platte in Berlin konnte ich sodann im Georg-von-<br />

Rauch-Haus unterkommen.”<br />

Ich unterbreche Benjamin kurz, da mich die Geschichte<br />

dieses Hauses interessiert, denn das Georg-von-Rauch-<br />

Haus ist das im Dezember 1971 besetzte ehemalige<br />

Schwesternwohnheim des Bethanien-Krankenhauses<br />

an der Nord-West-Seite des Mariannenplatzes in Berlin-Kreuzberg.<br />

Das Haus wurde von den Besetzern nach<br />

dem Berliner Stadtguerillero Georg von Rauch benannt,<br />

der wenige Tage zuvor nach einem Schusswechsel mit der<br />

Polizei gestorben war. Seither wird das Rauch-Haus als<br />

„selbstverwaltetes Wohnkollektiv“ genutzt. Es war mehrere<br />

Jahre vom Berliner Senat als Anlaufstelle für obdachlose<br />

Jugendliche anerkannt. ,,Ton Steine Scherben” haben<br />

sogar ein Lied über das Rauch-Haus geschrieben. Ein interessanter<br />

historischer Hintergrund, wie ich finde.<br />

Nach einem kurzen Ausflug in die Berliner Stadtgeschichte<br />

widme ich mich wieder ganz den Worten von Benjamin.<br />

,,Im Grunde habe ich in Berlin mal hier, mal dort<br />

gewohnt und zwischendurch auf Platte. Später hatte<br />

ich das Glück, in einer Art Wohnheim einen dauerhaften<br />

Aufenthalt zu bekommen. Dann irgendwann hat Nadine<br />

bei mir angerufen und da sie ebenfalls zufällig in Berlin<br />

war und auch keinen festen Schlafplatz hatte, haben wir<br />

uns getroffen und sie durfte auch bei mir übernachten.<br />

Seither sind wir ein Paar.”<br />

Ich beobachte Benjamin, als er mir diese Geschichte erzählt<br />

und sehe deutlich, wie gerne er sich daran zurückerinnert.<br />

Ich nehme an, dass diese Zeit für ihn trotz aller<br />

Schwierigkeiten eine dennoch angenehme gewesen sein<br />

muss. Insgesamt fällt mir auf, dass mein Gegenüber sehr<br />

gerne lacht; sowohl aus der Tiefe seines Herzens heraus<br />

als auch aus reiner Verunsicherung. Er ist einfach ein äußerst<br />

sympathischer Zeitgenosse und ich unterhalte mich<br />

sehr gerne mit ihm.<br />

8<br />

FREIeBÜRGER 02 | <strong>2022</strong>


Und wieder fängt Benjamin an zu lachen. ,,Weißt Du, was<br />

echt komisch war”, fragt er mich, ,,als Nadine und ich uns<br />

kurze Zeit kennengelernt hatten und sie bei mir in der<br />

Unterkunft schlief, was übrigens noch keiner vom Wohnheim<br />

wusste, da bin ich von der Polizei festgenommen<br />

worden; einfach so. In Freiburg wurde ein Strafbefehl wegen<br />

Schwarzfahrens gegen mich ausgestellt. Eigentlich,<br />

so dachte ich, sei die Sache erledigt gewesen und dann<br />

das. Jetzt musste ich in Berlin für zwei Wochen meine<br />

Geldstrafe absitzen und Nadine war bei mir in der Wohnung,<br />

allein, mit den Hunden, und das auch noch unangemeldet.<br />

Was für ein Chaos.”<br />

Am Ende sei jedoch alles gutgegangen und nach ungefähr<br />

acht Jahren in Berlin zog es die zwei in den Süden<br />

Deutschlands, nach Freiburg. Während es für Benjamin<br />

ein Weg zurück in die altgewohnte Heimat war, so war es<br />

für Nadine ein Neuanfang, den sie sich bisher nur aus den<br />

Erzählungen ihres Partners vorstellen konnte. Und dieser<br />

Neubeginn war im ersten Anlauf gar nicht so einfach für<br />

das junge Paar. Angekommen, mit dem nötigsten Hab<br />

und Gut, einem kleinen Zelt und ihren drei Hunden Keks,<br />

Mozzarella und Rocky, gestaltete sich ihr Aufenthalt zunächst<br />

wechselhaft zwischen Platte und Notunterkunft.<br />

Doch vor ca. vier Jahren ergab sich für die beiden die Möglichkeit,<br />

an einem Wohnprojekt teilzunehmen, das sie mit<br />

Erfolg meisterten. Seither leben sie gemeinsam in einer<br />

kleinen Wohnung zusammen mit ihrem Keks, denn Rocky<br />

und Mozzarella gibt es heute leider nicht mehr.<br />

Auf diese Weise ist er auch zum FREIeBÜRGER gekommen.<br />

Zunächst hatten er und Nadine auf Facebook einen<br />

Kanal mit Namen ,,Homeless-Freiburg”. Die Redaktion<br />

wurde darauf aufmerksam und interviewte die zwei.<br />

Seither verkaufen sie die Zeitung. Er regelmäßig und<br />

Nadine aufgrund körperlicher Schwierigkeiten nur noch<br />

gelegentlich.<br />

Ich frage Benjamin, ob es etwas gebe, was er in diesem<br />

Artikel gerne wiederfinden würde und er verweist<br />

sogleich auf lediglich zwei Dinge. Zum einen sei ihm<br />

wichtig, dass die Menschen wissen sollten, dass die<br />

stylische Erscheinung von Keks kein Modesyndrom ist,<br />

sondern eine von mehreren notwendigen medizinischen<br />

Maßnahmen. Denn Keks leidet seit einiger Zeit an der sog.<br />

Schäferhundkeratitis. Einer Augenerkrankung, die den<br />

Hund durch die UV-Strahlen des Sonnenlichts erblinden<br />

lassen. Die Sonnenbrille ist somit lediglich ein Schutz<br />

seiner Augen vor dieser Strahlung. Zum anderen möchte<br />

sich Benjamin auf diesem Wege sehr gerne bei den<br />

Menschen bedanken, die ihm sein momentanes Leben<br />

ermöglichen. Sei es durch den Kauf der Zeitung, eine gelegentliche<br />

Spende oder einfach nur durch ein angenehmes<br />

Gespräch. Denn ohne Sie würde es auch ihn nicht geben.<br />

Text: Harry Bejol<br />

Fotos: Felix Groteloh<br />

Ungefähr die gleiche Zeit lang hat Benjamin seinen<br />

Stammplatz bei Fielmann und verkauft dort regelmäßig<br />

den FREIeBÜRGER. Von einem wechselhaften Lebensstil in<br />

ein Leben, das man umgangssprachlich als ,,gutbürgerlich”<br />

bezeichnet. Ich selbst bin beeindruckt, denn das ist<br />

in der Tat eine Leistung, die nicht jeder hinbekommt und<br />

zu der auch nicht jeder die Möglichkeiten hat.<br />

Vielleicht hat das auch einfach etwas damit zu tun, wie<br />

man Benjamin erlebt. Als er mir von seiner tragischen<br />

Vergangenheit erzählte und von der Tatsache, dass er<br />

seit seinem 18. Lebensjahr auf der Straße lebt, konnte<br />

ich deutlich spüren, wie sehr ihn das auch heute noch<br />

beschäftigt. Ebenfalls die Tatsache, dass sein Vater seither<br />

keinen Kontakt mit ihm haben möchte und Benjamin<br />

keinerlei Ahnung davon hat, warum das so ist. Und dennoch<br />

hat dieser Mann immer ein sympathisches Lächeln<br />

im Gesicht, welches man nicht nur mit den Augen allein<br />

wahrnehmen kann. Zumindest ich fühle mich in seiner<br />

Gegenwart immer sehr willkommen.<br />

Und ebenso willkommen begrüßt Benjamin auch die<br />

Möglichkeiten, die sich ihm bieten. Er geht nicht einfach<br />

so an diesen vorbei, sondern nimmt sie wahr und greift zu.<br />

FREIeBÜRGER 02 | <strong>2022</strong> 9


900 JAHRE ARMUT IN FREIBURG<br />

Armenwesen und Pflege in Freiburg (Teil 13)<br />

Foto: wikipedia commons<br />

In den letzten beiden Ausgaben habe ich über den Beginn<br />

der Neuzeit berichtet, vor allem über die gravierenden<br />

Veränderungen, die sich im wirtschaftlichen und religiösen<br />

Leben für die Menschen dieser Zeit ergaben. Wie<br />

passten sich die Menschen den Neuerungen an und wie<br />

reagierte die weltliche und die geistliche Obrigkeit auf<br />

das neue Zeitalter? Vor allem aber, was brachte die Neuzeit<br />

für Freiburg?<br />

DAS LEBEN IN DER STADT DER FRÜHEN NEUZEIT<br />

Wie bereits geschildert konnte die Reformationsbewegung<br />

zu Beginn des 16. Jahrhunderts in Freiburg keinen<br />

Fuß fassen. Zwar gab es ein paar kleine, zaghafte Versuche,<br />

Luthers Lehren auch hier in der Stadt zu etablieren,<br />

doch die waren allesamt schnell wieder beendet. Auch<br />

einzelne Bemühungen an der Universität, die Kirche zu<br />

reformieren, wurden von den Stadtoberen und dem Klerus<br />

unterdrückt. Jegliche Art, sich gegen Kirche, Glauben<br />

oder Papsttum aufzulehnen, wurde streng verfolgt und<br />

bestraft. So lief das Leben in der Stadt religiös gesehen so<br />

weiter wie bisher, doch im wirtschaftlichen und sozialen<br />

Bereich mussten die BewohnerInnen sich mit Veränderungen<br />

abfinden.<br />

Durch die rasante Entwicklung von Wissenschaft und<br />

Technik sowie durch neue Handelswaren aus den neu<br />

entdeckten Ländern veränderten sich Handel und Gewerbe<br />

nun ständig. Es gab immer mehr und immer neuere<br />

Produkte, neue Herstellungsmethoden und sogar ganz<br />

neue Gewerbe. Natürlich machte diese Entwicklung<br />

auch vor den Toren Freiburgs nicht einfach so halt und so<br />

musste sich die Stadt etwas einfallen lassen, wollte sie die<br />

eigenen BürgerInnen, Händler und Handwerker schützen.<br />

Denn im Laufe der Zeit versuchten immer mehr Gewerbetreibende<br />

und Händler aus anderen Städten, in Freiburg<br />

Geschäfte abzuschließen bzw. in der Stadt Fuß zu fassen.<br />

Um die Ordnung aufrechtzuerhalten und dafür zu<br />

sorgen, dass den BürgerInnen Freiburgs kein Schaden<br />

entsteht, begaben sich der Stadtrat und die Zünfte in eine<br />

Art gegenseitige Abhängigkeit. Ein Ziel der Stadt musste<br />

es sein, die BürgerInnen und EinwohnerInnen der Stadt<br />

mit Lebensmitteln und anderen Dingen für den täglichen<br />

Bedarf zu versorgen. Die Zünfte halfen dem Rat dabei, das<br />

auch einzuhalten. Im Gegenzug räumte der Rat den Zünften<br />

das eine oder andere Problem aus dem Weg, indem es<br />

Gesetze oder Verordnungen im Sinne der Zünfte erließ.<br />

10<br />

FREIeBÜRGER 02 | <strong>2022</strong>


So erging zum Beispiel an die Metzger die Auflage, sämtliche<br />

Tierhäute und Felle zuerst den einheimischen Gerbern<br />

zum Kauf anzubieten, bevor man sie an Auswärtige<br />

verkaufen durfte. Im Jahr 1477 verbot der Rat die Ausfuhr<br />

von Gerberrinde aus der Stadt, um die einheimischen<br />

Gerber zu schützen. Und zum Schutz des Textilgewerbes<br />

kam zwischen 1500 und 1530 keine Rohwolle aus Freiburg<br />

heraus. Zur Unterstützung der Müller durfte lange kein<br />

Mehl in die Stadt eingeführt werden, was allerdings bei<br />

großen Hungersnöten außer Kraft gesetzt wurde.<br />

Allerdings blieben die großen Jahrmärkte auch weiterhin<br />

für fremde Händler offen, sodass man sich zumindest<br />

„befristet“ der auswärtigen Konkurrenz erwehren musste.<br />

Markt und Handel zu regulieren, lag im ureigenen Interesse<br />

der Stadt, schließlich waren die Steuereinnahmen<br />

ein fester Bestandteil des Stadthaushaltes. Dass die Stadt<br />

schon damals penibel genau Buch führte über sämtliche<br />

Einnahmen und Ausgaben, ist belegt. Aus der Zeit von<br />

1535 bis ca. 1700 sind solche Jahresrechnungen erhalten<br />

geblieben und werden im Stadtarchiv aufbewahrt. Der<br />

jährliche Haushaltsabschluss wurde immer zu Johanni erstellt,<br />

also dem Fest für Johannes den Täufer am 24. Juni.<br />

An diesem Tag wurde auch in jedem Jahr der Stadtrat neu<br />

besetzt, sodass der alte Rat dem neuen eine genaue Aufstellung<br />

der städtischen Finanzen übergeben konnte.<br />

Doch das sollten im 16. Jahrhundert nicht die einzigen<br />

Sorgen der Stadt, des Rates, der BürgerInnen und EinwohnerInnen<br />

bleiben! In späteren Berichten und Chroniken<br />

wird dieses Jahrhundert auch als Jahrhundert der Katastrophen,<br />

des Hungers und des Elends und der damit<br />

verbundenen großen Preissteigerungen bezeichnet.<br />

ARMUT, HUNGER UND ELEND IM FREIBURG DER<br />

NEUZEIT<br />

Im frühneuzeitlichen Freiburg wurden den BürgerInnen<br />

eine Reihe von Vorteilen geboten. Dazu gehörten u. a. die<br />

äußere Sicherheit, die bürgerliche Rechtsgleichheit und<br />

Freiheit und die soziale Fürsorge. Es hatte jeder Handwerker<br />

oder Kaufmann die Chance, es in Freiburg zu<br />

Wohlstand zu bringen. Die Karrieren einzelner Bürger der<br />

Stadt, ihre prächtigen Bürgerhäuser oder große Hinterlassenschaften<br />

künden noch in der heutigen Zeit vom Erfolg<br />

und Reichtum der Freiburger Bürgerschaft.<br />

Doch der Schein trügt, dieses Glück und der Wohlstand<br />

blieben nur wenigen vergönnt. Für den weitaus größeren<br />

Teil der Bevölkerung bedeuteten auch in der Neuzeit Not,<br />

Hunger und Elend den Alltag, und der verschlimmerte<br />

sich zusehends. Durch den ständig wachsenden Zustrom<br />

der Menschen in die Städte und die damit verbundene<br />

Dichte in den Armenvierteln wurde die Not hier sogar<br />

noch deutlich sichtbarer als in den Städten selbst.<br />

Foto: wikipedia commons<br />

Abb.: Die Erfindung des Buchdruckes mit beweglichen<br />

Lettern durch Johannes Gutenberg revolutionierte die<br />

Kommunikation<br />

Armut war und ist bis heute ein vielschichtiges Phänomen,<br />

bei dem wirtschaftliche und soziale Defizite zusammentreffen.<br />

In einem Buch fand ich eine treffende Definition:<br />

„Dem Armen fehlen Geld, Beziehungen, Einfluss,<br />

Macht, Bildung...! Er lebt von einem Tag in den anderen,<br />

ohne die Möglichkeit, sich ohne Hilfe aus dieser Situation<br />

zu befreien!“<br />

Man unterscheidet die Armut in primäre und sekundäre<br />

Armut. Primäre Armut bezeichnet das Leben am<br />

Existenzminimum und darunter. Im Freiburg der damaligen<br />

Zeit waren das die Menschen, die ein Vermögen<br />

von weniger als 50 Gulden besaßen. Von sekundärer<br />

Armut spricht man, wenn die eigenen Mittel zwar für<br />

das Notwendigste reichen, man sich aber darüber hinaus<br />

nichts leisten kann, das heißt, man hat auch keine<br />

Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Auch daran hat sich<br />

bis heute nicht viel geändert! Für das frühneuzeitliche<br />

Freiburg galt man als sekundär arm, wenn das Vermögen<br />

unter 100 Gulden lag.<br />

FREIeBÜRGER 02 | <strong>2022</strong> 11


Foto: wikipedia commons<br />

Abb.: Die Folgen der Kleinen Eiszeit von Anfang des 15. Jahrhunderts bis in das 19. Jahrhundert hinein waren u. a.<br />

Missernten und explodierende Preise für Nahrungsmittel, verbunden mit Hunger und Elend der Menschen.<br />

In der Freiburger Steuerordnung von 1476 wird die Steuergruppe<br />

der Armen sogar definiert. Die unterste Grenze<br />

für Steuerzahler betrug hier 25 Gulden Vermögen. Wer<br />

darunter lag, galt als wirklich arm und bedürftig und<br />

wurde von der Steuerpflicht ausgenommen. Allerdings<br />

gab es auch arme Handwerker, Tagelöhner u. a., die trotz<br />

Arbeit nur auf ein Einkommen von 25 Gulden oder darunter<br />

kamen. Diese wurden dann trotzdem besteuert, wenn<br />

auch verhältnismäßig gering. Das betraf z. B. Handwerker,<br />

die in keiner Zunft organisiert waren und dadurch auch<br />

keine geregelte Arbeit hatten. Auch wenn der Geselle<br />

noch so gut war in seinem Fach, war er nicht in einer<br />

Zunft, dann fand er auch kaum eine Anstellung. Und logischerweise<br />

bekam er auch keine Unterstützung von den<br />

Zünften. Daran kann man ersehen, dass es relativ schnell<br />

gehen kann, dass man trotz erlerntem Beruf und einer<br />

Arbeit auf der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen<br />

Werteskala abfallen kann. Geringverdiener liefen jederzeit<br />

Gefahr, in die Schicht der Armen abzusinken.<br />

In der Freiburger Steuerordnung von 1476 werden Bettler,<br />

Tagelöhner, Dienstboten, die „unehrlichen Berufe“ sowie<br />

die „Arbeitsunwilligen“ zu den Armen gezählt. Ursachen,<br />

die zu Armut führten, gab es viele. Alter, Krankheit,<br />

Behinderung, Kinderreichtum, Tod des Ehepartners, ein<br />

geringes Einkommen oder Arbeitslosigkeit waren alles<br />

Möglichkeiten, durch die man sozial absteigen konnte.<br />

Jeder Schicksalsschlag konnte gleichbedeutend sein mit<br />

dem Sturz in die Armut. Anhand von Steuerbüchern kann<br />

man sehen, dass zwischen 1480 und 1540 60 % der zünftischen<br />

Bevölkerung als arm bezeichnet werden konnte.<br />

HistorikerInnen sind heute der Meinung, dass die immense<br />

Kluft zwischen Arm und Reich in dieser Zeit mit zum<br />

wirtschaftlichen Abstieg Freiburgs im 15. und 16. Jahrhundert<br />

führte. Der Freiburger Rat versuchte zwar, dagegenzusteuern,<br />

doch allzu viel konnte auch er nicht abwehren.<br />

1546 erließ der Rat eine Verordnung, wonach die Zünfte<br />

keine fremden Handwerker mehr einstellen dürfen, wenn<br />

deren Vermögen unter 50 Gulden liegt. Damit wollte man<br />

zum einen die hiesigen Handwerker schützen, zum anderen<br />

wollte man verhindern, zukünftige Almosenbezieher<br />

aufzunehmen.<br />

Das Steigen oder Sinken von Armut war auch von der Versorgung<br />

mit Lebensmitteln abhängig. Denn kam es durch<br />

irgendwelche Umstände zu einer Lebensmittelknappheit<br />

und damit verbunden zu einer Teuerung, dann eskalierte<br />

die Armut in der Stadt schnell zu einem Notzustand.<br />

Je länger der Mangel anhielt, umso mehr steigerten sich<br />

Armut und Elend. Da im 15. und im 16. Jahrhundert schon<br />

12<br />

FREIeBÜRGER 02 | <strong>2022</strong>


mehr als die Hälfte des Lohns für Nahrungsmittel ausgegeben<br />

wurde, betraf die Armut nicht mehr nur die Armen,<br />

denn die Teuerung bei den Lebensmitteln traf jeden. So<br />

konnte in echten Notjahren der Preis für Brot schnell um<br />

das Dreifache steigen und es war somit nicht mehr für<br />

jeden Menschen zu erstehen. Dadurch geriet aber auch<br />

ein Großteil der übrigen Bevölkerung in Schwierigkeiten,<br />

denn da die BürgerInnen jetzt so viel Geld für Grundnahrungsmittel<br />

ausgaben, blieb kaum Geld, um anderes<br />

zu kaufen. Dadurch stockte der Verkauf handwerklicher<br />

Erzeugnisse, was wiederum zum Sinken der Beschäftigtenzahlen<br />

und der Löhne führte. Mit der Zeit erreichte<br />

die Versorgungskrise einen immer größer werdenden<br />

Kreis, man konnte auch sagen, das Heer der Armen war<br />

gewachsen.<br />

Doch Armut konnte man damals nicht nur anhand von<br />

Vermögen oder sinkenden Löhnen bestimmen, auch<br />

die Natur und Krankheiten spielten eine gewichtige<br />

Rolle. Nachdem die Ernährungslage in und um Freiburg<br />

über viele Jahrzehnte entspannt war, begannen ab 1480<br />

die „schlechten Jahre“. In diesem Sommer hatte es den<br />

gesamten Sommer über sehr heftig geregnet, die Dreisam<br />

trat über ihre Ufer, zerstörte beide Brücken und riss viele<br />

Häuser, Menschen und Vieh mit sich. Der überwiegende<br />

Teil der landwirtschaftlichen Nutzflächen wurde<br />

überflutet, Korn, Gemüse und Wein wurden vernichtet.<br />

Der Winter im selben Jahr war extrem kalt und auch die<br />

folgenden beiden Sommer waren verregnet und stürmisch.<br />

Dadurch kam es dreimal in Folge zu Missernten<br />

und dadurch explodierten die Preise für Nahrungsmittel<br />

regelrecht. Der Rat erließ eine Verordnung, die es untersagte<br />

Lebensmittel anzukaufen und zu horten, um<br />

damit zu spekulieren. Im Jahr 1484 stellte der Rat bei der<br />

Jahresrechnung fest, dass sich die Stadt durch „Krieg,<br />

Wassernot, Hunger, Sterbet und große Thüri“ hoch verschuldet<br />

hat.<br />

Doch die Jahre 1480 bis 1483 waren nur ein Anfang. Zu<br />

Beginn der Neuzeit sollten noch viele Versorgungskrisen<br />

und Hungersnöte die Stadt heimsuchen. In den Jahren<br />

1490-1492, 1500-1502 und 1516-1518 zum Beispiel gab es<br />

große Überschwemmungen, die dann meist noch mit extrem<br />

kalten Wintern verbunden waren.<br />

Im Jahr 1501 beschloss der Stadtrat, 1.000 Viertel Korn in<br />

Straßburg anzukaufen, um damit die heimische Bevölkerung<br />

zu versorgen. Dieses Korn wurde dann in Freiburg<br />

zum Einkaufspreis an die Menschen verkauft, wobei darauf<br />

geachtet wurde, dass die Menschen nur zum eigenen<br />

Bedarf kauften. Als 1511 das gesamte Jahr kalt und verregnet<br />

war und dadurch die Nahrungsmittel wieder knapp<br />

wurden, befahl der Rat, alle BettlerInnen aus der Stadt zu<br />

jagen.<br />

Abb.: Die Mahlwerke von Mühlen standen oft still<br />

In den folgenden Jahren legte die Stadt dann Kornvorräte<br />

an, um auf diese Weise Missernten begegnen zu können.<br />

Doch der Freiburger Rat konnte sich auch solidarisch und<br />

hilfsbereit anderen gegenüber zeigen. Am 20. Januar 1514<br />

herrschte eine sehr grimmige Kälte, der Rhein bei Breisach<br />

war zugefroren, die Mühlen standen still und es gab<br />

kein Mehl mehr. „Damit die Breysacher vor Hunger nit<br />

sterbet“ schickte der Freiburger Rat sechs Lastfuhrwerke<br />

mit Mehl nach Breisach und linderte damit die größte Not<br />

dort.<br />

Wie es weiterging und ob man die Lebensmittelknappheit<br />

und Armut in den Griff bekam, den Fortgang bis zum<br />

30-jährigen Krieg und die Pestjahre in Freiburg erfahren<br />

Sie in der nächsten Ausgabe.<br />

Ich bedanke mich beim Stadtarchiv und Herrn Thalheimer,<br />

der Waisenhausstiftung, Gerlinde Kurzbach, Bernadette<br />

Kuner, Prof. Pompey, Peter Kalchtaler und Dr. Hans-Peter<br />

Widmann.<br />

https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Mill_in_Malbork,_part_2.jpg<br />

Foto: DerHexer / wikipedia / CC BY-SA 3.0<br />

Carsten<br />

FREIeBÜRGER 02 | <strong>2022</strong> 13


all diesen Jahren leider nichts grundlegend gebessert hat.<br />

Die Wohnungsknappheit ist nach wie vor da, die Mieten<br />

steigen und steigen, obwohl wir im Gemeinderat einiges<br />

versucht haben, auf den Weg zu bringen. Aber es reicht offenbar<br />

alles nicht aus, da sind unsere Arme hier als Stadt<br />

wahrscheinlich auch zu kurz und wir benötigen hier viel<br />

mehr Unterstützung von Bund und Land.<br />

Wohnungslosigkeit hat mehrere Gesichter. Die Menschen,<br />

die Platte machen, die entweder draußen bleiben oder auf<br />

Notunterkünfte angewiesen sind – das sind die, die man<br />

sieht. Aber es gibt auch einen nicht unbeträchtlichen Anteil<br />

Menschen, die auch keine Wohnung haben, die insofern<br />

Glück gehabt haben, als sie bei Freunden oder Verwandten<br />

untergekommen sind. Auf die Gruppe der Wohnungslosen<br />

schlägt die Wohnungsknappheit besonders durch. Wir<br />

müssen es schaffen, genügend bezahlbaren Wohnraum<br />

vorzuhalten. Ich bin der Meinung, dass da auch noch wesentlich<br />

mehr privates Geld eingebracht werden könnte.<br />

Foto: E. Peters<br />

IM GESPRÄCH MIT...<br />

Walter Krögner<br />

Walter Krögner ist eine vielfältige Persönlichkeit. Es ist<br />

nicht einfach, ihn in Kürze zu skizzieren. Bekannt ist er<br />

den meisten wohl durch seine Arbeit als Stadtrat. Er ist in<br />

verschiedenen gemeinderätlichen Gremien tätig: im Personalausschuss,<br />

im Umwelt- und Klimaausschuss, in der<br />

Stiftung WaldHaus etc. Außerdem ist er im Vorstand des<br />

Mieterverein Regio Freiburg e.V., der Schutzgemeinschaft<br />

Deutscher Wald e. V., der AIDS-Hilfe Freiburg e. V. und<br />

dem Ortsverband der IG Bauen, Agrar, Umwelt.<br />

Herzlich willkommen, Walter! Freut uns, dass Du Dir Zeit<br />

genommen hast. Wie geht es Dir?<br />

Mir geht es gut. Ich freue mich, dass ich jetzt hier bin.<br />

Du bist seit langem in verschiedenen Bereichen aktiv tätig.<br />

Was würdest Du rückblickend sagen? Hat es sich gelohnt,<br />

was hat sich verändert?<br />

Was mich am meisten geprägt hat sind die bald 23 Jahre im<br />

Gemeinderat. Da hat sich sehr viel geändert. Mein Thema<br />

ist ja immer die Wohnungspolitik gewesen. Was mich sehr<br />

bekümmert ist, dass sich an der Wohnungssituation hier in<br />

Durch den ersten Bürgerentscheid in Freiburg 2006<br />

wurde der Verkauf der Freiburger Stadtbau GmbH (FSB)<br />

verhindert. Glaubst Du, dass ein Entscheid heute anders<br />

ausfallen würde?<br />

Ich höre auch von Seiten derer, die damals für den Verkauf<br />

gewesen sind, dass ein städtisches Wohnungsbauunternehmen<br />

und gemeinnütziger Wohnungsbau einfach unerlässlich<br />

sind. Ich gehe nicht davon aus, dass es heute eine<br />

andere Mehrheit gäbe – nicht in der Stadtbevölkerung und<br />

anders als 2006 auch nicht im Gemeinderat.<br />

Worin siehst Du die eigentlichen Aufgaben der FSB?<br />

Ihre zentrale Aufgabe ist die Versorgung breiter Schichten<br />

der Bevölkerung mit Wohnraum. Da fallen einerseits die<br />

Menschen drunter, die wenig Geld im Beutel haben, aber<br />

auch Menschen, die nicht so wenig Geld haben, damit es<br />

eine gemischte Zusammensetzung der MieterInnenschaft<br />

gibt. In der Regel ist es so, dass die FSB mit günstigeren Mieten<br />

die Leute versorgen muss, die sich auf dem freien Wohnungsmarkt<br />

schwertun. Und das ist in zunehmendem Maß<br />

notwendig, weil die Mieten nach wie vor steigen.<br />

Bezahlbaren Wohnraum gibt es in Freiburg so gut wie<br />

keinen mehr. Hast Du Ideen für neue Wohnformen, die<br />

schnell und unbürokratisch umsetzbar wären?<br />

Was ich für ein vorbildliches Modell halte sind die Containerbauten<br />

oben nach Zähringen raus, die ursprünglich<br />

als Flüchtlingsunterkünfte gedacht waren. Es gab eine Zwischennutzung:<br />

einerseits Geflüchtete und andererseits Studierende,<br />

die sich gegenseitig unterstützten. Ein vergleichbares<br />

Modell gibt es jetzt in der Hammerschmiedstraße, wo<br />

die FSB was neues gebaut hat. Auf der einen Seite für geflüchtete<br />

Menschen, auf der anderen Seite für Studierende<br />

und andere, die dann, wenn sie Unterstützung geben, einen<br />

günstigeren Mietpreis bekommen. Das finde ich einen<br />

14<br />

FREIeBÜRGER 02 | <strong>2022</strong>


ganz guten Ansatz. Womit ich fremdle sind Sachen in Richtung<br />

Mobile Home oder Mikrowohnungen. Es ist ein Trugschluss,<br />

wenn man meint, damit viele Menschen versorgen<br />

zu können. Wir haben auch Verantwortung für die Flächen,<br />

die zur Verfügung stehen. Ich bin Naturschützer. Insofern<br />

mache ich mir natürlich auch immer Sorgen: Was machen<br />

wir mit der Fläche? Nutzen wir die extensiv, indem wir<br />

überall Reihenhaussiedlungen bauen? Ich bin der Meinung,<br />

das können wir uns hier in der Stadt, in dem Ballungsraum<br />

mit wenig Fläche, nicht mehr leisten. Wir müssen uns auf<br />

eine intensivere Flächenausnutzung konzentrieren. Und<br />

da wiederum gibt es unterschiedliche Organisationsformen<br />

und Formen des Zusammenlebens. Unerlässlich für<br />

die Bereitstellung bezahlbaren Mietwohnraums aber ist<br />

die Umsetzung unseres 50 %-Beschlusses, mit dem für alle<br />

neu ausgewiesenen Bauflächen vorgeschrieben ist, dass die<br />

Hälfte des neuen Wohnraums geförderte Mietwohnungen<br />

sein müssen. Unser Oberbürgermeister Horn setzt sich aktiv<br />

für die Umsetzung des Beschlusses ein und hat auch die<br />

Verwaltung so umgestaltet, dass dem Wohnungsbau wesentlich<br />

mehr Gewicht zukommt.<br />

Was sind Deine drei wichtigsten politischen Anliegen?<br />

Das eine ist ein sorgsamer Umgang mit unserer natürlichen<br />

Umwelt, dem Boden, der Luft, dem Wasser. Das Ziel<br />

ist ein ausgeglichener Naturhaushalt, damit wir der Natur<br />

nicht mehr nehmen, als von ihr gegeben wird. Das zweite<br />

ist mein wichtigstes Thema: der Wohnungsbau. Wohnen ist<br />

ein Menschenrecht! Das ist die Basis für ein soziales Leben.<br />

Alle müssen an einem Strang ziehen, damit es für alle Menschen<br />

möglich ist, ein Dach über dem Kopf zu haben. Aus<br />

meiner Sicht braucht ein jeder (nach Haut und Kleidung)<br />

als dritte Haut eine Wohnung, einen Rückzugsort. Das<br />

dritte ist eine Gesellschaft ohne Diskriminierung und Vorurteile.<br />

Die nicht unbedingt alles gutheißt, aber in der eine<br />

große Akzeptanz vorherrscht. „Meine Freiheit endet da, wo<br />

die Freiheit des anderen beginnt.“ (Rosa Luxemburg)<br />

Du hast 2019 rassistische Drohbriefe erhalten. Begegnet<br />

Dir „Hate Speech“ in Deinem Alltag, bist Du davon betroffen?<br />

Wie gehst Du damit um?<br />

Auslöser war damals eine Einbürgerungkampagne, an der<br />

ich mich beteiligt hatte. Die Karte wurde verfremdet mit<br />

irgendwelchen blöden Sprüchen. Das letzte mal habe ich so<br />

einen Post-Einwurf vor einem Jahr oder so erhalten. Es ist<br />

ja immer anonym und da kann einer sagen, was er will...<br />

Es beunruhigt auf jeden Fall, weil das Signal natürlich ist:<br />

Wir wissen, wo du wohnst. Wir wissen, wer du bist. Menschen,<br />

die so feige sind und auf Anonymität zurückgreifen,<br />

die sind halt so. Es wäre schön, wenn es so was nicht<br />

mehr gäbe, aber die Dummheit hält sich lange und deshalb<br />

gibt es solche Leute wahrscheinlich auch sehr lange. Wenn<br />

mich öffentlich jemand anmachen würde, könnte er/sie<br />

sich dann auf eine entsprechende verbale Antwort gefasst<br />

machen. Die, die mich kennen, halten sich wahrscheinlich<br />

deshalb auch zurück. (lacht) Ich bin an sich ein friedliebender<br />

Mensch, aber wenn es über die Grenzen des Respekts<br />

hinweggeht, dann gibt es kein Federlesen.<br />

Du hast einen Schrebergarten. Was pflanzt Du an? Was<br />

gibt Dir das Gärtnern, außer einer eigenen Ernte?<br />

Für mich ist der Garten ein Rückzugsbereich. Ich wohne in<br />

einem Mietshaus mit wenig Grün und genieße es, ein Stück<br />

Land zu haben, das ich selbst gestalten kann. Es ist schön,<br />

etwas auszusäen, zu pflegen und dann zu ernten. Ich mag<br />

auch wahnsinnig gerne Blumen. Erdbeeren mag ich – da<br />

gehen die Schnecken aber leider auch sehr gerne rein und<br />

mit ihnen teile ich nicht so gerne. Mohrrüben, Bohnen,<br />

Erbsen, Kraut, Zwiebeln, Kartoffeln sind auch immer gern<br />

gesehen.<br />

HIV / AIDS früher und heute – was kannst Du uns dazu<br />

erzählen?<br />

Vor 25 Jahren war ein positives Testergebnis fast gleichbedeutend<br />

mit dem Todesurteil. Heute ist es eine chronische<br />

Krankheit, die man wunderbar medikamentieren kann.<br />

Alle, die sich das eingefangen haben, können ein ganz<br />

normales Leben führen und haben eine normale Lebenserwartung.<br />

Das ist ein großer Erfolg der Medizinwissenschaften<br />

in Zusammenarbeit mit der starken Lobbyarbeit,<br />

die jahrelang durch die Aids-Hilfen, großteils auch unterstützt<br />

durch die Politik, geleistet wurde. Das Tätigkeitsfeld<br />

der Aids-Hilfe hier in Freiburg aber auch woanders ändert<br />

sich. HIV und AIDS sind behandelbar geworden. Wir haben<br />

uns der sexuellen Gesundheit generell verschrieben, es gibt<br />

ja viele andere sexuell übertragbare Krankheiten, die stark<br />

zugenommen haben. Deshalb haben wir uns in Checkpoint<br />

Aidshilfe Freiburg e. V. (CPAHF) umbenannt und haben den<br />

Anspruch, Zentrum für sexuelle Gesundheit zu sein. Was<br />

sich durchzieht ist die Arbeit gegen Diskriminierung.<br />

Was ist für Dich der schönste Ort in Freiburg?<br />

Und welcher der hässlichste?<br />

Der schönste ist für mich der Schauinslandturm, weil<br />

ich da den Blick in die Stadt runter hab, zum Kaiserstuhl,<br />

wenn gute Sicht ist zu den Vogesen und in den herrlichen<br />

Schwarzwald. Der hässlichste ist für mich da, wo die B 31<br />

aus dem Tunnel rauskommt und du im Prinzip nur Verkehr<br />

und schlechte Luft hast.<br />

Was wünschst Du Freiburg?<br />

Mehr Gemeinsinn.<br />

Lieber Walter, vielen Dank für das spannende Gespräch.<br />

Wir wünschen Dir für all Deine Aufgaben viel Kraft und<br />

Freude. Bleib gesund!<br />

Oliver, Conny & Ekki<br />

FREIeBÜRGER 02 | <strong>2022</strong> 15


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FREIeBÜRGER 02 | <strong>2022</strong> 17


Abb.: Für viele Wohnungslose ist Sicherheit nur flüchtig und die Intimsphäre prekär.<br />

TRÜBE TAGE, RAUE NÄCHTE<br />

Obdachlos im November – ein Selbstversuch<br />

Meine Finger sind taub, bleich und spröde. Die Handschuhe?<br />

Klamm durch das ewige Nieseln. Ich reibe die<br />

Hände, aber warm werden sie nicht. Eher noch rissiger.<br />

Die Kälte schlägt eben nicht nur auf die Lunge, sondern<br />

schadet auch Haut, Knochen und Gelenken – schneller,<br />

als ich dachte. Immerhin sind meine Hände noch nicht<br />

entzündet oder blutig; schließlich bin ich erst eine Nacht<br />

lang auf der Straße. Ich kann auch wieder heim, anders<br />

als Notleidende, die hier überleben müssen.<br />

Diogenes, der Philosoph in der Tonne, lief über einen<br />

taghellen Marktplatz mit der Lampe, leuchtete die Athener<br />

an und rief: „Ich suche einen Menschen!“ Heute<br />

bräuchte sich ein sozialkritischer Diogenes kaum anzustrengen;<br />

unter den Straßenlaternen schimmert auch<br />

in der Nacht viel Menschlichkeit, schauen wir nur genau<br />

hin: Trauer, Sehnsucht und auch Stärke.<br />

Hinschauen und lernen will ich – was es für meine ca.<br />

50.000 Mitmenschen hier in Deutschland bedeutet, auf<br />

der Straße zu leben. Später bin ich zerschlagen, humple<br />

und habe einen humanen Gedanken leiblich nachvollzogen:<br />

Jeder Mensch sollte eine Bleibe haben.<br />

ICH RÜSTE MICH MIT FUNKTIONSPULLI, PARKA – UND<br />

MACHE GLEICH DEN ERSTEN FEHLER<br />

Um eine kalte Nacht zu überstehen, muss ich mich nur<br />

warm anziehen, denke ich. Doch das ist naiv; auf der<br />

Straße ist alles komplizierter. Nach den ersten Schritten<br />

durch das abendliche Gewühl der Königsstraße überhitze<br />

ich und verstehe meine erste Lektion: Wer draußen<br />

lebt, muss ständig schwitzen oder frieren, nämlich Kleidung<br />

für die Nacht auch durch den Tag tragen – damit<br />

sie nicht geklaut wird und da Taschen immer zu voll sind.<br />

„Die musst Du zu jedem Sozialtermin mitschleppen, auch<br />

mehrmals durch die ganze Stadt. Mit der Bahn fahren<br />

darfst Du ja nicht“, erklärte mir zu Herbstbeginn eine Notleidende<br />

im Interview, „das macht Dich fertig. Und Du<br />

kannst Dich auch nicht einfach frisch machen, wenn Du<br />

dann aussiehst wie nach fünf Stunden Sport!“<br />

18<br />

FREIeBÜRGER 02 | <strong>2022</strong>


Abb.: Bin ich schlecht gekleidet? Wer nicht glänzt, droht ausgegrenzt und stigmatisiert zu werden. Das ist ein Problem,<br />

sind wir doch alle Menschen und nicht Puppen.<br />

Seine Kleidung nicht ablegen zu können, ist also kein kleines<br />

Problem. Die eigene Temperatur nicht regulieren zu<br />

können, tötet sogar: Ein Körper unter schwitziger Kleidung<br />

kühlt schnell aus. Wie ertragen Menschen solche<br />

Zumutungen? Ich schaue mich um. Vor den strahlenden<br />

Schaufenstern sammelt ein junger Mann Spenden; er ist<br />

aber dünner angezogen als ich und scheint sich auf die<br />

Nacht vorbereiten zu müssen. Müde, aber lächelnd teilt<br />

er seine Straßenkompetenz mit mir: „Für mich ist überlebenswichtig,<br />

einige Sachen versteckt zu lagern. Sonst<br />

könnte ich mich nicht vernünftig anziehen. Nur habe ich<br />

Angst, dass sie wieder gefunden werden und wieder im<br />

Müll landen.“ Diogenes würde diese Angst verstehen –<br />

und einen Menschen treffen, der sich um seine einfachsten<br />

Bedürfnisse sorgt.<br />

WIR WOLLEN UNS AUF EINE BANK SETZEN; ABER SO<br />

LEICHT IST AUF DER STRASSE NICHTS<br />

Das Riesenrad auf dem Schlossplatz leuchtet in die Nacht<br />

wie ein elektrifiziertes Rad der Fortuna. „The Länd“, eine<br />

Werbung Baden-Württembergs, bringt uns aber kein<br />

Glück. Vor den Bänken, wo die Schuhe Mulden eindrückten,<br />

glänzen nach dem Regen kleine Seen. Meine zweite<br />

Lektion: Wer auf der Straße lebt, kommt kaum zur Ruhe,<br />

geplagt von äußeren Faktoren wie dem Wetter.<br />

„Einmal hat mich der Schnee fast erledigt“, lacht mein<br />

Bekannter freudlos, „das Wasser hier ist noch harmlos.<br />

Du darfst aber nicht reintreten. Die Nässe macht Deine<br />

Füße wund.“ Also suchen wir einen besseren Rastplatz.<br />

Stadtarbeiter beschneiden die Bäume. Ein Bagger scheint<br />

geparkt, wir legen die Rucksäcke ab und lehnen unsere<br />

steifen Schultern an seine Reifen. Die Welt fühlt sich<br />

gleich besser an!<br />

Doch plötzlich jault es, dass ich nach vorne springe. Ein<br />

Alarm: Wir dürfen uns hier nicht anlehnen. „Das ist<br />

heute wieder ein Spießrutenlauf“, brummt der Bekannte<br />

namens Sven. Wir suchen uns also zwei Metallsitze. Die<br />

sind kalt, lassen keine Entspannung zu und durch strömende<br />

Feiernde auf eine Wand blicken. Sven stöhnt; seine<br />

Kopfschmerzen würden stärker werden, weil er nirgends<br />

Frieden finde. „Die Stadt besteht aus Wänden. Die sperren<br />

einen von der Wärme aus, aber die freundlicheren<br />

Mauern haben auch Nischen, in die man sich legen kann.“<br />

Dann fröstelt er und will sich für die Nacht vorbereiten. Er<br />

wünscht mir Glück und hastet ins Dunkle. Sein Versteck<br />

kann er mir natürlich nicht zeigen; er kennt mich kaum.<br />

Abb.: Schon der Herbst ist auf der Straße nicht gemütlich,<br />

sondern brutal. Auch das bunte Laub verliert an Schönheit,<br />

weht es einem beim Aufwachen feucht ins Gesicht.<br />

FREIeBÜRGER 02 | <strong>2022</strong> 19


Ich erinnere mich an eine Vorstellung von Molières „Der<br />

Geizige“. Das Publikum lachte an den falschen Stellen;<br />

immer dann, wenn eine Figur geschlagen wurde. Während<br />

der Pause entdeckte ich einige Wohnungslose in der<br />

benachbarten Bankfiliale. Sie schliefen neben den Heizungen<br />

– wer Geld abheben wollte, stand direkt neben ihren<br />

Gesichtern. Dieses Bild, von außen durch das Schaufenster<br />

betrachtet, schien mir das eigentliche sozialkritische<br />

Stück. Jetzt selbst der Mensch im Schaufenster zu sein,<br />

ändert die Optik. Überall sehe ich Notleidende, scheinbar<br />

gute oder gefährliche Plätze. Ein Schwarm Vögel fliegt<br />

über den Nachthimmel, Passanten bleiben stehen und<br />

rufen: „Wunderschön!“ Graue Schemen kreisen vor der<br />

Schwärze. Ich gehe weiter.<br />

Abb.: Das Riesenrad soll Optimismus symbolisieren.<br />

Kann es das? Jedenfalls macht es Wohnungslosen die<br />

feuchtkalte Nacht nicht angenehmer.<br />

ICH WANDERE VOM BAHNHOF ZUR BRÜCKE ZUR<br />

KIRCHE ZUM BAHNHOF ZUR KIRCHE<br />

Meine dritte Lektion: Gute Schlafplätze sind selten. Zuerst<br />

branden Gruppen feierwütiger Männer um mich,<br />

so aufgedreht wie ihre Bluetooth-Boxen. Dann ist ein<br />

Platz zwar ruhiger, aber zugig. Der Windchill-Effekt bläst<br />

mir die warme Luft von der Haut weg. Er macht frostiges<br />

Wetter beißend; wohnungslose Menschen bringt er<br />

um. Unter der Brücke warnt mich die Notleidende Sarah:<br />

„Hier kannst Du nicht bleiben. Du holst Dir den Tod!“ Sie<br />

will hier nur eine Weile „verschnaufen“, bevor sie wieder<br />

Spenden sammelt. „Ich weiß nur nicht, was ich machen<br />

soll, wenn Corona schlimmer wird“, fährt sie beunruhigt<br />

fort, „Münzen brauchst Du für alles, auch für das Klo. Als<br />

Frau kann ich nicht draußen pinkeln, sonst sind Männer<br />

hinter mir her. Es ist so schon gefährlich.“ Zur Erholung<br />

versucht sie, gleichmäßig ein- und auszuatmen. Traurig<br />

suche ich weiter. Später drücke ich mich in eine Ecke;<br />

doch dann kommt einer. Die Ecke gehöre ihm. Verhandeln<br />

will er nicht.<br />

BISHER DACHTE ICH, MEINE SCHUHE WÜRDEN PASSEN<br />

Unter den Bedingungen der Straße erweisen sie sich als<br />

zu eng. Mein Alltag scheint mir plötzlich so komfortabel<br />

wie naiv; nun mit einem gequetschten Vorfuß, Blasen<br />

und humpelndem Fehlgang.<br />

Verwundert sehe ich, schon fünfzehn Stunden lang herumzuirren.<br />

Durch Stress vergeht die Zeit schnell. Die<br />

Gegenwart ist schmal, wenn einen die dringendsten<br />

Bedürfnisse drücken. Dann verschwinden Vergangenheit<br />

und Zukunft. Seine Schuhe tagelang nicht von den Füßen<br />

zu bekommen, begreife ich jetzt als eine besondere Qual.<br />

Müsste ich länger so unterwegs sein, wären bleibende<br />

Schäden unvermeidlich. Die Schuhe kann ich kaum ausziehen.<br />

Wer will auch in Unterführungen barfuß sein? Es<br />

ist feucht und kalt und überall liegen Scherben.<br />

Es geht aber noch schlimmer! Einige Meter durch den<br />

Park gehumpelt, klebt an Tretern und Hose viel Matsch.<br />

Abb.: Psychische Gewalt ist auf der Straße häufig.<br />

Wohnungslose sind besonders gefährdet – auch durch<br />

Mord und Sexualverbrechen.<br />

20


Abb.: Wir Menschen denken in Rollenbildern. Schon nach ein paar Stunden als Wohnungsloser ändert sich alles.<br />

Schon bin ich verschmutzt. Das Rollenmuster „obdachlos“<br />

nimmt Gestalt an, die Stigmatisierung beginnt. Ich<br />

meine, die Feierlustigen werfen mir Blicke zu; so abgekämpft<br />

wie ich in Parka und mit Rucksack aussehe – vielleicht<br />

bilde ich mir das aber auch nur ein? Meine vierte<br />

Lektion: Die Straße greift das Selbstvertrauen an. Kälte,<br />

Einsamkeit und Angst bedeuten dann, allein in dunklen<br />

Ecken einen Schlafplatz zu suchen, mit einem Kloß im<br />

Hals und flau im Bauch. Sehnsüchtig träume ich von meiner<br />

Wohnung.<br />

DIE EIGENE WOHNUNG IST DAS VERHEISSENE LAND,<br />

WO WASSER UND STROM FLIESSEN<br />

Hier, im heimischen Paradies, plätschert heißes Wasser<br />

mit einer Handbewegung direkt aus der Wand. Mit einem<br />

Griff habe ich Nahrung in Fülle. Auch die Wände hier sind<br />

so freundlich wie Beton nur sein kann; in jede Richtung<br />

sperren sie die bösen Dinge aus. Wer sein Paradies besitzt,<br />

kann nestwarm dösen und seine Gedanken mit dem<br />

beruhigenden Summen des Kühlschranks synchronisieren.<br />

Natürlich müssen auch die stolzen Paradies-Besitzenden<br />

raus in die Kälte, doch dürfen sie auf ihre gelobten<br />

Quadratmeter heimkehren, können sich nach einem Tag<br />

unter Menschen vom Lärm entspannen! Auf der Straße<br />

wiederholt sich der Lärm des Tages aber im Lärm der<br />

Nacht und wieder im Lärm des Tages; endlos so fort – bis<br />

ein Mensch vor Stress krank wird, erfriert oder schlimme<br />

Gewalt erfährt.<br />

NACH EINIGEN STUNDEN IN KLAMMEM HALBSCHLAF<br />

SCHRECKE ICH VOM PFLASTER AUF<br />

Mein Rücken sticht. Meine Lippen sind rissig, aber ich<br />

habe kein Wasser mehr. Nach einer Brezel ist mein Kleingeld<br />

alle; wo bekomme ich die Münze für eine Toilette her?<br />

Ich schneide mich am Papier und blute auf den Parka.<br />

Durch den restlichen Tag werde ich immer schlapper<br />

und begegne noch einigen Armen, die mit jeweils eigenen<br />

Strategien überleben. Für mich ist das noch leicht. Ich<br />

war ausgeruht – nach einem Monat hier wäre ich anders<br />

angeschlagen. Dann begänne der wirkliche Schrecken.<br />

Meine wichtigste Lehre: Wir sollten jedem Menschen zu<br />

einer Wohnung verhelfen. Housing first!<br />

Artikel & Fotos: Daniel Knaus<br />

Mit freundlicher Genehmigung von Trott-war e. V.<br />

Abb.: Ein Mensch ohne Heim weiß nie, wo sich eine<br />

Zuflucht bietet oder Gefahren lauern. Das verursacht<br />

ständigen Stress.<br />

21


Sonntagstreff im <strong>Februar</strong> <strong>2022</strong><br />

27.02.<strong>2022</strong><br />

13:00 - 14:30<br />

Evangelische Melanchthongemeinde<br />

Freiburg-Haslach / Melanchthonweg 9<br />

Straßenbahn 5 Richtung Rieselfeld<br />

Halt Dorfbrunnen<br />

oder<br />

Bus 14 Richtung Haid<br />

Halt Scherrerplatz<br />

Die Gemeinde plant die Ausgabe von Vespertüten<br />

sowie ein warmes Vesper auf die Hand.<br />

Foto: E. Peters<br />

VERKÄUFER ZEKKKE<br />

Es wird gebeten, sich an die Regeln der aktuellen<br />

Corona-Situation zu halten und den Bitten<br />

der GemeindehelferInnen zu entsprechen.<br />

Anzeige<br />

Hi, ich bin Zekkke, einige von Ihnen kennen mich wahrscheinlich<br />

noch aus der Zeit vor der Pandemie, als ich<br />

nachts in den Freiburger Bars und Kneipen die Straßenzeitung<br />

verkauft habe. Nachdem dies aufgrund von<br />

Corona nicht mehr möglich war, hatte ich einen festen<br />

Verkaufsplatz vor dem „Bis Späti“, bevor dieser, ich kann<br />

es nicht anders sagen, der nachtlebenfeindlichen Stadtpolitik<br />

zum Opfer gefallen ist. Seitdem bin ich auf der<br />

Suche nach einem neuen Verkaufsplatz. Bis dahin verkaufe<br />

ich hin und wieder, meist am späten Nachmittag, vor<br />

dem Netto im Freiburger Stadtteil Stühlinger. Durch den<br />

Verkauf kann ich mir nicht nur etwas dazuverdienen, ich<br />

lerne auch des Öfteren interessante Leute kennen und<br />

man quatscht ein wenig. In meiner Freizeit reise ich sehr<br />

gerne, sofern es die momentane Situation zulässt. Außerdem<br />

gehe ich gerne auf Konzerte und musiziere selbst.<br />

Mal auf dem Schlagzeug, aber auch auf dem Akkordeon,<br />

oder ich spiele auf meiner Cigarbox-Gitarre. Ich nähe und<br />

zeichne gerne. Und ich schaue sehr gerne Fußball, vor<br />

allem die Spiele von meinem Lieblingsverein FC St. Pauli,<br />

aber natürlich auch die vom SC Freiburg.<br />

Für die Zukunft wünsche ich uns allen, dass die Pandemie<br />

schnell vorbei ist und es wieder möglich ist all die Dinge<br />

zu machen, die vorher selbstverständlich waren. Ich sage<br />

Danke, bleiben Sie gesund und bis ganz bald!<br />

Ihr Zekkke<br />

es ist zeit,<br />

dass der stein<br />

sich zu blühen bequemt<br />

VEREIN FÜR NOTWENDIGE KULTURELLE MASSNAHMEN e.V.<br />

HASLACHER STRASSE 25 | 79115 FREIBURG<br />

WWW.SLOWCLUB-FREIBURG.DE<br />

ES IST ZEIT,<br />

22<br />

FREIeBÜRGER 02 | <strong>2022</strong>


MITMACHSEITE<br />

Lernen Sie uns kennen...<br />

• Diskutieren Sie mit uns<br />

• Erzählen Sie uns Ihre Geschichte<br />

• Schreiben Sie einen Artikel<br />

• Unterstützen Sie unsere Aktivitäten<br />

• Kommen Sie auf ein Käffchen vorbei<br />

Machen Sie mit!<br />

Sagen Sie es weiter!<br />

Wir freuen uns auf Sie...<br />

Ihr FREIeBÜRGER-Team<br />

Engelbergerstraße 3 – 0761/3196525 – info@frei-e-buerger.de<br />

FREIeBÜRGER 02 | <strong>2022</strong> 23


Illustrationen: Manuele Fior / avant-verlag<br />

CELESTIA<br />

Buchbesprechung von utasch<br />

Die große Invasion kam über das Meer.<br />

Über das Festland zog sie gen Norden.<br />

Viele sind geflohen, einige fanden Zuflucht auf einer<br />

kleinen Insel in der Lagune.<br />

Einer steinernen Insel,<br />

vor über tausend Jahren auf Wasser gebaut.<br />

Ihr Name ist Celestia.<br />

Über die große Invasion erfahren wir in der Science-Fiction<br />

Graphic Novel des Autors und Illustrators Manuele Fior<br />

nichts Genaueres. Doch ein Teil der Welt scheint nur noch<br />

dünn besiedelt zu sein und auf der von Wasserstraßen<br />

durchzogenen Insel Celestia, die an Venedig erinnert, leben<br />

anscheinend nur einige seltsame MaskenträgerInnen<br />

und TelepathInnen. Dort begegnen wir dem Einzelgänger<br />

und Freigeist Pierrot mit seiner charakteristischen Träne<br />

auf der Wange, der seine Vorahnungen in poetischen<br />

Versen verkündet. Dora hat ihre telepathische Veranlagung<br />

nicht unter Kontrolle und wird von quälenden<br />

Déjà-vus heimgesucht. Nach einer gewaltsamen Auseinandersetzung<br />

mit Honk, der zu einer kriminellen Bande<br />

gehört, müssen Pierrot und Dora aufs Festland fliehen.<br />

Dort treffen sie auf eine neue Generation von TelepathInnen.<br />

Die Kinder können sich auch auf weite Entfernungen<br />

miteinander verständigen, sind im Einklang mit ihren<br />

Fähigkeiten und verkörpern eine neue Zukunftsperspektive.<br />

Sie sorgen für die hinterbliebenen Erwachsenen, die in<br />

einem Zustand der Realitätsverweigerung verharren. Als<br />

Pierrot und Dora schließlich nach Celestia zurückkehren,<br />

lauert die kriminelle Bande bereits auf Rache. Das Ende<br />

der Geschichte verrate ich Ihnen nicht.<br />

Die Story erscheint wie ein kleiner Ausschnitt aus einer<br />

viel größeren Fantasiewelt und lässt reichlich Raum für<br />

Spekulationen. Gerne hätte ich die nächsten Bücher über<br />

die große Invasion, die telepathischen Kinder, die MaskenträgerInnen<br />

und die weiteren Abenteuer von Pierrot<br />

und Dora aufgeschlagen. Fiors spärliche Texte fördern die<br />

Konzentration auf seine Bildsprache, die in leuchtenden<br />

Aquarellfarben dem Zukunftsszenario eine harmonische<br />

Atmosphäre verleiht. Visuell überzeugend ist die ausdrucksstarke<br />

Dynamik jedes einzelnen Bildes, mit der<br />

Situationen, Bewegungen und Gefühle veranschaulicht<br />

werden. Da gibt es auch auf den zweiten und dritten<br />

Blick wirklich viel zu entdecken. Wer sich für das Genre<br />

interessiert, wird viel Freude an „Celestia“ haben, obwohl<br />

die Geschichte vieles ungesagt und offen lässt.<br />

Manuele Fior<br />

„CELESTIA“<br />

avant-verlag<br />

ISBN: 978-3-96445-057-9<br />

272 Seiten | 29 €<br />

24<br />

FREIeBÜRGER 02 | <strong>2022</strong>


GEFÜLLTE KARTOFFELN MIT GRÜNKOHL<br />

Foto: E. Peters<br />

Herzlich willkommen auf unserer Kochseite!<br />

Die Grünkohlsaison ist schon seit einer Weile eröffnet.<br />

Traditionell sollte Grünkohl nach dem ersten Frost geerntet<br />

werden, weil er da einfach noch besser schmeckt. Wir<br />

raten, Grünkohl in der kalten Jahreszeit öfter zu essen,<br />

denn er enthält viel Vitamin C, E und K, unterstützt das<br />

Immunsystem, stärkt die Abwehrkräfte und ist fett- und<br />

kalorienarm. Also genau das Richtige, um gesund und fit<br />

durch den Winter zu kommen. Das sind gute Gründe, ihn<br />

mehrmals auf den Speiseplan zu setzen, was wir beim<br />

FREIeBÜRGER ja schon öfter getan haben, letztes Mal<br />

klassisch mit Kohlwurst, Kasseler und Kartoffeln. Dieses<br />

Mal gibt es eine vegetarische Variation: gefüllte Kartoffeln<br />

mit Grünkohl. Als Beilage haben wir uns für einen der<br />

gesündesten aller Salatarten entschieden: den Feldsalat,<br />

mit einem Honig-Senf-Dressing.<br />

Zutaten für 4 Personen:<br />

250 g Grünkohl<br />

4 große Kartoffeln<br />

4 kleine Zwiebeln<br />

60 ml Gemüsebrühe<br />

50 g Frischkäse<br />

30 g halbfester Schnittkäse<br />

200 g Feldsalat (Beilage)<br />

1 EL Pflanzenöl<br />

1 TL Dijonsenf<br />

5 EL Balsamico-Essig<br />

4 EL Olivenöl<br />

1 TL Honig<br />

Muskat<br />

Salz & Pfeffer<br />

Zubereitung:<br />

Grünkohl waschen, von den harten Rippen befreien und<br />

in kochendem Salzwasser kurz blanchieren, herausnehmen,<br />

abschrecken und kleinschneiden. Zwiebeln schälen,<br />

fein würfeln und in einer Pfanne mit Pflanzenöl andünsten.<br />

Grünkohl und Gemüsebrühe hinzugeben und eine<br />

halbe Stunde lang garen. Mit Salz, Pfeffer und Muskat<br />

abschmecken. Dann den Backofen auf 200 °C vorheizen.<br />

Kartoffeln säubern und eine Viertelstunde kochen. Danach<br />

die Kartoffeln längs halbieren und bis auf einen zentimeterdicken<br />

Rand aushöhlen. Frischkäse, Grünkohl und<br />

200 g des Kartoffelinneren mischen. Mit Salz und Pfeffer<br />

abschmecken. Die Kartoffelhälften damit befüllen und in<br />

einer gefetteten Auflaufform im Backofen bei 200 °C (mit<br />

einer gefetteten Alufolie bedeckt) eine halbe Stunde lang<br />

backen. Alufolie entfernen, den geriebenen Schnittkäse<br />

auf die Kartoffeln verteilen und kurz überbacken, bis der<br />

Käse schmilzt. Den Feldsalat mehrmals im Spülbecken<br />

in kaltem Wasser gründlich waschen, herausnehmen,<br />

abtropfen lassen und trockenschleudern. Für das Dressing<br />

den Senf mit dem Honig, Balsamico, Olivenöl, etwas Salz<br />

und 4 EL kaltem Wasser in eine Salatschüssel geben. Den<br />

Feldsalat hinzufügen und vorsichtig unterheben.<br />

Guten Appetit!<br />

Oliver & Ekki<br />

FREIeBÜRGER 02 | <strong>2022</strong> 25


Hallöchen, liebe Sportfreunde,<br />

nun ist schon der erste Monat des neuen Jahres vergangen<br />

und so nähert sich das nächste Weihnachtsfest schon<br />

wieder beängstigend schnell. Aber ganz so weit ist es zum<br />

Glück noch nicht, vorher stehen uns erstmal Olympia und<br />

dann noch die Fußball-WM ins Haus.<br />

Bis zu den Olympischen Winterspielen brauchen wir jetzt<br />

nicht mehr lange zu warten, denn die beginnen bereits<br />

am Ende diesen Monats. Meine Erwartungen auf deutsche<br />

Medaillen habe ich allerdings im Verlauf der letzten<br />

Wochen schon erheblich zurückschrauben müssen, denn<br />

irgendwas haben unsere Wintersportler wohl falsch verstanden.<br />

Statt zum Saisonhöhepunkt, also den Olympischen<br />

Spielen, in Topform zu sein, waren es die deutschen<br />

AthletInnen zum Saisonbeginn und laufen nun den anderen<br />

SportlerInnen ein wenig hinterher.<br />

Zumindest bei den Alpinen RennfahrerInnen und bei den<br />

BiathletInnen sieht es in diesem Jahr so aus, als würden<br />

sie bei der Medaillenvergabe daneben stehen und höflich<br />

gratulieren. Vor allem die Biathletinnen machen dem<br />

deutschen Olympiakomitee Sorgen, denn die ehemals so<br />

erfolgreichen Skijägerinnen haben in dieser Saison noch<br />

kein Rennen gewinnen können, weder im Einzel noch in<br />

der Staffel, selbst Podiumsplatzierungen waren in diesem<br />

Winter bislang rar. Vielleicht sollten sich die Verantwortlichen<br />

mal wieder auf die früher so erfolgreiche Nachwuchsförderung<br />

besinnen, um in zwei oder drei Jahren<br />

wieder eine erfolgreiche Mannschaft aufstellen zu können.<br />

Denn schließlich sind da her überaus erfolgreiche<br />

Biathletinnen wie Magdalena Neuner, Laura Dahlmeier<br />

oder Katrin Wilhelm gekommen, die unzählige Olympiaund<br />

WM-Medaillen gewonnen haben. In diesem Jahr stehen<br />

zwar auch ein paar junge Sportlerinnen im Aufgebot,<br />

allerdings haben sie noch zu viele Fehler im Repertoire,<br />

um erfolgreich zu sein. Die einen können unerhört schnell<br />

laufen und die anderen sind sehr gut am Schießstand.<br />

Aber beides zusammen kann man momentan nur bei den<br />

Norwegerinnen, den Schwedinnen und den Französinnen<br />

finden. Aber vielleicht belehren mich die Damen bei<br />

Olympia eines Besseren?!<br />

Bei den Biathlonherren gab es im Januar schon mehr<br />

Grund zum Hoffen, die konnten schon zwei Rennen gewinnen<br />

und auch bei der letzten Staffel sind sie auf Platz<br />

drei gelandet und das sogar nur mit der B-Mannschaft.<br />

Vor allem für den Schwarzwälder Benedikt Doll hat es<br />

mich gefreut, dass er mal wieder einen Sieg einfahren<br />

konnte. Zwar ist der Junge immer einer der schnellsten<br />

in der Loipe, aber am Schießstand geht er selten mal mit<br />

fünf Treffern weg. Und jetzt gewinnt er ausgerechnet ein<br />

Massenstartrennen, bei dem viermal geschossen wird!<br />

Ich würde es ihm gönnen, wenn er das in China noch mal<br />

schafft...<br />

Auch die Alpinen RennfahrerInnen sind eigentlich ganz<br />

erfolgreich in den Winter gestartet und haben sowohl<br />

bei den Frauen als auch bei den Männern Platzierungen<br />

unter den ersten dreien erreicht. In den letzten Wochen<br />

blieben die allerdings aus, vor allem in der Abfahrt<br />

sind die deutschen Cracks deutlich hinter den Spitzenläufern.<br />

Aber es ist ja egal, schließlich ist ja Olympia! Und<br />

laut dem olympischen Gedanken darf es dabei nicht ausschließlich<br />

um Sieg oder Niederlage gehen, das Dabeisein<br />

ist alles – Ha, das sollte mal jemand den alten Griechen<br />

erzählen...<br />

Wesentlich mehr Spaß machen da die Skispringer um<br />

Karl Geiger und Marcus Eisenbichler, die schon seit Saisonbeginn<br />

gut in Schuss sind und die Spiele von Peking<br />

gar nicht mehr erwarten können. Vor allem Geiger, der<br />

auch im Gesamtweltcup führt, hat mit vier Saisonsiegen<br />

seine Ansprüche auf die eine oder andere Olympiamedaille<br />

angemeldet. Das hat er auch am vergangenen Wochenende<br />

unter Beweis gestellt, als er in Titisee-Neustadt<br />

gleich beide Wettkämpfe gewann, zumal er die Schanze<br />

hier um die Ecke bisher gar nicht mochte. Zumindest<br />

taucht sein Name in den Ergebnislisten der letzten Jahre<br />

erst weit hinten auf. Sei es wie es sei, mit den beiden Siegen<br />

im Schwarzwald ist er in der Favoritenliste ganz nach<br />

vorn gesprungen. Allerdings war der Bundestrainer nach<br />

Neustadt nicht zu beneiden. Zwar war das Wochenende<br />

mit sieben Springern sehr erfolgreich in den Finaldurchgängen,<br />

doch der Coach durfte nur fünf Springer für den<br />

Olympiastart benennen. Nach einer Nacht mit viel Grübeln<br />

entschied er sich dafür, die beiden Ex-Olympiasieger<br />

Freund und Wellinger daheim zu lassen und ich denke<br />

auch, das war richtig so, die waren nach Verletzungen<br />

noch nicht ganz auf der Höhe.<br />

Bei den Springern sehe ich jedenfalls die größten Medaillenchancen,<br />

die Nordischen Kombinierer werden auch ein<br />

paar davon holen und natürlich sind die deutschen SportlerInnen<br />

auch wieder in den Bob- und Schlittenrennen<br />

26<br />

FREIeBÜRGER 02 | <strong>2022</strong>


Abb.: Karl Geiger – seine bisher größten Erfolge sind die Weltmeister-Titel im Skifliegen 2020 in Planica, sowie im<br />

Mannschaftswettbewerb und im Mixed-Wettbewerb bei den Nordischen Skiweltmeisterschaften 2019<br />

Foto: Kai Pfaffenbach / REUTERS<br />

die großen Favoriten. Also, in zwei Wochen geht es los. Ich<br />

habe auf meiner Couch schon ein „Besetzt“-Schild“ aufgestellt<br />

– von mir aus kann es losgehen!<br />

Fußball gespielt wurde im Januar natürlich auch schon<br />

wieder, schließlich muss die Saison wegen der WM diesmal<br />

früher beendet werden. In der ersten Liga ist nach<br />

zwei Spielen alles beim Alten geblieben. Die Bayern und<br />

das Schwarzgelbe stehen oben und Union Berlin und der<br />

SC Freiburg liegen lauernd dahinter und befassen sich<br />

gedanklich wohl schon so langsam mit der Champions<br />

League. So unrealistisch ist das gar nicht mal, denn die<br />

Mannschaften, die sonst da oben stehen, haben in dieser<br />

Saison ziemlich große Probleme und hangeln sich von<br />

Spiel zu Spiel. Der hiesige Sportclub liefert überzeugende<br />

Leistungen ab, fährt regelmäßig Punkte ein und steht<br />

nicht unverdient so weit oben. Das wäre doch sensationell,<br />

wenn Real Madrid oder der FC Liverpool hier zum Kicken<br />

auftauchen würden!<br />

In der besten 2. Liga aller Zeiten ist es inzwischen zum<br />

erwarteten Neunkampf um die Aufstiegsplätze gekommen<br />

und das Erfreuliche daran ist, meine Schalker spielen<br />

gar keine so schlechte Rolle dabei. Der 5:0 Sieg in Aue war<br />

ziemlich überzeugend! Ja, wer ist schon Aue, werdet ihr<br />

sagen, doch fahrt da erst mal hin, das ist ein heißes Pflaster<br />

dort, da haben schon ganz andere verloren!<br />

Aber es sind ja noch ein paar Spiele Zeit, bis die Aufsteiger<br />

gekürt werden. Ich für meinen Teil hoffe aber, dass die<br />

Blau-Weißen dabei sein werden.<br />

Für einen Zweitligisten begann das Jahr allerdings denkbar<br />

schlecht. Dynamo Dresden musste den Tod seines<br />

langjährigen Mannschaftskapitäns, Ausnahmespielers<br />

und seiner Vereinsikone Hans-Jürgen „Dixie“ Dörner betrauern.<br />

Wieder einer meiner Fußballhelden aus der Kindheit,<br />

der gehen musste. Natürlich war ich nie ein Dresdenfan<br />

und werde auch nie einer sein, aber ein „Dixie“<br />

Dörner-Fan war ich schon. Es war schon toll, ihn spielen<br />

zu sehen, der hat der Liberoposition erst richtiges Leben<br />

gegeben. Journalisten bezeichneten ihn immer als Beckenbauer<br />

des Ostens, doch das wird ihm nicht gerecht.<br />

Eher war der Kaiser der Dixie des Westens, nur halt mit<br />

Skandalen! Ich werde nie die Olympischen Spiele 1976 in<br />

Montreal vergessen, als Dörner in seiner unvergleichbaren<br />

Art die DDR-Mannschaft zum Olympiasieg führte. Ich<br />

habe jedes Spiel mit meinem Vater auf der Couch gesehen<br />

und wir konnten am Ende den einzigen (!) Olympiasieg<br />

einer deutschen Mannschaft bejubeln. Lass es Dir gut<br />

gehen, Dixie!<br />

Das war es mal wieder, viel Spaß bei Olympia und bleibt<br />

gesund!<br />

Carsten<br />

FREIeBÜRGER 02 | <strong>2022</strong> 27


Kontakt: www.schemske.com<br />

FOLGE 22<br />

Miriam wollte gerade ihre Arbeit in ihrer Computer-Software-Firma<br />

beenden und ihr Penthouse in der Freytagstraße<br />

beim Freiburger Seepark verlassen. Aber etwas<br />

hielt sie zurück. Sie ging zum Firmensafe und holte den<br />

USB-Stick mit dem Dossier heraus, das sie über den Sektenführer<br />

Alois Rubac angelegt hatte. Der Mann, der sich<br />

‚Ihre Heiligkeit‘ nennen ließ, war wegen sexuellem Missbrauch<br />

von Jugendlichen zu einer mehrjährigen Gefängnisstrafe<br />

verurteilt worden.<br />

Miriam hatte mit ihren Spezialkenntnissen dabei geholfen,<br />

den Mann bankrottgehen zu lassen. Was also beunruhigte<br />

sie, der Mann war doch fertig? Sie beschloss,<br />

nachzurecherchieren. Sie loggte sich mit einer fiktiven<br />

Internetadresse aus den USA ein und suchte seinen<br />

Wohnort. Die 360°-Fotos und die Luftbilder zeigten sein<br />

Refugium in der Kybfelsenstraße in Freiburg-Günterstal,<br />

gegenüber dem Weiher.<br />

Aber etwas war anders. Wo früher eine Wiese gewesen<br />

war, erstreckte sich ein ausgedehnter Parkplatz, daneben<br />

ein großes, weißes Zelt. Der Parkplatz war fast voll. Sie<br />

erkannte die Kleinbusse und Familienwagen, die von der<br />

Anhängerschaft des Sektenführers bevorzugt wurden.<br />

Sollte sie sich die Finanzen von Alois Rubac noch einmal<br />

ansehen? Später, beschloss sie. Sie legte den Stick zurück.<br />

Dann verschloss sie den Safe. Sie sperrte die große Eingangstüre<br />

aus Sicherheitsglas ab und nahm den Lift in die<br />

Tiefgarage. Sie ging über einen der Seiteneingänge hinaus<br />

zur Freytagstraße und bewegte sich langsam in Richtung<br />

Seepark. Als sie an einer Apotheke vorbeikam, ging<br />

sie in den Eingangsbereich, aber dann drehte sie ab und<br />

verließ das Gebäude durch den Hinterausgang. Wurde sie<br />

verfolgt?<br />

Beim Überqueren der Sundgauallee nahm sie keine verdächtigen<br />

Gestalten wahr. Ruhig betrat sie den Japanischen<br />

Garten am Seepark und setzte sich auf eine Bank.<br />

Eigentlich sollte sie nicht allein meditieren, aber es war ja<br />

niemand da. Nach einer Weile war sie eingenickt.<br />

Als sie erwachte, saß ihr jemand gegenüber. Die schwarze<br />

Gestalt erschreckte sie, aber dann erkannte sie eine ältere<br />

Japanerin, die sie schon öfters im Garten gesehen hatte.<br />

Jetzt verneigte sich die Frau mit einer fast unmerklichen<br />

Geste. Erleichtert neigte auch Miriam den Kopf um einige<br />

Millimeter. Die Frau stellte sich vor. „Ich heiße Hiroko, Sie<br />

sind ebenfalls öfters hier?“ Sie wies mit der Hand auf den<br />

Platz neben ihr.<br />

Miriam ging zu ihr hinüber und setzte sich. „Miriam“,<br />

sagte sie. „Sie sehen aus wie jemand, der auf der Suche<br />

nach etwas ist“, sagte die schmale, aber aufrechte Gestalt.<br />

Miriam nickte. Woher wusste die Frau das? Aber Hiroko<br />

sprach weiter, ohne auf eine Antwort zu warten: „Ich<br />

stamme aus einer alten Familie, mein Großvater war<br />

einer der letzten Samurai.“ Sie vergewisserte sich, dass<br />

Miriam zuhörte. Dann fuhr sie fort: „Aber das nützt uns<br />

Frauen nichts. In Wahrheit stammen wir von den Müttern<br />

ab. Diese Linie – die wahre Blutlinie – ist es, die für uns<br />

wichtig ist, aber sie ist verschüttet.“<br />

Völlig unüberlegt antwortete Miriam. Sie hatte das noch<br />

niemandem erzählt, nicht einmal dem Duft-Michel, ihrem<br />

Vater. „Aber das stimmt nicht, ich sehe meine Mütter, bis<br />

in ferne, längst vergangene Zeiten, wie lebendig vor mir!“<br />

Hiroko überlegte. Dann sagte sie: „Das ist die spirituelle<br />

Linie. Der weibliche Stammbaum ist noch nicht<br />

geschrieben, nirgends.“ Energisch sagte sie: „Sie sind eine<br />

28<br />

FREIeBÜRGER 02 | <strong>2022</strong>


Ausnahme, das sehe ich jetzt. Wir müssen uns einmal<br />

unterhalten, wenn wir uns wieder hier treffen.“ Hiroko<br />

erhob sich und griff in ihre Handtasche. Sie gab Miriam<br />

eine Visitenkarte, wandte sich um und ging langsam über<br />

die kleine, rechtwinklig gebogene Holzbrücke. Unschlüssig<br />

drehte Miriam die Karte um. Nur der Name, Hiroko<br />

von Weißenberg, stand darauf, und eine Handynummer.<br />

„Hey“, rief Miriam, „könnten wir einen Cappuccino trinken,<br />

ich meine jetzt gleich?“<br />

Hiroko kam zurück. „Wenn ich das Angebot in einen Grüntee<br />

umwandeln darf, gern!“ Sie gingen hinüber in das<br />

Café am Seepark und setzten sich an einen Fensterplatz.<br />

Der Blick ging hinaus auf den See, der ruhig und breit vor<br />

ihnen lag. Die Wiesen, die Bäume und das oberste Spitzlein<br />

des Münsterturmes wurden gekrönt vom Panorama<br />

der grünen Hügel des Schwarzwaldes.<br />

Jetzt fehlt nur noch das Alpenglühen, dachte Miriam, als<br />

sie den Becher mit der Milchschaumkrone erhob. Hiroko<br />

legte die Hand um ihre Tasse, wie um die Temperatur zu<br />

prüfen. „In Japan sind die Tassen vorgewärmt“, sagte sie.<br />

Miriam drehte die Visitenkarte in ihren Händen. Hiroko<br />

verstand den Hinweis und sagte: „Das ist natürlich nicht<br />

mein Mädchenname, der ist Kokubu, es ist der Name meines<br />

verstorbenen Mannes.“<br />

„Das tut mir leid“, sagte Miriam. Hiroko nickte. „Wir lernten<br />

uns im Studium der Germanistik kennen. Mein Mann<br />

war Professor in Tokio, sein Name lautet übersetzt ins<br />

Japanische 不 死 , fushi, Berg der Unsterblichkeit“. Sie malte<br />

die Zeichen auf die Serviette. Dann malte sie ein paar<br />

andere Zeichen darunter. Dieses Zeichen 不 二 heißt fudschi,<br />

was so viel bedeutet wie einmalig.<br />

Miriam verstand nichts. Hiroko sagte triumphierend:<br />

„Aber Fuji heißt im alten Japanisch ‚Der Weiße Berg‘, wie<br />

mir meine Mutter erzählte, und das war der Name des<br />

deutschen Professors, den ich heiratete. Jetzt ist es mein<br />

Name.“<br />

mich einfach Hiroko!“ Miriam winkte der Bedienung und<br />

zahlte. Sie erhoben sich. Während Hiroko sich wieder dem<br />

Japanischen Garten zuwandte, ging Miriam zurück in<br />

ihre Firma.<br />

Sie schob den USB-Stick in ihren großen Computer. Dann<br />

versuchte sie nachzuverfolgen, was Ravi, einer ihrer führenden<br />

Mitarbeiter, damals gemacht hatte. Sie vernebelte<br />

wiederum ihre Herkunft, indem sie scheinbar von den<br />

USA aus im Netz surfte. Was hatte sie herausgefunden?<br />

Zwei Namen, Andy und Herbie, kamen zum Vorschein. Sie<br />

arbeiteten für den Sektenführer, Ihre Heiligkeit Alois.<br />

Die beiden waren allerdings auch die Verfolger von<br />

Annabell, der Fernseh-Ansagerin aus Baden-Baden.<br />

Jetzt schaute sie nach den Kontobewegungen, die von<br />

den Cayman Inseln zu einem Geheimkonto in der Schweiz<br />

führten, dem Konto von Alois Rubac. Sie hatte eine Überweisung<br />

in Millionenhöhe veranlasst, die sie allerdings<br />

zurückgezogen hatte, sobald der Sektenführer das Geld,<br />

das eigentlich seiner Sekte gehörte, ausgegeben hatte.<br />

Jetzt war er bankrott.<br />

Oder nicht? Sie schaute in sein Schweizer Konto. Weil<br />

sie es ihm eingerichtet hatten, besaß sie den Code. Aber<br />

keine gähnende Leere oder gar ein großes Minus tauchte<br />

auf, sondern mehrere Millionen US-Dollar, denn darauf<br />

lief das Konto. Dann stutzte sie. Die Mütter meldeten sich.<br />

Sie sagten: „Du musst aufpassen!“ Ihre Schutzengel wiederholten<br />

leise, aber eindringlich: „Du wirst verfolgt!“<br />

Sie runzelte die Stirn. Dann prüfte sie ihren großen Computer.<br />

Nach einer Weile war klar, dass kein Angriff erfolgt<br />

war, weder von Viren noch sonstigen Verfolger- oder<br />

Schadprogrammen. Sie setzte den Namen der Japanerin<br />

in das Suchfeld ein und drückte auf ENTER. Die Suche<br />

zeigte auch einige Fotos. Auf einem sah man sie mit einer<br />

flachen Rahmentrommel. War die Japanerin etwa eine<br />

Schamanin?<br />

- Fortsetzung folgt -<br />

Miriam überlegte. „Meine Erinnerungen – eigentlich<br />

sind es keine Visionen, sondern sehr klare Bilder – stammen<br />

von den Müttern. Ich bin eine Tochter meiner Mutter,<br />

und diese ist die Tochter einer Mutter, und so fort, bis an<br />

den Anfang. Sie sind meine Schutzengel, alle zusammen,<br />

wenn auch meistens nur eine um mich ist.“<br />

Die Tassen beider Frauen waren leer, sie schauten beide<br />

hinaus auf den See, aber die Blicke gingen ins Leere. Sie<br />

schauten nach innen. Miriam brach den Bann: „Ich melde<br />

mich bei Ihnen, Frau von Weißenberg“, aber die Japanerin<br />

unterbrach: „Wir waren doch schon beim Du, nenne<br />

NEU!<br />

www.schemske.de<br />

Wolf-Hammer-Krimi<br />

als audiobook<br />

FREIeBÜRGER 02 | <strong>2022</strong> 29


WIR WERDEN DIE NUSS SCHON KNACKEN!<br />

WORTSPIELRÄTSEL<br />

von Carina<br />

Fett umrandete Kästchen stellen den jeweiligen Lösungsbuchstaben des endgültigen<br />

Lösungswortes dar und zwar von oben nach unten gelesen. Sind pro Einzellösung mehrere<br />

Kästchen fett umrandet, sind diese Buchstaben identisch! Alles klar? Na dann viel Spaß!<br />

Zur Beachtung: Ä/Ö/Ü = AE/OE/UE und ß = SS<br />

Na, Ihr Hirnakrobaten!<br />

Wir leben in einer Zeit, in der sich manche auf den Social-Media-Plattformen auch mal<br />

gegenseitig was an den Kopf werfen, wenn Diskussionen hochkochen. Dabei kommt es<br />

manchmal zu Beleidigungen. Wenn mir sowas passiert, dann ignoriere ich das und blocke<br />

denjenigen, damit es erst gar nicht ausartet. Im Gegensatz dazu waren früher viele Beschimpfungen<br />

doch eher harmlos anstatt bösartig. Die hab’ ich mir diesmal rausgepickt<br />

zum Thema Schimpfwörter. Entschuldigt bitte den Fehlerteufel beim letzten Rätsel!<br />

1. Blödsinn-Schädel<br />

2. Fischfett-Tasche<br />

3. Erdtrabanten-Rinderjunges<br />

4. Kümmernis-Teigspeise<br />

5. Arbeitsunwilliges Fell<br />

6. Belästigungs-Gesichtsteil<br />

7. Essbesteck mit Schleimsekret<br />

8. Achtbeiner eines Bäckerei-Erzeugnisses<br />

9. Weibliches Feuchtgebiets-Geflügel<br />

10. Voluminöser Hirnkasten<br />

Lösungswort:<br />

Zu gewinnen für das korrekte Lösungswort:<br />

1.- 3. Preis je ein Gutschein unserer Wahl<br />

UND:<br />

Im Dezember <strong>2022</strong> wird von ALLEN korrekten<br />

Einsendungen ein zusätzlicher Gewinner gezogen,<br />

der eine besondere Überraschung erhält!<br />

Einsendeschluss<br />

ist der 27. <strong>Februar</strong> <strong>2022</strong><br />

(es gilt das Datum des Poststempels bzw. der E-Mail)<br />

E-Mails NUR mit Adressen-Angabe. Unsere Postanschrift findet Ihr<br />

im Impressum auf Seite 31. Teilnahmeberechtigt sind alle, außer die<br />

Mitglieder des Redaktionsteams. Wenn es mehr richtige Einsendungen als<br />

Gewinne gibt, entscheidet das Los. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.<br />

Lösungswort der letzten Ausgabe: TEMPOLIMIT<br />

bestehend aus den folgenden Einzellösungen:<br />

1. SATTELZUG 2. HANNELORE 3. BLUMENAMPEL<br />

4. PILOTPROJEKT 5. NOTHAMMER 6. ROLLFELD<br />

7. SEILBAHN 8. RADMUTTER<br />

9. SCHULTERBLICK 10. NOTRUFSAEULE<br />

Gewonnen haben (aus 43 korrekten Einsendungen):<br />

L. Scharfenberg, Freiburg<br />

C. Behrens, Freiburg<br />

S. Faghiri, Freiburg<br />

HERZLICHEN GLÜCKWUNSCH !<br />

Die Gewinner werden schriftlich benachrichtigt.<br />

30<br />

FREIeBÜRGER 02 | <strong>2022</strong>


ÜBER UNS<br />

Seit Jahren geht in unserer Gesellschaft die Schere zwischen<br />

Arm und Reich weiter auseinander. Besonders durch die<br />

Agenda 2010 und die damit verbundenen Hartz IV-Gesetze<br />

wurden Sozialleistungen abgesenkt. Die Lebenshaltungskosten<br />

steigen jedoch von Jahr zu Jahr. Viele Menschen kommen<br />

mit den Sozialleistungen nicht mehr aus oder fallen schon<br />

längst durch das ziemlich löchrig gewordene soziale Netz.<br />

Und heute kann jeder von Arbeitslosigkeit bedroht sein.<br />

Vereine und private Initiativen versuchen die Not, in welche<br />

immer mehr Menschen kommen, zu lindern und die Lücken<br />

im System zu schließen. Es gibt unterschiedliche nichtstaatliche<br />

Einrichtungen wie z. B. die Tafeln, welche sich um diese<br />

ständig wachsende Bevölkerungsgruppe kümmern. Oder<br />

eben die Straßenzeitungen wie der FREIeBÜRGER.<br />

In unserer Straßenzeitung möchten wir Themen aufgreifen,<br />

welche in den meisten Presseerzeugnissen oft zu kurz oder<br />

gar nicht auftauchen. Wir wollen mit dem Finger auf Missstände<br />

zeigen, interessante Initiativen vorstellen und kritisch<br />

die Entwicklung unserer Stadt begleiten. Wir schauen aus<br />

einer Perspektive von unten auf Sachverhalte und Probleme<br />

und kommen so zu ungewöhnlichen Einblicken und<br />

Ansichten. Damit tragen wir auch zur Vielfalt in der lokalen<br />

Presselandschaft bei.<br />

Gegründet wurde der Verein im Jahr 1998 von ehemaligen<br />

Wohnungslosen und deren Umfeld, deshalb kennen die<br />

MitarbeiterInnen die Probleme und Schwierigkeiten der<br />

VerkäuferInnen aus erster Hand. Ziel des Vereins ist es, dass<br />

Menschen durch den Verkauf der Straßenzeitung sich etwas<br />

hinzuverdienen können, sie durch den Verkauf ihren Tag<br />

strukturieren und beim Verkaufen neue Kontakte finden<br />

können. Wir sind eine klassische Straßenzeitung und geben<br />

unseren VerkäuferInnen die Möglichkeit, ihre knappen finanziellen<br />

Mittel durch den Verkauf unserer Straßenzeitung<br />

aufzubessern. 1 Euro (Verkaufspreis 2,10 Euro) pro Ausgabe<br />

und das Trinkgeld dürfen unsere VerkäuferInnen behalten.<br />

Es freut uns zum Beispiel sehr, dass sich einige wohnungslose<br />

Menschen über den Verkauf der Straßenzeitung eine neue<br />

Existenz aufbauen konnten. Heute haben diese Menschen<br />

einen sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplatz und eine<br />

Wohnung. Der FREIeBÜRGER unterstützt also Menschen<br />

in sozialen Notlagen. Zu unseren VerkäuferInnen gehören<br />

(ehemalige) Obdachlose, Arbeitslose, GeringverdienerInnen,<br />

RentnerInnen mit kleiner Rente, Menschen mit gesundheitlichen<br />

Problemen, BürgerInnen mit Handicap u. a. Unser Team<br />

besteht derzeit aus fünf MitarbeiterInnen. Die Entlohnung<br />

unserer MitarbeiterInnen ist äußerst knapp bemessen und<br />

unterscheidet sich aufgrund der geleisteten Arbeitszeit und<br />

Tätigkeit. Dazu kommt die Unterstützung durch ehrenamtliche<br />

HelferInnen. Leider können wir durch unsere Einnahmen<br />

die Kosten für unseren Verein, die Straßenzeitung und Löhne<br />

unserer MitarbeiterInnen nicht stemmen. Daher sind wir<br />

auch in Zukunft auf Unterstützung angewiesen.<br />

SIE KÖNNEN UNS UNTERSTÜTZEN:<br />

• durch den Kauf einer Straßenzeitung oder<br />

die Schaltung einer Werbeanzeige<br />

• durch eine Spende oder eine Fördermitgliedschaft<br />

• durch (langfristige) Förderung eines Arbeitsplatzes<br />

• durch Schreiben eines Artikels<br />

• indem Sie die Werbetrommel für unser<br />

Sozialprojekt rühren<br />

Helfen Sie mit, unser Sozialprojekt zu erhalten und weiter<br />

auszubauen. Helfen Sie uns, damit wir auch in Zukunft<br />

anderen Menschen helfen können.<br />

Impressum<br />

Herausgeber: DER FREIeBÜRGER e. V.<br />

V.i.S.d.P: Oliver Matthes<br />

Chefredakteur: Uli Herrmann († 08.03.2013)<br />

Titelbild: Felix Groteloh<br />

Layout: Ekkehard Peters<br />

An dieser Ausgabe haben mitgearbeitet:<br />

Carsten, Carina, Conny, Ekki, Felix, Harry,<br />

H. M. Schemske, Karsten, Oliver, Recht auf Stadt,<br />

utasch und Gastschreiber<br />

Druck: Freiburger Druck GmbH & Co. KG<br />

Auflage: 5.000 | Erscheinung: monatlich<br />

Vereinsregister: Amtsgericht Freiburg | VR 3146<br />

Kontakt:<br />

DER FREIeBÜRGER e. V.<br />

Engelbergerstraße 3<br />

79106 Freiburg<br />

Tel.: 0761 / 319 65 25<br />

E-Mail: info@frei-e-buerger.de<br />

Website: www.frei-e-buerger.de<br />

Öffnungszeiten: Mo - Fr: 12 - 16 Uhr<br />

Mitglied im Internationalen Netzwerk<br />

der Straßenzeitungen<br />

Der Nachdruck von Text und Bild (auch nur in Auszügen) sowie<br />

die Veröffentlichung im Internet sind nur nach Rücksprache<br />

und mit der Genehmigung der Redaktion erlaubt. Namentlich<br />

gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung<br />

der Redaktion wieder.<br />

Die nächste Ausgabe des FREIeBÜRGER erscheint am:<br />

1. März <strong>2022</strong><br />

Aus gegebenem Anlass finden zurzeit keine<br />

öffentlichen Redaktionssitzungen statt!<br />

FREIeBÜRGER 02 | <strong>2022</strong> 31


Verkauf von FSB-Wohnungen in Weingarten<br />

immer noch nicht vom Tisch<br />

Die verhinderte Vernichtung von 120 bezahlbaren<br />

Stadtbauwohnungen in der Sulzburger<br />

Straße 15-19 in Weingarten war ein goßer<br />

Erfolg für die MieterInnenbewegung. Die<br />

Grünen akzeptieren ihre Niederlage aber<br />

offensichtlich nicht und wollen das Thema<br />

im <strong>Februar</strong> erneut im Stadtbauaufsichtsrat<br />

diskutieren. Sie bringen u.a. einen Verkauf<br />

an eine Genossenschaft, z.B. an den Bauverein<br />

Breisgau, ins Spiel. Die großen Freiburger<br />

Genossenschaften passen ständig ihre<br />

Mieten an den Mieterhöhungsspiegel an und<br />

sind auch ansonsten schon lange keine Garanten<br />

mehr für die Wohnversorgung von<br />

Menschen mit weniger Geld. Wir werden<br />

die Diskussionen rund um die Sulzburger<br />

Straße und auch um die stets<br />

zurückgehende Zahl an Sozialwohnungen<br />

und etwaige Gegennmaßnahmen weiter<br />

verfolgen und Euch stets aktuell informieren.<br />

rdl.de/tag/sozialer-wohnungsbau<br />

Interessiert sich noch jemand für die Grundrechte im Freiburger<br />

Erstaufnahmelager?<br />

Sechs Geflüchtete haben bereits im Dezember<br />

2020 Klage vor dem baden-württembergischen<br />

Verwaltungsgerichtshof gegen<br />

die Hausordnung der LEA Freiburg<br />

eingereicht. Diese schränkt die Grundrechte<br />

der Schutzsuchenden massiv ein.<br />

Am 2. <strong>Februar</strong> entscheidet der VGH über<br />

die Klage. Im Freiburger Gemeinderat<br />

hatten die Fraktionen Eine Stadt für Alle<br />

und JUPI gefordert, dass zukünftig eine<br />

unabhängige Evaluierung der Lebensbedingungen<br />

und -qualität stattfinden soll. Alle anderen Fraktionen<br />

lehnten das ab. LEA-Watch kommentierte<br />

bissig: "Das Freizeitangebot in der LEA? Großartig!<br />

Das Kantinenessen? Wie bei Oma! Die<br />

Kleiderkammer? Außergewöhnlich! Es sind die<br />

zentralen Aspekte eines Massenlagers, die in der<br />

Evaluation der Landeserstaufnahmeeinrichtung zur<br />

Sprache kamen. Wer braucht schon über das<br />

Kochverbot reden, wenn es eine neue Salatbar<br />

gibt. Wer muss tägliche Grundrechtsverletzungen<br />

thematisieren, wenn Verwaltungsrichter*innen im<br />

Lager Einführungskurse in das deutsche Grundgesetz<br />

geben. Arbeitsverbot, Residenzpflicht,<br />

Wohnverpflichtung neuerdings in Containern bis<br />

zu 18 Monate – geschenkt, angesichts Gitarrenunterricht<br />

durch European Homecare, die am<br />

Lager saftig Profit machen." Wir bleiben an der<br />

juristischen und politischen Auseinandersetzung<br />

dran.<br />

rdl.de/tag/lea-freiburg<br />

Jeden 1. Mittwoch des Monats:<br />

12-13 Uhr<br />

FREIeBÜRGER im<br />

Mittagsmagazin 'Punkt 12'<br />

Hört, Macht, Unterstützt Radio Dreyeckland: 102,3 Mhz - Stream: rdl.de/live

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