Buch der Gefühle (Leseprobe)
»Das große Buch der Gefühle – 50 Emotionen von Angst bis Zorn» von Umberto Galimberti und Anna Vivarelli 232 Seiten, Hardcover, Euro (D) 22 | Euro (A) 22.70 | CHF 28 ISBN 978-3-03876-220-1 (Midas Kinderbuch) In diesem faszinierenden Buch werden 50 Emotionen von A wie Angst bis Z wie Zuversicht beschrieben - konzipiert und fachlich betreut vom renommierten Philosophen und Psychotherapeuten Umberto Galimberti und geschrieben von der preisgekrönten Kinder- und Jugendbuchautorin Anna Vivarelli. Inspiriert von Mythen, Literatur und alltäglichen Momenten werden hier alle Nuancen der verschiedene Stimmungen ausgelotet und es wird klar, dass sie wirklich allen Menschen gemeinsam sind - über Länder- und Altersgrenzen hinweg.
»Das große Buch der Gefühle – 50 Emotionen von Angst bis Zorn»
von Umberto Galimberti und Anna Vivarelli
232 Seiten, Hardcover, Euro (D) 22 | Euro (A) 22.70 | CHF 28
ISBN 978-3-03876-220-1 (Midas Kinderbuch)
In diesem faszinierenden Buch werden 50 Emotionen von A wie Angst bis Z wie Zuversicht beschrieben - konzipiert und fachlich betreut vom
renommierten Philosophen und Psychotherapeuten Umberto Galimberti und geschrieben von der preisgekrönten Kinder- und Jugendbuchautorin Anna Vivarelli. Inspiriert von Mythen, Literatur und alltäglichen Momenten werden hier alle Nuancen der verschiedene Stimmungen ausgelotet und es wird klar, dass sie wirklich allen Menschen gemeinsam sind - über Länder- und Altersgrenzen hinweg.
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Umberto Galimberti<br />
Anna Vivarelli<br />
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Zuversich<br />
Zuversicht<br />
MIDAS
© 2022 Midas Verlag AG<br />
1. Auflage 2022<br />
ISBN 978-3-03876-220-1<br />
Fachliche Beratung: Umberto Galimberti<br />
Texte: Umberto Galimberti und Anna Vivarelli<br />
Illustrationen: Alessandra De Cristofaro<br />
Übersetzung: Dr. Ulrike Schimming, Hamburg<br />
Lektorat: Claudia Koch, Ilmenau<br />
Layout: Ulrich Borstelmann, Dortmund<br />
Projektleitung: Gregory C. Zäch, Zürich<br />
Printed in Europe<br />
Originalausgabe © 2021 Dalcò Edizioni S.r.l.<br />
All rights reserved. Via Mazzini n. 6 – 43121 Parma (www.dalcoedizioni.it)<br />
Originaltitel: »CHE TEMPESTA! 50 emozioni raccontate ai ragazzi«<br />
Bibliografische Information <strong>der</strong> Deutschen Bibliothek<br />
Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in <strong>der</strong><br />
Deutschen Nationalbibliografie unter www.dnb.de.<br />
Der Midas Verlag wird vom Bundesamt für Kultur für die Jahre 2021–2024 unterstützt.<br />
Alle Rechte vorbehalten. Die Verwendung <strong>der</strong> Texte und Bil<strong>der</strong> ist ohne schriftliche<br />
Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar.<br />
Midas Verlag AG, Dunantstrasse 3, CH 8044 Zürich<br />
kontakt@midas.ch, www.midas.ch, socialmedia: follow »midasverlag«
MIDAS
Inhalt<br />
Warum ein <strong>Buch</strong> über Gefühle?.......................................7<br />
Altruismus .............................................................................24<br />
Angst ........................................................................................29<br />
Bedauern ...............................................................................32<br />
Begeisterung .........................................................................34<br />
Bescheidenheit ....................................................................39<br />
Dankbarkeit ..........................................................................42<br />
Dickköpfigkeit ......................................................................47<br />
Dünkelhaftigkeit ................................................................ 50<br />
Ehrgeiz ....................................................................................52<br />
Eifersucht .............................................................................. 56<br />
Eitelkeit ...................................................................................62<br />
Ekel........................................................................................... 65<br />
Empathie ............................................................................... 68<br />
Erstaunen ..............................................................................73<br />
Faulheit ...................................................................................76<br />
Freude..................................................................................... 80<br />
Freundlichkeit ..................................................................... 84<br />
Fröhlichkeit .......................................................................... 88<br />
Furcht ......................................................................................93<br />
Geduld ................................................................................... 101<br />
Glück ..................................................................................... 105<br />
Hass ........................................................................................ 111<br />
Hoffnung ...............................................................................114<br />
Konformismus.................................................................... 118<br />
Langeweile ..........................................................................123
Liebe ......................................................................................127<br />
Melancholie ........................................................................130<br />
Misstrauen ..........................................................................135<br />
Mobbing ...............................................................................139<br />
Mut .........................................................................................142<br />
Narzissmus .........................................................................147<br />
Neid ........................................................................................ 151<br />
Neugierde ............................................................................155<br />
Nostalgie ..............................................................................158<br />
Ordnung ...............................................................................162<br />
Rache .....................................................................................166<br />
Resilienz ...............................................................................170<br />
Reue .......................................................................................175<br />
Schadenfreude ..................................................................179<br />
Scham....................................................................................183<br />
Schrecken ............................................................................186<br />
Schüchternheit ..................................................................188<br />
Stolz ........................................................................................192<br />
Trägheit..................................................................................197<br />
Traurigkeit.......................................................................... 200<br />
Unzufriedenheit................................................................204<br />
Verlegenheit........................................................................209<br />
Wunsch..................................................................................213<br />
Wut..........................................................................................219<br />
Zuversicht ...........................................................................223
Warum ein <strong>Buch</strong> über Gefühle?<br />
von Umberto Galimberti<br />
Mit diesem <strong>Buch</strong> möchten wir das nötige Wissen über Emotionen und bestimmte<br />
Verhaltensweisen vermitteln und so den Umgang mit den eigenen<br />
Gefühlen und ihrem Handeln erleichtern. Auch Jugendliche sollten nämlich<br />
nicht wegen ihrer Unwissenheit von Gefühlen beherrscht o<strong>der</strong> von ihnen<br />
mitgerissen werden. Sonst erkennen sie sich womöglich selbst nicht mehr<br />
o<strong>der</strong> merken irgendwann, dass sie unversehens zu einer Person geworden<br />
sind, die sie nie werden wollten.<br />
1. Emotionen sichern das Überleben <strong>der</strong> menschlichen<br />
Spezies<br />
Als <strong>der</strong> Mensch vor langer Zeit die Erde zu bevölkern begann, wäre er ohne<br />
Emotionen vermutlich ganz schnell wie<strong>der</strong> ausgestorben. Bei <strong>der</strong> Beschaffung<br />
von überlebenswichtigen Nahrungsmitteln mussten unsere Vorfahren<br />
nämlich sehr darauf achten, nicht selbst zum Futter an<strong>der</strong>er Lebewesen zu<br />
werden. Neben dem Wunsch nach Beute, war es vor allem die Angst, die sie<br />
vor <strong>der</strong> Gefahr schützte, selbst verspeist zu werden.<br />
In einer noch unwirtlichen Welt, in <strong>der</strong> sie auf Schritt und Tritt Gefahren<br />
begegneten, mussten sich unsere Vorfahren von ihren Gefühlen (Wunsch<br />
o<strong>der</strong> Angst) leiten lassen, um die begehrte Beute zu fangen und sich gleich-<br />
7
zeitig vor den plötzlich auftauchenden Gefahren zu schützen. Sie konnten<br />
dabei allerdings nicht lange nachdenken, ob ihre Taten <strong>der</strong> jeweiligen Situation<br />
angemessen waren. Die Gefühle waren für das Überleben <strong>der</strong> menschlichen<br />
Spezies also unverzichtbar.<br />
Heute gehen wir davon aus, dass die Ontogenese, die Entwicklung eines<br />
jeden Individuums ab <strong>der</strong> Geburt, die Phylogenese, die Entwicklung <strong>der</strong> gesamten<br />
Spezies, wie<strong>der</strong>holt. Kin<strong>der</strong> können ähnlich wie unsere Vorfahren<br />
ihren Verstand noch nicht benutzen. Sie orientieren sich in <strong>der</strong> Welt mithilfe<br />
ihrer Gefühle. Da sie sich nicht allein versorgen können, schreien sie in Momenten<br />
von Unbehagen o<strong>der</strong> Schmerz. Werden jedoch ihre primären Bedürfnisse<br />
befriedigt, gelangen sie in einen Zustand von Glückseligkeit und<br />
beruhigen sich.<br />
Mit <strong>der</strong> Entwicklung des Verstandes verschwinden diese Gefühle jedoch<br />
nicht, son<strong>der</strong>n verstärken sich im Gegenteil. Und je mehr eine Gesellschaft<br />
sich rational strukturiert und aufgrund ihrer Bedürfnisse versucht, Emotionen<br />
zu regulieren, umso mehr drohen diese Gefühle auf destruktive Arten<br />
hervorzubrechen. Das könnten wir vermeiden, würden wir unseren Gefühlen<br />
grundsätzlich angemessenen Raum zugestehen.<br />
Emotionen, die den prähistorischen Menschen das Überleben ermöglichten,<br />
garantieren uns auch heute bis zu einem bestimmten Grad das Überleben,<br />
obwohl wir immer mehr <strong>der</strong> Rationalität <strong>der</strong> Technik unterworfen sind.<br />
Diese würde allerdings einen emotionslosen Roboter vorziehen, weil er effektiver<br />
und produktiver wäre als wir Menschen.<br />
2. Gefühle im Jugendalter<br />
Mit <strong>der</strong> Entwicklung unseres Verstandes verschwinden die Gefühle also<br />
nicht, son<strong>der</strong>n treten oft in Wi<strong>der</strong>streit miteinan<strong>der</strong>. Diese Konflikte erreichen<br />
ihren Höhepunkt in <strong>der</strong> Jugendzeit. Jugendliche sind keine Kin<strong>der</strong><br />
mehr, aber gleichzeitig noch nicht erwachsen, weshalb ihre Gefühle – im<br />
Vergleich zum Verstand – noch vorherrschen und ihr Leben bestimmen. Dies<br />
geschieht in einer Zeit, in <strong>der</strong> die beherrschbaren Verstandesinstrumente<br />
noch zu schwach sind, um die kraftvollen Gefühle kontrollieren und Konflikte<br />
unter ihnen auflösen zu können. Das liegt daran, dass die Frontallappen<br />
8
des Gehirns, verantwortlich für die motorischen Funktionen und die Persönlichkeit,<br />
erst mit ungefähr 20 Jahren voll ausgereift sind. Heranwachsende,<br />
die gerade erst die Kindheit hinter sich gelassen haben, sollten daher um die<br />
Ursprünge ihrer Gefühle wissen. So können sie leichter erkennen, welchen<br />
sie vertrauen und welche sie kritisch betrachten sollten. Dieses Wissen lässt<br />
sie zudem gelassener werden und beugt einigen Nie<strong>der</strong>lagen während des<br />
Heranwachsens vor. In dieser Zeit treffen bei den Teenagern Unsicherheit,<br />
Zukunftsängste, die Entwicklung des Geschlechtstriebs sowie das Bedürfnis<br />
nach Sicherheit bei gleichzeitigem Freiheitsdrang aufeinan<strong>der</strong>. Das Leben in<br />
all seinen vielfältigen Ausdrucksformen feiert sich selbst.<br />
Im Vergleich zu den Jugendlichen erschrecken wir Erwachsenen oftmals<br />
über ihre Gefühlsausbrüche. Doch meist ist unser Blick zu einseitig. Unsere<br />
Überzeugungen, gereift in einer Zeit, die wenig mit <strong>der</strong> Gegenwart zu tun hat,<br />
sind zu Prinzipien geworden – verinnerlichte Gewohnheiten, denen keine<br />
jugendlichen Handlungen mehr folgen. Diese Projekte haben meist nichts<br />
mehr mit unseren Träumen zu tun, son<strong>der</strong>n bestehen aus einzelnen Bausteinen,<br />
die uns immerhin Sicherheit schenken.<br />
Diese Sicherheit wird jedoch von unserer nun vollkommen entwickelten<br />
Unfähigkeit zu verstehen beherrscht, denn wir haben verlernt zuzuhören.<br />
Unsere vielfältigen Erfahrungen haben unsere Ohren so verstopft und uns<br />
taub gemacht, dass wir selbst meist gar nicht mehr authentisch sind.<br />
Dabei wissen wir genau, dass die »Sorge« nicht durch das lahme Wie<strong>der</strong>holen<br />
von Worten durch uns Erwachsene geschieht, die nur schlecht zu<br />
den unsicheren Erfahrungen <strong>der</strong> gefühlsgetriebenen Jugend passen. Doch<br />
die Jugendzeit ist nicht nur ein einmaliger Lebensabschnitt, son<strong>der</strong>n eine<br />
Grundlage unserer Psyche, die in gewissen Zyklen in unserem Dasein auftaucht.<br />
Warum also sollten wir uns nicht von <strong>der</strong> ungestümen jugendlichen<br />
Übergangzeit beeinflussen lassen? Womöglich können wir Erwachsenen unsere<br />
verdrängten Erfahrungen wie<strong>der</strong> hervorholen. Vielleicht finden wir so<br />
den Schlüssel für eine gelingende Kommunikation und Erziehung, die eher<br />
einem Deich gleicht, <strong>der</strong> den stürmischen Emotionsfluss begleitet, und nicht<br />
einem Staudamm, <strong>der</strong> aufhält, was nicht überfließen darf.<br />
Die italienischen Psychologen Anna Fabbrini und Alberto Melucci schreiben<br />
in ihrem <strong>Buch</strong> »L’eta dell oro. Adolescenza tra sogno e esperienza«, dass<br />
9
es keine Jugendlichen gibt, son<strong>der</strong>n nur »Jugendliche in Beziehung zu Erwachsenen«.<br />
Beziehung ist hier jedoch nicht das Aufeinan<strong>der</strong>treffen von<br />
unterschiedlichen Positionen, son<strong>der</strong>n unser beständiger Versuch zu verstehen,<br />
was unsere Bereitschaft, uns selbst zu verän<strong>der</strong>n, im Jugendlichen<br />
auslöst. Diese Bereitschaft schützt uns vor <strong>der</strong> Anmaßung, wir hätten etwas<br />
verstanden, nur weil wir länger gelebt haben, und bewahrt uns vor überzogener<br />
Strenge.<br />
Solange wir Erwachsenen jedoch nicht bereit sind, uns in Gegenwart eines<br />
jugendlichen Gefühlssturms zu verän<strong>der</strong>n, wird auch <strong>der</strong> Fluss, in dem die<br />
Jugend verläuft, irgendwann Hochwasser führen und über die Ufer treten.<br />
Die Gesichter verschwinden dann hinter Masken, <strong>der</strong> Weg wird zum Abweg,<br />
die Geste zur Grausamkeit, <strong>der</strong> Traum zum Albtraum und jegliche Kommunikation<br />
wird unmöglich. Die Wunde vertieft sich und heilt nicht mehr, wenn<br />
wir beim Zusammentreffen von Erwachsenen und Jugendlichen nicht ausprobieren,<br />
was aus einer Hand wird, wenn sich die Faust öffnet.<br />
3. Sitz und Natur von Emotionen<br />
Die Emotion ist eine intensive, gefühlsmäßige Reaktion, die akut auftritt und<br />
nur kurz andauert. Sie wird durch einen Stimulus in <strong>der</strong> Umwelt, etwa durch<br />
eine Gefahr, o<strong>der</strong> mental ausgelöst, z. B. durch eine Erinnerung. Bevor <strong>der</strong><br />
Verstand vermitteln kann, treibt die Emotion uns durch die Welt – auf <strong>der</strong><br />
Suche nach Freuden und <strong>der</strong> Vermeidung von Frustrationen. Wie bereits erwähnt,<br />
haben Gefühle das Verhalten unserer Vorfahren geleitet, bevor sich<br />
<strong>der</strong> Neocortex im Gehirn entwickelt hat, in dem unser Verstand angesiedelt<br />
ist.<br />
Sitz <strong>der</strong> Emotion ist das limbische System, über das auch höher entwickelte<br />
Tiere verfügen.<br />
Dieser Bereich reguliert die grundlegenden vegetativen Körperfunktionen<br />
wie den Atem, den Metabolismus <strong>der</strong> Organe und ganz allgemein die<br />
Schaltzentralen, die für das korrekte Funktionieren des Körpers sorgen. Das<br />
erklärt, warum wir bei starken Gefühlsaufwallungen körperliche Reaktionen<br />
verspüren, die beispielsweise den Blutkreislauf betreffen, die Atmung,<br />
10
die Schweißproduktion, den Muskeltonus o<strong>der</strong> unsere Seh- und Hörnerven<br />
beeinflussen. Viszeral, also aus dem Bauch, reagieren wir mit einem zeitweiligen<br />
Verlust <strong>der</strong> neurovegetativen Kontrolle; in Bezug auf den Ausdruck<br />
verän<strong>der</strong>n sich unsere Mimik, unser körperliches Verhalten und unsere gewohnten<br />
Kommunikationsformen; auf psychologischer Ebene reagieren wir<br />
mit verringerter Selbstkontrolle und Kritikfähigkeit.<br />
Auch wenn Gefühle nicht vom Neokortex abhängen, bedeutet das nicht,<br />
dass sie irrational sind.<br />
1. Sie sind anpassungsfähig, was sich in <strong>der</strong> schnellen Lösungsfindung<br />
zeigt, und zwar dann, wenn keine Zeit zum Nachdenken ist, wie bei einer<br />
plötzlichen Gefahr;<br />
2. Gefühle sind vorsätzlich: Emotionen entstehen nicht zufällig, son<strong>der</strong>n<br />
immer in Bezug auf eine Person o<strong>der</strong> eine Umgebung. So versuchen wir<br />
einzuschätzen, ob ein gewisses Verhalten günstig o<strong>der</strong> ungünstig ist.<br />
3. Gefühle för<strong>der</strong>n organisierte Maßnahmen, um unangenehmen Situationen<br />
für uns selbst o<strong>der</strong> für an<strong>der</strong>e vorzubeugen, wie im Fall <strong>der</strong> Wut.<br />
Auf die gleiche Weise können sie dafür sorgen, dass wir uns verstecken,<br />
wie im Fall <strong>der</strong> Scham, o<strong>der</strong> etwas wie<strong>der</strong>gutmachen, wie bei <strong>der</strong> Schuld;<br />
4. Sie haben einen Grund: die Furcht etwa, weil eine Gefahr droht, o<strong>der</strong> die<br />
Freude.<br />
5. Gefühle haben einen Zweck: Er zeigt sich beispielsweise, wenn wir bei<br />
einer scheinbar zu schwierigen Aufgabe in Tränen ausbrechen. So verbergen<br />
wir unsere eigene Unfähigkeit, wenn wir uns <strong>der</strong> Situation nicht<br />
gewachsen fühlen.<br />
6. Sie haben eine Bedeutung: Wenn wir Gefühle zeigen, tun wir dies mit<br />
denselben anatomisch-physiologischen Strukturen wie beim Lachen<br />
o<strong>der</strong> Weinen, auch wenn diese beiden Emotionen nicht dieselbe Bedeutung<br />
haben.<br />
11
4. Empathie<br />
Gefühle betreffen nicht nur das Leben eines einzelnen Individuums, son<strong>der</strong>n<br />
haben einen sozialen Einfluss auf die Beziehungen von Menschen<br />
untereinan<strong>der</strong>. Beziehungen werden von einem empathischen Einklang geregelt,<br />
<strong>der</strong> zunächst zwischen Mutter und Kind entsteht (falls er entsteht). Im<br />
Erwachsenenalter zeigt er sich in unseren sozialen Kompetenzen, die jeden<br />
Einzelnen zum Umgang mit an<strong>der</strong>en befähigen und zu Interaktionen führen,<br />
die unsere persönlichen Beziehungen unterstützen.<br />
Dies gilt beispielsweise für ein Ehepaar, in <strong>der</strong> Schule zwischen Lehrkräften<br />
und Schülern, im Arbeitsalltag zwischen Kollegen und Kolleginnen<br />
bzw. <strong>der</strong>en Vorgesetzten. Die sozialen Interaktionen erschaffen ein günstiges<br />
Klima und reduzieren die Gegensätze, die aus Unverständnis entstehen.<br />
Natürlich muss die eigene Empathiefähigkeit mit einer Selbstkontrolle einhergehen,<br />
um sowohl ein Zuviel an unkontrollierter und übertriebener Empathie<br />
als auch eine übermäßige Selbstbeherrschung zu verhin<strong>der</strong>n, die die<br />
eigenen Gefühle nicht zulässt.<br />
Empathie ist die Fähigkeit, sich in eine an<strong>der</strong>e Person hineinzuversetzen<br />
und ihre Gedanken sowie Befindlichkeiten zu verstehen. Diese entsteht auf<br />
natürlichem Wege bereits in <strong>der</strong> Kindheit durch den Einklang von Mutter<br />
und Säugling sowie später von Eltern und Kind. Bringen Eltern ihrem Kind<br />
jedoch keine Empathie für seine Gefühle (wie Freude o<strong>der</strong> Trauer) o<strong>der</strong> für<br />
sein Bedürfnis nach einer Umarmung entgegen, wird das Kin<strong>der</strong> vermeiden,<br />
seine Gefühle zu zeigen. Später wird es sie immer weniger spüren, vor allem<br />
wenn seine Gefühle weiterhin unbeachtet bleiben o<strong>der</strong> gar abgewertet werden.<br />
Die Folgen können beim erwachsenen Kind zweierlei sein: Entwe<strong>der</strong> reagiert<br />
es extrem sensibel auf negative Gefühle und achtet in übertriebenem<br />
Maße auf Hinweise, die eine Gefahr bedeuten könnten, o<strong>der</strong> ihm fehlt die<br />
Fähigkeit, Empathie zu empfinden. Dadurch wird es unfähig, mit an<strong>der</strong>en<br />
Menschen in Einklang zu kommen. Solche Kin<strong>der</strong> neigen zu kriminellen<br />
Handlungen, ohne sich ihrer Schuld bewusst zu sein, denn sie spüren einfach<br />
nicht, was ihr Tun bei an<strong>der</strong>en auslösen kann.<br />
12
5. Emotionale Resonanz<br />
Als »emotionale Resonanz« bezeichnen wir die von unserer Psyche wahrgenommene<br />
Emotion, die unser Handeln begleitet und es als gut o<strong>der</strong> schlecht,<br />
angemessen o<strong>der</strong> unangemessen bewertet. Darauf bezog sich wahrscheinlich<br />
Immanuel Kant: Er hielt die Unterscheidung zwischen Gut und Böse für<br />
nicht notwendig, weil alle sie ganz natürlich in sich fühlten.<br />
Personen, die nicht über eine entsprechende emotionale Resonanz verfügen,<br />
können den Unterschied zwischen einem Mädchen den Hof machen<br />
o<strong>der</strong> es vergewaltigen nicht erkennen. Sie unterscheiden nicht zwischen<br />
gleichgültig an einem Bettler vorbeigehen o<strong>der</strong> hemmungslos und ohne<br />
Schuldgefühle einen schlafenden Obdachlosen auf einer Bank anzünden.<br />
Solche Menschen werden Psychopathen genannt. Ihre Psyche ist teilnahmslos,<br />
da sie die Schwere <strong>der</strong> Handlungen nicht registriert. Soziopathen, die<br />
ebenfalls zu dieser Gruppe gehören, nehmen gefühlsmäßig den Unterschied<br />
zwischen Gut und Böse nicht wahr und stellen eine Gefahr für die Gesellschaft<br />
dar.<br />
Damit sich eine emotionale Resonanz entwickelt, muss die Psyche eines<br />
Kindes gut behandelt werden. Dies beginnt bereits beim Neugeborenen, das<br />
von <strong>der</strong> Mutter gestillt wird und darüber bereits Geborgenheit, Gleichgültigkeit<br />
o<strong>der</strong> Ablehnung erfährt. In <strong>der</strong> frühen Kindheit entwickelt sich die kindliche<br />
Psyche weiter, wenn die Eltern neben <strong>der</strong> körperlichen und geistigen<br />
auch die psychische Erziehung umsetzen. Passiert dies nicht, arrangiert sich<br />
das Kind selbst. In <strong>der</strong> Schule schließlich sollte neben <strong>der</strong> geistigen auch<br />
die emotionale Intelligenz geför<strong>der</strong>t werden. Denn Emotionen sind vor allem<br />
Beziehungen, die jene zwischenmenschlichen Fähigkeiten stärken, von<br />
denen unsere angemessene Lebensweise in <strong>der</strong> Gesellschaft abhängt.<br />
Aus dem Mangel einer emotionalen Kommunikation, die Kin<strong>der</strong> nicht<br />
gelernt, Jugendliche nicht erfahren haben und Erwachsene zu unterdrücken<br />
gewohnt sind, entsteht hingegen die unangemessene Tat, die Gewalttat. Sie<br />
tritt an die Stelle aller Worte, die wir wegen unseres instinktiven Misstrauens<br />
gegenüber an<strong>der</strong>en und unserer eigenen emotionalen Sprachlosigkeit nie<br />
ausgesprochen haben.<br />
13
6. Die Gefahren für die Emotionen in Zeiten <strong>der</strong><br />
technischen Rationalität<br />
In <strong>der</strong> heutigen Zeit folgen die Emotionen zwei unterschiedlichen, aber jeweils<br />
gefährlichen Pfaden, die durch die Technik vorgezeichnet werden. Als<br />
Folge ihrer Entwicklung ist die Technik heute nicht mehr nur ein Instrument<br />
in den Händen des Menschen. Sie ist vielmehr zu unserer Umgebung geworden,<br />
die von einer strengen Rationalität gesteuert wird. Ihr Ziel es ist, durch<br />
den geringsten Einsatz das meiste zu erreichen.<br />
1. Dadurch, dass die Technik zu unserer Umgebung geworden ist, besteht<br />
die erste Gefahr darin, dass wir uns ihrer Rationalität nicht mehr entziehen<br />
können. Das ist <strong>der</strong> Grund, warum in Arbeitsverhältnissen sowie in öffentlichen<br />
und in sozialen Beziehungen die Unterdrückung, wenn nicht gar die<br />
Verdrängung von Emotionen gefor<strong>der</strong>t wird. Dieser For<strong>der</strong>ung kommen wir<br />
nach, um all jene Dynamiken zu vermeiden, die Wut, Groll, Schuldgefühle<br />
o<strong>der</strong> Scham durchscheinen lassen würden. Denn ebendiese Emotionen und<br />
an<strong>der</strong>e Empfindungen behin<strong>der</strong>n die eng getakteten technischen Abläufe<br />
und gefährden ihre Funktionalität, Effektivität und Produktivität, also die<br />
Werte <strong>der</strong> Technik. Sich nicht daran zu halten, könnte unseren Ausschluss<br />
aus <strong>der</strong> Arbeitswelt bedeuten, dem <strong>der</strong> Ausschluss aus <strong>der</strong> Gesellschaft folgen<br />
würde.<br />
Aber <strong>der</strong> Mensch besitzt neben <strong>der</strong> Rationalität eben auch eine irrationale<br />
Seite. Denn Schmerz, Liebe, Erfindungskraft, Vorstellungsvermögen,<br />
Fantasie und Wunschtraum sind nicht rational. Um sich <strong>der</strong> Rationalität zu<br />
unterwerfen, die die Technik uns auferlegt, muss <strong>der</strong> Mensch all die Facetten<br />
seines Wesens, die die Rationalität behin<strong>der</strong>n, zum Schweigen bringen, auch<br />
wenn genau diese uns erst zum Menschen machen.<br />
2. Als Reaktion auf die Rationalität <strong>der</strong> Technik besteht die zweite Gefahr<br />
darin, dass wir einen Lebensstil annehmen, <strong>der</strong> sich ausschließlich an Gefühlen<br />
orientiert. Was können wir schon erwi<strong>der</strong>n, wenn jemand sagt: »Die<br />
Liebe existiert nicht, denn aus meiner Lebenserfahrung heraus fühle ich,<br />
dass dies die einzig richtige Schlussfolgerung ist« o<strong>der</strong> »Nach all den Trauerfällen,<br />
die ich erlebt habe, spüre ich, dass das Leben keinen Sinn hat«?<br />
Solche Sätze lassen wenig Spielraum für eine Diskussion. Denn das so aus-<br />
14
gedrückte Gefühl, das einzig aus <strong>der</strong> biografischen Erfahrung resultiert, verlangt<br />
nach Anerkennung. Weil so ein Gefühl unangreifbar ist, verursacht es<br />
auf <strong>der</strong> einen Seite den Rausch <strong>der</strong> absoluten Freiheit, auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite<br />
bringt es den Einzelnen jedoch um die Unterstützung unentbehrlicher sozialer<br />
Bindungen.<br />
Doch wenn Entscheidungen einzig von dem Gefühl des Augenblicks, diesem<br />
»so fühle ich«, abhängen, verän<strong>der</strong>t sich auch das Konzept <strong>der</strong> Freiheit,<br />
die sich dann auf die Wi<strong>der</strong>ruflichkeit aller Entscheidungen reduziert: »Ich<br />
heirate, aber wenn ich irgendwann an<strong>der</strong>s fühle, kann ich mich scheiden<br />
lassen«, »Ich wünsche mir ein Kind, aber falls ich es doch bereue, kann ich<br />
auch abtreiben«.<br />
In einem solchen Szenario, in dem alles umkehrbar ist, weil keine Entscheidung<br />
eine an<strong>der</strong>e ausschließt, in dem selbst die Identitäten wie Klei<strong>der</strong><br />
gewechselt werden können, stellt keine Identität mehr den Sinn und die Geschichte<br />
eines Lebens dar. Denn Sinn und Geschichte sind nur dort möglich,<br />
wo Ereignisse stattfinden, die auch unwi<strong>der</strong>ruflich sein können, und wo man<br />
den Bezug zur gemeinsamen Welt nicht verliert. Diese schränkt unsere persönliche<br />
Freiheit nämlich insofern ein, als dass <strong>der</strong>en Ausübung unweigerlich<br />
Folgen für an<strong>der</strong>e hat.<br />
7. Sichtbarmachen von Gefühlen<br />
Eine weitere, sehr verbreitete Beson<strong>der</strong>heit unserer Zeit ist es, dass man sich<br />
offenbar zeigen muss, um überhaupt zu existieren. Wer jedoch nichts vorzuzeigen<br />
hat, wer also keine Ware, keine Fähigkeit, keine Idee o<strong>der</strong> Botschaft<br />
liefern kann, <strong>der</strong> zeigt sein Innerstes mit all seinen verborgenen Gefühlen.<br />
Und das nur, um sichtbar zu sein und aus <strong>der</strong> Anonymität herauszutreten.<br />
Dazu werden Kommunikationskanäle eingesetzt, vom TV über das Internet<br />
bis hin zu Zeitungen. Sie machen intime Geständnisse öffentlich, zeigen<br />
Gefühle und Liebesgeschichten live, wühlen im Privatleben an<strong>der</strong>er und for<strong>der</strong>n<br />
alle auf, ihr Innerstes offenzulegen, und zwar mit einer Schamlosigkeit,<br />
die als Ehrlichkeit deklariert wird, nach dem Motto: »Ihr braucht nichts zu<br />
verstecken, ihr braucht euch für nichts zu schämen.« Haben wir uns jedoch<br />
15
erst einmal gezeigt, herrschen wir nicht mehr über uns selbst, und unsere<br />
Gefühle messen sich nicht mehr an <strong>der</strong> Befindlichkeit unserer Seele, son<strong>der</strong>n<br />
am Erfolg o<strong>der</strong> Misserfolg unseres öffentlichen Bildes. Scham ist dann<br />
nicht mehr das Gefühl, das abgesehen von unserer Intimität, auch unsere<br />
Freiheit schützt, uns an<strong>der</strong>en gegenüber mehr o<strong>der</strong> weniger öffnen zu können.<br />
Denn in <strong>der</strong> totalen Sichtbarmachung von uns selbst werden Scham,<br />
Zurückhaltung o<strong>der</strong> Reserviertheit als Synonyme für Schüchternheit, Introvertiertheit<br />
und Verschlossenheit, also als Gehemmtheit, gedeutet. Und so<br />
verlieren wir diese lebendigen Gefühle, die normalerweise in unserem Innersten<br />
verborgen bleiben, wo Andacht und manchmal Stille, vielleicht auch<br />
Einsamkeit, herrschen. Aus dieser Einsamkeit finden wir zumeist durch<br />
freundschaftliche Worte, Worte <strong>der</strong> Liebe o<strong>der</strong> einfach menschliche Worte<br />
heraus, in denen wir uns wie<strong>der</strong>finden und durch die wir anerkannt werden.<br />
Sobald diese geheimen Pfade <strong>der</strong> Seele, in <strong>der</strong> je<strong>der</strong> die Wurzeln seines<br />
Selbst finden sollte, schamlos an die Öffentlichkeit gebracht werden, so sind<br />
sie im eigentlichen Sinne nicht mehr »meine«, son<strong>der</strong>n »Allgemeingut«. Sie<br />
werden auf Bildschirme projiziert, an denen alle erfahren, wie man liebt, wie<br />
man hasst, wie man weint o<strong>der</strong> wie man sich tröstet. Wenn wir die Uniformierung<br />
<strong>der</strong> zukünftigen Gesellschaft als Folge des »angepassten Denkens«<br />
fürchten, so sind wir heute schon durch <strong>der</strong>en Sichtbarmachung bei <strong>der</strong><br />
Uniformierung <strong>der</strong> Gefühle angelangt. Dieser Konformismus wird vor allem<br />
den Mächtigen nützlich sein, da er nicht nur unsere Art zu denken bestimmt,<br />
son<strong>der</strong>n viel mehr auch unsere Art zu fühlen.<br />
16
8. Gefühle am Handy<br />
Im Vergleich zu an<strong>der</strong>en Medien scheint das Internet ein Multiplikator <strong>der</strong><br />
Sichtbarmachung unseres Innersten zu sein. Dort posten alle das, was sie<br />
von sich erzählen können, und geben Hörensagen als ihre Meinung aus. So<br />
finden alle in diesem kollektiven Monolog von ihrem vertrautesten Inneren<br />
schließlich nur noch das, was auf ihren Displays läuft, über die sie wegen<br />
des digitalen Drucks leicht an intimen Lebensarten von je<strong>der</strong>mann teilhaben<br />
können.<br />
Doch was passiert dabei mit unseren Emotionen und Gefühlen, die heute<br />
zum großen Teil durchs Internet schwirren, über Smartphones und ähnliche<br />
Geräte, die gnadenlos unsere Beziehung mit <strong>der</strong> Realität, mit uns selbst und<br />
zu an<strong>der</strong>en offenbaren? Welche Aspekte unserer Persönlichkeit und unserer<br />
Neurosen enthüllen diese Geräte? Und vor allem zu welcher psychischen<br />
Regression führen sie?<br />
Ich sage das, weil wir als Kin<strong>der</strong> die Welt zunächst in Begleitung eines<br />
Teddys eroberten, von dem wir uns nie trennen konnten. Heute können wir<br />
nicht ohne Handy o<strong>der</strong> Laptop sein, quasi als Kuscheltier-Ersatz. Wir dachten,<br />
dass die Technologie uns voranbringen würde, doch stattdessen infantilisiert<br />
sie uns, wie <strong>der</strong> Psychologe Luciano Di Gregorio in seinem <strong>Buch</strong> »Psicopatologia<br />
del cellulare« bereits 2003 eindrucksvoll dargelegt hat.<br />
Die Zwanghaftigkeit, mit <strong>der</strong> wir telefonieren, chatten, E-Mails schreiben,<br />
um unsere Angst zu vertreiben, die wir aufgrund <strong>der</strong> physischen o<strong>der</strong> emotionalen<br />
Distanz zu nahen Personen verspüren, entspricht unserer kindlichen<br />
Angst, als wir die Abwesenheit <strong>der</strong> Mutter nicht ertrugen. Und so wie Kin<strong>der</strong><br />
diese Distanz mit ihren magischen Allmachtsfantasien überbrücken, leben<br />
auch wir in einer ähnlichen Allmachtsillusion, wenn wir glauben, dass wir<br />
mittels <strong>der</strong> neuen Technik Menschen und Ereignisse kontrollieren können.<br />
Nicht selten nährt diese scheinbare Kontrolle ein krankhaftes Verhalten.<br />
Dann müssen wir zwanghaft überprüfen, ob die Menschen, die uns interessieren,<br />
etwas Neues geschrieben haben. Wir werden richtiggehend zu Detektiven,<br />
finden heraus, wo sich diese Personen aufhalten und wie lange sie<br />
dort sind.<br />
17
Die Illusion <strong>der</strong> Freiheit, die die Smartphones uns versprechen, verwandelt<br />
sich auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite in <strong>der</strong>en Verlust. Um uns davor zu schützen,<br />
greifen wir auf unzählige Lügen und Rechtfertigungen zurück (es gab kein<br />
Netz, <strong>der</strong> Akku war leer, ich war im Tunnel), zu denen wir gezwungen werden,<br />
sobald wir mal nicht erreichbar sind. Dieser ständigen Dauerüberwachung<br />
durch an<strong>der</strong>e können wir uns nicht entziehen, seit jene in <strong>der</strong> Illusion<br />
leben, die Wirklichkeit aus <strong>der</strong> Ferne kontrollieren zu können, indem sie eine<br />
Tastatur o<strong>der</strong> einen Kopfhörer aktivieren. Die neuen Technologien zeigen allerdings<br />
auch, wie verbreitet die Angst vor Anonymität ist. Sie bringt viele<br />
Menschen dazu, über die digitalen Kanäle ihre Gefühle, Bedürfnisse und<br />
tiefsten Wünsche zu offenbaren. Diese Angst offenbaren Menschen in Form<br />
von öffentlichen, mit lauter Stimme geführten Telefonaten, in denen sie ihre<br />
gehobene Stellung im Beruf o<strong>der</strong> die Qualität ihres Liebeslebens kundtun,<br />
letzteres – nicht selten auf groteske Art – ganz schamlos und aus rein narzisstischer<br />
Lust.<br />
Ist das Handy <strong>der</strong> Stecker, <strong>der</strong> uns mit <strong>der</strong> Welt verbindet (von <strong>der</strong> Welt<br />
um uns herum mal ganz abgesehen), so verlieren wir damit allerdings unsere<br />
Innenwelt und vergessen, was Stille ist, durch die wir mit uns selbst in<br />
Verbindung treten können. Wir verlernen, was Warten bedeutet, mit all den<br />
darin auftauchenden überraschenden Emotionen. Wir vergessen, was Liebe<br />
wirklich ist, die wir in ihrer ganzen Tiefe nur erleben können, wenn wir die<br />
Außenwelt aussperren. Denn echte Liebe erträgt es nicht, wenn zwischen<br />
den Liebenden ein angeschaltetes Smartphone liegt. Zudem wissen wir<br />
nicht mehr, was das wirkliche Leben ist, das sich wegen seiner Unsicherheit<br />
und Endlichkeit jeglicher Kontrolle entzieht, von <strong>der</strong> wir aber glauben, dass<br />
wir sie ausüben können, wenn wir sie ins Netz verlegen.<br />
18
9. Gefühle im Netz<br />
Besitzt die reale Welt für Menschen keine Konsistenz mehr, weil sie nur noch<br />
über das Internet Kontakte pflegen, empfinden sie natürlich eine schreckliche<br />
Leere, sobald Computer o<strong>der</strong> Smartphone ausgeschaltet sind. Deshalb<br />
tragen sie diese »Kommunikationsmittel« also notwendigerweise immer bei<br />
sich, so als wären diese Geräte ein Rettungsring. Diese Menschen finden sich<br />
in einem ähnlichen Zustand wie<strong>der</strong>, den Günter An<strong>der</strong>s in <strong>der</strong> »Erzählung<br />
für Kin<strong>der</strong>« folgen<strong>der</strong>maßen beschrieben hat:<br />
Der König sah es nicht gern, dass sein Sohn auf unkontrollierten Wegen<br />
durch das Land lief, um sich ein eigenes Bild von <strong>der</strong> Welt zu machen. Daher<br />
schenkte er ihm eine Kutsche mit Pferden.<br />
»Jetzt musst du nicht mehr zu Fuß gehen«, sagte er.<br />
»Jetzt ist es dir nicht mehr erlaubt«, bedeuteten seine Worte.<br />
»Jetzt kannst du es nicht mehr machen«, war ihre Wirkung.<br />
Was hat diese Geschichte mit uns zu tun? Sehr viel. Denn wenn die Kommunikationsmittel<br />
uns nicht mit <strong>der</strong> Welt in Kontakt bringen, son<strong>der</strong>n nur mit<br />
ihrer Darstellung, wenn sie uns eine zeit- und raumlose Gegenwart liefern,<br />
weil sie in <strong>der</strong> Simulation und <strong>der</strong> Momentaufnahme verharren, wenn sie<br />
unsere Art, Erfahrungen zu machen, verän<strong>der</strong>n, das Entfernte heranholen<br />
und das Nahe entfernen, wenn sie uns mit dem Fremden vertraut machen<br />
und virtuelle Codes die reale Welt interpretieren, dann verschlüsseln uns<br />
diese Kommunikationsmittel und verän<strong>der</strong>n unsere Gefühle, unabhängig<br />
davon, wie wir sie gebrauchen.<br />
Deshalb leugnen wir, dass die Kommunikationsmittel nur »Mittel« sind.<br />
Wenn Radio, Fernsehen, Computer, Smartphone, Tablet o<strong>der</strong> Spielkonsole<br />
die Beziehungen zwischen uns und unseren Mitmenschen bestimmen, zwischen<br />
uns und den Dingen, zwischen den Dingen und uns, dann prägen uns<br />
diese Kommunikationsmittel, ganz gleich, zu welchem Zweck wir sie benutzen,<br />
sogar noch bevor wir ihnen einen bestimmten Zweck zuordnen. Hier<br />
meine ich vor allem die Jugendlichen, die ihre Gefühle – nicht nur Freude,<br />
Begeisterung, Aufregung, son<strong>der</strong>n auch Angst, Wut, Langeweile, Einsam-<br />
19
keit – in den sozialen Netzwerken teilen, weil sie sich dort treffen und so<br />
reale Begegnungen ersetzen.<br />
Diese Prägung geschieht sowohl beim Onlinespiel als auch beim Beschimpfen<br />
und Bedrohen von Gleichaltrigen, dem sogenannten Cybermobbing,<br />
ebenso beim Sexting, wenn <strong>der</strong> eigene Körper in Fotos und Videos gezeigt<br />
wird, nur um wenigstens ein Minimum an narzisstischer Belohnung zu<br />
erheischen. Sie kann zur Entwicklung von Hikikomori führen, also Jugendliche<br />
hervorbringen, die sich aus <strong>der</strong> realen Welt vollkommen zurückziehen<br />
und sich in ihren Zimmern einschließen. Diese Menschen stehen nur mit<br />
<strong>der</strong> virtuellen Welt in Kontakt, aus <strong>der</strong> sie ein gewisses Maß an Trost ziehen,<br />
um ihre Ängste zu betäuben. Tragisch wird es, wenn die Heranwachsenden<br />
als Opfer eines jugendlichen Bedürfnisses auf TikTok Kraft und Mut beweisen<br />
wollen in Challenges, die von an<strong>der</strong>en Usern auf <strong>der</strong> Plattform geteilt<br />
werden, und dabei den Tod riskieren.<br />
Aber so weit müssen wir gar nicht gehen. Schon die Chats können die Gefühle<br />
<strong>der</strong> Jugendlichen verfälschen. Bei dieser Kommunikationsart können<br />
sie sich tatsächlich so darstellen, wie sie gern wären: schön, intelligent, faszinierend.<br />
So kompensieren sie in <strong>der</strong> virtuellen Welt alle Frustrationen, denen<br />
sie in <strong>der</strong> realen Welt ausgeliefert sind. Die Möglichkeit, unbeschadet lügen<br />
zu können, erweckt in ihnen Gefühle von Allmacht und unbegrenzter Freiheit,<br />
die typisch für die Kindheit sind. Findet nach dem Chatten ein echtes<br />
Treffen statt, so kann das die Jugendlichen enttäuschen, wenn die Wirklichkeit<br />
<strong>der</strong> Selbstdarstellung im Chat wi<strong>der</strong>spricht. Dann zerbricht <strong>der</strong> Traum,<br />
und die Enttäuschung holt sie gnadenlos in die Realität zurück. Doch nicht<br />
nur deswegen gehen sich chattende Jugendliche aus dem Weg. Wenn nur<br />
das Virtuelle das bietet, was die Realität ihnen nicht liefern kann, machen<br />
sie es sich eben im Virtuellen gemütlich und verringern reale Kontakte mit<br />
<strong>der</strong> echten Welt.<br />
20
10. Wie die neuen Technologien die Gefühle unserer<br />
Kin<strong>der</strong> belasten<br />
Im Verlauf <strong>der</strong> kulturellen Entwicklung <strong>der</strong> Menschheit, können wir von einer<br />
ersten Phase sprechen: In prähistorischer Zeit fanden unsere Vorfahren<br />
mithilfe von Höhlenmalerei und Steinskulpturen eine Art, ihre Gedanken,<br />
Gefühle und ihre Vision <strong>der</strong> Welt auszudrücken, die uns heute allgemein,<br />
vage, global und holistisch erscheint.<br />
Mit <strong>der</strong> Erfindung <strong>der</strong> Schrift beginnt eine zweite Phase, die dadurch charakterisiert<br />
wird, dass die bildliche Vision <strong>der</strong> Welt durch die Fähigkeit ersetzt<br />
wird, Bedeutung in eine lineare Reihe von Symbolen zu übersetzen. Wenn<br />
ich beispielsweise das Wort »Hund« lese, so haben die grafische und klangliche<br />
Form des Wortes nichts mit dem Tier an sich zu tun. Vielmehr stellt die<br />
Entschlüsselung des alphabetischen Kodes eine geistige Leistung dar, die für<br />
die Betrachtung von Bil<strong>der</strong>n nicht erfor<strong>der</strong>lich ist.<br />
Seit dieser Erfindung hat unsere Art zu denken eine radikale Verän<strong>der</strong>ung<br />
durchgemacht: Von holistisch und global ist sie analytisch, strukturiert<br />
und sequenziell geworden. Die Entwicklung <strong>der</strong> Sprache garantierte eine<br />
Verbreitung <strong>der</strong> Kultur, die mit den vorherigen Werkzeugen nicht denkbar<br />
gewesen wäre. Doch die Digital Natives von heute, die den virtuellen Raum<br />
<strong>der</strong> Sozialen Netzwerke den realen Räumen vorziehen, leben ihre Gefühle<br />
lieber aus und spüren sie, als sie diskursiven Strukturen anzuvertrauen, wie<br />
es die großen Romanciers vor <strong>der</strong> Digitalisierung machten. Denn für die Heranwachsenden<br />
drückt sich die wahre und authentische Wirklichkeit nicht<br />
in gesprochenen o<strong>der</strong> geschriebenen Sätzen aus, son<strong>der</strong>n in absoluten Gefühlen,<br />
so wie die Musik sie beispielsweise liefern kann.<br />
An diesem Punkt stellt sich die Frage: Wie verän<strong>der</strong>n sich die Gefühle<br />
unserer Kin<strong>der</strong> in <strong>der</strong> digitalen Welt, in <strong>der</strong> Raum und Zeit aufgehoben sind<br />
und die Gefahr läuft, die wertvollsten Aspekte <strong>der</strong> »physischen« Realität zu<br />
Gunsten <strong>der</strong> »virtuellen« auszulöschen? Das alles geschieht genau in dem<br />
Alter, in dem die Jugendlichen notwendigerweise den Unterschied zwischen<br />
Wirklichkeit und Traum, zwischen Fantasie und Wunsch lernen müssen.<br />
Doch stattdessen wird die Jugendzeit hinausgezögert, sodass die jungen<br />
Menschen schließlich nicht mehr anpassungsfähig sind, sobald sie das Er-<br />
21
wachsenenalter erreichen, weil sie sich damit nicht haben vertraut machen<br />
können. So schreibt Raffaele Simone ganz richtig: »Die kognitiven Informationstechnologien<br />
sind eine drastische Form <strong>der</strong> De-Realisation«, bei <strong>der</strong> die<br />
Nutzer den Kontakt mit <strong>der</strong> Realität verlieren, weil im virtuellen Raum die<br />
Wirklichkeit durch ihre Simulation ersetzt worden ist.<br />
Als Folge <strong>der</strong> Isolation, die durch die Beziehung des Einzelnen zum Computer<br />
einsetzte, griffen die Digital Natives zuerst auf die Smileys, eine bestimmte<br />
Abfolge von Zeichen, die die Emotionen stilisieren, dann auf die<br />
Emojis zurück, jene runden Gesichter, die Gefühlszustände und Befindlichkeiten<br />
darstellen. Diese Tendenz, Schrift durch Emoticons zu ersetzen,<br />
scheint mir die offensichtlichste Form <strong>der</strong> Rückkehr in die erste Phase <strong>der</strong><br />
Menschheitsgeschichte zu sein, als die Menschen durch Felsmalerei und<br />
Skulpturen kommunizierten. Sie ist zudem eine Rückkehr in die erste Phase<br />
unseres Lebens, wenn es stimmt, dass Emoticons schon von Kin<strong>der</strong>n verstanden<br />
werden, die noch nicht schreiben können. Auf die Nutzung <strong>der</strong><br />
Emoticons wird während des Heranwachsens nicht mehr verzichtet. Ein Gesicht<br />
stellt Traurigkeit dar, ein an<strong>der</strong>es Freude, noch eines Wut, wie<strong>der</strong> eines<br />
Langeweile o<strong>der</strong> Gleichgültigkeit: So werden in einer schon fast zwanghaften<br />
Reihung die eigenen Gefühle nach außen getragen. Und wenn die Emojis<br />
nicht mehr genügend ausdrucksstark erscheinen, greifen die Digital Natives<br />
auf Sprachnachrichten und Selfies zurück. Denn mittlerweile scheint es,<br />
dass sie Mühe haben, ihre eigenen Gefühle und Emotionen zu beschreiben,<br />
nicht nur gegenüber an<strong>der</strong>en, son<strong>der</strong>n auch gegenüber sich selbst. Dabei<br />
haben sie ein immenses Bedürfnis, ihre Gefühle mitzuteilen und auszudrücken.<br />
Aber ist all diese Zwanghaftigkeit in <strong>der</strong> Kommunikation über virtuelle<br />
Kanäle, neben dem oben beschriebenen De-Realisationsprozess, nicht auch<br />
ein Symptom <strong>der</strong> De-Sozialisierung aufgrund <strong>der</strong> vermehrten Einsamkeit<br />
<strong>der</strong>jenigen, die ausschließlich im Internet leben, arbeiten und kommunizieren?<br />
Tatsächlich kann pro Computer nur eine Person interagieren. Doch<br />
wenn es stimmt, dass wir über das Internet Freunde in Amerika o<strong>der</strong> Australien<br />
finden können, so fragt man sich, wie tief diese Freundschaften im Vergleich<br />
zu denen gehen, die man in einer realen Gemeinschaft, in <strong>der</strong> Nach-<br />
22
arschaft, <strong>der</strong> Schule o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Kneipe schließen kann, die nun <strong>der</strong> virtuellen<br />
Community geopfert werden.<br />
Was wird aus den sozialen Kompetenzen unserer Kin<strong>der</strong>? Welche Folgen<br />
hat das in Bezug auf Einsamkeit, Depression o<strong>der</strong> Schüchternheit? Wie<br />
wirken sich ihre Schwierigkeiten im persönlichen Kontakt mit an<strong>der</strong>en aus,<br />
wenn sie nicht nur hören, was an<strong>der</strong>e sagen, son<strong>der</strong>n auch ihre Gefühle, die<br />
Qualität dieser Gefühle und ganz allgemein die Körpersprache miterleben?<br />
Denn all dies vermittelt sich nicht über Worte und auch nicht über digitale<br />
Bil<strong>der</strong>, son<strong>der</strong>n nur über den realen Körper, <strong>der</strong> eine Identität zum Ausdruck<br />
bringt. Das lässt sich von keiner Website herunterladen.<br />
Um sich und die eigenen Gefühle wirklich ausdrücken zu können, müssen<br />
Jugendliche komplexere Situationen durchleben als die, die das Netz<br />
ihnen bietet. Sie müssen vielfältigere Landschaften durchqueren und verstehen<br />
lernen. Sie müssen verschlungenere Wege gehen, statt nur auf Datenautobahnen<br />
zu surfen, die scheinbar genau dafür gebaut wurden, Nutzern<br />
nur das zu zeigen, was an<strong>der</strong>e für sie vorgesehen haben. Denn um komplexe<br />
Situationen und Landschaften beschreiben zu können, reichen keine Emoticons<br />
aus, dafür brauchen wir alle <strong>Buch</strong>staben des Alphabets.<br />
Ich will das Netz nicht zensieren. Es hat Kommunikations- und Beziehungsmöglichkeiten<br />
geschaffen, die bis vor kurzem noch undenkbar waren.<br />
Ich möchte vielmehr davor warnen, dass das Netz unsere Kin<strong>der</strong> von ihren<br />
Gefühlen und Emotionen entfremden kann. Diese werden dort durch Pseudo-Emotionen<br />
bei jenen ersetzt, die unbemerkt und unwissentlich die reale<br />
Welt für eine nicht-reale Welt aufgeben.<br />
23
»Schlagt ein und schwört!«, riefen ihm Athos und Aramis zu. Besiegt durch<br />
das Beispiel, aber doch leise fluchend, hob Porthos die Hand, und die vier<br />
Freunde gelobten mit lauter, fester Stimme: »Alle für einen, einer für alle!«<br />
Alexandre Dumas: Die drei Musketiere<br />
altruismus<br />
Das Fremdwort »Altruismus« bedeutet Selbstlosigkeit. Einige Wissenschaftler<br />
behaupten allerdings, dass es echten Altruismus gar nicht gibt. In vielen<br />
guten und großzügigen Gesten, die uns so oft völlig selbstlos erscheinen, verstecken<br />
sich demnach immer auch persönliche Ziele. Die Wissenschaftler behaupten,<br />
dass wir genetisch so programmiert sind, dass wir nur an uns selbst<br />
denken und an<strong>der</strong>en nur helfen, wenn es uns passt.<br />
Sind wir also alle nur Egoisten? Viele werden damit überhaupt nicht einverstanden<br />
sein! Werfen wir mal einen Blick auf die Natur, um Altruismus<br />
genauer zu verstehen.<br />
Viele Spezies zeigen selbstlose Verhaltensweisen. Bei Bienen, Wespen und<br />
Ameisen arbeiten Tausende von Individuen zusammen und opfern ihr eigenes<br />
Leben für wenige auserwählte Exemplare <strong>der</strong> Gruppe.<br />
Aber die Tierwelt liefert uns noch viele weitere Beispiele: Elefanten säugen<br />
die Jungen <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en; Fle<strong>der</strong>mäuse ernähren Artgenossen, die lange nichts<br />
gefressen haben; Wölfe helfen schwachen Jungen, um zu überleben; Erdmännchen<br />
und Murmeltiere halten abwechselnd Wache, um ihre Kolonien<br />
vor Jägern zu warnen; bestimmte Vögel helfen bei <strong>der</strong> Aufzucht von Küken<br />
in benachbarten Nestern. Unter den Tieren findest du viele berührende Fälle<br />
von Altruismus.<br />
24
Aber all diese Beispiele zählen nicht! Denn hinter dieser Form von Altruismus<br />
verbirgt sich ein ganz bestimmtes Ziel: In <strong>der</strong> Tierwelt zählt allein die Spezies,<br />
die Kolonie, die Gemeinschaft, die Nachkommenschaft. Das Opfer des<br />
Einzelnen geschieht also mit dem Ziel, dass die Gruppe überlebt. Altruismus,<br />
so wie wir ihn verstehen, ist das nun wirklich nicht. Die Biologen sprechen hier<br />
auch von dem Paradox des Altruismus. Dann kam William Hamilton.<br />
Der britische Biologe Hamilton formulierte in den 1960er-Jahren die biologische<br />
Theorie des Altruismus. Diese wurde die Grundlage für das berühmte<br />
<strong>Buch</strong> »Das egoistische Gen« von Richard Dawkins.<br />
26
Hamilton, <strong>der</strong> scheinbar ein ganz sympathischer Typ und nebenbei auch<br />
noch ein Genie war, bestätigte wie an<strong>der</strong>e Biologen vor ihm, dass <strong>der</strong> Altruismus<br />
<strong>der</strong> Tiere tatsächlich keiner ist. Dies bewies er anhand einer komplizierten<br />
mathematischen Gleichung, die wir in dem Ausdruck Verwandtenselektion<br />
zusammenfassen können. Das bedeutet, dass Ameisen, Termiten, Murmeltiere,<br />
Bienen usw. zusammenarbeiten, weil nur die Zahl <strong>der</strong> Individuen zählt,<br />
die durch ihr Opfer o<strong>der</strong> ihre Hilfe geboren werden. Ihnen ist es gleichgültig,<br />
ob das ihre eigenen Jungen o<strong>der</strong> die Nachkommen von Artgenossen sind. Ihr<br />
Altruismus dient also dazu, einer Gruppe von Verwandten das Überleben zu<br />
sichern, und ist somit eine etwas verdrehte Art von Egoismus. Besser gesagt:<br />
In <strong>der</strong> Tierwelt sind Altruismus und Egoismus Konzepte, die nicht die gleiche<br />
Bedeutung haben wie bei uns Menschen. Auch wir besitzen ein egoistisches<br />
Gen, und so manche haben davon sogar ganz viele … Aber unter uns Menschen<br />
gibt es auch echten Altruismus! Zum Glück sind wir nämlich in <strong>der</strong><br />
Lage, Taten zu vollbringen, die nur das Ziel haben, an<strong>der</strong>en zu helfen, ohne<br />
dass es für uns einen Vorteil hat o<strong>der</strong> ein an<strong>der</strong>er Zweck dahintersteckt.<br />
Bieten wir im Bus einem alten Menschen den Platz an, tragen wir einer<br />
alten Frau den Einkauf nach Hause o<strong>der</strong> lassen an <strong>der</strong> Kasse die Kunden vor,<br />
die es eilig haben, dann sind wir mehr als höflich. Helfen wir entsprechend<br />
unseren Fähigkeiten – mal mehr, mal weniger –, dann sind wir wahre Altruisten.<br />
Und davon haben wir nichts!<br />
Absolut gar nichts allerdings auch nicht, um ehrlich zu sein. Die Neurobiologen<br />
(schon wie<strong>der</strong> Wissenschaftler …) sagen nämlich, dass in unserem<br />
Gehirn ein bestimmter Bereich aktiviert wird, wenn wir uns wirklich altruistisch<br />
verhalten. Das Belohnungszentrum! Eine großzügige o<strong>der</strong> altruistische<br />
Tat bewirkt nämlich, dass wir uns besser fühlen. Und das ist doch ein guter<br />
Grund, o<strong>der</strong>?<br />
Kleine Anmerkung zum Schluss: Viele Jahre nachdem er den Altruismus<br />
wi<strong>der</strong>legt hatte, reiste William Hamilton zusammen mit an<strong>der</strong>en Forschern<br />
in den Kongo, um den HI-Virus bei den Schimpansen zu erforschen. Er war<br />
bereits alt und wusste, dass ihm anstrengende und unbequeme Wochen im<br />
Dschungel bevorstanden, aber seine Kompetenz und Erfahrung konnten<br />
nützlich sein. Also fuhr er los. Während <strong>der</strong> Reise erkrankte er an Malaria und<br />
starb ein paar Monate später. Eine traurige, aber schöne Geschichte und ein<br />
leuchtendes Beispiel für Altruismus.<br />
27
Man sagt: »Es ist einem unheimlich.« Was heißt das »es«?<br />
Können wir an ihm das Nichts bestimmen? – In <strong>der</strong> Angst versinkt<br />
alles, das Seiende im Ganzen, in Gleichgültigkeit, es bedrängt uns,<br />
lässt uns in Verlassenheit zurück. Die Angst lässt uns so schweben,<br />
wir schweben in Angst; das Seie[n]de im Ganzen lässt uns schweben,<br />
es ist zwar noch da, aber wir können uns an nichts mehr halten.<br />
In diesem durch die Angst enthüllten Nichts entgleiten wir uns selbst.<br />
Heidegger: Was ist Metaphysik?<br />
ANGST<br />
Für gewöhnlich verwechseln wir Angst mit Furcht, dabei gibt es zwischen den<br />
beiden einen wesentlichen Unterschied. Kin<strong>der</strong> beispielsweise fürchten sich<br />
nicht, weil sie sich in <strong>der</strong> Welt noch nicht auskennen und daher noch nichts<br />
von den Gefahren wissen, die darin lauern. Sie fürchten nichts. Daher muss<br />
man ständig auf sie aufpassen und sie im Auge behalten. Erinnerst du dich,<br />
als deine Mutter dir das Messer aus <strong>der</strong> Hand nahm, mit dem du gespielt hast,<br />
weil sie fürchtete, dass du dir wehtust? O<strong>der</strong> als sie dich anschrie, weil du dich<br />
auf dem Balkon zu weit über das Gelän<strong>der</strong> gelehnt hast und sie fürchtete,<br />
dass du hinunterfällst? Wie alle Kin<strong>der</strong>, die die Gefahr nicht kennen, hattest<br />
auch du keine Furcht.<br />
Mit <strong>der</strong> Zeit brauchte deine Mutter nicht mehr auf dich aufpassen, weil du<br />
gelernt hast, dich zu fürchten, und deshalb kannst du dich allein vor Gefahren<br />
schützen. Die Furcht ist tatsächlich ein sehr guter Schutzmechanismus,<br />
29
ohne den wir nicht leben könnten, so wie Kleinkin<strong>der</strong> nicht überleben würden,<br />
wenn man sie sich selbst überließe.<br />
Wir fürchten uns immer vor einem bestimmten Objekt o<strong>der</strong> Zustand.<br />
Wenn du also ein Feuer siehst, läufst du weg, wenn du eine Straße überqueren<br />
willst, siehst du nach rechts und links, um nicht überfahren zu werden.<br />
Dank <strong>der</strong> Furcht schützt du dich vor möglichen Gefahren.<br />
Die Angst hingegen richtet sich nicht auf ein bestimmtes Objekt, weshalb<br />
wir nicht wissen, wovor wir Angst haben. Und wenn wir das nicht wissen, wie<br />
können wir uns dann davor schützen? Martin Heidegger, einer <strong>der</strong> größten<br />
Philosophen des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts, sagte: »Die Angst lässt uns so schweben,<br />
wir schweben in Angst; das Seie[n]de im Ganzen lässt uns schweben, es ist<br />
zwar noch da, aber wir können uns an nichts mehr halten.«<br />
Erinnerst du dich, als deine Mutter dich ins Bett brachte und dir noch<br />
eine Gute-Nacht-Geschichte erzählte, danach das Licht ausschaltete und du<br />
aber einfach nicht einschlafen konntest? Deine Angst hatte im Gegensatz zur<br />
Furcht kein Objekt, das dieses Gefühl auslöst.<br />
Jetzt bist du kein Kind mehr und hast Erfahrungen mit <strong>der</strong> Angst gesammelt.<br />
Du empfindest sie zum Beispiel, wenn du eine drohende Gefahr spürst,<br />
aber nicht weißt, was eigentlich gefährlich ist; o<strong>der</strong> wenn dich ein Gefühl <strong>der</strong><br />
Einsamkeit und Machtlosigkeit gegenüber etwas überkommt, das dir viel zu<br />
schwierig erscheint; o<strong>der</strong> wenn du Angst hast, bei Tests durchzufallen, obwohl<br />
du gut vorbereitet bist.<br />
Doch zurück zur Frage, ob wir uns vor <strong>der</strong> Angst schützen können. Ich<br />
möchte dich nicht enttäuschen und dir noch weniger etwas vormachen, aber<br />
das ist lei<strong>der</strong> nicht möglich. Wir können nur abwarten, dass sie sich auflöst<br />
und von allein wie<strong>der</strong> verschwindet. Hier sagt Heidegger: »Auf die Frage, warum<br />
wir uns ängstigen, geben wir selbst ganz spontan die Antwort: Es war<br />
eigentlich nichts.«<br />
»Na, toll«, wirst du sagen. Doch auch wenn die Angst uns die Sprache verschlägt<br />
und wir in dem Moment nicht mal weglaufen können, so lässt sie uns<br />
unsere Ohnmacht deutlich spüren. Und damit hilft sie uns, Schritt für Schritt<br />
aus unserer kindlichen Allmachtsfantasie herauszukommen. Denn würde<br />
diese bis ins Erwachsenenalter anhalten, wäre es für uns gefährlich. Vor allem<br />
macht die Angst uns klar, dass das Leben selbst unsicher ist.<br />
30
Diese Angst macht uns klar, dass wir im Leben nicht immer durch unsere<br />
Mutter geschützt werden. Nicht für alles gibt es ein Heilmittel, auch wenn<br />
unser Wunschdenken es uns fälschlicherweise glauben lässt. Das Verdienst<br />
<strong>der</strong> Angst ist, uns vor dieser Illusion zu bewahren, auf die wir uns während<br />
des Heranwachsens verlassen. Ohne die Angst hätten wir kein passendes<br />
Hilfsmittel, um Leiden, Schmerz und Verzweiflung zu ertragen, die unseren<br />
Lebensweg immer wie<strong>der</strong> säumen werden. Vielleicht hat deshalb <strong>der</strong> Volksmund<br />
diese Redewendung geprägt: »Angst verleiht Flügel.«<br />
31
»Aber Wolf, trauerst du wirklich nicht den alten Zeiten nach? Möchtest<br />
du nicht noch mal zurück? Vielleicht könnte ich versuchen, die Zeit<br />
doch noch einzufangen …«<br />
»Ich weiß nicht, Krähe, ich weiß es wirklich nicht«, antwortete Wolf.<br />
Dann verließ er das Zelt <strong>der</strong> Krähen-Zauberin und ging zum Labyrinth.<br />
»Denk drüber nach, Wolf!«, rief ihm die Hexe hinterher. »Und wenn du<br />
irgendetwas bedauerst, auch nur eine Sache, komm zurück. Wir werden<br />
diese verrückte Uhr anhalten!«<br />
Guido Quarzo: Der letzte Werwolf <strong>der</strong> Stadt<br />
Bedauern<br />
Der alte Werwolf, <strong>der</strong> letzte seiner Art, erinnert sich traurig an die Zeit, als<br />
er – in Geschichten – den Kin<strong>der</strong>n Mut, Angst und die Gefahren <strong>der</strong> Fantasie<br />
beibrachte. Er zeigte ihnen, wie man sich verläuft und wie man ein weit entferntes<br />
Licht am Ende des Waldes entdeckt: Ihm, <strong>der</strong> nur noch alles bedauert,<br />
verspricht die Hexe, die Zeit anzuhalten. Doch das ist eine Illusion. Bedauern<br />
ist das Gefühl, wenn wir etwas verpasst haben o<strong>der</strong> wenn wir glauben, etwas<br />
verloren zu haben: Gelegenheiten, Begegnungen, Menschen, Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />
und Leidenschaften, die uns früher mal begeisterten. Das ist nicht<br />
nur Nostalgie. Denn wir glauben, dass wir jenen Moment hätten an<strong>der</strong>s erleben<br />
können: Dafür hätten wir allerdings die Gelegenheit ergreifen. Deshalb<br />
überkommt uns das Bedauern und wir denken unter Tränen daran zurück.<br />
Normalerweise muss man ziemlich alt sein, um etwas zu bedauern: Je<br />
mehr Gelegenheiten und Wege noch vor uns liegen, umso seltener verpassen<br />
wir welche. Je weniger Entscheidungen du in <strong>der</strong> Vergangenheit getroffen<br />
hast, umso mehr wirst du in <strong>der</strong> Zukunft noch entscheiden. Also ist fast alles<br />
immer noch möglich! Daher hast du dieses traurige und fruchtlose Gefühl<br />
wahrscheinlich noch nie erlebt.<br />
32
Fruchtlos, jawohl. Etwas zu bedauern, das uns entgangen ist und das wir<br />
nicht mehr erleben können, ist so sinnvoll wie <strong>der</strong> Versuch, die Zeiger <strong>der</strong> Uhr<br />
zurückzudrehen. Aber … du weißt ja, es gibt immer ein Aber! Wir Menschen<br />
können nämlich vorausdenken und etwas tun, damit wir in Zukunft nichts<br />
bedauern. Wir müssen einfach nur die Gelegenheiten beim Schopfe packen,<br />
wenn die Zeit gekommen ist.<br />
Du könntest jetzt einwenden, dass wir dafür eine magische Kristallkugel<br />
bräuchten, und damit hättest du auch irgendwie recht. Aber eigentlich spüren<br />
wir fast immer, wenn wir an einem wichtigen Scheideweg stehen: Da beginnt<br />
<strong>der</strong> scheinbar anstrengende o<strong>der</strong> gefährliche Pfad, den wir aus Bequemlichkeit<br />
ganz einfach verlassen und nicht bis zum Ende beschreiten könnten.<br />
Und genau in diesem Moment sollten wir an unser späteres Bedauern<br />
denken und uns vorstellen, wie wir uns morgen fühlen werden, wenn wir …<br />
33
Tip warf den Stock in die Luft und fing ihn ihm Flug wie<strong>der</strong> auf, dann drückte<br />
er die Arme an die Brust und deutete einen Tanzschritt an, und die ganze<br />
Zeit über wie<strong>der</strong>holte er begeistert: »Er lebt! Er lebt! Er lebt!«<br />
L. Frank Baum: Im Reich des Zauberers von Oz<br />
Begeisterung<br />
Wie oft sind wir begeistert? Von einem Film, einem Song, einer Geschichte.<br />
Doch dahinter steckt mehr: Begeisterung ist vor allem Enthusiasmus. Das<br />
Wort stammt vom griechischen enthousiasmós: en bedeutet »in«, theós ist<br />
»Gott« und ousìa das »Wesen«. Wörtlich bedeutet es also, dass man das Wesen<br />
Gottes in sich trägt.<br />
Dieses großartige Bild beschreibt die Kraft, die uns dazu bringt, uns in aufregende<br />
Abenteuer zu stürzen, Zeit und Energie in etwas zu stecken, das uns<br />
gefällt, o<strong>der</strong> uns für ein Projekt o<strong>der</strong> eine Idee leidenschaftlich zu begeistern.<br />
Aber unser Enthusiasmus unterscheidet sich von dem <strong>der</strong> alten Griechen.<br />
Sie sprachen von Enthusiasmus vor allem, wenn es um die Priesterin Pythia<br />
ging, die zwischen den Menschen und dem Gott Apoll vermittelte. Verkündete<br />
Pythia einen ihrer Orakelsprüche, so sprach Apoll durch sie. Er hatte von<br />
ihr Besitz ergriffen.<br />
Wie konnte das sein? Pythia lebte in Delphi, an einem Ort, <strong>der</strong> <strong>der</strong> Nabel<br />
<strong>der</strong> Welt genannt wurde. Es war eine dunkle Höhle, in <strong>der</strong> Dämpfe aufstiegen.<br />
Wer die Priesterin befragte, dem lieferte sie – besessen vom Enthusiasmus –<br />
ihre Antworten.<br />
»Wer wird den Krieg gewinnen?«, fragten die Heerführer. »Wo sollen wir<br />
eine Stadt gründen?«, fragten die Feldherren. Die Priesterin, die Gott in sich<br />
trug, gab jedoch niemals eine klare und eindeutige Antwort (das machen die<br />
Götter so gut wie nie), son<strong>der</strong>n verkündete eine mysteriöse und geheimnis-<br />
34
volle Botschaft, die entschlüsselt werden musste. Zum Beispiel sagte sie: »Ich<br />
zähle die Sandkörner und messe das Meer …« o<strong>der</strong> »Jetzt stehen deine Standbil<strong>der</strong><br />
und verströmen Schweiß.« Dann fragten sich alle, was sie damit meinte,<br />
und meistens suchte sich je<strong>der</strong> die Deutung aus, die ihm am besten passte.<br />
Viele hun<strong>der</strong>t Jahre später, am Ende des 18. Jahrhun<strong>der</strong>ts, schrieb <strong>der</strong><br />
deutsche Philosoph Immanuel Kant, etwas Kritisches gegen den Enthusiasmus:<br />
Das wäre zu viel Aufregung und maßlose Energie, man würde in seiner<br />
Begeisterung ja gar nicht mehr vernünftig denken können, wie es sich gehört.<br />
Wo kämen wir denn da hin!<br />
Dem gegenüber hielten später viele Denker den Enthusiasmus für eine<br />
kreative Kraft. Er stoße zum Handeln, Fühlen und Dichten an. Und genauso<br />
können wir ihn heute betrachten: Enthusiasten fixieren sich nicht fanatisch<br />
auf eine möglicherweise gefährliche Idee, son<strong>der</strong>n befassen sich leidenschaftlich<br />
mit an<strong>der</strong>en Menschen und <strong>der</strong> Welt.<br />
Das Gefühl des Enthusiasmus‘, <strong>der</strong> Begeisterung, trägt immer auch Hoffnung<br />
in sich. So stecken in ihm auch Freude, Fröhlichkeit, Optimismus<br />
und ein positiver Charakter. Natürlich kann ein Hin<strong>der</strong>nis die Begeisterung<br />
dämpfen o<strong>der</strong> gar vertreiben, aber normalerweise haben enthusiastische<br />
Menschen immer eine Reserve.<br />
Denken wir zum Beispiel an Pollyanna, ein Mädchen, das über einen fast<br />
unerschöpflichen Enthusiasmus verfügt. Sie ist die Heldin von zwei amerikanischen<br />
Kin<strong>der</strong>büchern, die Anfang des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts erschienen sind.<br />
Dabei hätte Pollyanna gar keinen Grund, glücklich zu sein: Sie hat als kleines<br />
Kind ihre Mutter verloren und jetzt auch noch den Vater. Sie wird zu einer<br />
einsamen und verbitterten Tante in eine große Villa nach Boston geschickt.<br />
Obwohl es dort viele große Zimmer gibt, bringt die Tante sie in einer kleinen<br />
Kammer auf dem Dachboden unter. Es gibt keine Spiegel (zum Glück, sagt<br />
Pollyanna, so muss ich nicht jeden Tag meine Sommersprossen sehen) und<br />
auch keine Bil<strong>der</strong> (das macht nichts, denn durch die Fenster sieht sie viel<br />
schönere Dinge als auf jedem Bild). Wenn sie zu spät zum Essen kommt, wird<br />
sie zur Strafe in die Küche geschickt, um dort mit <strong>der</strong> Haushälterin Nancy<br />
Brot und Milch zu essen (aber das Mädchen ist froh darüber, denn sie mag<br />
Milch und Brot und Nancy findet sie nett).<br />
Pollyanna stellt sich allem mit einem lebendigen, energischen Enthusiasmus.<br />
36
»Du scheinst kein Problem zu haben, über egal was froh zu sein«, erwi<strong>der</strong>te<br />
Nancy […].<br />
Pollyanna lachte sanft. »Nun, so geht das Spiel halt, weißt du.«<br />
»Das – Spiel?«<br />
»Ja, das ‚Einfach-froh-sein-Spiel‘. […] Das Spiel bestand darin, in allem,<br />
gleich, was es ist, etwas zu entdecken, über das man froh sein kann«, erwi<strong>der</strong>te<br />
Pollyanna ernst. »Und dann ging es los – mit den Krücken.«<br />
»Du liebe Güte! Worüber soll man denn da froh sein?«<br />
Pollyanna klatschte in die Hände. »Das geht«, frohlockte sie. […] »Du<br />
kannst einfach froh sein, dass du sie nicht brauchst!«<br />
Na gut, manchmal ist die Inbrunst, mit <strong>der</strong> sie das Spiel spielt, das ihr<br />
Vater ihr beigebracht hat, etwas naiv und sogar verwirrend, aber so kann sie<br />
ihr Unglück ertragen.<br />
Ein bisschen mehr Pollyanna würde uns allen guttun!
»Du, Peter, kannst du wirklich fliegen?«<br />
Der machte sich nicht die Mühe zu antworten, son<strong>der</strong>n flog<br />
einfach im Zimmer herum und landete auf dem Kamin.<br />
»Toll!«, sagten John und Michael.<br />
»Süß!«, rief Wendy.<br />
»Ja, ich bin süß, ich bin toll!«, sagte Peter und vergaß gleich<br />
wie<strong>der</strong> seine Manieren.<br />
James M. Barrie: Peter Pan<br />
Bescheidenheit<br />
Bescheidenheit ist eine Wesensart, die nicht beson<strong>der</strong>s in Mode ist: Sie<br />
scheint eher etwas Prähistorisches zu sein!<br />
Anzuerkennen, dass wir nichts wissen und noch viel lernen müssen; zuzugeben,<br />
dass wir keine Experten in gewissen Bereichen sind; zuzugeben,<br />
dass wir Fehler machen – all dies wird oftmals wie ein Eingeständnis von<br />
Schwäche verstanden, ein Charakterzug, den wir überwinden und für den wir<br />
uns schämen sollten.<br />
Aber bei genauer Betrachtung ist das Gegenteil richtig: Bescheidenheit<br />
kann ein Beweis von Mut sein.<br />
Sich bescheiden zu zeigen und es im tiefsten Inneren auch zu sein, bedeutet,<br />
dass wir uns selbst ehrlich betrachten und anerkennen, wie wir wirklich<br />
sind: nicht die beste Person im Königreich, nicht die genialste, son<strong>der</strong>n ein<br />
ganz normaler Mensch mit Fehlern und Schwächen, <strong>der</strong> noch viel zu lernen<br />
hat, so wie alle. Diese Person hat keine Probleme, das auch zuzugeben!<br />
Bescheidene Menschen sind also nicht schwach, son<strong>der</strong>n können ihre eigenen<br />
Grenzen in Stärken verwandeln, weil sie genau wissen, was sie können<br />
und wo sie noch mehr lernen, mehr arbeiten o<strong>der</strong> sich die Hilfe von Besseren<br />
holen müssen. Sie denken nie, dass sie auf dem Gipfel angekommen sind.<br />
39
Sie glauben nie, dass sie alles wissen: Sie hören zu und beobachten, lernen<br />
und können staunen, sind neugierig und interessieren sich für Neues. Sie hören<br />
nie auf, das Talent und das Können an<strong>der</strong>er anzuerkennen, und schätzen<br />
die Beiträge von kompetenteren o<strong>der</strong> erfahreneren Menschen.<br />
Die Erfolge, das Lob, sogar <strong>der</strong> Applaus steigen ihnen nicht zu Kopf. Sie<br />
wissen, dass Berühmtheit, Bekanntheit und Lobhudelei nicht bedeuten, besser<br />
zu sein.<br />
Zur täglichen Bescheidenheit gehört also immer auch die Höflichkeit: Bisweilen<br />
behandeln diejenigen, die in einem Bereich erfolgreich sind, an<strong>der</strong>e<br />
anmaßend. Sie fühlen sich überlegen und sind davon überzeugt, dass sie<br />
niemanden mehr brauchen. Hochmut und Bescheidenheit passen aber nicht<br />
zusammen.<br />
Der große Wissenschaftler aber kann bescheiden sein, nachdem er den<br />
Nobelpreis bekommen hat, und macht sich wie<strong>der</strong> an die Arbeit. Die Künstlerin<br />
kehrt nach einer großen internationalen Ausstellung in ihr Atelier zurück<br />
und beginnt mit <strong>der</strong> gleichen Begeisterung wie zuvor mit einem neuen<br />
Kunstwerk.<br />
Auch ein Kaiser kann bescheiden sein, und das ist kein Wi<strong>der</strong>spruch,<br />
selbst wenn es so scheint.<br />
Der Betreffende war Mark Aurel, <strong>der</strong> den Titel im Jahr 161 nach Christus<br />
erhielt und ihn bis zu seinem Tod im Jahr 180 trug. Er war ein aufgeklärter<br />
Gesetzgeber, ein fähiger Feldherr und Philosoph. Knapp zwanzig Jahre war<br />
er die wichtigste Person seiner Zeit: Er hatte die gesamte Welt unter und niemanden<br />
über sich. Schwer zu glauben, dass er die Wesensart <strong>der</strong> Bescheidenheit<br />
besaß und sie auch praktizierte!<br />
Dennoch scheint es, dass Mark Aurel nackt auf dem Boden schlief, einfache<br />
Mahlzeiten zu sich nahm, seinen Freunden treu war und mit echter<br />
Dankbarkeit Ratschläge und Empfehlungen annahm. Er war also mächtig<br />
und bescheiden.<br />
In seinen Selbstbetrachtungen, einer Art philosophisches Tagebuch,<br />
schrieb <strong>der</strong> Kaiser, dass er von seinen Eltern und seinen Lehrern viele wertvolle<br />
Dinge geerbt hätte: die Ruhe und die Höflichkeit, die Zurückhaltung und<br />
die Standhaftigkeit, die Hilfsbereitschaft gegenüber den Freunden, die Toleranz<br />
für die, die nicht studiert haben o<strong>der</strong> sich unbegründet eine Meinung<br />
bilden, das gute Zusammenleben mit allen. Aber nicht nur: »Der Ruf und das<br />
40
Andenken, in welchem mein Vater steht, predigen mir Bescheidenheit und<br />
männliches Wesen. […] Von den Dingen, die zur Annehmlichkeit des Lebens<br />
beitragen – und <strong>der</strong>en bot ihm das Glück eine Menge dar – machte er ohne zu<br />
prunken, aber auch ohne sich zu entschuldigen Gebrauch, so daß er, was da<br />
war, einfach nahm, was nicht da war, auch nicht entbehrte.«<br />
Es ist überliefert, dass diese Überlegungen nicht nur gute Vorsätze waren,<br />
son<strong>der</strong>n auch seine Art, den Alltag zu leben. Damit unterschied sich Mark<br />
Aurel sehr von den Gewohnheiten seines Nachfolgers, dem Kaiser Commodus,<br />
<strong>der</strong>, wenig bescheiden, als gnadenlos und tyrannisch in die Geschichte<br />
einging.<br />
Eine <strong>der</strong> vielen Anekdoten über Mark Aurel besagt, dass, wenn er durch<br />
die Straßen von Rom zog und von <strong>der</strong> Menge bejubelt und beklatscht wurde,<br />
er einen Diener an <strong>der</strong> Seite hatte, <strong>der</strong> ihm hin und wie<strong>der</strong> ins Ohr flüsterte:<br />
»Bedenke, du bist nur ein Mensch.«
»Danke!«<br />
Der Applaus verdoppelt sich, die Dankesbezeichnungen verdoppeln sich.<br />
»Danke! Danke!«<br />
Das Publikum ruft, pfeift, klatscht, unglaubliche Ovationen.<br />
Und er: »Danke! Danke! Danke!«<br />
Daniel Pennac: Danke<br />
Dankbarkeit<br />
In Japan gibt es ein sehr beliebtes Märchen, das in vielen Versionen erzählt<br />
wird. In einer davon heißt es, dass ein armer Fischer mit Namen Urashima<br />
Taro eines Tages am Strand Kin<strong>der</strong> trifft, die aus Spaß eine kleine Schildkröte<br />
quälen. Sie legen sie auf den gepanzerten Rücken, treten sie, tun so, als würden<br />
sie sie frei lassen. Doch kaum, dass sie zum Meer krabbelte, schnappen<br />
sie sich das Tier und fangen wie<strong>der</strong> von vorn an. Urashima versucht, sie von<br />
ihrem grausamen Spiel abzubringen. Aber die Kin<strong>der</strong> antworten, dass er sich<br />
um seinen eigenen Kram kümmern soll. Da holt <strong>der</strong> Fischer seine einzige<br />
Münze aus seiner Tasche und kauft die Schildkröte. Danach bringt er sie ins<br />
Meer zurück. »Du hast mich gerettet«, sagt die Schildkröte zu ihm, bevor sie in<br />
den Wellen verschwindet. »Und ich bin dir dankbar dafür. Eines Tages werde<br />
ich es dir vergelten.« In Märchen können Tiere ja bekanntermaßen sprechen<br />
und denken, was wie oftmals sogar besser als die Menschen tun. Tatsächlich<br />
hält die Schildkröte ihr Versprechen.<br />
Das ist nur <strong>der</strong> Anfang <strong>der</strong> Geschichte von Urashima Taro, in <strong>der</strong> er außergewöhnliche<br />
Abenteuer und wun<strong>der</strong>same Begegnungen erlebt. In diesem<br />
Märchen – wie auch in vielen an<strong>der</strong>en aus allen Epochen und Län<strong>der</strong>n, von<br />
Dichtern wie Äsop o<strong>der</strong> Basile, von Phädrus o<strong>der</strong> den Gebrü<strong>der</strong>n Grimm –<br />
wird die Dankbarkeit für das Gleichgewicht unter den Menschen und sogar<br />
zwischen Mensch und Natur als grundlegend angesehen. Daher werden die<br />
Undankbaren immer bestraft.<br />
Das Gefühl <strong>der</strong> Dankbarkeit zeigen wir mit dem kleinen Wort aus zwei Silben,<br />
das unsere Eltern uns immer vorsagen, wenn jemand uns etwas schenkt<br />
42
o<strong>der</strong> beson<strong>der</strong>s nett ist. Dieses Wort ist sozusagen ein Minimum an Anerkennung.<br />
Doch echte Dankbarkeit besteht nicht nur einfach darin, auf etwas Nettes<br />
»Danke« zu sagen: Sie ist etwas sehr viel tiefer Gehendes.<br />
Was also ist die Dankbarkeit genau? Dieses Gefühl enthält Zuneigung gegenüber<br />
denen, die etwas Gutes getan haben. Gleichzeitig ist es <strong>der</strong> Wunsch,<br />
etwas zurückzugeben. Dankbarkeit ist also Erinnerung und Aufmerksamkeit.<br />
Allerdings können wir sie oftmals nicht sofort zeigen. Deshalb müssen wir<br />
auf die richtige Gelegenheit warten. So wie es die Schildkröte dem Fischer<br />
Urashima verspricht: »Eines Tages werde ich es dir vergelten.« Dankbarkeit ist<br />
also etwas, das wir über lange Zeit hinweg bewahren: Sie muss gepflegt und<br />
begossen werden. Dafür ist eine Verän<strong>der</strong>ung in unserer Seele und in unseren<br />
Taten notwendig. Außerdem brauchen wir ein gutes Gedächtnis.<br />
44
Vor allem aber benötigen wir Aufmerksamkeit und die Fähigkeit, an<strong>der</strong>en<br />
zuzuhören. Denn wenn ich Freundlichkeit nicht erkenne, wenn ich glaube,<br />
dass mir alles zusteht, wenn ich denke, dass ich alles verdiene, dann kann ich<br />
natürlich nicht dankbar sein!<br />
Der erste Schritt ist es, die Arbeit <strong>der</strong> Personen, die mir zur Seite stehen,<br />
ihre Mühen und Anstrengungen, mit denen sie mir das Leben erleichtern,<br />
und die Zeit anzuerkennen, die sie mir widmen (und die sie eigentlich für<br />
sich selbst nutzen könnten. Es zeigt, dass ich mit den an<strong>der</strong>en in einer engen<br />
Beziehung und im Austausch stehe. Das ist sehr gut!<br />
Aber es reicht nicht.<br />
Denn wenn ich an<strong>der</strong>en für etwas nicht dankbar bin und es nicht ausdrücke,<br />
dann passiert nichts. Aber was soll denn passieren? Hier wird es interessant!<br />
Sobald wir unsere Dankbarkeit zeigen, indem wir eine Freundlichkeit<br />
erwi<strong>der</strong>n, also ein bisschen von dem zurückgeben, was wir bekommen haben,<br />
beginnt ein großartiger kleiner Zauber. Das Geheimnis <strong>der</strong> Dankbarkeit<br />
ist verdoppelte, verdreifachte, ja vervielfachte Gegenseitigkeit. Anerkennung<br />
ist nämlich ansteckend. Sie führt dazu, dass wir mit Menschen ein Netz aus<br />
Beziehungen und wohltuenden Interaktionen spinnen. Dankbare Menschen<br />
leben tatsächlich besser und machen auch für an<strong>der</strong>e das Leben schöner –<br />
was eine ziemlich alte Erkenntnis ist.<br />
Der römische Philosoph Seneca schrieb in einem Brief an seinen Freund<br />
Lucilius: »Deshalb bist du […] mehr zu deinem eigenen Vorteil als zu dem des<br />
an<strong>der</strong>en dankbar; jenem ist nämlich etwas Gewöhnliches und Alltägliches<br />
wi<strong>der</strong>fahren, nämlich zurückzubekommen, was er gegeben hatte, Dir etwas,<br />
was bedeutend ist und aus <strong>der</strong> glücklichsten Stimmung <strong>der</strong> Seele herrührt,<br />
nämlich dankbar gewesen zu sein. […] Du hast etwas Gebräuchliches zurückgegeben,<br />
aber etwas Unschätzbares erreicht, nämlich das Bewusstsein als<br />
dankbarer Mensch, das nur in eine göttliche und vom Schicksal begünstigte<br />
Seele gelangt.«<br />
Er warnt seinen Freund: Der Undankbare ist immer unglücklich!<br />
Seit sehr langer Zeit sind die Menschen also davon überzeugt, dass Dankbarkeit<br />
etwas mit dem eigenen Glück zu tun hat. Wer sich <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en bewusst<br />
ist, wer ihnen zuhört, wer Anstrengung und Großzügigkeit anerkennt und<br />
lernt, etwas davon zurückzugeben, entwickelt mit <strong>der</strong> Zeit positive Gedanken,<br />
sieht die Dinge zuversichtlicher, mil<strong>der</strong>t Spannungen und Konflikte sowohl im<br />
eigenen Haus als auch außerhalb. Versuch es, dann wirst du es erleben.<br />
45
Cosimo kletterte bis zur Gabelung eines dicken Zweiges hinauf,<br />
<strong>der</strong> ihm bequem Platz bot, und dort blieb er sitzen, ließ seine Beine<br />
hinunterbaumeln, kreuzte die Arme, indem er die Hände unter<br />
die Achselhöhlen steckte, und vergrub seinen Kopf zwischen den<br />
Schultern, während ihm <strong>der</strong> Dreispitz über die Stirn rutschte.<br />
Unser Vater neigte sich aus dem Fenster heraus. »Wenn du das Sitzen<br />
dort droben satt hast, wirst du’s dir an<strong>der</strong>s überlegen«, rief er ihm zu.<br />
»Das werde ich mir nie an<strong>der</strong>s überlegen«, antwortete mein Bru<strong>der</strong><br />
von seinem Zweige.<br />
»Sobald du herunterkommst, werde ich‘s dir schon zeigen.«<br />
»Ich komme nicht mehr herunter.« Und er hielt Wort.<br />
Italo Calvino: Der Baron auf den Bäumen<br />
DICKKÖPFIGKEIT<br />
Bisweilen sind die Stimmen <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en für uns nur Lärm.<br />
Anstatt den Worten zuzuhören, ihre wahre Bedeutung zu verstehen und<br />
sie vielleicht zu beachten, verschließen wir uns in einer undurchdringlichen<br />
Blase aus Dickköpfigkeit. Menschen sagen uns, dass wir Unrecht haben, dass<br />
wir uns nicht so verhalten sollen, dass die Wirklichkeit etwas an<strong>der</strong>s ist, als<br />
wir sie sehen. Wir hören ihre Stimmen, aber wir bereifen den Sinn des Gesagten<br />
nicht, wollen ihn nicht verstehen, wollen ihn nicht akzeptieren. Wir<br />
sind dickköpfig. Wir wollen dies und nichts an<strong>der</strong>es. Wir bestehen darauf –<br />
entgegen dem gesunden Menschenverstand und den wertvollen Ratschlägen<br />
–, obwohl wir vielleicht noch nicht mal davon überzeugt sind, recht zu haben.<br />
Was zählt, ist nur unser Behauptungswille. Es gibt viele Ausdrücke, die so ein<br />
Verhalten beschreiben: Hartnäckigkeit, Eigensinn, Eindringlichkeit, Bockigkeit.<br />
Und eben Dickköpfigkeit. So viele Worte, um eine einzige Verhaltensweise<br />
zu beschreiben? Möglicherweise ist sie also sehr verbreitet.<br />
Wir dürfen die Dickköpfigkeit allerdings nicht mit Beharrlichkeit o<strong>der</strong> Verbissenheit<br />
verwechseln. Sie unterscheiden sich nämlich sehr! Beharrlich,<br />
also ausdauernd zu sein, bei dem was wir machen und was wir glauben, heißt<br />
nicht, die Augen für an<strong>der</strong>e Blickwinkel o<strong>der</strong> die Ohren für an<strong>der</strong>e Meinun-<br />
47
gen zu verschließen. Eine Aufgabe beharrlich zu verfolgen, z. B. beim Lernen,<br />
bei <strong>der</strong> Arbeit o<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Freundschaft, heißt nicht, auf seinen eigenen Ideen<br />
zu bestehen und jeden Zweifel o<strong>der</strong> jede Alternative abzulehnen.<br />
Dickköpfe haben oftmals Angst vor Verän<strong>der</strong>ungen. Ungewöhnliche Situationen,<br />
neue Ideen kommen ihnen bedrohlich vor, und so bleiben sie bei<br />
dem, was sie glauben und kennen, weil es ihnen sicher erscheint.<br />
Das, was Menschen eigensinnig macht, ist manchmal <strong>der</strong> Wunsch nach<br />
Überlegenheit: Sie wollen etwas bekommen, was ihnen vielleicht nicht zusteht,<br />
o<strong>der</strong> wollen auf jeden Fall gewinnen. Möglicherweise können sie auch<br />
nicht zugeben: »Ich hatte Unrecht.«<br />
Aber ist das Ganze nicht ziemlich lächerlich? Wir alle machen Fehler o<strong>der</strong><br />
glauben mal an eine Idee, die sich als falsch herausstellt. Die Wirklichkeit um<br />
uns herum än<strong>der</strong>t sich, es gibt unterschiedliche Ansichten, es kommen neue<br />
Erkenntnisse hinzu, daher müssen wir lernen, uns an diese Verän<strong>der</strong>ungen<br />
anzupassen.<br />
Wir können uns die Dickköpfigkeit als einen wenig beleuchteten Tunnel<br />
vorstellen, in den wir geraten sind, ohne die genauen Gründe dafür zu kennen.<br />
Nun stecken wir drin, es gibt vor und hinter uns kein Licht, also bestehen<br />
wir hartnäckig darauf, dort zu bleiben, wo wir sind, weil man ja nicht weiterkann.<br />
Von draußen rufen sie nach uns, for<strong>der</strong>n uns auf umzukehren, aber<br />
wir verweigern uns, weil wir überzeugt sind, dass wir dann aufgeben würden.<br />
Und die Stimme, die uns sagt, dass draußen alles viel besser läuft, dass keine<br />
Gefahr mehr herrscht, dass es dumm und blöd ist, im Tunnel zu bleiben,<br />
nützt überhaupt nicht.<br />
Zurück zum Unterschied zwischen Dickköpfigkeit und Verbissenheit: Dafür<br />
sind die Fortschritte in <strong>der</strong> Wissenschaft ein gutes Beispiel. Entdeckungen<br />
geschehen niemals nur zufällig, son<strong>der</strong>n es müssen unzählige Tests und<br />
Analysen gemacht sowie Beweise herangeschafft werden. Erst dann kann die<br />
Gültigkeit einer These anerkannt werden. Aber nehmen wir mal an, dass die<br />
Experimente enthüllen, dass dies nicht <strong>der</strong> richtige Weg und die anfängliche<br />
Annahme verkehrt ist. Dann muss <strong>der</strong> o<strong>der</strong> die Wissenschaftlerin innehalten,<br />
zweifeln und schließlich akzeptieren, dass die Theorie falsch ist. Wenn er o<strong>der</strong><br />
sie trotz aller gegenteiligen Beweise immer noch verbissen glaubt, recht zu<br />
haben, wird er o<strong>der</strong> sie es nicht weit bringen. Dafür bekommt niemand einen<br />
Nobelpreis.<br />
48
Nur durch Beharrlichkeit haben wir herausgefunden, wie ein Atom aufgebaut<br />
ist, dass es Galaxien und Schwarze Löcher gibt. Impfstoffe gegen Viren<br />
wurden durch unzählige Versuche und Misserfolge erfunden, die auch als<br />
solche anerkannt wurden. Wissenschaftler sind also beharrliche und ausdauernde<br />
Personen, aber sie sind nicht dickköpfig.<br />
Wenn du jedoch lieber eine erfundene Geschichte lesen möchtest, dann<br />
nimm die von Cosimo in Der Baron auf den Bäumen, er ist nämlich ein Dickkopf<br />
wie aus dem Bil<strong>der</strong>buch. Mit zwölf Jahren klettert Baron Cosimo Piovasco<br />
di Rondò nach einem Streit mit seinen Eltern aus Protest auf einen Baum.<br />
Ohne jemals wie<strong>der</strong> einen Fuß auf die Erde zu setzen, wächst er heran, verliebt<br />
sich, erlebt tausende Abenteuer und reist schließlich in einer Montgolfiere. Und<br />
das alles nur, weil er einmal gesagt hatte: »Ich komme nicht mehr herunter.«
Hätte irgendjemand Amy nach <strong>der</strong> größten Herausfor<strong>der</strong>ung in ihrem<br />
Leben gefragt, hätte sie sofort geantwortet: »Meine Nase.« […] Amy war auf<br />
dem besten Weg, verzogen zu werden, denn sie wurde von allen verhätschelt,<br />
und ihre Koketterien und Egoismen nahmen fleißig zu. Eines jedoch dämpfte<br />
ihre Eitelkeit gehörig. Sie musste die Klei<strong>der</strong> ihrer Cousine Florence tragen.<br />
Lei<strong>der</strong> hatte <strong>der</strong>en Mutter nicht den geringsten Geschmack, und Amy litt zutiefst<br />
darunter, eine rote Haube zu tragen statt einer blauen, wenig schmeichelhafte<br />
Klei<strong>der</strong> und tantenhafte Schürzen, die ihr nicht richtig passten.<br />
Louisa May Alcott: Little Women. Vier Schwestern halten zusammen<br />
DÜNKELHAFTIGKEIT<br />
Die jüngste Schwester von March ist schon ganz schön merkwürdig, mit ihrer<br />
fixen Idee, dass ihre Nase nicht aristokratisch genug ist, ihren Eitelkeiten und<br />
ihrem Dünkel! Zum Glück werden die Little Women im zweiten Teil des Romans<br />
älter und alles wird besser …<br />
Dünkelhaftigkeit ist etwas ziemlich Negatives. Menschen mit Dünkeln<br />
sind unerträglich: Sie sehen von oben auf an<strong>der</strong>e herab, halten sich für besser<br />
und wollen mit an<strong>der</strong>en lieber nichts zu tun haben. Aber früher o<strong>der</strong> später<br />
kommt <strong>der</strong> Moment, in dem sie die an<strong>der</strong>en brauchen.<br />
Hochmütig, stolz, arrogant: So können wir dünkelhafte Personen auch<br />
nennen. Sie rühmen sich nicht, wie toll sie sind, was sie alles können, was sie<br />
alles besitzen, denn so etwas haben sie gar nicht nötig. Sie denken, das sei ja<br />
offensichtlich! Sich zu rühmen würde zudem bedeuten, dass ihnen die Urteile<br />
<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en wichtig sind. Aber Menschen mit Dünkeln interessieren sich<br />
nicht dafür, was an<strong>der</strong>e denken. Jedenfalls wollen sie das glauben.<br />
Nicht alle zurückhaltenden und einsamen Menschen sind jedoch arrogant.<br />
Wie also können wir eine aufgeblasene Person von den Menschen<br />
50
unterscheiden, die einfach nur für sich sein wollen? Wir sollten auf ein paar<br />
Anzeichen für Dünkelhaftigkeit achten. Das Kinn ist erhoben, <strong>der</strong> Mund verzieht<br />
sich zu kleinen Grimassen, <strong>der</strong> Blick schwebt über allem. Dünkelhafte<br />
Menschen stöhnen o<strong>der</strong> zeigen, dass es sie nervt, wenn an<strong>der</strong>e sprechen.<br />
Wenn sie an <strong>der</strong> Reihe sind, fuchteln sie hin und wie<strong>der</strong> mit dem Zeigefinger<br />
in <strong>der</strong> Luft herum und sagen beispielsweise:<br />
»Es nützt nichts, es dir zu erklären, du verstehst es ja doch nicht …«<br />
»Ich glaube, mit euch werde ich keinen Spaß haben.«<br />
»Das ist doch echt Kin<strong>der</strong>kram!«<br />
»Natürlich wusste ich das«, o<strong>der</strong> auch in <strong>der</strong> Variante: »Aber das weiß man<br />
doch!«<br />
Diese typisch arroganten Sätze äußern sie meist mit einem angedeuteten<br />
Lachen o<strong>der</strong> einem Grinsen.<br />
Wer sich gegenüber an<strong>der</strong>en so verhält, wird nur schwer etwas lernen.<br />
Denn um etwas aufzunehmen, müssen wir beobachten und zuhören können<br />
– und vor allem müssen uns bewusst sein, dass wir nie genug wissen. Vielleicht<br />
schrumpfen die dünkelhaften Personen irgendwann wie<strong>der</strong> auf Normalgröße<br />
zurück, aber das werden sie dir natürlich nicht verraten …
Ich habe keinen Sporn, <strong>der</strong> den Lauf meines Vorhabens treibt, als allein<br />
den Ehrgeiz, <strong>der</strong> sich selbst überspringt, und auf einen an<strong>der</strong>n einstürzt.<br />
William Shakespeare: Macbeth<br />
Ehrgeiz<br />
Was bedeutet es, ehrgeizig zu sein? Wir wollen unbedingt ein bestimmtes Ziel<br />
erreichen. Wir wollen unser Leben durch Lernen, Arbeiten o<strong>der</strong> den Sport<br />
verbessern. Wir wünschen uns dann, uns von an<strong>der</strong>en zu unterscheiden.<br />
Aber <strong>der</strong> Ehrgeiz hat zwei Gesichter. Er ist gut o<strong>der</strong> schlecht, je nachdem,<br />
wie verbissen wir etwas angehen, welches Ziel wir uns setzen o<strong>der</strong> welchen<br />
Standpunkt wir einnehmen. Ehrgeiz ist eine komplizierte Angelegenheit.<br />
»Wenn sie wollte, könnte sie mehr aus sich machen, aber …«, »<strong>der</strong> Junge<br />
lernt kaum, er gibt sich mit dem Nötigsten zufrieden, er hat keinen Ehrgeiz<br />
…« In diesen Fällen wird <strong>der</strong> Ehrgeiz als ein Motor angesehen. Er würde<br />
uns dazu bringen, viel mehr zu schaffen, als wir uns – vielleicht aus Faulheit<br />
– vorgenommen haben. Ein bisschen gesun<strong>der</strong> Ehrgeiz ist also <strong>der</strong> Schubs,<br />
<strong>der</strong> uns weit bringen kann.<br />
Im guten Sinne wollen ehrgeizige Menschen sich selbst verbessern: Sie<br />
geben sich nicht mit einem mittelmäßigen Ergebnis zufrieden, son<strong>der</strong>n streben<br />
nach etwas Besserem (<strong>der</strong> Ehre nämlich). Ehrgeizig sind wetteifernde<br />
Sportler und Sportlerinnen, die natürlich gewinnen wollen. Ehrgeizig sind<br />
Schüler und Schülerinnen, die Bestnoten anstreben und daher viel und ausdauernd<br />
lernen. Ehrgeizig sind Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler,<br />
die experimentieren und forschen, um eine große Entdeckung zu machen<br />
o<strong>der</strong> eine Theorie zu beweisen.<br />
Guter Ehrgeiz ist also mit einer guten Idee verbunden, einem Ziel o<strong>der</strong><br />
einem Projekt. Er ist kein Selbstzweck, son<strong>der</strong>n die Energie für einen Weg,<br />
52
an dessen Ende dieses Ziel liegt. Wenn wir uns unser Leben als eine Überquerung<br />
des Ozeans vorstellen, ist <strong>der</strong> Ehrgeiz dabei <strong>der</strong> Steuermann. Er hat<br />
Kompass und Sextanten im Blick, nutzt Winde und Meeresströmungen aus<br />
und setzt Segel, um den Hafen zu erreichen. Wenn an Bord dieses Schiffes<br />
<strong>der</strong> Steuermann, also <strong>der</strong> Ehrgeiz, fehlt, ist es den Wellen hilflos ausgesetzt,<br />
denn niemand kümmert sich um die Navigation: Wir sitzen am Bug, genießen<br />
die Brise und hoffen, dass wir irgendwo landen.<br />
Eine gewisse Portion an gesundem und produktivem Ehrgeiz ist also notwendig,<br />
um sich nicht vom Zufall und an<strong>der</strong>en Menschen fortreißen zu lassen,<br />
son<strong>der</strong>n um selbstbestimmt zu leben und sich auf die Zukunft vorzubereiten.<br />
Allerdings …<br />
Der große italienische Renaissance-Politiker Francesco Guicciardini<br />
schrieb über den Ehrgeiz, dass wir unterscheiden müssten, welche Menschen<br />
ihren Ehrgeiz mit ehrenvollen Mitteln kultivierten und welche ihn mit allen<br />
möglichen Tricks befriedigten. Ohne einen Hauch von Ehrgeiz ist <strong>der</strong> Mensch<br />
ein kalter Geist, sagt Guicciardini, aber wenn wir Ehrgeiz in ein Ideal verwandeln,<br />
werden wir gewissenlos und verlieren unsere Menschlichkeit.<br />
Dem Ehrgeiz sollten wir also Grenzen setzen: Zuallererst müssen wir diejenigen<br />
respektieren, die uns helfen. Sonst zeigt <strong>der</strong> Ehrgeiz sein verborgenes<br />
Gesicht, das Shakespare so gut in seiner düsteren Tragödie Macbeth dargestellt<br />
hat. Seit Jahrhun<strong>der</strong>ten ist Macbeth die berühmteste Darstellung von<br />
Machtgier.<br />
Der Adlige Macbeth steht im Schottland des Mittelalters im Dienst von<br />
König Duncan. Er und seine Frau sind von absolutem Ehrgeiz zerfressen:<br />
Macbeth will den Thron erobern. Dafür muss er Duncan und alle an<strong>der</strong>en<br />
ausschalten, die Anspruch auf die Königskrone erheben. Macbeth tötet einen<br />
nach dem an<strong>der</strong>en, bricht seine Versprechen und hat fürchterliche Albträume.<br />
So wird er Sklave eines Machthungers, <strong>der</strong> sich von nichts und niemandem<br />
aufhalten lässt. Da es sich hierbei um eine Tragödie handelt, kommen<br />
we<strong>der</strong> er noch Lady Macbeth gut dabei weg.<br />
Der grenzenlose Ehrgeiz von Macbeth tritt Zuneigung, Freundschaft, Treue<br />
und Versprechen mit Füßen. Denn für ihn zählen einzig und allein die Eroberung,<br />
die Erfüllung seiner eigenen Wünsche und die Durchsetzung seines<br />
ganz persönlichen Willens.<br />
54
Zum Glück hat ungezügelter Ehrgeiz in unserem Alltag nicht solche schrecklichen<br />
Folgen. Allerdings kann er ziemlich hin<strong>der</strong>lich werden, wenn wir unsere<br />
Erziehung und das richtige Verhalten vergessen. Durch den Ehrgeiz können wir<br />
uns etwas wünschen, was uns nicht zusteht. Er kann uns eine bequeme (aber<br />
unehrliche) Abkürzung aufzeigen zu einem Ziel, das an<strong>der</strong>e durch Fleiß und<br />
Anerkennung <strong>der</strong> Regeln erreichen wollen.<br />
Außerdem sind nicht alle Ziele gleich, die sich ehrgeizige Menschen: Einige<br />
sind löblich, an<strong>der</strong>e hingegen sind egoistisch und gemein. Das Ziel also<br />
macht den Unterschied, und tatsächlich stattet Shakespeare Macbeth nur<br />
mit einem einzigen Ziel aus: das große Geschäft […], welches allen unseren<br />
künftigen Tagen und Nächten die ungeteilte und unumschränkte Herrschaft<br />
geben soll. Dieser Wunsch aber trägt den Keim des Untergangs in sich.<br />
Natürlich will heute niemand mehr König von Schottland werden, niemand<br />
will sich mit einem Zepter in <strong>der</strong> Hand und einer Krone auf dem Kopf<br />
auf einen Thron setzen, aber Macht wünschen wir uns öfter, als wir denken:<br />
Wir wollen siegen und bestimmen, wir wollen Menschen um uns haben, die<br />
uns verehren, auch wenn wir sie nicht Untertanen nennen. Ein Übermaß an<br />
Ehrgeiz kann dazu führen, dass wir uns auf einem nicht vorhandenen Thron<br />
sehen, obwohl wir vollkommen allein sind.<br />
Sollte das passieren, müssen wir uns fragen: Wo ist die Grenze zwischen<br />
dem rechten Maß an Ehrgeiz, mit dem wir unsere Träume verwirklichen, und<br />
dem Übermaß, das uns einsam macht? Das müssen wir herausfinden, denn<br />
auch das macht uns zu Menschen.<br />
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DIE ILLUSTRATORIN<br />
Alessandra De Cristofaro<br />
ist Illustratorin und wurde im süditalienischen Lecce geboren. Sie studierte<br />
Illustration und Comiczeichnen an <strong>der</strong> Hochschule für Angewandte Wissenschaften<br />
in Hamburg und an <strong>der</strong> Akademie <strong>der</strong> Schönen Künste in Bologna.<br />
Momentan lebt sie in Rom, wo sie als freie Illustratorin für Zeitschriften und<br />
internationale Verlage arbeitet.<br />
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DIE AUTOREN<br />
Umberto Galimberti<br />
hat Kulturanthropologie, Geschichtsphilosophie, allgemeine und dynamische<br />
Psychologie an <strong>der</strong> Universität Ca‘ Foscari in Venedig unterrichtet. Seit<br />
1985 ist er ordentliches Mitglied <strong>der</strong> International Association of Analytical<br />
Psychology. Von 1986 bis 1995 hat er für die Zeitung »Il Sole-24-Ore« geschrieben,<br />
seit 1995 arbeitet er für die Zeitung »La Repubblica«. Er hat zahlreiche<br />
philosophische und psychologische Bücher herausgebracht. Auf deutsch<br />
sind von ihm »Die Sache mit <strong>der</strong> Liebe«, »Liebe« und »Die Seele« erschienen.<br />
Werke von Umberto Galimberti wurden in Deutsch, Französisch, Spanisch,<br />
Portugiesisch und Nie<strong>der</strong>ländisch, Slowenisch, Serbisch, Griechisch, Tschechisch<br />
und Japanisch übersetzt.<br />
Anna Vivarelli<br />
stammt aus Turin. Sie hat Philosophie studiert und schon in jungen Jahren<br />
Theaterkomödien und Hörspiele für die RAI geschrieben. Sie hat Theatergeschichte<br />
unterrichtet und mehr als 15 Jahre als Journalistin gearbeitet. 1994<br />
hat sie ihr erstes Kin<strong>der</strong>buch veröffentlicht. Bis heute hat sie mehr als 70 Bücher<br />
für Kin<strong>der</strong> geschrieben. 2010 ist sie mit dem Premio An<strong>der</strong>sen als beste<br />
Schriftstellerin ausgezeichnet worden.<br />
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»Das große <strong>Buch</strong> <strong>der</strong> Gefühle« beschreibt 50 Emotionen<br />
von A wie Angst bis Z wie Zuversicht – konzipiert und<br />
fachlich betreut vom renommierten Philosophen<br />
und Psychotherapeuten Umberto Galimberti und für<br />
Jugendliche angepasst von <strong>der</strong> preisgekrönten Kin<strong>der</strong>und<br />
Jugendbuchautorin Anna Vivarelli.<br />
Inspiriert von Mythen, Literatur und alltäglichen<br />
Momenten werden hier alle Nuancen <strong>der</strong> verschiedenen<br />
Stimmungen ausgelotet und phantasievoll illustriert.<br />
Dabei wird klar, dass sie wirklich allen Menschen gemeinsam<br />
sind – über alle Län<strong>der</strong>- und Altersgrenzen hinweg.<br />
Für Leserinnen und Leser von 10-99 Jahren!<br />
ISBN: 978-3-03876-220-1<br />
www.midas.ch