hinnerk Februar / März 2022
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HAMBURG І BREMEN І HANNOVER<br />
FEBRUAR / MÄRZ <strong>2022</strong> І HEFT 321<br />
GESELLSCHAFT<br />
Staat, Religion<br />
& queeres<br />
Leben<br />
GESUNDHEIT<br />
HIV: Hoffnung<br />
Gentechnik<br />
DEBATTE<br />
Was ist<br />
WIRKLICHE<br />
Männlichkeit?<br />
INTERVIEWS: MAX APPENROTH, HARALD GLÖÖCKLER, LESLIE CLIO,<br />
SIEGFRIED SCHWARZE, PETER REBANE & TOM PRIOR, LILIAN AUZAS
Hubert Neubacher<br />
Barkassen-Unternehmer & Kunstsammler<br />
CHARAKTER SEIT 1845<br />
Englisches Kleidermagazin Ladage & Oelke | Alter Wall 22 | 20457 Hamburg<br />
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Intro 3<br />
Intro<br />
LIEBE LESER*INNEN,<br />
an kalten Wintertagen wie diesen sehnt man sich nach starken<br />
Armen zum Gehalten-Werden oder man ist selbst der starke<br />
Arm, der hält. Berührungen sind für die Psyche so ziemlich das<br />
Wichtigste neben Aufmerksamkeiten sprachlicher Natur. Wie<br />
schön, dass bald Valentinstag ist, verbinden wir den „Tag der<br />
Liebenden“ am 14. <strong>Februar</strong> doch mit romantischer Zweisamkeit<br />
und mit jenen, die wir lieben oder die uns etwas bedeuten.<br />
Für Menschen, die ungewollt Single sind, ist der Tag hingegen<br />
meist deprimierend. Oft versucht Mann sein Liebesglück dann<br />
im Internet … was verheerende Folgen haben kann, nämlich<br />
dann, wenn man an Online-Dating-Plattformen gerät, die es<br />
auf Betrug und Abzocke abgesehen haben. Passt auf euch auf<br />
und bleibt gesund!<br />
Viel Spaß beim Lesen – euer <strong>hinnerk</strong> Team!<br />
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männer.<br />
media<br />
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Zahnarzt<br />
Martin Schuh<br />
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4 Szene<br />
Community<br />
HEALTH CHAT<br />
Kontaktlos ist gerade was<br />
die Sexualität angeht ein<br />
dringender Anwärter für<br />
das Unwort der Corona-<br />
Pandemie. Aber nicht nur<br />
die Einschränkung der freien<br />
Sexualität an sich fördert<br />
Probleme von Vereinsamung<br />
bis angstgetriebenem<br />
Risikovverhalten, auch die<br />
gewohnten Präventionswege<br />
sind seit nunmehr zwei<br />
Jahren nicht oder nur eingeschränkt<br />
zugänglich. Auch<br />
deshalb an dieser Stelle der<br />
Verweis auf gayhealthchat.<br />
de, eine Projekt der<br />
Deutschen Aidshilfe / IWWIT.<br />
Täglich von 17 – 20 Uhr<br />
findest du hier Beratung zu<br />
allen relevanten Fragen rund<br />
um sexuelle Gesundheit. Das<br />
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aber auch für euch da! *ck<br />
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FOTO: IWWIT<br />
GENTRIFIZIERUNG:<br />
Contact-Bar muss raus<br />
Nach über zehn Jahren muss die Contact-Bar schließen. Diese Nachricht erwischte<br />
die Szene St. Georgs und die Facebook-Öffentlichkeit ziemlich kalt. <strong>hinnerk</strong><br />
versuchte über die Bezirksversammlung sein Wissen über Milieuschutz aufzufrischen,<br />
konnte aber leider keinen Rettungsanker ausfindig machen. Kollege und Abgeordneter<br />
Jimmy Blum (FDP): „Milieuschutz ist nicht auf Gewerbe anwendbar, sondern dient dem<br />
Erhalt gewachsener Bevölkerungsstrukturen bei Modernisierung und Neuplanung von<br />
Wohngebäuden.“ Den Einwand, dass eine Eckkneipe Schutzraum oder Treffpunkt für ein<br />
Milieu im Sinne einer Quartiersgemeinschaft ist, kann er als langjähriger Einzelhändler<br />
mit eigenen Projekten zum Erhalt von Kleingewerbe im Grindelviertel und der HafenCity<br />
mehr als nur nachvollziehen. Dennoch gibt es einfach derzeit weder auf Bezirkseben<br />
noch über die Stadtverwaltung eine Handhabe, um im Fall Contact-Bar einzugreifen. Bestehende<br />
Verordnungen in Milieuschutzgebieten können nur durch privaten Mieter*innen<br />
gegen eventuelle Kündigungen angewandt werden. Dazu informieren die Abgeordneten<br />
der Bezirke oder der Bürgerschaft sicher auf Nachfrage gerne, aber auch die Mieterschutzverbände<br />
bei Bedarf. Wir veröffentlichen die lange Fassung des Facebookpostings<br />
von Contact-Macher Micco Dotzauer und hoffen, dass noch ein queerer Schutzengel St.<br />
Georg vor einem weiteren seelenlosen Luxuswohnblock bewahrt und sich für Micco und<br />
seine Gäste eine gemeinsame Zukunft organisieren lässt. *ck<br />
Aus für Szene-Bar mit Herz<br />
Geahnt haben wir es schon Anfang 2021.<br />
Da wurden die Mieter des Hauses Danziger<br />
Straße 51 darüber informiert, dass ihre<br />
Wohnungen in Eigentumswohnungen<br />
umgewandelt werden. Und einen Tag vor<br />
Silvester wurde auch für uns Gewissheit,<br />
dass wir aufgeben müssen: Wir bekamen<br />
von unserem Vermieter die Kündigung zum<br />
30. Juni.<br />
Unsere schriftliche Anfrage, was der<br />
Grund der plötzlichen Kündigung ist, blieb<br />
unbeantwortet. Das trifft uns besonders<br />
hart, da es gerade in Zeiten von Corona<br />
nicht einfach ist, einen regelmäßigen<br />
Barbetrieb mit vielen unterschiedlichen<br />
Veranstaltungen durchzuführen.<br />
Es geht mit der Schließung unserer Bar<br />
nicht nur eine weitere schwule Location<br />
verloren. Im Laufe der Jahre hat sich eine<br />
eingeschworene Stammkundschaft gebildet.<br />
Für diese ist die Bar keine gewöhnliche<br />
Kneipe. Sie ist wichtiger<br />
Teil ihres sozialen Lebens.<br />
Enge Freundschaften sind<br />
daraus entstanden, die Gäste<br />
sprechen gar von Familie und ihrem<br />
„schwulen Wohnzimmer“. Mit der Bar hat<br />
sich ein wichtiger Nachbarschaftstreff etabliert.<br />
Sich für andere einsetzen, Toleranz<br />
und Engagement – das sind die Werte, die<br />
hier gelebt wurden. Ein wichtiger Anlaufpunkt<br />
für gesellschaftliche Aktivitäten geht<br />
nun verloren.<br />
EIN KLEINER RÜCKBLICK<br />
Die Contact-Bar verstand sich von Anfang<br />
an als Treffpunkt für schwule Männer, die<br />
mit einem vielfältigen Programm unterhält.<br />
Gemeinsam verfolgten wir den Eurovision<br />
Song Contest, feierten Frühlings-, Grill- und<br />
Sommerfeste mit brasilianischen Specials<br />
und führten in Kooperation mit Brunos und
SZENESTERBEN<br />
GESUNDHEIT<br />
IN HAMBURG<br />
Mr. Chaps Modenschauen durch. Mit Unterstützung von<br />
Hein & Fiete und verschiedener Gruppen und Vereine der<br />
Community fanden Kicker-Turniere statt. Bei den jährlichen<br />
Oktoberfest-Partys konnten wir auf die Zusammenarbeit<br />
von Ingo von Mr. Chaps rechnen und auch Tupperpartys<br />
hatte ihre Fans. Hier feierten regelmäßig unsere Gäste<br />
Geburtstag, auch einen Heiratsantrag gab es bei uns. Ein<br />
Jahr später durften wir sogar die Hochzeitsparty ausrichten.<br />
Bei uns hatte Tante Woo ihren ersten öffentlichen Auftritt,<br />
ebenso die Soul-Sisters. Weitere Künstler folgten: Anni,<br />
Stefan Hossfeld, Marion von Richly, Mark Remien, Toni und<br />
Frl. Menke. Pieter Van Kerckhoven aus Paris erfreute mit<br />
französischen Chansons. Es waren großartige Abende,<br />
vielen Dank an alle Künstler!<br />
Legendär und sehr beliebt sind uns die Adventssingen<br />
mit Tante Woo und Roman Who in Erinnerung. Und die<br />
Unmusikalität so manchen Gastes…. Und auch die Bingo-<br />
Abende mit Hummel und unser regelmäßiges Quiz sind bald<br />
Geschichte. Vielen Dank an die Moderatoren Rita & Sally,<br />
später kamen Rudi & Nils dazu. Es war toll mit euch, vielen<br />
Dank! In unserer Bar standen die Ansprechpartner bei der<br />
Polizei vom Steindamm Rede und Antwort, und wir stellten<br />
die schwul-lesbischen Ansprechpartner bei der Polizei<br />
Hamburg vor.<br />
Als wir die Bar coronabedingt schließen mussten, verlegten<br />
wir den Betrieb ins Internet. Über Zoom trafen wir uns<br />
regelmäßig zum virtuellen Stammtisch, sammelten weiter<br />
Spendengelder und Rudi & Nils unterhielten uns mit dem<br />
monatlichen Quiz. Überhaupt war uns gesellschaftliches<br />
und politisches Engagement immer wichtig. Wir beteiligten<br />
uns bei der Organisation des „Kiss in“ vor dem russischen<br />
Generalkonsulat gegen Schwulenverfolgung in Russland<br />
und sammelten Spenden für verfolgte und inhaftierte<br />
Schwule in Tschetschenien. Mit unseren Benefizaktionen<br />
unterstützten wir regelmäßig Projekte wie der schwule<br />
Infoladen Hein & Fiete, die Hamburgische Regenbogenstiftung,<br />
das Magnus Hirschfeld Centrum, ein schwules<br />
Wohnprojekt, die Künstlerhilfe e.V. und die Aids-Seelsorge.<br />
Für das Denkmal für sexuelle und geschlechtliche Identität<br />
liegen 7.269,50 Euro bereit. Insgesamt sammelten wir<br />
in den vergangenen zehn Jahren über 32.566 Euro für<br />
wohltätige Zwecke.<br />
Doch noch liegen sechs Monate vor uns! Wir bleiben bis<br />
zum Schluss für euch da und, so Gott bzw. Corona will,<br />
werden wir euch auch weiterhin mit speziellen Events<br />
überraschen.<br />
Bleibt optimistisch! Wir sind es auch!<br />
*Micco Dotzauer, Januar <strong>2022</strong><br />
FOTOS: PINK CHANNEL HAMBURG<br />
ÄRZTE<br />
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Dr. med. Olaf Degen,<br />
Dr. med. Anja Hüfner,<br />
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Dr. med. Guido Schäfer,<br />
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& 741052831, infektionen@uke.de,<br />
www.uke-infektionen.de<br />
ukeprep.de<br />
■ Dr. med. Martin Eichenlaub,<br />
Facharzt für Neurologie,<br />
Nervenheilkunde, Psychiatrie u.<br />
Psychotherapie,<br />
Elbgaustr. 112., & 841084,<br />
www.nervenarzt-eichenlaub.de<br />
■ Dr. Roy Heller,<br />
Facharzt für Innere und Allgemeinmedizin,<br />
Suchtmedizin, Psychotherapie,<br />
HIV, Hepatitis, STD, Juliusstr. 36,<br />
& 4300890<br />
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Dermatologie,<br />
ästhetische Dermatologie,<br />
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6 Szene<br />
DEBATTE<br />
Die Politik von DRAG<br />
Ist ein Mann in Frauenkleidern politisch? Und wer definierte eigentlich wann,<br />
was Frauenkleider sind? Und was macht den Mann zum Mann? Schreibt<br />
man über die Kunst der Travestie, kann man sich der politischen Ebene nicht<br />
verschließen.<br />
Die heterosexuelle Mehrheitsgesellschaft<br />
mag es lieber, wenn Menschen mit Penis<br />
keine Kleider tragen. Und sie fühlt sich<br />
provoziert, wenn Menschen mit Penis sich<br />
selbst als genderfluid oder gar als weiblich<br />
definieren. Es wird online gehetzt und<br />
gepöbelt, es wird diskriminiert und es passieren<br />
immer wieder schreckliche Morde,<br />
weil ein Mensch wagt, so zu leben, wie er<br />
eben ist. Insofern tangiert Travestie immer<br />
auch die Politik und Gesellschaft.<br />
Aber selbst innerhalb der Szene ist Drag<br />
etwas Politisches: Dragqueens beobachten<br />
sich – vor allem in Zeiten von Social Media<br />
– mit Argusaugen, kreiden an, kritisieren<br />
und lachen aus. Andere Dragqueens<br />
wiederum scheißen auf Sachen wie Political<br />
Correctness und nehmen für einen derben<br />
Witz oder eine Schlagzeile auch mal Kollateralschäden<br />
und seelische Verletzungen<br />
der Angegriffenen in Kauf.<br />
Aber er ist nicht weg, der Zusammenhalt in<br />
der Drag-Community, das wollen wir hier<br />
auch nicht behaupten! Vor allem während<br />
der ersten Corona-Welle war es ganz<br />
wunderbar zu erleben, wie Drags, die Community<br />
im Allgemeinen, sich gegenseitig<br />
half und supportete. Alte Grabenkämpfe<br />
FOTOS: M. RÄDEL<br />
waren vergessen, man rückte zusammen<br />
trotz Social Distancing. Und ja, Dragqueens<br />
waren schon immer die, die der Gesellschaft<br />
den Spiegel vorhielten, die sich Dinge<br />
rausnehmen durften, die man sonst nur<br />
schwer akzeptieren konnte.<br />
Einst unterschied man innerhalb der Szene<br />
zwischen Tunten – das waren politisch<br />
aktive Dragqueens – und Transen, gemeint<br />
waren damit nicht Trans*, sondern bunte<br />
Queers, die nur auf Spaß und Glamour<br />
setzten, aber wenig(er) politisch waren.<br />
Mittlerweile sind aber weder diese Begriffe<br />
gebräuchlich, noch gibt es diese zwei Lager.<br />
Heute kann jede/jeder politisch wirken und<br />
auf Glamour setzen. Das war in den späten<br />
1990ern noch etwas anders, da achtete die<br />
Tunte durchaus darauf, „nicht zu perfekt,<br />
sondern etwas schangelig“ (Zitat Daphne<br />
de Baakel) auszusehen. Und Underground-<br />
Größen wie Juwelia Soraya bezeichnen<br />
sich selbst sogar (mitunter) als Scheusal.<br />
Das stößt uns vor den Kopf und das ist<br />
sicherlich beabsichtigt, denn die herzensgute<br />
Juwelia ist Künstlerin, kein Scheusal.<br />
Kein Mensch kann das sein. Ohne Zweifel<br />
spielt Juwelia aber dann – in ihrer Funktion<br />
als Tunte – darauf an, wie die Gesellschaft<br />
Menschen wie sie leider oft sieht.<br />
Zu diesen Gedanken passt hervorragend<br />
das Buch von Baffolo Meus, Mitgründer von<br />
„Travestie für Deutschland“, „Schminken<br />
mit Tschechow – Die Politik von Drag“, das<br />
beim Querverlag erschienen ist. „Travestie<br />
kann ein dringender Unterschlupf sein, die<br />
notwendige Dosis Humor, der Hafen am<br />
Ende einer stürmischen Woche oder genau<br />
der Superstar, der von jungen Menschen<br />
geliebt wird, weil sie sich selbst noch<br />
nicht lieben können“, ist dort zu lesen. Ein<br />
wunderbares Outro für diesen Text und ein<br />
toller Appetitmacher auf sein Buch. *rä<br />
INTERNET<br />
Oh, wie schön!<br />
Stefan und Sebastien bereisen die Welt und<br />
machen als @nomadicboys ihre über 140.000<br />
Fans glücklich. Und in der Tat geht einem bei<br />
Bildern wie diesem das Herz auf. Schottland ist<br />
schön! Das sexy Paar hat aber natürlich auch noch<br />
andere Länder bereist und zum Teil ziemlich lustige<br />
Inhalte im Angebot – auch mit schwulem Witz<br />
... Kennengelernt haben sich die beiden erfolgreichen<br />
und sympathischen Blogger in London, Stefan<br />
aus Griechenland und Sebastien aus Lyon trafen<br />
sich erstmals in der populären Location „G-A-Y<br />
Bar“. Folgen kann man den beiden Role Models zum<br />
Beispiel auf Instagram. Und die beiden Kerle machen<br />
gute Laune! „Unsere Mission ist es, zu inspirieren und<br />
zu zeigen, dass man mehr Orte auf der Welt besuchen<br />
kann, als man es für möglich gehalten hätte ...“ *rä<br />
nomadicboys.com
Kollektion <strong>2022</strong><br />
UNSER NEUES VIDEO IST DA!<br />
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LIFESTYLE<br />
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Bett VENTO / Tapete LONDON ART Quast<br />
TIERLEUCHTEN
8 Szene<br />
INTERVIEW<br />
Mr Gay Germany<br />
MAX APPENROTH<br />
Der Diversity-Berater und queere<br />
Aktivist ist der <strong>2022</strong>er-Mr Gay Germany.<br />
Wir erreichten Max am Telefon in der<br />
Wahl-Heimat Köln. Das ganze Interview<br />
gibt es in unseren nächsten Print-Magazinen<br />
in unter anderem Köln, Hamburg, Berlin,<br />
Stuttgart, Bremen, München, Frankfurt<br />
und Düsseldorf.<br />
Wer brachte dich auf die Idee, bei<br />
der Wahl mitzumachen? Hattest du<br />
Muffensausen?<br />
Die Idee kam tatsächlich von mir selbst. Ich<br />
verfolgte das schon länger auf Social Media<br />
und dachte mir: Warum denn nicht? Ich<br />
bin da recht selbstbewusst rangegangen,<br />
war dann aber doch etwas aufgeregt, als<br />
dann der Anruf kam, dass ich dabei bin.<br />
Das Bewerberinterview wurde geführt, die<br />
Kampagne kam an … Dass ich es dann ins<br />
Finale geschafft habe, war ein spannender<br />
Moment.<br />
Hattest du Angst vor Kritik aus der<br />
Szene?<br />
Die, die mir erzählen wollen, ich sei<br />
kein Teil der Community, gerade wegen<br />
diesen Leuten mache ich es! Aber der<br />
Zuspruch aus der Szene ist riesig. Das<br />
zeigt mir, dass es der richtige Schritt war,<br />
bei Mr Gay Germany mitzumachen.<br />
Du bist auch Diversity-Berater und<br />
trans Aktivist, da hat dein Projekt<br />
gut gepasst.<br />
Die Kampagne Proud to Be Alive thematisiert<br />
die hohe Suizidrate bei unter<br />
lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans,<br />
queeren, inter, asexuellen (LSBTQIA*)<br />
Jugendlichen und jungen Erwachsenen.<br />
Es ist ein schweres Thema, aber es muss<br />
angegangen werden, um die Situation<br />
für die nächsten Generationen besser<br />
zu machen. Ich versuche mit meinen<br />
Mitstreiter*innen Aktionen zu starten,<br />
die helfen. Ich will eine Krisen-Support-<br />
Hotline, aber auch als Präventionsarbeit<br />
die Sichtbarkeit von queeren Menschen<br />
in der Kinder- und Jugendliteratur<br />
erhöhen, den Menschen von klein auf<br />
das Gefühl geben, dass sie nicht alleine<br />
sind.<br />
Wann hast du gemerkt, dass du<br />
trans bist?<br />
Da war ich Anfang 20. Aber wenn ich in<br />
meine Biografie schaue, gab es mehrere<br />
Momente. Ich hatte in meinem Leben<br />
drei Coming-outs, mit 13 habe ich mich<br />
als lesbisch geoutet, weil ich merkte,<br />
ich als junge „Frau“ mit Männern nicht<br />
klappen würde und ich so auch nicht<br />
wahrgenommen werden will. Mit Anfang<br />
20 ist mir klar geworden, dass ich keine<br />
Frau bin, das war dann auch ein nahezu<br />
nahtloser Übergang, dass ich meine<br />
Sexualität für mich gefunden habe.
FOTO: KIKO DIONISIO, WWW.KIKODIONISIO.COM<br />
FOTO: SOPHIA EMMERICH, WWW.SOPHIAEMMERICH.COM<br />
FOTO: SOPHIA EMMERICH, WWW.SOPHIAEMMERICH.COM<br />
Lasst uns<br />
Dating einen<br />
Neustart<br />
verpassen.<br />
Du lebst in einer Partnerschaft, wie geht deine<br />
Beziehung mit deiner Popularität um?<br />
Ich bin mit einem Mann verheiratet. Wir legen unsere Kräfte<br />
seit Jahren zusammen, um das Beste für die Community zu<br />
erreichen. Er unterstützt mich immer und ist mein Anker,<br />
der mir auch immer wieder in schwierigen Situationen auf<br />
die Füße hilft!<br />
Wie reagierst du auf Hass im Netz?<br />
Es ist immer wieder erst ein Schreck, aber dann gibt es mir<br />
auch Kraft, genau das zu tun, was wir tun. Ich und meine<br />
Mitstreiter*innen sind leider immer noch nicht überall<br />
akzeptiert. Da muss noch viel mehr passieren. Und fiese<br />
Kommentare sind letztendlich Benzin in meinen Motor!<br />
Meine Arbeit und auch andere queere Projekte sind immer<br />
noch wichtig und notwendig.<br />
*Interview: Michael Rädel<br />
www.max-appenroth.com,<br />
mehr Features dieser Art auf<br />
www.instagram.com/blu_germany
10 Szene<br />
INTERVIEW<br />
Mr Gay Germany Veranstalter:<br />
„Das ist wirkliche Männlichkeit“<br />
Der Sieg des trans Mannes<br />
Max Appenroth bei Mr Gay<br />
Germany ist auch ein Erfolg<br />
des Teams hinter dem Contest.<br />
Ein Erfolg ihres 2015 entwickelten<br />
Wettbewerbskonzeptes, das auf Inhalte<br />
statt Oberfläche setzt. Ein Gespräch mit<br />
Patrick Dähmlow über Max und Männlichkeit.<br />
Wie war eure erste Reaktion auf die<br />
Bewerbung von Max?<br />
Uns ging es bei seiner Bewerbung<br />
tatsächlich so, wie fast allen tausende<br />
Menschen, die uns beim Finale<br />
zugeschaut haben, wie allen Fotografen,<br />
die die Kandidaten direkt vor der Linse<br />
hatten: es ist uns überhaupt nicht<br />
aufgefallen, dass Max eine trans Person<br />
ist. Erst beim Telefonat erzählte er, dass<br />
er Diversity-Berater ist und eben trans<br />
Aktivist. Wir haben uns total gefreut, weil<br />
wir seit 2015 – seitdem machen wir die<br />
Wahl deutschlandweit – noch keinen trans<br />
Kandidaten dabei hatten und so zeigen,<br />
dass es in der deutschen Community<br />
nicht nur weiße cis Männer gibt.<br />
Wie habt ihr den davor teilweise<br />
transphoben Streit um die Teilnahme<br />
von trans Männern erlebt?<br />
Transphobe Angriffe hatten wir bei Mr<br />
Gay Germany noch nie. Was wir jedes<br />
Jahr haben, ist, dass der gewählte Mister<br />
aneckt und wir viele Meldungen bekommen,<br />
nach dem Muster ‚ich fühle mich<br />
von dem Kandidaten nicht repräsentiert’,<br />
er ist ‚zu jung‘ ‚zu alt’, ‚zu weich’ … Und<br />
das haben wir jetzt eigentlich auch mit<br />
Max sehr stark erwartet. Tatsächlich<br />
kam bisher kein negatives Feedback.<br />
Keiner hat uns geschrieben hat, ‚ich<br />
fühle mich von einer trans Person nicht<br />
repräsentiert’.Ich verstehe die transphobe<br />
Kritik um diese Mr. Gay World Teilnahme<br />
so, dass ein Mister ein biologischer Mann<br />
sein müsse. Das ist doch Quatsch. Die<br />
Community besteht nicht nur aus cis<br />
Männern.<br />
Und noch mal ganz deutlich, falls jetzt<br />
jemand denkt, er hat nur gewonnen,<br />
weil er ein trans Kandidat ist und das<br />
bei Heidis Topmodel auch geklappt hat<br />
dieses Jahr: Nein. Max war nach Punkten<br />
der beste Kandidat und hatte die stärkste<br />
Kampagne. Und er ist nun mal trans. Das<br />
hat aber nichts mit seinen Leistungen<br />
beim Contest zu tun.<br />
In der Frauenbewegung und auch<br />
der L-Community gibt es TERFs, bei<br />
den Männern „Super Straights“ und<br />
„Super Gays“. Macht der Penis den<br />
Mann?<br />
Ein ganz klares Nein. Max hat – genau wie<br />
viele andere trans Personen – ein harten<br />
und langen Weg hinter sich und ist jetzt<br />
seit vielen Jahren dort angekommen, wo<br />
er sein möchte, wo er sich wohlfühlt, wo<br />
er SEIN Leben leben kann. Max ist ein<br />
Mensch, der Verantwortung übernimmt<br />
für Familie, für einen liebenden Partner.<br />
Das ist doch eigentlich viel mehr das, was<br />
einen Mann ausmacht. Verantwortung zu<br />
übernehmen. Max will mit seiner Kampagne<br />
zusätzlich Verantwortung auch für<br />
andere übernehmen und Menschen Mut<br />
machen, die das gleiche fühlen wie er.<br />
Das ist wirkliche Männlichkeit, wenn man<br />
davon denn so sprechen möchte.<br />
*Interview: Christian Knuth<br />
Das ganze Interview lest ihr auf männer.<br />
media/topics/mr-gay-germany!
Szene 11<br />
FOTO: M. RÄDEL<br />
PSYCHE<br />
„MAMA, ICH BIN SCHWUL“<br />
– Anna und Riccardo Simonetti<br />
Zusammen mit seiner Mutter hat der<br />
Autor, Blogger und Entertainer ein<br />
Coming-out-Buch geschrieben, das wir dir<br />
ans Herz legen wollen. Ein warmes, intimes<br />
und äußerst lesenswertes Werk, das wir nur<br />
empfehlen können.<br />
Jedes Coming-out ist schwer. Und das immer<br />
noch, denn die heterosexuelle Mehrheitsgesellschaft<br />
nimmt – ohne bösen Willen – ja<br />
einfach an, dass der Junge sich als Junge fühlt<br />
und bald mal eine Freundin hat. Dass er keine<br />
Puppen bekommt und ihm eher Rockbands<br />
als Girlgroups oder Diven in Sachen Musik<br />
schmackhaft gemacht werden, klingt nach<br />
Klischees, ist aber meist so. Und klar, pinke<br />
Shirts und goldene Täschchen bekommt die<br />
kleine Schwester – wobei diese Zuordnungen<br />
ja eigentlich NICHTS mit der Sexualität zu tun<br />
haben sollten. Trotzdem bekommt man schnell<br />
ein „Schwul oder was?“ auf dem Schulhof an<br />
den Kopf geworfen, wenn man mal anders,<br />
als es „die Heten“ erwarten, auf dem Schulhof<br />
aufkreuzt. Plötzlich gehört man nicht mehr<br />
dazu, man erfährt Ablehnung, Mobbing und<br />
Ausgrenzung. Bin ich schwul? Bin ich lesbisch?<br />
Bin ich anders? Tausend Gedanken rasen<br />
plötzlich durch den Kopf, nur weil man es wagt,<br />
andere Musik zu hören und sich nicht so zu kleiden,<br />
wie es die toxisch-maskulinen Jungmachos<br />
gutheißen. Irgendwann reden „alle“ über Pornos,<br />
die sie im Internet gefunden haben. Doch was<br />
soll der queere Mensch dann zum flachen (in der<br />
Pubertät wichtigen) Gespräch beitragen, ohne<br />
dass sich alle Gesprächsteilnehmer*innen angeekelt<br />
abwenden? Ekel, ja das schlägt Menschen<br />
mit anderer sexueller Orientierung oft entgegen.<br />
Zweifel und Ängste entstehen, das<br />
Selbstvertrauen schwindet. Und das ist immer<br />
noch so, auch 2021, denn queere Freiheit<br />
existiert nur in einigen Gesellschaftsbereichen,<br />
Subkulturen und Safe Spaces (in die man sich<br />
aber erst mal trauen muss).<br />
Gerade erschien bei GOLDMANN „Mama, ich<br />
bin schwul – Was mein Coming-out für uns<br />
bedeutete – Ein Buch über das Anderssein“<br />
von Riccardo und Anna Simonetti. Ein sehr<br />
persönliches und ungemein hilfreiches Buch<br />
für alle Leser*innen, das zum einen unterhält,<br />
zum anderen anhand der hier geschilderten<br />
Erfahrungen hilft, Minderwertigkeitsgefühle zu<br />
überwinden und bei der Arbeit und im Alltag<br />
selbstbewusst queer aufzutreten. Man „macht“<br />
das ja nicht, um andere zu provozieren, man<br />
ist so. Warum sollte #mensch sich verstellen?<br />
In dem Buch schildern der Buchautor,<br />
Blogger und Entertainer Riccardo Simonetti<br />
und seine Mutter Anna abwechselnd ihre<br />
ganz persönlichen Herausforderungen und<br />
Erlebnisse miteinander. Genau, die Mutter des<br />
LGBTIQ*-Sonderbotschafters des Europäischen<br />
Parlaments schrieb mit, und das hebt das Buch<br />
noch einmal ab von anderen Büchern zum<br />
Thema. Denn es sensibilisiert für die andere<br />
Seite des Coming-out, schließlich muss das<br />
familiäre Umfeld ja auch umdenken – im<br />
Idealfall so liebevoll und aufgeklärt wie Riccardos<br />
Mutter Anna trotz Prägung durch ein streng<br />
katholisches Elternhaus: „Er wollte […] der Junge<br />
sein, der er war. Ein Glitzer-Junge“. Ein warmes,<br />
intimes und äußerst lesenswertes Buch, das wir<br />
nur empfehlen können, als Geschenk oder für<br />
dich, auch wenn dein Coming-out womöglich<br />
schon geschafft ist. *rä<br />
www.goldmann-verlag.de<br />
MICHAEL<br />
§<br />
LEIPOLD<br />
RECHTSANWALT<br />
Fachanwalt für Familienrecht<br />
Fachanwalt für Migrationsrecht<br />
• Strafrecht<br />
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12 GESELLSCHAFT<br />
INTERVIEW<br />
DOMINIC UND SEBASTIAN:<br />
„Füreinander da sein“<br />
Am 14. <strong>Februar</strong> ist Valentinstag,<br />
der Tag der Liebenden.<br />
Ein schöner Anlass, dir einmal<br />
dieses Kölner Paar vorzustellen,<br />
das auf Instagram seine über 50.000<br />
Follower erfreut: Teamleiter & IT Fachmann<br />
Dominic und Süßwaren-Experte<br />
Sebastian.<br />
Wie kamt ihr 2016 zusammen?<br />
Dominic: Im Mai 2016 hat Sebastian<br />
Langeweile gehabt und bei Facebook<br />
rumgeschaut und dort mich auf einer<br />
Bildverlinkung gesehen. Sebastian fand<br />
mein Lächeln toll und stupste mich bei<br />
Facebook an.<br />
Sebastian: Da aber Dominic diese<br />
Anstupsfunktion nicht so gut findet, hat<br />
er mich einfach angeschrieben. Bis zum<br />
ersten Treffen dauerte es einige Wochen.<br />
Aber der Kontakt blieb weiterhin bestehen,<br />
via Chat. Dann haben wir uns zum Kölner<br />
CSD 2016 verabredet und die vier Tage<br />
zusammen verbracht. Dabei lernten wir<br />
uns kennen und verguckten uns schon<br />
ein wenig ineinander. Da wir aber aus zwei<br />
verschiedenen Städten kamen, Offenbach<br />
und Köln, war ein Treffen unter der Woche<br />
komplizierter. Aber jedes Wochenende<br />
haben wir uns dann getroffen. Ende Juli<br />
wurden wir bei einer Party von einer Freundin<br />
gefragt, ob wir jetzt zusammen seien.<br />
Dominic: Darauf haben wir uns beide<br />
angeschaut und sind dann zusammengekommen.<br />
Aber das erste „Ich liebe dich“<br />
gab es dann an unseren Lieblingsferienort<br />
Sitges im Oktober 2016.<br />
Was macht für euch eine glückliche<br />
Beziehung aus?<br />
Sebastian: Reden, wirklich sehr viel<br />
miteinander reden. Aber auch füreinander<br />
da sein. Auch wenn man selber mal zu kurz<br />
dabei kommt. Wir haben in den letzten<br />
Jahren relativ viele Schicksalsschläge<br />
erlebt. Sei es der Tod der Großeltern, der<br />
Tod des Vaters, Jobverluste, Krankheiten<br />
oder auch die Pandemie. Wir haben<br />
immer zusammengehalten, uns getröstet,<br />
miteinander gesprochen, uns kleine<br />
Aufmerksamkeiten gemacht, sei es nur ein<br />
Überraschungsei aus dem Supermarkt.<br />
Dominic: Wir haben aneinander gedacht<br />
und immer wieder miteinander offen<br />
geredet. In allen Situationen haben wir<br />
zusammen die besten Lösungen gesucht.<br />
Aber wir haben auch viel gelacht, viel erlebt<br />
und einfach das Zusammensein genossen.<br />
Jeder hat seine eigenen Hobbys, die der<br />
Partner akzeptiert und gerne unterstützt.<br />
Klar geht man sich auch mal auf die<br />
Nerven, aber auch da gehen wir respektvoll<br />
miteinander um. Wir würden mal sagen,<br />
das sind die besten Tipps für eine tolle<br />
Beziehung.
GESELLSCHAFT 13<br />
Ist einer von euch dominanter?<br />
Sebastian: Sagen wir es mal so. Dominic<br />
kann manchmal sehr impulsiv sein und<br />
sagt offen, was er denkt. Einige Menschen<br />
können damit nicht immer umgehen.<br />
Dominic: Sebastian delegiert manchmal<br />
ganz gerne, damit einfach mal alles<br />
vorangeht. Beide sind wir dominant, aber<br />
auch weich im Kern.<br />
Wie definiert ihr Treue?<br />
Sebastian: Also Treue ist das, was uns<br />
ausmacht. Wir leben monogam, und so<br />
soll es auch bleiben. Das, was wir haben,<br />
sei es körperlich, geistig oder rein sexuell<br />
gesehen, reicht uns komplett aus und wir<br />
sind zu 101 % damit zufrieden.<br />
Dominic: Treue ist aber auch mehr. Die<br />
Treue, offen zueinander zu sein. Auch das<br />
lieben wir an uns.<br />
Lebt ihr zusammen?<br />
Dominic: Wir leben seit 2017 zusammen<br />
in Köln mit unserer Hündin Amy. Am<br />
Anfang lebte Sebastian ja in Offenbach,<br />
wir hatten es so geregelt, dass sobald<br />
einer von uns eine tolle Wohnung findet,<br />
wir auch in dieser Stadt zusammenziehen<br />
werden.<br />
Sebastian: Ein Glück, dass Dominic<br />
eine Wohnung mit Garten in der Kölner<br />
Innenstadt gefunden hat.<br />
Worauf freut ihr euch gerade?<br />
Dominic: Wir freuen uns auf viele Dinge<br />
in diesem Jahr. Sei es wieder Urlaub in<br />
Sitges oder kleine Unternehmungen,<br />
die geplant sind. Aber worauf wir uns<br />
am meisten freuen und vorbereiten, ist<br />
unsere Hochzeit im Oktober <strong>2022</strong>. Hier<br />
sind wir bereits am Planen und freuen<br />
uns einfach, das Jahr gemeinsam als Paar<br />
zu verbringen und als Ehemänner zu<br />
beenden.<br />
Wie überrascht ihr euch am<br />
Valentinstag?<br />
Sebastian: Also Überraschungen gibt es<br />
keine großen. Wir unternehmen lieber<br />
was. Dieses Jahr haben wir einen Besuch<br />
im Kölner Zoo geplant. Sebastian hat dort<br />
Patentiere, hundert Blattschneideameisen.<br />
Jepp, ihr habt richtig gelesen, es sind<br />
Ameisen. Aber das Highlight wird sein, dass<br />
wir es auch wieder zusammen machen<br />
werden. Für uns ist jeder Tag Valentinstag.<br />
*Interview: Michael Rädel<br />
www.instagram.com/cgn_gaycouple<br />
FOTOS: VIVI & KATE WERLE, WWW.VIVIUNDKATE.DE
14 GESELLSCHAFT<br />
ONLINE-DATING<br />
„Verarscht, abgezockt und betrogen“<br />
auf PLANET-RANDY<br />
FOTO: GABRIEL BENAIS / UNSPLASH:COM<br />
Der Valentinstag kann für<br />
Menschen, die ungewollt Singlesind,<br />
deprimierend sein. Oft versucht<br />
Mann sein Liebesglück dann<br />
im Internet. Einer dieser Männer,<br />
nennen wir ihn Markus, berichtet im<br />
Interview über eine bekannte Plattform<br />
für schwules Online-Dating.<br />
Was ist dir passiert?<br />
Ich fühle mich einfach verarscht, abgezockt<br />
und betrogen. Ich habe fast 1,5 Jahre auf<br />
der Plattform Planet-Randy mit einem User<br />
namens Lollischolli geschrieben und in dieser<br />
Zeit mehrmals nach einem Treffen gefragt.<br />
Immer gab es fadenscheinige Ausreden wie<br />
„meine Mutter ist krank“, „wir kennen uns<br />
noch nicht lange genug“, „lass uns reden,<br />
um uns besser kennenzulernen“, „ich habe<br />
noch Angst davor“ oder ganz perfide „ich<br />
bin als Zwölfjähriger bei einem Schulausflug<br />
vergewaltigt worden und bin immer noch<br />
vorsichtig mit der Auswahl meiner Männer“.<br />
Dann hatte ich ihn gebeten, mir doch seine<br />
Handynummer zu geben, dann könnten wir<br />
über WhatsApp schreiben. Wäre doch für<br />
uns günstiger, seine Antwort war: „Ich stelle<br />
meine persönlichen Daten doch nicht ins<br />
Netz".<br />
Wieviel Geld hast du verloren?<br />
Verloren habe ich in dieser Zeit 4.243,81<br />
Euro.<br />
Planet-Randy gibt zu, mit sogenannten<br />
Controllern zu arbeiten. Fühlst du<br />
dich dennoch betrogen?<br />
Ich habe vom Support erfahren, dass aus<br />
Mangel an Männern sogenannte Controller<br />
eigesetzt werden. Die Supportantwort auf<br />
meine Frage in Kopie: „Wir wollen, dass alle<br />
hier Spaß am Flirten haben. Allerdings gibt es<br />
immer mal wieder einen Mangel an Männer,<br />
was dazu führt, dass keine geeigneten Flirt<br />
Partner anwesend sind. Um diesen Mangel<br />
auszugleichen, setzen wir immer mal wieder<br />
Controller ein, welche unter anonymen<br />
Accounts Dialoge führen. Es ist aber nicht so,<br />
dass du hier niemanden Reales kennenlernen<br />
kannst. Jeden Tag melden sich hunderte<br />
neuer realer User an, genauso wie du“.<br />
Daraufhin habe ich den User Lollischolli<br />
mehrmals in unserer Zeit explizit danach<br />
gefragt, ob er ein Controller sei, seine<br />
Antworten waren: „Nein, er wäre doch<br />
keine Spielekonsole“ oder er wäre doch<br />
„keine Playstation“ oder „er wäre aus Fleisch<br />
und Blut“, „ein Mann mit Gefühlen und<br />
Hoffnungen“ und ich solle „ihm endlich<br />
mal vertrauen“, denn „er würde mich nie<br />
belügen“. Dies ging wie gesagt 1,5 Jahre<br />
so, bis er mir gegenüber am 5. Dezember<br />
dann endlich zugab, dass er ein Controller<br />
sei und seinem Arbeitgeber Planet-Randy<br />
verpflichtet sei, keine Beziehung mit einem<br />
externen User einzugehen. Am 6. Dezember<br />
kam seine letzte Nachricht mit folgendem<br />
Wortlaut: „Lass uns doch wieder versöhnen,<br />
denn es tut so schrecklich weh“. Kurze Zeit<br />
später wurde ich blockiert.<br />
Was ist dein Rat an Nutzer*innen?<br />
Auf dieser Plattform wird man an der Liebe<br />
und deren Gefühlen aufs Schlimmste<br />
hintergangen, belogen und klar betrogen.<br />
Hier sind interne User mit Profilbildern<br />
von Pornodarstellern wie zum Beispiel<br />
Paul Belonek, Blent, Joshua, Kris Levy oder<br />
dem Schauspieler Manuel Rios Fernandez<br />
und viele viele mehr zu sehen. Ich möchte<br />
behaupten, dass von den 124.300<br />
Mitgliedern 90 Prozent Scheinaccounts<br />
sind und von internen Mitarbeitern (häufig<br />
Studenten und Studentinnen) betreut<br />
werden. Sucht eure Partner oder Flirtpartner<br />
im wahren Leben und nicht auf dieser<br />
betrügerischen Plattform! Die Bewertungen<br />
über Trustpilot sind vermutlich ebenfalls alle<br />
Fake und bestimmt von Planet-Randy selbst<br />
geschrieben bzw. beauftragt. Glaubt auch<br />
diesen bitte niemals. Für mich ist und bleibt<br />
diese Plattform klar betrügerisch!<br />
*Interview: Christian Knuth<br />
TIPPS<br />
Verbraucherschützer*innen raten trotz<br />
der sogenannten Transparenz von<br />
Anbietern wie Planet Randy dazu, Profile<br />
sofort zu löschen und das gezahlte Geld<br />
zurückzuverlangen. Der Rechtsweg lohnt<br />
sich in den meisten Fällen allerdings wohl<br />
nur, wenn eine Rechtsschutzversicherung<br />
die Kosten des ggf. langwierigen Verfahrens<br />
absichert. Ganz grundsätzlich sollte jeder,<br />
der auf ein neues Dating- oder Chatportal<br />
trifft, dessen Namen mit den Stichworten<br />
Betrug, Abzocke oder ähnlichen Worten<br />
in Suchmaschinen eingeben. So umgeht<br />
Mensch die umfangreichen Schutzwälle aus<br />
mutmaßlich gefakten positiven Bewertungen<br />
und kommt gleich „zur Sache“. Oftmals<br />
eine schnellere Entscheidungshilfe als das<br />
mühsame Lesen seitenlanger AGBs. Seid<br />
vorsichtig! *ck
GESELLSCHAFT 15<br />
POLITIK<br />
China cancelt GRINDR<br />
Laut Informationen des auf<br />
Mobilfunk spezialisierten<br />
Forschungsunternehmens<br />
Qimai wurde Grindr bereits<br />
am 27. Januar aus dem App-Store von<br />
Apple entfernt. Aber auch im Play-Store<br />
von Alphabet sowie auf Plattformen, die<br />
von chinesischen Unternehmen betrieben<br />
werden, ist die vornehmlich an Männer*<br />
gerichtete Dating-App nicht mehr zu finden.<br />
Zwei Hauptbeweggründe für den<br />
zentralistisch-autoritären Staat<br />
sind schnell identifiziert. Zur<br />
Einordnung ein Kurzrückblick<br />
auf die merkwürdige<br />
Geschichte einer China-<br />
Cruising-Connection.<br />
XI WAS WATCHING YOU!<br />
2016 hatte das chinesische<br />
Software-Unternehmen Beijing<br />
Kunlun Tech Co Ltd Grindr<br />
über seine US-Dependance in Kalifornien<br />
gekauft. Auf Druck der US-Behörden<br />
musste das Unternehmen die App im Jahr<br />
2020 an Investoren verkaufen. Washington<br />
witterte Gefahr für die nationale Sicherheit,<br />
weil sensible Daten für Erpressungsversuche<br />
durch China missbraucht hätten<br />
werden können.<br />
So bigott schwules Leben in der Causa<br />
Grindr auf beiden Seiten des Pazifiks<br />
politisiert wurde, so unlogisch oder auch<br />
naheliegend ist der Gedanke, die Staatsführung<br />
habe sich nun aus gekränkter<br />
Eitelkeit zu einem Marktverbot hinreißen<br />
lassen. Viel wahrscheinlicher sind zwei sich<br />
seit Jahren gegenseitig beschleunigende<br />
Gesellschaftsprozesse: Die dogmatische<br />
Fokussierung auf verklärte kulturelle wie<br />
gesellschaftspolitische Werte und Nomen<br />
des Maoismus nach innen und die<br />
geschickte Ausnutzung der Mechanismen<br />
FOTO: AFP / NOEL CELIS<br />
des globalen Kapitalismus nach außen:<br />
Marktmacht und ihr folgend politische<br />
Macht durch aggressive Investitionsinvasionen<br />
bei gleichzeitiger Abschottung<br />
des Binnenmarktes. Seit Jahren drängt<br />
China in immer mehr Wirtschaftsbereichen<br />
ausländische Mitbewerber vom heimischen<br />
Markt.<br />
RENAISSANCE DER KULTURRE-<br />
VOLUTION: QUEER PASST NICHT<br />
ZUM MENSCHENBILD<br />
Seit 1997 ist Homosexualität<br />
in China nicht mehr strafbar.<br />
Gleichgeschlechtliche<br />
Partnerschaften werden<br />
dennoch nicht staatlich<br />
anerkannt und LGBTIQ*-<br />
Themen, so gut es die<br />
Staatsführung hinbekommt,<br />
aus dem öffentlichen<br />
Diskurs herausgefiltert. Nicht<br />
nur sind in Schulen und Betrieben alle<br />
Lerninhalte und Systeme auf das Wohl der<br />
Volksgemeinschaft verengt, Aufklärungsbemühungen<br />
von Aktivist*innen und sogar<br />
ganze Forschungsprojekte an Universitäten<br />
werden systematisch so lange gegängelt,<br />
bis sie sozusagen ganz freiwillig aufgeben.<br />
HYPERMODERN: KAMPAGNE<br />
„SAUBERER CYBERSPACE“<br />
Im Vorfeld der Olympischen Winterspiele<br />
und der Neujahrsfeiern hatte die chinesische<br />
Internetbehörde eine einmonatige<br />
Kampagne gegen Gerüchte, Pornografie<br />
und andere sensible Webinhalte angekündigt.<br />
Ziel der Kampagne „sauberer<br />
Cyberspace“ sei es, „eine zivilisierte,<br />
gesunde, festliche und glückverheißende<br />
Atmosphäre im Internet“ zu schaffen. Im<br />
Sommer des letzten Jahres hatte sich die<br />
staatliche Rundfunkregulierungsbehörde<br />
(NRTA) in Peking bereits die Unterhaltungsindustrie<br />
vorgenommen und sich<br />
dabei insbesondere mit dem Verhalten von<br />
Prominenten und Fangruppen beschäftigt.<br />
Sogar in Filmen dürfen keine homosexuellen<br />
Liebesbeziehungen gezeigt werden.<br />
immer wieder kommt es diesbezüglich zu<br />
staatlichen Zensurmaßnahmen bei Kinound<br />
Fernsehproduktionen. Zuletzt erregte<br />
die Heteronormativierung des Friends<br />
Reunion Specials weltweit Aufmerksamkeit.<br />
Sogar ein Auftritt von Lady Gaga<br />
wurde in Chinas Version des Serienspecials<br />
nicht gezeigt. „Born This Way?“ Dagegen<br />
gibt es was aus der Kaderschmiede!<br />
Die Corona-Pandemie beschleunigte die<br />
technischen und politischen Kontrollbestrebungen<br />
der linientreuen Wächter über<br />
die vor lauter glückverheißender<br />
Atmosphäre den Smog nicht mehr thematisierende<br />
chinesische Zivilbevölkerung.<br />
Schöne neue Welt.<br />
SCHLUSSFOLGERUNG: RETOURKUT-<br />
SCHE, HOMOPHOBIE ODER DOCH<br />
PROTEKTIONISMUS?<br />
Wer diese Entwicklungen des Landes der<br />
Mitte und die fast wahnhaft-hysterischen<br />
Reaktionen auf leiseste westliche Kritik in<br />
seine Skizze der Volksrepublik China einbezieht,<br />
wird wohl folgern: Wahrscheinlich<br />
ist eine Mischung aus allem der Auslöser<br />
für die Löschung von Grindr. Das Volk<br />
wird vor vermeintlich westlichem Einfluss<br />
geschützt, jener Westen getriggert und der<br />
boomenden Digitalwirtschaft zu Hause<br />
der Rücken freier gemacht. *AFP/sah/ck<br />
TIPP<br />
Die Dokumentation „Die neue Welt<br />
des Xi Jinping“ in der Mediathek von<br />
arte. Diese Welt will nichts Queres<br />
oder Queeres. Zu empfindlich ist<br />
er wohl, der ach so heilsbringende<br />
chinesische Volkskörper aus inzwischen<br />
vollständig überwachten und<br />
automatisiert geblockwarteten Einheitsstaatsbürgern.
16 GESELLSCHAFT<br />
FOTO: INA FASSBENDER / AFP<br />
#OUTINCHURCH<br />
FOTO: SVEN HOPPE / AFP<br />
RECHT VOR MORAL<br />
Das öffentliche Coming-out<br />
von 125 haupt- und ehrenamtlichen<br />
LGBTIQ*-Mitarbeitenden<br />
der römisch-katholischen<br />
Kirche (RKD) im Januar dürfte historisch<br />
betrachtet für die deutsche Dependance<br />
des päpstlichen Männerklubs aus Rom<br />
eine Zäsur darstellen.<br />
Eine Art Gongschlag nach jahrzehntelangen<br />
ermüdenden Debatten zwischen<br />
Klerus und Laien sowie Menschen- und<br />
Arbeitsrechtsverbänden, Staat und<br />
Wirtschaft. Die Zeichen der Zeit stehen gut<br />
für einen weitreichende Entzerrung des<br />
komplexen Machtgefüges von Religion,<br />
Staat und Gesellschaft.<br />
ROM WIRD SICH NICHT EINMISCHEN<br />
Papst Franziskus pocht wesentlich<br />
deutlicher als sein Vorgänger darauf, auch<br />
gegenüber Sündern auf das Vergebende<br />
und die Liebe im Umgang mit ihnen<br />
als Kern christlicher Werte zu achten.<br />
Selbst wenn nicht absehbar ist, dass am<br />
Katechismus etwas geändert werden<br />
soll, so dass Zölibat und Frauenverbot<br />
für das Priesteramt fallen, so sind die<br />
Hüter der Dogmen doch inzwischen zu<br />
sehr damit beschäftigt, den eigenen<br />
Laden im Sinne des Wortes auf Vordermann<br />
zu bringen und wirtschaftliche<br />
Aktivitäten, gesellschaftliches Wirken<br />
und Verkündigungswerk zu entzerren.<br />
Westeuropa und speziell Deutschland<br />
sind gesamtorganisatorisch eh nur ein<br />
Nebenkriegsschauplatz für die sonst fast<br />
weltweit expandierende vatikanische<br />
Ordnung.<br />
POLITIK WILL FORTSCHRITT WAGEN<br />
Ein Bann scheint gebrochen, Zugeständnisse<br />
in nicht verkündigungsnahen Bereichen<br />
der Kirchenorganisation sind nicht nur<br />
moralrechtlich angezeigt, sondern – Wunder<br />
geschehen bekanntlich doch immer mal<br />
wieder – mit neuem FDP-Justizminister<br />
Buschmann auch plötzlich rechtlich<br />
möglich. Er will einen Gesetzentwurf zur<br />
Reform vorlegen. In den letzten Jahren<br />
war sowohl bei SPD, als auch bei der Union<br />
das kirchliche Sonderarbeitsrecht trotz<br />
schreiender Ungleich- und Schlechterbehandlung<br />
von Queers, Geschiedenen und<br />
Alleinerziehenden alternativlos, selbst die<br />
frommen Teile der Grünen waren in diesem<br />
Politikfeld überraschend visionslos. Das hat<br />
sich mit dem Koalitionsvertrag schlagartig<br />
geändert. Der Druck aus der Politik wird<br />
stärker, er kommt jetzt von der Regierungsbank<br />
und nicht nur aus den hinteren und<br />
linken Plätzen des Parlaments. Das merkt<br />
wohl auch der Klerus.<br />
BISCHOFSKONFERENZ<br />
FLÜCHTET NACH VORNE<br />
Missbrauch, Mitgliederschwund,<br />
Kommunikationsund<br />
Managementdesaster.<br />
Die Bischofskonferenz als Leitungsgremium<br />
der deutschen<br />
Katholiken (Alt-Katholiken nicht<br />
inbegriffen) hatte gelinde gesagt trotz<br />
Kuschelkanzlerin suboptimale Jahre. Ihr<br />
Vorsitzender Reinhard Marx überraschte in<br />
einem Interview im Januar mit einer Offensive.<br />
„Wenn wir sagen, eine homosexuelle<br />
Beziehung ist vielleicht nach der Lehre der<br />
Kirche keine Ehe, aber wir nehmen sie auch<br />
§<br />
positiv auf als eine verbindliche Beziehung“,<br />
dann müsse das für alle – also auch für<br />
kirchliche Angestellte – gelten, so Marx.<br />
Generalvikar Christoph Klingan ergänzte,<br />
dass eine bischöfliche Arbeitsgruppe<br />
momentan „intensiv an einem Vorschlag<br />
arbeite, wie man diese kirchliche Grundordnung<br />
verändert“. Am Ende müssten das<br />
aber die Bischöfe entscheiden.<br />
Für den Münchner Kardinal und<br />
Erzbischof steht Homosexualität nicht<br />
einmal mehr im Widerspruch mit der Ausführung<br />
eines Priesteramts.„Nicht jeder ist<br />
gezwungen, seine eigene sexuelle Neigung<br />
zu nennen, ob er heterosexuell oder homosexuell<br />
ist", sagte 68-Jährige Kardinal und<br />
Erzbischof am 27. Januar <strong>2022</strong> auf einer<br />
Pressekonferenz der Erzdiözese München<br />
und Freising anlässlich des Gutachtens<br />
zu sexuellem Missbrauch in der römischkatholischen<br />
Kirche. „Aber wenn er es<br />
tut, dann ist das zu respektieren,<br />
dann ist das keine Einschränkung<br />
seiner Möglichkeit, ein<br />
Priester zu werden.“ Marx<br />
betonte, unabhängig von<br />
der sexuellen Orientierung<br />
erwarte er von allen Priestern<br />
eine zölibatäre Lebensweise.<br />
„Ob jemand homosexuell orientiert<br />
ist oder heterosexuell orientiert,<br />
ich gehe davon aus, dass er dann eine<br />
keusche Lebensweise führt.“<br />
Es wird also auch einen kirchlichen<br />
Reformvorschlag des Arbeitsrechtes geben<br />
als Gegenmodell zu jenem der Regierung.<br />
Möge das Recht vor der Kirchenmoral<br />
obsiegen. Möge sich Liebe gegen den Hass<br />
durchsetzen. *ck/sah/AFP
NACHGEFRAGT<br />
Interview mit Rainer Teuber<br />
– #OutInChurch<br />
GESELLSCHAFT 17<br />
FOTO: NICOLE CRONAUGE, BISTUM ESSEN<br />
Rainer Teuber, geboren in Essen, ist seit 1996 in der<br />
katholischen Kirche beschäftigt. Er verantwortet am<br />
Essener Dom und seiner Schatzkammer die Museumspädagogik<br />
und den Besucherservice. Er ist schwul und seit 2003<br />
mit seinem Mann Karl-Heinz verheiratet. Auch privat sind<br />
beide in der Gemeindearbeit engagiert.<br />
Herr Teuber, was genau ist #outinchurch und wer<br />
ist daran beteiligt?<br />
Bei der Initiative #OutInChurch outen sich heute 125 queere<br />
Menschen, die im Dienst der katholischen Kirche stehen. Die<br />
Beteiligten kommen aus nahezu allen Bistümern und bilden<br />
das gesamte Spektrum kirchlicher Arbeitsfelder ab. Unter<br />
ihnen sind Religionslehrer*innen, Gemeindereferent*innen,<br />
Pastoralreferent*innen, Kirchenmusiker*innen,<br />
Religionspädagog*innen aber natürlich auch einige Priester.<br />
Sie werben „für eine Kirche ohne Angst“. Wo und<br />
wie erleben Sie in der Kirche Ängste in diesem<br />
Zusammenhängen?<br />
Menschen die queer sind, öffentlich queer leben, in dem sie<br />
zum Beispiel eine eingetragene Lebenspartnerschaft oder<br />
eine Zivilehe schließen und für die katholische Arbeiten<br />
müssen mit schweren dienstrechtlichen Konsequenzen<br />
rechnen, da sie mit ihrem öffentlichen Bekenntnis einen<br />
schweren Loyalitätsverstoß gegen ihren Arbeitsvertrag<br />
begehen, der auch die kirchliche Grundordnung umfasst.<br />
Nach dieser Grundordnung kann ein öffentliches Bekenntnis<br />
zu einer solchen Partnerschaft beziehungsweise Ehe zur<br />
fristlosen Kündigung führen.<br />
Was müsste sich in den<br />
Bistümern und kirchlichen<br />
Institutionen sofort<br />
ändern und was braucht<br />
es aus Ihrer Sicht<br />
dazu?<br />
Das kirchliche Arbeitsrecht<br />
muss reformiert<br />
werden. Die entsprechenden<br />
Paragrafen, die Menschen<br />
in ihrer Persönlichkeit<br />
einschränken, müssen entfernt<br />
werden. LGBTIQ*-Personen<br />
müssen in dieser Kirche ohne Angst<br />
offen leben und arbeiten können. Sie müssen einen diskriminierungsfreien<br />
Zugang zu allen Handlungs- und Berufsfeldern<br />
in der Kirche erhalten. Diffamierende und nicht zeitgemäße<br />
Aussagen der kirchlichen Lehre zu Geschlechtlichkeit<br />
und Sexualität müssen auf Grundlage theologischer und<br />
humanwissenschaftlicher Erkenntnisse revidiert werden. Dies<br />
ist besonders in weltweiter kirchlicher Verantwortung für<br />
die Menschenrechte von LGBTIQ+-Personen von höchster<br />
Relevanz. Die Kirche darf darüber hinaus LGBTIQ+-Personen<br />
beziehungsweise Paaren den Segen Gottes sowie den<br />
Zugang zu den Sakramenten nicht vorenthalten.<br />
*Interview: Bruder Franziskus, Rogate-Kloster Sankt Michael<br />
Das ganze Interview gibt es hier: https://rogatekloster.<br />
wordpress.com/<strong>2022</strong>/01/24/funf-fragen-an-rainer-teuber-aktion-outinchurch-fur-eine-kirche-ohne-angst/
18 Gesellschaft<br />
REPORTAGE<br />
Zwischen DAVIDSTERN und<br />
REGENBOGENFLAGGE<br />
Queere Jüd*innen müssen seit Jahrzehnten<br />
um Anerkennung kämpfen,<br />
nicht nur in den jüdischen Gemeinden –<br />
auch in der LGBTIQ*-Szene. Doch seit ein<br />
paar Jahren wird queer-jüdisches Leben in<br />
Deutschland sichtbarer.<br />
2021 feierte das jüdische Leben in<br />
Deutschland 1.700-jährigen Geburtstag.<br />
1.700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland,<br />
das heißt auch, dass seit 1.700 Jahren<br />
queer-jüdische Menschen in Deutschland<br />
leben. Nicht immer sind sie willkommen –<br />
weder in der jüdischen noch in der queeren<br />
Gemeinschaft.<br />
„Die übelsten Sprüche über Juden habe ich<br />
von schwulen Männern gehört“, klagt David<br />
Friedländer. Der homosexuelle Anwalt lebt in<br />
Düsseldorf und ist einer von etwa 100.000<br />
aktiven jüdischen Gemeindemitgliedern<br />
in Deutschland. „Das ärgert mich sehr. Ich<br />
habe wirklich viel Verständnis, auch für einen<br />
saloppen Spruch. Denn nicht hinter jeder<br />
unsensiblen Aussage steckt gleich eine böse<br />
Absicht. Aber wenn jemand selber durch<br />
die Gesellschaft Diskriminierungen erfahren<br />
hat und sich dann über andere erhebt und<br />
sie abwertet, verstehe ich das nicht“, sagt<br />
der 41-Jährige. „Man würde ja meinen,<br />
eine Minderheit sei reflektierter und wäre<br />
deshalb sensibler in Bezug auf die Befindlichkeiten<br />
anderer Minderheiten. Dem ist<br />
aber oft nicht so.“ Mal bekommt Friedländer<br />
mit, wie sich Bekannte über „scheiß Juden”<br />
unterhalten, mal wärmen Freunde, die nicht<br />
wissen, dass er jüdisch ist, beim Spieleabend<br />
antisemitische Klischees auf. „Wir spielen<br />
Monopoly und auf die Frage, wer die Bank<br />
übernimmt, antwortet jemand:<br />
,Ach, haben wir keinen<br />
Juden hier?‘“ Trotzdem<br />
fühlt sich Friedländer<br />
nicht diskriminiert.<br />
Allerdings schränkt er<br />
ein: „Ich würde nicht<br />
Händchen haltend<br />
und mit Kippa<br />
durch jede Stadt in<br />
Deutschland laufen.“<br />
Michal Schwartze<br />
beschäftigt sich seit<br />
Jahren mit jüdischem<br />
Queer-Feminismus. Für die<br />
Lehrerin und queer-feministische<br />
Aktivistin ist nicht nur Antisemitismus in der<br />
LGBTIQ*-Szene ein Problem. „Ich bin religiös<br />
und das ist mir auch sehr wichtig. Aber da<br />
treffe ich oft auf Unverständnis. Mir kommt<br />
das wie eine generelle Religionsfeindlichkeit<br />
vor“, sagt die 44-Jährige. Problematisch<br />
sei es auch, dass nicht zwischen Jüd*innen<br />
und Israel unterschieden werde. Vor allem<br />
in Berlin kritisieren viele Queers die Politik<br />
Israels gegenüber Palästina. Immer wieder<br />
werden queere Jüd*innen deswegen<br />
angegriffen und für das Verhalten Israels<br />
verantwortlich gemacht, obwohl<br />
das „mit der Perspektive<br />
queer-jüdischer Menschen<br />
in Deutschland<br />
eigentlich nicht so<br />
viel zu tun hat“, sagt<br />
Schwartze.<br />
DER HOLOCAUST<br />
WAR DER ULTI-<br />
MATIVE BRUCH<br />
Ungefähr 200.000<br />
Menschen jüdischen<br />
Michal<br />
Glaubens leben heute<br />
Schwartze<br />
in Deutschland. Nur etwa<br />
die Hälfte von ihnen ist in<br />
Gemeinden aktiv. Die Mehrheit kam in<br />
den 90er-Jahren und Anfang der 2000er
Gesellschaft 19<br />
FOTO: TOA HEFTIBA / UNSPLASH<br />
als sogenannte Kontingentflüchtlinge aus<br />
Ländern der ehemaligen Sowjetunion nach<br />
Deutschland.<br />
Bevor die Nationalsozialist*innen 1933<br />
die Macht in Deutschland übernahmen,<br />
lebte etwa eine halbe Million Jüd*innen in<br />
Deutschland. 1950 waren es nicht einmal<br />
mehr 15.000. Der Holocaust markierte<br />
den ultimativen Bruch – auch beim<br />
Entstehen einer queer-jüdischen Identität.<br />
Dabei war Deutschland die Wiege des<br />
liberalen Judentums, und Vorreiter der<br />
Homosexuellen-Bewegung wie Magnus<br />
Hirschfeld waren jüdisch. Nach der Shoa<br />
gab es nur noch wenige jüdische Familien<br />
in Deutschland. Während sich in den USA,<br />
wo es viele große jüdische Communitys<br />
gibt, mit der Zeit eine pluralistische<br />
queer-jüdische Stimme bildet, mit<br />
queeren Rabbiner*innen und queeren<br />
Gemeinden, braucht diese Entwicklung<br />
in Deutschland sehr viel länger. Da ist<br />
zum einen die gesamtgesellschaftliche<br />
Situation in Nachkriegsdeutschland, in<br />
der Queersein lange noch kriminalisiert<br />
wird und bestenfalls geduldet ist. „Als ich<br />
mich Anfang der 90er geoutet habe, gab<br />
es keine Homoehe, das waren ganz andere<br />
Zeiten“, erzählt Schwartze. Und da sind<br />
auch die jüdischen Familien, „welche die<br />
letzten Jahrzehnte berechtigterweise so<br />
eine Furcht vor Antisemitismus hatten,<br />
dass offene Queerness fast Panik auslöste,<br />
noch mehr zur Zielscheibe zu werden“,<br />
erzählt Debora Antmann, Kolumnistin,<br />
Autorin und politische Bildnerin, die zu<br />
queer-jüdischer Geschichte forscht.<br />
„Als ich mich Anfang<br />
der 90er geoutet habe,<br />
gab es keine Homoehe,<br />
das waren ganz andere<br />
Zeiten“<br />
Erst Berlin mit seinen verschiedenen<br />
jüdischen Strömungen angehörenden<br />
Synagogen und als Zufluchtsort für die<br />
queere Szene entwickelt sich mit der<br />
Zeit zum Inkubator und schließlich zum<br />
Zentrum für queer-jüdische Strömungen.<br />
„Berlin ist für mich am erträglichsten“,<br />
sagt Antmann. Als queere Person sei die<br />
Hauptstadt für sie ein guter Ort, als Jüdin<br />
sei es schwierig.<br />
Dieses Zwischen-den-Stühlen-Stehen<br />
ist typisch für die Erfahrung von queeren<br />
Jüd*innen in Deutschland. Denn so richtig<br />
wohl hat sich Antmann auch in der queeren<br />
Szene nie gefühlt: „Viele Jüd*innen wie<br />
ich fühlen sich in der LGBTIQ*-Szene nicht<br />
zu Hause, sehr fremd oder manchmal auch<br />
nur ein wenig anders, aber dadurch immer<br />
so ein bisschen off.“ Ein Grund dafür sei<br />
die christliche Dominanzkultur, die es in<br />
Deutschland gebe, auch in nicht-religiösen<br />
Kontexten, erklärt Antmann. „Ein Beispiel<br />
ist die unterschiedliche Gesprächs- und<br />
Problemkultur. In der christlichen<br />
Dominanzkultur gehen wir davon aus,<br />
es gibt ein Richtig und ein Falsch. Ein*e<br />
Autor*in schreibt etwas zu einem<br />
Gedanken und möchte dabei erreichen,<br />
dass die Leser*innen diesen verstehen“,<br />
sagt Antmann. Das sei aus jüdischer<br />
Perspektive eine seltsame Vorstellung, an<br />
Probleme heranzugehen. „Im Judentum<br />
schreibt man einen Text gar nicht erst so,<br />
dass er eine klare Botschaft hat, sondern<br />
so, dass er möglichst viele Fragen aufwirft.<br />
Die Leute sollen unterschiedliche Dinge<br />
verstehen und miteinander ins Gespräch<br />
kommen, um in dieser Reibung Wissen zu<br />
generieren.“<br />
Angetrieben von dem Gefühl, als lesbische<br />
Jüdin in der queeren Szene nicht ganz<br />
dazuzugehören, suchte Antmann nach<br />
den Wurzeln für dieses Gefühl der Fremdheit.<br />
„Und da habe ich festgestellt: Das ist<br />
kein neues Thema, das kennt nur niemand<br />
mehr“, sagt sie. Bei ihrer Forschung stößt<br />
sie auf den lesbisch-feministischen<br />
Schabbeskreis, die erste offen queerjüdische<br />
Bewegung der Nachkriegszeit.<br />
Die Frauen des Schabbeskreises – jüdisch<br />
und nicht-jüdisch – fanden sich 1984<br />
wegen antisemitischer Tendenzen in der<br />
Feministinnenbewegung zusammen. Sie<br />
alle einte das Gefühl, dass die Bewegung<br />
eine Wirklichkeit darstellt, die ihre Perspektive<br />
übersieht. „Es war eine Realität aus<br />
Schweigen, Lücken, Nicht-Erzählen und<br />
Täter-Opfer-Umkehr“, berichtet Antmann.<br />
Schon durch ihre Existenz wird die<br />
Gruppe zur Provokation. Antmann<br />
holt tief Luft und zählt die Vorwürfe<br />
aus der feministischen Szene auf, die<br />
den Frauen vorgeworfen wurden. Der<br />
Schabbeskreis sei gegründet worden,<br />
um anderen ein schlechtes Gewissen
20 Gesellschaft<br />
aufgrund des Holocausts zu machen.<br />
Das Judentum habe eine aggressive<br />
Rachekultur, was nicht mit weiblichen<br />
Perspektiven verbindbar sei. Es sei der<br />
Ursprung des Patriarchats, „was natürlich<br />
richtig absurd ist, denn es heißt ganz<br />
oft, der Nationalsozialismus war eine<br />
Extremform des Patriarchats. Wenn man<br />
das zu Ende denkt, sagt man letztendlich,<br />
dass Jüd*innen selbst schuld wären am<br />
Nationalsozialismus“, sagt Antmann,<br />
hörbar in Rage.<br />
Überrascht von den Reaktionen auf ihr<br />
Auftreten werden die Frauen immer<br />
aktivistischer. Mit angeklebtem Bart<br />
und Schläfenlocken besuchen sie die<br />
Berliner Lesbenwoche, um mit jüdischen<br />
Stereotypen zu brechen, halten Informationsveranstaltungen<br />
ab, bieten Workshops<br />
an. Regelmäßig kracht es, wenn der Name<br />
der Gruppe im Programmheft auftaucht.<br />
Zum Druck von außen kommt noch der<br />
Druck von innen – die Mitglieder sind miteinander<br />
sehr vertraut. „Und irgendwann<br />
ist es dann implodiert“, sagt Antmann. Auf<br />
das Ende des Schabbeskreises 1989 folgt<br />
ein großes Loch in der queer-jüdischen<br />
Identitätsfindung.<br />
Durch die Zuwanderung der Flüchtlinge<br />
aus der Sowjetunion steigt zwar die Zahl<br />
der Jüd*innen in Deutschland und damit<br />
auch die Zahl der queeren Jüd*innen. Doch<br />
die Gruppe hat eigene Sorgen: „Diese<br />
Generation hatte als Thema, hier irgendwie<br />
zurechtzukommen, anzukommen, eine<br />
eigene Identität jenseits von ,den Juden‘<br />
zu finden“, sagt Antmann. Nach und nach<br />
gründen sich vereinzelt Gruppierungen,<br />
bei Organisationen wie dem jüdischen<br />
Feministinnennetzwerk Bet<br />
Debora werden auch queere<br />
Themen mitverhandelt. Yachad als<br />
erste Vereinigung<br />
schwuler, lesbischer und bisexueller<br />
Jüd*innen in Deutschland entsteht, löst<br />
sich aber Ende der 2000er wieder auf. „Ich<br />
denke, damals war die Zeit noch nicht reif“,<br />
sagt Schwartze. Erst in den letzten fünf<br />
Jahren formt sich wieder eine von außen<br />
wahrnehmbare Bewegung. „Wir haben<br />
plötzlich ganz klar sichtbare, fordernde<br />
jüdische Stimmen, die in verschiedene<br />
Richtungen gehen“, sagt Antmann. Die<br />
Generation der Angekommenen, die der<br />
Millennials wolle sich nicht länger mit der<br />
Situation abfinden, sondern sich eigene<br />
Räume erschließen. Auch Antmann hat<br />
eine jüdische FLINT-Gruppe gegründet,<br />
in der sie und andere ihre Erfahrungen als<br />
queere Jüd*innen teilen.<br />
„Wir haben uns das<br />
Ziel gesetzt, queeres<br />
jüdisches Leben sichtbar<br />
und selbstverständlich<br />
zu machen“<br />
ZWEI IDENTITÄTEN, DIE NICHT<br />
ZUEINANDER PASSEN?<br />
In diesem Klima entsteht 2018<br />
Keshet als explizit alle queeren Facetten<br />
einschließender Verein, zum ersten Mal<br />
auch offiziell anerkannt und finanziell<br />
unterstützt vom Zentralrat der Juden.<br />
Die queer-jüdische Gruppierung möchte<br />
einen Raum schaffen für die Bedürfnisse<br />
von LGBTIQ*-Jüd*innen, die bisher oft<br />
übergangen wurden.<br />
„Wir haben uns das Ziel gesetzt, queeres<br />
jüdisches Leben sichtbar und selbstverständlich<br />
zu machen“, erklärt Monty<br />
Ott, der den Verein zusammen mit Leo<br />
Schapiro und Dalia Grinfeld ins Leben rief.<br />
„Ich habe damals in Hannover gelebt und<br />
mir hat es immer an einer Ansprechstation<br />
gefehlt. So geht es, glaube ich, sehr vielen,<br />
die nicht in Berlin leben. In Hannover gab<br />
es keine queer-jüdische Community,<br />
dementsprechend mangelte es an Orten,<br />
wo man darüber sprechen konnte, was<br />
es bedeutet, queer und jüdisch zu sein“,<br />
sagt Ott. Inzwischen hat der Verein über<br />
100 Mitglieder und ist in Berlin, München,<br />
Nordrhein-Westfalen und in der Rhein-<br />
Main-Gegend aktiv. In den vergangenen<br />
drei Jahren hat das Team von Keshet<br />
Veranstaltungen und Workshops organisiert,<br />
Stammtische sowie gemeinsame<br />
Schabbat-Feiern abgehalten und ist beim<br />
CSD mitgelaufen.<br />
Doch Keshet hat auch eine politische<br />
Agenda: „Wir wollen auf die jüdischen<br />
Gemeinden einwirken und ein Bewusstsein<br />
für queere Themen schaffen“, sagt<br />
Friedländer. Ein wichtiger Ansatz sei<br />
dabei die Jugendarbeit: „In den jüdischen<br />
Gemeinden ist die Jugendarbeit, wie<br />
zum Beispiel durch Freizeitfahrten<br />
und Jugendzentren, ein wesentlicher<br />
Bestandteil. Natürlich ist uns wichtig,<br />
in diesen Bereichen Aufklärungsarbeit<br />
zu leisten“, sagt Friedländer. „Denn die<br />
Jugendlichen bekommen dort vermittelt,<br />
ob sich jüdische und queere Identitäten<br />
miteinander verbinden lassen. Wenn aber<br />
queere Themen negiert oder verschwiegen<br />
werden, entsteht das Gefühl, wie es bei<br />
uns damals entstanden ist. Nämlich,<br />
dass dieser Aspekt in diesem Rahmen<br />
nicht erwünscht sei. Deswegen müssen<br />
wir präventiv bei den
Jugendlichen anfangen, um gar nicht erst<br />
den Eindruck zu erwecken, diese Themen<br />
hätten im jüdischen Raum keinen Platz.“<br />
Bei Keshet können queere Jüd*innen<br />
so sein, wie sie sind. „Ich habe meine<br />
religiöse und meine queere Identität<br />
immer voneinander abgespalten. Es<br />
waren zwei unterschiedliche Rollen, die<br />
nicht zueinander zu passen schienen“,<br />
erzählt Friedländer. Er ist seit 2019 bei der<br />
Keshet-Gruppe in Nordrhein-Westfalen<br />
aktiv. „Ich hatte Schwierigkeiten, das<br />
Religiöse mit dem Queeren zu verbinden“,<br />
erklärt er. Bei Keshet sei das anders. „Ein<br />
Schlüsselmoment war, als ich mich fragte:<br />
,Rede ich jetzt mit einer jüdischen oder mit<br />
einer queeren Person? Ach stimmt, sowohl<br />
als auch.‘“<br />
Am Anfang kam es dem Anwalt sogar<br />
komisch vor, seine beiden Identitäten<br />
miteinander zu verbinden. „Sonst habe ich<br />
mit andern Juden beispielsweise über die<br />
Vorbereitung von Festtagen gesprochen,<br />
also über religiöse, kulturelle Dinge, aber<br />
nicht, welchen Mann ich sexy finde“, sagt<br />
Friedländer. In seiner Gemeinde spielte<br />
Homosexualität keine Rolle: „Wenn niemand<br />
etwas hören will, erzählt man auch<br />
niemanden etwas davon. Es ist nicht so,<br />
dass ich etwas verheimlicht habe, aber es<br />
ist einfach kein Thema“, sagt Friedländer.<br />
Auch in anderen Religionen wie dem<br />
Christentum sind queere Gläubige oft<br />
nicht sichtbar oder, schlimmer noch,<br />
werden ausgeschlossen. So verbot Papst<br />
Franziskus nach einem zunächst scheinbar<br />
wohlwollenden Umgang mit Homosexualität<br />
im <strong>März</strong> dieses Jahres die Segnung<br />
homosexueller Paare. Auch im Judentum<br />
gibt es kritische Stimmen gegen Homosexualität,<br />
vor allem aus orthodoxen Gemeinden.<br />
„Je konservativer, je traditioneller, je<br />
dogmatischer die Ausgangsquelle, bei uns<br />
die Tora, ausgelegt wird, desto weniger<br />
Raum gibt es für queere Identitäten. So<br />
ist es in vielen Religionen, im Judentum<br />
genauso wie im Christentum oder im<br />
Islam“, sagt Friedländer. Im Judentum gibt<br />
es viele verschiedene Strömungen, die<br />
größten sind die orthodoxe, die konservative<br />
und die liberale. Die meisten<br />
Gemeinden in Deutschland<br />
werden orthodox geführt.<br />
„Deswegen spielen queere<br />
Themen oft keine Rolle“,<br />
erklärt Friedländer. Doch<br />
immer häufiger gründen<br />
sich liberale Gemeinden.<br />
„Dort wird die queere<br />
Identität als selbstverständlich<br />
angenommen, da gibt es auch queere<br />
Rabbiner*innen“, sagt Friedländer.<br />
„Ich würde schon sagen, dass es von den<br />
Strömungen abhängig ist, wie queere<br />
Themen aufgenommen werden. Aber<br />
es kommt auch auf den Ort an“, sagt<br />
Schwartze. Als Beispiel nennt sie die<br />
David Friedländer<br />
„Wir erwarten nicht,<br />
dass jetzt jeder orthodoxe<br />
Rabbiner queere<br />
Trauungen vornimmt.<br />
Das wäre natürlich toll,<br />
ist aber unrealistisch“<br />
Berliner Gemeinde Fraenkelufer. Dort werden<br />
zwar Gottesdienste nach orthodoxem<br />
Ritus abgehalten, doch die Gemeinde<br />
„ist ein offener Ort für Queers, da findet<br />
ganz viel statt.“ So wird dort 2019 der<br />
erste deutsche Pride Shabbat in einer<br />
konservativen Gemeinde gefeiert. Bei dem<br />
gemeinsam zelebrierten letzten Tag der<br />
Woche gab es ein rituelles Abendessen, mit<br />
Liedern, Lesungen aus der Tora und natürlich<br />
Regenbogenflaggen mit Davidsternen.<br />
„Die Regenbogenflaggen sollen ein Zeichen<br />
setzen, sind aber nicht der Hauptunterschied<br />
zu einem normalen Shabbat. Was<br />
einen Pride Shabbat ausmacht, sind die<br />
Menschen, die einen gemeinsamen Wertekanon<br />
leben und queeren Personen einen<br />
Safe Space geben. Wir wollen allen das<br />
Gefühl vermitteln, hier willkommen zu sein.<br />
Insbesondere denjenigen, die sonst nicht<br />
zum Shabbat gehen, weil sie sich nicht<br />
angenommen fühlen“, sagt Friedländer.<br />
SECHS GESCHLECHTER IM TALMUD<br />
Wie so vieles im Judentum ist die<br />
Integration von queeren<br />
Lebensmodellen und Gläubigen<br />
vor allem Auslegungssache.<br />
Zwar stellt der Talmud als eine der<br />
wichtigsten jüdischen Schriften,<br />
die viele Glaubensregeln<br />
auslegt, sexuelle Handlungen<br />
abseits der Ehe als Sünde dar. Aber es<br />
gibt kein Dogma im Judentum, keine<br />
Perspektive ist unfehlbar, wie es etwa<br />
in der katholischen Kirche die Meinung<br />
des Papsts ist. Wissen entsteht durch<br />
Diskussion. „Das Judentum verlangt von<br />
sich selbst eine gewisse Dynamik und<br />
Pluralität ab“, sagt Antmann. „Wir lesen<br />
Gesellschaft 21<br />
jedes Jahr die Tora, weil die Annahme<br />
ist, dass wir niemals den gleichen Text<br />
lesen.“ Abhängig davon, wer wo und wann<br />
den Text lese, verändere sich dessen<br />
Bedeutung. Die Auslegungen erlauben es,<br />
dass die jahrtausendealte Religion immer<br />
neue Perspektiven einnehme. Antmann<br />
glaubt, dass sich so auch Torapassagen<br />
wie Levitikus 18.22 erklären lassen. Darin<br />
heißt es: „Du darfst nicht mit einem<br />
Mann schlafen, wie man mit einer Frau<br />
schläft; das wäre ein Gräuel.“ Dabei könne<br />
es zum Beispiel um verschiedene Herrschaftsverhältnisse<br />
gegangen sein oder<br />
um eine gerechte Ressourcenverteilung.<br />
Im Gegensatz zu solchen Textpassagen,<br />
die sich durch das Alte Testament auch<br />
in der Bibel finden lassen und noch<br />
immer stark diskutiert werden, sind<br />
die religiösen Bücher im Judentum in<br />
anderen Abschnitten deutlich offener für<br />
queere Perspektiven. „Im Judentum hat<br />
man festgestellt, dass es mit Geschlecht<br />
ein bisschen komplizierter ist“, erzählt<br />
Antmann. Im Talmud tauchen neben<br />
den als cis-männlich und cis-weiblich<br />
interpretierten Geschlechtern noch vier<br />
weitere Geschlechter oder Geschlechtsvariationen<br />
auf. Sie weisen ein eigenes<br />
Selbstverständnis und körperliche Merkmale<br />
auf, die möglicherweise trans* oder<br />
inter* Personen repräsentieren könnten.<br />
Während bei einigen Gemeinden diese<br />
Auslegung schon angekommen ist, wird<br />
es in anderen wohl noch ein langer Weg<br />
sein, bis queere Jüd*innen vollständig<br />
akzeptiert sind. Aber darum geht es auch<br />
nicht unbedingt. „Wir erwarten nicht, dass<br />
jetzt jeder orthodoxe Rabbiner queere<br />
Trauungen vornimmt. Das wäre natürlich<br />
toll, ist aber unrealistisch“, sagt David<br />
Friedländer. „Aber bei den zahlreichen<br />
Diskussionen, die das Judentum immer<br />
wieder mit sich selbst führt, wollen wir<br />
ein Faktor sein.“ Sodass irgendwann alle<br />
queeren Jüd*innen ernst genommen,<br />
mitgedacht, einbezogen werden – sowohl<br />
in den jüdischen Gemeinschaften als<br />
auch in den queeren Communitys.<br />
*Astrid Benölken und Tobias Zuttmann
22 Kultur<br />
NACHGEFRAGT<br />
MARCUS UND SERGEJ,<br />
Schauspieler, Podcaster und Blogger<br />
„Kunst oder Kotze?!“ heißt eines ihrer Projekte auf Social Media.<br />
Die beiden staatlich ausgebildeten Schauspieler beschäftigen<br />
sich dort immer gerne mit aktuellen queer-popkulturellen Phänomenen.<br />
Ebenfalls äußerst unterhaltsam ist der Podcast „Boys and the<br />
City“ der zwei Queers, hier widmen sich die beiden Kölner all den<br />
legendären Folgen von „Sex and the City“, dem Vorgänger von „And<br />
Just Like That…“ Für uns nahmen sich die zwei Zeit für einen Chat.<br />
Diese Frage muss sein:<br />
Wer hatte warum die<br />
Idee zu „Kunst oder<br />
Kotze?!“<br />
Sergej: Der unbändige<br />
Wunsch nach Fame hat uns<br />
da hingebracht! Aber Spaß<br />
beiseite: Wir hatten ja schon<br />
einen Podcast, den „Sex and<br />
the City“-Podcast „Boys and<br />
the City“, und haben auf der<br />
Suche nach Unterstützung für<br />
das Projekt die Jungs von PTO<br />
Media kennengelernt, die vorher<br />
schon den Podcast „schwanz &<br />
ehrlich“ gemacht hatten.<br />
Marcus: Und von denen kam dann<br />
die Idee: „Macht doch noch was<br />
anderes, womit ihr vielleicht auch<br />
noch mehr Menschen erreichen<br />
könnt, wie wär’s mit dem Thema<br />
Popkultur?“ Bei dem Wort wurden<br />
vor allem bei mir direkt die Augen<br />
ganz groß. Und dann haben wir alle<br />
gemeinsam Stück für Stück das<br />
Konzept zu „Kunst oder Kotze“<br />
erarbeitet.<br />
Und zu „Boys and the City“?<br />
Marcus: Das war im wahrsten Sinne<br />
des Wortes eine Schnapsidee! Sergej<br />
und ich haben uns vor eineinhalb<br />
Jahren kennengelernt und gleich<br />
gemerkt, dass da im Gespräch eine<br />
besondere Connection besteht. Als<br />
dann der erste Corona-Winter kam<br />
und damit für uns freischaffende<br />
Schauspieler*innen das große<br />
Nichtstun, haben wir uns eines<br />
Abends zusammengesetzt mit dem<br />
festen Vorsatz, uns eine Idee für ein<br />
gemeinsames Projekt auszudenken.<br />
Sergej hat dann eben Sekt mitgebracht<br />
...<br />
Sergej: Und nach zwei Flaschen<br />
war unser Baby „Boys and the City“<br />
geboren! Marcus ist schon ewig ein<br />
riesiger „Sex and the City“-Fan und<br />
ich hatte noch nie eine Minute davon<br />
gesehen, mir aber schon immer<br />
gedacht, dass ich dazu einen guten<br />
Zugang haben würde. Und so entstand<br />
das Konzept: Ich, die „Virgin“,<br />
schaue SATC zum ersten Mal und<br />
Marcus begleitet das als „Sexperte“<br />
und dann sprechen wir über unsere<br />
Erfahrungen dabei. Als wir dann<br />
festgestellt haben, dass das vor uns<br />
auf Deutsch noch niemand gemacht<br />
hatte, war die Sache klar!<br />
Betrachtet ihr „And Just<br />
Like That…“ mit Freude oder<br />
Bauchschmerzen?<br />
Sergej: Nun ja, ich bin ja die<br />
SATC-Virgin und noch immer nicht<br />
ganz entjungfert. Wir sind ja bei der<br />
Besprechung der Folgen erst mitten<br />
in der dritten Staffel. Das heißt, ich<br />
darf es noch gar nicht gucken, um<br />
nicht gespoilert zu werden. Aber<br />
ich freue mich total drauf, wenn es<br />
endlich so weit ist für mich!<br />
Marcus: Ich werde natürlich gleich<br />
am Starttermin loslegen mit „And<br />
Just Like That…“. Und ich freue mich<br />
total. Ich hätte nie damit gerechnet,<br />
dass es mit der Serie noch mal<br />
weitergeht, und jetzt wird es wahr,<br />
ich kann es kaum glauben. Klar, die<br />
Show hat große Fußstapfen zu füllen<br />
und Kim Cattrall als Samantha ist<br />
ja nicht mehr mit dabei, das könnte<br />
schon schwierig werden. Aber ich<br />
bin da optimistisch und hoffe ganz<br />
stark, dass sie die Serie vor allem was<br />
den Diskurs zu Themen wie sexuelle<br />
Identitäten und #MeToo angeht ins<br />
Jahr 2021 holen.<br />
Hatte Corona starken Einfluss<br />
auf die Entstehung eurer<br />
Podcasts? Oder hättet ihr auch<br />
ohne Pandemie losgelegt?<br />
Sergej: Corona war und ist ja für uns<br />
alle eine Herausforderung, aber wir<br />
wollten unsere kreative Energie, die<br />
sich durch die Pandemie ein bisschen
Kultur 23<br />
aufgestaut hat, unbedingt nutzen und haben sie deshalb<br />
in die zwei Projekte gesteckt. Und jetzt gehen wir in dieser<br />
neuen Rolle als Podcaster auch total auf!<br />
Marcus: Ich glaube, man kann schon sagen, dass es die Projekte<br />
ohne Corona nicht geben würde. Ich hätte mir zwischen<br />
den Theaterengagements niemals die Zeit genommen, so ein<br />
völlig anderes Projekt selbst aufzuziehen. Aber über diesen<br />
einen Aspekt der Pandemie bin ich echt froh, dass sie mich<br />
dazu gebracht hat, etwas Eigenes zu machen.<br />
Wie entsteht eine Ausgabe eines Podcasts bei euch?<br />
Sergej: Ein Thema für „Kunst oder Kotze“ zu finden und uns<br />
zu einigen, ist eigentlich nie schwer, weil wir schon sehr auf<br />
einer Wellenlänge schwingen. Wir beschäftigen uns auch<br />
in unserer Freizeit ständig mit Popkultur und schicken uns<br />
ständig Links mit News und Neuerscheinungen hin und her,<br />
das Gespräch reißt nie ab. Und wenn wir uns dann entschieden<br />
haben, schlachten wir jeden Winkel eines Themas aus,<br />
machen uns tausend Notizen und tragen das dann bei der<br />
wöchentlichen Aufnahme zusammen.<br />
Marcus: Und bei „Boys“ nehmen wir uns ja pro Episode eine<br />
Folge SATC vor, da ist das Thema ja quasi vorgegeben. Wir<br />
bereiten uns dann so vor, dass wir in der Lage sind, bei der<br />
Aufnahme den Inhalt jeweils kurz und knackig wiederzugeben.<br />
Außerdem bringt jeder immer ein paar Punkte mit,<br />
über die er gerne diskutieren möchte: Bigs neusten Fauxpas<br />
gegenüber Carrie zum Beispiel oder wie schlimm die Serie in<br />
den 90ern bisexuelle Menschen charakterisiert. Obendrein<br />
überlegen wir uns beide immer noch die ein oder andere<br />
Anekdote aus unserem Privatleben, mit der wir das Gespräch<br />
garnieren können. Und dann ist die Stunde Podcast auch<br />
schon voll!<br />
NUR<br />
14<br />
Cent/ Min.<br />
GAYBOYS<br />
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RUF AN!<br />
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MÄNNER KENNEN<br />
0180 50 96 97 98*<br />
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*Interview: Michael Rädel<br />
www.instagram.com/kunstoderkotze<br />
FOTO: M. PLENGEMEYER
24 Kultur<br />
FERNSEHEN<br />
„CLUB LAS PIRANJAS“ –<br />
Hape dreht wieder auf<br />
Keine Woche ohne neues Projekt<br />
von Herrn Kerkeling. Die Fanherzen<br />
schlagen schneller, der Hape begeistert.<br />
Jetzt wird sein Klassiker „Club<br />
Las Piranjas“ in einer gleichnamigen<br />
Mini-Serie fortgesetzt. Auf RTL+.<br />
FOTO: RTL / BORIS BREUER<br />
Hape Kerkeling:<br />
„Ich freue mich riesig auf die<br />
Zusammenarbeit mit Regisseur Sven<br />
Unterwaldt und ein Wiedersehen mit<br />
den großartigen Schauspielerinnen<br />
Angelika Milster und Judy Winter. Wer<br />
noch alles dabei sein wird, verrate ich<br />
nicht. Nur so viel: Es wird ein Knaller!“<br />
Über die vierteilige Serie wird via E-Mail<br />
verraten: „Edwin Öttel (Hape Kerkeling)<br />
hat im Leben nicht wirklich viel richtig<br />
gemacht – dafür aber einiges falsch.<br />
Auch seine Karriere als Animateur<br />
hat er eigentlich längst an den Nagel<br />
gehängt. Doch als er plötzlich von<br />
der Vergangenheit eingeholt und auf<br />
geheime Mission entsandt wird, begibt<br />
sich die ehemalige Animateurs-Legende<br />
wieder ins Urlaubsparadies, wo nicht nur<br />
nervige Pauschaltouristen warten.“ Der<br />
voraussichtliche Produktionsbeginn ist<br />
Anfang <strong>2022</strong>, die Ausstrahlung ist für<br />
Ende <strong>2022</strong> auf RTL+ und später bei RTL<br />
geplant. Hape, wir freuen uns!<br />
Über Hape Kerkeling: Der am 9. Dezember<br />
1964 in Recklinghausen geborene<br />
Queer ist ohne Frage der bekannteste<br />
Komiker (Horst Schlämmer) und TV-<br />
Moderator Deutschlands. Der Buchautor<br />
(„Ich bin dann mal weg“, „Der Junge<br />
muss an die frische Luft“ ...), Gelegenheitstransvestit<br />
(Uschi Blum, eine Art<br />
Parodie auf Andrea Berg) und Pilger wird<br />
von (fast) allen gemocht. Gut zu wissen:<br />
Hape mag unter anderem die Musik von<br />
Boney M. und Katzen! *rä<br />
TRAVESTIE<br />
Bunter ist das Leben schöner<br />
Schon immer unterstützen wir Dragqueens<br />
und Menschen, die das binäre<br />
System durchrütteln. So auch die US-Diva<br />
Bianca Del Rio, die für zwei Termine nach<br />
Deutschland kommt und in Hamburg und<br />
Berlin queer-bunte Station machen wird.<br />
Im Sommer <strong>2022</strong> wird Amerikas lustigster<br />
Drag-Superstar im Rahmen ihrer „Unsanitized<br />
Comedy Tour“ (frei übersetzt in<br />
etwa „nicht gesäubert/ungeschönt“) durch<br />
Europa endlich auch wieder in Deutschland<br />
live zu erleben sein: Mit ihrem herrlich<br />
unverschämten wie politisch unkorrekten<br />
Humor wird sie ihren Fans am 7. Juni <strong>2022</strong><br />
in der Hamburger Friedrich-Ebert-Halle und<br />
am 18. Juni <strong>2022</strong> im Admiralspalast in Berlin<br />
die Schamesröte ins Gesicht treiben. Die<br />
beliebte Komikerin und Schauspielerin, die<br />
früher als Roy Haylock bekannt war, tauchte<br />
Mitte der 1990er in den Nachtklubs von<br />
New Orleans auf und hat sich seither zu<br />
einem echten Drag-Megastar entwickelt,<br />
der auch schauspielert. Wir sind Fan! *pm/rä<br />
www.thebiancadelrio.com<br />
LESETIPP<br />
Gökhan Göksen: „Quittenbäume“<br />
Ein Buch über die Liebe, ein queeres<br />
Buch, das ganz wunderbar unterhält.<br />
„Wir wissen nicht, wann es passiert,<br />
doch wenn die Liebe uns trifft, sind wir<br />
am Zug, die Wahrheit auszusprechen“.<br />
In seinem Roman „Quittenbäume“<br />
erzählt Gökhan Göksen, geboren<br />
1978 in Hamburg, die Geschichte von<br />
Matthias, einem Jungen, der seine erste<br />
Liebe verliert.<br />
Seine sonst so sichere Welt, bestehend<br />
aus einer intakten Familie, einem schönen<br />
Zuhause, guten Schulnoten, gerät ins<br />
Wanken. Noch bevor er das Abitur erreicht,<br />
verliert er den Glauben daran, dass das<br />
Leben schön sein kann. Doch in einer<br />
Freistunde auf dem Schulhof lächelt ihn das<br />
Glück an und er versucht es festzuhalten.<br />
Eine anrührende Geschichte über die Liebe,<br />
die so uneindeutig sein kann, beginnt ... Der<br />
Autor Gökhan Göksen lebt in Zürich, tanzt,<br />
malt Bilder und fotografiert. „Quittenbäume“<br />
ist sein erster Roman.<br />
sixthkyu.com
Kultur 25<br />
TOUR<br />
Gesamtkunstwerk<br />
SASHA VELOUR<br />
Die Gewinnerin der 9. Staffel des<br />
preisgekrönten US-Hits „RuPaul’s<br />
Drag Race“ kommt erstmalig auf Tour<br />
nach Deutschland.<br />
Das multidimensionale Gesamtkunstwerk<br />
Sasha Velour vereint genderfluide<br />
Dragqueen, Theaterstar, Schauspielerin,<br />
Creative Director und preisgekrönte<br />
TV-Produzentin in einer Person. Als<br />
Gründerin des „House Of Velour“ machte<br />
sie sich mit der Produktion von Theaterstücken,<br />
Serien, Filmen, Charity-Events,<br />
Merchandise, Grafik und Fotografie einen<br />
internationalen Namen. Der Durchbruch<br />
gelingt ihr, als sie aus der neunten Staffel<br />
der preisgekrönten US-Serie „RuPaul’s<br />
Drag Race“ als Siegerin hervorging und<br />
ihr mit Rosenblättern gefüllter Lip-Sync<br />
Auftritt im Staffelfinale von der amerikanischen<br />
„Entertainment Weekly“ als „TV’s<br />
Best Musical Moments on Television“<br />
einen legendären Status erreicht.<br />
Seitdem bereiste sie alle fünf Kontinente<br />
für ihre Performances.<br />
In über neunzig Minuten lässt uns<br />
Sasha Velour in eine autobiografische<br />
Fantasiewelt mit faszinierenden Visuals<br />
und atemberaubenden Überraschungen<br />
abtauchen. Von Velour konzeptioniert<br />
und mit einer nie da gewesenen<br />
Akribie performt, ist jede Sekunde dieser<br />
Produktion unvergesslich. Musikalisch<br />
untermalt mit Songs von Judy Garland<br />
bis Le Tigre, ergänzt mit Hits von Whitney<br />
Houston und Sia.<br />
Sasha Velour „Smoke & Mirrors“,<br />
31.1.<strong>2022</strong> Hamburg: Laeiszhalle – großer<br />
Saal, 20 Uhr, 23.2.<strong>2022</strong> Köln: Musical<br />
Dome, 20 Uhr, 14. und 15.3.<strong>2022</strong><br />
Berlin: Admiralspalast, 20 Uhr
26 KLUBWELT<br />
UNDERGROUND<br />
Voll queer: Asbjørns „Be Human“<br />
FOTO: JOHANNA HVIDTVED<br />
Sich selbst bezeichnet der<br />
Däne als „danish pop-kid with<br />
a relentless urge to dance“.<br />
Wir sehen in ihm vor allem den<br />
Musiker und LGBTIQ*-Aktivisten, der sich<br />
in seiner Musik und in seinen Videos für<br />
queere Sichtbarkeit und die Community<br />
einsetzt. Und jetzt hat er ein neues Lied<br />
am Start: „Be Human“.<br />
Es sei eine queere Hymne, die der Szene<br />
Kraft geben soll. „Ich bin sehr dankbar für<br />
die Aufmerksamkeit, die meine queeren<br />
Kolleg*innen und ich während der Pride<br />
in den Mainstream-Medien erhalten<br />
haben. Aber die queere Jugend braucht<br />
nicht nur einmal im Jahr öffentliche<br />
Vertreter*innen. Sie brauchen jeden Tag<br />
Unterstützung, damit niemand mit dem<br />
Gefühl aufwächst, in unserer Gesellschaft<br />
falsch zu sein“, so Asbjørn, der ergänzt:<br />
„Ich hätte in meiner Kindheit definitiv<br />
jemanden wie mich gebraucht, eine<br />
Person, zu der ich aufschauen hätte<br />
können.“<br />
Über das kommende Album „BOYOLOGY“<br />
des Wahlberliners ist vorab zu erfahren,<br />
dass es von einer unerwiderten Liebe<br />
inspiriert ist. „Ich habe mich immer für<br />
einen geborenen Gender-Bender gehalten,<br />
aber plötzlich sah ich, wie ich auf Herzschmerz<br />
reagierte, indem ich ihn auf diese<br />
superstereotypische Art und Weise unterdrückte.<br />
Das Album beschäftigt sich mit<br />
dieser Problematik sowohl anhand meiner<br />
eigenen Erfahrungen als auch allgemein<br />
gesprochen; ich möchte diese unsichtbaren<br />
Erwartungen in der Gesellschaft und<br />
der Popkultur debattieren, was ein Mann<br />
sein sollte oder nicht sein sollte.“ *rä<br />
www.asbjornmusic.com<br />
FOTO: WOELLER PHOTOGRAPHY<br />
TECHNO<br />
Sven Väth: „Catharsis“<br />
Mitunter ist eine Katharsis notwendig, die Reinigung der Seele (nach Aristoteles),<br />
die psychische Reinigung durch Ausleben innerer Konflikte und verdrängter<br />
Aggressionen und Emotionen (so die Psychologie). Gut, dass man als Künstler dazu die<br />
Musik benutzen kann!<br />
Ende <strong>Februar</strong> können wir diese Reinigung,<br />
diese musikalisch umgesetzte Verbesserung<br />
des Ichs von Sven Väth anhören,<br />
denn dann erscheint mit „Catharsis“ sein<br />
erstes Soloalbum seit fast zwei Jahrzehnten,<br />
auf Vinyl, CD und natürlich digital.<br />
Herausgekommen ist ein sehr<br />
abwechslungsreiches und zum Tanzen<br />
animierendes Werk, das sowohl in den<br />
Klubs funktionieren würde als auch beim<br />
Hören zu Hause. Vor allem über Kopfhörer<br />
entfaltet sich ein technoider Kosmos, der<br />
jede Zukunftsangst und etwaigen Beziehungs-<br />
oder Kollegenfrust wegballert. Es<br />
geht auf „Catharsis“ aber nicht nur zur<br />
Sache, auch Chill-out-Momente sind<br />
dank seiner Kompositionen möglich. Eine<br />
musikalische Achterbahnfahrt, die einen<br />
schnell aus dem Alltag entführt und viel<br />
gute Lebensenergie spendet. Eine Einladung<br />
zum Austanzen aller verdrängten<br />
Sche*ße, die einen belastet, eine von<br />
der Musik unterstützte Katharsis auf der<br />
Tanzfläche oder im Homeoffice, in der WG<br />
oder im Loft. Fett! Unsere Anspieltipps<br />
sind „Mystic Voices“, „The Cranes of<br />
Gangtey Valley“ sowie „Being in Love“ und<br />
„Feiern“. *rä
KLUBWELT 27<br />
DISCO<br />
Purple Disco Machine<br />
macht süchtig<br />
Ganz entspannt beginnt Purple Disco Machines<br />
„Exotica“, das im <strong>März</strong> mit Bonustracks erscheinen<br />
wird. Das erste Lied „Can’t Get Enough“ erinnert ein bisschen<br />
an Munich Machine, Donna Summer und Giorgio<br />
Moroder, kopiert diese jedoch in keiner Weise, sondern<br />
entwickelt etwas Funkiges, dann doch wieder Space-<br />
Discoides aus den Zutaten, die ein Lied eben braucht,<br />
um Disco zu sein. Der mal sanfte, dann wieder fordernde<br />
Gesang von Sahara Beck dazu macht den Opener mit<br />
seinem Breakdance-Break dann auch zu einem ersten<br />
Höhepunkt des Albums.<br />
Für unsere Praxis an der Grindelallee<br />
suchen wir eine/n<br />
Medizinische Fachangestellte (m/w/d)<br />
Vollzeit<br />
Wir wünschen uns von Ihnen:<br />
• eine abgeschlossene Ausbildung<br />
zur/zum MFA<br />
• gute PC-Kenntnisse<br />
• freundliches und sicheres Auftreten,<br />
Engagement und Teamfähigkeit<br />
Mitarbeiter Empfang (m/w/d)<br />
Vollzeit<br />
Lied Nummer zwei „At the Disko“ (mit k) ist eine<br />
Zusammenarbeit mit Lorenz Rhode und lässt den<br />
Hörer nur schwer still sitzen. Zu lockend sind die Beats<br />
und die Vocoder-Gesangseinlagen, die zusammen<br />
mit aufpeitschenden Pianoklängen auf die Tanzfläche<br />
ziehen. Weitere Highlights sind der Charthit „Fireworks<br />
(feat. Moss Kena & The Knocks)“ und der Übererfolg<br />
zusammen mit Sophie and the Giants namens „Hypnotized“.<br />
Weitere Anspieltipps sind das soulige „Hands<br />
to the Sky (feat. Fiorious & House Gospel Choir“, das<br />
elektrisierende „Dopamine (feat. Eyelar)“ und das<br />
schräge „Exotica (feat. Mind Enterprises)“, letzteres<br />
Projekt hat gerade mit Kungs und dem 2021er-Remake<br />
von „Idol“ einen Chart-Erfolg: „Never Going Home“. Ein<br />
Album, das süchtig macht. Ganz großes Kino! *rä<br />
Wir wünschen uns von Ihnen:<br />
• eine abgeschlossene kaufmännische<br />
oder medizinische Ausbildung<br />
• gute PC-Kenntnisse<br />
• gute Englischkenntnisse<br />
• freundliches und sicheres Auftreten,<br />
Engagement und Teamfähigkeit<br />
Es erwartet Sie:<br />
• eine interessante, abwechslungsreiche<br />
und verantwortungsvolle Tätigkeit<br />
• leistungsgerechte Bezahlung und<br />
zusätzliche Leistungen<br />
• gut planbare Dienstzeiten ohne<br />
Schicht- und Bereitschaftsdienst<br />
• Arbeiten in einem netten und<br />
aufgeschlossenen Team<br />
Wenn wir Ihr Interesse geweckt haben,<br />
bewerben Sie sich bitte idealerweise per E-Mail.<br />
Ansprechpartner für Sie ist<br />
Enno Fenske-Burmester<br />
(burmester@ich-hamburg.de).<br />
Dr. med. Thomas Buhk<br />
Dr. med. Stefan Fenske<br />
Prof. Dr. med. Hans-Jürgen Stellbrink<br />
Grindelallee 35 • 20146 Hamburg<br />
www.ich-hamburg-stendal.de
28 Style<br />
MODE<br />
Nachhaltig, ethisch und warm<br />
Nachdem der letzte Winter dann doch überraschend kalt, schneereich und<br />
lange war, denkt manch einer nun eher fröstelnd an die an die Tür klopfende<br />
kalte Jahreszeit. Du musst dir aber keine Sorgen machen, auch für (eigentlich<br />
normal kalte) winterliche Tage haben wir etwas für dich. Und zwar vom<br />
1879 gegründeten Traditionsunternehmen Dale of Norway, das seit 1954 das<br />
norwegische Ski-Nationalteam zur Winterolympiade mit seinen langlebigen<br />
Wollpullovern ausstattet. Im Angebot haben die Skandinavier aber auch<br />
Unterwäscheteile, Mützen, Schals und Handschuhe, handgefertigt und mit<br />
Ökostrom produziert aus Wollen von ethisch gehaltenen Tieren wie den frei<br />
lebenden norwegischen Fjordschafen. Daumen rauf! *rä<br />
daleofnorway.de<br />
DESIGN<br />
Wie auf dem erotischen<br />
Präsentierteller<br />
Die angebrochene Packung Kaugummis, das kleine Handdesinfektionsmittel<br />
oder auch der „geklaute“ Zucker aus dem Café<br />
um die Ecke, manchmal weiß man nicht, wohin mit dem Kram.<br />
Und verloren gehen soll ja auch nichts …<br />
Die Jungs von Peachy Kings haben jetzt etwas Nützliches am<br />
Start: ein Tablett. Ja, klingt nach Spießbürgertum, ist aber dann<br />
doch praktisch und überzeugt auch optisch mit einem queeren<br />
Grafikreigen, der dein Auge erfreuen wird – und auch<br />
(gerade!) in sonst minimalistisch eingerichtete Wohnungen<br />
hervorragend passt und seine wenig subtile Wirkung<br />
entfaltet. Das „Tom of Finland Tin Tray“ ist ca. 26 x 16 cm<br />
groß und vereint eine erotische, nicht zu derbe Auswahl<br />
an Bildern von Tom of Finland. Eine kleine und sexy<br />
Organisationshilfe für deine Wohnung: „Ideal für Bargeld,<br />
Schlüssel, einen Snack und PERFEKT als Rolltablett für<br />
Tabak oder Gr*s“, so das queere Team des Shops. Ähem.<br />
Und vor allem sei es robust und spülmaschinenfest. *rä<br />
www.peachykings.com
MODE<br />
Aus LEIDENSCHAFT<br />
für die Kunst<br />
Style 29<br />
Gummi, Nippel, Brusthaar und pure Provokation?!<br />
Das Avantgarde-Modelabel KURT<br />
PRYNNE haben wir dir schon mehrmals<br />
ans Herz gelegt, auch bei dieser Fotostrecke<br />
konnten wir nicht Nein sagen,<br />
ist sie doch eine durchaus provokante<br />
Zusammenarbeit mit dem 1995 geborenen<br />
niederländischen Künstler Dirk<br />
Vaessen. Der Name der Bilderstrecke ist<br />
„KURT MOTEL“ – und die hier gezeigte<br />
Mode scheint durchaus tauglich zu sein<br />
für Künstler wie Joko Koma oder Maria<br />
Psycho.<br />
Sowohl die Head Pieces als auch alle<br />
von ihm geschaffenen Objekte wollen<br />
Stereotypen, Regeln, Identitäten, das<br />
Spiel mit Charakteren, Rollen und<br />
Sexualität hinterfragen. Die Bilder und<br />
die Mode wollen ausdrücken, dass wir<br />
letztendlich doch alle auf der ständigen<br />
Suche nach unserem wahren Selbst<br />
seien. *rä<br />
www.kurtprynne.com,<br />
www.dirkvaessen.com<br />
FOTOS: EMMA HOOGSTEDE<br />
QUIT<br />
TEN<br />
BÄU<br />
UIT<br />
EN<br />
BÄU<br />
M E<br />
ME<br />
GÖKHAN GÖKSEN<br />
SIXTHKYU<br />
Wir wissen nicht,<br />
wann es passiert, doch wenn<br />
die Liebe uns trifft, sind wir<br />
am Zug, die Wahrheit<br />
auszusprechen.<br />
GÖKHAN GÖKSEN<br />
QUITTENBÄUME<br />
In seinem Roman »Quittenbäume« erzählt Gökhan Göksen die<br />
Geschichte von Matthias, einem Jungen, der seine erste Liebe verliert.<br />
Seine sonst so sichere Welt, bestehend aus einer intakten Familie,<br />
einem schönen Zuhause, guten Schulnoten, gerät ins Wanken.<br />
Noch bevor er das Abitur erreicht, verliert er den Glauben daran,<br />
dass das Leben schön sein kann. In einer Freistunde auf dem<br />
Schulhof lächelt ihn das Glück an und er versucht es<br />
festzuhalten. Eine anrührende Geschichte über die Liebe,<br />
die so uneindeutig sein kann, beginnt.<br />
Jetzt als<br />
Taschenbuch<br />
und E-Book<br />
erhältlich.<br />
252 Seiten, 12x19 cm, broschiert<br />
EUR 12,80 (D/AT) / CHF 15,90 (CH)<br />
Taschenbuch: ISBN 978-3-9525522-0-9<br />
E-Book: ISBN 978-3-9525522-1-6<br />
www.sixthkyu.com<br />
SIXTHKYU
30 Style<br />
FOTO: MARTIN SMOLKA<br />
MODE<br />
Stil mit Maß<br />
Beständigkeit statt hastiger Trendjagd, solides Handwerk<br />
statt schneller Nadel, Evolution statt Revolution.<br />
Hamburgs Traditionsherrenausstatter Ladage & Oelke hat<br />
Nachhaltigkeit schon als Geschäftsmodell gepflegt, als es<br />
die heute dominierenden und in so vielen Bereichen völlig<br />
entgrenzten Modediscounterketten noch nicht einmal gab.<br />
FOTO: DIANA FROHMÜLLER PHOTOGRAPHY<br />
FOTO: MARTIN SMOLKA<br />
Seit jeher gehört zum Selbstverständnis des Hauses<br />
die individuelle Anpassung zur Perfektionierung des<br />
jeweils gewünschten Stils als Grundpfeiler einer langen<br />
Nutzungsdauer als Lieblingsstück aus dem Kleiderschrank.<br />
Maßkonfektion ist eine der Fertigungstechniken, die Vorteile<br />
aus Industrialisierung und Handwerk kombiniert. Ladage &<br />
Oelke erklärt das Konzept gegenüber <strong>hinnerk</strong>: „Wir sind seit<br />
Jahrzehnten Spezialist für Premium Herren-Maßkonfektion.<br />
Bis zu den 1980er Jahren haben wir rein Vollmaßanfertigung<br />
genäht, danach umgestellt auf Maßkonfektion mit Partnern<br />
wie Scabal oder Eduard Dressler. Unsere zwei hauseigene<br />
Schneider kümmern sich um die Maßkonfektionsberatung:<br />
Herrenmaßschneider Johannes Arnold, der über 10 Jahre<br />
an der Londoner Savile Row gearbeitet hat, bevor er 2019<br />
von der Themse an die Elbe gewechselt ist und Schneider<br />
und Kostümbildner Till Hagemeier, der zusätzlich über<br />
jahrzehntelange Erfahrung im Bereich der Ausstattung von<br />
Film & Theaterproduktionen verfügt.“ So entstehen echte<br />
Unikate unter anderem auch für Hochzeiten, Künstler- oder<br />
Business-Garderobe. „Auch die Elbphilharmonie wurde vor<br />
fünf Jahren in einem Ladage & Oelke-Frack eröffnet, eigens<br />
angefertigt für den damaligen Chefdirigenten“, verrät das<br />
Team gegenüber <strong>hinnerk</strong>. Nicht, ohne gleich wieder fachlich<br />
zu werden und sich der Zielgruppe zuzuwenden: Lust auf eine<br />
Tweed-Bomberjacke zur Jeans oder doch lieber ein perfekt<br />
sitzendes Hemd aus den besten Webereien Europas? Im<br />
entschleunigten Ambiente mit Blick aufs Hamburger Rathaus<br />
und bei frisch gebrühtem Kaffee oder Drink, wird bereits die<br />
Entscheidungsfindung in der Maßkonfektionsberatung zum<br />
Wellnesserlebnis. *ck<br />
Ladage & Oelke, Alter Wall 22, Hamburg, US Jungfernstieg /<br />
Rathaus, Terminvereinbarung: Tel. 040 696381770,<br />
kontakt@ladage-oelke.de, www.ladage-oelke.de
Style 31<br />
FUN!<br />
Ja, Design darf auch ernsthaft und<br />
pragmatisch sein. Schließlich haben<br />
wir uns irgendwann bewusst von<br />
der Teenager-Romantik unserer<br />
Jugendzimmer getrennt. Mit diesen verspielteren<br />
Objekten aber bringst du ein bisschen was<br />
von der Sorglosigkeit jüngerer Jahre in dein<br />
Leben zurück. *fj<br />
MODERNER LEUCHTER<br />
Eigentlich ist der dänische<br />
Möbelhersteller BoConcept<br />
für seine gemütlichen Sofas<br />
und klaren Formen bekannt.<br />
Mit der „Five“ Pendelleuchte<br />
haben die Designer aber<br />
bewiesen: Sie können auch<br />
unkonventionell. Diese<br />
Neuinterpretation eines<br />
klassischen Kronleuchters<br />
kommt in Messing, Chrom<br />
oder schwarzem Metall daher.<br />
www.boconcept.com<br />
PING PONG<br />
Zugegeben, die Verspieltheit des<br />
„Lungolinea“ Ping Pong Table liegt<br />
eher in der Sache als im Design, trotzdem wollen wir dir diese<br />
Luxus-Tischtennisplatte nicht vorenthalten. Hergestellt wird<br />
sie in aufwendiger Handarbeit im italienischen Mailand. Die<br />
Marke Impatia hat sich auf die Produktion hochwertiger<br />
Spieltische spezialisiert und vertreibt neben dem Lungolinea<br />
einen Billardtisch aus Glas, einen Poker Table und einen<br />
Multi Gaming Table sowie die passenden Accessoires zu<br />
allen Tischen.<br />
www.impatia.com<br />
GLAS-KRAKEN<br />
Der Italiener Simone Crestani liebt Glas als Material<br />
für seine Produkte und lässt sich in seiner Arbeit<br />
häufig von den Formen der Natur inspirieren. Für<br />
seine „Polpo“-Kollektion, bestehend aus Dekanter,<br />
Pitcher, Vase und verschiedenen Gläsern, durfte<br />
ganz offensichtlich eine der ungewöhnlichsten<br />
Kreaturen der Meere als Muse herhalten. Alle von<br />
Kraken umschlungenen Glasobjekte und andere<br />
spannende Designs gibt es im Online-Shop des<br />
Künstlers zu erstehen.<br />
www.simonecrestani.com<br />
ÄSTHETISCHE DERMATOLOGIE<br />
Botox, Filler (Gesicht und Körper) und Fadenlifting<br />
Ästhetische Chirurgie: Schlupflider, Tränensäcke,<br />
Body Contouring (operativ, Laser, Fettwegspritze)<br />
Lasermedizin: dauerhafte Haarentfernung,<br />
Hautverjüngung, Skin Glow, Entfernung von Couperose,<br />
Rosacea, Altersflecken, Tätowierungen, Narben<br />
Ästhetische- und Medizinische Kosmetik<br />
WWW.DERMA-HAMBURG.DE<br />
Hohe Bleichen 10<br />
20354 Hamburg<br />
Tel.: 040 – 40 11 353 00<br />
Hemmingstedter Weg 168<br />
22609 Hamburg<br />
E-Mail: info@derma-hamburg.de
32 Norddeutschland<br />
BREMEN<br />
RATHAUS FINANZIERT CSD<br />
Ein Teilnehmer auf diesem Foto des Städtepartnerschaftstreffen muss zum eigenen Schutz unkenntlich gemacht werden.<br />
Ein Coming-out vor Familie und Kollegen riskiert er nicht. Aber er engagiert sich.<br />
NIEDERSACHSEN<br />
Neue Vielfalt macht Schule<br />
Sandra Wolf, Lehrerin eines Göttinger Gymnasiums, und Pascal Mennen,<br />
ehemaliger Gymnasiallehrer in Lüneburg, haben im Januar den Startschuss<br />
für ein neues Format zur Vielfaltsaufklärung an den Bildungseinrichtungen des<br />
Landes gegeben. Ziel ist es, Diskriminierung und Mobbing aufgrund sexueller und<br />
romantischer Orientierung sowie geschlechtliche rIdentität abzubauen.<br />
Also haben die rechten<br />
Schwurbler doch Recht?<br />
Demogeld für die als Demonstration<br />
getarnte Zurschaustellung<br />
abseitiger Nutzungsvorlieben<br />
der Fortpflanzungsorgane?<br />
Natürlich nicht. Wie aufmerksame<br />
Shitstorm-Surfer mitbekommen<br />
haben dürften, gibts beim Bremer<br />
CSD Rollkragenpulloverzwang oder<br />
wahlweise ein Burkagebot. Fetischverbot<br />
und so. Nachdem jetzt alle<br />
wach sind, die freudige Erfolgsnachricht<br />
in aller Ernsthaftigkeit:<br />
Das Projekt stellt zahlreiche Angebote<br />
zur Vernetzung, Fortbildung sowie für<br />
Projekttage und Workshops bereit.<br />
Machen sich die Schulen erfolgreich auf<br />
den Weg und erfüllen die aufgestellten<br />
Qualitätsstandards, kann ihnen das<br />
Projektlabel ‚Wir sind Schule der Vielfalt*<br />
Niedersachsen‘ verliehen werden.<br />
Kooperationspartner und Schablone<br />
für den Aufbau in Niedersachsen war<br />
das gleichnamige Projektnetzwerk in<br />
Nordrhein-Westfalen.<br />
Sandra Wolf beschreibt das Projekt<br />
als echte Herzensangelegenheit: „Wir<br />
wollen Schulen in Niedersachsen bunter<br />
gestalten, Vielfalt sichtbar machen und<br />
damit aktiv den täglich stattfindenden<br />
Diskriminierungen etwas entgegensetzen.“<br />
Das Projekt wurde im vergangenen<br />
Jahr mithilfe viel ehrenamtlicher Hilfe<br />
aufgebaut. Pascal Mennen beschreibt<br />
das letzte Jahr als hartes Stück Arbeit.<br />
„Alle, die mitgeholfen haben, sind<br />
Expertinnen im Bereich sexueller und<br />
geschlechtliche Vielfalt oder<br />
Pädagog:innen“ ergänzt er.<br />
Die beiden Projektkoordinationen<br />
wissen aus ihrer Arbeit, dass<br />
sexuelle und geschlechtliche<br />
Vielfalt in Schule häufig tabuisiert<br />
wird und viele Fragen zu den Themen<br />
existieren. „Es fordern immer<br />
mehr Schüler:innen aktiv Bestrebungen<br />
hin zu einer vielfaltsoffenen Schule“<br />
beschreibt Sandra Wolf die Entwicklung<br />
der letzten Jahre. Das Projekt bietet die<br />
Möglichkeit engagierte Schulen mit dem<br />
Projektlabel sichtbar zu machen und<br />
die Eigeninitiative zu belohnen. Pascal<br />
Mennen erhofft sich zudem einheitliche<br />
behördliche Vorgaben, um Schulen von<br />
offizieller Seite aus zu unterstützen,<br />
sich diskriminierungssensibler<br />
aufzustellen.<br />
Das Projekt steht in Trägerschaft des<br />
Queeren Netzwerk Niedersachsen. Nico<br />
Kerski, Geschäftsführer des Netzwerks,<br />
begrüßt das außerordentliche<br />
ehrenamtliche Engagement zum<br />
Aufbau des Projektes und ergänzt,<br />
dass für den nachhaltigen Ausbau eine<br />
weitere Unterstützung durch das Land<br />
Niedersachsen, wie bereits in anderen<br />
Bundesländern, unerlässlich sein wird.<br />
www.qnn.de<br />
Im neuen Doppelhaushalt der Bremer<br />
Bürgerschaft sind 40.000 Euro für<br />
die queere Völkerverständigung<br />
budgetiert worden. Empfänger ist<br />
das LGBTIQ*Städtepartnerschaftsprojekt<br />
des Bremer CSD Vereins,<br />
das über jährliche Treffen und<br />
CSD-Besuche Wandel durch<br />
Annäherung lebt. Die vier Teams aus<br />
Bremen, Gdansk, Bremerhaven und<br />
Szczecin setzen ganz pragmatisch<br />
auf den zwischenmenschlichen<br />
Kontakt als Türöffner zum besseren<br />
gegenseitigen Verständnis. Denn<br />
obwohl direkte Nachbarn in der<br />
EU liegen an Weser und Oder/<br />
Neiße jeweils gesellschaftspolitisch<br />
andere Welten. Das persönlich zu<br />
erfahren – beiderseitig! – öffnet Geist<br />
und Herz und kann in die jeweiligen<br />
Communitys getragen werden.<br />
Graswurzelprojekte werden diese<br />
Formen der Menschenrechts- und<br />
Demokratiearbeit genannt und sie<br />
sind wahrscheinlich der wirksamste<br />
Hebel für ein Zusammenwachsen<br />
dieses geeinten Europas der Vielen.<br />
„Finanzpaket der Vernunft“ haben die<br />
Regierungsfraktionen ihren Haushalt<br />
überschrieben. Dieser winzig kleine<br />
Teil trägt die Überschrift zurecht. *ck<br />
www.csd-bremen.org
WO DIE<br />
NATUR<br />
NOCH<br />
IN ORDNUNG<br />
IST?<br />
In Ihrem wohnoffice<br />
TEAM 7 Hamburg City, www.team7-hamburg.de<br />
TEAM 7 Berlin, www.team7-berlin.de<br />
TEAM 7 München, www.team7-muenchen.de<br />
TEAM 7 Düsseldorf, www.team7-duesseldorf.de<br />
TEAM 7 Frankfurt, www.team7-frankfurt.de<br />
TEAM 7 Münster, www.team7-muenster.com<br />
TEAM 7 Stuttgart, www.team7-stuttgart.de
34 Gesundheit<br />
PSYCHE<br />
BURNOUT VORBEUGEN<br />
10 Tipps für mehr Lebensgenuss und Ruhe im Alltag<br />
Geht nicht davon aus, dass euch ein<br />
Burnout nicht treffen kann. Denn bei<br />
dieser Krankheit handelt es sich um einen<br />
langsamen, schleichenden und oftmals<br />
unbemerkten Prozess. Die Expertin<br />
Sabine von Ameln verrät euch, wie ihr es<br />
gar nicht erst soweit kommen lasst.<br />
1. Vorausschauend leben<br />
Überprüft euren Zeitplan und erstellt<br />
eine Liste: Wie viel geht für die Arbeit und<br />
die Bedürfnisse anderer drauf? Bleibt<br />
genügend Spielraum für euch selbst? Wenn<br />
nicht, dann schafft ein Gleichgewicht, denn<br />
Selbstfürsorge gehört an die oberste Stelle.<br />
2. Selbstpflege planen<br />
Schaut auf euren Kalender. Ist er<br />
vollgestopft mit Terminen? Dann tragt<br />
Zeiten für euch selbst ein, genauso wie<br />
für andere Verpflichtungen, und haltet<br />
euch daran. Diese können vielseitig sein,<br />
von Arztbesuchen bis hin zu sportlichen<br />
Aktivitäten, Hobbys oder auch Meditation.<br />
Gönnt euch immer genügend Auszeit!<br />
3. Für erholsamen Schlaf sorgen<br />
Sorgt für ausreichenden und erholsamen<br />
Schlaf, damit eure Leistungsfähigkeit nicht<br />
beeinträchtigt ist. Achtet darauf, nicht<br />
weniger als 8 Stunden zu ruhen. Schlafmangel<br />
beeinflusst die Stimmung und<br />
unsere Fähigkeit, mit Herausforderungen<br />
umzugehen. Langfristig tragen kurze aufeinanderfolgende<br />
Nächte zur körperlichen<br />
und psychischen Erschöpfung bei.<br />
4. Ausgewogen ernähren<br />
Wenn wir gestresst sind, neigen wir dazu,<br />
uns zum Ausgleich auf Nahrung zu stürzen<br />
und mehr Genussmittel wie Kaffee<br />
und Alkohol zu konsumieren. Doch wirken<br />
solche Stimulanzien eher kontraproduktiv.<br />
Eine ausgewogene Ernährung und Zeit<br />
zum Essen helfen dabei, das Burnout-<br />
Risiko zu begrenzen.<br />
5. Entspannung üben<br />
Ob beruflich oder familiär, Burnout ist fast<br />
immer mit Stress verbunden. Durch regelmäßiges<br />
Üben von Entspannungstechniken,<br />
wie Meditation oder Yoga, können wir<br />
die Anspannungen des Tages lösen.<br />
6. Mehr Sport treiben<br />
Durch Sport können wir angesammelte<br />
Belastungen abbauen, einen klaren Kopf<br />
bekommen und Stress reduzieren. Regelmäßige<br />
körperliche Aktivität wie Laufen,<br />
Hallensport oder Schwimmen beugt<br />
einem Burnout-Syndrom vor.<br />
7. Lernen „NEIN“ zu sagen<br />
Wenn ihr einen weiteren Auftrag<br />
ablehnt, macht euch das nicht<br />
zu einem schlechten Angestellten. Bei<br />
Überforderung „Nein“ zu sagen, ist für<br />
die körperliche und geistige Gesundheit<br />
unerlässlich. Es ist besser, ehrlich zu sein,<br />
als in positiver Absicht Aufforderungen<br />
nachzukommen und unnötig darunter zu<br />
leiden. Versucht nicht, euer Umfeld um<br />
jeden Preis zufriedenzustellen.<br />
8. Die Erreichbarkeit verringern<br />
Gewöhnt euch an, nach der Arbeit die<br />
elektronischen Geräte auszuschalten oder<br />
zumindest nicht auf Anrufe oder E-Mails<br />
zu reagieren.<br />
9. Freunde treffen und Spaß<br />
haben<br />
Wenn ihr ausgepowert seid und die Arbeit<br />
euch überfordert, dann trefft die Menschen,<br />
die euch guttun. Verbringt Zeit mit<br />
eurem Partner, genießt ein romantisches<br />
Dinner, gönnt euch einen Wochenendausflug<br />
oder Urlaub und versucht, euer Leben<br />
zu genießen.<br />
10. Professionelle Hilfe<br />
Wenn ihr das Gefühl habt, mit eurer<br />
Überforderung nicht mehr zurechtzukommen,<br />
holt euch Hilfe. Eine persönliche<br />
Beratung mit der Hausärzt*in oder einer<br />
Therapeut*in verhindert das Schlimmste:<br />
den Zusammenbruch. Wenn ihr merkt,<br />
dass ihr das Gleichgewicht in eurem Leben<br />
verliert, dann wartet bloß nicht länger ab.<br />
Professionelle Unterstützung ist in dem<br />
Fall der beste Weg.<br />
FOTO: CHRISTIAN ERFURT / UNSPLASH<br />
Frau von Ameln hat<br />
über 30 Jahre aktiv in<br />
der Pflege gearbeitet<br />
und war Inhaberin eines<br />
eigenen mittelständigen<br />
Pflegedienstes. Durch<br />
unentwegten Stress und<br />
Druck landete sie im<br />
Burnout. Sie wendet sich<br />
daher an Pflegekräfte mit<br />
der wichtigen Botschaft,<br />
dass sie selbst für ihre<br />
Gesundheit und ihr Wohlbefinden verantwortlich sind<br />
und diese Dinge zur Priorität machen müssen. Denn<br />
wer selbst krank ist, kann niemandem mehr helfen.<br />
www.sabinevonameln.de
MSD.PARTNER.HIV.<br />
35 Jahre erfolgreiche HIV-Forschung<br />
Unser Ziel ist und bleibt die<br />
Prävention und Eradikation von HIV.<br />
Daher forschen wir weiter!<br />
2021<br />
Zulassung eines neuen NNRTI<br />
2018<br />
Zulassung des ersten Integrase-Inhibitors<br />
(InSTI), welcher im folgenden Jahr in der<br />
Kategorie Bester pharma zeutischer<br />
W i r k s t o ff den Prix Galien Award in<br />
den USA gewinnt<br />
2007<br />
1999<br />
Zulassung des ersten nichtnukleosidischen<br />
Reverse-<br />
Transkriptase-Inhibitors (NNRTI)<br />
1996<br />
Zulassung von einem der<br />
ersten Proteasehemmer (PI)<br />
1985<br />
Beginn eines klinischen Forschungsprogramms<br />
zur Behandlung und Prävention des Humanen<br />
Immundefizienz-Virus (HIV)<br />
HIV/AIDS ist nach wie vor eine der weltweit größten Herausforderungen für die öffentliche Gesundheit.<br />
Seit Ende der 1980er Jahre hat die Einführung antiretroviraler Therapien (ART) die Behandlung von HIV<br />
verändert. Infolge der jüngsten Fortschritte beim Zugang zu diesen wirksamen Behandlungsmethoden<br />
leben HIV-positive Menschen heute länger und gesünder. Darüber hinaus wurde gezeigt, dass ART die<br />
Übertragung von HIV verhindern kann. 1<br />
1. Fact sheet HIV/AIDS. World Health Organization. http://www.who.int/features/factfiles/hiv/en/<br />
Zugriff: 01.03.2021<br />
Auf MSD Gesundheit finden Sie Informationen zum Thema HIV: https://www.msd-gesundheit.de/hiv/<br />
MSD Sharp & Dohme GmbH<br />
Levelingstaße 4a, 81673 München, www.msd.de<br />
DE-NON-02649
GESUNDHEIT<br />
INTERVIEW<br />
Genschere, mRNA und<br />
Wirkstoffdepots:<br />
Paradigmenwechsel in der HIV-Therapie<br />
FOTO: C. KNUTH<br />
Ein Nebeneffekt der aktuellen Pandemie mit dem<br />
neuen Corona-Virus und seinen Varianten lässt<br />
auch einen bisher für diese Thematik unerreichten<br />
Anteil der Gesellschaft – sozusagen hautnah – an<br />
wissenschaftlichen Prozessen der forschenden Institute<br />
und Pharma-Unternehmen teilhaben. Der<br />
Wissensdurst ist groß. 40 Jahre sind vergangen,<br />
seit das HI-Virus und damit der Auslöser von AIDS<br />
entdeckt wurde. Bis heute ist er nicht grundsätzlich<br />
besiegt worden.<br />
HIV-Aktivist und -Fachmann Siegfried Schwarze<br />
vom „Projekt Information e. V.“ im Gespräch über<br />
die neuesten Entwicklungen in der HIV-Forschung<br />
und ihren möglichen Impact für die Gesundheit<br />
der Gesamtbevölkerung.<br />
Im Frühling riefen wir gemeinsam mit dir dazu<br />
auf, die Chance der virtuellen Konferenzform<br />
doch zu nutzen und sich die „11 th IAS Conference<br />
on HIV Science“ anzuschauen. Nun sind<br />
die Zugriffe auf die Streams eher verhalten. ...<br />
Ich weiß nicht, ob man sich das als Ottonormalverbraucher*in<br />
wirklich antun muss oder soll. Wenn<br />
dann nur sehr selektiv. Deshalb hatten wir im Frühling<br />
ja auch Schwerpunkte empfohlen.<br />
„Die Gentherapie ist<br />
auf dem Sprung vom<br />
Labor in den Alltag.“<br />
Hat dich ein Thema überrascht?<br />
Der Grundlagenvortrag zur Gentherapie.<br />
Mir war nicht bewusst, dass weltweit zehn<br />
Gentherapien zugelassen sind. Von zwei oder<br />
drei wusste ich, aber dass es schon zehn sind,<br />
war mir selbst neu. Und das führt mich auch<br />
gleich zu dem was, für mich eines der Highlights<br />
der Konferenz war: Die Gentherapie ist auf dem<br />
Sprung vom Labor, von den klinischen Studien<br />
in den Alltag. Das ist etwas, was fast ein bisschen<br />
unbemerkt von der Öffentlichkeit geschieht. Vielleicht<br />
auch so geräuschlos, weil gentechnologische<br />
Methoden durch Corona eine breitere Akzeptanz<br />
finden? Mit dem Begriff mRNA-Impfstoff kann<br />
heute ja zum Beispiel jeder etwas anfangen. Es ist<br />
tatsächlich so weit: Es beginnen die ersten gentherapeutischen<br />
Studien am Menschen zu HIV. Teilweise<br />
auch zum Thema Heilung. Als Therapieaktivist muss<br />
ich allerdings sagen, dass mir da einiges auch zu
schnell geht. Wie wir Europäer das finden,<br />
ist aber letztendlich egal.<br />
Wer gibt den Schritt vor?<br />
Die USA und vor allem auch China brechen<br />
auf und preschen auf dem Gebiet voran,<br />
als gäbe es kein Morgen. Wie gesagt, man<br />
kann das finden, wie man will. Es passiert<br />
und es wird spannend sein, mit welchen<br />
Ergebnissen.<br />
Welche Methoden werden jetzt am<br />
Menschen erforscht?<br />
Der eine Ansatz besteht darin, den<br />
Rezeptor, den HIV zum Eindringen in die<br />
Zelle benutzt, mit gentechnologischen<br />
Methoden sozusagen zu zerstören. Das<br />
war im Prinzip das, womit Timothy Brown<br />
geheilt wurde. Bei ihm wurde es durch eine<br />
Stammzelltransplantation gemacht, die<br />
für eine breite Anwendung unter anderem<br />
nicht anwendbar ist, weil sie einfach zu<br />
riskant ist. Die Idee ist, diesen Rezeptor<br />
nicht dadurch wegzubekommen, dass<br />
man dem Menschen ein komplett neues<br />
Immunsystem verpasst, sondern gezielt<br />
diesen Rezeptor auszuschalten. Der anderer<br />
Ansatz ist die berühmte Genschere.<br />
Also der Versuch, HIV per Enzym aus infizierten<br />
Zellen herauszuschneiden. Dieser<br />
Ansatz wird von mehreren Forscher*innen<br />
mit unterschiedlichen genetischen<br />
Werkzeugen verfolgt.<br />
Bundesweite Aufmerksamkeit<br />
erregte vor ein paar Jahren ein<br />
solches Forschungsprojekt des<br />
Universitätsklinikums Hamburg-<br />
Eppendorf (UKE) und des Heinrich-<br />
Pette-Instituts, Leibniz-Instituts für<br />
Experimentelle Virologie (HPI) ...<br />
Genau. Die Arbeitsgruppe um Professor<br />
Hauber arbeitet mit einem, ich sage mal<br />
im weitesten Sinne sehr zickigen Enzym,<br />
das dafür aber extrem genau ist: Brec1.<br />
Die amerikanische Arbeitsgruppe setzt auf<br />
die inzwischen recht geläufige CRISPR/<br />
Cas-Methode, die zwar sehr einfach zu<br />
handhaben ist, aber eine relativ große<br />
Fehlerhäufigkeit hat.<br />
Deswegen deine Bedenken?<br />
Wenn ich mir an meinen Immunzellen<br />
rumbasteln lassen würde, hätte ich<br />
Bauchschmerzen damit, ein fehleranfälliges<br />
Enzym zu wählen. Aber wie gesagt:<br />
Es wird gemacht. Es wird natürlich unter<br />
entsprechenden Sicherheitsvorkehrungen<br />
gemacht. Das heißt, man nimmt erst<br />
relativ wenige Patient*innen und auch<br />
nicht alle auf einmal. Zuerst bei einem,<br />
wartet eine Zeit, ob alles gut geht, und<br />
dann nimmt man einen zweiten rein<br />
und so weiter. Aber trotzdem glaube ich,<br />
dass das für die Betroffenen ein nicht zu<br />
unterschätzendes Risiko ist. Daher finde<br />
ich es um so wichtiger, dass diese Sachen<br />
von der Community aufmerksam verfolgt<br />
und begleitet werden. Das verlangen<br />
übrigens auch die Zulassungsbehörden:<br />
Die wollen jetzt alle bei diesen Studien<br />
eine Patient*innenvertretung mit an Bord<br />
haben. Das ist ein guter Fortschritt.<br />
Ein Risiko, das Tradition hat:<br />
Wo wäre die HIV-Therapie ohne<br />
freiwillige – so muss man leider fast<br />
sagen – Versuchskaninchen?<br />
Richtig, aber! Mittlerweile gibt es so viele<br />
Studien in der Richtung und darunter<br />
auch einige, wo von Anfang an eigentlich<br />
völlig klar ist, dass die nix werden. Die aber<br />
trotzdem durchgeführt werden, weil es<br />
dafür Forschungsgelder gibt. Vor allem in<br />
Amerika gibt es natürlich eine Situation,<br />
wo jetzt auch durch Covid viele Labors,<br />
viele Klinikabteilungen Existenznöte<br />
haben. Und wenn die einen Forschungsantrag<br />
machen, wo „Heilung von HIV“<br />
draufsteht, dann gibt es halt Kohle. Man<br />
kann den Leuten ja gar keinen Vorwurf<br />
machen. Die haben Frauen und Kinder<br />
und so weiter: Wenn du der Institutsleiter<br />
wärst und sagst, „ich habe so und so viel<br />
Mitarbeiter zu versorgen. Wenn ich jetzt<br />
diesen Antrag stelle, weiß ich genau, es<br />
wird nichts, aber ich kriege damit Kohle für<br />
die nächsten zwei, drei Jahre“, da ist die<br />
Versuchung natürlich groß. Auf der anderen<br />
Seite ist dabei die Gefahr, dass wir die<br />
Freiwilligen, die wir in der HIV-Community<br />
haben, ohne Sinn und Zweck verbrennen.<br />
Inwiefern?<br />
Oft ist es in diesen Studien so, dass du,<br />
wenn du schon mal Probant*in einer<br />
Heilungsstudie warst, nicht mehr an einer<br />
weiteren teilnehmen kannst. Die Zahl der<br />
Menschen die für so eine Studie infrage<br />
kommen, ist limitiert.<br />
„Uns gehen so<br />
langsam die<br />
Ideen aus.“<br />
Vermutlich auch wegen Covid<br />
ploppt wieder die Suche nach einem<br />
Impfstoff auf. Wie schätzt du die<br />
Chance ein, nicht nur preppen zu<br />
können, sondern sich impfen lassen<br />
zu können?<br />
Man man muss ganz ehrlich sagen, dass<br />
uns so langsam die Ideen ausgehen, wie<br />
ein Impfstoff gegen HIV aussehen könnte.<br />
Die klassischen Methoden einen Impfstoff<br />
zu generieren, die bis jetzt bei allen anderen<br />
Erkrankungen außer Hepatitis C – das<br />
ist auch so ein Problemfall – gut geklappt<br />
haben, versagen bei HIV. Es gibt zwei<br />
Hauptprobleme. Das eine Problem ist, dass<br />
GENSCHERE<br />
aus Hamburg<br />
GESUNDHEIT<br />
Bereits seit 2005 forschen<br />
Wissenschaftler am Heinrich-Pette-<br />
Institut in Hamburg an einer revolutionären<br />
Methode, das HI-Virus<br />
mittels einer molekularen Genschere<br />
aus dem Körper „zu schneiden“.<br />
Für den Laien erklärt: Aus dem Blut<br />
werden Stammzellen entnommen.<br />
In diese wird über eine sogenannte<br />
Genfähre der Bauplan für eine molekulare<br />
Schere mit der Bezeichnung<br />
Brec1 eingebaut. Zusätzlich wird in<br />
den Zellen genetisch ein Rezeptor/<br />
Schalter programmiert, der Brec1<br />
dann aktiviert, wenn HI-Viren<br />
vorhanden sind. Die Stammzellen<br />
werden den Patient*innen gespritzt,<br />
diese vermehren sich im Blut und<br />
produzieren Brec1, wenn HI-Viren<br />
im Blut sind. Brec1 schneidet deren<br />
genetische Informationen aus den<br />
befallenen Zellen – die Patient*innen<br />
könnten geheilt sein. *ck<br />
es bei HIV kein natürliches Vorbild gibt. Das<br />
heißt, es gibt keinen Menschen, der sich<br />
mit HIV infiziert hat, diese Infektion aus<br />
eigener Kraft überwunden hat und<br />
danach immun war gegen eine neue<br />
Infektion. Immer wenn es kein natürliches<br />
Vorbild gibt, ist die Frage, ob wir das überhaupt<br />
schaffen. Wie schon bei Hepatitis C.<br />
Wir wissen auch da, dass es Menschen<br />
gibt, die die Infektion selbst überwinden,<br />
aber die sind nicht resistent gegen eine<br />
neue Infektion. Auch bei Hepatitis C ist<br />
es bis heute nicht gelungen, eine Impfung<br />
hinzubekommen. Hinzu kommt bei<br />
HIV, dass es als erstes genau die Zellen<br />
infiziert und abtötet, die wir für eine<br />
Abwehr bräuchten. Ich sage es immer so:<br />
HIV ist der Brandstifter, der als erstes die<br />
Feuerwehrzentralen anzündet, sodass<br />
dann niemand mehr da ist, der kämpfen<br />
könnte. Die Konzepte, die jetzt mit mRNA<br />
verfolgt werden, die waren tatsächlich<br />
schon länger in der Pipeline. Dass die<br />
jetzt so „aufploppen“, wie du sagtest,<br />
liegt hauptsächlich daran, dass die<br />
mRNA-Forschung natürlich durch Corona<br />
dramatisch beschleunigt wurde.<br />
Worum geht es da im Prinzip?<br />
Darum, Antikörper zu produzieren, die
GESUNDHEIT<br />
ganz wenige Menschen natürlicherweise<br />
produzieren. Die sogenannten „Elite<br />
Controller“. Von dieser Gruppe von<br />
HIV-Positiven kann ein ganz kleiner<br />
Prozentsatz HIV in Schach halten, weil sie<br />
spezielle Antikörper bilden. Der Trick mit<br />
den mRNA-Impfstoffen ist, praktisch nicht<br />
einen Impfstoff zu geben, sondern verschiedene<br />
Impfstoffe hintereinander. Die<br />
sollen das Immunsystem langsam in die<br />
Richtung dirigieren, bis es dann tatsächlich<br />
diese breiten, neutralisierenden Antikörper<br />
bilden kann. In einer Weise, wie es<br />
natürlicherweise nicht geschehen würde.<br />
Ob das möglich ist, ob das funktioniert ist,<br />
ist völlig offen.<br />
„Wir erleben<br />
momentan einen<br />
Paradigmenwechsel.“<br />
Was gibt es neu in der HIV-Therapie?<br />
Was die HIV-Therapie anbelangt, erleben<br />
wir momentan einen Paradigmenwechsel.<br />
Das Wort ist viel strapaziert, aber wir<br />
haben seit Mai dieses Jahres die ersten<br />
wirklich langwirksamen Therapien mit der<br />
Depotspritze auf dem Markt, die alle zwei<br />
Monate gegeben wird. Und das ist nur der<br />
Anfang! Es laufen im Moment bereits Studien<br />
von oralen Therapien, also Tabletten,<br />
die nur einmal pro Woche gegeben werden<br />
müssen bzw. einmal pro Monat. Ob das<br />
ein tatsächlicher Fortschritt ist, bleibt<br />
abzuwarten. Es muss geklärt werden, ob<br />
nicht das dann tendenziell eher vergessen<br />
wird, als die Pille einmal täglich. Und wenn<br />
man die Pille dann vergessen hat, wie ist<br />
zu reagieren? Das sind teilweise ganz<br />
komplexe Regeln. Auch was die injizierbaren<br />
Therapien anbelangt, wäre es noch<br />
schöner, wenn sich das mit dem normalen<br />
Untersuchungsabstand, also alle drei<br />
Monate oder alle sechs Monate decken<br />
würde.<br />
Und?<br />
In den USA ist Lenacapavir, das unter<br />
die Haut gespritzt wird, bereits in der<br />
Zulassung für die Gabe alle sechs Monate.<br />
Implantate für die jährliche Gabe sind<br />
auch in Entwicklung und erst im Herbst<br />
wurde bekannt, dass eine Firma ein<br />
Patent angemeldet hat, wo die bisherigen<br />
Substanzen, die alle zwei Monate gespritzt<br />
werden, in einer neuen Formulierung<br />
gespritzt werden. Dadurch sind größere<br />
Mengen möglich, die dann zusammen<br />
mit der Körperflüssigkeit so eine Art Gel<br />
ergeben, was dann im Gewebe ein Depot<br />
bildet und nur alle paar Monate bis einmal<br />
im halben Jahr – möglicherweise sogar nur<br />
einmal im Jahr gespritzt werden muss.<br />
„Long acting“, wie es so schön heißt, also<br />
lange Wirkungszeit der Substanzen wird<br />
das neue Therapieschema werden. Bisher<br />
war der Standard „eine Pille einmal täglich<br />
mit allen Wirkstoffen“, dabei wird es nicht<br />
bleiben. Die Firmen suchen natürlich<br />
immer nach Möglichkeiten, um das weiterzuentwickeln.<br />
Ob das immer günstig ist für<br />
Patient*innen und für die Krankenkassen,<br />
das ist eine andere Frage. Aber das ist die<br />
Richtung, in die der Zug momentan fährt<br />
und es wird sehr spannend sein, das zu<br />
beobachten.<br />
Was bedeutet das ganz allgemein<br />
für die Gesundheitsversorgung?<br />
Die HIV-Therapie ist wieder mal Trendsetter.<br />
Es ist doch klar: Wenn es bei HIV<br />
funktioniert, dann wird es auch in andere<br />
Therapiegebiete Einzug halten. Ich kann<br />
mir vorstellen, dass auch Menschen, die<br />
täglich ihre Blutdrucktablette einnehmen<br />
müssen oder ihren Cholesterinsenker<br />
dankbar wären, wenn sie stattdessen<br />
einmal im halben Jahr eine Spritze kriegen.<br />
*Interview: Christian Knuth<br />
FOTO: PHOTOHOLGIC<br />
INFO<br />
Siegfried Schwarze ist Vorstandsmitglied bei Projekt Information e. V., einem Verein, der<br />
HIV-infizierte Menschen, ihre Freunde, Angehörigen und Ärzt*innen über Forschung,<br />
Entwicklung und Anwendung von schulmedizinischen, unterstützenden und holistischen<br />
Behandlungsmethoden informiert. Im ständigen interdisziplinären Informationsaustausch<br />
mit Mediziner*innen, Naturheilkundler*innen, Psycholog*innen, Therapeut*innen<br />
und Pfleger*innen entsteht so alle zwei Monate eine Vereinszeitschrift, die diese<br />
Informationen sammelt. Zudem schafft Projekt Information mit POSITIVER RAUM<br />
Möglichkeiten des Austausches und der Vernetzung HIV-Positiver in ländlichen Gebieten.<br />
www.projektinfo.de
„Ich bin<br />
Mutter,<br />
Tanz maus,<br />
religiös und<br />
Gospel-Fan. “<br />
Lillian<br />
# HIVersity<br />
Weil ich mehr bin als<br />
nur HIV-positiv: LiVLife.de<br />
NP-DE-HVU-ADVT-210002; 07/2021
Gesundheit<br />
„Lebensqualität bedeutet<br />
für mich, dass ich als<br />
HIV-positiver Mensch alles<br />
machen kann, was ich will.<br />
Mein Leben so zu führen<br />
wie ich möchte trägt dazu<br />
bei, dass ich glücklich bin.“<br />
Christoph,<br />
lebt seit 2004 mit HIV<br />
NP-DE-HVU-ADVR-210019<br />
Warum ein OFFENES ARZTGESPRÄCH<br />
für HIV-positive Menschen so wichtig ist<br />
Im Leben gibt es immer mal wieder<br />
Veränderungen – größere und kleinere.<br />
Für Menschen mit HIV ist es dabei<br />
besonders wichtig, diese bewusst im<br />
Blick zu behalten, denn sie können<br />
auch einen Einfluss auf die HIV-Therapie<br />
haben. Ein Beispiel für eine solche<br />
Veränderung ist die Entdeckung einer<br />
neuen Sportart, bei der man im Zuge<br />
einer Ernährungsumstellung auch Nahrungsergänzungsmittel<br />
zu sich nimmt.<br />
Offen mit dem/r Ärzt*in sprechen<br />
Eine Möglichkeit, wie solche auf den ersten<br />
Blick kleinen Neuerungen im Lebensstil<br />
mit der HIV-Therapie zusammenhängen<br />
können, sind mögliche Wechselwirkungen<br />
der HIV-Medikamente mit anderen Substanzen,<br />
wie beim zuvor genannten Beispiel<br />
mit den Nahrungsergänzungsmitteln.<br />
Um eine erfolgreiche HIV-Therapie ohne<br />
Wechselwirkungen und damit eine hohe<br />
Lebensqualität und Zufriedenheit sicherzustellen,<br />
ist der offene und regelmäßige<br />
Austausch mit dem/r Ärzt*in besonders<br />
wichtig.<br />
Was Wechselwirkungen sind<br />
und wie man sie vermeidet<br />
Verschiedene Substanzen können sich<br />
gegenseitig in ihrer Wirkung beeinflussen –<br />
beispielsweise sich gegenseitig verstärken,<br />
abschwächen oder sogar aufheben. Wenn<br />
Ärzt*innen bei der HIV-Therapie also von<br />
Wechselwirkungen sprechen, meinen sie<br />
damit ganz einfach unerwünschte wechselseitige<br />
Einflüsse auf die Wirksamkeit<br />
zwischen den HIV-Medikamenten und<br />
anderen Substanzen.<br />
Dank der Fortschritte in der modernen HIV-<br />
Therapie haben HIV-positive Menschen<br />
eine weitgehend normale Lebenserwartung.<br />
Dadurch steigt allerdings auch die<br />
Wahrscheinlichkeit, mit dem Älterwerden<br />
neben der HIV-Therapie noch weitere<br />
Medikamente einzunehmen. Damit bei<br />
der HIV-Therapie Wechselwirkungen mit<br />
anderen Substanzen vermieden werden<br />
können, ist Offenheit im Arztgespräch<br />
besonders wichtig: Für den/die Ärzt*in ist<br />
es sinnvoll zu wissen, was man neben der<br />
HIV-Therapie sonst noch einnimmt.<br />
Veränderungen im Blick<br />
behalten<br />
Die individuellen Lebensentwürfe<br />
von HIV-positiven Menschen sind so<br />
unterschiedlich, wie deren einzigartige<br />
Persönlichkeiten. Im Hinblick auf Wechselwirkungen<br />
ist es daher als Mensch mit HIV<br />
vor allem wichtig, die Veränderungen im<br />
eigenen Lebensstil zu beobachten.<br />
Manchmal hat man zwar im Hinterkopf,<br />
dass die eigenen HIV-Medikamente mit<br />
bestimmten Stoffen wechselwirken<br />
könnten. Allerdings verändern sich Dinge<br />
im Leben - wie zum Beispiel die Ernährung<br />
und die Einnahme von Vitamin- und Mineralstoffpräparaten<br />
oder das Partyleben und<br />
der möglicherweise damit einhergehende<br />
gelegentliche Substanzkonsum - ja meist<br />
nicht über Nacht, sondern eher schrittweise.<br />
Gerade das macht eine regelmäßige<br />
Selbstüberprüfung hinsichtlich der<br />
Veränderungen im eigenen Lebensstil und<br />
den persönlichen Bedürfnissen so wichtig.<br />
Was bedeutet das für Menschen<br />
mit HIV?<br />
Wenn man als HIV-positiver Mensch seinen<br />
aktuellen Lebensstil gut im Blick hat, die<br />
eigenen Bedürfnisse gut kennt und regelmäßig<br />
offen mit seinem/r Ärzt*in darüber<br />
spricht, muss man auch keine Angst haben,<br />
wenn andere Substanzen neben der HIV-<br />
Therapie eingenommen werden.<br />
Hilfreich ist es, wenn man sich einmal<br />
eine Liste schreibt mit allem, was man an<br />
Medikamenten und anderen Substanzen<br />
einnimmt. Diese Notizen kann man dann<br />
zum nächsten Arztgespräch mitnehmen<br />
und so gemeinsam prüfen, ob die aktuelle<br />
Behandlung davon beeinflusst werden<br />
könnte. So kann man die passende Therapie<br />
immer im Blick behalten und langfristig<br />
mehr Lebensqualität und Zufriedenheit<br />
sicherstellen.<br />
Weitere Informationen zum Leben mit<br />
HIV sowie persönliche Geschichten von<br />
HIV-positiven Menschen findest du unter<br />
www.livlife.de<br />
Unterstützt von ViiV Healthcare
Gesundheit<br />
AUSSTELLUNG<br />
ERINNERUNGSGEWEBE<br />
Im wahrsten Sinne des Wortes gewebte<br />
Erinnerungen an acht geliebte Menschen,<br />
die an AIDS verstorben sind, gibt<br />
es noch bis zum 13. <strong>März</strong> im Deutschen<br />
Medizinhistorischen Museum Ingolstadt<br />
zu entdecken.<br />
Als die Immunschwächekrankheit in<br />
den 1980er-Jahren immer mehr Opfer<br />
forderte, begannen AIDS-Aktivist*innen<br />
in den USA Erinnerungstücher für die<br />
Verstorbenen herzustellen und sie in der<br />
Tradition der „Quilts“ zu vernähen. Die<br />
gesteppten Patchworkdecken aus jeweils<br />
acht einzelnen Tüchern wurden zu<br />
einem größeren Block zusammengefügt<br />
und an öffentlichen Plätzen wie der<br />
National Mall in Washington ausgelegt.<br />
Sie setzten der nüchternen AIDS-<br />
Statistik menschliche Einzelschicksale<br />
entgegen und riefen zum Mitgefühl<br />
mit den Erkrankten auf. Nach und nach<br />
entstanden in vielen Ländern ähnliche<br />
Quilting-Projekte.<br />
Besucher*innen ermöglicht die Ausstellung<br />
verschiedene Perspektiven auf<br />
das Exponat, des aus den Niederlanden<br />
stammenden „Quiltblock Nr. 21: als Objekt<br />
der persönlichen Trauerarbeit, der öffentlichen<br />
Empörung und der Solidarität mit<br />
Betroffenen. Die Ausstellung zeigt zudem,<br />
wie unterschiedlich Politik, Medizin und<br />
Zivilgesellschaft auf die damals neuartige<br />
Krankheit reagierten.<br />
Zur Ausstellung erscheint ein bebilderter<br />
Katalog und eine virtuelle Führung ist auf<br />
YouTube verfügbar. *ck<br />
Bis 13.3., In the Name of Love! AIDS-<br />
Gedenktücher als Zeichen von Trauer und<br />
Protest, Deutsches Medizinhistorisches<br />
Museum Ingolstadt, Anatomiestraße<br />
18 – 20, Ingolstadt, Di – So 10 – 17 Uhr,<br />
www.dmm-ingolstadt.de<br />
In jeder<br />
Stadt<br />
zu Hause<br />
Queere Gastgeber in über<br />
70 Ländern erwarten dich!<br />
Seit 20 Jahren in der Community bekannt unter ebab
Gesundheit<br />
RKI-Chef Prof. Wieler stellt<br />
die aktuellen Corona-Zahlen<br />
vor. Einmal jährlich, aber mit<br />
weit weniger Wirbel, veröffentlicht<br />
sein Institut auch<br />
die Zahlen zur Entwicklung<br />
der nunmehr 40 Jahre<br />
andauernden HIV-Pandemie<br />
FOTO: TOBIAS SCHWARZ / AFP<br />
SCHLAU ZU HIV<br />
BESSER SPÄT ALS NIE!<br />
Nach Schätzungen des Robert Koch-Institut (RKI) wussten im Jahr 2020 etwa<br />
10 Prozent der 91.400 Menschen, die in Deutschland mit HIV leben, nichts von<br />
ihrer Infektion. Wer sind diese Menschen und warum werden sie nicht erreicht?<br />
Darüber haben wir mit Dr. med. Nino Ochana, Facharzt für Innere Medizin u. a.<br />
mit den Schwerpunkten HIV/Aids und Hepatitis aus der Praxis am Ring in Köln<br />
gesprochen. *ck<br />
Woran liegt es, dass in Deutschland<br />
immer noch 9.500 Menschen<br />
leben, ohne von ihrer HIV-Infektion<br />
zu wissen?<br />
Sich testen zu lassen oder einen<br />
Test anzubieten, darf nicht länger<br />
schambehaftet sein! Auch wenn es<br />
Überwindung kostet für Patient*innen und<br />
Behandler*innen. Großen Einfluss auf den<br />
Zeitpunkt der Diagnose hat offenbar die<br />
Kommunikation: Viele Ärzt*innen haben<br />
HIV gar nicht (mehr) auf dem Schirm.<br />
Vor allem, wenn die Patient*innen keiner<br />
sogenannten Risikogruppe angehören.<br />
Menschen, die sich über heterosexuelle<br />
Kontakte infiziert haben, Ältere, Personen<br />
aus ländlicheren Umgebungen, Minderheiten<br />
... Ein Beispiel aus meinem Praxisalltag:<br />
Seit Oktober ist das Hepatitis-Screening<br />
eine Kassenleistung im Rahmen des<br />
sogenannten „Check-ups“ für Versicherte<br />
ab 35 Jahren. Ich weise in diesem Rahmen<br />
grundsätzlich jeden Patient*innen darauf<br />
hin, dass es durchaus sinnvoll ist, sich<br />
auch auf HIV testen zu lassen, so nach<br />
dem Motto „wenn wa´ schon ma´ dabei<br />
sind“. Bisher habe ich selten erlebt, dass<br />
das abgelehnt wurde.<br />
HIV ist heute mit modernen<br />
Therapien gut behandelbar und die<br />
Lebenserwartung von Menschen<br />
mit HIV ist nahezu vergleichbar<br />
mit derer Nicht-Infizierter.<br />
Bekommt man eine Infektion von<br />
Spätdiagnostizierten wieder in den<br />
Griff und sind alle Regime gleich<br />
gut geeignet?<br />
HI-Viren schwächen das Immunsystem,<br />
indem sie wichtige Immunzellen,<br />
die sogenannten T-Helferzellen,<br />
zerstören. Modernen HIV-Medikamente,<br />
besonders die neuen Integrasehemmer,<br />
sind so potent, dass sie die Viruslast<br />
binnen weniger Monate unter die<br />
Nachweisgrenze drücken. Je länger<br />
aber der Immunschaden anhielt vor<br />
der Therapie, desto langsamer erholt<br />
sich das Immunsystem. Gerade bei den<br />
Spätdiagnostizierten ist der Immunschaden<br />
häufig so groß, dass man<br />
begleitend zu der antiviralen Therapie<br />
für eine gewissen Zeit auch Antibiotika<br />
einnehmen muss, um die Entstehung<br />
bestimmter Infektionen z. B. der Lunge<br />
zu minimieren.<br />
SPÄTDIAGNOSE<br />
Was ist das und wie wird es<br />
definiert?<br />
Dr. Ochana: „Eine allgemeingültige<br />
bzw. einheitliche Definition einer<br />
„HIV-Spätdiagnose“ existiert nicht.<br />
Im Allgemeinen spricht man von<br />
einer Spätdiagnose, wenn die<br />
CD4-Zellzahl (T-Helferzellen, weiße<br />
Blutkörperchen) im Blut unter<br />
350 pro Mikroliter abgesunken ist.<br />
Häufig ist das Immunsystem dann so<br />
geschwächt, dass Aids-definierende<br />
Erkrankungen entstehen.“ Der Begriff<br />
„Late Presenter“ wird auf Drängen der<br />
HIV-Selbstvertretung zunehmend<br />
durch „Spätdiagnose“ ersetzt, da<br />
er die Ursache einer späten HIV-<br />
Diagnose alleinig dem HIV-Positiven,<br />
dem Presenter, zurechnet und so mit<br />
einer unterbewussten „Schuldfrage“<br />
der Stigmatisierung HIV-Postiver<br />
Vorschub leistet.<br />
„Um noch mehr HIV-Infektionen früher zu diagnostizieren,<br />
müssen Testangebote weiter ausgebaut werden.<br />
Auch sollten niedergelassene Ärzte stärker sensibilisiert<br />
werden und mehr auf HIV und andere sexuell übertragbare<br />
Infektionen testen.“ - Dr. med. Nino Ochana
Gesellschaft<br />
FOTO: WILEY BRAND IMAGES / UNSPLASH / CC0<br />
#PINKWASHING<br />
In den letzten 20 Jahren wurden<br />
in Deutschland vielfältige<br />
Kampagnen für die LGBT+<br />
Zielgruppe aufgelegt. Ein neuerer<br />
Trend ist es, dass auch in Mainstreamwerbung<br />
mit Community-Themen<br />
geworben wird. Dies wird unter dem<br />
Begriff Pinkwashing kritisch betrachtet,<br />
weil in manchen Fällen das Interesse<br />
an der Community ausschließlich durch<br />
mögliche Umsatzsteigerungen motiviert<br />
erscheint. Wir definieren eine Kampagne<br />
als Pinkwashing, wenn sie sich der Symbole<br />
der LGBT+ Community bedient, ohne<br />
eine nachhaltige Beziehung zur LGBT+<br />
Community aufzubauen.<br />
Wer bewertet Pinkwashing?<br />
Die Initiatoren von pink-washing.<br />
de sind Sprachrohre der LGBT+ Community,<br />
die diese seit zum Teil fünfzig<br />
Jahren auf ihrem Weg der Emanzipation<br />
und Anti-Diskriminierung begleiten.<br />
Dazu zählen im Moment die<br />
Medien der blu Mediengruppe: Spartacus,<br />
männer*, blu, Leo, rik, gab, <strong>hinnerk</strong>,<br />
CHECK und mate. Die Plattform<br />
ist offen für weitere Player der queeren<br />
Community und hofft auf reges Interesse.<br />
It‘s time to react!<br />
Wie bewerten wir Pinkwashing?<br />
Es wurde ein erster Kriterienkatalog erstelllt,<br />
der fortwährend weiter entwickelt<br />
wird. Zur Zeit umfasst er vier Kriterien, für<br />
die jeweils ein gehobener, ein gesenkter<br />
oder ein neutraler Daumen vergeben wird.<br />
Die Einzelergebnisse werden in einer Gesamtbeurteilung<br />
zusammengefasst und<br />
begründet. Den Unternehmen wird die<br />
Gelegenheit gegeben, zu offenen Fragen<br />
Stellung zu beziehen. Das Ergebnis wird<br />
der Öffentlichtkeit zugänglich gemacht<br />
und auf dieser Seite archiviert.<br />
Wonach bewerten wir<br />
Pinkwashing?<br />
Innovation: Erzeugt die Kampagne<br />
Aufmerksamkeit innerhalb der Community<br />
oder nutzt sie aktuelle, queere<br />
Trends oder einen neuartigen Kampagnenansatz?<br />
Unternehmen, die bestimmte<br />
Produkte oder Dienstleistungen an<br />
die LGBT+ Zielgruppe richten, sollten<br />
diese auf ihre verantwortungsbewusste<br />
Produktion in der gesamten Lieferkette<br />
überprüfen und mit diesen Angeboten<br />
ein Minimum an Umweltschäden und<br />
gesundheitlichen Risiken verbinden<br />
.<br />
Authentizität: Ein Engagement in der<br />
LGBT+ Community ist nur glaubhaft,<br />
wenn es sich nicht ausschließlich zu<br />
weniger Anlässen wie der Pride-Saison<br />
abspielt, sondern ganzjährig präsent ist.<br />
Zeigt die Kampagne echtes Engagement<br />
für Vielfalt und für die Bedürfnisse der<br />
queeren Community?<br />
Partizipation: Unternehmen, die sich mit<br />
Produkten und Dienstleistungen an die<br />
LGBT+ Community richten, sollten einen-<br />
Teil der erlösten Einnahmen an Organisationen<br />
aus diesem Umfeld spenden oder es<br />
queeren Akteur*innen durch Sponsoringmaßnahmen<br />
zukommen lassen. Werden<br />
queere Menschen, Organisationen oder<br />
Firmen-Netzwerke bei der Gestaltung der<br />
Kampagne mit einbezogen? Wie steht es<br />
mit der diesbezüglichen Diversity-Kultur<br />
im eigenen Unternehmen?<br />
Kommunikation: Unternehmen, die sich<br />
an die LGBT+Community richten, sollten<br />
die gewachsenen Kommunikationsstrukturen<br />
respektieren, die durch Vereine,<br />
Veranstalter und Medien über lange Jahre<br />
aufgebaut wurden. Es ist ein Zeichen von<br />
Intoleranz, an diesen Strukturen vorbei zu<br />
agieren und beispielsweise ausschließlich<br />
über soziale Netzwerke zu kommunizieren.<br />
Diese stehen seit vielen Jahren in der<br />
Kritik, systematisch Inhalte der Community<br />
zu zensieren und so ihrer Ausgrenzung<br />
und Unsichtbarmachung Vortrieb zu<br />
leisten.<br />
Wie kann man* mitmachen?<br />
Gerne bewerten wir Kampagnen, die ihr<br />
besonders wichtig findet.<br />
Schreibt uns an:<br />
redaktion@männer.media
FOTO. BLUCOM<br />
Love Coca-Cola?<br />
Regenbogendosen, CSD-Trucks und immer wieder queere<br />
Werbespots und Plakatkampagnen mit teilweise kontroverser<br />
Wirkung. Voller Einsatz oder zero Substanz? Coca-<br />
Cola im #pinkwashing Check.<br />
INNOVATION<br />
Die Regenbogendose von Coca-Cola wurde erstmals 2019<br />
und dann wieder 2021 im deutschen Markt promoted. Der<br />
Regenbogen selbst ist dabei zurückhaltend angebracht und<br />
das Thema „Love“ dominant. Damit wird ein vielschichtiger<br />
Kampagnenansatz gefahren, der seine Entsprechung in<br />
parallelen Claims wie „Hate can`t dance“ oder „Hate can`t<br />
celebrate“ findet. Das Produkt an sich unterscheidet sich außer<br />
der Verpackung nicht von den üblichen Angeboten und basiert<br />
leider nur auf der Nicht-Diät-Variante.<br />
AUTHENTIZITÄT<br />
Die Kampagne wird gezielt als Pride Kampagne in der entsprechenden<br />
Saison beworben. Sie richtet sich mit ihren Claims<br />
auch an eine breitere Bevölkerung. Dabei kommen auch Plakate<br />
zum Einsatz. Laut Eigenaussage lebt das Unternehmen<br />
Vielfalt und setzt sich für „Gleichberechtigung, Akzeptanz und<br />
Respekt“ ein. Das Unternehmen verteidigt seine Vielfaltskampagnen<br />
medienwirksam gegen homophobe Gesetzgebung in<br />
Ländern wie Ungarn oder unterstützt politische Kampagnen<br />
wie jüngst die #Ehefüralle in der Schweiz.<br />
PARTIZIPATION<br />
Ganzjährig betreibt Coca-Cola eine strategisch angelehnte<br />
Diversity-Arbeit im eigenen Unternehmen. Schon 2010 trat<br />
Coca-Cola in Berlin dem Bündnis gegen Homophobie bei.<br />
Das Unternehmen ist seit vielen Jahren Sponsor von<br />
LGBTIQ*-Events wie zuletzt dem World Pride in Kopenhagen.<br />
Bei der Umsetzung der Kampagne wurden Influencer aus der<br />
LGBTIQ*-Zielgruppe in die Kommunikation einbezogen.<br />
KOMMUNIKATION<br />
Die Kommunikation verläuft auf vielen Kanälen wie Online,<br />
Print, CSD-Paraden mit Trucks sowie Social Media und bezieht<br />
die Akteure der Community mit ein.<br />
FAZIT<br />
Coca-Cola zeigt eindrucksvoll, wie ein Produkt mit relativ<br />
wenig Herstellungstiefe trotzdem in einen anspruchsvollen<br />
kommunikativen Zusammenhang gebracht werden kann. Die<br />
Zusammenarbeit mit der LGBTIQ*-Community ist nach innen<br />
und außen überzeugend.
Gesellschaft<br />
DIVERSITY<br />
VIERMAL AUSGEZEICHNET!<br />
Trotz Pandemie verlieh die PROUT<br />
AT WORK - Foundation zum vierten<br />
Jahr in Folge die „LGBT*IQ Awards“<br />
an Unternehmensnetzwerke, die sich<br />
für die Chancengleichheit und Rechte<br />
aller queeren Menschen am Arbeitsplatz<br />
besonders eingesetzt haben. Wir stellen<br />
die vier Awards vor und lassen ihre<br />
Preissträger*innen zu Wort kommen.<br />
*Marco Bast<br />
Der diesjährige Gewinner des BIG<br />
IMPACT INITIATIVE – Award ist das<br />
Netzwerk der Bundeswehr „QueerBw“.<br />
Der im Jahre 1994 gestrichene §175 gab<br />
den Weg zur Entkriminalisierung aller<br />
Homosexuellen frei, jedoch benutzte<br />
die Bundeswehr in den Folgejahren<br />
die Homosexualität seiner Soldaten<br />
als Degradierungs-, Kündigungs- und<br />
Benachteiligungsgrund. 2021 wurde<br />
auch durch dieses anhaltenden<br />
Engagement der Gesetzesentwurf für<br />
das „SoldRehaHomG“ endlich Realität,<br />
das den Opfern Rehabilitation und<br />
Entschädigung verschafft.<br />
„Der Award ist ein großartiges Zeichen<br />
der Community an uns Aktivist:innen.<br />
Wir freuen uns sehr, dass unsere<br />
Arbeit gesehen wird und einen<br />
spürbaren Einfluss auf das Leben von<br />
Queers in Deutschland hat. Zeitgleich<br />
motiviert er auch: Wir müssen am<br />
Thema bleiben und weiterhin für die<br />
Rechte von Queers Flagge zeigen.“<br />
„QueerBw“ / Bundeswehr<br />
Der RISING STAR – AWARD wird 2021<br />
an das junge Netzwerk „LGBT*IQ &<br />
Friends @ RWE“ verliehen. Hier wurde<br />
eine besondere Trans* Guideline<br />
vorangetrieben, welche Mitarbeiter*innen<br />
in Transition begleitet und zur Seite<br />
steht. Auch Kolleg*innen unabhängig von<br />
Position und Beschäftigung innerhalb<br />
des Unternehmens werden dadurch mit<br />
Aufklärung und Beratung versorgt.<br />
„Den Gewinn des Rising Star Award<br />
2021 hätten wir uns noch vor 3 Jahren<br />
kaum vorstellen können, das erschien<br />
unerreichbar. Er bedeutet sowohl uns<br />
persönlich, als auch für das LGBT*IQ<br />
& Friends-Netzwerk und die Diversity-<br />
Entwicklung bei RWE eine riesige Anerkennung,<br />
die uns sehr glücklich macht.<br />
Innerhalb von RWE wurden wir dadurch<br />
noch bekannter, was nicht zuletzt an<br />
der großen Zahl der inzwischen 192<br />
Mitglieder aus 6 Nationen und allen<br />
Unternehmensbereichen abzulesen ist.“<br />
„LGBT*IQ & Friends“ / RWE<br />
Den GLOBAL LEADER NETWORK –<br />
Award gewinnt 2021 das Netzwerk<br />
„Encompass Pride“ von ABB, das sich<br />
besonders im Pride Month diesen Jahres<br />
global für die Community stark gemacht<br />
hat. „Encompass Pride“ setzt auf<br />
Sensibilisierungstraining mithilfe eines<br />
Ally Guides und Unconcious Bias Training<br />
innerhalb des Unternehmens. Auf jedes<br />
Land individuell zugeschnittene Ansätze<br />
werden mit den globalen Zielen des<br />
Netzwerks vereint, so wurden dieses Jahr<br />
mit rund 25 Veranstaltungen weltweit<br />
Tausende erreicht.<br />
„The award is a strong recognition for<br />
all the work done in boosting inclusion<br />
and equality at ABB for LGBTQ+<br />
people.<br />
We mobilized around 800 people<br />
globally in less than a year and our<br />
ERG are the backbone of our inclusion<br />
strategy, able to educate, engage and<br />
empower the organization to grow and<br />
develop.“<br />
„Encompass Pride“ / ABB<br />
Den diesjährig zum ersten Mal verliehen<br />
SUSTAINABILITY – Award gewinnt das<br />
Netzwerk „Proud Heroes“ von Delivery<br />
Hero. Mit jährlichen Befragungen an das<br />
Team werden hier langfristige Änderungen<br />
und Verbesserungen für alle queeren<br />
Mitarbeiter_innen geschaffen – so werden<br />
auf jeder Ebene des Unternehmens<br />
Richtlinien geschaffen, die Themen wie<br />
Transition, Diskriminierung und Entsendung<br />
ins Ausland aufgreifen.<br />
„The Prout@Work Sustainability Award<br />
means a lot to us. First of all, it shows<br />
us that we have built the community<br />
on a strong foundation. Over the past<br />
two years, our organic growth has<br />
been based on close collaboration<br />
with our I&D and external NGOs. The<br />
award is an external recognition for<br />
us and now we know that our growth<br />
steps are right. Thus, it is also a huge<br />
motivational boost for the future.“<br />
„Proud Heroes“ / Delivery Hero SE<br />
www.proutatwork.de
Gesellschaft<br />
INTERVIEW<br />
HARALD GLÖÖCKLER:<br />
„Nicht SO schwul wie der. Ja geht’s noch?“<br />
Der Designer und Künstler ist<br />
weltweit bekannt. Für uns fand<br />
der queere Star an einem Wintermontag<br />
Zeit für ein stimmungsaufhellendes,<br />
entspanntes Telefonat.<br />
Man glaubt es kaum, aber auch innerhalb<br />
der LGBTIQ*-Community gibt es<br />
Menschen, die sich an manchen Tagen<br />
an Ihrem Auftreten stören. Warum<br />
provoziert Queerness immer noch?<br />
Warum folgen Menschen einem Menschen,<br />
den sie nicht mögen? Da geht es ja<br />
schon mal los. Mir ist es egal, wie meine<br />
Mitmenschen rumlaufen. Wenn eine ihren<br />
BH über dem Pullover tragen will, soll sie es<br />
tun, ich bewerte das nicht – auch nicht rote<br />
oder grüne Haare. Wir sind alle Individuen,<br />
die sich anders ausdrücken und das auch<br />
sollen. Das Einzige, wo ich mal etwas sagen<br />
würde, ist bei der Körperpflege, wenn eine<br />
oder einer sich nicht mehr pflegt, da würde<br />
ich dann schon anmerken: Wäre es nicht an<br />
der Zeit, dich mal wieder zu waschen? Viele<br />
haben eine verzerrte Selbstwahrnehmung.<br />
Wir alle altern, aber was bedeutet denn in<br />
Würde altern? Wer legt das WIE fest? Wir<br />
sind geistige Wesen, die eine körperliche<br />
Zeit erleben, und da kann man den Körper<br />
renovieren wie ein Haus! Ich lebe seit 40<br />
Jahren mit der Gay-Szene, gerade<br />
da erlebe ich viel Intoleranz. Da höre<br />
ich: Ich bin ja auch schwul, aber<br />
nicht SO schwul wie der. Ja geht’s<br />
noch? Wie kann man von außen<br />
Toleranz erwarten, wenn man innerhalb<br />
der Szene nicht tolerant ist.<br />
Aber am Ende des Tages bekomme<br />
ich so viele Nachrichten von jungen<br />
Menschen, so ab 15 Jahren, die sich<br />
für mein Auftreten bedanken, das<br />
ihnen Mut machte, so zu sein, wie<br />
sie sind. Toleranz braucht auch einen<br />
gewissen Grad an Intelligenz und<br />
die nehmen nicht alle in Anspruch.<br />
(kichert)<br />
Sie sind ein Frühaufsteher. Wie<br />
motivieren Sie sich jeden Tag,<br />
fleißig zu sein?<br />
Zum einen ist da schon mal mein<br />
Hund, der raus will! Aber: Wenn man<br />
sich erst motivieren muss … Das<br />
gibt es bei mir nicht. Wenn man<br />
sich etwas vornimmt, etwas geplant<br />
hat, dann fällt einem das Aufstehen<br />
leicht. Ich diskutiere nicht mit mir.<br />
Das ist ja oft das Problem vieler Menschen,<br />
dass sie ständig ihre Entscheidungen<br />
hinterfragen, hadern, zögern.<br />
Viele Menschen fühlen sich heute<br />
einsam, wie bekämpfen Sie solche<br />
Gefühle?<br />
Ach, verbunden sind wir eigentlich nicht.<br />
Man befindet sich auf Social Media in<br />
einem Pool, aber verbunden ist man nicht.<br />
Irgendwie ist das doch ein voyeuristischer<br />
Kram. Natürlich gibt es aber auch dort<br />
ein paar interessante Kontakte, aber das<br />
sind auch in der realen Welt interessante<br />
Menschen, die machen keine Show. Ich<br />
sehe aus, wie auf Instagram, aber manche<br />
sehen auf Instagram aus wie Sonnenschein<br />
und live wie ein Gewitter. (lächelt) Das<br />
große Problem ist das ständige Vergleichen,<br />
dieser Wettbewerb, der Neid erzeugt.<br />
Vergleichen macht keinen Sinn! Man muss<br />
sich auf sich konzentrieren, sich selbst gut<br />
genug sein. Unsere Welt ist emotionslos<br />
geworden, manchmal denke ich mir, das<br />
Einzige, was immer funktioniert, ist Neid.<br />
Thema „Ich bin ein Star – Holt mich<br />
hier raus!“ Warum?<br />
Zum Teil liegt es an Corona, am Lockdown.<br />
Ich saß 2020 in meinem Garten und<br />
dachte mir: Jetzt sitze ich hier, sauber weggesperrt,<br />
dabei brauche ich Öffentlichkeit,<br />
etwas zu tun. Ich bin nicht gerne in der<br />
Defensive, ich brauche ein Projekt! Dann<br />
kam die zweite Anfrage für den Dschungel.<br />
Übrigens die zweite, die erste kam 2010<br />
für die englische Variante, aber da hatte<br />
ich keine Zeit. Und damals auch ein paar<br />
Einwände …<br />
Aber wovor sollte ich da Angst haben? Ich<br />
bin ein Kind vom Land, da hat man keine<br />
Angst vor Ratten. Meine Tante hatte eine<br />
Mühle, da lagen manchmal sterbende Ratten<br />
rum, wenn man, wie damals üblich, mit<br />
Gift gegen sie vorgegangen ist. Furchtbar.<br />
Ich habe mir, als ich das Buch „Prince<br />
Pompöös“ schrieb, überlegt: Was hast du<br />
schon alles erlebt? Was willst du noch<br />
erleben? Ich predige den Leuten immer,<br />
ihre Komfortzone zu verlassen, also war ich<br />
mal dran! An sich finde ich dieses Dschungelcamp<br />
eine tolle Doku. Manchmal waren<br />
die Protagonisten nicht immer … Aber ich<br />
kann ja auch nicht das Opernhaus oder ein<br />
Restaurant boykottieren, nur weil da mal<br />
Menschen sind, die sich nicht benehmen<br />
können. Ohne Lockdown wäre ich nicht<br />
rein ins Dschungelcamp! Zusammen mit<br />
RTL habe ich jetzt gerade eine Tapetenkollektion<br />
entworfen, auch dank des Camps.<br />
Ich bin raus aus der Defensive!<br />
Worauf freuen Sie sich gerade?<br />
Gerade natürlich auf die Weihnachtszeit.<br />
Zudem arbeite ich gerade an einem<br />
Bildband, der im <strong>März</strong> auf der Buchmesse<br />
in Leipzig präsentiert werden<br />
soll. Da werden auch Bilder von mir<br />
von Henning von Berg zu sehen sein.<br />
Wir kennen uns schon sehr lange<br />
und ich sagte zu ihm: Lange muss<br />
man nicht mehr warten, dann ist<br />
der Zug abgefahren! (kichert) Also<br />
darauf freue ich mich. Und auf das<br />
Dschungelcamp. Auf meine Luxury<br />
Tiny Houses – die ich gerade fertig<br />
entworfen habe. Und jeden Tag über<br />
all die Leute, die ich treffe. Ich lasse<br />
mich jeden Tag NEU auf Leute und<br />
Situationen ein. Ich gehe nicht mit<br />
Gedanken von gestern auf Leute zu.<br />
Wenn Sie mir gestern ein Ave Maria<br />
singen und es ist fürchterlich, würde<br />
ich mich trotzdem darauf einlassen,<br />
dass Sie es noch mal singen. Denn<br />
heute habe ich es ja noch nicht von<br />
Ihnen gehört! (lacht)<br />
*Interview: Michael Rädel<br />
www.haraldgloeoeckler.de
Film<br />
Der aus Estland stammende<br />
Regisseur Peeter Rebane<br />
studierte in Harvard und Kalifornien,<br />
inszenierte bislang Dokumentationen<br />
sowie Videos für die Pet Shop Boys<br />
oder Moby und produzierte 2002 den<br />
Eurovision Song Contest in Tallinn.<br />
Der Schauspieler Tom Prior ist Brite,<br />
studierte an der renommierten Royal<br />
Academy of Dramatic Art und war in<br />
Nebenrollen in „Die Entdeckung der<br />
Unendlichkeit“ oder „Kingsman: The<br />
Secret Service“ zu sehen. Gemeinsam<br />
zeichnen die beiden nun, auch als<br />
Drehbuchautoren, für den Film „Firebird“<br />
verantwortlich, der von einer<br />
großen Liebe zwischen zwei Soldaten<br />
in der sowjetischen Armee in den<br />
1970er Jahren erzählt.<br />
Peeter, „Firebird“ basiert auf dem<br />
autobiografischen Roman des<br />
russischen Schauspielers Sergey<br />
Fetisov. Was interessierte Sie an der<br />
Geschichte?<br />
Rebane: Sie hat mich emotional einfach<br />
enorm berührt. Eine Bekannte von mir,<br />
die das größte Filmfestival in meiner<br />
Heimat Estland gegründet hat, bekam das<br />
Manuskript in die Hände und legte es mir<br />
ans Herz, weil ich auf der Suche nach dem<br />
richtigen Stoff für meinen ersten Spielfilm<br />
war. Ich brauchte mit meinem sehr gebrochenen<br />
Russisch eine Woche zum Lesen,<br />
aber war wirklich zutiefst bewegt von dieser<br />
Liebes- und Dreiecksgeschichte.<br />
Warum entschieden Sie sich dazu, den<br />
Film nicht auf Russisch, sondern auf<br />
Englisch zu drehen?<br />
INTERVIEW<br />
Peeter Rebane und Tom Prior<br />
Rebane: Wir haben darüber viel diskutiert.<br />
Hätten wir auf schließlich auf Authentizität<br />
gesetzt, wären vor der Kamera Russisch,<br />
Estnisch und einige andere Sprachen der<br />
UdSSR gesprochen worden. Aber natürlich<br />
war mir auch wichtig, dass der Film von<br />
möglichst vielen Menschen gesehen und<br />
in viele Länder verkauft wird. Da macht<br />
Englisch einfach vieles einfacher. Und wenn<br />
ich mir ansehe, dass der Film bereits auf<br />
über 50 Festivals nicht zuletzt im englischsprachigen<br />
Raum gezeigt wurde, war die<br />
Entscheidung wohl auch richtig.<br />
Außerdem hatten Sie so<br />
natürlich einen breiteren Pool an<br />
Schauspieler*innen, aus dem Sie<br />
schöpfen konnten ...<br />
Rebane: Was nicht unwichtig war, wie sich<br />
herausstellte. Es gab viele, auch sehr etablierte<br />
russische Schauspieler, die mir sagten,<br />
dass ihnen persönlich die Geschichte zwar<br />
sehr gefalle, sie mit einem solchen Film aber<br />
ihre Karriere gefährden würden.<br />
Diese Sorge hatten Sie, Tom, als<br />
offen schwuler britischer Schauspieler<br />
offenkundig nicht. Stießen Sie<br />
über ein ganz normales Casting zu<br />
„Firebird“?<br />
Prior: Nein, das ergab sich auf Umwegen.<br />
Nach dem Dreh zu „Kingsman: The Secret<br />
Service” war ich eine Weile für Meetings<br />
in Los Angeles, wo ich eine britische<br />
Produzentin traf, die mir von dem Projekt<br />
erzählte und fand, die Hauptrolle könnte<br />
was für mich sein. Sie stellte mir Peeter<br />
dann zu Hause in London, wo er damals<br />
FOTOS: SALZGEBER<br />
„FIREBIRD“<br />
auch lebte, auf ihrer Weihnachtsfeier vor.<br />
Wir verstanden uns super und ich mochte<br />
die Geschichte sehr, und so beschlossen wir<br />
eine Art kleinen Teaser des Films zu drehen,<br />
der dabei helfen sollte, Geldgeber an Land<br />
zu ziehen.<br />
Schließlich wurden Sie dann<br />
allerdings nicht nur Hauptdarsteller,<br />
sondern auch Ko-Autor. Wie kam es<br />
dazu?<br />
Rebane: Eigentlich dachte ich zunächst,<br />
meine Drehbuchfassung sei rund um<br />
gelungen. Aber natürlich war doch noch<br />
Luft nach oben, wie sich zeigte.<br />
Prior: Ich habe einfach bei den Proben<br />
immer wieder Vorschläge gemacht, wo man<br />
hier und da die Dialoge noch glaubwürdiger<br />
machen könnte. Dafür zeigte sich Peeter<br />
erfreulich offen, und weil ich auch ein paar<br />
Ideen zur Gesamtstruktur der Geschichte<br />
hatte und nach unserem kleinen Teaser für<br />
den großen Spielfilm sowieso noch ein paar<br />
neue Ideen nötig waren, ergab sich daraus<br />
eine zweieinhalbjährige, enge Zusammenarbeit<br />
am Drehbuch. Wir trafen sogar den<br />
echten Sergey, der damals noch lebte,<br />
und saßen tagelang mit ihm in Russland<br />
zusammen, um über seine Geschichte zu<br />
sprechen.<br />
Weil es eben um russische Schauspieler<br />
ging, die vor schwulen Rollen<br />
zurückschrecken. Haben Sie sich<br />
je darüber Gedanken gemacht, auf<br />
welche Rollen Sie festgelegt werden<br />
könnten, Tom?<br />
Prior: Klar, und das Thema, wer welche
Rollen spielen darf und sollte, wird ja gerade in vieler<br />
Hinsicht mehr diskutiert denn je. Die Agenten in Hollywood<br />
suchen zumindest dieser Tage nicht mehr nur nach weißen<br />
heterosexuellen Männern, das kann man wohl so sagen.<br />
Inklusion wird großgeschrieben, und das finde ich auch<br />
gut. Aber gleichzeitig fand ich persönlich es auch immer<br />
schon gut, wenn das Publikum möglichst wenig über mich<br />
als Privatperson weiß, denn das macht es mir einfacher, in<br />
andere Rollen zu schlüpfen.<br />
Das klingt, als seien Sie kein Fan der Forderung,<br />
queere Rollen sollten vor allem mit queeren<br />
Schauspieler*innen besetzt werden.<br />
Prior: Sagen wir es mal so: Ich finde es sehr wichtig, dass<br />
geoutete Schauspieler*innen genauso viele Jobchancen<br />
haben wie alle anderen auch. Und dass queere Menschen<br />
sich selbst auf der Leinwand repräsentiert sehen. Das<br />
sollte aber nicht dazu führen, dass Schwule nur noch von<br />
Schwulen und Heteros ausschließlich von Heteros gespielt<br />
werden dürfen. Da kommen wir dann auch wieder schnell<br />
in heikle Gefilde. Zumal es nicht so weit kommen sollte,<br />
dass Casting-Agent*innen ihr Gegenüber erst mal nach der<br />
sexuellen Identität fragen, bevor eine Rolle besetzt wird. Und<br />
niemand will das Gefühl haben, einen Job nur auf der Basis<br />
dessen bekommen zu haben, mit wem man ins Bett geht.<br />
Wie sehen Sie als Regisseur die Sache, Peeter?<br />
Rebane: Mir ist es zuletzt öfter passiert, dass Filmfestivals<br />
in ihrem Bemühen um Diversität die Sexualität von<br />
Regisseur*innen und Schauspieler*innen abfragen. Das<br />
finde ich etwas fragwürdig. Verstehen Sie mich nicht falsch,<br />
ich finde es großartig, dass sich unsere Branche endlich<br />
ändert, und vermutlich geht es da nicht ohne ein paar<br />
Maßnahmen dieser Art. Aber als offen schwuler Regisseur<br />
finde ich es auch befremdlich, dass meine Sexualität jetzt<br />
zum Kriterium wird, wenn über meine Arbeit geurteilt wird.<br />
Ich will zu Festivals eingeladen werden, weil mein Film gut<br />
genug ist, nicht um die Schwulenquote zu erfüllen. Und ich<br />
werde auch nicht, wie es neulich bei den British Independent<br />
Film Awards gefordert wurde, irgendwo angeben, ob<br />
meine Mitarbeiter*innen – von der Kostümbildnerin bis zum<br />
Kameramann – queer sind oder nicht. Das steht mir nicht<br />
zu – und geht mich selbst nicht mal was an.<br />
Apropos Festivals: „Firebird“ war 2021 zum Internationalen<br />
Film Festival in Moskau eingeladen. Wie<br />
wurde dort auf den Film reagiert?<br />
Rebane: Zunächst einmal waren wir sehr überrascht,<br />
überhaupt dorthin eingeladen zu sein. Wir sahen das<br />
als Zeichen, dass sich vielleicht doch was tut in Sachen<br />
LGBTIQ*-Akzeptanz. Das erste Screening lief auch gut,<br />
viele Szene-Aktivist*innen waren da und die Publikumsreaktionen<br />
waren positiv. Doch am nächsten Tag erreichte<br />
die Staatsanwaltschaft ein Brief mit der Aufforderung, den<br />
Film zu verbieten. Und plötzlich erschienen 93 Artikel über<br />
„Firebird“ in der russischen Presse, von denen 92 durch und<br />
durch negativ waren. Sie klangen alle, als seien sie von ein<br />
und derselben Person in einem Propaganda-Büro geschrieben<br />
worden, unter der Überschrift „Ein Este, ein Brite und<br />
ein Ukrainer bringen Schande über das Moskau International<br />
Film Festival“. Tatsächlich wurde dann der Ticketverkauf<br />
gestoppt, unsere Gäste-Einladungen wurden gecancelt und<br />
die Presse wieder ausgeladen. Das zweite Screening fand<br />
dann vor leerem Saal statt. So laufen die Dinge leider also<br />
auch heute noch in Russland.<br />
*Interview: Patrick Heidmann<br />
Für Weltentdecker<br />
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Film<br />
NACHGEFRAGT<br />
FOTO: A. RAU<br />
Ausgezeichnet: Lukas Röders „Gehirntattoo“<br />
Der 1993 in Starnberg geborene Regisseur<br />
ist Student an der Hochschule<br />
für Fernsehen und schon seit 2017 immer<br />
wieder erfolgreich bei den Hofer Filmtagen<br />
dabei. 2021 wurde er für seinen Film<br />
„Gehirntattoo“ mit dem „Hofer Goldpreis“<br />
ausgezeichnet. Wir fragten nach.<br />
Querdenker überall, Verschwörungstheorien<br />
… Kamst du dadurch auf das<br />
Thema Schizophrenie?<br />
Nein, das hatte damit nichts zu tun. Ich<br />
bin vor einigen Jahren selbst an einer<br />
schweren Psychose erkrankt und war<br />
lange in der Klinik. Seitdem setze ich mich<br />
filmisch mit psychischen Erkrankungen und<br />
Psychodrama auseinander. Mir ist es wichtig,<br />
darüber Filme zu machen, um einen Dialog<br />
anzustoßen.<br />
Im Film stellst du die Frage, warum<br />
ihn, Hans, niemand streichelt. Wie ist<br />
das gemeint?<br />
Ich glaube nicht, dass streicheln heilt, aber<br />
streicheln tut gut. Streicheln ist besser als<br />
Angst oder Abstand. Mir geht es mit dem Film<br />
darum, eine gewisse Lockerheit im Umgang<br />
mit psychischen Erkrankungen herzustellen.<br />
Ist man erkrankt, muss man sich immer<br />
Gedanken machen: Wird die Person, der<br />
ich es erzähle, verstehen oder wird sie auf<br />
Abstand gehen? Warum ihn niemand streichelt,<br />
soll eine kleine Provokation sein. Warum<br />
Angst haben, wenn wir auch streicheln<br />
könnten? Das ist doch die bessere Option.<br />
Warum soll man sich freuen, wenn<br />
jemand eine psychische Erkrankung<br />
hat?<br />
Mir geht es darum, den Status quo infrage zu<br />
stellen. Eine Erkrankung ist hart und schwer,<br />
aber es hilft keinem Betroffenen, wenn er<br />
oder sie stigmatisiert oder ausgegrenzt wird.<br />
Selbst erkrankt kann ich sagen: Es würde<br />
mir helfen, wenn Menschen meinen Symptomen<br />
mit Offenheit begegnen würden.<br />
Warum sich nicht darüber freuen? Das ist<br />
doch tausendmal besser, als die Menschen<br />
auszugrenzen.<br />
Ich wünsche mir einfach eine bessere Integrierung<br />
von Erkrankung und Erkrankten. Sie<br />
sind Teil unseres Lebens, und Freude über<br />
das Verrückte ist für mich eine Option.<br />
*Interview: Michael Rädel<br />
Das ganze Interview gibt es auf<br />
männer.media<br />
VERLOSUNG<br />
„RESPECT“ –<br />
Jennifer Hudson IST Aretha<br />
„(Oo) All I'm askin' / (Oo) Is for a little respect when you come home (just<br />
a little bit)“ – eigentlich jede(r) mit oder ohne Beziehung oder Dates kann<br />
sich mit diesem Text identifizieren. Aretha Franklin machte die Nummer 1967<br />
zu IHRER Nummer, klar, dass so auch der Film heißt, der sich mit den Anfängen<br />
ihrer Karriere bis zum Jahr 1972 beschäftigt: „Respect“.<br />
Sie wurde missbraucht, geschlagen,<br />
gedemütigt, kontrolliert und<br />
diskriminiert. Trotzdem ging sie ihren<br />
Weg, setzte sich für Frauenrechte, die<br />
schwarze Bürgerrechtsbewegung und<br />
auch für die LGBTIQ*-Community<br />
ein. Ihr half der Glaube an Gott, so<br />
verwundert es auch nicht, dass eines<br />
ihrer erfolgreichsten Alben „Amazing<br />
Grace“ wurde. Bis zu ihrem Tod 2018<br />
landete sie regelmäßig Welthits, „Chain<br />
of Fools“ zum Beispiel, „Who’s Zoomin’<br />
Who?“, „Think“ oder auch „I Knew You<br />
Were Waiting (For Me)“ mit George<br />
Michael und „A Deeper Love“. Bis kurz<br />
vor ihrem Tod war sie aktiv, erfolgreich<br />
und politisch: „Wir alle wollen und verdienen<br />
Respekt. Mann, Frau, Schwarz<br />
und Weiß. Das ist ein elementares<br />
Menschenrecht“, so Aretha Franklin,<br />
die mit ihrer Musik für die Emanzipation<br />
und Bürgerrechtsbewegung ein<br />
deutliches Zeichen setzte. Im <strong>Februar</strong><br />
<strong>2022</strong> erscheint der Film „Respect“ auf<br />
DVD und Blu-Ray, wir verlosen ihn hier:<br />
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Musik<br />
INTERVIEW<br />
LESLIE CLIOs<br />
gute Energie bei „Brave New Woman“<br />
Radio-Hits hatte sie einige,<br />
unter anderem „My Heart Ain’t<br />
That Broken“ oder auch „I Couldn’t<br />
Care Less“ und „Rumours“. 2020 gab<br />
es für die Single „No Man No Cry“ zusammen<br />
mit Oliver Koletzki in Italien<br />
eine Goldene Schallplatte. Jetzt –<br />
fast schon im Frühling <strong>2022</strong> – veröffentlicht<br />
sie ihr viertes Album „Brave<br />
New Woman“ – und setzt dabei auf<br />
Frauen-Power. Wir erreichten sie via<br />
Telefon in einem Park in Kreuzberg.<br />
Die zentralen Themen deines neuen<br />
Albums sind Aufbruch und Self-<br />
Empowerment. Ganz passend dazu<br />
hast du nun deine eigene Plattenfirma.<br />
Wie wichtig ist dir Aufbruch?<br />
Sehr wichtig! Trenne dich von allem, was dir<br />
nicht guttut. Setze auf dich selbst, vertraue<br />
dir.<br />
Dein aktuelles Team besteht aus<br />
Frauen. Wie stehst du zum Wort<br />
Frauen-Power, das in manchen<br />
Kreisen wiederum als diskriminierend<br />
gilt?<br />
Ich sag auch Männer-Power! Insofern … Ich<br />
habe mich bewusst für ein Frauenteam<br />
entschieden. Es ärgert mich, dass Frauen<br />
in unserem Business immer noch so<br />
unterrepräsentiert sind. Der einzige Weg aus<br />
dieser patriarchalischen Sackgasse besteht<br />
darin, Frauen einzustellen, simple as that. Ich<br />
bin megastolz, dass in meinem Team so ein<br />
Haufen toller Frauen zusammengekommen<br />
ist und ich das möglich machen konnte. Es<br />
sind alles wunderbare Frauen, alle wollen in<br />
ihren Gebieten ihre Frau stehen, da entsteht<br />
gute Energie.<br />
Was war dir bei diesem neuen Album<br />
musikalisch besonders wichtig?<br />
Dass meine Stimme im Vordergrund steht.<br />
Absolut im Vordergrund. Beim letzten<br />
Album „Purple“ habe ich relativ viel mit<br />
Collagen gearbeitet. Ich denke jetzt aber,<br />
dass meine Stimme das gar nicht braucht.<br />
Ich kann viel mit meiner Stimme darstellen,<br />
ich brauche da gar nicht viele Effekte. Ich<br />
setzte bei „Brave New Woman“ auf mich<br />
selbst, das passt ja auch zum Motiv des<br />
Albums: auf sich selbst zu setzen.<br />
„ABCDEF***off“ ist ein sehr fröhlich<br />
klingendes Lied, das aber auch<br />
Schmerz und eine Prise Melancholie<br />
beinhaltet. Wie schnell verdaust du<br />
Schmerz?<br />
Oh, eine große Frage.<br />
Grundsätzlich bin ich dafür,<br />
Dinge auszufechten. So<br />
lange daran arbeiten, bis der<br />
Schmerz sich verwandelt<br />
und etwas Neues entsteht.<br />
Es geht immer weiter!<br />
Schmerz ist auch eine<br />
Energie, die gerade bei<br />
Künstler*innen fruchten<br />
kann.<br />
„Millionaire“ ist ein<br />
Liebeslied. Wie wichtig<br />
ist es dir, in einer Beziehung zu sein?<br />
Ich glaube, dass der Mensch per se ein guter<br />
Mensch ist und dass er andere Menschen<br />
braucht. Ich bin – man kann es kaum<br />
glauben – ein eher introvertierter Mensch,<br />
nur auf der Bühne die Rampensau. Aber die<br />
Menschen, die ich in meinem Leben habe,<br />
sind mir sehr wichtig. Eigentlich verkehre ich<br />
immer noch mit denselben Menschen wie<br />
zu Abi-Zeiten.<br />
2019 gab es noch eine EP zwischendurch,<br />
„Repeat“, da konnte man<br />
deine Neuinterpretationen älterer<br />
Kompositionen hören. Wie stehst du<br />
zum Thema Coverversionen?<br />
Für mich ist eine Coverversion eine Wertschätzung<br />
des Originals! Zudem kennen<br />
junge Zielgruppen oft alte Lieder nicht.<br />
Es gibt so viele tolle Songs, die es einfach<br />
verdient haben, wieder gehört zu werden.<br />
Meine nächste Single wird ein Cover<br />
sein: „Love Is a Shield“. Bei mir wurde der<br />
1980er-Song aber ein ganz anderes Lied,<br />
eine Ballade. Eigentlich war er schon für<br />
„Repeat“ geplant, diese EP war eigentlich<br />
als Album geplant, wurde dann zur EP<br />
umgemünzt. Ich bin froh, dass es der Song<br />
jetzt aufs Album geschafft hat!<br />
Du hast auch für<br />
Disney gesungen,<br />
wie erlebst du die<br />
Zusammenarbeit?<br />
„Ich leg los“ heißt<br />
der Song, es war<br />
eine wunderschöne<br />
Erfahrung. Die<br />
Anfrage von Disney<br />
war so ein großes<br />
Geschenk für mich,<br />
da ich ein riesiger<br />
Fan bin! Die Anfrage<br />
kam über mein Kinder-Projekt zustande,<br />
bei dem ich als Kid Clio singe. Ich kann<br />
jeder*m Künstler*in nur raten, auch mal<br />
andere Musik zu machen und nicht zu<br />
denken, dass andere Musik die „Marke“<br />
verwässert. Legt euch ein zweites Ego zu.<br />
*Interview: Michael Rädel<br />
FOTO: SARAH KÖSTER
VIOLINE<br />
ESTHER ABRAMI Geigerin und Influencerin<br />
Bekanntgeworden ist die vom<br />
Magazin Forbes als „Best Influential<br />
Star“ ausgezeichnete 25-jähre Geigerin<br />
als Influencerin bei TikTok und Instagram.<br />
Dort erreicht sie mit ihren kreativen Videos<br />
Millionen junger Menschen, die so die<br />
klassische Musik für sich entdecken.<br />
Auf ihrem selbstbetitelten Debütalbum,<br />
das am 4. <strong>Februar</strong> bei Sony Classical<br />
erscheint, präsentiert Esther Abrami<br />
das weite Klangpanorama einer jungen<br />
Generation klassischer Musiker*innen. Was<br />
Esther Abrami unter dem weitgefassten<br />
Begriff „Klassik“ versteht, versammelt sie<br />
auf ihrem Debütalbum bei Sony Classical<br />
zu einem frischen Blick auf das Genre.<br />
Begleitet am Piano oder von großem<br />
Orchester stehen einmalige neue Arrangements<br />
bekannter klassischer Melodien<br />
– von Schwanensee bis zur Paganini-<br />
Caprice – neben neuen Stücken u.a. von<br />
der jungen Komponistin und Pianistin<br />
Annelie, Hollywood-Soundtrack-Star Jacob<br />
Shea oder ihrem persönlichen Vorbild, der<br />
Oscar-Gewinnerin Rachel Portman.<br />
„Ich liebe die Idee, mit lebenden<br />
Komponist*innen zu arbeiten und eine<br />
echte Interaktion zu haben,<br />
die in der Klassik kaum<br />
existiert. Ganz abgesehen<br />
davon ist es toll, etwas<br />
Anderes, Frisches zu hören,“<br />
erklärt Esther Abrami. Mit<br />
ihrem Album gibt die in<br />
Aix-en-Provence geborene<br />
und am Royal Birmingham<br />
Conservatoire studierende<br />
Violinistin einen farbenfrohen<br />
Einblick in die Welt einer<br />
neuen Generation klassischer<br />
Musiker*innen jenseits traditioneller<br />
Klischees. Esther<br />
Abrami studiert klassische<br />
Violine, engagiert sich für<br />
Tierschutz und als Feministin,<br />
wurde von ihrem Mentor<br />
Julian Lloyd Webber zu einer<br />
der „30 under 30“ der klassischen Musik<br />
gewählt und konzertiert mit Katherine<br />
Jenkins und Roberto Alagna. Zugleich ist<br />
sie auf Social Media zuhause, schreibt<br />
Musik mit dem Elektro-Produzenten<br />
Worakls und sucht mit Komponist*innen<br />
und Musiker*innen wie Alexis Ffrench,<br />
Alban Claudin, Florian Christl, Anna Barry<br />
FOTO: C. ELLIS<br />
Musik<br />
oder Ketan Bhatti nach neuen Klassikklängen.<br />
Zusammen mit diesen unterzieht<br />
sie Satie, Tschaikowsky, Chopin, Ravel,<br />
Rachmaninoff und selbst Bach und Mozart<br />
einer Frischzellenkur, indem sie etwa<br />
„Eine kleine Nachtmusik“, das berühmte<br />
Violinkonzert in a-Moll, BWV 1041 oder<br />
„Schwanensee“ neu arrangiert.<br />
KLASSIK<br />
Francesco Tristano „On Early Music“<br />
FOTO: B. ROTATORI<br />
Der gefeierte luxemburgische<br />
Pianist und Komponist Francesco<br />
Tristano kehrt für sein neues Album<br />
zu seiner ersten Liebe zurück: der<br />
Alten Musik. „Ich bin mit Alter Musik<br />
aufgewachsen“, sagt er. „Sie hat mich also<br />
schon immer begleitet.“ Das Album präsentiert<br />
Werke der Renaissance und des<br />
Frühbarocks mit Tristanos eigenen, vom<br />
Barock inspirierten Klavierstücken und<br />
enthält Musik von Girolamo Frescobaldi,<br />
Orlando Gibbons, John Bull und Peter<br />
Philipps. „On Early Music“ ist jedoch nicht<br />
nur eine Hommage an dieses besondere<br />
Repertoire, sondern Tristano gibt den Werken<br />
mit seinem scharfen Blick fürs Detail<br />
einen frischen, zeitgemäßen Anstrich.<br />
„Ich wollte Werke englischer Komponisten,<br />
von denen ich einige schon seit langem<br />
spiele und liebe, aber ich wollte auch das<br />
Repertoire von Frescobaldi weitererforschen“,<br />
sagt er. „Er hat die Art und Weise,<br />
wie Komponisten für Tasten- bzw. Klavierinstrumente<br />
schreiben wirklich verändert.“<br />
Inspiriert von diesen Größen und ihren<br />
bleibenden Werken funkelt die Musik, die<br />
Tristano für „On Early Music“ geschrieben<br />
hat, nur so vor Vitalität. „On John Bulls<br />
Galliard in D“ ist ein barockisiertes, rhythmisches<br />
Vergnügen, ganz hell und fröhlich.<br />
„Toccata‘“ ist ähnlich aufmunternd,<br />
ein schwindelerregender tänzerischer<br />
Wirbelwind voller komplizierter Arpeggien<br />
und rhythmisch intensiv. „Alte Musik<br />
ist sehr rhythmisch und ich liebe ihren<br />
Groove“, sagt Francesco Tristano, „das<br />
wollte ich widerspiegeln.“ Alle vorgestellten<br />
Werke sind klanglich und melodisch komplementär.<br />
Während einige originalgetreu<br />
wiedergegeben wurden, wurden andere<br />
neu bearbeitet und neu interpretiert. „Ich<br />
wollte ihnen etwas Neues geben“, sagt er,<br />
„etwas Originelles.“ Das führte Tristano<br />
zu Werken, die ein weiteres Hauptthema<br />
des Albums reflektieren – die sanfte<br />
Majestät des Sonnenaufgangs. „Diese<br />
magische Stunde ist sehr kurz, aber die<br />
freigesetzte Energie ist einzigartig“, sagt er.<br />
„Das findet sich oft in Partituren der Alten<br />
Musik wieder – in einem ganz bestimmten<br />
Moment gegen Ende eines bestimmten<br />
Stücks scheint es, als ob die Partitur in eine<br />
harmonische Sequenz verpackt wird, die<br />
das Ende einer komplexen Entwicklung<br />
bestimmt und in ein beruhigendes Ende<br />
übergeht. Es ist sowohl das Ende als auch<br />
ein neuer Anfang“.
Musik<br />
COMEBACK<br />
SOFT CELL<br />
„HAPPINESS<br />
NOT INCLUDED“<br />
FOTO: A. WHITTON<br />
Marc Almond, der legendäre Elektro-<br />
Popper, kommt mit Soft Cell zurück.<br />
Der am 9. Juli 1957 geborene UK-Musiker,<br />
der nach Soft Cell („Tainted Love“ ...)<br />
Mitte der 1980er seine Solo-Karriere<br />
startete, gilt international auch außerhalb<br />
der schwulen Szene als Star. Wichtig<br />
für Almond war es immer, nicht das zu<br />
machen, was andere machen. So steht<br />
er auch als Protagonist für monströsen<br />
orchestralen Pop, in dem sich Klassik<br />
und Pop vermischen. Bekannte Hits sind<br />
„Something's Gotten Hold of My Heart“,<br />
„I Feel Love“ (von Donna Summer, bei ihm<br />
zusammen mit Jimmy Somerville) und<br />
„The Days of Pearly Spencer“. Jetzt meldet<br />
sich „Herr Mandel“ zurück mit seiner Band<br />
Soft Cell! Im Frühling soll das Comeback-<br />
Album des Duos namens „Happiness Not<br />
Included“ erscheinen, unsere Anspieltipps<br />
sind „Heart Like Chernobyl“, „Light<br />
Sleepers“ sowie „Nostalgia Machine“ und<br />
„Polaroid“. *rä<br />
AVANTGARDE<br />
Uèle Lamore „LOOM“<br />
Ihre Liebe zu Jazz, Rock, Indie, Hip-Hop, Trip-Hop und klassischer Musik verwebt die<br />
erst 27-Jährige mit der Leitung des London Contemporary Orchestra (LCO), dem<br />
Experimentieren mit KI-generierten Klängen und dem Erforschen modularer, elektronischer<br />
und synthetischer Musik. Die Gitarre war aber schon immer ihre erste Liebe<br />
– als Teenager lernte sie das Spielen, indem sie den Arctic Monkeys zuhörte – und so<br />
begann sie damit, Gitarren über die elf Tracks von „LOOM“ zu verteilen. Diese führten<br />
wiederum zu Basslinien und Schlagzeugparts, und schließlich zu Streichern.<br />
SOUL<br />
Adele „30“<br />
Die Sängerin über ihr neues Album: „Ich<br />
war sicherlich noch lange nicht dort,<br />
wo ich mir erhofft hatte zu sein, als ich<br />
vor fast drei Jahren damit angefangen<br />
habe. Ganz im Gegenteil. Ich verlasse<br />
mich meist auf Routine und Konstanz,<br />
um mich sicher zu fühlen, das habe<br />
ich immer getan. Und doch warf ich<br />
mich wissentlich, sogar freiwillig, in ein<br />
Labyrinth aus absolutem Durcheinander<br />
und innerer Aufruhr!“, so die Sängerin.<br />
„Unterwegs habe ich viele glühende<br />
Wahrheiten über mich selbst erfahren. Ich<br />
habe viele Schichten abgeworfen, mich<br />
aber auch in neue gewickelt. Ich habe<br />
wirklich nützliche und heilsame Emotionen<br />
entdeckt, von denen man sich führen<br />
lassen kann, und ich habe das Gefühl,<br />
endlich mein Gefühl wieder gefunden zu<br />
haben. Ich würde sogar so weit gehen zu<br />
sagen, dass ich mich in meinem Leben<br />
noch nie so friedlich gefühlt habe. Und so<br />
bin ich jetzt bereit, dieses Album endlich<br />
herauszubringen.“ Große Klasse! *rä
SINGER-SONGWRITER<br />
James Morrison „Greatest Hits“<br />
Mit der Veröffentlichung des „Greatest<br />
Hits“ Albums am 11. <strong>Februar</strong> <strong>2022</strong><br />
verleiht der Sänger James Morrison<br />
seinen früheren Hits nach 15 Jahren seit<br />
Beginn seiner Musikkarriere eine neue<br />
Note, seine Fans dürfen sich außerdem<br />
auf zwei neue Singles freuen, „Who’s<br />
Gonna Love Me Now?“ ist bereits<br />
erschienen. Neue Lebensumstände,<br />
Karrierehöhe- und Tiefpunkte und<br />
Familienzuwachs erlauben dem Sänger,<br />
seine Originaltexte sowohl in der<br />
Instrumentalisierung als auch in der<br />
Art des Gesangs nach so langer Zeit<br />
neu zu interpretieren und mit gereiften<br />
Emotionen zu untersetzen.<br />
Musik<br />
SOUL<br />
Alicia Keys „KEYS“<br />
Endlich neue Musik der Tollen! Bei Alicia Keys (geboren am 25.1.1981) stimmen die Töne, es<br />
nervt kein Divengehabe, sie schmettert, liebkost oder motiviert mit ihrer Kunst. „No One“,<br />
„Fallin'“, „Underdog“, „Empire State of Mind“ oder auch „Doesn't Mean Anything“ und natürlich<br />
„Girl on Fire“ sind Alicia Keys' Klassiker, die mit ihrer Musik seit der Jahrtausendwende<br />
Erfolge feiert. Zusammengearbeitet hat sie schon mit Größen wie Justin Timberlake, Annie<br />
Lennox und auch Angie Stone. Dieser Tage erscheint ihr neues Album „KEYS“. *rä<br />
POP<br />
Years & Years „Night Call“<br />
Gerade noch mit Kylie und „A Second to<br />
Midnight“ in den Charts, jetzt mit seiner<br />
Band Years & Years und den Skandinaviern<br />
von Galantis eurodancig unterwegs:<br />
Olly Alexander. Die leichtfüßige und gute<br />
Laune verbreitende Nummer „Sweet<br />
Talker“ hat das Zeug zum zeitlosen<br />
Szene-Hit, ist es doch eine vertonte<br />
Liebeserklärung an einen Mann. Oder<br />
liegt es an den wirbelnden Geigen? An<br />
den housigen Beats? Die Mischung<br />
stimmt einfach! Und die wird auch beim<br />
neuen Album „Night Call“ stimmen, das<br />
im Januar erscheinen soll. *rä<br />
N A C H E I N E R WA H R E N G E S C H I C H T E<br />
C H A R L A T A N<br />
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Musik<br />
POP<br />
„Things I Can’t Say Out Loud“<br />
Tom Gregory<br />
Sein aktuelles Album heißt „Things<br />
I Can’t Say Out Loud“ ... Aber<br />
singen kann Tom Gregory sie. Und<br />
wie! Der extrem sympathische und<br />
talentierte Musiker beweist auf<br />
seinem zweiten Album, dass es<br />
weiter vorangeht mit der Karriere.<br />
Chart- und Radio-Hits wie „River“,<br />
„Fingertips“, „Never Let Me Down“<br />
und „Footprints“ machten den<br />
1995 Geborenen seit 2017 zu<br />
einem DER Nachwuchsmusiker, die man im Auge behalten sollte,<br />
wenn man auf soulige Popmusik mit mitunter stampfenden Beats<br />
steht. Etwa ein Jahr nach seinem Albumdebüt steht nun das – klasse<br />
– Nachfolgewerk in den Charts und erobert die Fanherzen. Unsere<br />
Anspieltipps sind neben den bereits erwähnten Singles „Please“,<br />
„Northern Lights“ sowie „As Bad As It Seems“. Beste Popmusik des<br />
Wahl-Hamburgers aus England. *rä<br />
FOTO: OZGE CONE<br />
POP<br />
Essential Sugababes<br />
Gerade erschien das erste Album „One Touch“ in<br />
einer wunderbaren neuen Version mit vielen Bonustracks,<br />
schon kommt eine dicke Werkschau um die<br />
Ecke.<br />
Und die strotzt nur so vor Hits – verzichtet aber auf<br />
die Singles des Albumdebüts („Overload“ …), da das<br />
bei einem anderen Label erschienen ist. Das schmälert<br />
den Spaß allerdings kaum. Los geht es mit den<br />
drei Nummer-1-Hits „Freak Like Me“, „Round Round“<br />
und „Hole in the Head“, es folgen Albumstücke wie<br />
„My Love Is Pink“ sowie Top-10-Erfolge wie „Easy“,<br />
„Wear My Kiss“ (die letzte Single vor der zehnjährigen<br />
Pause) und „Get Sexy“. Auf den drei CDs sind natürlich<br />
noch weitere Nummer-1-Hits zu finden, zum<br />
Beispiel „About You Now“ und „Push the Button“.<br />
Was die Zusammenstellung aber so besonders und<br />
für Sammler wertvoll macht, sind die (damaligen)<br />
B-Seiten wie „Who“ oder auch „Killer“ – und die<br />
Live-Stücke wie „Shape“ (ebenfalls ein Top-10-Hit<br />
in UK). Eine gelungene und stimmige Zusammenstellung<br />
– nur schade, dass die vier Charterfolge des<br />
ersten Albums wie eingangs erwähnt fehlen. Unsere<br />
Anspieltipps sind „Denial“ und „Stronger“. *rä<br />
FOTO: UNIVERSAL MUSIC<br />
POP<br />
Große Gefühle, Funk und Disco – Diana Ross<br />
Die Botschaft ist klar: LIEBE. Schon<br />
immer besang die einstige The-<br />
Supremes-Frontfrau das wohl schönste<br />
aller Gefühle – und das dank Hits wie „You<br />
Can’t Hurry Love“, „Ain’t No Mountain High<br />
Enough“, „Chain Reaction“, „Not Over You<br />
Yet“ und „Upside Down“ immer höchst erfolgreich.<br />
Auch auf ihrem neuen Album geht<br />
es um sie, aber auch um Dankbarkeit, nicht<br />
ohne Grund heißt das Album auch „Thank<br />
You“. Dankbarkeit für eine so lange Karriere,<br />
für ihre Familie, die kleinen schönen Dinge,<br />
Achtsamkeit und Zusammenhalt.<br />
Gewidmet hat Diana Ross das Album<br />
all ihren Fans, die sie oft schon seit den<br />
1960er-Jahren begleiten. Die Musik auf<br />
dem neuen Werk ist aber – ohne dass sich<br />
Diana Ross verstellen musste – modern<br />
genug, auch junge Hörer*innen zu gewinnen.<br />
Der Hit „If the World Just Danced“<br />
etwa war dank spaßiger Video-Aktion ein<br />
Renner auf YouTube.<br />
Nicht weniger toll ist der<br />
Nachfolger „All Is Well“ (ihr<br />
erstes NEUES Musikvideo<br />
seit zehn Jahren!) oder<br />
die erste Single des<br />
in ihrem Heimstudio<br />
aufgenommenen Albums,<br />
„Thank You“, die auch<br />
gleich in den UK-Charts<br />
landete. Brandneu ist<br />
nun „I Still Believe“ am Start, ein fröhlicher<br />
Soul-Ohrwurm mit starken Chören und<br />
einer dicken Prise MOTOWN.<br />
Ja, bereits vier Singles wurden bisher aus<br />
dem Album ausgekoppelt, alle konnten<br />
sich in den internationalen Charts gut<br />
platzieren, das Album hat dabei sein<br />
Potenzial noch lange nicht ausgeschöpft.<br />
Das sinnlich-hymnische „Come Together“<br />
zum Beispiel oder auch der funkige<br />
Disco-Kracher „Tomorrow“ sind nicht nur<br />
unsere Anspieltipps, es sind auch sichere<br />
Hits. „Thank You“ ist ein sehr stimmiges,<br />
abwechslungsreiches und spätestens beim<br />
dritten Hören ganz wunderbar berührendes<br />
Spätwerk einer Frau, die nicht nur für Frauen<br />
und die „Black Lives Matter“-Bewegung viel<br />
erreicht hat, sondern sich auch immer für<br />
uns, die LGBTIQ*-Community, einsetzte. *rä<br />
www.dianaross.com
immer aktuell<br />
informiert<br />
FOTO: ISTOCKPHOTO.COM/ PROSTOCK-STUDIO<br />
www.männer.media
Reise<br />
AB IN DIE SONNE<br />
GAY CRUISE <strong>2022</strong><br />
Die Abfahrt der Spartacus Cruise im<br />
<strong>Februar</strong> <strong>2022</strong> nähert sich und damit<br />
die beste Gelegenheit, den Winter<br />
abzukürzen. Zehn Tage Sonnenschein<br />
auf den Kanaren und Madeira – und<br />
das zu einem Tagespreis ab EUR 139<br />
(Vollpension).<br />
Neben vielen kleineren Inseln gehört natürlich<br />
auch Gran Canaria zu den angelaufenen<br />
Häfen. Wer glaubt, Gran Canaria hätte außer<br />
Dünen nichts zu bieten, kennt noch nicht<br />
die Felsenhöhlen der Guayadaque-Schlucht.<br />
Ein besonderes Highlight ist das gleichnamige<br />
Höhlenrestaurant. Hier gibt es lokale<br />
Köstlichkeiten wie frittierte Mini-Tintenfische<br />
mit kanarischen Runzelkartoffeln und<br />
der typischen Mojo Rojo Sauce. Im Aqualand<br />
Maspalomas warten einige der größten<br />
Rutschen Europas wie die 200 Meter lange<br />
Anaconda. Das neue Wasserlabyrinth endet<br />
mit einem Hochgeschwindigkeitsrennen im<br />
achtspurigen Finale. Mit unserem Overnight<br />
bleibt genug Zeit für alle Entdeckungen<br />
oder eine Verlängerung auf der Insel.<br />
FUN AN BORD<br />
Für den Spaß an Bord sorgt ein breites<br />
Entertainment-Programm, das von der<br />
GRAN CANARIA<br />
MADEIRA<br />
MADEIRA<br />
LA PALMA<br />
TENERIFFA<br />
LANZAROTE<br />
LANZAROTE<br />
LA GOMERA<br />
TENERIFFA<br />
GRAN CANARIA<br />
LA PALMA<br />
Buche jetzt deine Flucht vor dem kalten Winter:<br />
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LA GOMERA
heißesten Drag Nina Queer gehostet<br />
wird. Sie ist es auch, die an den Seetagen<br />
die Pool Games mit der Wahl zum „Mr.<br />
Cruise“ mit strengen Herausforderungen<br />
an Körper und Seele leiten wird. Mit von<br />
der Partie ist auch DJ Rony von der Sexy<br />
in Köln und Chris Bekker als La Demence<br />
Resident. Wellness wird auf der „Vasco<br />
da Gama“ großgeschrieben. Das neben<br />
dem Spa gelegene Gym ist 24 Stunden<br />
geöffnet und verfügt über jede Menge<br />
Geräte. Dazu zählen 11 Spinning-Räder,<br />
5 Stepper, 7 Laufbänder, 5 Sitzräder, 14<br />
Kraftmaschinen, 2 Rudergeräte sowie eine<br />
große Auswahl an Freihanteln. Im Spa sind<br />
Trocken- und Dampfsauna im Reisepreis<br />
enthalten. Auf dem obersten Deck<br />
befindet sich der Jogging Trail.<br />
LECKER, LECKER<br />
Das gastronomische Angebot auf dem<br />
Boutiqueschiff VASCO DA GAMA ist<br />
außerordentlich vielseitig. Das „Club Bistro“<br />
ist das Buffetrestaurant und hat für<br />
Frühstück, Mittagessen und Abendessen<br />
geöffnet. Es ist kein herkömmliches<br />
Buffet, denn hinter jeder Essensstation mit<br />
verschiedenen internationalen Gerichten<br />
stehen Mitarbeiter, die das Essen nach<br />
Wunsch zusammenstellen. Im „Waterfront<br />
Mediterranean“ mit seinen 150 Plätzen<br />
werden südländische Speisen serviert. Das<br />
Restaurant ist in einem exklusiven Style<br />
designt. Im „Waterfront Classic“-Restaurant<br />
werden klassische Speisen geboten,<br />
die sich an dem aktuellen Reisegebiet orientieren.<br />
Mit seinen 360 Plätzen ist es das<br />
Hauptrestaurant an Bord. Im „Waterfront<br />
Eurasia“ stehen asiatische Gerichte auf der<br />
Karte. Dies passiert in einer besonderen<br />
Atmosphäre mit 140 Plätzen. „The Grill“ ist<br />
eines der Spezialitätenrestaurants an Bord.<br />
In den Spezialitätenrestaurants werden<br />
qualitativ höher angesiedelte Speisen<br />
serviert. Das Restaurant hat 66 Plätze.<br />
Der „Alfresco Grill“ ist das Bistro für zwischendurch,<br />
wenn man von einem Ausflug<br />
Reise<br />
zurückkommt oder einem am Pool der<br />
Appetit überfällt. Die Pizzen, Burger oder<br />
Hotdogs sind alle im Reisepreis enthalten.<br />
Hinzu kommen zahlreiche Bars wie der<br />
„Captains Club“ oder der „Blue Room“.<br />
U30-ANGEBOT<br />
Für alle unter 30-Jährigen halten<br />
wir ein besonderes Angebot bereit:<br />
Bei Buchung einer Zweierkabine<br />
können zwei weitere Freunde in der<br />
gleichen Kabine kostenlos mitreisen.<br />
Nur für kurze Zeit und solange das<br />
Kontingent verfügbar ist auf<br />
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meine<br />
gay<br />
cruise<br />
8.-18.<br />
FEBRUAR <strong>2022</strong><br />
LETZTE<br />
CHANCE ZU<br />
BUCHEN!
Kunst<br />
NACHGEFRAGT<br />
GIACOMO GIOVANNI:<br />
„Ich liebe Machos“<br />
Pop-Art, so schwul und auch so queer, wie es nur geht. Von leicht<br />
erotisch über sympathisch bis hin zu explizit, Giacomo Giovanni aus<br />
Guatemala ist ein Meister seines Genres: Gay Comic Art. Wir konnten<br />
mit dem Künstler chatten.<br />
Wie lebt es sich als Schwuler in deinem Land?<br />
Ich bin in Guatemala geboren und lebe auch dort. Mein<br />
Name kommt aus dem Italienischen, weil ich spanische<br />
und italienische Wurzeln habe. Das Leben eines<br />
Schwulen hier ist kompliziert, leider auch für die<br />
Community. Man erfährt zwar unglaublich viel<br />
Unterstützung von heterosexuellen Menschen,<br />
aber es gibt zu viel Neid, sinnlose Rivalität und<br />
viel Verwirrung – ich vermute, es liegt am<br />
Machotum. Eine Beziehung zu haben, ist<br />
hier in meinem Land kompliziert, niemand<br />
versteht oder will eine echte Verpflichtung.<br />
Du scheinst auf Machos zu stehen –<br />
aber auch auf Männer, die ihre innere<br />
Queen zulassen, oder?<br />
Ich liebe Machos mit Bärten! Ich habe gelernt,<br />
jeden Menschen zu respektieren, besonders<br />
diejenigen, die uns mit dieser inneren Queen<br />
so viel Freude vermitteln, die so hell strahlen in<br />
einer Welt, die oft dunkel ist. Aber persönlich, als<br />
Liebhaber, verehre ich einen sehr männlichen Mann.<br />
Hast du einen favorisierten Porno-Darsteller?<br />
Definitiv Martin Mazza, ich hatte sogar die Gelegenheit,
GRUSEL<br />
Verwunschene Orte,<br />
Männlein mit Schwanz<br />
und düstere Burgen<br />
Deutschland ist reich an Sagen, Mythen und Gruselgeschichten,<br />
kaum eine Region, wo es nicht Erzählungen<br />
gibt von weißen Frauen, die den Tod bringen,<br />
finsteren Riesen, die Menschen fressen oder Untoten,<br />
die im Dachgebälk toben.<br />
FOTO: M. RÄDEL<br />
ihn zu treffen, als er in mein Land kam, aber ich war<br />
geschockt (lacht), ich konnte kaum ein Foto von ihm<br />
machen, ich habe ihn auch nicht zeichnen können.<br />
Und natürlich Märchen von Hexen, Trollen, Nixen,<br />
Geistern, Kobolden und Feen. Unsere Natur gibt es ja<br />
auch her! Wer etwa einmal im Schwarzwald wandern<br />
war, als die Dämmerung einsetzte, dem ist klar, warum<br />
man sich so manches neblige Phänomen überirdisch<br />
erklärt hat. Und im dortigen Hotel Waldlust will nicht<br />
ohne Grund keiner mehr einchecken ... Das Buch<br />
„Schaurig-schönes Deutschland“ von Marieluise<br />
Denecke zeigt dir, wo du solche gruseligen Orte (115<br />
sind in diesem Buch aufgelistet) finden kannst, verrät<br />
Wissenswertes über die jeweilige Stätte des Grauens<br />
oder wohligen Grusels. Kurz und knapp werden auch<br />
noch die dazugehörigen Geschichten erzählt, etwa<br />
die von den Männlein im Schwarzwald, die fleißig und<br />
strebsam und mit Fischschwänzen zusammen mit den<br />
Menschen arbeiteten, bis … *rä<br />
verlagshaus24.de/schaurig-schoenes-deutschland<br />
Deine Motive sind nicht immer jung.<br />
Nein, ich mag ältere Männer, besonders die mit schönen<br />
silbernen Bärten. Für mich ist es jedoch großartig,<br />
verschiedene Menschen jeden Alters zu zeichnen. Ich<br />
denke, obwohl ich ihren Körper abbilde, möchte ich sie<br />
so festhalten, wie ich sie sehe, mit den Augen der Seele.<br />
Wie entsteht deine Kunst?<br />
Ich arbeite digital und ich mache alles von meinem<br />
Handy aus, was eine große Herausforderung ist, da ich<br />
keinen Computer oder kein iPad habe. Es erfordert mehr<br />
Aufwand, aber es lohnt sich, das zu tun, was ich liebe.<br />
Wo kann man deine Kunst kaufen?<br />
Ich bewerbe und verkaufe meine Kunst über mein<br />
Instagram-Profil, dort kann ich Menschen aus verschiedenen<br />
Ländern der Welt erreichen.<br />
*Interview: Michael Rädel<br />
www.instagram.com/j4ck0m0
Buch<br />
NACHGEFRAGT<br />
LILIAN<br />
AUZAS:<br />
La Hagen, Brecht<br />
und Dackel<br />
FOTO: A. AUZAS<br />
Dieser Autor aus Frankreich<br />
widmet sich umstrittenen<br />
deutschen Damen, etwa Leni Riefenstahl<br />
oder Nina Hagen, genauso<br />
wie DEM bayerischen Hund überhaupt:<br />
dem Dackel. Für uns hatte er<br />
Zeit für einen Chat.<br />
Wie kamst du auf die Idee, dich mit<br />
dem Dackel zu beschäftigen?<br />
Von dem Moment an, als mein erster<br />
Roman (inspiriert vom Leben der deutschen<br />
Filmemacherin Leni Riefenstahl,<br />
2012) veröffentlicht wurde, wusste ich,<br />
dass ich eines Tages eine Lobrede auf<br />
den Dackel schreiben werde. Als ich<br />
ein Teenager war, hatten meine Eltern<br />
neben vielen anderen Hunden einen<br />
Dackel. Und ich verliebte mich in diesen<br />
Hund. Es ist ein erstaunliches Tier: lustig,<br />
klug, rücksichtslos und ein Komiker! Der<br />
Dackel ist ein sehr gutes Studienfach.<br />
Eines Tages traf ich meine Lektorin<br />
Émilie Colombani bei Éditions Rivages<br />
in Paris und sie hatte ein Projekt für eine<br />
Sammlung von Lobreden. Die Idee eines<br />
Dackels verführte sie. Und das<br />
Buch war geboren.<br />
Du hast aber auch Nina Hagen<br />
und Bert Brecht unter die<br />
literarische Lupe genommen.<br />
Genau, das Buch ist letztes Jahr<br />
erschienen. Ich habe mehrere Konzerte<br />
von Nina Hagen besucht, wo sie<br />
Bertolt Brecht singt, darunter zwei im<br />
Berliner Ensemble. Sowohl in Frankreich<br />
als auch in Deutschland wird Nina<br />
Hagen in den Medien oder vom Volk<br />
als netter Verrückter wahrgenommen.<br />
Das ist total ungerecht! Nina Hagen<br />
ist äußerst kultiviert und intelligent. Du<br />
musst ihr nur zuhören. Kein Wunder, dass<br />
sie Brecht singt. Was ich in meinem Buch<br />
zeige, ist, dass Brecht schon immer eine<br />
wichtige Rolle in ihrem Leben gespielt<br />
hat seit ihrer Kindheit in der DDR. Nina<br />
Hagen ist eine Erbin des Schriftstellers.<br />
Sie sieht die Welt als gigantisches<br />
Theater, eine großartige improvisierte<br />
Aufführung vor ihrer Begegnung mit<br />
Gott. Sie ist immer noch ein Enfant<br />
terrible, neugierig und wissbegierig. Mit<br />
66 Jahren lernt Nina Hagen weiter und<br />
hört nie auf zu hinterfragen. Sie ist eine<br />
wahre Künstlerin! Und von seltener<br />
Sensibilität. Ich konnte mit ihr reden,<br />
während ich mein Buch schrieb. Ich habe<br />
viel gelernt, es war unglaublich. Brecht<br />
ist ein bisschen eine Schutzfigur von<br />
ihr. Jemand musste das in einem Buch<br />
erklären. Und ich hatte gesehen, dass es<br />
bisher kein Deutscher getan hat (lacht),<br />
also habe ich kleiner Franzose losgelegt!<br />
Was fasziniert dich an Nina?<br />
Alles an ihr. Sie ist eine Künstlerin von<br />
unermesslicher Menschlichkeit. Ihr<br />
Talent ist unglaublich. Sie ist lustig und<br />
berührend zugleich. Ich liebe sie einfach!<br />
Als ich ein Kind war, habe ich sie oft im<br />
französischen Fernsehen gesehen, da sie<br />
Ende der 1980er und Anfang der 1990er<br />
in Paris lebte. Ich hoffe, ihr neues Album<br />
erscheint bald, ich vermisse sie!<br />
Und an Dackeln?<br />
Dackel sind faszinierende kleine Hunde.<br />
Sie stammen aus Deutschland ... (Ja, ich<br />
habe einen Tropismus zu Deutschland,<br />
ich muss in einem früheren Leben Deutscher<br />
gewesen sein.) Mein Buch über sie<br />
zeigt viel über Dachshunde. Schriftsteller<br />
wie Vladimir Nabokov, Colette, Elizabeth<br />
von Arnim, Michel Houellebecq und viele<br />
andere haben über diese kleinen Hunde<br />
mit ihrer unglaublichen Morphologie<br />
geschrieben. Dadurch haben sie auch ein<br />
komisches Potenzial (wie im Film THE<br />
UGLY DACHSHUND von Disney) und sie<br />
waren bei vielen Königen in Mode (Queen<br />
Victoria war ein Fan!). In Passau ist ihnen<br />
sogar ein Museum gewidmet. Auch viele<br />
Künstler wurden inspiriert, wie Picasso,<br />
Hockney, Warhol, Bonnard, oder<br />
Fotografen wie Elina Brotherus<br />
und Cartier-Bresson, um nur<br />
einige zu nennen. Und viele, viele<br />
andere! Leider wurde er auch<br />
für Nazi-Propaganda verwendet.<br />
Kurzum, es gibt viel über diesen<br />
Hund zu sagen und mein Buch ist<br />
voller Anekdoten. Ich hoffe, dass<br />
eines Tages auch Deutsche meine<br />
Bücher lesen können.<br />
*Interview: Michael Rädel<br />
www.instagram.com/lilianauzas
COMIC<br />
Doppelleben<br />
musste sein<br />
Buch<br />
Im 20. Jahrhundert war es auch bei<br />
uns noch viel, viel schwerer schwul<br />
oder queer zu leben. Begegnungen wurden<br />
strafrechtlich verfolgt, Gefängnis, Ächtung<br />
und auch Isolation von der heterosexuellen<br />
Mehrheitsgesellschaft drohten, wenn<br />
bekannt wurde, dass man sein eigenes Geschlecht<br />
liebt. Mit dieser – in vielen Ländern<br />
der Welt immer noch aktuellen – Situation<br />
beschäftigt sich „Parallel“ von Matthias<br />
Lehmann, das gerade erschienen ist.<br />
Es erzählt die fiktionale, aber an das<br />
Leben eines schon verstorbenen<br />
Verwandten angelehnte, Geschichte<br />
eines Mannes, Karl Kling, der zwischen<br />
den 1950ern und 1980ern in der BRD ein<br />
Parallelleben zwischen seiner Rolle als<br />
biederer Familienvater und eben seiner<br />
eigentlichen Sexualität führt. Beobachtet<br />
von neugierigen Nachbarn, verurteilt von<br />
der enttäuschten Ehefrau. Ein mitunter<br />
beklemmender Comic, der exemplarisch<br />
für unzählige Schicksale steht. Das Debüt<br />
des Leipziger Zeichners macht erfahrbar,<br />
wie schwer es war, sich zu outen – und<br />
weckt damit auch Verständnis für ältere<br />
prominente Homosexuelle, etwa für den<br />
unlängst verstorbenen Alfred Biolek. Wenn<br />
man sich so lange verstecken musste,<br />
feiert man nicht plötzlich selbstbewusst<br />
sein Coming-out. Im Falle von Alfred Biolek<br />
war sein Outing durch Rosa von Praunheim<br />
eine Befreiung, etwas Gutes. In dem Buch<br />
sieht man aber, warum viele Queers so<br />
lange zögerten oder sich auch heute noch<br />
verstecken. Ein lehrreiches, lesenswertes<br />
und auf seine Art auch unterhaltsames –<br />
nicht düsteres – Buch. *rä<br />
www.reprodukt.com<br />
BILDBAND<br />
BOWIE in 243 brillanten Bildern<br />
25 Fotografinnen und Fotografen<br />
versammelt dieser pralle Bildband<br />
„David Bowie: Foto“, der dem<br />
genialen Musiker ein wunderbares<br />
optisches Denkmal setzt.<br />
FOTO: KEVIN CUMMINS<br />
Zu sehen ist auf über 350 Seiten<br />
Kunst von Größen wie Greg<br />
Gorman, Andrew Kent, Markus<br />
Klinko, Geoff MacCormack, Janet<br />
Macoska, Terry O‘Neill, Denis<br />
O’Regan, Norman Parkinson, Mick<br />
Rock, John Scarisbrick, Steve<br />
Schapiro, Barry Schultz und<br />
Masayoshi Sukita (er schoss 2009<br />
David Bowies letztes offizielles<br />
Porträt).<br />
Im Zentrum steht natürlich<br />
immer der bisexuelle Avantgarde-<br />
Künstler, Popstar und Schauspieler<br />
David Bowie (8.1.1947<br />
– 10.1.2016), jener Musiker, der<br />
mit „Starman“, „Heros“, „China<br />
Girl“, „Under Pressure“, „Space<br />
Oddity“, „Ashes to Ashes“ und<br />
„Let’s Dance“ Musikgeschichte<br />
schrieb und Kritikerherzen<br />
entzückte. „David Bowie: Foto“ ist<br />
eine Zeitreise von 1967 bis in die<br />
frühen Nullerjahre, zu sehen sind<br />
Porträts und Albumcover, Probenund<br />
Auftrittsbilder, Kunstfotos<br />
und Schnappschüsse – es beginnt<br />
aber mit einer persönlichen Einführung<br />
von George Underwood,<br />
selbst Künstler, Musiker und David<br />
Bowies lebenslanger Freund.<br />
„David Bowie: Foto“ ist ein hochwertiges<br />
Muss für alle, die sich<br />
mit Musik, Popmusik und auch<br />
queerer Kunst beschäftigen. *rä<br />
„David Bowie: Foto“, 356 Seiten<br />
mit 243 Fotografien, Hardcover,<br />
ISBN 978-3-9820207-8-5, das<br />
Buch erscheint am 24. September<br />
beim Verlag Salz und Silber,<br />
www.salzundsilber.de
Buch<br />
Yusuhara Community Market Yusuhara, Kochi, Japan,<br />
2009 – 10, © Takumi Ota Photography<br />
ARCHITEKTUR<br />
Für den Menschen und mit der Natur<br />
V&A Dundee Dundee, Scotland, UK,<br />
2010 – 18, © Hufton + Crow<br />
Architektur ist Teil unserer Lebenswirklichkeit,<br />
sie kann erdrücken, motivieren,<br />
beeindrucken oder auch liebkosend<br />
umspielen. „Dieser Mann blickt auf die Erde<br />
und die Schatten und sieht das Hier und<br />
Jetzt“, so Herausgeber Philip Jodidio über<br />
Kengo Kuma, dessen Gebäude die urbane<br />
Welt lebenswerter machen.<br />
Immer mehr Architekten setzen bei ihren<br />
Projekten wieder auf die Gesamtkomposition<br />
der Häuser in der Straße, der Gebäude<br />
in der Landschaft mit ihrer Umgebung. Wo<br />
etwa die Sowjetunion riesige Plattenbauten<br />
in eine pittoreske Umwelt klotzte, würde<br />
man heute sicherlich anders bauen. Mit und<br />
nicht gegen das von Natur aus harmonische<br />
Gesamtbild. Ging es – ausgenommen<br />
beim Jugendstil und Freigeistern wie<br />
Hundertwasser – im 20. Jahrhundert oft<br />
darum, sich von der Wildnis abzugrenzen, so<br />
nährt man sich jetzt wieder der bedrohten<br />
und lebenswichtigen Flora und Fauna an.<br />
Sei es mit Materialien wie Bambus und Holz<br />
oder auch mit einer (außer in unbelehrbaren<br />
Großstädten) organischeren Form.<br />
Der international bekannte japanische<br />
Architekt Kengo Kuma, Jahrgang 1954,<br />
ist einer der Vorreiter, der schon lange auf<br />
Nachhaltigkeit setzt und sich bereits früh<br />
von rechteckigen Megabauten, die den<br />
Himmel bedrohen und die Erde „verklotzen“,<br />
verabschiedete. Ansprechende Oberflächen,<br />
innovative Strukturen sowie fluide Formen<br />
waren und sind ihm wichtig. Kenga Kumas<br />
Vision ist es, dass sich der Mensch<br />
wieder mit der Körperlichkeit seines Hauses<br />
verbindet. „Respekt vor der Kultur und dem<br />
Umfeld des Ortes, an dem ich arbeite“, sei<br />
ein primärer Anspruch, so der gefeierte<br />
Architekt. Eine Kapelle aus Birkenstämmen<br />
und Moos ist genauso möglich wie Häuser<br />
aus Bambus und Reetdächer.<br />
Seine Idee für das japanische Nationalstadion<br />
für die Olympischen Sommerspiele<br />
etwa könnte „der Katalysator sein, der die<br />
jetzige Betonstadt Tokio wieder zurückverwandelt.<br />
Mit diesem Beispiel möchte ich<br />
dazu beitragen, die Richtung der japanischen<br />
Architektur zu ändern“, so Kengo Kuma.<br />
Beim TASCHEN Verlag aus Köln erschien vor<br />
einigen Wochen das 460 Seiten starke Buch<br />
„Kuma. Complete Works 1988–Today“ von<br />
Philip Jodidio, das sich dem bahnbrechenden<br />
und wegweisenden Werk Kengo Kumas<br />
widmet – in enger Zusammenarbeit mit<br />
dem Architekten entstanden. Etwa 500<br />
Skizzen, Bilder und Pläne sind in dieser<br />
XXL-Monografie versammelt, die es auch<br />
in streng limitierter Version gibt, mit einer<br />
von Kengo Kuma signierten Heliogravüre<br />
einer Originalzeichnung in einem von Kuma<br />
entworfenen Holzschuber, in Japan gefertigt,<br />
auf 200 Exemplare begrenzt. Inspirierend! *rä<br />
www.taschen.com<br />
ROMAN<br />
Jugendliche, Gender, Identität und Sexualität<br />
Die Autorin Meredith Russo hat mit „Birthday – Eine Liebesgeschichte“ eines der womöglich<br />
schönsten Bücher für Jugendliche zu Themen wie Transgender, Liebe, Freundschaft und Heranwachsen<br />
im Angebot.<br />
Sie erzählt in ihrem Roman von Morgan<br />
und Eric, die am selben Tag Geburtstag<br />
haben, beste Freunde, enge Vertraute und<br />
vor allem Hüter eines Geheimnisses sind.<br />
Denn Morgan merkt, dass er im falschen<br />
Körper lebt und ein Mädchen ist. Das<br />
Buch begleitet die beiden über sechs<br />
Jahre hinweg und macht den Prozess<br />
erfahr- und nachvollziehbar, den ein<br />
Trans*-Mensch durchlebt. Auf direkte,<br />
trotzdem einfühlsame und authentische<br />
Weise nähert sich das Buch<br />
leider immer noch heiß debattierten<br />
Themen wie Gender, Identität und Sexualität.<br />
„Birthday – Eine Liebesgeschichte“ leistet damit<br />
nicht nur einen wichtigen Beitrag für die Transgenderliteratur<br />
und die LGBTIQ*-Community,<br />
sondern auch für aktuelle und realistische<br />
Jugendliteratur. „Meredith Russo lässt uns ganz<br />
tief in die Seele von Morgan blicken“, urteilten<br />
die Kollegen von „Welt am Sonntag“, und<br />
auch für die queere Community ist das Buch<br />
durchaus eine Bereicherung und klärt auf, wo<br />
mitunter noch Vorurteile die Nächstenliebe<br />
trüben. Die Autorin ist übrigens selbst trans*<br />
und lebt seit 2013 als Frau. *rä
KALENDER<br />
Bitte trainieren Sie weiter ...<br />
Buch<br />
Hier gibt es nichts, nee, jede<br />
Menge zu sehen. Und bald noch<br />
mehr, denn der neue Kalender<br />
von „Worldwide Roar“ steht<br />
schon in den Startlöchern.<br />
Warum die Männer von #WorldwideRoar<br />
das machen? Weil nackt besser sei und<br />
Frieden schaffen würde, so das queere<br />
Team hinter dem sexy Body-Positivity-<br />
Projekt. „Zu viele Männer sehnen sich<br />
danach, mit Angst und Ehrfurcht, statt<br />
mit Liebe und Respekt betrachtet zu werden.<br />
Zu viele dieser Männer haben Macht.<br />
Sie wissen, wen wir meinen. Es ist nicht<br />
gut für sie und es ist nicht gut für den<br />
Rest von uns. Deshalb bitten wir Männer,<br />
sich auszuziehen. Nicht nur, weil es Spaß<br />
macht, obwohl es so ist! Wir tun es, weil<br />
die Welt einen neuen Blick auf Männer<br />
werfen muss.“ Begonnen hat einst alles,<br />
als sich 2010 LGBTIQ*-Aktivisten der<br />
Warwick University in England mit dem<br />
dortigen Ruderteam zusammentaten, um<br />
mit erotischen Kalendern Geld für queere<br />
Projekte zu sammeln. Der Beginn einer<br />
Erfolgsgeschichte! „Wir sagen Nein zu<br />
Stereotypen. Wir möchten zeigen, dass<br />
wir Männer sind, die glücklich sind, verletzlich<br />
zu sein, glücklich, für dich nackt<br />
zu sein, unabhängig von der Sexualität<br />
oder dem ursprünglichen biologischen<br />
Geschlecht, und glücklich, einander nahe<br />
zu sein.“ *rä<br />
www.worldwideroar.org
Buch<br />
KALENDER<br />
Sexy Iren<br />
Irlands Prachtstücke werden von Männern wie diesen<br />
großgezogen. Landwirte, die ihre Tiere lieben und sich auch<br />
nicht scheuen, mit ihren Prachtstücken zu posieren … o.<br />
Oder auch mal homoerotisch. ... Dieser Kalender für <strong>2022</strong><br />
ist ein Muss für alle Fans roter Bärte, kerliger Bauern und<br />
drolliger Schweine. Ein hyggeliger Wandschmuck, der nicht<br />
zu erotisch ist, aber trotzdem jede Menge Sex transportiert.<br />
„The Best of Irish Farmers Vol II – Calendar <strong>2022</strong>“ – ein<br />
Kalender, der mit Testosteron und süßen Tierchen durchs<br />
Jahr begleiten wird. *rä<br />
farmercalendar.com<br />
KALENDER<br />
»Oh, là, là ! Des Français nus ...«<br />
Der französische Fotograf Romain Berger weiß, wie #Mann sehr gut<br />
durchs Jahr kommt: mit schwuler Kunst in Kalenderform! Das 29 cm x<br />
42 cm große Prachtstück „BIZARRE“ ist erotischer Augenschmaus und<br />
queere Kunst zugleich, dein hyggeliges Heim wird definitiv von diesem<br />
Wandschmuck profitieren.<br />
Über den auf seiner Homepage erhältlichen Kalender verrät Romain<br />
Berger: „Er ist sinnlich, künstlerisch und sanft provokant“ und vor allem<br />
unzensiert und mit bisher unveröffentlichten Bildern, die „etwas Wärme“<br />
in dein Leben bringen sollen. Wärme? Womöglich sogar Hitzewallungen<br />
bei dem ein oder anderen Kunstliebhaber. Der 1988 Geborene beherrscht<br />
gekonnt das Spiel mit der Kamera, beweist ein exzellentes Händchen<br />
für schwule Erotik und pralle Bildkompositionen zwischen Kunst und<br />
Vollerotik. Den DIN-A3-Kalender für ein sexy <strong>2022</strong> bekommst du hier:<br />
www.romainberger-photography.com/calendrier-<strong>2022</strong>. *rä<br />
KALENDER<br />
Australische<br />
Feuerwehrmänner<br />
In sage und schreibe sechs Versionen erscheint der „Australian Firefighters<br />
Calendar“ für <strong>2022</strong>. Wir haben hier ein paar schöne Motive für dich<br />
rausgesucht ...<br />
Den Kalender kann man sich in folgenden<br />
Varianten in die hyggelige Bude holen: Feuerwehrmänner,<br />
sommerliche Brandschützer,<br />
Katzen und Feuerwehrmänner, Pferde<br />
und Firefighters, Hunde und Brandmeister<br />
sowie Tiere der Wildnis und Brandschützer.<br />
Die Einnahmen aus dem Verkauf der seit<br />
1993 erscheinenden Kalender werden wie<br />
immer der Children’s Hospital Foundation<br />
zugutekommen – diese erforscht Behandlungsmethoden<br />
bei Verbrennungen im<br />
Kindesalter. Bisher kamen über 3 Millionen<br />
Australische Dollar zusammen. *rä<br />
www.australianfirefighterscalendar.com
HIV-Patienten<br />
in besten<br />
Händen<br />
Individuelle Betreuung –<br />
langfristig, zuverlässig und mit<br />
höchster medizinischer Kompetenz<br />
Wir bieten unseren Patienten einen persönlichen HIV-Spezialisten<br />
als erfahrenen Wegbegleiter für eine optimale medizinische Behandlung<br />
und Betreuung.<br />
● Zentrum Infektiologie, akkreditiert<br />
durch die Deutsche Gesellschaft für<br />
Infektiologie, mit Schwerpunkt<br />
HIV-Infektion – zertifiziert nach<br />
ISO 9001<br />
● Innovative Therapien in der<br />
ifi-Studienzentrale<br />
● Teilnahme an nahezu allen wichtigen<br />
Studien und damit frühestmöglicher<br />
Zugang zu neuen Medikamenten<br />
● Terminsprechstunde,<br />
keine Wartezeiten<br />
● Jegliche Diagnostik möglich durch<br />
Anbindung an die Asklepios Klinik<br />
St. Georg<br />
● Zentrale Lage mit guter Verkehrs -<br />
anbindung, Parkplätze vorhanden<br />
Sechslingspforte<br />
Asklepios<br />
Klinik<br />
St. Georg<br />
Barcastraße<br />
Lange Reihe<br />
Bus Linie 6 und 37<br />
AK St. Georg<br />
2 min. Gehstrecke<br />
N<br />
Alsterschwimmhalle<br />
Haus L<br />
Philipsstraße<br />
Lohmühlenstraße<br />
Steindamm Lübeckertordamm<br />
U-Bahn U2, U3<br />
S-Bahn S1, S11<br />
Berliner Tor:<br />
5 min. Gehstrecke<br />
Bus Linie 36<br />
Lohmühlenstr.<br />
2 min. Gehstrecke<br />
Berliner Tor<br />
U-Bahn U1<br />
Lohmühlenstr.:<br />
2 min. Gehstrecke<br />
INSTITUT Hauptbahnhof 10 min. Gehstrecke<br />
ifi-Institut | Asklepios Klinik St. Georg<br />
Haus L – Lohmühlenstr. 5 – 20099 Hamburg<br />
Tel.: 0 40 / 28 40 760 0<br />
info@ifi-medizin.de | www.ifi-medizin.de<br />
Das ifi-Institut –<br />
Ihr Kompetenzzentrum bei HIV-Infektion<br />
Termine: (0 40) 28 407 600
DiE COOLSTEN<br />
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Werbung der STARCAR GmbH, Verwaltung, Süderstr. 282, 20537 HH<br />
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inklusive<br />
Stromkarte<br />
E-FAHRZEUGE<br />
inkl. Stromflat<br />
UMZUG<br />
ab 6,90/Std.<br />
SALE ANGEBOTE<br />
täglich neu