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Stadtstreicher 03.2022-05.2022

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Texte:<br />

Hans Brinkmann<br />

KUNST<br />

Fotos: NSG/Florian Merkel<br />

IRRE BUNT<br />

BIS GIFTIG<br />

MAI<br />

BIS<br />

15.<br />

Florian Merkels „Deutschlandbilder“<br />

in der Neuen Sächsischen Galerie<br />

Die alte Frage, ob man schwarzweiß<br />

oder farbig träume: Natürlich bunt,<br />

meist aber in übernatürlichen Farben.<br />

Dass nach Schwarzweiß überhaupt<br />

gefragt wird, hat mit kaum noch erinnertem<br />

Fernsehen, Fotos und Buchstaben<br />

zu tun, altmodischen Medien also, Nostalgie.<br />

Schwarzweiß mutet literarisch an. Und Farbe<br />

wirke demnach natürlich? Mitnichten!<br />

Farbe war lange Zeit umstritten, stand mitunter<br />

sogar unter Kitschverdacht. Für manche<br />

Kunstfotograf*innen in der DDR war<br />

Schwarzweiß (grau wie der Blues) die halbe<br />

Miete. Das änderte sich, als einige lernten,<br />

so etwas wie subjektive Farbigkeit herauszufiltern,<br />

zu inszenieren oder auch von Hand<br />

hinein zu kolorieren. Letztere Methode schon<br />

in den 80er Jahren wiederbelebt zu haben,<br />

ist ein Verdienst des Chemnitzer Bild- und<br />

Fotokünstlers Florian Merkel, Jahrgang 1961,<br />

heute in Berlin lebend. Handkolorierte Fotos<br />

gab‘s, liebe Kinder, bevor der Farbfilm erfunden<br />

wurde. Die Vorliebe für derartige Flohmarkt-Techniken<br />

teilt Merkel u. a. mit seinem<br />

alten Buddie und Kollegen Jan Kummer, bei<br />

dem es bekanntlich die Eglomisierung ist.<br />

Ähnlich scheint auch beider Thematik und<br />

Weltsicht: ironisch, persönlich und immer<br />

ein bisschen verzückt, verrückt, verstrahlt.<br />

Schon früh gibt‘s auch ein queeres Moment<br />

(„Nemo II“, 1983). Susan Sontags „Camp“-Essay<br />

lässt grüßen! Schräge Rollenspiele, privat<br />

und in der Öffentlichkeit, sind bis heute zentral.<br />

Die Kolorierung gleicht mitunter dicker<br />

Schminke. („Abenteuer im Rosenhag“, „Judith“<br />

u. a.). Fast wie Malerei, von Fotografie<br />

durchtrieben. – Umgekehrt: „Neue Bauten,<br />

reloaded“, ein Zyklus von Digitaldrucken, der<br />

das Gefühl der Reizüberflutung bis zum grauen<br />

Rauschen abstumpft. Sandpapierene Bildoberflächen<br />

schmirgeln die Augäpfel wund.<br />

Hat mir sehr gefallen. – Nach der Ausstellung<br />

„Attacke“, voriges Jahr in der Galerie Weise,<br />

ist die jetzige Überschau im Tietz eine schöne<br />

Würdigung eines ihrer originellsten Künstler<br />

durch die Stadt seiner Herkunft.<br />

Neue Sächs. Galerie im Tietz

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