Kinder und Eltern 1/22
Die Zeitschrift der Wiener Kinderfreunde
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ELEMENTARBILDUNG<br />
Feste feiern mit Martina <strong>und</strong> Martin<br />
Unser Betriebskindergarten TownTown<br />
feiert seine Feste gendergerecht – eine<br />
Neuerung, die viel Zuspruch erfährt,<br />
die aber auch sorgfältig vorbereitet<br />
werden will. Der Erfolg bei den <strong>Kinder</strong>n<br />
zeigt: Eine gerechtere Welt beginnt im<br />
<strong>Kinder</strong>garten.<br />
Feste sind wichtig, sie geben dem Jahreskreis<br />
eine schöne Struktur. Im<br />
Brauchtum liegen Weisheiten verborgen,<br />
die auch die <strong>Kinder</strong>fre<strong>und</strong>e gerne würdigen<br />
möchten. Das heißt aber nicht, dass<br />
sich die Dinge nicht zeitgemäß weiterentwickeln<br />
dürfen.<br />
Die dunkle Jahreszeit bringt uns beispielsweise<br />
dazu, näher zusammenzurücken <strong>und</strong><br />
Lichter anzuzünden. So verw<strong>und</strong>ert es<br />
nicht, dass gerade in dieser Jahreszeit Laternenfeste<br />
Teil des Brauchtums sind. Unsere<br />
Traditionen in Österreich sind dabei<br />
allerdings sehr stark männlich geprägt. So<br />
ist es etwa der heilige Martin, der mit Mut<br />
seinen Glauben bezeugt <strong>und</strong> für die Armen<br />
eintritt. Hier gilt, was bei vielen Legenden<br />
zu beobachten ist: Frauen stehen oftmals<br />
nur am Rand. Wenn sie Teil der Geschichte<br />
sind, dann verbleiben sie oftmals passiv.<br />
SIND WIR TOLERANT GENUG?<br />
Unser <strong>Kinder</strong>garten TownTown hat seit<br />
zehn Jahren einen Genderschwerpunkt.<br />
Martin oder Martina, wer teilt<br />
den Mantel mit den Bedürftigen?<br />
Alle <strong>Kinder</strong> machen mit.<br />
Über die Vielfalt von<br />
Hautfarben zu lernen<br />
ist ein <strong>Kinder</strong>spiel.<br />
Der Bildungsplan sieht Brauchtumsvermittlung<br />
vor, will diese aber mit modernen<br />
Erkenntnissen der Gendergerechtigkeit<br />
ergänzen. Die Pädagogin Jacqueline<br />
Polsterer berichtet von gewissen Widerständen.<br />
„Ob denn alles gegendert werden<br />
müsse“, <strong>und</strong> ob die „Welt nicht schon offen<br />
<strong>und</strong> tolerant genug sei“, wurde sie gefragt.<br />
Keine Frage, unsere Gesellschaft ist<br />
tatsächlich offener geworden. Wer selbst<br />
keine Diskriminierungserfahrungen gemacht<br />
hat, übersieht allerdings gerne, wie<br />
stark die Gesellschaft einzelnen Gruppen<br />
immer noch feste Rollen zuteilt.<br />
IN VERSCHIEDENE ROLLEN SCHLÜPFEN<br />
Den <strong>Kinder</strong>fre<strong>und</strong>e-Werten gemäß sollen<br />
<strong>Kinder</strong> aber erfahren, dass alle Menschen,<br />
unabhängig von Geschlecht, Religion oder<br />
Hautfarbe, gleich bedeutend <strong>und</strong> w<strong>und</strong>erbar<br />
sind. Jede <strong>und</strong> jeder soll in den traditionellen<br />
Festen vorkommen <strong>und</strong> mitgefeiert<br />
werden. Jacqueline Polsterer weiß,<br />
dass dabei niemand etwas verliert: „Wenn<br />
wir das Martinsfest feiern, dann kann ein<br />
Bub weiterhin der Martin sein, ein Mädchen<br />
darf aber die Hauptrolle auch als<br />
Martina ausfüllen.“<br />
Ist dies für die <strong>Kinder</strong> vielleicht verwirrend?<br />
I wo! Den <strong>Kinder</strong>n macht es großen<br />
Spaß, ihre Rollen selbst auszuwählen, sich<br />
zu verkleiden <strong>und</strong> in die verschiedenen Persönlichkeiten<br />
zu schlüpfen. Der Gedanke,<br />
dass ein Mädchen das nicht kann, kommt<br />
gar nicht erst auf, wenn der Nikolo genauso<br />
eine Nikola sein kann. So wird lustvoll<br />
Gendersensibilität gelebt <strong>und</strong> viel zu einer<br />
gerechteren Gesellschaft beigetragen.<br />
Frank Jödicke<br />
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