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GruessGott Frühjahr 2022

Das Magazin über Gott und die Welt

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1 | Linz<br />

Das Magazin über Gott und die Welt <strong>Frühjahr</strong> <strong>2022</strong><br />

Österreichische Post AG, RM 19A041667 K, Diözese Linz, Herrenstraße 19<br />

HABEN TIERE<br />

EINE SEELE?<br />

Mal behandeln wir sie wie Kinder, mal wie Dinge.<br />

Wie sollten wir mit Tieren umgehen,<br />

wenn sie so beseelt sind wie wir?<br />

VON SCHULD UND SÜHNE:<br />

MISSBRAUCH IN DER KIRCHE<br />

Sieben drängende Fragen<br />

an Bischof Manfred Scheuer<br />

FROHBOTSCHAFT IM KINO:<br />

VON BEN HUR BIS BRIAN<br />

Sieben Filme mit Jesus<br />

in Haupt- und Nebenrollen<br />

WURZELN ALLEN ÜBELS:<br />

HABGIER, NEID UND CO<br />

Die sieben Todsünden gehören<br />

zum Leben. Wie damit umgehen?


#glaubanmorgen<br />

Weil wir<br />

an morgen<br />

glauben.<br />

„Engagiert für eine lebenswerte Zukunft“<br />

ist bei uns mehr als nur ein Slogan.<br />

Als Sparkasse Oberösterreich sind wir seit mehr als 170 Jahren tief in unserer<br />

Region verwurzelt. Wir tragen eine besondere Verantwortung, da wir durch unsere<br />

Geschäftstätigkeit großen Einfluss auf die Entwicklung unserer Wirtschaft,<br />

Umwelt und Gesellschaft nehmen. Um dieser besonderen Verantwortung gerecht<br />

zu werden, verfolgen wir eine ganzheitliche Nachhaltigkeitsstrategie, die<br />

sich als Grundprinzip in unserem täglichen Denken und Handeln widerspiegelt –<br />

unseren Kund:innen und Mitarbeiter:innen gegenüber.<br />

www.sparkasse-ooe.at


EDITORIAL<br />

GRÜSS<br />

GOTT!<br />

„Alles bestens? Alles okay?“, so werde ich recht oft gefragt.<br />

„Nein!“, sage ich meistens. Es ist nicht alles in Ordnung. Überall gibt<br />

es unfertige Baustellen, manchmal auch Ruinen und Scherben, in der<br />

kleinen persönlichen Welt, in Familien, in der Schule, in der Kirche<br />

oder bei der Gesundheitspolitik, aber auch auf dem Arbeitsmarkt oder<br />

auf den Finanzschauplätzen, bei der Erderwärmung und in den vielen<br />

Kriegsgebieten auf der Welt.<br />

DR. MANFRED SCHEUER<br />

war Bischof der Diözese<br />

Innsbruck und ist seit 2016<br />

Bischof der Diözese Linz. Er<br />

stammt aus Haibach ob der<br />

Donau, wo seine Familie bis<br />

heute eine Bäckerei betreibt.<br />

COVERFOTO: UNSPLASH.COM/LUKE STACKPOOLE; FOTOS: DIÖZESE LINZ/HERMANN WAKOLBINGER, GETTY IMAGES/ISTOCK<br />

„Alles okay? Alles perfekt?“ – Es herrscht in manchem durchaus<br />

ein Zwang zur Perfektion, zur Selbstoptimierung: Das gilt für den<br />

Lifestyle, für die Schönheit und Sportlichkeit des Körpers, für die<br />

Leistungsfähigkeit im Beruf, für die Effizienz der Arbeit. Perfekt ist<br />

demnach, wer die eigenen Handlungen fehlerfrei und vollkommen<br />

ausführt. Auf der anderen Seite heißt das aber auch: „Du darfst nichts<br />

falsch machen. Du darfst dir nichts leisten.“ Manche verabschieden<br />

sich von der Verbesserung ihres eigenen Lebens und prangern die<br />

Fehler der anderen an.<br />

Ein erfülltes, sinnvolles Leben ist aber nicht an das Vollendete,<br />

an Erfolge und den perfekten Körper gebunden. In unserem Leben<br />

gibt es Schwächen und Defizite. Christsein heißt, die Welt realistisch<br />

zu sehen. Christsein heißt auch, sich von Gott lieben zu lassen, sich<br />

selbst anzunehmen und anderen das Gefühl zu geben, sie zu achten.<br />

Jeder Mensch verlangt danach, bejaht zu werden, so, wie er ist.<br />

Das Magazin in Ihren Händen erzählt von einer Welt, in der<br />

nicht immer alles okay ist – aber auch davon, wie wir sie alle gemeinsam<br />

besser machen können. Lassen Sie sich inspirieren!<br />

Herzlich<br />

Bischof Manfred Scheuer<br />

Wenn Sie uns eine Rückmeldung<br />

zu unserem<br />

Magazin geben wollen, dann<br />

bitte gerne per E-Mail an:<br />

gruessgott@dioezese-linz.at<br />

Wir freuen uns, von Ihnen<br />

zu lesen!<br />

3


36<br />

HIMMEL<br />

18 NÄCHSTENLIEBE HAT<br />

VIELE GESICHTER<br />

Tausende Menschen helfen<br />

in Oberösterreich freiwillig in<br />

sozialen Einrichtungen mit –<br />

drei von ihnen verraten, warum.<br />

24 WURZELN ALLEN ÜBELS<br />

Wir alle kennen die sieben<br />

Todsünden in Ansätzen. Doch<br />

wer sich von ihnen vereinnahmen<br />

lässt, kann sich das<br />

Leben zur Hölle machen.<br />

32 PFLASTER FÜRS HERZ<br />

Zuhören, Zeit schenken und<br />

Zuversicht vermitteln: Anita<br />

Buchberger leiht auf der Straße<br />

allen Menschen ihr Ohr.<br />

[HERR]GOTT<br />

36 JESUS CHRIST MOVIE STAR<br />

Seit der Erfindung des Films<br />

ist Jesus auf der Leinwand zu<br />

sehen. Eine Auswahl von „Ben<br />

Hur“ bis zur „Passion Christi“.<br />

46 VON BÖSE UND GUT<br />

Missbrauchsfälle erschüttern<br />

die Kirche. Bischof Manfred<br />

Scheuer spricht im Interview<br />

darüber – und erklärt, was ihn<br />

dabei erschüttert.<br />

52 HABEN TIERE EINE SEELE?<br />

Der Himmel stehe allen Geschöpfen<br />

offen, sagte Papst<br />

Franziskus. Was bedeutet das<br />

für unseren Umgang mit ihnen?<br />

Ein Essay von Clemens Sedmak.<br />

SAKRAMENT<br />

58 VON GELD-GODN UND GÖD-GLÜCK<br />

Was bedeutet das Amt des Taufpaten?<br />

Wir haben bei Patinnen<br />

und Paten nachgefragt.<br />

62 EIN SCHUTZENGEL SOLL ES SEIN<br />

Woher kommt unser Bedürfnis<br />

nach Beistand von oben?<br />

64 ENDLICH ALLE REGISTER ZIEHEN<br />

Die Kaiser Jubiläums Orgel in<br />

Bad Ischl ist einzigartig. Dank<br />

einer Restaurierung soll sie<br />

zurück zu alter Puste finden.<br />

68 AM SIEBTEN TAG<br />

Cosima Spieß erklärt, wie<br />

die Tätigkeit als Ministrantin<br />

ihr Leben bereichert.<br />

4


INHALT<br />

FOTOS: IMAGO IMAGES, UNSPLASH.COM, ROBERT MAYBACH, RAPHAEL GABAUER<br />

52<br />

58<br />

GOTT & DIE WELT<br />

6 WEGE ZUR KRAFT<br />

Große Gefühle beim<br />

Blasmusik-Woodstock.<br />

8 INFOGRAFIK<br />

Wissenswertes<br />

zur Heiligen Messe.<br />

10 KURZMELDUNGEN<br />

Zwei Brüder, die im<br />

Auftrag des Papstes<br />

Eisen schmieden, und<br />

der neue Hebammenchat<br />

der TelefonSeelsorge.<br />

10 GLOSSAR DES GLAUBENS<br />

Was bedeutet das Wort<br />

„Kruzifix“ eigentlich?<br />

18<br />

68<br />

11 KIRCHENRÄTSEL<br />

Raumschiff, Zeitkapsel<br />

oder doch eine Kirche?<br />

12 1 FRAGE, 3 ANTWORTEN<br />

Wie war das mit<br />

der Auferstehung?<br />

14 HIMMLISCHES REZEPT<br />

Spinatnockerl<br />

mit Bergkräuterbutter.<br />

72 POST AN GRÜSS GOTT!<br />

73 HADERER<br />

74 KULTURELLES<br />

& SPIRITUELLES<br />

Aus der Redaktion<br />

OSTERGRUSS<br />

Auch wenn Weihnachten ihm oft die<br />

Show stiehlt, ist Ostern das wichtigste<br />

Fest des Christentums – schließlich<br />

feiern wir die Auferstehung Jesu. Darum<br />

waren wir fleißig, um die aktuelle<br />

Ausgabe von „Grüß Gott!“ vor der Karwoche<br />

fertigzustellen. Aber gehudelt<br />

haben wir deswegen trotzdem nicht –<br />

und viel über unsere Themen diskutiert.<br />

Am meisten über jenes, das uns wieder<br />

einmal erschüttert: Missbrauch in kirchlichem<br />

Kontext. Warum gibt es immer<br />

noch so viele Fälle von Missbrauch? Was<br />

kann man dagegen tun? Und wie kann<br />

man Betroffenen sinnvoll helfen? Darüber<br />

haben wir mit Bischof Manfred<br />

Scheuer gesprochen – ab Seite 46.<br />

Viel diskutiert haben wir auch über eine<br />

vollkommen andere Frage – ob Tiere<br />

eine Seele haben und in den Himmel<br />

kommen. Am Ende war klar: Ein Profi<br />

muss her, um diese Frage zu klären.<br />

Der Theologe Clemens Sedmak wagt<br />

ab Seite 52 einen Versuch.<br />

Auch Jesus-Filme bieten viel Diskussionsstoff.<br />

Beim Erscheinen von „Das<br />

Leben des Brian“ gab es weltweite<br />

Proteste. „Die Passion Christi“ erhitzt<br />

bis heute die Gemüter. Eine Zusammenstellung<br />

von Filmen mit Jesus finden<br />

Sie ab Seite 36 – es sind aber nicht nur<br />

kontroversielle dabei, keine Sorge!<br />

Wegen der Kaiser Jubiläums Orgel<br />

in Bad Ischl herrschte ausnahmsweise<br />

Konsens in der Redaktion. Denn sie ist<br />

eine der schönsten in Österreich. Und<br />

dass sie gerade restauriert und ihre<br />

Kurzatmigkeit kuriert wird, finden wir<br />

ganz famos. Mehr dazu ab Seite 64.<br />

Wir wünschen ein frohes Osterfest –<br />

möglichst ohne hitzige Diskussionen<br />

am Festtagstisch!<br />

Ihre „Grüß Gott!“-Redaktion<br />

5


Wege zur Kraft<br />

Große Gefühle. Ein schöner Sommertag, der<br />

Beginn einer Freundschaft, ein bedeutender<br />

Moment: Musik lässt uns schon nach wenigen<br />

Klängen in Erinnerungen schwelgen und<br />

weckt ohne Worte Emotionen. Sie ist eine<br />

universelle Sprache, die Barrieren überwindet<br />

und Menschen verbindet. Kraft gibt zum<br />

Beispiel auch das Woodstock der Blasmusik.<br />

Alljährlich kommen bei dem Festival Tausende<br />

Menschen aus ganz Europa in Ort im Innkreis<br />

zusammen, um gemeinsam zu feiern, zu musizieren<br />

und neue Erinnerungen zu teilen.<br />

6


FOTO: KLAUS MITTERMAYR<br />

7


GOTT & DIE WELT<br />

DIE HEILIGE MESSE:<br />

SIT-UPS FÜR DIE SEELE<br />

Eröffnung<br />

„Tut dies zu meinem Gedächtnis“,<br />

sagte Jesus beim letzten Abendmahl<br />

zu seinen Jüngern. Um mit<br />

ihm verbunden zu bleiben, sollen<br />

wir uns in seinem Namen versammeln,<br />

beten, singen, das<br />

Wort Gottes hören und das Brot<br />

brechen. Aber in welcher Reihenfolge?<br />

Wir haben hier einen<br />

Spickzettel für Sie vorbereitet.<br />

Die Messe beginnt mit der Eröffnung:<br />

Die Gemeinde versammelt<br />

sich, ein Glöckchen erklingt – das<br />

Zeichen für die Gemeinde, sich<br />

zu erheben. Es folgt der Einzug<br />

des Priesters, des Diakons, der<br />

LektorInnen, KantorInnen, KommunionspenderInnen<br />

und MinistrantInnen.<br />

Sie schreiten zum Altar,<br />

der vom Priester geküsst wird.<br />

Zur Erinnerung an die Taufe und<br />

als Zeichen für die Dreifaltigkeit<br />

spricht der Priester „Im Namen<br />

des Vaters und des Sohnes und<br />

des Heiligen Geistes“, und die Anwesenden<br />

machen zur selben Zeit<br />

das Kreuzzeichen. Nachdem der<br />

Priester die Gemeinde begrüßt<br />

hat, wird Gott nach dem Schuldbekenntnis<br />

vom Priester stellvertretend<br />

um Vergebung gebeten.<br />

Anschließend wird das<br />

Kyrie („Herr, erbarme dich“)<br />

gesungen oder gesprochen.<br />

Es folgt der Lobgesang Gloria,<br />

dann das Tagesgebet.<br />

Wortgottesdienst<br />

Nun ist es Zeit, Platz zu nehmen<br />

und den beiden Lesungen zu<br />

lauschen. Ein/e Lektor/in trägt<br />

beim Ambo, dem Tisch des<br />

Wortes, einen Text aus dem<br />

Alten Testament (in der Osterzeit<br />

aus der Apostelgeschichte) vor,<br />

auf den ein Antwortpsalm folgt.<br />

Nach der zweiten Lesung aus den<br />

Briefen des Neuen Testaments<br />

steht die Gemeinde auf und jubelt<br />

Gott mit dem Halleluja zu.<br />

Es folgt der Höhepunkt des Wortgottesdienstes:<br />

das Evangelium<br />

(die Frohe Botschaft). Der Priester<br />

oder Diakon leitet es mit den Worten<br />

„Der Herr sei mit euch“ ein.<br />

Die Gemeinde antwortet: „Und mit<br />

deinem Geiste!“ Am Ende sagt der<br />

Priester oder Diakon: „Evangelium<br />

unseres Herrn Jesus Christus.“<br />

Die Gemeinde antwortet mit<br />

„Lob sei dir, Christus“.<br />

Danach heißt es wieder sitzen<br />

und zuhören: Die Predigt beginnt.<br />

Der Priester oder Diakon geht<br />

darin näher auf die Lesung oder<br />

das Evangelium ein und gibt den<br />

Gläubigen Anknüpfungs punkte für<br />

ihr Leben. Für das anschließende<br />

Glaubens bekenntnis (Credo)<br />

steht die Gemeinde auf. Es folgen<br />

die Fürbitten. Die Gemeinde<br />

bringt darin Anliegen zur Sprache,<br />

die Kirche und Gesellschaft bewegen,<br />

und bittet um Gottes<br />

Beistand für eine Veränderung<br />

zum Guten hin.<br />

8


GOTT & DIE WELT<br />

Jedes Training folgt einem genau abgestimmten<br />

Programm. So auch der Gottesdienst – mit Übungen<br />

für Leib und Seele. Kommen Sie mit ins spirituelle<br />

Fitnessstudio, es ist für alle geöffnet!<br />

Eucharistiefeier<br />

Abschluss<br />

Ihren Ursprung hat die Messe in<br />

einem gemeinsamen Mahl – und<br />

das zeigt sich bei der Eucharistiefeier:<br />

Die Ministrantinnen und<br />

Ministranten bringen Brot und<br />

Wein zum Altar und übergeben<br />

sie dem Priester zur<br />

Gabenbereitung. Während<br />

der Gabenbereitung<br />

werden Spenden (die<br />

Kollekte) gesammelt.<br />

Sobald der Priester<br />

die Worte „Der Herr<br />

sei mit euch“ sagt,<br />

ist der Höhepunkt<br />

ILLUSTRATION: CLAUDIA MEITERT<br />

der Messe erreicht: das Hochgebet.<br />

Dabei wird Gott zunächst<br />

gelobt und ihm gedankt (Präfation:<br />

Vor rede) und im Stehen<br />

das Sanctus (Heilig) gesungen.<br />

Es folgt der Einsetzungsbericht,<br />

der an das letzte Abendmahl Jesu<br />

erinnert. Nun werden nach katholischem<br />

Glauben Brot und Wein<br />

zu Leib und Blut Christi gewandelt.<br />

Mit dem Lobpreis des dreifaltigen<br />

Gottes endet das Hochgebet. Die<br />

Kommunion wird dann mit dem<br />

Vaterunser und dem Friedensgruß<br />

eingeleitet, bei dem man<br />

sich mit den Worten „Der Friede<br />

sei mit dir“ einander zuwendet.<br />

Während die Gemeinde den Ruf<br />

„Lamm Gottes“ spricht oder<br />

singt, bricht der Priester die Hostie<br />

als Zeichen dafür, dass alle Anteil<br />

am Leib Christi haben. Es folgt<br />

die Kommunion, bei der die<br />

Gläubigen die Hostie in Empfang<br />

nehmen und im stillen Gebet innehalten.<br />

Mit dem Schlussgebet<br />

endet die Eucharistiefeier.<br />

Am Ende der Messe wird auf Ereignisse<br />

der kommenden Woche<br />

hingewiesen, dann erteilt der<br />

Priester den Segen und entlässt<br />

die Gemeinde mit den Worten<br />

„Gehet hin in Frieden“ (lateinisch:<br />

„Ite, missa est“; sinngemäß: „Geht,<br />

ihr seid gesendet!“). Die Gemeinde<br />

antwortet ihm mit den Worten<br />

„Dank sei Gott, dem Herrn“. Daher<br />

hat die Messe ihren Namen – sie ist<br />

eine Quelle, in der Menschen aus<br />

der Verbundenheit mit Gott Kraft<br />

schöpfen und gestärkt in ihren<br />

Alltag gehen. Der Priester küsst<br />

den Altar und geht mit den MinistrantInnen<br />

und den litur gischen<br />

Diensten zurück in die Sakristei.<br />

Der Gottes dienst ist zu Ende.<br />

Dieser Ablauf der Messe ist überall<br />

auf der Welt annähernd<br />

gleich. Doch wann man aufsteht,<br />

sitzt und kniet, variiert je nach<br />

Pfarre. Als Faustregel gilt: Beim<br />

Gebet und beim Evangelium steht<br />

man, als Zei chen, dass man zu<br />

Gott steht; bei der Wandlung und<br />

beim Lamm Gottes kniet man aus<br />

Ehrfurcht, und bei der Lesung sowie<br />

Predigt sitzt man, um in Ruhe<br />

zuzuhören. Wer unsicher ist, kann<br />

sich einfach an den anderen orientieren<br />

– denn die Messe ist eine<br />

gemein schaftliche Feier, bei der<br />

alle Menschen willkommen sind!<br />

9


GOTT & DIE WELT<br />

Glossar des Glaubens<br />

KRUZIFIX<br />

[ˈkʁuːt ͡ sifɪks]<br />

Heute ist das Kreuz das Symbol des<br />

Christentums schlechthin. Doch das<br />

war nicht immer so. Bis ins 4. Jahrhundert<br />

hatte es keine religiöse Bedeutung,<br />

sondern war ein ganz profaner<br />

Teil des Alltags: Im alten Rom<br />

säumten Kreuze – mitsamt den Menschen,<br />

die an ihnen einen qualvollen<br />

Tod starben – häufig den Wegesrand.<br />

Ein Kreuz anzubeten, wäre den<br />

frühen Christen gar nicht in den Sinn<br />

gekommen, denn sie hätten es als<br />

ein Symbol des Leidens und nicht<br />

als eines der Auferstehung Christi<br />

verstanden. Das änderte sich erst im<br />

Jahr 325, als Helena, die Mutter von<br />

Kaiser Konstantin, bei einer Reise<br />

nach Jerusalem das vermeintliche<br />

Kreuz Christi entdeckte – und ihm<br />

zu seinem Siegeszug verhalf.<br />

Auch heute sind Kruzifixe ein alltäglicher<br />

Anblick: vom „Marterl“ als<br />

Wegmarkierung bis zum Herrgotts-<br />

winkel über dem Küchentisch. Das<br />

Wort „Kruzifix“ bezeichnet aber genau<br />

genommen nicht das Kreuz<br />

selbst, sondern eine – zumeist plastische<br />

– Darstellung des Gekreuzigten<br />

(von lateinisch crucifixus – „ans<br />

Kreuz geheftet“). Noch bis in das<br />

18. Jahrhundert sagte man deshalb<br />

„der Kruzifix“.<br />

Einen Fixplatz hat das Kruzifix auch<br />

in unserem Schimpfwörterkanon:<br />

Der Ausruf „Kruzifix!“ (kurz „ Zefix!“)<br />

erfreut sich anhaltender Beliebtheit –<br />

viele kennen das Wort wohl nur<br />

als Ausdruck der Verärgerung. So<br />

schließt sich der Kreis – und wir sind<br />

wieder beim ganz und gar Profanen<br />

angekommen.<br />

Martin Foszczynski<br />

Heiße Ware. Johann Schmidberger aus<br />

Molln bei der Arbeit an einem Harnisch<br />

für die Schweizergarde.<br />

Offenes Ohr: Schwangerschaft,<br />

Geburt und Elternschaft sind einschneidende<br />

Ereignisse, die junge<br />

Eltern oft ratlos zurücklassen. Um<br />

zu helfen, bietet die TelefonSeelsorge<br />

OÖ seit 2018 eine telefonische Hebammensprechstunde<br />

unter der Notrufnummer<br />

142 an. Weil aber nicht<br />

alle Frauen und Männer ein so<br />

SCHMIEDEKUNST<br />

FÜR DEN PAPST<br />

Edles Eisen: Schmieden im Auftrag<br />

des Papstes? Diese Ehre wurde<br />

Johann und Georg Schmidberger<br />

zuteil. Das Brüderpaar betreibt die<br />

seit dem 14. Jahrhundert bestehende<br />

„Schmidten bei der Lacken“ in Molln<br />

und durfte für die Päpstliche Schweizergarde<br />

zum ersten Mal nach 500<br />

Jahren wieder historische Rüstungen<br />

herstellen. Dank der Handwerkskunst<br />

der Brüder glänzt die Leibgarde<br />

des Papstes nun wieder mit<br />

makel losen Helmen und Harnischen.<br />

Für ihre Arbeit erhielten die beiden<br />

Schmiede im Jahr 2021 zum zweiten<br />

Mal den Oberösterreichischen<br />

Handwerkspreis.<br />

HEBAMMEN HELFEN IM CHAT WEITER<br />

Verstehen lernen.<br />

Junge Eltern stellen sich<br />

viele Fragen. Manche<br />

können erfahrene Hebammen<br />

beantworten.<br />

persönliches Thema am Telefon besprechen<br />

wollen, hat die Seelsorge<br />

ihr Angebot um einen Hebammenchat<br />

erweitert. An zwei Nachmittagen<br />

pro Woche (dienstags und donnerstags<br />

ab 16 Uhr) beantworten<br />

Hebammen alle Fragen rund um Kinderwunsch,<br />

Stillen und vieles mehr.<br />

www.telefonseelsorge.at<br />

10


Markant. Es ist nur eine kleine Kirche in einer Ortschaft an der Donau.<br />

Doch wer sie einmal gesehen hat, vergisst sie nicht mehr so schnell.<br />

WO BIN ICH?<br />

Wir führen Sie in jeder Ausgabe zu einer der<br />

vielen Kirchen und Kapellen in Oberösterreich.<br />

Können Sie erraten, welche wir diesmal besucht haben?<br />

FOTOS: GETTY IMAGES/MATHIAS KNIEPEISS, UNSPLASH.COM, RAPHAEL GABAUER<br />

Ist es ein Raumschiff? Eine Zeitkapsel? Keine<br />

Sorge, diese Art von Rätsel ist das hier nicht.<br />

Wir suchen natürlich eine Kirche, auch wenn diese<br />

auf den ersten Blick nicht wie eine aussieht.<br />

So, wie die goldene Fassade am modernen Bau<br />

strahlt, möchte man meinen, sie wäre nigelnagelneu,<br />

aber auch das täuscht. 2007 hat man sie zwar renoviert<br />

– die Innenausstattung wurde vom Künstlerpaar<br />

Gabriele und Alois Hain gestaltet, der bröckelnde Putz<br />

ausgebessert, die Metallfassade ergänzt – im Kern<br />

steckt aber eine Kirche aus den 1960er-Jahren.<br />

Weil damals ein Flusskraftwerk in der Nähe errichtet<br />

wurde, musste ein Teil der kleinen Ortschaft angehoben<br />

werden. Neben über 30 Häusern wurde auch die<br />

barocke Ortskirche aus dem 18. Jahrhundert abgetragen.<br />

So kam die Gemeinde 1961 von einer sehr alten<br />

Kirche zu einer der schnittigsten Österreichs, auch<br />

damals schon mit goldener Fassade – und mit einer<br />

recht stattlichen Größe für eine Ortschaft, die heute<br />

nur rund 90 Einwohnerinnen und Einwohner zählt.<br />

Wissen Sie, welche Kirche gemeint ist? Die Lösung<br />

finden Sie auf Seite 75.<br />

11


GOTT & DIE WELT<br />

GEGANGEN, UM ZU BLEIBEN<br />

Wir feiern sie jedes Jahr zu Ostern, aber:<br />

Wie war das wirklich mit der Auferstehung? Und was bedeutet sie<br />

heute für uns? Eine Theologin, ein Historiker und ein Arzt antworten.<br />

Einen Glauben an ein Leben nach dem Tod gab<br />

es schon lange vor dem Christentum. Viele Juden zu<br />

Jesu Zeiten glaubten an eine Auferstehung der Toten.<br />

Die Anhänger Jesu aber definierten diese neu und<br />

machten sie zum zentralen Aspekt ihrer Heilslehre.<br />

Sie sahen in der Auferstehung von Jesus Christus<br />

eine Zeitenwende angebrochen, eine neue Weltvorstellung:<br />

Das „Reich Gottes“, von dem Jesus predigte,<br />

entfaltet sich durch den Glauben an die Auferstehung<br />

nicht nur in einem ungewissen Jenseits, es<br />

wirkt ins Hier und Jetzt hinein. Denn der Tod ist<br />

endgültig besiegt, und jedem einzelnen Menschen<br />

ist die Rettung auch nach seinem irdischen Ende zugesagt.<br />

Ein neuer Horizont des Lebens tut sich auf.<br />

Über die „technischen Einzelheiten“ – wann und<br />

wie sich Seele und Körper trennen und wieder vereinen<br />

oder ob der Mensch als Ganzer stirbt und wiedererweckt<br />

wird – kann man spitzfindig und am<br />

Kern der Auferstehung vorbeidebattieren. Dieser<br />

heißt: Wenn ein Mensch stirbt, entzieht er sich den<br />

Lebenden, aber für die Gemeinschaft ist er nicht verloren.<br />

Er hat Eindrücke und Abdrücke hinterlassen<br />

in unserem Fühlen, an unseren Körpern und in der<br />

Welt. Wir sind, was wir sind, durch unsere Toten, die<br />

in und durch uns weiterleben. Erlösung ist deshalb<br />

nie nur eine Sache zwischen Gott und dem Einzelnen,<br />

sondern betrifft uns auch alle gemeinsam.<br />

Jesus von Nazareth ist eine historisch belegte<br />

Person, die zu Beginn des ersten Jahrhunderts in<br />

Galiläa und Judäa gelebt hat. Für sein Leben, die<br />

Wirkung seiner Lehre und seine Hinrichtung gibt<br />

es auch Nachweise außerhalb der Bibel. Dass Jesus<br />

Christus von den Toten auferstanden ist, kann die<br />

Geschichtswissenschaft natürlich nicht belegen, sehr<br />

wohl aber die Überzeugung seiner frühen Anhänger,<br />

dass es so war. Die Auferstehung ist also ein Akt des<br />

Glaubens. Das ist keine Abwertung gegenüber historischer<br />

Erkenntnis. Liebe kann man ja auch nicht<br />

direkt beweisen. Was man zeigen kann, sind die konkreten<br />

Folgen der Liebe: eine Umarmung, uneigen ­<br />

nützige Hilfe, ein gutes Wort. Zu den Folgen der Liebe<br />

gehört das Vertrauen. Das ist aber nur ein anderes<br />

Wort für den Glauben: Wir vertrauen als Christinnen<br />

und Christen darauf, dass Christus von den Toten<br />

auferstanden ist und auch wir auferstehen werden.<br />

Stellen wir uns ein Kind vor, das von einer Mauer<br />

in die Arme der Mutter oder des Vaters springt. Das<br />

Kind vertraut darauf, dass es in Liebe aufgefangen<br />

wird. Auch der Glaube an die Auferstehung erfordert<br />

einen „Sprung“ im Vertrauen auf die Liebe Gottes.<br />

Dieses Vertrauen von unzähligen Menschen hat das<br />

Gesicht der Welt in den vergangenen 2.000 Jahren<br />

geprägt. Und das wiederum ist ganz klar ein geschichtliches<br />

Faktum.<br />

ISABELLA BRUCKNER, 30, ist Assistenzprofessorin<br />

am Institut für Fundamentaltheologie und Dogmatik<br />

an der Katholischen Privat-Universität Linz.<br />

HEINZ NIEDERLEITNER, 43, ist promovierter Historiker<br />

und seit 2020 Chefredakteur der „KirchenZeitung“ der<br />

Diözese Linz.<br />

12


FOTOS: SONNTAGSBLATT/GERD NEUHOLD, INNSBLICK/VANESSA WEINGARTNER, FISCHER FOTOGRAFIE/RENATE SCHRATTENECKER; ILLUSTRATION: STUDIO NITA<br />

Als Intensivmediziner habe ich viele Menschen<br />

sterben gesehen. Das hat meine persönliche Einstellung<br />

zum Tod sicherlich geprägt – er hat für mich<br />

nichts Bedrohliches mehr. Wir alle werden geboren,<br />

wir alle sterben. Im Krankenhaus beschäftigen wir<br />

uns natürlich fast ausschließlich mit dem Leben vor<br />

dem Tod – denn das ist ja, was für die Patientinnen<br />

und Patienten sowie ihre Angehörigen zählt. Das<br />

Thema Auferstehung spielt also im Vordergrund des<br />

Spitalsalltags keine Rolle. Trotzdem kann ich den<br />

Tod nicht rein wissenschaftlich betrachten und<br />

sagen, tja, das Herz hört zu schlagen auf, und das<br />

war’s jetzt. Wenn es so wäre, müssten wir ja danach<br />

streben, unendlich lang zu leben, und das ist eine<br />

schreckliche Vorstellung. Nein, im Lebensende offenbart<br />

sich ein Sinn, wenn er auch unergründlich ist.<br />

Manche Menschen sind in ihren letzten Tagen<br />

oder Wochen gezeichnet von Schmerzen, und der<br />

Schmerz betrifft auch ihre Angehörigen. Der Tod<br />

wird dann ganz greifbar als eine Erlösung, nach der<br />

etwas Besseres kommt. Als mein Vater vor einigen<br />

Jahren verstorben ist, nachdem er schwer gelitten<br />

hatte, konnte ich Trost darin finden, ihn friedlich<br />

im Bett liegen zu sehen. Ich konnte zu meinem Sohn<br />

sagen: „Schau, es geht ihm jetzt besser.“ Wohin der<br />

Geist am Ende entschwindet, wissen wir natürlich<br />

nicht, aber ich persönlich glaube an eine göttliche<br />

Barmherzigkeit und daran, dass niemand Angst<br />

vor dem Tod haben muss.<br />

PETER HOHENAUER, 48, leitet als Primararzt die intensivund<br />

palliativmedizinische Abteilung am Krankenhaus<br />

der Barmherzigen Schwestern Ried.<br />

13


GOTT & DIE WELT<br />

ES GRÜNT SO GRÜN<br />

Spinat schmeckt nicht nur am Gründonnerstag gut.<br />

Mit wenig Aufwand kann man ihn auch als herzhafte<br />

Spinatnockerl mit Bergkräuterbutter genießen. Mahlzeit!<br />

Weniger ist mehr. Das gilt auch<br />

beim Kochen. Denn bereits mit<br />

einer Handvoll Zutaten lassen<br />

sich besondere Gerichte zubereiten.<br />

Das weiß auch Boris Baric.<br />

Der Küchenchef des Bildungshauses<br />

Schloss Puchberg in Wels<br />

hat von seiner Großmutter und<br />

Mutter gelernt, wie man schnelle,<br />

einfache und gesunde Speisen<br />

zubereitet. Dieses Wissen serviert<br />

der leidenschaftliche Koch heute<br />

in Form einfacher, aber köstlicher<br />

Speisen: „Spinatnockerl stehen<br />

öfter auf dem Speiseplan bei uns<br />

im Bildungshaus. Wir kochen mit<br />

Lebensmitteln aus der Region und<br />

wenn möglich in Bio-Qualität –<br />

damit, was die Natur so bietet im<br />

Schlossgarten von Puchberg.“<br />

BORIS BARIC<br />

ist Küchenchef<br />

im Bildungshaus<br />

Schloss Puchberg<br />

und darf sich über<br />

die Auszeichnung<br />

„Gesunde Küche“<br />

des Landes Oberösterreich<br />

freuen.<br />

Zubereitung:<br />

1. Erdäpfel kochen, schälen<br />

und anschließend durch eine<br />

Erdäpfelpresse drücken.<br />

2. Während die Erdäpfel kochen,<br />

den Spinat von den Stängeln<br />

zupfen, waschen und kurz in<br />

kochendes Wasser tauchen.<br />

Danach in einer Schüssel mit<br />

kaltem Wasser abschrecken,<br />

leicht mit den Händen ausdrücken<br />

und fein hacken.<br />

3. Ziegentopfen mit Eidottern<br />

vermengen und glatt rühren.<br />

Mehl, Erdäpfel und Spinat beigeben.<br />

Mit Salz, Pfeffer und<br />

Muskatnuss würzen.<br />

Zeitaufwand: 60 Minuten<br />

Zutaten für 4 Personen:<br />

100 g Erdäpfel<br />

300 g Blattspinat<br />

250 g Ziegentopfen<br />

3 Eidotter<br />

2 EL griffiges Mehl<br />

Salz, Pfeffer, Muskatnuss<br />

120 g Butter<br />

1 EL getrocknete Bergkräuter<br />

(z. B. von einer Teemischung)<br />

»Ich koche<br />

nach Gefühl<br />

und danach,<br />

was mein<br />

Wissen und<br />

meine Hände<br />

hergeben.«<br />

4. Leicht gesalzenes Wasser in<br />

einem Topf aufkochen. Aus<br />

der Masse mit einem Esslöffel<br />

Nockerl formen. Im Salzwasser<br />

unter dem Siedepunkt 8 Minuten<br />

lang ziehen lassen, bis sie<br />

gar sind. Herausheben und auf<br />

den Tellern verteilen.<br />

6. In einem kleinen Topf Butter<br />

hellbraun aufschäumen und<br />

die Kräuter beimengen. Die<br />

Nockerl damit übergießen und<br />

mit Pfeffer bestreuen.<br />

FOTOS: DANIEL EINSIEDLER, EISENHUT & MAYR<br />

14


15


Hoch hinaus. Wo viele helfende<br />

Hände zusammenkommen, kann<br />

Großes entstehen, beispielsweise<br />

beim Bau eines Hauses. Sind der<br />

Rohbau und der Dachstuhl errichtet,<br />

wird mit der Dachgleiche ein<br />

großer Meilenstein gefeiert.<br />

Und schon bald kann das Haus<br />

mit Leben erfüllt und zum<br />

Zuhause werden.<br />

FOTO: XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX<br />

16


HIMMEL<br />

WIE WIR EIN STÜCK DAVON<br />

SCHON AUF ERDEN SCHAFFEN<br />

Wir gemeinsam sind in der Lage, den Himmel auf Erden<br />

in Augenblicken erfahrbar zu machen. Das beginnt bei einer<br />

kleinen Aufmerksamkeit gegenüber einer unbekannten Person<br />

und endet in der Hingabe für ein Herzensprojekt.<br />

17


HIMMEL<br />

NÄCHSTENLIEBE HAT<br />

VIELE GESICHTER<br />

Tausende Menschen in Oberösterreich helfen freiwillig in sozialen<br />

Einrichtungen mit. Egal, wie viel Zeit man hat – Engagement ist<br />

immer möglich. Wir haben drei Menschen getroffen, die erklären,<br />

warum ein Leben ohne Freiwilligenarbeit für sie nicht vorstellbar ist.<br />

TEXT: NIKOLAUS NUSSBAUMER<br />

FOTOS: ROBERT MAYBACH<br />

EDITH<br />

LINETSHUMER, 67<br />

SALIH<br />

AKMESE, 23<br />

EVA MARIA<br />

SCHOBER, 70<br />

18


»Für mich ist diese Zeit<br />

besonders wertvoll«<br />

1 Tag/Woche: Edith Linetshumer<br />

begleitet in St. Pius zwei Menschen<br />

mit Beeinträchtigung<br />

Jedes Wochenende steigt Edith Linetshumer<br />

ins Auto und fährt 25 Kilometer von<br />

ihrer Wohnung in Eferding zum Caritas-<br />

Standort St. Pius in Steegen-Peuerbach.<br />

Am Rückspiegel baumelt ein aus Draht<br />

gefertigter Engel, den die Bewohnerinnen<br />

und Bewohner des Heimes für sie zu Weihnachten<br />

gefertigt haben „Dieser Engel ist<br />

mein Glücksbringer, der mich immer begleitet“,<br />

sagt die 67-Jährige.<br />

Am Anfang stand ein Zufall. Eigentlich<br />

wollte Edith Linetshumer einst nur eine<br />

Messe in der Kapelle von St. Pius besuchen.<br />

Da traf sie im Gang auf eine Wohngruppe<br />

beeinträchtigter Menschen und wurde von<br />

dieser spontan auf einen Kaffee eingeladen.<br />

Austausch.<br />

Werner Scheichl,<br />

Edith Linetshumer<br />

und Harald Wintersteiger<br />

erzählen<br />

einander jede Woche<br />

in St. Pius, was<br />

sie erlebt haben.<br />

„Pfiat euch, ich komme wieder“, sagte sie<br />

zum Abschied. Sie hielt Wort. Und kam<br />

wieder. Einen ganzen Tag lang. Woche<br />

für Woche. 15 Jahre ist das mittlerweile<br />

her. „Für mich ist die Zeit in St. Pius ganz<br />

besonders wertvoll. Es ist eine Form der<br />

Nächstenliebe.“<br />

Im ehemaligen Schloss Steegen ist seit<br />

1956 die Caritas-Einrichtung St. Pius untergebracht.<br />

1957 wurden hier die ersten<br />

20 Kinder mit Beeinträchtigung aufgenommen.<br />

Heute erhalten 130 vorwiegend Erwachsene<br />

und ältere Menschen Begleitung<br />

und Betreuung, Ausbildung und Arbeit,<br />

Wenn es bei ihnen am Wochenende an<br />

der Tür klopft, wissen sie: Die Edith ist da!<br />

Und einen Kuchen hat sie auch mitgebracht!<br />

19


HIMMEL<br />

Medaillenspiegel. Werner Scheichl hat viel erreicht und belegte bei<br />

den Special Olympics 2013 den dritten Platz im Schneeschuhlaufen.<br />

Therapie und Beratung. Harald Wintersteiger,<br />

46, und Werner Scheichl, 60, sind<br />

zwei davon. Beide kamen schon im Volksschulalter<br />

nach St. Pius und gingen auch<br />

in die hauseigene Schule. Seit dem Jahr<br />

2009 teilen sie sich eine teilbetreute Wohngemeinschaft<br />

im dritten Stockwerk.<br />

Unter der Woche arbeiten die beiden<br />

Männer – nicht in den Werkstätten von<br />

St. Pius, sondern in lokalen Betrieben:<br />

Harald stellt Parkbänke her, Werner fertigt<br />

Ofentüren. Wenn es bei ihnen am Wochenende<br />

an der Tür klopft, wissen sie: Die<br />

Edith ist da! Und einen Kuchen hat sie auch<br />

mitgebracht! Gemeinsam geht man in den<br />

Gottesdienst, ins Gasthaus und danach<br />

eine Runde spazieren. Dann berichten die<br />

»Natürlich ist es manchmal fordernd<br />

und braucht Ausdauer und Geduld.<br />

Aber das macht mir nichts. Das will ich.«<br />

Eva Maria Schober<br />

Männer von der Arbeit oder dem letzten<br />

Arztbesuch. Und Edith erzählt von ihren<br />

Urlauben auf der griechischen Insel Karpathos,<br />

wo sie schon 25 Mal war. Werner<br />

schwärmt von seinem Lieblingsverein<br />

Bayern München. Und Harald erinnert sich<br />

an die Special Olympics 2013 in Südkorea,<br />

wo er im Schneeschuhlaufen die Bronzemedaille<br />

errang.<br />

Auch die Feiertage rund um Weihnachten<br />

und Ostern verbringt die alleinstehende<br />

Pensionistin mit den beiden Bewohnern.<br />

Freiwillige wie sie sind für die Menschen in<br />

St. Pius oft ein Familienersatz – weil sie keine<br />

Angehörigen mehr haben oder sich diese<br />

von ihnen abgewandt haben. „Ich habe die<br />

Edith so gerne“, sagt Harald, und Werner<br />

ergänzt: „Die gebe ich nicht mehr her.“<br />

„Keine Angst, ich bleibe bei euch“, sagt sie.<br />

Und alle drei lachen.<br />

»Ich tue es<br />

für mein Seelenheil«<br />

3,5 Std./Woche: Eva Maria Schober hilft<br />

Kindern beim Lernen und Hausübungmachen<br />

Wenn Eva Maria Schober am Dienstag das<br />

Lerncafé der Caritas in Marchtrenk betritt,<br />

hat sie keine Ahnung, was sie erwarten<br />

wird: Englisch oder Geschichte? Deutsch<br />

oder Mathematik? Volksschüler oder Mittelschülerin?<br />

Die 70-Jährige ist eine von<br />

13 Freiwilligen, die derzeit 21 Kinder im<br />

Alter zwischen sechs und 15 Jahren betreuen,<br />

die bei Hausaufgaben helfen und<br />

Schularbeiten vorbereiten. Das Team ist<br />

bunt zusammengewürfelt, willkommen ist,<br />

wer die notwendige Ausdauer und Geduld<br />

mitbringt – vom Studenten über die Pensio­<br />

20


HIMMEL<br />

Bildungspartnerschaft. Die Nachhilfe und Lernbegleitung von Eva Maria Schober im Lerncafé<br />

der Caritas in Marchtrenk beschert ihr und den Kindern Erfolgserlebnisse.<br />

nistin bis zur IT-Technikerin. „Natürlich<br />

ist es manchmal auch fordernd. Aber das<br />

macht mir nichts, das will ich“, sagt Eva<br />

Maria Schober. Die Beweggründe der Freiwilligen<br />

sind unterschiedlich. Nicht immer<br />

steckt ausschließlich der christliche Gedanke<br />

der Nächstenliebe dahinter. „Ich tue es<br />

für mein Seelenheil. Ich bin verwitwet und<br />

suche eine Beschäftigung. Dass die Kinder<br />

davon profitieren, ist eine gute Fügung.“<br />

Eigentlich wollte die ehemalige Buchhalterin<br />

als Lesepatin in einer Bücherei anfangen<br />

– doch dort verwies man sie auf das<br />

Lerncafé im „Fullhouse“, dem ehemaligen<br />

Volkshaus in Marchtrenk. „Dort suchen sie<br />

immer Leute“, hieß es damals. Das war im<br />

Mai 2018. Seitdem ist Eva Maria Schober<br />

jeden Dienstag von 13.30 Uhr bis 17 Uhr im<br />

Einsatz – und damit eine wichtige Stütze<br />

für Kinder aus sozial benachteiligten Familien.<br />

„Meist können sich die Eltern eine<br />

Lernhilfe aus finanziellen Gründen nicht<br />

leisten“, berichtet sie. Das Angebot im Lerncafé<br />

ist für die Familien kostenlos. Viele der<br />

Kinder haben eine andere Muttersprache,<br />

weshalb vor allem das Deutschlernen im<br />

Vordergrund steht. Corona und Distance<br />

Learning haben die Probleme dieser Kinder<br />

noch verschärft: Viele mussten sich daheim<br />

einen Computer teilen oder hatten in der<br />

kleinen Wohnung keinen ruhigen Platz,<br />

wohin sie sich zum Lernen zurückziehen<br />

konnten.<br />

Seit der Eröffnung im Jahr 2011 wurden<br />

121 Kinder in Marchtrenk betreut. An den<br />

insgesamt sechs Standorten in Oberösterreich<br />

– in Linz (zwei), Wels, Marchtrenk,<br />

Steyr und Vöcklabruck – waren es in diesem<br />

Zeitraum 610 Kinder. Der Erfolg kann<br />

sich sehen lassen: Jährlich können 95 bis<br />

98 Prozent der Kinder das Schuljahr erfolgreich<br />

abschließen. „Oft fehlt den Kindern<br />

21


HIMMEL<br />

nur die Motivation und Organisation.<br />

Sie brauchen Erfolge, die sie in die Schule<br />

mitnehmen können. Und die bekommen<br />

sie hier“, weiß Lerncafé-Leiterin Birgit<br />

Huber aus Erfahrung. Es sind diese kleinen<br />

Glücksgefühle, die auch Eva Maria Schober<br />

am Dienstag zufrieden nach Hause gehen<br />

lassen. „Das ist das Schöne: Ich bekomme<br />

durch die Kinder hier ein sehr unmittelbares<br />

Erfolgserlebnis.“<br />

»Es macht mich glücklich,<br />

anderen Menschen zu helfen«<br />

Einige Std./Monat: Salih Akmese<br />

engagiert sich bei der Jugend-Plattform<br />

der Caritas<br />

„Meine Mutter hat mich dazu erzogen,<br />

anderen zu helfen.“ Salih Akmese steht<br />

im Lager des Caritas-Tageszentrums Wärmestube<br />

in Linz und sortiert Decken und<br />

Schlafsäcke, die ein privater Spender abgegeben<br />

hat. Die Wärmestube begleitet<br />

Menschen auf dem Weg aus der Obdachlosigkeit.<br />

Es ist ein Ort der Regeneration<br />

und des Rückzugs, in dem sie eine warme<br />

Mahlzeit, eine heiße Dusche und saubere<br />

Wäsche erhalten, aber auch Information<br />

und Beratung. Nun ist es Abend geworden,<br />

und das Tageszentrum ist geschlossen.<br />

Jetzt wird im Lager die Unterstützung von<br />

Salih Akmese benötigt. Der 23-Jährige ist<br />

»Das ist das Schöne:<br />

Ich bekomme durch die Kinder hier<br />

ein sehr unmittelbares Erfolgserlebnis.«<br />

Eva Maria Schober<br />

Zukunftsweisend. Das Engagement von Eva Maria Schober eröffnet<br />

Kindern aus sozial benachteiligten Familien neue Bildungschancen.<br />

FREIWILLIGE<br />

GESUCHT:<br />

SO KÖNNEN SIE<br />

MITHELFEN<br />

Freiwilligenarbeit ist<br />

eine wichtige Stütze<br />

für die Arbeit der<br />

Caritas und in vielen<br />

Bereichen möglich.<br />

Wo derzeit Unterstützung<br />

benötigt<br />

wird, kann man beim<br />

Pfarrservice bzw. der<br />

Regional koordination<br />

der Caritas erfragen.<br />

www.caritas-ooe.at/<br />

freiwillig<br />

Oder eine E-Mail<br />

schreiben an:<br />

freiwillig@<br />

caritas-ooe.at<br />

eines von mehr als 650 Mitgliedern der<br />

Plattform „actionPool“ der youngCaritas.<br />

Hier können sich Jugendliche und Erwachsene<br />

zwischen 14 und 30 Jahren ein paar<br />

Stunden im Monat freiwillig in Einrichtungen<br />

der Caritas engagieren. „Für mich ist<br />

es wichtig, nicht nur über Nächstenliebe zu<br />

sprechen, sondern diese auch zu leben und<br />

zu leisten“, sagt Salih Akmese.<br />

Seine Eltern stammen aus der Türkei,<br />

er wuchs mit vier Geschwistern in Oberösterreich<br />

auf und besuchte die Handelsakademie<br />

in Traun. Besonders in Erinnerung<br />

geblieben ist ihm dabei ein Fach<br />

namens Sozialmanagement. „Das hat mich<br />

sehr geprägt. Wir hatten einen tollen Lehrer“,<br />

erinnert er sich. Gemeinsam unternahm<br />

man auch Exkursionen zur Caritas­<br />

Wärmestube in Linz.<br />

„Ich war schon immer ein sozialer<br />

Mensch. Das ist von klein auf in mir drinnen<br />

gewesen. Oft habe ich darüber nachgedacht:<br />

Wie kann ich mich engagieren?<br />

Was kann ich tun?“ Vor zwei Jahren fasste<br />

er sich bei einer Veranstaltung ein Herz<br />

und ging schnurstracks auf einen Caritas-<br />

Stand zu. Dort machte man ihn auf den<br />

22


HIMMEL<br />

»Mir geht es nicht um Religion, um Alter,<br />

Hautfarbe oder Geschlecht. Es macht mich<br />

glücklich, anderen Menschen zu helfen.«<br />

Salih Akmese<br />

„actionPool“ aufmerksam. Wer sich hier<br />

online anmeldet, erhält per Mail Informationen,<br />

in welchem Caritas-Projekt gerade<br />

Unterstützung benötigt wird. Gleichzeitig<br />

kann man auch selbst Ideen für freiwilliges<br />

Engagement einbringen.<br />

So half Salih Akmese schon beim Schleifen<br />

und Lackieren der Betten in der Wärmestube,<br />

beim Sortieren und Kuvertieren<br />

der Caritas-Christkindlbriefe sowie beim<br />

Auspacken der Bücher für das logopädische<br />

Screening im Kindergarten mit. „Ich fange<br />

klein an. In Zukunft möchte ich aber mehr<br />

mit den Menschen direkt zu tun haben“,<br />

erklärt der 23-Jährige, der derzeit in einem<br />

Callcenter jobbt.<br />

Dass er sich als Muslim in einer christlichen<br />

Hilfsorganisation engagiert, ist für<br />

ihn ganz selbstverständlich. „Mir geht es<br />

nicht um Religion, um Alter, Hautfarbe<br />

oder Geschlecht. Es macht mich glücklich,<br />

anderen Menschen zu helfen.“<br />

Vielseitig. Salih Akmese packt im Caritas-Tageszentrum Wärmestube in Linz mit an, wo er<br />

gerade benötigt wird – sei es beim Sortieren im Lager oder bei der Reparatur von Möbeln.<br />

23


HIMMEL<br />

WURZELN ALLEN ÜBELS<br />

Hand aufs Herz: Wir alle kennen die Gefühle,<br />

die hinter den sieben Todsünden stecken.<br />

Doch wer sie zu gut kennt, kann in Teufels Küche kommen.<br />

TEXT: SABRINA LUTTENBERGER<br />

ILLUSTRATIONEN: STUDIO NITA<br />

Die Todsünden gehören zum Leben<br />

dazu. Wahrscheinlich haben wir<br />

Hochmut, Habgier, Völlerei,<br />

Wollust, Zorn, Neid oder Trägheit selbst<br />

schon verspürt. Das ist gar nicht weiter<br />

schlimm, das ist menschlich. Was man im<br />

christlichen Kontext als Todsünden (oder<br />

heute korrekter: Hauptsünden) bezeichnet,<br />

sind normale Gemütsregungen oder sogar<br />

positive Gaben – die sich aber durch Maßlosigkeit<br />

als negative Haltungen verfestigen.<br />

Und die sind oft die Wurzel allen Übels. Ein<br />

gesundes Selbstbewusstsein? Noch lange<br />

keine Todsünde. Doch Stolz kann die Persönlichkeit<br />

beherrschen, wenn man ihm<br />

zu oft nachgibt. Daraus wird Hochmut.<br />

Und der kommt bekanntlich vor dem Fall.<br />

Früher hieß es, dass auch nur eine<br />

Todsünde, die zu Lebzeiten nicht bereut<br />

wird, für die Höchststrafe reicht: ewige<br />

Verdammnis in der Hölle. Doch die Vorstellung,<br />

dass es sich dabei um einen echten<br />

Ort handelt, an dem der Teufel wartet, um<br />

uns in alle Ewigkeit mit seinem Dreizack<br />

zu piesacken, hat sich lange überlebt. Das<br />

würde auch gar nicht zu dem barmherzigen<br />

Gott passen, dessen Botschaft Jesus<br />

verkündete. Die Hölle ist kein Ort, sondern<br />

ein Zustand – die endgültige und bewusste<br />

Selbstausschließung aus der Gemeinschaft<br />

mit Gott. Anders ausgedrückt: Wer sich den<br />

Todsünden hingibt, wählt die Isolation und<br />

letztendlich den Tod.<br />

Die allermeisten Menschen sehnen sich<br />

nach Anerkennung, nach Besitz, nach Lust<br />

– oder einfach danach, auf der faulen Haut<br />

zu liegen. Doch Sehnsüchte können zu<br />

Süchten werden, wenn man sie um jeden<br />

Preis stillen möchte. Das erkannten auch<br />

frühe Christen wie der Mönch Euagrios<br />

Pontikos oder Papst Gregor der Große, auf<br />

die unsere Liste der Todsünden zurückgeht.<br />

Seit damals hat diese Erkenntnis wenig<br />

an Aktualität verloren. Doch gleichzeitig<br />

wirken die Versuchungen heute vielfältiger<br />

und größer als je zuvor. Wir sind schließlich<br />

mit der ganzen Welt verbunden und haben<br />

Einladungen zur Maßlosigkeit jederzeit am<br />

Schirm. Das bestätigen auch die Personen,<br />

mit denen wir für die Erklärungen auf den<br />

folgenden Seiten gesprochen haben. Sie<br />

attestieren den Todsünden noch lange kein<br />

Ableben. Denn wenn sich die Zeiten ändern,<br />

passen sich auch die Todsünden einfach an.<br />

24


HIMMEL<br />

Hochmut<br />

superbia<br />

Cesár Sampson ist seit vielen Jahren erfolgreicher Musiker. Beim Eurovision<br />

Song Contest 2018 wurde er sogar Dritter. Darauf kann man mächtig stolz sein.<br />

Trotzdem wirkt er sehr bescheiden. Anders, als man sich einen Star vorstellt.<br />

„Ich hab das hinter mir. Als Jugendlicher hab ich die Ego-Boosts auf der Bühne<br />

gebraucht.“ Als Erwachsener habe er erkannt, dass Hochmut aus einer Unsicherheit<br />

herrührt – und an sich selbst gearbeitet. Seine Eltern, beide Musiker, haben<br />

es vorgelebt. Auch seine Zeit als Sozialarbeiter hat ihn geprägt. So viel Erdung<br />

hat nicht jeder im Showbusiness. „Ich habe viele Künstler kennengelernt, die ein<br />

verletzliches Selbstwertgefühl haben“, sagt Cesár. „Werden sie dann einmal bestätigt,<br />

verlieren sie die Kontrolle.“ Sie heben ab. Wer von sich selbst überzeugt<br />

ist, meint, besser als alle zu sein – quasi auf einer Stufe mit Gott. So soll es übrigens<br />

auch zum Sündenfall gekommen sein. „Esst und ihr seid wie Gott“, sagte<br />

die Schlange. Eva war demnach nicht nur hungrig, sondern auch hochmütig.<br />

25


HIMMEL<br />

Habgier<br />

avaritia<br />

Vor zehn Jahren hatte Michael Seiller-Tarbuk genug.<br />

„In der Immobilienbranche rennt man nur dem Geld nach.<br />

Es geht um nichts anderes, als immer noch mehr zu verdienen.“<br />

Für ihn war das ständige Streben nach neuem<br />

Besitz irgendwann eine Belastung, die ihn unglücklich<br />

gemacht hat. Also hat er seinen Mut und die Ersparnisse<br />

zusammengenommen und den Absprung gewagt. Das<br />

schaffen nicht alle. Habgier ist eine Sucht, die nicht gestillt<br />

werden kann. Es braucht pausenlos mehr von allem: mehr<br />

Geld, mehr Likes, mehr Macht. Dabei bleibt es oft nicht.<br />

Eine der Folgesünden von Habgier ist Unbarmherzigkeit:<br />

Wer alles für sich haben will, teilt nicht. Nicht einmal mit<br />

denen, die nichts haben. Ganz so arg war es als Immobilienmanager<br />

nicht. Trotzdem würde Michael nicht mehr<br />

tauschen. Heute betreibt er eine Landwirtschaft im Wienerwald<br />

– und ist wieder glücklich. „Jetzt bin ich auf eine<br />

viel wertvollere Art reich: Wenn ich in mich hineinhöre,<br />

merke ich, wie gut es mir geht.“<br />

26


HIMMEL<br />

Wollust<br />

luxuria<br />

Ursprünglich ist die Wollust etwas Schönes.<br />

Sie kommt von Wohl und Lust, von denen wiederum<br />

viel Freude kommen kann. Auch heute<br />

sei Lust an sich nichts Negatives, sagt Rotraud<br />

Perner, Theologin und Psychotherapeutin.<br />

„Egozentrik, Missbrauch, Ausbeutung, Verletzung<br />

von anderen – das ist schädlich.“ Eben all<br />

das, was man in Kauf nehme, um das eigene<br />

Verlangen zu stillen. Darum spricht Rotraud<br />

Perner auch lieber von der Unkeuschheit als<br />

der Wollust. „Keusch kommt von conscious,<br />

bewusst. Die Sünde der Unkeuschheit bedeutet<br />

für mich, rücksichtslos und beziehungslos<br />

nur der eigenen Befriedigung zu huldigen.“<br />

Wer sich nur auf das Körperliche konzentriert,<br />

verliert leicht die Kontrolle. Das tut denen<br />

weh, die für die schnelle Bedürfnisbefriedigung<br />

benutzt werden. Das tut einem aber auch<br />

selbst nicht gut. „Als Psychotherapeutin und<br />

auch als Seelsorgerin erlebe ich, dass Menschen<br />

sich nicht nach Wollust sehnen, sondern<br />

danach, erkannt und wertgeschätzt zu werden<br />

– so, wie sie sind.“<br />

27


HIMMEL<br />

Zorn<br />

ira<br />

Wenn Psychiater Reinhard Haller über den Zorn in unserer Gesellschaft<br />

spricht, bleibt er ganz gelassen. Obwohl auch er beobachtet, dass der allgemeine<br />

Ärger zugenommen hat. „Was wir in der Bevölkerung sehen, ist<br />

Zorn, der sich langsam entwickelt, länger anhält und durchdachter ist als<br />

Wut und Hass. Zorn können wir aber kontrollieren.“ Eine gute Nachricht.<br />

Der richtige Umgang mit Zorn schützt nämlich nicht nur uns selbst, sondern<br />

auch andere. Denn da, wo Zorn dauerhaft wird oder zum Handeln<br />

verleitet (etwa aus Rache), wird er zur Todsünde. Unterdrücken bringe<br />

übrigens nichts: „Zorn ist wie ein Stausee an negativen, destruktiven<br />

Gefühlen, die man loslassen muss, bevor er übergeht.“ Was dabei helfen<br />

kann: sich abzureagieren. So lässt sich die zerstörerische Seite des Zorns<br />

in eine positive Aktivität umwandeln. Haller schlägt lautes Schreien vor.<br />

Oder Holzhacken. Das hat den Vorteil, dass man danach nicht nur extrem<br />

entspannt ist, sondern es dabei auch schön warm hat.<br />

28


HIMMEL<br />

Völlerei<br />

gula<br />

Die Völlerei ist zu viel des Guten. Zu viel Essen, zu viel Trinken. Sie bezieht sich<br />

aber nicht nur auf maßlosen Genuss. Völlerei kann alles sein, was ausschweifend<br />

ist. Auch unser Konsum. Damit kennt sich Bernadette Kamleitner von der<br />

Wirtschaftsuniversität Wien bestens aus. Als Konsumforscherin sagt sie: „Unser<br />

jetziges Konsumverhalten führt zu einem Übermaß an Verschwendung von<br />

Ressourcen, die nicht notwendig ist. In diesem Sinne ist es Völlerei.“ Vieles von<br />

dem, was wir besitzen, sei eine Belastung. Uns fehle die Beziehung zu den Objekten.<br />

Wir könnten viele Dinge gar nicht mehr wertschätzen. Die Völlerei lässt<br />

den Menschen undankbar werden – auch gegenüber Gott. Bernadette Kamleitner<br />

ist trotzdem zuversichtlich: „Unser Konsumverhalten ändert sich ständig,<br />

weil wir Menschen uns ändern und das, was uns wichtig ist, auch.“ In ihrer Forschung<br />

taucht bereits ein neues Statussymbol auf: möglichst wenig zu besitzen.<br />

Das Maß scheint also endlich voll zu sein.<br />

29


HIMMEL<br />

Neid<br />

invidia<br />

Wer eifersüchtig ist, ist nicht zu beneiden. Laut Umfragen gilt Neid als<br />

schlimmste Todsünde. Sie ist auch die, die am wenigsten Spaß macht. Katja<br />

Corcoran, Neidforscherin der Uni Graz, kann nur zustimmen. „Neid ist eine<br />

emotionale Reaktion auf einen Vergleichsprozess. Jemand hat oder kann<br />

etwas, was ich nicht habe oder nicht kann. Das tut weh.“ Zudem sei Neid<br />

sozial unerwünscht. Dabei könne er durchaus sinnvoll sein. „Gutartiger Neid<br />

kann motivieren“, so Corcoran. „Ich möchte zu anderen aufschließen.“ Das<br />

kann die ganze Gesellschaft weiterbringen. Bösartiger Neid bewirke das Gegenteil:<br />

Ich ziehe andere zu mir runter. Auch für die Beneideten kein gutes<br />

Gefühl. Das krasseste Beispiel liefert die Bibel. Kain erschlägt seinen Bruder<br />

Abel, weil er eifersüchtig auf ihn ist. Gottes Rat, sich lieber auf das Gute zu<br />

besinnen, ignoriert Kain. Das hält übrigens auch Corcoran für ein geeignetes<br />

Mittel gegen Neid: sich bewusst zu machen, was man selbst alles hat. Dabei<br />

stelle man oft fest, es gibt keinen Grund, gleich neidisch zu sein.<br />

30


HIMMEL<br />

Trägheit<br />

acedia<br />

Stefan Kogler hat ein bewegtes Leben. Zuerst als Personal Trainer, mittlerweile<br />

in seinem eigenen Fitnessstudio: dem Kroftstodl in St. Georgen an<br />

der Gusen. Und obwohl er nichts lieber macht als Sport, muss auch er sich<br />

manchmal noch motivieren: „Ich weiß einfach, dass es mir extrem guttut.<br />

Nicht nur körperlich, sondern vor allem psychisch. Da passiert was in meinem<br />

Kopf, wenn ich was tu.“ Dass dieser Eifer – oder eben das Fehlen davon<br />

– Auswirkungen auf den Geist hat, macht die Trägheit so schlimm. Sie<br />

bezeichnet in erster Linie die geistige Trägheit. Sich vor allem und allen zu<br />

verschließen – auch vor Gott. Stefan Kogler merkt das auch bei seinen Kunden.<br />

Sobald sie körperlich aktiv sind und regelmäßig trainieren, gestalten<br />

sie plötzlich ihr ganzes Leben mit neuem Elan. Sein Tipp, um eine Gewohnheit<br />

daraus zu machen: sich messbare Ziele stecken. Wer Erfolgs erlebnisse<br />

hat, bleibt dran. Und Aufhören gibt’s bei Stefan Kogler nicht.<br />

31


HIMMEL<br />

PFLASTER FÜRS HERZ<br />

Zuhören, Zeit schenken, Zuversicht vermitteln: Anita Buchberger<br />

ist Teil des Straßenseelsorgeprojekts „Erzähl mir was, ich hör dir zu“.<br />

Und sie weiß, wie kraftvoll Aufmerksamkeit sein kann.<br />

Zwei Klappstühle mitten auf<br />

der Linzer Landstraße: Würden<br />

Sie Platz nehmen und<br />

von Ihrem Leben erzählen? Falls Sie<br />

sich dazu entscheiden, kann es gut<br />

sein, dass Ihnen Anita Buchberger<br />

gegenübersitzt. Und einfach zuhört.<br />

Hauptberuflich ist sie für die<br />

kirchliche Jugendarbeit tätig, doch<br />

als ehrenamt liche Straßenseelsorgerin<br />

hat sie ein offenes Ohr für Menschen<br />

jeden Alters. Und sie weiß um<br />

die Kraft des Zuhörens: „Die Menschen<br />

fühlen sich einsam inmitten<br />

einer lauten Welt, in der oft nur Botschaften<br />

platziert werden, aber wenige<br />

wirklich hinhören, was ihr Gegenüber<br />

fühlt und sagt. Wenn man ihnen<br />

Zeit und Aufmerksamkeit schenkt,<br />

gehen sie mit einem besseren Gefühl<br />

in neue Herausforderungen.“<br />

Seelsorge ohne Schnickschnack<br />

Zu der Idee kam es bei einem Ausflug<br />

nach Taizé. Der kleine ostfranzösische<br />

Ort ist ein Treffpunkt für Zehntausende<br />

junge Gläubige aus der<br />

ganzen Welt. Anita und ihre Freundinnen<br />

hat der Austausch dort tief<br />

berührt. „So entstand die Idee, ganz<br />

unbürokratisch Projekte zum Thema<br />

Solidarität zu starten, nach dem<br />

Grundsatz der Nächstenliebe“, erinnert<br />

sie sich. Umgesetzt wurde dieser<br />

Gedanke mit der Aktion „Erzähl mir<br />

was, ich hör dir zu“ – in den Straßen<br />

»Wir waren gezwunge ner ­<br />

maßen viel zu oft vor dem<br />

Handy oder am Laptop<br />

und nicht unter Menschen.<br />

Doch wirkliche Begegnung<br />

kann durch nichts<br />

ersetzt werden.«<br />

Anita Buchberger<br />

und Gassen der Linzer Innenstadt.<br />

Junge, engagierte Christinnen und<br />

Christen leihen den Menschen<br />

ehrenamtlich ihr Ohr, wofür auch<br />

immer und wie lange auch immer.<br />

Und das kommt an.<br />

„Egal ob Banker, Punk oder Migrantin,<br />

sie alle wollten sich einfach<br />

mal aussprechen“, sagt Anita. Manche<br />

erzählen stundenlang, bis ihnen<br />

leichter ist, einige wollen nur zwischen<br />

hier und dort schnell etwas<br />

loswerden. „Eine ältere Dame hat<br />

sich zwei Minuten Zeit genommen,<br />

sich hingesetzt und strahlend mit uns<br />

geteilt, dass sie sich gerade auf den<br />

Weg ins Krankenhaus macht, weil sie<br />

Oma geworden ist. Solche Momente<br />

sind Geschenke.“<br />

Diesen heiteren Augenblicken gegenüber<br />

stehen die Gespräche über<br />

die Lasten der Menschen. Sie wiegen<br />

viel schwerer, gerade deswegen sind<br />

sie Anita so wichtig. Die Zwiegespräche,<br />

die trotz aller Öffentlichkeit sehr<br />

intim werden können, sind oft ein<br />

Spiegel der Zeit: 2015 waren einige<br />

davon in gebrochenem Deutsch und<br />

handelten von erlebten Traumata<br />

oder den Ängsten, in Österreich<br />

nicht willkommen zu sein. Heute<br />

geht es oft um Einsamkeit, verlorene<br />

Zeit und Zerwürfnisse mit Freunden<br />

oder Familienmitgliedern; einschneidende<br />

Ereignisse, die in Gesprächen<br />

mit Anita immer ihren Platz finden.<br />

Kämpfen für Kommunikation<br />

Aber aufgeben kommt nicht infrage.<br />

Stattdessen geht Anita gegen die<br />

Vereinsamung in die Offensive.<br />

„Ich habe die Sessel dann auch in<br />

kleineren Gemeinden aufgestellt.<br />

Gerade am Land und ohne soziale<br />

Treffpunkte ist das Zuhören besonders<br />

wichtig.“<br />

Ein Gespräch ist ihr besonders in<br />

Erinnerung geblieben: ein Maturant<br />

ohne Maturaball, dessen Lebensfreude<br />

gerade im Sand versickert.<br />

Doch das Reden half – und aus<br />

einem Gespräch wurden mehrere.<br />

„Wir waren gezwungenermaßen viel<br />

zu oft vor dem Handy oder am Laptop<br />

und nicht unter Menschen. Doch<br />

wirkliche Begegnung kann durch<br />

nichts ersetzt werden.“<br />

ANITA BUCHBERGER, 37, ist Beauftragte<br />

für Jugendpastoral im Dekanat Weyer<br />

und eine der Initiatorinnen des Projekts<br />

„Erzähl mir was, ich hör dir zu“.<br />

FOTO: RAPHAEL GABAUER<br />

32


Einfach reden. Es<br />

braucht nicht viel, um<br />

ins Gespräch zu kommen.<br />

Bei Anita Buchberger<br />

reichen zwei<br />

Klappstühle und ein<br />

lami niertes Blatt Papier.<br />

33


[HERR]GOTT<br />

WIE WIR IHN IN ALLEN DINGEN FINDEN<br />

Wo findet man eigentlich Gott? Nur in der Kirche<br />

oder auch in der Tierwelt? Nur in der Gemeinschaft<br />

oder auch allein daheim? Fragen über Fragen, auf die auch<br />

kluge Menschen ganz unterschiedliche Antworten geben.<br />

Einige davon finden Sie auf den folgenden Seiten.<br />

FOTO: UNSPLASH.COM/GARY BENDIG<br />

34


Frühlingserwachen. Die Osterzeit ist<br />

die Zeit der Suche – auch für Hasen.<br />

Allerdings geht’s dabei nicht um Ostereier:<br />

Es ist die Zeit der Partnersuche,<br />

bei der sich die sonst nachtaktiven Tiere<br />

tagsüber blicken lassen und man die<br />

Männchen bei Kämpfen und Wettrennen<br />

beobachten kann. Hasen gehören<br />

zu den ersten Tieren, die im <strong>Frühjahr</strong><br />

Nachwuchs bekommen. Daher werden<br />

sie auch Frühlingsboten genannt. Ein<br />

gern gesehener Lichtblick, auf den man<br />

sich nach dem langen Winter freut.<br />

35


[HERR]GOTT<br />

JESUS CHRIST<br />

MOVIE STAR<br />

Dramen, Musicals, Komödien – und sogar<br />

die eine oder andere Romanze: Als Filmfigur ist Jesus<br />

so wandelbar wie niemand sonst in Hollywood.<br />

Unnahbarer Messias, herzlicher<br />

Kumpel, gesanglich<br />

begabtes Blumenkind –<br />

oder nur eine Nebenrolle in einer<br />

ganz anderen Geschichte: All das<br />

war Jesus. Vielleicht nicht in echt,<br />

aber in den unzähligen Filmen, die<br />

über ihn schon gedreht wurden.<br />

Dazu zählen nicht nur einschlägige<br />

Lehrvideos aus dem Religionsunterricht,<br />

sondern Filme, die riesige<br />

Erfolge an den Kinokassen feierten,<br />

aufwendigste Produktionen hatten<br />

und sogar Rekorde für die meisten<br />

Oscars brachen.<br />

Die Kamera liebt ihn<br />

Die künstlerische Aufarbeitung<br />

von biblischen Erzählungen hat eine<br />

lange Tradition: Die Geschichte von<br />

Jesus hat seit jeher Maler, Bildhauer<br />

und Musiker zu ihren Werken inspiriert.<br />

Kein Wunder also, dass die ersten<br />

Jesus-Filme schon bald nach der<br />

Erfindung des Films erschienen. Und<br />

zwar sehr bald: 1895 baute der Filmpionier<br />

Louis Lumière mit seinem<br />

Bruder den ersten Kinematografen,<br />

zwei Jahre später produzierte er<br />

schon „La vie et la passion de Jésus-<br />

Christ“ – den allerersten Jesus-Film.<br />

Sandalen sind in<br />

Der biblischen Figur Jesus auf der<br />

Leinwand Leben einzuhauchen, erwies<br />

sich als Erfolgsrezept: Viele frühe<br />

Jesusfilme waren die Kassenschlager<br />

ihrer Zeit. In den Sechzigerjahren<br />

rollte daher eine regelrechte Welle<br />

von Sandalenfilmen über die Leinwände,<br />

die bis heute nie ganz abgeklungen<br />

ist. Auch der Heilige Stuhl<br />

ist Fan des Genres: Genau 100 Jahre<br />

nachdem die Brüder Lumière erstmals<br />

die Welt mit dem Konzept Kino<br />

begeisterten, wurde 1995 die offizielle<br />

Filmliste des Vatikans herausgegeben.<br />

Darin enthalten: 45 Filme,<br />

kategorisiert in „Glauben“, „Werte“<br />

und „Kunst“.<br />

Die Prime Time zu Ostern<br />

Auch wenn im Kern immer dieselbe<br />

Geschichte steckt: Je nach Blickwinkel<br />

spielen Jesus-Filme in komplett<br />

verschiedenen Welten. Zur Vorbereitung<br />

auf die Osterzeit, in der fast<br />

jeden Abend ein anderer Jesus im<br />

Hauptabendprogramm zu sehen ist,<br />

gibt es hier eine kleine Querbeet-<br />

Übersicht – mit den besten, berührendsten,<br />

lustigsten und skurrilsten<br />

Darstellungen des Gottessohns.<br />

FOTO: IMAGO IMAGES/UNITED ARCHIVES<br />

36


DIE LETZTE<br />

VERSUCHUNG CHRISTI<br />

Erscheinungsjahr 1988<br />

Regie Martin Scorsese<br />

Leben oder sterben – was, wenn<br />

Jesus diese Wahl gehabt hätte? In der<br />

1988 erschienenen Romanverfilmung<br />

„Die letzte Versuchung Christi“ spinnt<br />

Starregisseur Martin Scorsese diesen<br />

Gedanken weiter. Darin wird ein<br />

Leben von Jesus gezeigt, in dem er<br />

zum einfachen Familienvater wird.<br />

Möglich macht dies ein Schutzengel,<br />

der ihn am Kreuz von allen Schmerzen<br />

befreit. Aber eine Menschheit,<br />

die ohne sein Opfer weiterleben<br />

muss: Kann das wirklich das Werk<br />

eines Engels sein?<br />

37


38<br />

FOTO: IMAGO IMAGES/PROD.DB


BEN HUR<br />

Erscheinungsjahr 1959<br />

Regie William Wyler<br />

Ein verstoßener jüdischer Kaufmann<br />

sinnt nach Rache, bis er von den<br />

Taten Jesu Christi erfährt. Kurioserweise<br />

war der Roman, auf dem der<br />

dreieinhalbstündige Film basiert,<br />

gleich nach der Bibel das meistgedruckte<br />

Buch des 19. Jahrhunderts.<br />

Auch die Verfilmung brach Rekorde:<br />

Nach dem Kinostart im Jahr 1959 gewann<br />

„Ben Hur“ elf Oscars – mehr hat<br />

bis heute kein anderer Film erhalten.<br />

Für das Wagenrennen, an dem der<br />

Protagonist aus Rachsucht teilnimmt,<br />

wurde sogar extra eine Arena aus<br />

einem Steinbruch gehauen.<br />

39


[HERR]GOTT<br />

DIE PASSION CHRISTI<br />

Erscheinungsjahr 2004<br />

Regie Mel Gibson<br />

Die „Passion Christi“ wird in der Osterwoche zu einer<br />

Zeit gespielt, in der Kinder schon im Bett liegen sollten.<br />

Der Film ist eine Nahaufnahme der Tortur, die Jesus<br />

vor und während der Kreuzigung erlitt – und der erfolgreichste<br />

nicht jugendfreie Film aller Zeiten. Aber auch<br />

einer der umstrittensten: Die Geschichte von Jesus auf<br />

eine Gewaltorgie reduziert zu sehen, schmerzte viele<br />

Gläubige. Fast 20 Jahre später soll nun eine Fortsetzung<br />

über die Auferstehung in die Kinos kommen.<br />

40


[HERR]GOTT<br />

FOTOS: PICTUREDESK.COM/UNITED ARCHIVES, IMAGO IMAGES/EVERETT COLLECTION<br />

JESUS CHRIST<br />

SUPERSTAR<br />

Erscheinungsjahr 1973<br />

Regie Norman Jewison<br />

Lange Haare haben fast alle Darsteller in Sandalenfilmen – aber<br />

in Kombination mit den Fransengewändern und Rock-Klängen<br />

gibt sich dieser Musical-Film eindeutig als Kind der frühen<br />

1970er-Jahre zu erkennen. Dabei hält sich die Handlung, die von<br />

Andrew Lloyd Webber ursprünglich als Rock-Oper komponiert<br />

wurde, größtenteils recht genau an die Erzählungen im Neuen<br />

Testament. Nur eben im Hippielook.<br />

41


MARIA MAGDALENA<br />

Erscheinungsjahr 2018<br />

Regie Garth Davis<br />

Bei dieser Jesus-Verfilmung aus dem Jahr 2018 liegt<br />

der Fokus gar nicht auf Jesus, sondern auf einer der<br />

mysteriösesten Personen der Bibel: Maria Magdalena.<br />

Über die Jahrhunderte war sie in Verruf geraten als<br />

Prostituierte und von Dämonen Besessene – tatsächlich<br />

aber war sie eine der wichtigsten biblischen Gestalten<br />

bei Tod und Auferstehung Jesu Christi. Durch<br />

ihre Augen sieht man den Sohn Gottes in diesem<br />

Film nicht nur als großen Prediger, sondern auch<br />

als guten Zuhörer. Prädikat: wertvoll.<br />

FOTOS: IMAGO IMAGES/EVERETT COLLECTION, 2012 GORDON MUEHLE/<br />

UFA CINEMA GMBH/WARNER BROS. ENTERTAINMENT GMBH<br />

42


[HERR]GOTT<br />

JESUS LIEBT MICH<br />

Erscheinungsjahr 2012<br />

Regie Florian David Fitz<br />

Anzugschuhe statt Sandalen: In diesem 2012<br />

erschienenen Film kommt Jesus, gespielt von<br />

Florian David Fitz, fast 2.000 Jahre nach seinem<br />

Tod zu Besuch auf die Erde. Genauer: nach<br />

Deutschland. Dort trifft er auf Marie, die ihn an<br />

eine alte Bekannte erinnert, nur mit einer etwas<br />

kleineren Nase. Sie hilft ihm, die Menschheit<br />

kennenzulernen, damit er entscheiden kann,<br />

ob sie es wert ist, gerettet zu werden. Dabei<br />

kommen bei Marie Gefühle aus einem anderen<br />

Leben hoch. Aber dafür ist keine Zeit – denn die<br />

Apo kalypse kommt schon am Dienstag …


[HERR]GOTT<br />

DAS LEBEN<br />

DES BRIAN<br />

Erscheinungsjahr 1979<br />

Regie Terry Jones<br />

Diese staubtrockene Komödie von<br />

Monty Python war eine Antwort auf<br />

die Sandalenfilm-Welle – und die britischen<br />

Komiker bewiesen dabei viel<br />

Geschichts- und Bibelwissen. Hier<br />

geht es nicht darum, was sich im Leben<br />

Jesu abspielte, sondern daneben.<br />

Brian (Bildmitte) ist das Stiefkind seiner<br />

Zeit: Die drei Könige halten ihn als<br />

Baby für den Heiland, bis sie den Stall<br />

eine Tür weiter entdecken. Dennoch<br />

wird Brian später zum religiösen Anführer<br />

wider Willen und endet am<br />

Kreuz – mit dem Lied „Always Look on<br />

the Bright Side of Life“ auf den Lippen.<br />

FOTO: PICTUREDESK.COM/MARY EVANS/PYTHON PICTURES<br />

44


45


[HERR]GOTT<br />

VON BÖSE UND GUT<br />

Warum gibt es „Grüß Gott!“? Das Magazin soll vom<br />

Gelungenen erzählen und zeigen, wie man heute als<br />

Christin und Christ leben kann. Verfinstern aber dunkle<br />

Wolken den Himmel der Kirche, muss „Grüß Gott!“ auch<br />

Unangenehmes ansprechen. Sieben Fragen an Bischof<br />

Manfred Scheuer zum Thema Missbrauch in der Kirche.<br />

TEXT: FRANZ HIRSCHMUGL<br />

FOTOS: RAPHAEL GABAUER<br />

Bischof sein ist auch nicht mehr das,<br />

was es einmal war. Früher waren<br />

alle aufgeregt, wenn der Bischof<br />

kam. Artig wurden Blumensträußchen überreicht,<br />

man zeigte sich im Festtagsgewand<br />

und wenn er, prächtig angetan, auch noch<br />

eine schöne Predigt vorbrachte … dann warteten<br />

schon Knödel und Sonntagsbraten.<br />

Heute kann man es als Bischof kaum<br />

mehr richtig machen. Man ist für die einen<br />

viel zu konservativ in zeitgemäßen Themen,<br />

für die anderen ein progressiver Verräter der<br />

reinen Lehre. Man ist auf der einen Seite vom<br />

Denken der nicht für ihre Fortschrittlichkeit<br />

bekannten Gremien des Vatikans abhängig,<br />

trifft aber jeden Tag auf Menschen, deren<br />

Lebenswelt sich in vielerlei Hinsicht radikal<br />

verändert. Gegensätze, die auch auf Manfred<br />

Scheuer, den Bischof von Linz, recht ungefiltert<br />

und mit wachsender Aggressivität treffen.<br />

Herr Bischof, gleich direkt gefragt: Was<br />

passiert im Moment mit der Kirche?<br />

Ich denke, man muss es klar ansprechen:<br />

Wir erleben gerade eine enorme Vertrauenskrise,<br />

die eine Mischung aus den zutage<br />

getretenen Missständen und den Missbrauchsfällen<br />

in aller Welt ist. Und klar ist<br />

ebenso: Wenn Vertrauen erodiert, braucht<br />

es immensen Aufwand, um das Vertrauen<br />

wiederherzustellen, was nicht immer gelingen<br />

wird. Denn Vertrauen ist eine sehr<br />

persönliche Kategorie, das heißt, man kann<br />

nur den einzelnen Menschen wieder­<br />

46


Vertrauenskrise.<br />

Manfred Scheuer, 67,<br />

ist seit 2016 Bischof<br />

von Linz und sieht als<br />

eine seiner Hauptaufgaben,<br />

Vertrauen<br />

wiederherzustellen.


Kein Schönredner. Bischof Manfred Scheuer weicht im Interview mit „Grüß Gott!“ keiner Frage aus<br />

und bezieht mit klaren Worten Stellung zum Thema Missbrauch in der katholischen Kirche.<br />

gewinnen. Aber nicht ganze Milieus oder<br />

ganze Berufsgruppen.<br />

Die schier unfassbare Anzahl von<br />

Missbrauchsfällen ist ebenso furchtbar<br />

wie unvorstellbar. Wie geht der Mensch<br />

Manfred Scheuer damit um?<br />

Ich tu mir hier schon mit dem Wort<br />

„ Anzahl“ und auch mit dem Wort „Fälle“<br />

schwer. Die momentan wichtigste Aufgabe<br />

»Man muss feststellen: Die Klarheit, dass<br />

Missbrauch ein Verbrechen ist, hat es<br />

lange Zeit nicht gegeben. Deshalb ist auch<br />

lange nichts oder viel zu wenig geschehen.«<br />

Bischof Manfred Scheuer<br />

ist es, an den einzelnen Menschen dranzubleiben.<br />

Was Menschen an körperlichem,<br />

psychischem und sexuellem Missbrauch<br />

und an unterschiedlichen Gewalttaten erfahren<br />

und erleiden mussten, was da an<br />

Lebensgeschichten und Biografien traumatisiert<br />

und ja, zerstört wurde – da in Statistik<br />

zu denken, wäre ein weiterer Schritt,<br />

den Opfern die Würde zu nehmen. Die Rolle<br />

als Bischof ist durchaus herausfordernd.<br />

Ich frage mich täglich: Wer bin ich gerade?<br />

Bin ich Anwalt, Kläger oder Richter? Bin<br />

ich jetzt Therapeut oder Seelsorger? Oder<br />

Vertreter einer Institution? Oder auch<br />

Ermöglicher von Neustart?<br />

Fragen wir Sie erst als „Anwalt der<br />

Opfer“: Hat die Kirche genug getan?<br />

War sie schnell und transparent genug?<br />

48


[HERR]GOTT<br />

Man muss feststellen: Die Klarheit, dass<br />

Missbrauch ein Verbrechen ist, hat es lange<br />

Zeit nicht gegeben. Deshalb ist auch lange<br />

nichts oder viel zu wenig geschehen. Vor<br />

25 Jahren hat man mit anderen Maßstäben<br />

gemessen, war viel zu defensiv. Wir wissen<br />

heute, dass die meisten Betroffenen Jahre<br />

und Jahrzehnte gebraucht haben, um sich<br />

überhaupt über den erlittenen Missbrauch<br />

reden zu trauen. In den 80er-Jahren oder<br />

Anfang der 90er hat man massive Fehler<br />

gemacht, zum Beispiel bei der Wiedereinsetzung<br />

von gerichtlich Verurteilten, wenn<br />

auch mit Auflage einer Therapie. Und innerhalb<br />

der Kirche hat es damals zunächst<br />

stärker den Täterschutz gegeben als den<br />

Opferschutz. Es wurde zu wenig Augenmerk<br />

auf die von Missbrauch Betroffenen<br />

gelegt. Erst ab 2010 wurden alle Beschuldigungen<br />

an die Staatsanwaltschaft weitergegeben.<br />

Aber gerichtlich hat es dann nur<br />

wenige Verfahren gegeben, weil die Taten<br />

entweder schon verjährt oder die Täter<br />

mittlerweile verstorben waren.<br />

Opferschutz-Kommission von 2010<br />

In Österreich ist das Thema sexueller<br />

Missbrauch untrennbar mit der „Affäre<br />

Groër“ verbunden. Der Kardinal war in<br />

den 90er-Jahren des sexuellen Missbrauchs<br />

beschuldigt worden und schließlich zurückgetreten.<br />

Sein Nachfolger, Kardinal Christoph<br />

Schönborn, rief 2010 die Opferschutz-<br />

Kommission unter dem Vorsitz der früheren<br />

steirischen Landeshauptfrau Waltraud<br />

Klasnic ins Leben, an die sich Missbrauchsopfer<br />

wenden und Entschädigungszahlungen<br />

und Therapieunterstützungen erhalten<br />

können.<br />

Die Klasnic-Kommission sollte unab hängig<br />

von der Institution Kirche sein und versammelte<br />

Persönlichkeiten wie Brigitte Bierlein,<br />

Reinhard Haller oder Udo Jesionek. Diesen<br />

Fachleuten sei zu Beginn nicht bewusst gewesen,<br />

welche Dimension die Aufgabe hatte,<br />

Stumme Zeugen.<br />

Im Schatten der<br />

Kirchenstatuen<br />

geschah viel<br />

zu lange Zeit<br />

Unverzeihliches.<br />

»Es bleiben Wunden, Risse, viele Scherben und<br />

gebrochene Herzen. Der Schmerz der Betroffenen<br />

geht auch nach Jahrzehnten nicht vorbei,<br />

wie ich aus Gesprächen und Briefen weiß.«<br />

Bischof Manfred Scheuer<br />

blickt Klasnic zurück. Sie selbst habe<br />

Hunderte „zutiefst bewegende“ Gespräche<br />

geführt. Über 2.800 Fälle seien entschieden<br />

worden, den Betroffenen seien 33,3 Millionen<br />

Euro an finanziellen und therapeutischen<br />

Hilfeleistungen zuerkannt worden.<br />

Herr Bischof, kann Geld eine ausreichende<br />

Maßnahme sein? Anders<br />

gefragt: Wie gelingt eine umfassende<br />

Aufarbeitung?<br />

Ich habe in vielen Gesprächen mit Opfern<br />

ganz deutlich wahrgenommen, dass die<br />

Anerkennung des Leidens und der Folgen<br />

an erster Stelle steht. Viele Betroffene können<br />

dann erst einen Schritt weiter gehen<br />

in ihrem Leben. Für viele waren die Treffen<br />

mit der Klasnic-Kommission wichtig, vor<br />

allem, weil das von der Institution Kirche<br />

unabhängige Persönlichkeiten waren. Für<br />

manche war danach aber auch das direkte<br />

Gespräch mit einem Bischof oder den Ordensoberen<br />

ein Anliegen. Aber „aufarbeiten“<br />

ist in diesem Zusammenhang ein Zugang,<br />

mit dem ich nicht so viel anfangen<br />

kann. Man kann nicht die Opfer oder die<br />

Taten „aufarbeiten“. Ebenso wenig, wie<br />

man die Vergangenheit „bewältigen“ kann.<br />

Im Sinne von: Irgendwann ist alles wieder<br />

pari. Es bleiben Wunden, Risse, viele Scherben<br />

und gebrochene Herzen. Der Schmerz<br />

der Betroffenen geht auch nach Jahrzehnten<br />

nicht vorbei, wie ich aus persönlichen<br />

Gesprächen und Briefen weiß. Ich kann<br />

mit „heilen“ und „versöhnen“ viel mehr<br />

anfangen. Das beginnt bei der Therapie<br />

des Einzelnen und geht bis zur berechtig-<br />

49


[HERR]GOTT<br />

ten Forderung, dass es öffentliche Plätze<br />

des Erinnerns und Bedenkens geben soll.<br />

Im Sinne von: Wo werden die Stimmen<br />

derer, die so lange nicht gehört wurden,<br />

ins kollektive Gedächtnis aufgenommen?<br />

Was hat sich innerhalb der Institution<br />

Kirche verändert?<br />

In der Ausbildung und in der Prävention<br />

ist in den letzten zwei, drei Jahrzehnten<br />

sehr viel passiert. Aber das heißt nicht,<br />

dass jetzt nichts mehr getan werden<br />

müsste. Die konsequente Bearbeitung<br />

von Miss brauch ist Teil einer umfassenden<br />

Erneuerung und Reform unserer Kirche.<br />

Da sind einige Fragen zu beantworten.<br />

Zum Beispiel: Was können strukturelle<br />

Ver änderungen an psychischen Lerneffekten<br />

erreichen? Oder: Wo braucht es<br />

eine stärkere Kontrolle? Ein wesentlicher<br />

Meilenstein war die Einrichtung einer<br />

diözesanen Stabsstelle für Gewaltprävention,<br />

die einen kontinuierlichen Prozess<br />

der Sensibilisierung für die Themen Gewalt<br />

und sexualisierte Gewalt in Gang gebracht<br />

hat und nun weiterentwickelt wird. Und sie<br />

kooperiert eng mit zivilgesellschaftlichen<br />

Institutionen. Gewalt an Kindern ist ja<br />

auch ein gesamtgesellschaftliches Problem<br />

– da ist nicht nur die Kirche gefordert.<br />

OPFERHILFE<br />

Menschen, die<br />

sexuellen Missbrauch<br />

und Gewalt<br />

durch haupt- oder<br />

ehrenamt liche<br />

Mitarbeitende der<br />

Kirche erfahren<br />

haben, können<br />

sich bei der Ombudsstelle<br />

und<br />

diözesanen Kommission<br />

gegen<br />

Missbrauch und<br />

Gewalt melden.<br />

Die Ombudsleute<br />

unterliegen der<br />

Amtsverschwiegenheit.<br />

Mehr<br />

Informationen:<br />

www.<br />

dioezese-linz.at/<br />

ombudsstelle<br />

Mann des Wortes.<br />

„Vergebung kann<br />

man vom Gegenüber<br />

nicht fordern,<br />

man kann sie nur<br />

erbitten.“<br />

Geschlossene Systeme<br />

Was waren die Rahmenbedingungen, die<br />

Gewalt und Missbrauch in Heimen, Internaten<br />

und Schulen in der Zeit von 1950 bis<br />

in die 1980er-Jahre möglich gemacht haben?<br />

Der Psychologe Josef Christian Aigner weiß:<br />

Diese geschlossenen Systeme waren in vielfacher<br />

Hinsicht eine Einladung zu Gewalt,<br />

Missbrauch und seelischer Verletzung. Der<br />

emeritierte Universitätsprofessor, der selbst<br />

Missbrauchsfälle untersucht hat, schildert<br />

eindrucksvoll, welche (fehlenden) Standards<br />

diese Stimmung befördert haben: „Im Kloster<br />

… waren die Erzieher allesamt unausgebildete,<br />

meist junge Patres, denen man<br />

oft 50 und mehr Heranwachsende pro Abteilung<br />

überantwortete. Ein an sich schon<br />

verantwortungsloses Unterfangen.“ Eine<br />

Institution braucht Offenheit nach außen,<br />

Partizipation aller Stakeholder und hohe<br />

Standards bei der Aus bildung, um die Gefahr<br />

von Gewalt und Missbrauch drastisch<br />

zu minimieren.<br />

In dieser Hinsicht ist in der Kirche in den<br />

letzten Jahrzehnten viel passiert: So wurden<br />

durch eine Rahmenordnung klare, transparente<br />

Regelungen geschaffen, wenn Verdachtsfälle<br />

auftreten. Ebenso wichtig: In<br />

der Diözese gibt es eine Stabsstelle für Missbrauchs-<br />

und Gewaltprävention, deren Aufgaben<br />

und eine Auflistung der Maßnahmen<br />

unter www.ansprechen.at einsehbar ist.<br />

Sie haben einmal gesagt: „Missbrauch<br />

ist ein massiver Verrat an Jesus.“ Wie<br />

verhält es sich mit der „Vergebung der<br />

Sünden“? Beichten reicht nicht aus, oder?<br />

Vergebung ohne eigene Arbeit in Form<br />

von Umkehr und Buße ist nicht möglich.<br />

Buße meint auf jeden Fall das Bearbeiten<br />

des eigenen Verhaltens und Tuns, und<br />

es ist das Bearbeiten dessen, was ich bei<br />

einem anderen angestellt habe. Das sind<br />

die Vor aussetzungen für die sakramentale<br />

Vergebung. Andererseits kann man Vergebung<br />

nicht erzwingen: Vergebung kann<br />

man vom Gegenüber nicht fordern, man<br />

kann sie nur erbitten. Und sie ist immer an<br />

die Freiheit des anderen gebunden, der die<br />

Vergebung ausspricht. Das ist doch auch<br />

beim Vertrauen so: Vertrauen muss man<br />

erwerben, durch gute Arbeit zum Beispiel.<br />

Ob das zu Vertrauen führt, hat man aber<br />

nicht in der Hand.<br />

Weltanschauung eines Philosophen<br />

Manfred Scheuer wächst im oberösterreichischen<br />

Haibach und im Internat auf, maturiert<br />

in Linz und geht dann nach Rom, um<br />

50


an der Päpstlichen Universität zu studieren.<br />

Fünf Jahre später, nun zum Priester geweiht,<br />

kehrt er für weitere fünf Jahre als Seelsorger<br />

nach Linz zurück. In weiterer Folge verbringt<br />

und lehrt der Doktor für „Dogmatik und<br />

Theologie der Spiritualität“ dann 25 Jahre<br />

im In- und Ausland, ehe er 2003 zum Bischof<br />

von Innsbruck berufen wird, im Jahr 2016<br />

wird er zum Bischof in Linz.<br />

Scheuer spricht von „Selbstzweifeln,<br />

die es jetzt braucht. Aber nicht Selbstzerfleischung.“<br />

Und er exponiert sich: Er<br />

befürwortet in einem Brief an den Papst,<br />

dass neben zölibatären Priestern auch verheiratete<br />

Männer zum Priester geweiht werden<br />

sollen und Frauen zur Diakonin geweiht<br />

werden können. Und er steht zur Segnung<br />

gleichgeschlechtlicher Paare. Seine wissenschaftlich<br />

geprägte Biografie ist im Gespräch<br />

allgegenwärtig. Er differenziert. Der schnelle,<br />

an der Oberfläche bleibende Gedanke<br />

ist ihm sichtlich fremd. Der Blick aus allen<br />

möglichen Per spektiven ist ihm Programm.<br />

„Die Suche nach der Einfachheit, nach sicheren<br />

Antworten ist eine fundamentalistische<br />

Versuchung“, sagt er, „aber diese Einfachheit<br />

kriege ich im Moment nicht hin.“<br />

„Ostern heißt Verschonung, Überschreitung,<br />

Befreiung, Verwandlung,<br />

Aufbruch“, haben Sie letztes Jahr<br />

gepredigt. Spüren Sie bei allem zuvor<br />

besprochenen Unheil diesen Aufbruch<br />

in der Kirche?<br />

Wir werden nicht bei allen Menschen<br />

das Vertrauen, das wir verloren haben,<br />

Alles auf den<br />

Tisch. Bischof<br />

Manfred Scheuer<br />

hat sich auf das<br />

Interview vorbereitet<br />

– vorgefertigte<br />

Antworten gab er<br />

aber keine ab.<br />

»Vergebung ohne eigene Arbeit in Form von<br />

Umkehr und Buße ist nicht möglich. Buße<br />

meint auf jeden Fall das Bearbeiten des eigenen<br />

Verhaltens und Tuns, und es ist das Bearbeiten<br />

dessen, was man bei anderen angestellt hat.«<br />

Bischof Manfred Scheuer<br />

wiederherstellen können – unter dieses<br />

Plansoll möchte ich mich und die Mitarbeitenden<br />

und Mitmachenden in der Diözese<br />

nicht stellen. Wir werden als katholische<br />

Kirche in manchen Bereichen um einiges<br />

kleiner werden. Aber ich sehe viele lebendige<br />

Zellen und Kerne. Es gibt an ganz unterschiedlichen<br />

Orten Leute, die vertrauen,<br />

die glauben, die sich für andere einsetzen,<br />

die das Leben teilen und die auch miteinander<br />

vor Gott leben wollen. Mein<br />

Anliegen ist, dass Jesus nicht vergessen<br />

wird. Und die Kernbotschaft des Evangeliums.<br />

Nämlich die Frage, die man sich<br />

jederzeit stellen kann und die ich mir ständig<br />

stelle: Wie kommt durch mich mehr<br />

Liebe in die Welt?<br />

51


[HERR]GOTT<br />

GIBT’S IM HIMMEL<br />

LECKERLIS?<br />

Die Frage, ob Tiere eine Seele haben und ob es für sie<br />

ein Leben nach dem Tod gibt, beschäftigt nicht nur<br />

ihre Besitzerinnen und Besitzer. Theologe und<br />

Philosoph Clemens Sedmak sucht nach einer Antwort.<br />

TEXT: CLEMENS SEDMAK<br />

Cora war der Hund meiner<br />

Jugendjahre, ein Collie-<br />

Schäferhund-Mischling mit<br />

geringeltem Schwanz. Ich habe viele<br />

Stunden damit verbracht, mit ihr<br />

spazieren zu gehen und sie abzurichten.<br />

Hatte Cora eine Persönlichkeit?<br />

Ja, natürlich! Ist sie Familienmitglied<br />

geworden? Selbstverständlich!<br />

Ich kann den Schmerz und Schock<br />

nicht beschreiben, der uns alle erfasst<br />

hat, als Cora von einem Zug<br />

erfasst wurde. Hatte sie einen Charakter,<br />

der sich vom Charakter von<br />

Tina, dem Hund meiner Tante, unterschieden<br />

hat? Auch das! War sie<br />

einzigartig? Ohne Zweifel!<br />

Diese Fragen und diese Antworten<br />

laufen natürlich darauf hinaus,<br />

dass ich in Cora ein Lebewesen mit<br />

Seele gesehen habe. Ich hoffe, sie<br />

„dereinst“, wie man so schön sagt,<br />

wiederzusehen.<br />

Die Frage, ob Tiere eine Seele<br />

haben, kann man ganz akademisch<br />

angehen – Thomas von Aquin zum<br />

Beispiel hat Tiefsinniges über die<br />

(niedrige und sterbliche) Seele von<br />

Tieren geschrieben. Er ging davon<br />

aus, dass Tiere als Mitgeschöpfe so<br />

wie wir Menschen von Gott geschaffen<br />

sind. Sie sind beseelt, sind „animierte<br />

Materie“.<br />

Man kann die Frage aber auch mit<br />

Blick auf die Lebenswelt und Lebenserfahrung<br />

angehen. Vor einer Woche<br />

ist ein guter Freund von mir verstorben,<br />

ein amerikanischer Priester aus<br />

New Jersey. Er hatte mehr als zehn<br />

Jahre einen schwarzen Labrador<br />

namens Simon als Begleiter, danach<br />

ein gutes Jahrzehnt einen „Morgan“.<br />

Beide Hunde waren bei ihm, bis sie<br />

gestorben sind. In den Gesprächen<br />

mit mir war John stets klar: „Ich<br />

werde Simon und Morgan im Himmel<br />

wiedersehen – ich hoffe nur,<br />

dass sie sich gut vertragen.“<br />

Freilich: Wissen können wir das<br />

nicht. Wir können auch nicht wis-<br />

sen, ob Tiere eine Seele haben –<br />

ebenso wenig, wie wir „wissen“ können,<br />

ob wir Menschen eine Seele<br />

haben. Wir können es aber hoffen,<br />

und wir können es glauben.<br />

Mein Freund, der Tintenfisch<br />

Wenn wir sagen, dass Tiere eine<br />

Seele haben, meinen wir wohl<br />

damit, dass sie ein immaterielles<br />

Lebensprinzip haben und vielleicht<br />

auch, dass jedes Tier auf seine Weise<br />

einzigartig ist, vielleicht sogar „Persönlichkeit“<br />

und ein „Innenleben“<br />

hat. Unsere Erfahrung sagt uns, dass<br />

die Wahrnehmung der Einzigartigkeit<br />

und Persönlichkeit von Tieren<br />

tatsächlich damit zusammenhängt:<br />

mit Erfahrung, mit langer Erfahrung.<br />

Der französische Insektenforscher<br />

Jean-Henri Fabre hat über viele<br />

Jahre geduldig stundenlang Käfer<br />

und Ameisen beobachtet (ohne die<br />

Tiere zu quälen oder zu töten), und<br />

je länger er sie beobachtete, desto<br />

FOTO: UNSPLASH.COM/TAYLOR GROTE<br />

52


Schau mir in<br />

die Augen. Wer<br />

einmal eine innige<br />

Beziehung zu<br />

einem Hund aufgebaut<br />

hat, wird<br />

sagen: Natürlich<br />

hat der eine Seele!<br />

53


MIttel zum Zweck. Viele Arten werden in unserer Gesellschaft nur auf ihre Rolle als Nutztiere reduziert.<br />

Dabei ist etwa ein Schwein mindestens so intelligent und sensibel wie ein Hund.<br />

tiefer haben sich ihm die je besonderen<br />

Züge der beobachteten Tiere<br />

erschlossen. Die englische Primatenforscherin<br />

Jane Goodall hat Jahrzehnte<br />

mit Schimpansen gelebt; sie<br />

hat keinen Zweifel daran gelassen,<br />

dass sie bei den Tieren Moral, Kultur,<br />

Persönlichkeit und Beseeltheit<br />

erlebt hat. Der Dokumentarfilm<br />

„My Octopus Teacher“ mit dem Filmemacher<br />

Craig Foster beschreibt<br />

eine Freundschaft, ja tiefe Verbindung<br />

von Foster mit einem Tintenfisch.<br />

Hier zeigen sich Gefühle und<br />

Rituale, Nähe und Vertrautwerden,<br />

Vertrauen und Freude.<br />

So könnten wir sagen: Wer nicht<br />

glaubt, dass Tiere eine Seele haben,<br />

hat vielleicht nicht jene Erfahrungen<br />

gemacht. Diese Erfahrungen von Fabre,<br />

Goodall, Foster brauchen Zeit und<br />

Aufmerksamkeit, Geduld und Behutsamkeit.<br />

Dann erschließt sich das Innenleben<br />

von Tieren, dann erschließt<br />

sich Tiefe an ungewöhnlichen Orten.<br />

Das gilt ja auch für Pflanzen. Der<br />

amerikanische Chemiker George Washington<br />

Carver war bekannt als „der<br />

Mann, der mit den Blumen sprach“.<br />

Ein Himmel für Hunde<br />

So könnte man sagen: Die Seele ist<br />

scheu, Beseeltheit „zeigt sich“, aber<br />

zögerlich und tastend. Sicherlich<br />

mag es leichter sein, an die Seele<br />

eines Delfins oder eines Elefanten<br />

zu glauben, als an die Seele eines<br />

Frosches oder einer Fliege. Aber<br />

auch hier mag gelten: Gib den Tieren<br />

eine Chance, dir den Glauben an<br />

ihre Beseeltheit leichter zu machen.<br />

Wenn man Tieren eine Seele zugesteht,<br />

gibt es viele weitere Denkmöglichkeiten:<br />

Man kann etwa glauben,<br />

dass nur bestimmte Tiere eine Seele<br />

haben; man kann glauben, dass<br />

Tiere eine sterbliche Seele haben,<br />

sodass das Tier, wenn es stirbt, tatsächlich<br />

entschwindet. Man kann<br />

glauben, dass Tiere eine Seele haben,<br />

die sich in Form einer Seelenwanderung<br />

weiterentwickelt.<br />

Eine Frage, die Menschen sichtlich<br />

bewegt, ist die Frage nach dem<br />

Fortleben: Kommen Tiere in den<br />

Himmel? In einem Artikel für die<br />

„New York Times“ hat Rick Gladstone<br />

berichtet, wie angebliche<br />

Aussagen von Papst Franziskus,<br />

dass Tiere in den Himmel kommen,<br />

große Wellen geschlagen haben.<br />

Papst Franziskus soll einen Buben,<br />

dessen Hund gestorben war, mit der<br />

FOTOS: SHUTTERSTOCK, BIOSPHOTO/JUNIOTS@WILDLIFE, CONNOR BRAN, EISENHUT&MAYR<br />

54


Aussicht auf dessen himmlisches<br />

Weiterleben getröstet haben. Viele<br />

Menschen waren begeistert, mein<br />

Freund John hat sich damals auch<br />

gefreut. Aber ganz ausdiskutiert ist<br />

die Sache auch unter Päpsten nicht:<br />

Pius IX. habe die Frage, ob Tiere eine<br />

Seele haben, klar verneint, Johannes<br />

Paul II. soll sie im Jahr 1990 bejaht<br />

haben, Papst Benedikt XVI. ging in<br />

einer Predigt aus dem Jahr 2008<br />

zur Linie von Pius IX. zurück.<br />

Ob Tiere eine unsterbliche Seele<br />

haben, ist für viele Menschen wichtig,<br />

weil es in der Beziehung zum<br />

Tier und in der Wahrnehmung des<br />

Tiers eine Rolle spielt. Die Achtung<br />

vor dem Tier wird anders „gerahmt“,<br />

wenn wir dem Tier eine Seele zuerkennen.<br />

Natürlich sollte allein<br />

der Umstand, dass Tiere Schmerzen<br />

empfinden können, ausreichend sein<br />

für einen respektvollen Umgang mit<br />

Lebewesen, aber die Idee der Seele<br />

fügt noch etwas hinzu. Um es an<br />

zwei Beispielen zu verdeutlichen:<br />

Eine Abtreibung stellt sich für Menschen,<br />

die im Sinne der katholischen<br />

Lehre glauben, dass Gott die Seele<br />

des neuen Lebens zum Zeitpunkt der<br />

Am Teller. Kann man noch guten<br />

Gewissens Tiere essen, wenn man<br />

glaubt, dass sie eine Seele haben?<br />

Empfängnis schafft, anders dar. Eine<br />

Ärztin, die an die Seele glaubt, wird<br />

mit einem Patienten im Koma vielleicht<br />

anders umgehen.<br />

Wie wir? Dass auch Schimpansen beseelt<br />

sind, war für die Primatenforscherin<br />

Jane Goodall ausgemachte Sache.<br />

Schmeckt das Schnitzel noch?<br />

Nun beeile ich mich, hinzuzufügen,<br />

dass wir nicht wissen können, ob<br />

Menschen, Tiere oder auch Pflanzen<br />

eine Seele haben. Das Schöne an der<br />

Idee der Seele ist ja, dass die Seele<br />

als unsichtbar verstanden wird. Wir<br />

können es nicht wissen, aber das<br />

heißt nicht, dass es unvernünftig ist,<br />

an die Beseeltheit von Menschen und<br />

Katzen zu glauben. Auch Immanuel<br />

Kant hat die Existenz der menschlichen<br />

Seele postuliert – denn das sei<br />

vernünftig und wichtig für die Moral.<br />

Im Sinne einer gebotenen Achtung<br />

vor dem Tier könnte es auch für die<br />

Moral wichtig sein, Tieren eine Seele<br />

zuzugestehen. Das würde dann die<br />

Idee, Tiere auf Nutzwesen zu reduzieren<br />

und nur als Mittel zum Zweck<br />

zu behandeln, bremsen.<br />

Angenommen, wir glauben an<br />

die Beseeltheit der Tiere. Können<br />

wir sie dann guten Gewissens essen?<br />

Ich glaube nicht, dass die Achtung<br />

vor dem Tier und die Frage nach der<br />

Ethik des Fleischkonsums primär<br />

von der Frage nach der Seele abhängen.<br />

Die Idee von der Beseeltheit der<br />

Tiere verstärkt wohl den Respekt,<br />

den wir Tieren schulden, und auch<br />

die Achtsamkeit, mit der mit der<br />

Frage nach dem Schnitzel auf dem<br />

Teller umzugehen ist. Dieser Respekt<br />

und diese Achtsamkeit sind in<br />

jedem Fall geboten, weil Tiere Lebewesen<br />

sind, die Schmerz empfinden<br />

können. Die Frage nach der Seele<br />

kann es aber doch deutlich schwerer<br />

machen, leichtfertig und selbstverständlich<br />

das Tier (unser Mitgeschöpf)<br />

zu verzehren. Die Beweislast<br />

liegt dann eher bei denen, die Tiere<br />

essen, als bei denjenigen, die darauf<br />

verzichten.<br />

So wird diese Überlegung fast zu<br />

einem Plädoyer – versuchen wir, so zu<br />

leben, als ob Tiere eine Seele hätten.<br />

Jede Antwort wird freilich eingestehen<br />

müssen, dass sie höchstens<br />

den Charakter einer begründeten<br />

Spekulation haben kann. Im biblischen<br />

Buch Kohelet ist zu lesen:<br />

„Wer weiß, ob der Atem der einzelnen<br />

Menschen wirklich nach oben<br />

steigt, während der Atem der Tiere<br />

ins Erdreich hinabsinkt?“ (Koh 3,21).<br />

„Atem“ steht für „Seele“, wurde der<br />

Mensch doch nach biblischem Verständnis<br />

von Gott angehaucht.<br />

Haben Tiere eine Seele?<br />

Ich hoffe es.<br />

CLEMENS SEDMAK<br />

stammt aus Bad<br />

Ischl und ist Professor<br />

für Sozialethik<br />

an der University<br />

of Notre Dame in<br />

Indiana, USA.<br />

55


Augenweide. Als Jesus in Jerusalem<br />

einzog, wurde er von den Bewohnern<br />

mit Palmzweigen willkommen geheißen.<br />

Daran erinnern heute die Palmbuschen.<br />

Samtig-weiche Palmkätzchen<br />

werden mit immergrünen Zweigen,<br />

etwa vom Buchsbaum oder Wacholder,<br />

kunstvoll gebunden und dekoriert. Am<br />

Palmsonntag werden sie in der Kirche<br />

gesegnet. Vielerorts steckt man sie in<br />

den Acker, um eine gute Ernte zu erbitten,<br />

oder sie werden zu Hause aufbewahrt,<br />

damit sie dort Segen bringen.<br />

FOTO: STEFAN KNITTEL<br />

56


SAKRAMENT<br />

WIE WIR GEMEINSAM DAS LEBEN FEIERN<br />

Sie dienen unserem Leben als Wegweiser<br />

und Orientierungspunkte: Rituale, die wir gemeinsam<br />

erleben und feiern. Vom Ausblasen der Kerzen<br />

am Geburtstagskuchen bis zum Sakrament in der Kirche.<br />

57


VON GELD-GODN<br />

UND GÖD-GLÜCK<br />

Bei der Taufe bekommen Kinder einen Paten oder eine Patin<br />

an die Seite gestellt. Aber was bedeutet dieses Amt? Wie kann<br />

die Beziehung zum Taufkind gelingen? Wir haben nachgefragt.<br />

TEXT: CLAUDIA RIEDLER-BITTERMANN, NIKOLAUS NUSSBAUMER<br />

FOTOS: ROBERT MAYBACH<br />

F<br />

ür viele ist es ein ganz besonderer<br />

Moment: der Tag, an dem einen die<br />

Schwester oder der beste Freund fragt,<br />

ob man das Patenamt für ihr Kind übernehmen<br />

will. Denn damit geht eine ganz besondere<br />

Verantwortung einher: Offiziell geht es<br />

darum, die christliche Erziehung des Patenkindes<br />

zu unterstützen. Voraussetzung für das<br />

Patenamt ist, dass man getauft, gefirmt und<br />

nicht aus der Kirche ausgetreten ist (übrigens:<br />

Obsorgepflichten sind schon lange nicht mehr<br />

damit verbunden). Doch es ist der in offizielle<br />

Teil, der meistens viel mehr zählt: Wer dem<br />

Kind sein Herz, sein Vertrauen, seine Zeit<br />

und ein offenes Ohr schenkt, kann eine ganz<br />

besondere Beziehung entstehen lassen.<br />

Der Glaube hat einen wichtigen Platz<br />

Eine Taufpatin ist eine<br />

Begleitperson durchs Leben<br />

mit einem besonderen<br />

Blickwinkel. Es wird ein<br />

Sakrament gespendet –<br />

der Glaube nimmt also in<br />

dieser Beziehung einen<br />

entscheidenden Platz ein.<br />

Ich komme aus einer katholischen<br />

Familie, meine<br />

beiden Taufkinder sind<br />

meine Nichte und mein<br />

Neffe. Wir treffen uns bei<br />

Familienfesten, und jetzt<br />

– da die beiden schon 28<br />

und 31 sind – erkundige<br />

ich mich oft bei den Eltern<br />

nach ihnen. Es interessiert<br />

mich, was los ist im Leben<br />

meiner Taufkinder. Das<br />

ändert sich nicht, die<br />

Patenschaft endet nie.<br />

Wir haben einen guten<br />

Kontakt, der nicht immer<br />

so intensiv sein muss.<br />

Aber wenn mich jemand<br />

braucht, bin ich da. Dieses<br />

Gefühl möchte ich vermitteln.<br />

Ich sehe mich als verlässliche<br />

Partnerin, um die<br />

man sich nicht ständig<br />

kümmern muss.<br />

Roswitha Pechak,<br />

Linz<br />

Verlässliche Partnerin.<br />

„Wenn mich jemand<br />

braucht, bin ich da.“<br />

58


SAKRAMENT<br />

Gute Gespräche.<br />

„Ich möchte ein<br />

Kumpel für meine<br />

Patenkinder sein.“<br />

Die Patenkinder gehören zur Familie<br />

Ich habe sofort Ja gesagt,<br />

als ich gefragt wurde, ob<br />

ich Pate werden will. Bei<br />

allen vier Taufkindern, die<br />

ich gemeinsam mit meiner<br />

Frau begleite. Es war jedes<br />

Mal ein erhebendes Gefühl<br />

bei der Taufe. Es sind zwar<br />

nicht die eigenen Kinder,<br />

sie gehören aber trotzdem<br />

zur Familie. Heute sind<br />

meine Patenkinder zwischen<br />

25 und 31 Jahre<br />

alt, und ich versuche, den<br />

Kontakt zu halten. Bei der<br />

Älteren gelingt mir das<br />

jetzt wieder besser, seit ich<br />

in Pension bin. Ich habe sie<br />

angerufen und ihr gesagt,<br />

dass ich sie gern besuchen<br />

würde – und sie hat sich<br />

sehr gefreut. Sie zeigte<br />

mir ihren Arbeitsplatz und<br />

fragte mich wegen einer<br />

beruflichen Entscheidung<br />

um Rat. Ich konnte meine<br />

Erfahrung einbringen und<br />

ihr helfen. Ich möchte ein<br />

„Kumpel“ für meine Patenkinder<br />

sein und ein guter<br />

Gesprächspartner. Eltern<br />

haben immer eine gewisse<br />

Erwartungshaltung an<br />

ihre Kinder, und das fällt<br />

beim Paten weg. Deshalb<br />

ist die Beziehung so wertvoll.<br />

Und die Beschäftigung<br />

mit der Jugend erweitert<br />

meinen Horizont.<br />

Hans Lindinger,<br />

Alkoven<br />

Durch die Patenschaft gereift<br />

Begleitung. „Meine<br />

Verantwortung ist es,<br />

meine Werte mitzugeben.“<br />

Ich war Anfang 20, als<br />

mich meine Cousine Iris<br />

gefragt hat, ob ich ihre<br />

Firmpatin werden möchte.<br />

Sie wusste, dass ich kein<br />

großes Budget habe und<br />

ihr keine teuren Geschenke<br />

machen kann. Bis heute<br />

wünscht sie sich von mir<br />

nur Gutscheine für Zeit,<br />

die wir gemeinsam verbringen.<br />

Die Firmung im<br />

Stift Waldhausen war ein<br />

emotionales Erlebnis für<br />

mich. Wenn man die Hand<br />

auf sein Patenkind legt,<br />

entsteht eine unglaubliche<br />

Bindung. Heute fühle<br />

ich mich wie ihre große<br />

Schwester. Ob ich damals<br />

reif genug für diese Aufgabe<br />

war, darüber habe<br />

ich nicht nachgedacht.<br />

Ich denke, dass ich durch<br />

die Patenschaft gewachsen<br />

und gereift bin. Meine<br />

Verantwortung ist es, Iris<br />

meine Werte mitzugeben:<br />

auf Mensch und Natur zu<br />

achten, mutig zu sein, Dinge<br />

auszuprobieren. Heuer<br />

im Sommer bekommt die<br />

Schwester meines Freundes<br />

ein Baby, und ich<br />

werde die Taufpatin sein.<br />

Ich schätze, dieses Gefühl<br />

wird noch intensiver sein<br />

– weil man sein Taufkind<br />

schon von Geburt an begleiten<br />

darf.<br />

Johanna Pree,<br />

Linz<br />

59


Das Leben mit Gott in der Natur aufzeigen<br />

Godi-Vormittage.<br />

„Wir basteln, spielen<br />

und kochen<br />

gemeinsam.“<br />

Ich wollte schon immer<br />

Patin werden – umso mehr<br />

habe ich mich gefreut, als<br />

ich gefragt wurde. Mein<br />

Patenkind ist jetzt zwei<br />

Jahre alt. Die Tauffeier gestalteten<br />

wir sehr persönlich,<br />

mit eigens geschriebenen<br />

Liedern, einem selbst<br />

gebastelten Kreuz und<br />

einem Gebet, in dem es<br />

heißt: „Ich freue mich darauf,<br />

dich bei der Erkundung<br />

von Gottes wunderschöner<br />

Schöpfung zu<br />

begleiten.“ Ich hole mein<br />

Patenkind oft zu mir, und<br />

wir machen „Godi-Vormittage“,<br />

bei denen wir basteln,<br />

spielen und kochen.<br />

Und weil wir beide sehr an<br />

Tieren interessiert sind,<br />

gehen wir Fische füttern<br />

und Ponys streicheln. Ich<br />

möchte mit ihm auch in<br />

die Kirche gehen, das<br />

gehört für mich dazu.<br />

Und dann werden wir<br />

sehen, welche gemeinsamen<br />

Interessen wir noch<br />

entwickeln. Denn ich<br />

möchte auch noch für<br />

meine Patenkinder da<br />

sein, wenn sie erwachsen<br />

sind. Bei meinem eigenen<br />

Paten war das anders: Ich<br />

bekam mit 18 ein großes<br />

Geldgeschenk, und damit<br />

endete die Patenschaft.<br />

Manuela Forstner,<br />

Wels<br />

Die Taufpatenschaft abgelehnt<br />

Meine Schwester wollte,<br />

dass ich Taufpatin ihrer<br />

ältesten Tochter Clara werde.<br />

Ich habe ihr erklärt,<br />

dass das für mich nicht<br />

infrage kommt. Meine<br />

Schwester war darüber<br />

sehr enttäuscht. Die Situation<br />

war eine Zeit lang<br />

ziemlich unangenehm. Sie<br />

wollte mich überreden, es<br />

doch zu tun. Es wäre mir<br />

aber verlogen vorgekommen,<br />

vor Gott etwas zu<br />

versprechen, wenn ich an<br />

diesen Gott nicht glaube.<br />

So viel Respekt habe ich<br />

vor der Kirche. Jedenfalls<br />

fand die Taufe schließlich<br />

ohne mich statt.<br />

Mit meiner Schwester verstehe<br />

ich mich wieder gut.<br />

Ich habe auch ein gutes<br />

Verhältnis zu meinen drei<br />

Neffen und Nichten. Ich<br />

glaube nämlich nicht, dass<br />

eine Patenschaft die Beziehung<br />

inniger oder verbindlicher<br />

macht. Hätte ich<br />

Kinder, würde ich sie<br />

selbst entscheiden lassen,<br />

ob sie sich taufen oder firmen<br />

lassen wollen, wenn<br />

sie alt genug dafür sind.<br />

Petra Moser,<br />

Linz<br />

Respekt.<br />

„Es wäre mir<br />

verlogen vorgekommen,<br />

vor Gott etwas<br />

zu versprechen,<br />

an<br />

das ich nicht<br />

glaube.“<br />

60


SAKRAMENT<br />

Eine lebenslange Bindung<br />

Rituale und Symbole sind<br />

mir wichtig. Dazu gehört<br />

auch, sich für jemanden zu<br />

entscheiden. Im Jahr 2021<br />

habe ich zwei Mal Ja gesagt,<br />

im Oktober zu meiner<br />

Frau Anna und im Juli zu<br />

meinem Taufkind Lucia<br />

Aurelia. Wir waren bei<br />

meiner Schwester zum<br />

Essen eingeladen, als sie<br />

und ihr Mann mich gefragt<br />

haben, ob ich Pate werden<br />

möchte. Ich war gerührt,<br />

weil ich weiß, dass ihr der<br />

Glaube wichtig ist und sie<br />

mich bewusst ausgewählt<br />

hat. In der Taufvorbereitung<br />

habe ich mich engagiert,<br />

habe Lieder ausgesucht<br />

und eine Taufkerze<br />

besorgt, die wir mit Sonnenstrahlen<br />

verziert haben<br />

– Lucia ist ja die Heilige mit<br />

dem Lichterkranz. Als Geschenk<br />

hat sie ein goldenes<br />

Kreuz mit Ketterl bekommen.<br />

Pate zu sein heißt<br />

eine lebenslange Bindung<br />

einzugehen. Ich möchte<br />

ein Fixpunkt im Leben von<br />

Lucia Aurelia sein – so, wie<br />

das meine Taufpatin, Tante<br />

Gabi, bei mir war und ist.<br />

Johannes Kienberger,<br />

Engerwitzdorf<br />

Engagiert. „Ich war gerührt,<br />

weil ich weiß, dass meiner<br />

Schwester Glaube wichtig ist.“<br />

Entlastung für die Eltern<br />

Ich bin zweifache Taufpatin<br />

und war bei den Taufen<br />

jedes Mal sehr gerührt. Die<br />

Verantwortung habe ich<br />

deutlich gespürt, besonders<br />

bei meinem älteren<br />

Patenkind – er ist heute<br />

25. Seine Mama war alleinerziehend,<br />

er war wie<br />

unser viertes Kind. Als Patin<br />

war ich eine Entlastung<br />

für seine Mutter. Mein jüngeres<br />

Patenkind ist 15, sie<br />

lebt weiter weg, darum<br />

sehen wir uns nicht so oft.<br />

Umso mehr freute es mich,<br />

als sie den Kontakt zu mir<br />

suchte. Seither schreiben<br />

wir einander WhatsApp-<br />

Nachrichten und schicken<br />

Fotos. Vor allem in der<br />

Pubertät kann das hilfreich<br />

sein – jemanden außerhalb<br />

der Familie zu haben, dem<br />

man vertraut. Meine Patenkinder<br />

sollen wissen,<br />

dass sie jederzeit anrufen<br />

können. In meiner Familie<br />

war die Tante Mitzi Patin<br />

für alle Geschwister. Sie<br />

war aber eher eine „Geld-<br />

Godi“. Mit 15 bekam ich<br />

ein Abschlussgeschenk,<br />

dann war es vorbei. Das<br />

möchte ich anders machen.<br />

Es wird mich immer<br />

interessieren, wie es meinen<br />

Patenkindern geht.<br />

Gabriele Hofer-<br />

Stelzhammer,<br />

Alkoven<br />

Verantwortungsvolle<br />

Aufgabe. „Es kann hilfreich<br />

sein, jemanden außerhalb<br />

der Familie zu haben,<br />

dem man vertraut.“<br />

61


SAKRAMENT<br />

EIN SCHUTZENGEL SOLL ES SEIN<br />

Das Leben ist voller Gefahren. Nicht allen kann man entgehen oder sie<br />

alleine bewältigen. Doch es gibt die Hoffnung, dass man das nicht muss,<br />

sondern in schwierigen Situationen besonderen Beistand bekommt.<br />

Soll es ein Kreuzerl sein oder<br />

ein Schutzengerl?“ Ich stehe<br />

mit meiner Tochter beim Juwelier.<br />

Wir wollen gemeinsam einen<br />

Anhänger für das Taufketterl aussuchen.<br />

Der Täufling ist ein ganz süßer<br />

kleiner Mann, mein jüngster Enkel.<br />

Es wird nicht lange dauern und er<br />

wird überall hochklettern, probieren,<br />

wie dicht Türen schließen oder wie<br />

weit Schubladen sich öffnen lassen.<br />

Als Oma, so gestehe ich, blicke ich<br />

mit Wohlwollen auf seine Begeisterung<br />

am Erkunden der Welt, aber<br />

auch mit Besorgnis auf die Risiken.<br />

Blaue Flecken, große Beulen, aufgeschundene<br />

Knie und eingequetschte<br />

Finger werden leider manchmal der<br />

Preis für seine von Neugier getriebenen<br />

Entdeckungsreisen sein.<br />

Ob der Maler Bernhard Plockhorst<br />

auch Großvater war? Von ihm<br />

stammt ein Bild aus dem 19. Jahrhundert,<br />

das auch heute noch oft kopiert<br />

wird. Es zeigt einen Schutzengel<br />

mit ausgestrecktem Arm, davor<br />

eine Hängebrücke, bei der ein Brett<br />

fehlt. Sie führt über einen reißenden<br />

Fluss, den zwei kleine Kinder Hand<br />

in Hand überqueren. Die Engelfigur<br />

ist an ihren zwei Flügeln erkennbar<br />

und übrigens eindeutig weiblich.<br />

Engel als Boten Gottes haben die<br />

Kunst immer wieder inspiriert. Das<br />

Motiv des Schutzengels findet sich in<br />

der romantisch-religiösen Kunstrichtung<br />

der „Nazarener“ des 19. Jahrhunderts<br />

im deutschsprachigen<br />

Raum häufig. Die Nazarener waren<br />

von römischen Vorbildern inspiriert<br />

und versuchten mit künstlerischen<br />

Mitteln zu einer Erneuerung im<br />

Geist des Christentums beizutragen.<br />

Zu dieser Zeit war Österreich geprägt<br />

von Unsicherheit, von politischen<br />

Konflikten, die auch zur bürgerlich-demokratisch<br />

motivierten<br />

Revolution 1848 führten. Demokratie<br />

und Gemeinwohl auf dem Prüfstand,<br />

Säbelrasseln der Großmächte,<br />

Hunger, Umweltkatastrophen und<br />

Kriegsgefahr, Menschen auf der<br />

Flucht – damals wie heute.<br />

Sehnsucht nach Sicherheit<br />

Nach dem Ersten Weltkrieg hingen<br />

über vielen Kinderbetten kleinformatige<br />

Darstellungen von Schutzengeln.<br />

Spiegelt das den Wunsch<br />

nach Sicherheit wider, nach jemandem,<br />

der oder die auf uns aufpasst,<br />

weil wir es auf uns alleine gestellt<br />

nicht schaffen, weil uns Gefahren<br />

auch jetzt, im 21. Jahrhundert,<br />

noch bedrohen?<br />

Aber was bedeutet Schutz und wo<br />

brauchen wir Schutzengel – manchmal<br />

in sehr menschlicher Gestalt?<br />

Im Alltag sind wir immer wieder<br />

brenzligen Situationen ausgesetzt.<br />

Jemand bewahrt uns davor, in ein<br />

fahrendes Auto zu laufen. Im letzten<br />

Moment erkennen wir eine Gefahr<br />

oder ein Unfall geht glimpflich aus.<br />

„Sie müssen einen Schutzengel gehabt<br />

haben!“, heißt es dann.<br />

Dem Leben ausgesetzt<br />

Schutzengel weisen darauf hin,<br />

dass wir selbst nicht allmächtig,<br />

unverletzbar oder unfehlbar sind.<br />

Es ist das Wissen, dass wir dem<br />

Leben ausgesetzt sind und vieles<br />

nicht in unseren Händen liegt.<br />

Zur Zeit des Malers Plockhorst<br />

war die Kindersterblichkeit noch<br />

sehr hoch. Krankheiten, Hunger,<br />

schwere Arbeit, Verantwortung sowie<br />

Sorge für die Familie prägten<br />

die Welt damals – und tun es in vielen<br />

Teilen der Erde bis heute. Wie<br />

viele Schutzengel braucht es heute?<br />

„Was nun?“, fragt meine Tochter<br />

erneut. „Schutzengerl!“, sage ich bestimmt.<br />

„Der Kleine wird noch viel<br />

Schutz brauchen – und Engel dazu!“<br />

EDELTRAUD<br />

ADDY-PAPELITZKY<br />

ist Theologin,<br />

Psycho therapeutin<br />

und Leiterin des<br />

Diözesanen<br />

Personal service.<br />

FOTOS: JAKOB LEHNER, WIKIMEDIA<br />

62


SAKRAMENT<br />

Gutes Geleit. Schutzengel-Bilder wie dieses von Bernhard Plockhorst waren Anfang des<br />

20. Jahrhunderts weit verbreitet und sollten ihre Besitzerinnen und Besitzer vor Gefahren bewahren.<br />

63


SAKRAMENT<br />

ENDLICH ALLE<br />

REGISTER ZIEHEN<br />

Die Kaiser Jubiläums Orgel in Bad Ischl ist eine<br />

der schönsten und größten Österreichs – wenn<br />

auch etwas kurzatmig. Das soll sich nun ändern.<br />

TEXT: ISABEL FRAHNDL<br />

FOTOS: WALTER ZEMLICKA<br />

W<br />

enn Raminta zeigen will, was<br />

die Bad Ischler Orgel kann,<br />

drückt sie einen Knopf auf<br />

der Holzklaviatur, greift in die Tasten –<br />

und ein feiner Pfeifenchor singt das leiseste<br />

Register, zart wie Engelsgesang. Noch ein<br />

Knopfdruck, noch ein Tastengriff, die Töne<br />

werden lauter, bekommen mehr Gewicht.<br />

Noch einmal, noch einmal, lauter und lauter,<br />

bis der Hall so laut wird, dass er das<br />

riesige Schiff der St.-Nikolaus-Kirche bis in<br />

den letzten Kubikzentimeter füllt. Ein einmaliges<br />

Erlebnis. Und doch hätte die Kaiser<br />

Jubiläums Orgel noch viel mehr in petto.<br />

Dieses volle Potenzial soll nun durch eine<br />

Grundrenovierung aus ihren tausenden<br />

Pfeifen herausgekitzelt werden.<br />

Eine Kirche, eine Orgel, eine Organistin.<br />

Eine Kombination, wie man sie aus fast<br />

jeder österreichischen Pfarre kennt – und<br />

doch ganz anders. Raminta Skurulskaite-<br />

Fuchs ist eine von wenigen fest angestellten<br />

KirchenmusikerInnen Oberösterreichs.<br />

Die 41-Jährige hat Orgel studiert, zuerst in<br />

ihrer Heimat Litauen, dann am Mozarteum<br />

in Salzburg. Seit 10 Jahren lebt sie nun in<br />

Bad Ischl, bei ihrem Lebenslauf eine verständliche<br />

Wahlheimat. Denn Bad Ischl ist<br />

das Zuhause einer ganz besonderen Orgel.<br />

Wer sie einmal gesehen beziehungsweise<br />

gehört hat, muss kein Kenner sein, um zu<br />

spüren, dass dieses Instrument etwas ganz<br />

Besonderes ist – und das nicht nur wegen<br />

des enormen Volumens. „Die Größe einer<br />

Orgel sagt noch nichts über ihre Qualität<br />

aus. Aber diese hier ist noch dazu eine der<br />

hochwertigsten Orgeln Österreichs. Sie hat<br />

eine riesige Vielfalt an Klangfarben und<br />

schafft Lautstärken von sehr leise bis sehr<br />

laut“, erklärt Raminta.<br />

Mehr Atem als Lunge<br />

Trompeten, Streicher, Klarinetten, Flöten:<br />

Auf der Empore der St.-Nikolaus-Kirche<br />

steht ein ganzes Orchester, zusammengerückt<br />

auf engstem Raum. 59 Register,<br />

Kompakt. Sichtbar<br />

sind an der<br />

Kaiser Jubiläums<br />

Orgel lediglich um<br />

die 50 Pfeifen –<br />

etwas mehr als<br />

ein Prozent der<br />

gesamten Anzahl.<br />

Reih und Glied.<br />

Die hölzernen<br />

Pfeifen klingen<br />

weich und flötenartig,<br />

während die<br />

bleiernen schärfere<br />

Klänge in die<br />

Kirche posaunen.<br />

64


65


Zentrale. Von<br />

hier werden alle<br />

Befehle an die<br />

Pfeifen gesendet<br />

– und in Zukunft<br />

auch nach vorne<br />

ans Fernwerk.<br />

Organistin mit Höhenangst<br />

Zu den Maßnahmen gehört auch eine<br />

Verjüngungskur samt Porenbehandlung:<br />

„Durch eine Begasung wollen wir den<br />

Holzwurm loswerden“, sagt Hans Panhuber,<br />

Vorsitzender des eigens einberufenen<br />

Orgelkomitees. „Dann müssen Windwerk,<br />

Fundament und die alte Klaviatur ausgebessert<br />

werden, und – worauf wir uns besonders<br />

freuen – das Fernwerk wird wieder<br />

aufgebaut.“ Fernwerke sind zweite Orgeln,<br />

die auf dem Kirchendachboden stehen,<br />

aber vom Hauptinstrument aus der Ferne<br />

gespielt werden und ihren Klang von oben<br />

herabschicken, als würde er aus dem Himmel<br />

kommen – damals wie heute eine Rariüber<br />

4.100 Pfeifen, manche davon kurz wie<br />

ein Bleistift, die größten an die sechs Meter<br />

hoch. Die Kaiser Jubiläums Orgel wurde<br />

1910 – zum 80. Geburtstag von Kaiser<br />

Franz Joseph I. – auf die heutige Größe<br />

ausgebaut, schon damals mit elektrischer<br />

Verbindung zwischen Taste und Pfeife.<br />

Denn zu Kaiserzeiten war Bad Ischl während<br />

der Sommermonate das Zentrum der<br />

Monarchie. Auf Sommerfrische immer mit<br />

dabei: der Hoforganist Anton Bruckner, der<br />

damals die Vorgängerin der heutigen Orgel<br />

bespielte.<br />

Doch es gab schon damals ein Problem:<br />

„Das Windwerk hatte von Anfang an zu<br />

wenig Luft für die große Menge an Pfeifen.<br />

Wenn man laut spielt, fängt der Ton an zu<br />

vibrieren“, erklärt Raminta. Grund dafür<br />

war eine notwendige Umbaumaßnahme<br />

bei der letzten Renovierung, die aber weniger<br />

Luftvolumen für die Pfeifen mit sich<br />

brachte – als hätte man in einen Mercedes<br />

den Motor eines VW Käfer eingebaut. Weil<br />

RAMINTA<br />

SKURULSKAITE-<br />

FUCHS, 41, hat<br />

mehrere Orgelstudien<br />

in ihrer<br />

Heimat Litauen<br />

und am Salzburger<br />

Mozarteum<br />

absolviert. Als Bad<br />

Ischler Organistin<br />

ist sie Nachfolgerin<br />

der Musiklegende<br />

Anton Bruckner.<br />

die Orgel außerdem schon an Altersschwäche<br />

leidet und auch einige der alten Register<br />

nicht mehr funktionieren, setzt sich die<br />

Pfarre nun dafür ein, die Sanierung dieses<br />

Stücks Musikgeschichte zu stemmen – und<br />

der Orgel eine neue Lunge zu schenken.<br />

ZUSATZFOTOS: WWW.FOTOHOFER.AT, PHOTO-GRAPHICS/HILLINGER-PERFAHL OG<br />

66


SAKRAMENT<br />

tät. Das Fernwerk der Kaiser Jubiläums<br />

Orgel war das erste in der ganzen Monarchie.<br />

Und damit eine Sensation, die durch<br />

alle Zeitungen ging. Heute sind davon nur<br />

noch Fragmente, ein Stück Schallkanal<br />

und wilde Drähte aus der Kaiserzeit übrig.<br />

„Orgel und Glocken, das ist einfach die<br />

Einheit der Kirche. Konzerte gibt es viele,<br />

aber ein Orgelkonzert in einer Kirche zu<br />

hören, hat etwas Sphärisches“, sagt Hans.<br />

Die Konzerte, von denen er spricht, sind<br />

wohl die einzigen, bei denen die Gäste mit<br />

dem Rücken zur Musikerin sitzen. „Darum<br />

haben wir nun auch eine Leinwand vorne<br />

eingerichtet. Zu sehen, wie die Beine der<br />

Organistin da arbeiten, ist faszinierend“,<br />

sagt Hans. Vor jedem dieser Konzerte wird<br />

das Zungenregister der Orgel gestimmt,<br />

einmal jährlich sogar alle 4.155 Pfeifen.<br />

Dazu muss ein Orgelbauer in den Pfeifenkasten<br />

bis über sechs Meter Höhe klettern<br />

und jede einzelne Pfeife händisch nachjustieren.<br />

Genauer kann Raminta den Vorgang<br />

nicht erklären, sie selbst war noch nie oben<br />

– denn obwohl sie als Profi-Organistin oft<br />

hoch oben über ihrem Publikum thront,<br />

leidet sie an Höhenangst.<br />

LAND DER ORGELN, ZUKUNFTSREICH!<br />

Rund 900 Orgeln sorgen in Oberösterreichs<br />

Kirchen für die musikalische<br />

Begleitung der Gottesdienste.<br />

Unter ihnen historische<br />

Instrumente aus Renaissance,<br />

Barock oder Romantik, die den damaligen<br />

Klangidealen entsprachen<br />

und bis heute in liebevollster Arbeit<br />

gehegt und gepflegt werden.<br />

Seit 20 Jahren erschwert ein<br />

damals neues Phänomen die Wartung:<br />

Fast die Hälfte aller Instrumente<br />

weist aufgrund veränderter<br />

Heizgewohnheiten in den Kirchen<br />

einen Schimmelbefall auf.<br />

HANS PANHUBER,<br />

67, hat fast 40 Jahre<br />

lang ein Hotel<br />

im Herzen von<br />

Bad Ischl geführt.<br />

Als Vorsitzender<br />

des Orgelkomitees<br />

nutzt er nun seinen<br />

Draht zu den<br />

Menschen, um<br />

über die Orgel<br />

und ihre Bedürfnisse<br />

aufzuklären.<br />

Still. Der Schallkanal<br />

des Fernwerks<br />

ist noch<br />

zum Teil erhalten.<br />

2023 wird er<br />

erstmals wieder<br />

mit Klang befüllt.<br />

Im Jahr 1628 verwöhnte die Orgel<br />

in der Filialkirche Hart bei Pischelsdorf<br />

am Engelbach erstmals die<br />

Ohren der Kirchgängerinnen und<br />

Kirchgänger, und sie tut es immer<br />

noch. Sie gilt damit als älteste Kirchenorgel<br />

im Land, die auch heute<br />

noch ihren Dienst versieht.<br />

Etwa 1.100 Organistinnen und<br />

Organisten sind aktuell in der<br />

Abteilung Liturgie und Kirchenmusik<br />

der Diözese Linz erfasst,<br />

davon knapp 500 Frauen.<br />

Ode an die Vorfreude<br />

Zur Adventzeit 2023 sollen all diese Arbeiten<br />

schon beendet sein, dabei ist der<br />

Startschuss dafür noch gar nicht gefallen.<br />

Für <strong>2022</strong> plant das Orgelkomitee verschiedenste<br />

Aktionen, die bei der Finanzierung<br />

helfen sollen; denn die Behebung nur eines<br />

kleinen Teils der bauseitigen Probleme –<br />

zum Beispiel die Sache mit dem Holzwurm<br />

– wird aus dem Kirchenbeitrag bezogen.<br />

Ganz Bad Ischl rückt zusammen, um die<br />

Orgel zu erhalten: Ein kleines Orgelmodell<br />

am Wochenmarkt belohnt Spender mit einer<br />

Melodie, und die Musikszene der Stadt<br />

hat mehrere Benefizkonzerte geplant, darunter<br />

auch Ramintas Konzertreihe.<br />

Die Sanierung bedeutet leider auch, dass<br />

während der Bauarbeiten „nur“ die kleine<br />

Kastenorgel zu hören sein wird. „Da gibt’s<br />

halt ein paar Monate lang nur kleine Brötchen“,<br />

sagt Hans Panhuber. Wie das gesamte<br />

Orgelkomitee hat auch der 67-Jährige<br />

das Fernwerk noch nie spielen gehört. Aber<br />

sie alle können sich schon den Moment<br />

vorstellen, wenn Raminta wieder auf die<br />

Knöpfe drückt, in die Tasten greift – und<br />

sie die Ersten sind, die hören, wie der Klang<br />

erstmals seit über hundert Jahren wieder<br />

vom Himmel zu kommen scheint. Und das<br />

kräftiger als je zuvor.<br />

67


SAKRAMENT<br />

AM SIEBTEN TAG<br />

Sieben Tage, sieben Fragen, die zur Reflexion<br />

einladen. Dieses Mal: Cosima Spieß, die sich schon<br />

von klein auf für eine große Sache eingesetzt hat.<br />

INTERVIEW: SABRINA LUTTENBERGER<br />

FOTOS: RAPHAEL GABAUER<br />

Du bist Vorsitzende<br />

1. der Katholischen<br />

Jungschar in Oberösterreich<br />

und Leiterin der<br />

MinistrantInnengruppe<br />

in der Dompfarre Linz.<br />

Du ministrierst auch<br />

selbst. Woher kommt dein<br />

großes Engagement?<br />

Es ist ganz klar Sozialisation.<br />

Ich bin in einer katholischen<br />

Familie aufgewachsen, und<br />

meine Eltern haben mich<br />

schon früh mit in die Kirche<br />

genommen. Da habe ich gesehen,<br />

dass junge Menschen,<br />

Kinder wie ich damals, als<br />

Ministrantinnen und Ministranten<br />

aktiv bei der Liturgie<br />

mitgestalten können und<br />

ganz nah dabei sein dürfen.<br />

Das fand ich spannend. Bevor<br />

ich mit acht Jahren Ministrantin<br />

geworden bin, war ich<br />

schon beim Sternsingen dabei.<br />

Mit der Firmung habe<br />

ich dann für mich selbst entschieden,<br />

in meinem Glauben<br />

zu leben und mich in der Kirche<br />

und der Gemeinschaft zu<br />

engagieren.<br />

Was bedeutet dir<br />

2. dein Glaube heute?<br />

Er bedeutet mir schon viel.<br />

Mein Glaube hat mich eben<br />

immer begleitet. Meine Familie<br />

ist öfter umgezogen, und<br />

dabei habe ich gemerkt, dass<br />

die Gemeinschaft und die<br />

»Mir ist es wichtig, einen<br />

Raum für Kinder zu<br />

schaffen, in dem ihnen<br />

zugehört wird. Kinder<br />

geraten oft aus dem Blick<br />

oder werden zu wenig<br />

ernst genommen.«<br />

Cosima Spieß<br />

Pfarre Orte sind, wo ich mich<br />

sofort aufgenommen fühle.<br />

Natürlich gibt es Menschen,<br />

die mit der Kirche ganz andere<br />

Erfahrungen gemacht<br />

haben und machen. Mir hat<br />

mein Glaube jedenfalls immer<br />

Hoffnung und Zuversicht geschenkt<br />

– und das tut er auch<br />

heute noch. Es ist ein Vertrauen<br />

entstanden. Ich treffe meine<br />

Entscheidungen in Begleitung<br />

meines Glaubens.<br />

Was ist dir – außer<br />

3. deinem Glauben –<br />

denn noch heilig?<br />

Die Beziehungen zu meiner<br />

Familie und meinen Freundinnen<br />

und Freunden. Und<br />

Musik. Ich spiele Klavier und<br />

Trompete. Ich singe auch in<br />

mehreren Chören. Das sind<br />

auch genau die Dinge, die mir<br />

im Alltag helfen, etwas Ruhe<br />

zu finden.<br />

68


COSIMA SPIESS ist<br />

19 Jahre alt, lebt in<br />

Linz und leitet die MinistrantInnen<br />

gruppe in der<br />

Dompfarre. Derzeit absolviert<br />

sie ein Freiwilliges<br />

Soziales Jahr, im Herbst<br />

<strong>2022</strong> beginnt sie ihr Studium<br />

in Theologie, Soziologie<br />

und Geschichte.<br />

69


SAKRAMENT<br />

Tiefes Vertrauen. Ihr Glaube gibt Cosima Spieß bereits<br />

seit ihrer frühen Kindheit Hoffnung und Zuversicht.<br />

Du hast quasi zwei<br />

4. Führungspositionen<br />

inne. Wie siehst du deine<br />

Rolle als „Chefin“?<br />

Da muss ich unter scheiden:<br />

zwischen dem Organisatorischen,<br />

etwa der Planung eines<br />

Jungscharlagers oder einer<br />

Ministrantenstunde, und<br />

dem, was ich mir selbst zur<br />

Aufgabe mache, wo mein<br />

Selbstverständnis liegt. Wichtig<br />

ist mir, einen Raum für<br />

Kinder zu schaffen, in dem ihnen<br />

zugehört wird. Kinder geraten<br />

oft aus dem Blick oder<br />

werden manchmal zu wenig<br />

ernst genommen. Dabei ist es<br />

unglaublich interessant, was<br />

sie zu erzählen haben.<br />

Welche Eigenschaften<br />

von Jesus 5.<br />

möchtest du Kindern und<br />

Jugendlichen mitgeben?<br />

Natürlich die Liebe. Und Jesus<br />

nimmt Menschen in den<br />

Blick, die an den Rand der<br />

Gesellschaft gedrängt werden.<br />

Ich selbst hab das Bestreben,<br />

mich für diejenigen einzusetzen,<br />

die sonst vielleicht<br />

vergessen werden.<br />

Hast du das Gefühl,<br />

6. durch deinen<br />

Einsatz etwas verändern<br />

zu können?<br />

Ja. Als Vorsitzende der Jungschar<br />

ist es zum Beispiel das<br />

Mitwirken an Aktionen wie<br />

Sonntagsgewand.<br />

Mit acht Jahren<br />

beschloss Cosima,<br />

dass sie die Liturgie<br />

aktiv mitgestalten<br />

will. Dazu<br />

gehört auch das<br />

Tragen des Talars.<br />

„Kinderarbeit stoppen“. Aber<br />

auch außerhalb des kirchlichen<br />

Engagements ist es mir<br />

wichtig, zu gewissen Themen<br />

eine eigene Meinung zu haben<br />

und mich auch zu trauen,<br />

sie offen zu sagen. Ich weiß<br />

nicht, ob und was ich damit<br />

verändere. Aber vielleicht<br />

schaffe ich einfach ein<br />

Bewusstsein für etwas.<br />

Das wäre schön.<br />

Was bedeutet<br />

7. dir eigentlich<br />

der Sonntag?<br />

Ich bin ja jeden Sonntag als<br />

Ministrantin in der Kirche.<br />

Das gehört für mich zu einem<br />

gelungenen Wochenende<br />

dazu. Abgesehen davon ist<br />

der Sonntag für mich die<br />

Möglichkeit, Zeit mit meiner<br />

Familie zu verbringen. Und<br />

das am liebsten übrigens<br />

mit einem selbst gemachten<br />

Kaiserschmarrn.<br />

70


Tag der Rituale.<br />

Ministrieren in der<br />

Dompfarre Linz, Zeit<br />

im Kreis der Familie<br />

und ein Kaiserschmarrn<br />

– das<br />

macht für Cosima<br />

einen gelungenen<br />

Sonntag aus.<br />

71


POST<br />

BETREFF: GRÜSS GOTT!<br />

Zu jeder Ausgabe erreichen uns zahlreiche Rückmeldungen<br />

mit Lob, Kritik und Anregungen. Einige davon finden Sie hier.<br />

Bei Ihrem Artikel über das<br />

Als „neutralen Begleiter ohne<br />

nach die tatsächlichen, noch<br />

Heiligen Korans und des Vor­<br />

Vaterunser ist auch eine Um­<br />

Erwartungen“ habe ich euer<br />

immer vorhandenen, ja sogar<br />

bildes des Propheten Moham­<br />

schrift auf Aramäisch ange­<br />

Magazin für die Zugfahrt zur<br />

schlimmer werdenden Prob­<br />

med. Der Abfall vom Glauben<br />

führt. Das hat mir wieder den<br />

Arbeit in meine Tasche ge­<br />

leme – sie wirken auf mich wie<br />

gilt etwa laut herrschender<br />

Hinweis eines Freundes in Er­<br />

packt. Doch bereits auf den<br />

eine „Beruhigungspille“. Es ist<br />

islamischer Lehre als Kapital­<br />

innerung gerufen, der davon<br />

ersten Seiten hat mich die<br />

eine Tatsache – die Armen<br />

verbrechen.<br />

gesprochen hatte, dass unser<br />

Leselust immer mehr gepackt,<br />

werden immer ärmer und die<br />

Edgar Pree, Linz<br />

Gott uns ja sicherlich nicht in<br />

sodass ich mich beim Ausstieg<br />

Reichen immer reicher. Die<br />

die Schwierigkeiten einer Ver­<br />

aus dem Zug schon wieder auf<br />

Umwelt- und Klimabelastung<br />

Herzlichen Dank für die vielen<br />

suchung führen würde. Und<br />

den Zustieg nach der Arbeit<br />

nimmt trotz der vereinbarten<br />

verschiedenen Beiträge in ih­<br />

dass hier eine Übersetzungs­<br />

freute, um weiterschmökern<br />

Ziele zu.<br />

rer Buntheit und Verschieden­<br />

schwäche aus dem Aramäi­<br />

zu können! Eure Themen und<br />

Hans Riedler, Linz<br />

heit. Nur eines vermisse ich<br />

schen vorliege. Zweiteres<br />

Beiträge sind weltoffen, ab­<br />

schmerzlich: Jesus Christus.<br />

kann ich mangels einschlägi­<br />

wechslungsreich und thema­<br />

Wir gratulieren euch zu die­<br />

Das Evangelium. Ganz kon­<br />

ger Sprachkenntnisse nicht<br />

tisch bunt gemixt. Besonders<br />

sem gelungenen Magazin!<br />

kret, jetzt, mitten im Leben,<br />

verifizieren. Aber Ersteres er­<br />

gefreut habe ich mich über<br />

Vor allem zum Artikel „Was<br />

im Alltag! Es wäre so anre­<br />

scheint mir durchaus logisch.<br />

das Rezept der Kukuruzsuppe<br />

glauben Sie?“. Wir würden uns<br />

gend, hilfreich und wün­<br />

Daher lautet der Abschluss<br />

von Sr. Johanna Ziebermayr.<br />

wünschen, dass die Medien<br />

schenswert, wenn in jeder<br />

meines persönlichen Vater­<br />

Diese Suppe schmeckt herr­<br />

sich endlich von dem Wahl­<br />

Ausgabe ein kleines Stück<br />

unsers: „… führe uns in der<br />

lich und ist supereinfach zu<br />

spruch „Only bad news are<br />

Evangelium erklärt und ver­<br />

Ver suchung, erlöse uns auch<br />

kochen. Danke!<br />

good news“ verabschieden<br />

ständlich gemacht würde für<br />

von dem Bösen. Denn Dein<br />

Birgit Strohmaier,<br />

und realisieren, dass die gute<br />

die Menschen und den Alltag!<br />

sind das Reich und die Kraft<br />

St. Georgen im Attergau<br />

Nachricht die bessere ist,<br />

Für diese Zeit, für jetzt!<br />

und die Herrlichkeit in Ewig­<br />

auch wenn das erst mal mehr<br />

Gabriela Mitterlehner,<br />

keit. Amen.“<br />

Betreffend die Fragen zu „Was<br />

Umdenkenergie erfordert.<br />

Bad Kreuzen<br />

Harald Semper, Leonding<br />

glauben Sie?“ würde mich das<br />

Familie Lehner, Linz-Urfahr<br />

Motiv für die Auswahl der ein­<br />

Ich bin zwar evangelisch, lese<br />

Berührend fand ich den Bei­<br />

zelnen Fragen interessieren.<br />

Die Geschichte vom promi­<br />

aber mit großer Begeisterung<br />

trag über die Sternenkinder,<br />

Die Antworten auf die zehn ge­<br />

nenten islamisch-katholischen<br />

Ihr Magazin. Ganz besonders<br />

da ich sehr überrascht war,<br />

stellten Fragen wurden sicher<br />

Ehepaar Grubinger habe ich<br />

freuen mich die Themenviel­<br />

wie viele es gibt. Ich habe drei<br />

gut recherchiert und stimmen<br />

fasziniert und sorgfältig gele­<br />

falt und die zum Teil kontro­<br />

Kinder und vier auch schon<br />

sicher auch. Es ist für mich<br />

sen. Der Artikel klingt so, als<br />

versen Ansichten und Meinun­<br />

erwachsene Enkelkinder, und<br />

auch wichtig, positiv nach vorn<br />

gäbe es im Islam keine ver­<br />

gen zu Kirche und Glauben.<br />

mir wurde wieder bewusst, wie<br />

und in die Zukunft zu blicken.<br />

bindlichen Regeln und Glau­<br />

Weiter so!<br />

dankbar ich dafür sein muss.<br />

Aber: Einige der Fragen ver­<br />

bensinhalte. Die gibt es aber<br />

Wolfgang Krebelder,<br />

Ingrid Wibitschlager, Wels<br />

harmlosen meiner Meinung<br />

sehr wohl auf der Basis des<br />

Traun<br />

Möchten Sie uns auch eine Rückmeldung geben? Bitte per E-Mail an: gruessgott@dioezese-linz.at<br />

Eine Auswahl Ihrer Rückmeldungen finden Sie in Auszügen beziehungsweise,<br />

sofern es der Platz erlaubt, zur Gänze in einer der nächsten Ausgaben.<br />

72


HADERER<br />

ILLUSTRATIONEN: GETTY IMAGES/ISTOCK, GERHARD HADERER<br />

73


VERANSTALTUNGEN<br />

Aktuelle Termine finden Sie auf www.dioezese-linz.at/termine<br />

KULTURELLES & SPIRITUELLES<br />

Das wichtigste christliche Fest und Superstars am Domplatz:<br />

unsere Veranstaltungs- und Ausflugstipps für Linz und Umgebung.<br />

ACHTUNG: VERANSTALTUNGEN KÖNNEN WEGEN COVID-MASSNAHMEN KURZFRISTIG ABGESAGT WERDEN.<br />

10. 6. <strong>2022</strong><br />

LANGE NACHT DER KIRCHEN<br />

Zum 16. Mal öffnen am 10. Juni<br />

in ganz Oberösterreich Kirchen,<br />

Kapellen und kirchliche<br />

Einrichtungen von 19 Uhr bis<br />

24 Uhr ihre Türen. Bei der Langen<br />

Nacht der Kirchen laden<br />

hunderte Veranstaltungen,<br />

10. 4. bis 18. 4. <strong>2022</strong><br />

WIR FEIERN DIE AUFERSTEHUNG<br />

Ostern ist das zentrale Fest<br />

des Christentums und DAS<br />

Fest des Lebens. Der wichtigste<br />

Gedanke dahinter: Der Tod<br />

ist nicht das Ende, sondern<br />

eine Zwischenstation, die zur<br />

Auferstehung und zu einem<br />

Leben in Fülle bei Gott führt.<br />

viele davon in Linz, zum Mitmachen,<br />

Genießen und Innehalten<br />

ein. Das Angebot begeistert<br />

das Publikum mit<br />

seiner Vielfalt: besondere Kirchenführungen,<br />

Musik aller<br />

Epochen und Stilrichtungen,<br />

Vorträge, Lesungen, Diskussionen,<br />

Film, Tanz, Kabarett, Vernissagen,<br />

Meditation und Stille,<br />

(interkulturelle) Begegnung,<br />

sozial-, gesellschafts- und kirchenpolitische<br />

Themen, aber<br />

auch Kulinarisches. Das detaillierte<br />

Programm ist ab Ende<br />

Mai online zu finden.<br />

www.langenachtderkirchen.<br />

at/linz<br />

In den Gottesdiensten der Karwoche<br />

und Osterzeit stehen<br />

das Leiden, das Sterben und<br />

die Auferstehung Jesu im<br />

Mittelpunkt. Auf unserer Webseite<br />

finden Sie die Gottesdienste<br />

in Ihrer Nähe.<br />

www.dioezese-linz.at/ostern<br />

7. 7. bis 29. 7. <strong>2022</strong><br />

KLASSIK AM DOM – STARS ZU GAST IN LINZ<br />

Zweimal gab Corona den<br />

Spielverderber – doch in<br />

diesem Jahr wird die Open-<br />

Air-Konzertreihe „Klassik am<br />

Dom“ das zehnjährige Jubiläum<br />

gebührend nachfeiern.<br />

Mezzosopranistin Elīna<br />

Garanča eröffnet am 7. Juli<br />

den Konzert reigen am Linzer<br />

Am 4. August ist das<br />

KIRCH’KLANG Festival mit<br />

dem Musiktheaterprojekt<br />

„The Infernal Comedy“ zu Gast<br />

im Brucknerhaus. Hollywood-<br />

Star John Malkovich schlüpft<br />

in die Rolle von Jack Unterweger<br />

und trägt, begleitet von<br />

Sopranistinnen und Orchester,<br />

eine fiktive Autobiografie des<br />

Serienmörders vor.<br />

www.kirchklangfestival.at<br />

Domplatz. Mit James Blunt<br />

(15. Juli) und Stargeiger David<br />

Garrett (22. & 23. Juli) werden<br />

zwei ausgewiesene Weltstars<br />

die Massen begeistern. Auch<br />

Philipp Hochmair kommt mit<br />

seinem „Jedermann Reloaded<br />

Symphonic“ (9. Juli) wieder.<br />

www.klassikamdom.at<br />

4. 8. <strong>2022</strong>, 19.30 Uhr<br />

KIRCH’KLANG FESTIVAL MIT JOHN MALKOVICH<br />

FOTOS: ALEXANDER MÜLLER, KLAUS MITTERMAYR, NATHALIE BAUER, MARTIN PARZER<br />

74


Die nächste Ausgabe erscheint Ende Oktober <strong>2022</strong>.<br />

FOTO: RAPHAEL GABAUER<br />

IMPRESSUM<br />

HERAUSGEBER: Wilhelm Vieböck,<br />

Diözese Linz, Herrenstraße 19, 4021<br />

Linz, E-Mail: gruessgott@dioezese-linz.<br />

at, Telefon: 0732 / 76 10-1170<br />

PROJEKTGESAMTLEITUNG<br />

DIÖZESE LINZ: Michael Kraml,<br />

Kommunikationsbüro Diözese Linz<br />

PROJEKTKOORDINATION: Barbara<br />

Eckerstorfer, Christine Grüll, Ursula<br />

Schmidinger MEDIENINHABERIN:<br />

Diözese Linz, Herrenstraße 19,<br />

Postfach 251, 4021 Linz, vertreten<br />

durch Dr. Manfred Scheuer,<br />

Diözesanbischof, ATU59278089<br />

HERSTELLER: Red Bull Media House<br />

GmbH VERLAGSORT: Red Bull<br />

Media House Publishing, 1020 Wien<br />

HERSTELLUNGS ORT: Druckerei<br />

Berger, Ferdinand Berger & Söhne<br />

Ges.m.b.H., 3580 Horn<br />

CHEF REDAKTION: Raffael Fritz<br />

CHEFIN VOM DIENST: Eva Pech<br />

ART DIRECTOR: Dominik Uhl<br />

FOTOREDAKTION: Matti Wulfes<br />

REDAKTION: Martin Foszczynski,<br />

Isabel Frahndl, Alexander Klein,<br />

Irene Olorode ILLUSTRATION:<br />

Anita Brunn auer (studio nita.),<br />

Gerhard Haderer, Claudia Meitert<br />

TEXTE: Edeltraud Addy-Papelitzky,<br />

Franz Hirschmugl, Sabrina Luttenberger,<br />

Nikolaus Nussbaumer,<br />

Claudia Riedler-Bittermann, Clemens<br />

Sedmak, Clemens Stachel FOTOS:<br />

Raphael Gabauer, Robert Maybach<br />

ANZEIGENLEITUNG: Ines Gruber<br />

PRODUKTION: Martin Brandhofer<br />

(Ltg.), Walter O. Sádaba, Sabine Wessig<br />

LEKTORAT: Hans Fleißner (Ltg.), Petra<br />

Hannert, Monika Hasleder, Billy<br />

Kirnbauer-Walek, Belinda Mautner,<br />

Vera Pink LITHOGRAFIE: Clemens<br />

Ragotzky (Ltg.), Claudia Heis, Nenad<br />

Isailovic, Sandra Maiko Krutz, Josef<br />

Mühl bacher EXECUTIVE CREATIVE<br />

DIRECTOR: Markus Kietreiber<br />

MANAGING DIRECTOR: Stefan Ebner<br />

HEAD OF CO-PUBLISHING: Susanne<br />

Degn-Pfleger HEAD OF PHOTO:<br />

Isabella Russ HERSTELLUNG: Veronika<br />

Felder ASSISTENZ DER GESCHÄFTS­<br />

FÜHRUNG: Sandra Artacker<br />

GESCHÄFTS FÜHRER RED BULL<br />

MEDIA HOUSE PUBLISHING:<br />

Andreas Kornhofer<br />

Lösung des Kirchenrätsels auf Seite 11:<br />

Es handelt sich um die Pfarrkirche in Obermühl an der Donau.<br />

Foto: (c) stock.adobe.com /Alexander Raths<br />

Blumensamen<br />

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Aufblühen<br />

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Telefon: 0732 76 10-39 69 (Mo.-Fr. 8-12 Uhr) Online: www.kirchenzeitung.at/gratisabo E-Mail: abo@kirchenzeitung.at


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für Menschen<br />

Wohnanlage Wohnen am Park, Haid / Oberösterreich<br />

Wer nachhaltig innovative Immobilien entwickelt,<br />

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Die ELAG schafft Lebensqualität für Generationen.<br />

Ein Auszug aus unseren aktuellen Bauprojekten:<br />

Wels, Vogelweiderstraße<br />

92 Mietwohnungen, voraussichtlicher Bezugstermin August <strong>2022</strong><br />

Altmünster, Harstubenweg<br />

27 Mietwohnungen, voraussichtlicher Bezugstermin Juli <strong>2022</strong><br />

www.elag.at

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