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greenup #12 Leseprobe

Das Zukunfts-Magazin für einen nachhaltigen Lebensstil.

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Nachhaltiger leben!

Im Hanfmodus

Ein neuer Player der Agrarkultur

I 48

DIE WELT IM

KLAMOTTEN-

RAUSCH

Der Hype, die Folgen,

die Möglichkeiten

I 32

Solarauto

Sono Motors und der verwirklichte

Traum vom Sonnenantrieb

I 78

#12

Mai – Oktober

€ 6,90

12

4 190954 506904


62 EIN DELTA IN DER KLEMME

Das Mekongdelta leidet massiv unter Überschwemmungen

und Landverlust durch Erosion. Per Satellitenbildauswertung

kommt jetzt Hilfe für die Reiskammer Vietnams

86 LASST DIE SAU RAUS!

Kastenstand und industrielle Aufzucht müssen nicht sein.

Haben wir denn nicht mehr für diese intelligenten, sozialen

und neugierigen Wesen übrig?

© Igor Stramyk/Shutterstock.com © Nguyen Quang Ngoc Tonkin/Shutterstock.com

© Lyudmyla Kharlamova/Shutterstock.com

32 KLEIDUNG: ZU VIEL IST ZU VIEL

Schätzungsweise 80 Milliarden Kleidungsstücke spuckt die

Textilindustrie jährlich auf den Markt. Sie (und wir) richten

dadurch Schäden an, die nur die Erdölindustrie toppt.

Mode als billiges Wegwerfprodukt. Doch es gibt Auswege

54 GROSSE HITZE WEGSTECKEN

Die Städte für steigende Temperaturen fi t zu machen ist eine der

großen Herausforderungen unserer Zeit. Das wissenschaftliche

Projekt HeatResilientCity widmet sich dieser Aufgabe

© YuryKara/Shutterstock.com

4


greenup | INHALT

3 EDITORIAL

PINBOARD

6 DESIGNED TO WIN

HELDENHAFTES VOM BUNDESPREIS ECODESIGN 2021

10 ÖKOLOGISCH FILME MACHEN

LABEL GREEN MOTION IN FILM UND TV

14 TEMPERATURANSTIEG: ARKTIS UND EUROPA

AUF DEN PUNKT GEBRACHT VON KATAPULT

FASHION

16 RECYCLING VON PELZMÄNTELN

WENN DAS MATERIAL DOCH DA IST!

20 ZEIGT HER EURE SCHUH: NACHHALTIGE SNEAKER

SCHADSTOFFARM, FAIR, BUNT GEWÜRFELT

BEAUTY

STORY

24 DUFT UND WIRKUNG

ÜBER DEN NUTZEN ÄTHERISCHER ÖLE

32 KAUFEN, ANZIEHEN, WEGWERFEN

RAUS AUS DEM FAST-FASHION-WAHN

URBAN LIFE

46 20 STOCKWERKE AUS HOLZ

DAS SARA KULTURHUS IN SKELLEFTEÅ, SCHWEDEN

48 HANF: DA LACHEN FISKUS UND KLIMA. ODER NICHT?

COMEBACK EINER JAHRTAUSENDEALTEN NUTZPFLANZE

54 STÄDTE HITZERESISTENT MACHEN

EIN ANSATZ, WIE DAS GELINGEN KÖNNTE

58 NÜTZLICHES FÜR DEN GARTEN

DIY: PFLANZENDÜNGER UND SAMENBOMBEN

62 VIETNAM: LANDNUTZUNG OPTIMAL PLANEN

SATELLITENBILDAUSWERTUNG IM MEKONGDELTA

STARTUP

66 ZEITARBEIT JA – ABER SOZIAL BITTE!

MIT DER ARBEITSVERMITTLUNG SOCIALBEE

68 EINE DROHNE SCANNT DAS FELD

PFLANZENKRANKHEITEN FRÜH ERKENNEN

INVESTMENT

70 BEDINGUNGSLOSES GRUNDEINKOMMEN

UMSETZBAR ODER REINE UTOPIE?

74 PODCASTS GELD & FINANZEN

6 TIPPS ZUM THEMA

MOBILITY

FOOD

76 ERDGAS ERKLÄRT

CO 2

-BILANZ, HERKUNFT, ZUKUNFT

78 DAS ERSTE AUTO, DAS MIT SONNENENERGIE FÄHRT

AB 2023 AUF DEM MARKT: „SION“ VON SONO MOTORS

82 POTSDAM GRÜN-BLAU

DER ALTERNATIVE CITY-TRIP

85 URLAUB IN NACHHALTIGEN HOTELS

AUF NACH BRANDENBURG!

86 DIE SAU ALS INDUSTRIESTANDARD

DABEI GEHT ES DOCH AUCH ARTGERECHT

92 VEGAN VON HERZEN?

ANTWORTEN UND REZEPTE VON ANJA ROMANISZYN

96 VEGANE ÜBERRASCHUNGEN

SÜSS ODER HERZHAFT

NAVIGATOR

97 IMPRESSUM / ABONNEMENT

98 VORSCHAU

5


SO WIRD EIN SCHUH DRAUS

NATÜRLICHE UND RECYCELTE STOFFE

DER PERFEKTE SNEAKER? AM BESTEN

SCHICK, BEQUEM UND NACHHALTIG

LUFTPOLSTERFOLIE

ODER ROSA CORD

Fotos: © nat-2

Beim Unisex-Sleek Low Bubble Wrap Sneaker der Marke

Thies kommt recycelte Luftpolsterfolie zum Einsatz, die Sohlen

sind aus echtem Gummi, in der Ferse stecken Glaspartikel,

das Futter ist aus Biokeramik-Garn. € 299. Der vegane Cord

Sneaker (nat-2 Cord rose) für Damen besteht aus echtem

Cord, Kork, Zuckerrohr und recyceltem Gummi. € 119,95

nat-2.eu

UPCYCELTE

BETTWÄSCHE

der Armee steckt in dem Modell G-Helá Mid

Upcycled der Marke Genesis. Außerdem:

veganes Mikrofi berwildleder, eine nachhaltige

Korkinnensohle, Nähte und Schnürsenkel

aus recycelten PET-Flaschen, Sohle aus

mindestens 40 % Naturkautschuk.

€ 129,90

genesisfootwear.com

Sneaker-Modell G-Helá

Mid Upcycled Olive/Slate

von Genesis. € 129,90

HANF, KORK

UND BAUMWOLLE

sind die beim Ecostride Low (m/w) eingesetzten

Hauptmaterialien. Das Obermaterial

des nachhaltig produzierten Sneakers

von Jack Wolfskin besteht aus ungefärbtem

Hanf, die Sohle enthält unter anderem

Naturkautschuk. Futter und Schnürsenkel

sind aus Baumwolle. € 99,95

jack-wolfskin.de

20


greenup | FASHION

DER

BRASILIANER

MIT DER ZUCKERROHRSOHLE

Die Zwischensohle des Outdoor-Modells

Dekkan von Veja

besteht zu 70 % aus Zuckerrohr,

die Einlegesohle zu 52 %. In

der Laufsohle sind Amazonas-

Gummi (30 %) sowie Reisabfälle

(25 %) enthalten. Das Obermaterial,

die Schnürsenkel und die

Rückenschnalle setzen sich zu

100 % aus recyceltem Polyester

zusammen. Der komplette

Herstellungsprozess fi ndet unter

nachhaltigen Bedingungen in

Brasilien statt. € 145

veja-store.com

KAFFEESATZ &

NATURGUMMI

Die Eco4 Sneaker Thermal Mid Schwarz von Bleed sind mit ihrem wärmenden Teddyfutter aus

Biobaumwolle perfekt für die Übergangszeiten im Jahr. Das Obermaterial besteht aus recyceltem

PES-Kunststoff, die mit ihm vernähte Sohle enthält Kaffeesatz und zu 100 % Naturkautschuk.

Fersenkappe und Schuhzunge sind aus Kork. Hergestellt in Portugal. € 139,90

bleed-clothing.com

Die Produktion des

Londoner Unternehmens

Løci, gegründet

2021, kann der Nachfrage

flexibel angepasst

werden, um Überschüsse

zu vermeiden.

Für die Herstellung per

Hand in Porto werden

ausschließlich recyceltes

Meeresplastik, Kork

und Naturkautschuk

verwendet.

lociwear.com

VEGANES AUS

OZEANPLASTIK

Løci Nine

€ 165

21


ÄTHERISCHE ÖLE

DER EFFEKT DER

HIMMLISCHEN

Ätherische Öle (engl. Essential Oils) aromatisieren, entspannen, heilen.

Einige sind uns geläufig, hunderte erhältlich. Als Salbe, Badezusatz

oder über Duftlampen erreichen sie Haut und Hirn. Erstaunliche Erkenntnisse

lässt die Wissenschaft verlauten. Für den Hausgebrauch

gilt: Behutsam der eigenen Nase nach und ausprobieren!

© Kerdkanno/Shutterstock.com

24


greenup | BEAUTY

Hmmh, riecht das gut!

Eine Rosenblüte oder der

feuchte Waldboden. Düfte

sind in unserem Leben

von besonderer Bedeutung. Sie beeinflussen

unser Tun, warnen uns vor ungenießbarer

Nahrung, lassen uns unsere

Umwelt erfassen oder entscheiden mit

bei der Partnerwahl. Düfte haben generell,

sofern sie als angenehm empfunden

werden, einen positiven Effekt auf

das allgemeine Wohlbefinden. Wir fühlen

uns wohl, wenn wir Zimt oder Zitrone

riechen, da wir diese mit positiven

Erlebnissen der Vergangenheit verbinden

(Zimtkekse und Limonade zum

Beispiel). Der Geruchssinn und der Gefühlssinn

des Gehirns arbeiten hier eng

zusammen, blitzschnell sind schon einmal

erlebte Gefühle abrufbereit. Und

wenn die Masseurin ein heißfeuchtes,

Ätherische Öle

wirken sofort auf

die Stimmung

mit ätherischem Eukalyptusöl aromatisiertes

Tuch über Stirn und Schläfen

spannt und diese massiert, entfaltet der

charakteristische Duft gleich auf mehrfache

Weise sein Potenzial: Die Rede ist

von ätherischen Ölen, den Duftkonzentraten

aus der Pflanzenwelt.

Ätherische Öle werden sowohl eingeatmet,

was einen Einfluss auf das vegetative

Nervensystem hat, als auch einfach

und schnell von den Poren der Haut

absorbiert. Aus diesem Grund können

die Duftstoffmoleküle ihre Wirkung

etwa bei Bädern, Einreibungen und

kosmetischen Massagen besonders

gut freisetzen. Welche ätherischen Öle

welchen Effekt auf den Organismus

haben, ist wissenschaftlich zum Teil

recht umfassend dokumentiert.

AROMATHERAPIE – EINE WISSENSCHAFT

Die Begriffe „Aromatherapie“ und

„ätherische Öle“ sind nicht gesetzlich

geschützt. Gemeinhin wird als

© DC Studio/Shutterstock.com

Belebend: Aroma-Diffuser verteilen mit ätherischem Öl versetzten Wasserdampf im Raum.

Nicht zu oft und zu lange anwenden. Kleinkinder und Katzen reagieren empfindlich

Aromatherapie die therapeutisch

dosierte Anwendung von ätherischen

Ölen gesehen, die Psyche

und Körper beeinflusst. Herstellfirmen

von Kosmetik- und Wellnessprodukten

bewerben den Dufteffekt

ihrer Erzeugnisse als wirksam für das

Wohlbefinden. Doch häufig sind in diesen

synthetische oder naturidentische

Öle enthalten, deren Wirkung auf den

Organismus nicht unumstritten sind.

Als Aromatherapeutin und Aromatherapeut

arbeiten darf in Deutschland allerdings

nur, wer gemäß des deutschen

Heilpraktikergesetzes die Heilpraktikerprüfung

erfolgreich absolviert hat

PFLANZENTEILE, AUS DENEN

ÄTHERISCHE ÖLE GEWONNEN

WERDEN

Äußere Fruchtschale, Blätter, Blüten,

Früchte, Harz, Holz, Rinde, Samen,

Wurzeln, Wurzelstöcke

oder über ein abgeschlossenes Medizinstudium

verfügt.

Natürlich ist das Wissen der Aromatherapie

zum Teil Jahrhunderte alt

und keinesfalls aus der Luft gegriffen.

Sie war stets ein wichtiger Teilbereich

der medizinischen Pflanzenheilkunde

und hatte schon in längst vergangenen

Epochen und Kulturen einen hohen

Stellenwert in der therapeutischen,

kosmetischen und rituellen Praxis.

Historische Belege dafür gibt es reichlich,

man schaue nur nach Indien oder

Ägypten oder ins antike Griechenland.

Wie sehr Medizinerinnen und Mediziner

sich heutzutage beispielsweise mit

der antibakteriellen und entzündungshemmenden

Wirkung von ätherischen

Ölen auseinandersetzen, macht die

Anzahl der Veröffentlichungen deutlich.

Die renommierte medizinische

Online-Nationalbibliothek der USA

(pubmed.gov) umfasste im Februar

2022 fast 6.000 Publikationen allein

zu den antibakteriellen Eigenschaften

25


DIE WELT IM

KLAMOTTEN-

RAUSCH

32


greenup | STORY

Wir kaufen Kleidung wie die Besessenen. Und schmeißen sie

schnell wieder auf den Müll. Dabei gilt: Je billiger desto besser.

Dieses Verhalten quält Millionen Menschen und vergiftet den

Planeten. Doch es gibt Wege, die zu mehr Langlebigkeit und Nachhaltigkeit

der eigenen Kollektion beitragen. Als Königsdisziplin

fordert die Schaffung echter Stoffkreisläufe alle Beteiligten heraus

Text: Jochen Korte

33

© GoodStudio/Shutterstock.com © Anatolii Riepin/Shutterstock.com © Löffel: rangizzz/Shutterstock.com


Was ziehe ich bloß heute

an? Diese Frage stellen

sich Millionen Menschen

in Deutschland,

jeden Tag. Sie bewegt sich emotional

zwischen Lust und Last, denn einerseits,

so die Psychologie, möchten wir durch

die Wahl der Kleidung Individualität

und die Zugehörigkeit zu einem Lifestyle

ausdrücken, uns selbst also darstellen.

Andererseits werden wir mit einer

Flut von bis zu 50 Modetrends pro Jahr

bombardiert. Jede Woche hängt etwas

Neues im Schaufenster, möglichst billig

natürlich. Ein schillerndes Angebot,

das herausfordert und beeinflusst. Die

Permanent-Offensive der Bekleidungsindustrie

animiert zum Konsum – nachhaltig

geboostert durch Insta und Co.

Die Welle rollt:

Jede Woche eine

neue Kollektion

Kleidung hat bei uns einen hohen Stellenwert,

ihre Qualität hingegen nicht. Sie

ist heute Wegwerfware, Altkleidercontainer

sind ihre Abfalleimer. Die Zahlen

drücken es klar aus: Heute wird doppelt

so viel Kleidung gekauft wie noch vor 20

Jahren, aber nur halb so lange getragen.

Bis zu 120 Milliarden Kleidungsstücke

werden pro Jahr produziert (Quelle:

Hochschule Reutlingen). Ein Fünftel der

Kleidung wird gar nicht verkauft und

40 Prozent der konsumierten Kleidung

wird laut Greenpeace sogar nie angezogen.

In Europa fallen jährlich mehr

als zwei Millionen Tonnen Textilmüll

an, Tendenz steigend. Wir nennen das

„Fast Fashion“ oder „Unfair Fashion“,

wie die Buchautorin Dana Thomas – da

Mensch und Klima durch die Produktion

und ihre Folgen über alle Maßen in

Mitleidenschaft gezogen werden. Wie

konnte es dazu kommen?

GLOBALISIERUNG UND VERLAGERUNG

Mit der Erfindung des Maschinenwebstuhls

gegen Ende des 18. Jahrhunderts

© Toltemara/Shutterstock.com

60

Kleidungsstücke

werden in Deutschland

pro Kopf und

Jahr gekauft

Das macht:

391 kg Rohstoffe

9 m3 Wasser

400 m2 Land

Quelle: European Environment Agency

und der fortschreitenden Mechanisierung

der Textilindustrie im 19. Jahrhundert

konnten in Westeuropa zunehmend

große Stückzahlen hergestellt werden.

Technische Innovationen, wie die Erfindung

der Nylonfaser in den 1930er-Jahren

und weiterer synthetischer, erdölbasierter

Materialien, brachten auf einmal

ganz neue Eigenschaften mit sich: Kleidungsstücke

waren jetzt robust, dehnbar

und pflegeleicht. Ab den 1950er-Jahren

entstanden große Nähfabriken in der

Das ist

doppelt so viel

wie vor 20 Jahren

und die Kleidung wird

nur halb so lange

getragen

Volksrepublik China – die „Wanderung

der Weltnähmaschine“ begann. Sie folgt

bis heute dem unternehmerischen Kompass

in die Richtung niedriger Lohnkosten

und geringer Umweltauflagen (siehe

Grafik). Die Tatsache, dass sich in den

letzten 40 Jahren zunehmend ein länderund

kulturübergreifender Einheitslook

aus Jeans, T-Shirts und Sneakern herausbildete,

hat zum Heranwachsen der

heutigen gigantischen und globalisierten

Textilindustrie beigetragen.

34


greenup | STORY

Die Textilindustrie

ist eine der umweltschädlichsten

Industrien überhaupt.

löhne, hohe Geräuschpegel, schlechte

Luft und ein gering gesicherter Umgang

mit gesundheitsschädlichen Stoffen

gehören zum Alltag des Millionenheeres

der Fast-Fashion-Industrie.

Sie emittiert

1,7 Milliarden Tonnen CO 2

pro Jahr. (So viel wie Flugverkehr

und Schifffahrt zusammen)

Sie verbraucht

des weltweit verfügbaren

Süßwassers.

4 %

+

UMDENKEN IN ANSÄTZEN

Immerhin hat die Katastrophe von

Rana Plaza im Jahr 2013, als eine marode

Textilfabrik in Bangladesch einstürzte,

1.100 Menschen starben und

2.500 verletzt wurden, sich ins kollektive

Bewusstsein gebrannt. Mit dem

Erfolg, dass die meisten Menschen der

westlichen Welt nun wissen was dort

passiert. Als Konsequenz hat die Bundesregierung

im Jahr 2019 mit dem

Zertifikat Grüner Knopf das erste staatliche

Erkennungszeichen für nachhaltig

hergestellte Textilprodukte geschaffen.

Teilnehmende Unternehmen müssen

sich und ihre Produkte anhand fester

Kriterien auf soziale und ökologische

Tauglichkeit prüfen lassen. Zu den

82 lizenzierten Unternehmen (Stand

03/2022) gehören große Namen wie

Sie hat einen Anteil von

an der globalen Wasserverschmutzung.

20 %

Eine Entgiftungskur

der Produktion

wäre dringend nötig

Grafiken: © Vector things (Flugzeug), Makhnach_S (Schiff),

Ira Che (Baumwolle), Anna Litvin (Wasserhahn),

Macrovector (Schmutzwasser), ecco (T-Shirt),

Emil Timplaru (Waschmaschine), ivelly (Jeans) / Shutterstock.com

Wo, geografisch gesehen, auch immer

diese Big-Scale-Produktion in Zukunft

stattfindet – derzeit stehen einige afrikanische

Länder hoch im Kurs –, so

ergibt sich überall ein ähnliches Bild:

In einer Textilfabrik schneiden, nähen

und verpacken Hunderte oder sogar

Tausende Näherinnen im Akkord für

den globalen Norden. Die Arbeitsbedingungen

grenzen häufig und immer

noch an Ausbeutung und moderne

Sklaverei. 12-Stunden-Tage, Hunger-

33 %

des Mikroplastiks

in den Meeren wird

durch das Waschen freigesetzt.

1 Jeans:

8.000 Liter Wasser

15,7 Kilogramm CO 2

garniert mit giftigen

Chemikalien, Schwefelund

Stickoxiden

Aldi, Tchibo oder Jack Wolfskin. Auch

wenn noch nicht alle Fragen geklärt

sind, etwa wann die gesamte Lieferkette

durch das Siegel abgedeckt sein

wird oder wie genau geprüft wird, so

erreicht man doch wenigstens bereits

eine Vielzahl an Konsumierenden.

Diese und andere Initiativen sind jedoch

nur ein Tropfen auf dem heißen Stein.

Viele Modefirmen machen bisher einfach

nicht mit. So ist es nicht verwunderlich,

dass die Arbeitsbedingungen vielerorts

nach wie vor prekär sind, wie Journalistinnen

und Journalisten berichten.

Wer kann schon die vielen asiatischen

Sub- und Sub-Sub-Unternehmen der

Mode-Giganten H&M, Inditex (Zara)

oder Primark, um nur einige Beispiele zu

nennen, wirklich kontrollieren?

35


DAS BRENNGLAS

DES KLIMAWANDELS

Der Klimawandel ist da. Der Blick zurück in die Sommer

2018 und 2019 erinnert an Hitzeperioden, die zunehmend

auch für unsere Städte zur Herausforderung werden. Projekte

wie „HeatResilientCity“ entwickeln Anpassungsstrategien

Wetterextreme wie beispielsweise

Hitzewellen nehmen

zu. In den 1950er-Jahren

gab es im bundesweiten Durchschnitt

pro Jahr etwa drei „Heiße Tage“. So

bezeichnen Meteorologen Tage, an

denen die Temperatur auf 30 Grad

Celsius oder höher steigt. Im Zeitraum

1991 bis 2019 stieg deren Anzahl

bereits auf durchschnittlich 8,8

Tage pro Jahr. Auch die Häufigkeit

und Intensität von Hitzewellen in

Deutschland haben sich verändert,

in vielen Regionen kommt es seit

den 1990er-Jahren zu einer massiven

Häufung. Durch den Klimawandel

steigt das Risiko für extreme Wetterlagen

und sie werden intensiver,

so die Warnungen. Bei ungebremstem

Treibhausgasausstoß wird für

den Zeitraum 2021 bis 2050 eine

weitere Zunahme um fünf bis zehn

heiße Tage in Norddeutschland und

um zehn bis 15 heiße Tage in Süddeutschland

erwartet.

STÄDTE WERDEN ZU HITZEINSELN

Als Ergebnis dieser Entwicklungen

werden die Städte immer häufiger zu

sogenannten „Heat Islands“. Diese

Hitze- oder Wärmeinseln umschreiben

den Temperaturunterschied einer

Stadt zu ihrem Umland. Das heißt,

54


greenup | URBAN LIFE

© iStock.com/piranka

Mehr Grün kühlt die Stadt. Ein Quadratmeter grünes Dach fi ltert im Jahr etwa

0,2 Kilogramm Schadstoffe aus der Luft

© 2mmedia/stock.adobe.com

dort ist es nochmal heißer als in der

Umgebung. Die fortschreitende Urbanisierung

führt dazu, dass der Anteil

durch Hitze belasteter Gebiete einer

Stadt deutlich ansteigt. Eine zunehmende

Versiegelung des Bodens, die

direkte Abführung von Wasser über

die Kanalisation, ein geringer Grünanteil,

die Speicherung von Wärme in

Bauten, die Emission von Luftschadstoffen

sowie Abwärme und eine reduzierte

Luftzirkulation aufgrund der Baustruktur

beeinflussen das Lokalklima

negativ.

HEATRESILIENTCITY

Die Folgen des Klimawandels werden

uns in den Städten sehr deutlich vor

Augen geführt. „Auf die zunehmenden

Hitzewellen sind unsere Städte nicht

ausreichend vorbereitet“, sagt Professorin

Dr. Heidi Sinning, Leiterin des Instituts

für Stadtforschung, Planung und

Kommunikation der Fachhochschule

Erfurt. „Obwohl die Hitze im Vergleich

Dächer müssen

Grünflächen werden

zu anderen Extremwetter-Ereignissen

für den Menschen am gefährlichsten

ist.“ Forschungsprojekte, in denen Wissenschaft

und Praxis gemeinsam mit

der Bürgerschaft neue Lösungen erarbeiten,

um Städte und Quartiere widerstandsfähiger

gegenüber Klimaveränderungen

zu gestalten, haben deshalb eine

immense Bedeutung.

„HeatResilientCity“ (Hitzeangepasste

Stadt) ist ein solches Projekt. Das

transdisziplinäre Verbundprojekt wird

seit 2017 vom Bundesministerium

für Bildung und Forschung (BMBF)

als Vorhaben der „Leitinitiative Zukunftsstadt“

gefördert. Zum Projektverbund

gehören: das Leibniz-Institut

für ökologische Raumentwicklung

(IÖR) in Dresden, das Institut für

Stadtforschung, Planung und Kommunikation

der Fachhochschule Erfurt

(ISP), das Institut für Hydrologie

und Meteorologie der Technischen

Universität Dresden, die Hochschule

für Technik und Wirtschaft (HTW)

Dresden, das Umweltamt der Landeshauptstadt

Dresden, das Umwelt- und

Naturschutzamt der Landeshauptstadt

Erfurt, die Eisenbahner-Wohnungsbaugenossenschaft

Dresden

sowie das Amt für Gesundheit und

Prävention der Landeshauptstadt

Dresden.

55


NEXT

Die Zukunft des Bauens

Die Frage wie wir zukünftig bauen wollen (oder müssen) impliziert viele Faktoren.

Ein ganz wichtiger ist der Umgang mit Rohstoffen. Die EU-Kommission

gab 2019 an, dass der gesamte Bausektor 50 Prozent der Primärrohstoffe

verschlingt und für mehr als ein Drittel des Festmüllaufkommens in der EU

verantwortlich ist. Bald werden Ressourcen wie Sand, Kupfer, Holz und

Kies nicht mehr verfügbar sein. Schon jetzt ist das Material auf den Baustellen

knapp, die lineare Wirtschaft führt in eine Sackgasse. Ressourcensparendes

Bauen lautet jetzt das erste Gebot der Stunde, Rohstoffrecycling

das zweite. Welche technischen Möglichkeiten und Planungen gibt es

diesbezüglich? Außerdem Baubionik: Welche Prinzipien und Phänomene

der Natur können wir uns für unser Bauwesen abschauen?

Mehr dazu in der nächsten Ausgabe

greenup #13 – ab 04.11.2022 im Handel

© Bannafarsai_Stock/Shutterstock.com

98

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