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Der Sand Ausgabe 3

Zeitung für Oberbarmen/Wichlinghausen und den Rest der Stadt

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Ausgabe 3

ORTSBELICHTUNG

DER SAND

Ein schöner

Name für eine

schöne, ruhige

Straße

von Hans-Dieter Westhoff

Unterwegs in der Freiheitsstraße

Die Freiheitsstraße beginnt im Osten an der Breslauer Straße, in Sichtweite vom Carl-Duisberg-Gymnasium

und der Nordbahntrasse. Das Eingangsportal sind zwei Eichen, und insgesamt

ist fast die ganze Straße eine schöne Allee, für Wichlinghausen eine ziemliche Seltenheit.

Wie steht es mit der Freiheit in der Freiheitsstraße? In den Aushängen an der Kita Buddelkiste

auf der linken Seite geht es nicht darum, sondern um die üblichen Corona-Regeln:

„Einlass nur einzeln unter Einhaltung der üblichen

Hygiene-Regeln“. Auch beim Kinderspielplatz

nebenan ist die Freiheit eingeschränkt, allerdings

die von Hunden. Die dürfen hier nicht rein. Also

nicht Freiheit für, sondern von Hunden. Am Spielplatz-Zaun

und dann am Eingang des Nachbarhauses

ist Florentina aktiv. Sie ist wohl knapp ein

Jahr alt und kostet intensiv unter den Augen ihrer

geduldigen Mutter die Freiheit aus, selbst laufen

zu können. Jeder Pfahl, jede Stufe und jedes Blatt

wird genau untersucht, bevor es auf eigenen wackligen

Beinchen weitergeht. „Spazierenstehen“ wird

diese Fortbewegungsart in eingeweihten Kreisen

genannt. Florentina wohnt nicht hier, sondern nebenan

in der Liegnitzer Straße. Vielleicht ist die

Freiheitsstraße deshalb so interessant für sie.

Im folgenden Teil der Straße gibt es den üblichen

Wuppertaler Gebäude­Mix. Auf der rechten

Seite mehr schlichte Neubauten in Folge der Bombentreffer

aus den 1940er Jahren. Auf der linken

Seite: Glück gehabt, die Jugendstil-Bauten aus der

vorletzten Jahrhundertwende haben es bis heute

geschafft. Hier spreche ich mit Diethelm darüber,

wie frei man sich fühlt in der Freiheitsstraße:

„Bisschen eng, Parkplätze muss man suchen. Und

wenn ich hier durchgehe, fühle ich mich wie im Urlaub:

so viele fremde Kennzeichen.“ Nebenan denkt

Hubert über den Straßennamen nach: „Ob man

sich in der Freiheitsstraße frei fühlt? Bis jetzt ja.

Das passt ganz gut. Es gab zwar auch Zeiten, da

hat ein Nachbar immer Trouble gemacht, aber jetzt

ist es wieder schön, hier zu wohnen.“ Seit 2003 ist

er schon hier, erst bei einer Freundin, und dann in

seiner eigenen Wohnung.

An der spitzwinkligen Kreuzung mit der Handelsstraße

Noch ein paar Häuser weiter, an der Kreuzung Görlitzer Straße, wird es jetzt munter. Links

zuerst das Atelier des Malers Rainer Kruse: „Mein Motto: Ich male, also bin ich. Malen ist für

mich Leidenschaft und Berufung als Gegenentwurf zu der vom Menschen selbst geschaffenen

entfremdeten Welt. Je mehr ich in den unmittelbaren künstlerischen, die Schöpfung achtenden

Gestaltungsraum hineinschreite, entsteht Freude, Zufriedenheit und Ruhe.“ Künstlerische

Freiheit in der Freiheitsstraße.

Daneben ist ein Trödler, bei dem man Sammeltassen,

aber auch alte Dual-Plattenspieler anschauen

kann. Der Eingang ist allerdings nicht frei, sondern so

zugestellt, dass man nicht sagen kann, ob das hier ein

Laden oder ein Lagerraum ist. An der Ecke dann die

Café-Bar „Zum Rothen Baron“: Viele Tische im Freien,

und viele rauchende Männer vor Tee- und Kaffeetassen.

Der Wirt heißt Boris Mihaylov, kommt aus Bulgarien,

und das Lokal ist auch der Treffpunkt für die bulgarische

Gemeinde. Wie es zu seinem komischen Namen kommt?

Der Vermieter hat mir gesagt, ich soll es so nennen. Das

sei gut.“ Aha.

Schräg gegenüber steht Tojic am Parterrefenster

und raucht auch, und er denkt laut über die Café­Gäste

nach: „Das war schöner, bevor die das Lokal aufgemacht

haben. Da sind jetzt so viele Leute da, die hier nicht

wohnen.“

Aufschriften an den folgenden Häusern zeugen von

Leidensdruck. Es geht um die Freiheit der Ausfahrt für

Autos, und es wird nicht nur einigermaßen freundlich

um „Ausfahrt freihalten“ gebeten; es wird auch gedroht:

„Widerrechtlich abgestellte Fahrzeuge werden kostenpflichtig

abgeschleppt“ – auf kurzer Strecke drei Mal

gelesen. Noch eine interessante Drohung auf dem Weg:

„Werbung, Prospekte usw. nicht einwerfen! Die Unterlagen

werden kostenpflichtig an den Absender zurückgesandt“.

An der Ecke Teichstraße hat Evangelie einen freien

Parkplatz für ihr Auto gefunden. Sie wohnt gern hier.

„Freiheitsstraße ist ein schöner Name für eine schöne,

ruhige Straße, in der man sich sich frei fühlt, weil alles

in der Nähe ist, was man braucht.“ Hier ist der befahrbare

Teil unserer Straße zu Ende. Die Freiheit der Fußgänger

aber noch nicht. Es kommt eine kleine Freifläche

– schön verkehrsberuhigt aufgepflastert –

das erste gastronomische Highlight: Pizza Flash, ein

unfassbar preiswerter Bringdienst: Pizza Margherita

Ingrid Nolzen und Heinrich Barkam aus Haus Nr. 13 unterwegs in ihrer Freiheitsstraße

Foto: Oskar Siebers

mit schönen runden Holzstelen und wiederum einigen

alten Eichen: Die Freiheitsstraße endet so, wie sie begonnen

hat. Dann gibt es noch einen Fußweg zwischen Hecken, und

3,20, Currywurst mit Pommes 3,70, alles frei Haus aus der Freiheitsstraße. Etwas weiter die

Straße entlang haben rechts und links einige Häuser das NRW-Baudenkmal-Zeichen, alle mit

schönen klassizistischen Fassaden. Fast könnte man von einem Ensemble sprechen.

dann ist man an der Alten Straße. Die geht man hinunter, vorbei an einigen der schönsten

Fachwerkhäuser des Stadtteils, zum Wichlinghauser Markt – wo die Autos brausen und die

Busse warten.

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info@die-wueste-lebt.org

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