Der Sand Ausgabe 3
Zeitung für Oberbarmen/Wichlinghausen und den Rest der Stadt
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Ausgabe 3
WIDERSTAND
DER SAND
Das
falsche
Kreuz
Bernhard Letterhaus –
ein freier frommer Barmer
Von Hans-Dieter Westhoff
Ernst Gerd Jentges: Porträt Bernhard Letterhaus
Die Hauptschule auf dem Rott ist nach
ihm benannt und ebenso die kleine
Straße auf der Westseite des Alten
Markts, zwischen Wirkerstraße und
Wupper. Bernhard Letterhaus gehört
also zu den städtischen Prominenten,
die es posthum auf Schul- und Straßenschilder
geschafft haben. Aber er war
kein Bürgermeister, Maler oder Dichter,
sondern ein Bandwirker und Gewerkschafter
vom Rott, gleichzeitig frommer
Katholik, später Politiker und Widerstandskämpfer
im Dritten Reich. 1944
wurde er von den Nazis gehängt.
Strammer Katholik unter Pietisten
Der 1894 in Barmen geborene Bernhard
Letterhaus wächst, mitten im pietistischevangelischen
Wuppertal, in einer streng
katholischen Familie auf. Natürlich will er
Priester werden, aber nach acht Jahren Volksschule
geht er als Lehrling in die Bandwirkerei,
dann an die Textilfachschule in der Gewerbeschulstraße
und anschließend als Soldat in die
Schützengräben des 1. Weltkriegs. 1918 hat
er mit der Misere der Industriearbeiter und
der Hölle des Stellungskriegs genug Elend
kennengelernt. Er wird Gewerkschafter im
Katho lischen Arbeiterbund (KAB) – Spitzname:
Stichflamme – und wenig später auch
Politiker in der Zentrumspartei.
Diese ist im Kaiserreich und in der Weimarer
Republik die katholische Volkspartei
mit, ähnlich wie später die CDU, unternehmerfreundlichen
und gewerkschaftlich orientierten
Flügeln. Bis zur Machtübernahme der
Nazis ist das Zentrum ziemlich einflussreich.
In fast jeder Regierung von 1919 bis 1933
sitzen Zentrums-Minister; auch der letzte
Kanzler vor Hitler, Franz von Papen, ist ein
Zentrums-Mann, allerdings einer von der monarchistischen
Rechten. Dieser tritt 1932/33
aktiv für eine Aufnahme der NSDAP in die
Regierung ein, um diese in der gemeinsamen
Koalition zu „zähmen“. Was kommt, ist bekanntlich
keine Zähmung der Nazis, sondern
die Machtergreifung Hitlers.
Bernhard Letterhaus gehört als Gewerkschaftsmann
zum linken Zentrums-Flügel und
steht von Anfang an in scharfer Gegnerschaft
zu den Nationalsozialisten. Ihm geht es um
die Emanzipation der Arbeiter, zum Beispiel
bei der Gründung der katholischen Arbeiter-Internationalen
1928 in Köln: „Eine katho
lische Arbeiterbewegung, die die Freiheit und
Gleichberechtigung der Lohnarbeiterschicht
will, deren Ziel es ist, die Stand werdung der
Arbeiterschaft zu erreichen, muss danach
streben, der ganzen Wirtschaft wieder einen
Sinn zu geben, in ihr die Dienstidee am Menschen
durchzusetzen.“
Das falsche Kreuz
Als Mitglied im Preußischen Landtag nennt
er 1929 Hitler, Göring, Göbbels und Freisler
„Größenwahnsinnige, Volksbetrüger, Hohlköpfe
und Abenteurer, die das Volk ins Unglück
stürzen werden“. 1930 spricht er auf
dem Katholikentag in Münster vom Hakenkreuz
als dem „falschem Kreuz“, mit dem die
Nazis „die Herzen des leidenden Volkes verwüsten“.
Weil er – im Gegensatz zur Mehrheit
der Zentrums-Fraktion im Reichstag – das Ermächtigungsgesetz
ablehnt, bleibt er im März
1933 der Abstimmung im Landtag fern, und er
wirbt auch nach 1933 in katholischen Kreisen
für den Widerstand gegen das NS-Regime.
Bei Kriegsbeginn 1939 wird er eingezogen;
ab 1942 ist er in der Presseabteilung der
Wehrmacht aktiv. Hier trifft er Menschen
wie Ludwig Beck und Carl Goerdeler, die am
20. Juli 1944 den Putsch gegen Hitler versuchen
werden. Auch mit seinen katholischen
Freunden berät er sich im „Kölner Kreis“ und
gehört schließlich zum führenden Kern der
Widerstandskämpfer, der bereit ist, nach dem
Umsturz das Amt des politischen Beauftragten
im Münsterland zu übernehmen und als
Aufbauminister der neuen Regierung tätig zu
werden. Am 25. Juli 1944 wird er verhaftet,
am 13. November 1944 zum Tode verurteilt
und am folgenden Tag in Plötzensee erhängt.
Die Stichflamme brennt nicht mehr.
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