22.04.2022 Aufrufe

RA 05/2022 - Entscheidung des Monats

Zwischen den Urteilen einzelner Zivilkammern der Landgerichte gibt es große Unterschiede, was den Umfang und die Tiefe der rechtlichen Ausführungen in den Entscheidungsgründen angeht. § 313 III ZPO lässt den Spruchkörpern und den in ihnen tätigen Richtern und Richterinnen einen gewissen Spielraum. Über das Online-Casino aus Malta, das mit einem deutschsprachigen Auftritt im Internet um Kunden aus Deutschland wirbt, urteilte bereits das LG Köln in RA 12/2021, 630 ff. Zur Vorbereitung auf die Lektüre des hier besprochenen Falles empfiehlt sich ein Blick in die o.g. Entscheidung. Das vorliegende Urteil rechtfertigt seine Aufnahme in die RA durch die klar abweichende und sehr ausführlich begründete Meinung zur Kondiktionssperre des § 817 S. 2 BGB. Es wird nicht mehr lange dauern, bis ein OLG über diese Rechtsfragen entscheidet, die mehr Menschen zu betreffen scheinen, als man vermutet.

Zwischen den Urteilen einzelner Zivilkammern der Landgerichte gibt es große Unterschiede, was den Umfang und die Tiefe der rechtlichen Ausführungen in den Entscheidungsgründen angeht. § 313 III ZPO lässt den Spruchkörpern und den in ihnen tätigen Richtern und Richterinnen einen gewissen Spielraum.
Über das Online-Casino aus Malta, das mit einem deutschsprachigen Auftritt im Internet um Kunden aus Deutschland wirbt, urteilte bereits das LG Köln in RA 12/2021, 630 ff. Zur Vorbereitung auf die Lektüre des hier besprochenen Falles empfiehlt sich ein Blick in die o.g. Entscheidung. Das vorliegende Urteil rechtfertigt seine Aufnahme in die RA durch die klar abweichende und sehr ausführlich begründete Meinung zur Kondiktionssperre des § 817 S. 2 BGB.
Es wird nicht mehr lange dauern, bis ein OLG über diese Rechtsfragen entscheidet, die mehr Menschen zu betreffen scheinen, als man vermutet.

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Stand: April <strong>2022</strong>


<strong>RA</strong> <strong>05</strong>/<strong>2022</strong><br />

Zivilrecht<br />

237<br />

Problem: Ausschluss der Ansprüche aus §§ 812 ff. BGB<br />

gem. § 817 S. 2 BGB<br />

Einordnung: Bereicherungsrecht<br />

LG Wuppertal, Urteil vom 04.04.<strong>2022</strong><br />

2 O 218/20<br />

EINLEITUNG<br />

Zwischen den Urteilen einzelner Zivilkammern der Landgerichte gibt es große<br />

Unterschiede, was den Umfang und die Tiefe der rechtlichen Ausführungen<br />

in den <strong>Entscheidung</strong>sgründen angeht. § 313 III ZPO lässt den Spruchkörpern<br />

und den in ihnen tätigen Richtern und Richterinnen einen gewissen Spielraum.<br />

Über das Online-Casino aus Malta, das mit einem deutschsprachigen Auftritt<br />

im Internet um Kunden aus Deutschland wirbt, urteilte bereits das LG Köln in<br />

<strong>RA</strong> 12/2021, 630 ff. Zur Vorbereitung auf die Lektüre <strong>des</strong> hier besprochenen<br />

Falles empfiehlt sich ein Blick in die o.g. <strong>Entscheidung</strong>. Das vorliegende Urteil<br />

rechtfertigt seine Aufnahme in die <strong>RA</strong> durch die klar abweichende und sehr<br />

ausführlich begründete Meinung zur Kondiktionssperre <strong>des</strong> § 817 S. 2 BGB.<br />

Es wird nicht mehr lange dauern, bis ein OLG über diese Rechtsfragen entscheidet,<br />

die mehr Menschen zu betreffen scheinen, als man vermutet.<br />

SACHVERHALT<br />

Der in Wuppertal lebende K nahm im Zeitraum vom 09.08.2018 bis min<strong>des</strong>tens<br />

zum 12.<strong>05</strong>.2020 über die deutschsprachige Internetdomain der B, eines<br />

maltesischen Anbieters, am Onlineglücksspiel der B teil. K spielte von seiner<br />

Wohnung aus. B ist von der maltesischen Glücksspielaufsichtsbehörde lizensiert,<br />

in Deutschland hat sie keine Erlaubnis zum Angebot von Onlineglücksspielen<br />

im Sinne <strong>des</strong> § 4 GlüStV. Im Rahmen der von ihm gewählten Glücksspiele<br />

zahlte der K in dem genannten Zeitraum insgesamt 15.480 € an B, wobei er die<br />

Beträge überwiegend von seinem Girokonto direkt an die Beklagte überwies<br />

und zu einem geringeren Anteil Gutscheine nutzte, die er zuvor mit Geld von<br />

seinem Girokonto erworben hatte. Bei der Teilnahme an den Spielen gewann<br />

er in demselben Zeitraum insgesamt einen Betrag von 5.650 €, die B auf sein<br />

Girokonto überwies. K ist der Meinung, B schulde ihm die Zahlung <strong>des</strong> Differenzbetrages<br />

zwischen der von ihm eingezahlten Gesamtsumme und der von B an<br />

ihn ausgezahlten Gesamtsumme in Höhe von 9.830 €, weil das Veranstalten und<br />

Vermitteln von öffentlichen Glücksspielen in Nordrhein-Westfalen verboten<br />

und die Verträge zwischen ihm und der Beklagten mithin nichtig seien. Hierzu<br />

behauptet er, gedacht zu haben, das Online-Glücksspiel sei legal. K möchte vor<br />

einem deutschen Gericht klagen. B meint, es sei weder ein deutsches Gericht<br />

zuständig noch deutsches Recht anwendbar. Zu Recht?<br />

Anmerkung: § 4 IV GlüStV lautet:<br />

§ 4 Allgemeine Bestimmungen zur Erlaubniserteilung<br />

(...)<br />

(4) 1 Eine Erlaubnis für öffentliche Glücksspiele im Internet darf nur für den Eigenvertrieb<br />

und die Vermittlung von Lotterien, für die Veranstaltung, Vermittlung und<br />

den Eigenvertrieb von Sportwetten und Pferdewetten sowie für die Veranstaltung<br />

und den Eigenvertrieb von Online-Casinospielen, virtuellen Automatenspielen<br />

und Online-Poker erteilt werden. 2 Im Übrigen sind das Veranstalten und das Vermitteln<br />

öffentlicher Glücksspiele im Internet verboten.<br />

LEITSATZ<br />

1. Verlangt der Kläger von einem im<br />

Ausland ansässigen Glücksspielunternehmen<br />

die Rückzahlung<br />

seiner beim Onlineglücksspiel<br />

getätigten Zahlungen in der<br />

Höhe, in der ihm hierbei Verluste<br />

entstanden sind, ist ein Rückzahlungsanspruch<br />

ausgeschlossen.<br />

Die generalpräventive Wirkung<br />

<strong>des</strong> § 817 Satz 2 BGB wirkt sich in<br />

diesen Fällen auch auf Ansprüche<br />

aus, die aus dem Widerruf der<br />

Glücksspielverträge resultieren.<br />

2. Verhält sich der Kläger, der sich<br />

nach § 285 StGB strafbar gemacht<br />

hat, ebenso vorwerfbar wie die<br />

Beklagte, die durch ihr Angebot<br />

den Straftatbestand <strong>des</strong> § 284<br />

StGB verwirklicht hat, entspricht<br />

die beiderseitige Rechtsschutzverweigerung<br />

aus § 817 Satz 2<br />

BGB dem Grundanliegen dieser<br />

Kondiktionssperre. Soweit der<br />

Kläger vorträgt, angenommen<br />

zu haben, dass die von der<br />

Beklagten angebotenen Spiele in<br />

Deutschland gesetzlich erlaubt<br />

seien, handelt es sich um einen<br />

vermeidbaren Verbotsirrtum i.S.d.<br />

§ 17 StGB, der sich auf die rechtliche<br />

Bewertung nicht auswirkt.<br />

3. Weil sich praktisch im Internet<br />

nicht verhindern lässt, dass<br />

deutsche Teilnehmer Seiten von<br />

Glücksspielanbietern im Ausland<br />

besuchen, erführe der deutsche<br />

Teilnehmer an solchen Glücksspielen<br />

einen ganz besonderen<br />

Anreiz zur Teilnahme, wenn er<br />

wüsste, dass diese ohne je<strong>des</strong><br />

finanzielle Risiko bliebe. Ein solches<br />

Ergebnis liefe dem Schutzzweck<br />

<strong>des</strong> Glücksspielstaatsvertrages,<br />

Spiel- und Wettsucht zu verhindern<br />

und den Spieltrieb in geordnete<br />

Bahnen zu lenken, zuwider.<br />

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238 Zivilrecht <strong>RA</strong> <strong>05</strong>/<strong>2022</strong><br />

Das LG Wuppertal hat in<br />

seinem Urteil weder die internationale<br />

Gerichtszuständigkeit noch<br />

die Anwendbarkeit deutschen<br />

Rechts ausgeführt. Dies wäre in einer<br />

Examensklausur aber nötig, sofern<br />

das IZPR und das IPR Bestandteil<br />

der Prüfungsordnung <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>lan<strong>des</strong><br />

sind, in dem Sie ihre Prüfung<br />

ablegen.<br />

1. Schritt: Prüfen, ob die Brüssel-Ia-VO<br />

anzuwenden ist.<br />

Ungeschriebene Voraussetzung:<br />

Angerufenes Gericht muss innerhalb<br />

der EU liegen<br />

2. Schritt: Anwendung der Brüssel-Ia-<br />

VO<br />

Art. 18 I Brüssel-Ia-VO eröffnet hier<br />

die internationale Zuständigkeit<br />

deutscher Gerichte.<br />

Kurze Ausführungen genügen<br />

Gem. Art. 6 I Rom-I-VO ist deutsches<br />

Recht anwendbar.<br />

LÖSUNG<br />

A. Eröffnung der internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte<br />

K könnte vor einem deutschen Gericht gegen B klagen, wenn die internationale<br />

Zuständigkeit deutscher Gerichte eröffnet wäre. Dies könnte sich nach<br />

der Brüssel-Ia-VO richten, wenn deren Anwendungsbereich eröffnet wäre. Die<br />

Brüssel-Ia-VO ist in sachlicher Hinsicht gem. Art. 1 I 1 Brüssel-Ia-VO in Zivil- und<br />

Handelssachen anzuwenden, sofern keine Bereichsausnahme gem. Art. 1 II<br />

Brüssel-Ia-VO greift. Vorliegend handelt es sich um eine zivilrechtliche Klage,<br />

die auf Rückzahlung von Geld gerichtet ist. Eine Bereichsausnahme ist nicht<br />

ersichtlich. Die räumlich-persönliche Anwendbarkeit der Brüssel-Ia-VO setzt<br />

voraus, dass das angerufene Gericht in einem Mitgliedsstaat der EU liegt. Dies<br />

ist bei einem deutschen Gericht der Fall. Ferner muss gem. Art. 4 Brüssel-Ia-VO<br />

der Beklagte seinen Wohnsitz in einem Mitgliedsstaat der EU haben, dem<br />

Wohnsitz entspricht bei juristischen Personen oder Personenhandelsgesellschaften<br />

gem. Art. 63 Brüssel-Ia-VO der satzungsmäßige Sitz, bzw. der Sitz<br />

der Hauptverwaltung oder –niederlassung. B hat seinen Sitz in Malta, einem<br />

Mitgliedsstaat der EU. Die Voraussetzungen der zeitlichen Anwendbarkeit<br />

gem. Art. 81 der Brüssel-Ia-VO werden eingehalten, indem die Spielverträge<br />

nach dem 10.01.2015 abgeschlossen wurden. Folglich ist die Brüssel-Ia-VO<br />

anwendbar.<br />

Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte wäre hier gem. Art. 18 I<br />

Brüssel-Ia-VO gegeben, wenn der in Wuppertal ansässige B Verbraucher wäre.<br />

Gem. Art. 17 Brüssel-Ia-VO wäre B Verbraucher, wenn er den Vertrag mit B<br />

geschlossen hätte, der nicht seiner gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit<br />

zuzuordnen ist. Hier handelte K ausschließlich zu privaten Zwecken, weshalb<br />

der Anwendungsbereich <strong>des</strong> Art. 18 I Brüssel-Ia-VO eröffnet ist.<br />

Damit ist die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte gegeben.<br />

B. Anwendung deutschen Rechts<br />

Fraglich ist, ob deutsches Recht anwendbar ist. Gem. Art. 3 EGBGB ist vom<br />

Standpunkt eines deutschen Gerichtes zu prüfen, ob der Anwendungsbereich<br />

einer EU VO eröffnet ist. In Betracht kommt die Rom-I-VO und wegen<br />

<strong>des</strong> Verbrauchervertrages als Anknüpfungsmoment Art. 6 Rom-I-VO. Weil es<br />

sich beim Spielvertrag um ein vertragliches Schuldverhältnis handelt ist die<br />

Rom-I-VO sachlich gem. Art. 1 anwendbar. Ihre räumlich-gegenständliche<br />

Anwendbarkeit folgt aus Art. 2, ihre zeitliche aus Art. 29 Rom-I-VO. Indem<br />

K in Wuppertal wohnt, er von dort aus über die deutschsprachige Internetdomain<br />

der B an den Spielen teilnahm und von seinem deutschen Girokonto<br />

die Spielteilnahmen bezahlte, ist auf den jeweiligen Spielvertrag gemäß<br />

Art. 6 Rom-I-VO deutsches Recht anzuwenden.<br />

C. Anspruch <strong>des</strong> K gegen B aus § 812 I 1 1. Alt. BGB<br />

K könnte gegen B einen Anspruch auf Rückzahlung der 9.830 € aus § 812 I 1<br />

1. Alt. BGB haben.<br />

Das LG Wuppertal hat nicht ausgeführt,<br />

ob § 812 I 1 1. Fall BGB<br />

oder § 817 S. 1 BGB die Anspruchsgrundlage<br />

ist, sondern beide mit<br />

dem Verweis auf den Ausschlussgrund<br />

<strong>des</strong> § 817 S. 2 BGB abgelehnt.<br />

I. Etwas erlangt<br />

Dann muss B etwas erlangt haben. Unter etwas ist jeder vermögenswerte<br />

Vorteil zu verstehen. Aufgrund der Überweisung <strong>des</strong> K erlangte B eine Kontogutschrift<br />

und aus dieser einen Anspruch auf Auszahlung gem. § 675t BGB.<br />

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<strong>RA</strong> <strong>05</strong>/<strong>2022</strong><br />

Zivilrecht<br />

239<br />

II. Durch Leistung <strong>des</strong> K<br />

B muss durch eine Leistung <strong>des</strong> K bereichert sein. Unter einer Leistung i.S.d.<br />

§ 812 I 1 1. Alt. BGB versteht man die bewusste und zweckgerichtete Mehrung<br />

fremden Vermögens. K bezweckte mit der Zahlung die Erfüllung einer, wenn<br />

auch nur vermeintlich bestehenden, Verbindlichkeit und hat mithin geleistet.<br />

III. Ohne rechtlichen Grund<br />

B besitzt keine Erlaubnis zum Betreiben von Glücksspielen in Deutschland. K<br />

hat erkannt, dass er an einem Glücksspiel teilnimmt und handelte insoweit<br />

vorsätzlich. Auf seine Wertung in der Laiensphäre, also auf ein Bewusstsein,<br />

gegen das Verbotsgesetz zu verstoßen, kommt es nicht an. Der zwischen K<br />

und B geschlossene Spielvertrag ist wegen beiderseitigen Verstoßes gegen ein<br />

Verbotsgesetz gem. § 134 BGB, nämlich gegen § 4 GlüStV, nichtig. Folglich<br />

zahlte K ohne rechtlichen Grund.<br />

IV. Kein Ausschluss<br />

Der Anspruch könnte analog § 817 S. 2 BGB, der über seinen nur auf § 817 S. 1<br />

BGB bezogenen Wortlaut einen Ausschlussgrund für alle Fälle der Leistungskondiktion<br />

bietet, ausgeschlossen sein. Dies wäre der Fall, wenn K ebenfalls ein<br />

Verstoß gegen ein Verbotsgesetz zur Last fällt.<br />

[12] Richtig ist zwar, dass die Zahlungen <strong>des</strong> Klägers an die Beklagte ohne<br />

Rechtsgrund erfolgten, weil die Beklagte keine Erlaubnis zur Veranstaltung<br />

von Onlineglücksspielen in Nordrhein-Westfalen hat und § 4 Abs. 4 GlüStV,<br />

der das Veranstalten und Vermitteln von Glücksspielen im Internet verbietet,<br />

ein Verbotsgesetz i.S.d. § 134 BGB ist (…), so dass der zwischen<br />

den Parteien vereinbarte Spielvertrag nichtig ist und die Beklagte durch<br />

die Annahme der Gelder nach anwendbarem deutschen Recht gegen ein<br />

gesetzliches Verbot verstoßen hat (…); allerdings greift hier die auf beide<br />

Ansprüche im vorliegenden Fall anwendbare Kondiktionssperre <strong>des</strong> §<br />

817 Satz 2 BGB (…), weil dem Kläger, der sich durch die Teilnahme an<br />

dem illegalen Glücksspiel nach § 285 StGB strafbar gemacht hat (….),<br />

gleichfalls ein solcher Verstoß zur Last fällt (…).<br />

[13] Die Kondiktionssperre <strong>des</strong> § 817 Satz 2 BGB ist im vorliegenden Fall<br />

auch nicht ausnahmsweise ausgeschlossen. Solche Einschränkungen der<br />

gesetzlichen Regelung <strong>des</strong> § 817 Satz 2 BGB, die in der Sache eine Ausnahme<br />

von dem vom Gesetzgeber beabsichtigten Regelfall darstellen,<br />

bedürfen einer nachvollziehbaren, unter Heranziehung einer teleologischen<br />

Auslegung gewonnenen Rechtfertigung (….). Eine solche ist nur<br />

dann anzuerkennen, wenn der Schutzzweck der verletzten Norm, aus<br />

der sich die Nichtigkeit ergibt, erst dann verwirklicht wird, wenn der<br />

Empfänger das Erlangte herausgeben muss (...). Ein solcher Fall liegt<br />

hier aber nicht vor. Im vorliegenden Fall verhält sich der Kläger, der<br />

sich nach § 285 StGB strafbar gemacht hat, ebenso vorwerfbar wie die<br />

Beklagte, die durch ihr Angebot den Straftatbestand <strong>des</strong> § 284 StGB<br />

verwirklicht (…). Soweit der Kläger vorträgt, angenommen zu haben,<br />

dass die von der Beklagten angebotenen Spiele in Deutschland gesetzlich<br />

erlaubt seien (…), handelt es sich um einen vermeidbaren Verbotsirrtum<br />

i.S.d. § 17 StGB, der sich auf die rechtliche Bewertung nicht auswirkt (…),<br />

weil der Kläger, der jedenfalls 15.480,00 Euro für Onlineglücksspiele ausgeben<br />

konnte und für den zu jeder Zeit aus öffentlich zugänglichen<br />

Quellen erkennbar war (….), dass die in Deutschland legal angebotenen<br />

Glücksspiele einer staatlichen Regulierung unterliegen (…), Grund und<br />

§ 4 GlüStV ist ein Verbotsgesetz mit<br />

Erlaubnisvorbehalt.<br />

Siehe zum Vorsatz auch BeckOK/Hollering,<br />

StGB, § 285 Rn. 9<br />

Das LG Köln hatte abweichend<br />

von der hiesigen <strong>Entscheidung</strong><br />

in <strong>RA</strong> 12/2021, 630 ff., eine<br />

teleologische Reduktion der Kondiktionssperre<br />

<strong>des</strong> § 817 S. 2 BGB<br />

(analog) vorgenommen.<br />

Dabei bezog es sich auf das<br />

„Schenkkreis“-Urteil <strong>des</strong> BGH vom<br />

10.11.20<strong>05</strong>, III ZR 72/<strong>05</strong>, in welchem<br />

der BGH ausgeführt hatte, dass<br />

ohne eine teleologische Reduktion<br />

<strong>des</strong> § 817 S. 2 BGB (direkt bei einem<br />

Anspruch aus § 817 S. 1 BGB oder<br />

analog bei einem Anspruch aus<br />

§ 812 I 1 1. Fall BGB) Initiatoren<br />

solcher Systeme zum Weitermachen<br />

nahezu eingeladen würden.<br />

Das LG Wuppertal vertritt hier die<br />

gegenteilige Auffassung.<br />

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240 Zivilrecht <strong>RA</strong> <strong>05</strong>/<strong>2022</strong><br />

Das LG Wuppertal ist der Meinung,<br />

dass es sowohl dem Sinn <strong>des</strong> § 817<br />

S. 2 BGB als auch dem Schutzzweck<br />

<strong>des</strong> GlüStV zuwiderlaufe, hier eine<br />

teleogische Reduktion <strong>des</strong> § 817 S. 2<br />

BGB vorzunehmen.<br />

Es sieht im Falle einer teleologischen<br />

Reduktion eine Chance für<br />

Glücksritter aller Art, risikolos an<br />

verbotenen Onlineglücksspielen<br />

teilzunehmen, weil sie im Verlustfalle<br />

ihre Einsätze per Klage<br />

zurückfordern könnten. Dies hätte<br />

eine Klageflut zur Folge, welche<br />

die Ressourcen der Gerichtsbarkeit<br />

missbräuchlich in Anspruch nehmen<br />

würde.<br />

Möglichkeit gehabt hätte, vor dem Beginn mit dem Onlineglücksspiel einen<br />

Rechtsanwalt zu befragen (…). Die beiderseitige Rechtsschutzverweigerung<br />

entspricht hier <strong>des</strong>halb nicht nur dem Grundanliegen der in<br />

§ 817 Satz 2 BGB enthaltenen Konditionssperre (…); vielmehr liefe ein<br />

anderes Ergebnis dem Schutzzweck <strong>des</strong> Glücksspielstaatsvertrages,<br />

Spiel- und Wettsucht zu verhindern und den Spieltrieb in geordnete<br />

Bahnen zu lenken, in realiter sogar zuwider: Weil sich praktisch im<br />

Internet nicht verhindern lässt, dass deutsche Teilnehmer Seiten von<br />

Glücksspielanbietern im Ausland besuchen, erführe der deutsche Teilnehmer<br />

an solchen Glücksspielen einen ganz besonderen Anreiz zur<br />

Teilnahme, wenn er wüsste, dass diese ohne je<strong>des</strong> finanzielle Risiko<br />

bliebe, weil er - was in den Fällen, in denen der Betrieb eines solchen<br />

Glücksspiels im Ausland legal ist, den ausländischen Betreibern kaum<br />

zu erklären wäre - seine Zahlungen vollständig zurückfordern könnte<br />

(…). Ein solches Ergebnis führte zu einer Klageflut und wäre mit dem<br />

ebenfalls in § 817 Satz 2 BGB aufgehenden Schutz der Ressourcen der<br />

Gerichtsbarkeit vor missbräuchlicher Inanspruchnahme nicht zu vereinbaren<br />

(….).<br />

Dieser Ansicht folgend ist der Anspruch analog § 817 S. 2 BGB ausgeschlossen<br />

und hat K keinen Anspruch gegen B auf Rückzahlung der 9.830 €.<br />

B. Anspruch aus § 817 S. 1 BGB<br />

Folgt man dieser Ansicht, scheitert aus demselben Grund auch ein Anspruch<br />

aus § 817 S. 1 BGB am Ausschlussgrund <strong>des</strong> § 817 S. 2 BGB.<br />

C. Ergebnis<br />

K kann von B nicht die Rückzahlung der 9.830 € verlangen.<br />

FAZIT<br />

Die <strong>Entscheidung</strong> <strong>des</strong> LG Wuppertal steht in Widerspruch zum Urteil <strong>des</strong><br />

LG Köln <strong>RA</strong> 12/2021, 630 ff. Das LG Wuppertal lässt sich bei seiner Auslegung<br />

<strong>des</strong> § 817 S. 2 BGB sehr stark vom rechtspolitischen Argument leiten,<br />

eine Klageflut müsse verhindert werden. Ähnlich wie es bei den „Schenkkreisen“<br />

sowie der Schwarzarbeit bereits geschehen ist, würde ein höchstrichterliches<br />

Urteil hier für Klarheit sorgen.<br />

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