Heft 2, Jahrgang 140 - Canisianum
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oder Sündenböcke mehr braucht. Die Ansätze<br />
zur Erlösungslehre, die Raymund Schwager in<br />
den Kategorien einer „dramatischen Christologie“<br />
formuliert hat, zeigen auf beeindruckende<br />
Weise, welch befreiende Kraft im Symbol<br />
des „Herzens Jesu“ steckt: „Du gibst das<br />
Leben uns zurück, das Adams Sünde uns<br />
geraubt“ 72 – so heißt es in der Liturgie dieses<br />
Festes, und radikaler kann ein Neuanfang<br />
eigentlich nicht sein.<br />
Was wird durch die Beiträge der drei angeführten<br />
Innsbrucker Theologen für die<br />
Thematik des „Herzens Jesu“ deutlich? Es ist<br />
die Offenheit des Menschen in das Geheimnis<br />
Gottes hinein, die Lebens- und Denkfigur der<br />
„Entäußerung“ als fragmentarischer Gestalt<br />
wahrer Identität sowie das Geschenk der<br />
Versöhnung als Aufdeckung und Aufhebung<br />
von Gewalt, die als Schlüssel und Ansatz der<br />
Christologie/Soteriologie dienten und im<br />
Symbol „Herz Jesu“ eindrücklich und intensiv<br />
(wenngleich nicht exklusiv) zur Geltung<br />
kamen. Die Herz-Jesu-Verehrung wird so zum<br />
Indikator der christlichen Überzeugung, dass<br />
in der abgrundtiefen Niederlage Jesu der<br />
paradoxe Ursprung der Freiheit und Zukunft<br />
aller Menschen liegt. Für diese eigentümliche<br />
Wahrheit des christlichen Glaubens hat der<br />
verstorbene Innsbrucker Fundamentaltheologe<br />
Walter Kern SJ, dem diese Punkte in<br />
Dankbarkeit gewidmet sind, seinen theologischen<br />
Scharfsinn und gewissermaßen seine<br />
Lebensenergie eingesetzt. Wenn er einmal<br />
meinte: „Ich könnte mir eine Freiheitsfahne<br />
vorstellen mit dem Abbild des Herzens<br />
Jesu“ 73 , griff er nicht nur – (wie immer) leicht<br />
ironisierend – die Symbole der Armee der<br />
Französischen Revolution auf, die 1796 vor<br />
Tirol stand, sondern wies damit auf einen<br />
Topos kenotischer Christologie hin, dessen<br />
skandalöse Wahrheit (vgl. 1 Kor 1,23f.) wohl<br />
die eigentliche „Flagge“ von Theologie und<br />
Kirche bildet.<br />
32<br />
THEOLOGIE UND KIRCHE<br />
1 Vgl. EB 104.<br />
2 Alex Stock, Herz-Jesu-Imaginationen – vom<br />
Andachtsbild bis Joseph Beuys, in: KBC 137<br />
(2004/05), <strong>Heft</strong> 2, 2-8; 2.<br />
3 Diese Tradition schlägt sich auch in vielen<br />
Beiträgen im „Korrespondenzblatt des<br />
<strong>Canisianum</strong>s“ (KBC) nieder, auf die ich im<br />
Folgenden zurückgreifen darf.<br />
4 Mit anderen Worten: Die liturgische und spirituelle<br />
Gestalt der Herz-Jesu-Frömmigkeit stellt<br />
einen Erschließungsort (locus theologicus)<br />
christologischer Reflexion dar.<br />
5 Vgl. u. a. die eingehende Darstellung bei:<br />
Hans Walter Wolff, „Herz“ im Alten Testament.<br />
Vortrag in der akademischen Festsitzung zum<br />
Herz-Jesu-Fest 1971, in: KBC 106 (1972),<br />
<strong>Heft</strong> 1, 2-10; Norbert Lohfink SJ, Die Wurzeln<br />
der Herz-Jesu-Verehrung m Alten Testament.<br />
Festakademie am Herz-Jesu-Fest, 19. Juni<br />
1998, in: KBC 132 (1998/99), <strong>Heft</strong> 1, 2-10;<br />
Martin Hasitschka SJ, „Zeichen und gleichsam<br />
Spur göttlicher Liebe“ (Pius XII.), in: KBC 139<br />
(2006/07), <strong>Heft</strong> 2, 14-18.<br />
6 Vgl. Karl Rahners theologische Dissertation: E<br />
latere Christi. Der Ursprung der Kirche als<br />
zweiter Eva aus der Seite Christi des zweiten<br />
Adam. Eine Untersuchung über den typologischen<br />
Sinn von Joh 19,34 (Innsbruck 1936);<br />
veröffentlicht in: SW 3 (Freiburg i. Br. 1999), 1-<br />
84.<br />
7 Rudolf Schnackenburg, Das Johannesevangelium.<br />
III. Teil: Kommentar zu Kap. 13-21<br />
(HThKNT IV/3). Freiburg i. Br. 5 1986, 339.<br />
8 Martin Hasitschka SJ, Der Gekreuzigte – das<br />
größte Zeichen der Liebe Gottes zu uns, in:<br />
KBC 116 (1982/83), <strong>Heft</strong> 1, 9-10; 9.<br />
9 Vgl. die Hinweise von Franz Jalics SJ: „Nicht<br />
alles, was erlitten ist, ist erlöst. […] Wie viele<br />
Menschen hüten ungeheilte Verletzungen in<br />
ihrer Seele! Wenn man nicht bereit ist, zumindest<br />
von der Absicht her zu vergeben, kann<br />
man noch soviel in die Kirche gehen, Gebete<br />
verrichten, fromme Bücher lesen, den Armen<br />
große Spenden geben, Einkehrtage oder<br />
Exerzitien machen, alles ist vergebens“<br />
(Ders., Kontemplative Exerzitien. Eine Einführung<br />
in die kontemplative Lebenshaltung und<br />
in das Jesusgebet. Würzburg 7 2001, 297).<br />
10 Vgl. Anton Witwer SJ, Zur Geschichte der<br />
Herz-Jesu-Verehrung. Vortrag am 19. Juni<br />
1982, in: KBC 116 (1982/83), <strong>Heft</strong> 1, 11-14;<br />
Lothar Lies, Gottes Herz für die Menschen.<br />
Elemente der Herz-Jesu-Frömmigkeit morgen.<br />
Innsbruck-Wien 1996, 37-76; Josef<br />
Sudbrack SJ, Herz-Jesu-Verehrung. Der<br />
moderne Auftrag einer klassischen<br />
Frömmigkeit, in: KBC 130 (1997), <strong>Heft</strong> 1, 4-17;