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Stadtstreicher 03.2022-05.2022

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stuhl für Innovationsforschung und Technik mit<br />

Fokus Kreativität, starteten im Januar 2021 einen<br />

breiten Aufruf, eine Einladung zum Gespräch.<br />

Etwa 120 Kulturakteur*innen wurden direkt<br />

angesprochen und angeschrieben, 30 nahmen<br />

teil. Der Großteil von ihnen ist in der Privatwirtschaft<br />

tätig, manche in zivilgesellschaftlichen<br />

Institutionen und wenige im öffentlichen Sektor.<br />

64 Prozent der Teilnehmenden sind Selbstständig,<br />

21 Prozent Angestellte und 15 Prozent sind<br />

im Ehrenamt tätig. Die Studienteilnehmer*innen<br />

kommen, wie Diana Heinbucher sagt, aus verschiedenen<br />

Kultursparten, etwa aus dem Theater,<br />

sind als Künstler*innen aber auch im technischen<br />

oder organisierenden Bereich tätig.<br />

Mit ihnen führten Heinbucher und Herrmann-<br />

Fankhänel jeweils etwa zweistündige standardisierte<br />

Interviews. Es entstanden 3.600 Stunden<br />

umfassende Audioaufnahmen.<br />

Das Projekt fand, wie Diana Heinbucher erklärt,<br />

zu etwa 90 Prozent in der Freizeit der beiden<br />

Wissenschaftlerinnen statt, für die Transkription<br />

der gewaltigen Datenmengen bekamen sie aber<br />

Hilfe vonseiten der Chemnitzer Wirtschaftsförderungs-<br />

und Entwicklungsgesellschaft mbH<br />

(CWE). „Die fertigen Transkripte haben wir dann<br />

kodiert und ausgewertet“, sagt Diana Heinbucher.<br />

Entstanden sind daraus Grafiken und Statistiken,<br />

die etwa Aussagen über den Hintergrund der Teilnehmenden<br />

und ihren Einschätzungen zur finanziellen<br />

Situation, dem Wohlbefinden und anderen<br />

Aspekten treffen.<br />

„Wir haben die Ergebnisse unter anderem mit<br />

der Kulturstrategie der Stadt Chemnitz bis zum<br />

Jahr 2030 abgeglichen. Auch, um das Potenzial<br />

der Kreativszene aufzuzeigen. Unser Ergebnis:<br />

Es ist eine sehr resiliente Szene“, sagt Diana<br />

Heinbucher. Das gebe Grund zur Hoffnung,<br />

doch die Baustellen seien groß, das habe die<br />

Studie verdeutlicht.<br />

Ein großes Problem sei Fachkräftemangel. In den<br />

90er-Jahren habe sich die Freie Kulturszene der<br />

Stadt professionalisiert, viele der damaligen Akteur*innen<br />

sind noch heute aktiv – absehbar ist<br />

aber, dass sie nach 45 Berufsjahren in Rente gehen.<br />

„Wenn man schaut, wie viele damals in die<br />

Kultur eingetreten sind im Verhältnis zu denen,<br />

die nachkamen, sieht man, dass es da eine große<br />

Lücke gibt“, so Heinbucher. Die Coronapandemie<br />

haben den Expertiseverlust verstärkt, da viele<br />

Kulturschaffende Jobs in anderen Branchen ge-<br />

funden haben und es sei nicht bei allen absehbar,<br />

dass sie zurückkehren. Als Gründe lassen sich<br />

unter anderem festere Arbeitszeiten und sichere<br />

Bedingungen in anderen Branchen nennen.<br />

„Dadurch, dass in den Jahren der Pandemie<br />

keine neuen dazu kamen und einige Expert*innen<br />

abwanderten, wird es schwer, in den kommenden<br />

Jahren die Lücke zu füllen“, sagt Diana<br />

Heinbucher. Die Coronapandemie habe noch<br />

einige weitere schon vorher bestehende Probleme<br />

der Chemnitzer Kulturbranche verstärkt,<br />

quasi als Katalysator.<br />

Ein Punkt, der immer wieder zur Sprache kam,<br />

war Wertschätzung, die den Kulturschaffenden<br />

und ihren Leistungen entgegengebracht wird,<br />

oder eben nicht. „Der Mangel an kulturellen Ereignissen<br />

fällt nicht sofort auf. Es wird zum Beispiel<br />

niemand sagen: ich gehe ins Theater, damit<br />

mir nicht die Haare ausfallen“, sagt Diana Heinbucher.<br />

Die fehlende Kultur zeige sich schleichend.<br />

Viele Kulturschaffenden haben sich, wie<br />

„Wir hatten den Eindruck,<br />

den Aktiven<br />

wurde nicht zugehört.<br />

Wir wollten herausfinden,<br />

wie es der Kulturbranche<br />

wirklich<br />

geht und wie geholfen<br />

werden kann“.<br />

Diana Heinbucher ist in den Vorständen<br />

der Vereine Netzwerk für Kulturarbeit<br />

und Radio T tätig.<br />

die Studie zeigt, im Lockdown nicht wertgeschätzt<br />

und wahrgenommen gefühlt. Dazu sei auch eine<br />

prekäre finanzielle Situation gekommen. „In den<br />

Interviews ist mehrfach die Frage gefallen: Wenn<br />

Geld zur Rettung von Fluglinien locker gemacht<br />

werden kann, warum dann nicht für uns?“, so<br />

Heinbucher. Es habe zwar einige Förderprogramme<br />

gegeben, diese hätten aber oft nicht zu den<br />

vielfältigen Hintergründen der Kulturschaffenden<br />

und Vereine gepasst.<br />

Während dahingehend eher Enttäuschung<br />

herrschte, so fühlten sich viele Studienteilnehmer<br />

zumindest auf kommunaler Ebene unterstützt.<br />

„Die Stadt Chemnitz hat extrem viel für ihre<br />

Kulturschaffenden gemacht“, so wurde es Diana<br />

Heinbucher und ihrer Kollegin immer wieder gespiegelt,<br />

etwa durch Initiativen, die Kunst im öffentlichen<br />

Raum förderten, oder Beratungen. Ein<br />

weiterer positiver Aspekt der Pandemie-Ausnahmesituation:<br />

Kulturschaffende vernetzten sich, in<br />

der Stadt, aber auch überregional und international.<br />

In Chemnitz wurde etwa der Verein Hand in<br />

Hand aktiv, als Interessenvertretung von Kulturschaffenden.<br />

„Es wurde ganz konkret der Wunsch<br />

geäußert, dass diese Netzwerke auch nach der<br />

Pandemie bestehen und der Austausch bleibt –<br />

obwohl man ja eigentlich oft Konkurrenz ist“, sagt<br />

Diana Heinbucher. Dahingehend habe es ein großes<br />

Umdenken vieler, weg vom Dasein als einzelkämpfende<br />

Künstler*innen und Vereine gegeben.<br />

Im Oktober des vorigen Jahres wurden die Ergebnisse<br />

der Studie, die online einsehbar sind, dem<br />

Kulturbeirat der Stadt Chemnitz präsentiert. „Wir<br />

haben einen Ist-Zustand gezeichnet. Der Ansatz<br />

ist nun, mit den verschiedenen Akteur*innen ins<br />

Gespräch zu kommen und gemeinsam Lösungen<br />

zu finden. Das liegt uns am Herzen, denn wir haben<br />

in die Tiefe Einblicke bekommen und wollen<br />

unsere Expertise weiter einbringen“, sagt Diana<br />

Heinbucher. Gerne möchte sie gemeinsam mit<br />

Anja Herrmann-Fankhänel diesen Prozess wissenschaftlich<br />

begleiten.<br />

Hier können die<br />

Studienergebnisse<br />

eingesehen werden:

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