Geschichte aus dem Park ohne Namen
Dieser Ort wirkt öde auf dich? Dabei stehst du an einem ehemals sehr wichtigen Platz für Altona. Schau ins Zine und erfahre mehr über das Leben in Altona von vor rund 200 Jahren.
Dieser Ort wirkt öde auf dich? Dabei stehst du an einem ehemals sehr wichtigen Platz für Altona. Schau ins Zine und erfahre mehr über das Leben in Altona von vor rund 200 Jahren.
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ein nicht-ort
Eine Grünfläche – eingeengt zwischen Nobistor und
Köngistraße: „Ort ohne Namen“, so nennen wir diesen
Platz. Was fällt dir zu diesem Ort ein?
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Konzept: Sonja Baer und Anke Blacha, SchreibAltona
Texte aus: Heinrich Würzer. Ein Spaziergänger in Altona
(1801 - 1804), hg. v. Hans Werner Engels
Illustration und Design: Zeynep Sıla Demircioglu
2021
Wir haben die Besucher*innen von
ReAct Altona-Altstadt gefragt, wie sie diesen
Ort wahrnehmen. Das sind ihre Eindrücke:
Ruhig
Wenig genutzt
Verloren
Schöne Bäume
Schlammig
Grün
Nicht-Ort
Ein Ort, ein dem man nicht verweilt,
sondern vorbei oder durch geht.
Keine Bänke
Laut & Leise
Erstaunlich sauber
Zwischen Straßen eingeengt
Eher ein Durchgang
Durchgangsplatz
Unspektakulär
Für sonnige Tage
Leer
Langweilig
Unbenutzt
Ohne Verbotsschild
Vor mehr als 200 Jahren, genauer im Jahr 1803 machte
ein gebürtiger Hamburger einen Spaziergang an diesem
Ort und beschrieb seine Eindrücke. Dieser Hamburger
war der politische Publizist und Aufklärer Heinrich
Würzer:
„Aus der Reichenstraße tritt man in eine weit schmälere,
ganz kurze Gasse, der Grund genannt […]. Aus dem
Grund tritt man unmittelbar auf den Rathausmarkt. […]
Ungeachtet, dass man unter dessen Gebäuden mehr kleine,
als einigermaßen ansehnliche Häuser bemerkt, so gehört der
Rathausmarkt bei seiner ziemlich beträchtlichen Größe, bei
der Zierde, welche er durch das schöne Rathaus erhält, welches
auf derjenigen Stelle steht, wo es am vorteilhaftesten ins Auge
fällt, […] doch keineswegs zu den unansehnlichsten Plätzen.“
„Das Rathaus ist ein ganz symmetrisches und in der Tat
ein schönes Gebäude, das mit eben so vielem Geschmack als
mit einer seiner Bestimmung angemessenen Würde des Stils
aufgeführt ist. Erst im vorigen Jahre ist dasselbe neu verputzt
und zu seiner wirklichen Verschönerung mit einem Balkon
versehen worden, der auf einer Kolonnade ruht, und unter
welchem die öffentliche Ziehung des Lottos geschieht. Eine
andere Zierde dieses Gebäudes ist sein sehr hübscher Turm
und eine Göttin der Gerechtigkeit, deren Waagschale, als ganz
passendes Sinnbild auf die dänische Justizpflege auch nicht
den geringsten Ausschlag gibt.“
„Da es eben elf Uhr vormittags war, so hatte ich Gelegenheit,
die Wachtparade der hier garnisonirenden Jägerkompagnie
mit anzusehen. Diese Mannschaft, die zwar aus nicht sehr
langen, aber starken, muskulösen, wohlgenährten, nicht
überflüssig, aber tüchtig und zweckmäßig gekleideten Leuten
besteht, machte mir eine sehr gute Idee von dem dänischen
Militär überhaupt. Der geschwinde Takt ihres Schrittes im
Marsch, und das kurze Tempo bei ihren Handgriffen mit dem
Gewehre, müssen im Großen einen ungemein guten Effekt
machen.“
„Nachmittags gegen vier Uhr, da
durch Pauken- und Trompetenschall
die beginnende Ziehung des Lottos,
ziemlich das Ohr verwundend,
sich angekündigt, war der
Rathausmarkt mit einem gedrängten
Menschenhaufen bedeckt.”
“Ich mischte mich unter denselben und bemerkte heut nicht
mehr so durchgängig als gestern, auf den Gesichtern
das durch das Muskelspiel sich äußernde Hochgefühl der
Hoffnung; wenigstens schien dasselbe jetzt bei Vielen – da der
Augenblick der Entscheidung so nahe war – mit einer guten
Portion Frucht vor dem Fehlschlagen derselben, vermischt
zu sein. Sichtbar wurde mir bei Manchem, die um einen
guten Gewinn flehende Erhebung des Herzens zum Himmel;
und hin und wieder wurde dieselbe sogar laut, teils durch
andächtige Seufzer, teils durch hergemurmelte Stoßgebetlein.“
„Endlich nahm die Ziehung der Nummern aus dem Glücksrad
ihren Anfang. So lange, bis jede derselben dem Publikum
vorgezeigt wurde, herrscht eine erwartungsvolle Stille, die
aber – je nachdem die gezogene Nummer Diesem oder Jenem
behagte – hier mit lauten Äußerungen des Vergnügens, dort
mit Flüchen und Verwünschungen abwechselte; und das
dauerte so lange, bis alle fünf Nummern aus dem Glücksrad
heraus waren, worauf die ganze Volksmasse sich nach
verschiedenen Richtungen verteilte. Der bei weitem größte
Teil waren Hamburger, und diese strömten nach ihren Wällen
zurück, wohin die wenigsten eine frohe Gemütsstimmung
mitbrachten, die meisten aber Missvergnügen und viel
Verzweiflung im Herzen.“
Ausschnitt aus einem Stadtplan von Altona (1888), Strumper & Co, Verlag
der Schlüter´schen Buchhandlung, Altona 1894
„Was Hamburg betrifft, so ist der wöchentliche Ausgang vieler
tausend Mark, von welchen im Durchschnitt vielleicht nicht
das Dritteil zurückkehrt, nicht das einzige Übel, welches das
Dänische Lotto ihm zufügt. Man muss noch das hinzusetzen,
dass an den Montagen und Dienstagen eine Menge Menschen
aus den arbeitenden Klassen, um ihren Einsatz zu machen,
nach Altona ziehen, die dann hier in den Wirtshäusern kleben
bleibt, und nicht allein das, was das Lotto übrig ließ, verjubelt,
sondern auch ihre Arbeit versäumt.“
Der Verfasser der Texte publizierte anonym. In dem
Buch „Heinrich Würzer. Ein Spaziergänger in Altona
(1801 - 1804), hg. v. Hans Werner Engels, Hamburg
1997, S. 79ff.“ werden die Aufsätze Heinrich Würzer
zugeschrieben. Den Ort, den Würzer beschreibt, gibt
es nicht mehr. Dort, wo heute an der Tankstelle an
der Königstraße gegenüber von unserem „Ort ohne
Namen“ Benzin verkauft wird, stand früher das Altonaer
Rathaus. An das im 2. Weltkrieg zerstörte Gebäude
erinnert heute nur noch eine Informationstafel.
Dieses Zine ist im Rahmen des Projekts ReAct Altona-
Altstadt mit Hilfe von SchreibAltona entstanden.
Ein Projekt von
Gefördert durch
Impressum:
Haus 3, Stadtteilzentrum in Altona e.V.
Geschäftsführung: Christine Laufert
HausDrei, Hospitalstraße 107, 22767 Hamburg
www.haus-drei.de
info@haus-drei.de 040/ 38 89 98
Vereinsregister Hamburg VR 9761
St.-Nr. 17/433/03071