Werkstatt-Blatt 2022/Sonderausgabe
Das WERKSTATT-Blatt (vorm.guernica) ist die offizielle Publikation der Solidarwerkstatt Österreich. Die aktuellen Ausgaben des WERKSTATT-Blatts sind im Abonnement erhältlich. WERKSTATT-Blatt Abo für 10 Ausgaben bestellen um Eur 12,- oder 5 Ausgaben um Eur 7,- . Ein Probeexemplar schicken wir gerne kostenlos zu. Bestellen unter: T 0732 77 10 94 oder per mail: office@solidarwerkstatt.at
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Elementarbildung
10
„unszreißts!“-Proteste der Elementarpädagogik
Zukunft der Kinder adé?
Der Widerstand der Elementarpädagog*innen
gegen
die prekären Zustände
in der Kinderpädagogik
und -betreuung geht weiter.
Ende März 2022 waren
alleine in Linz 2.000
Betroffene auf der Straße.
Alltägliche Überlastung
80% der Elementarpädago-
*ginnen haben zuwenig
Zeit, um mit Kindern Bildungsaufgaben
umzusetzen, ergab eine
Studie der Arbeiterkammer OÖ.
Nur 16% haben ausreichend Zeit,
auf individuelle Bedürfnisse der
Kindern einzugehen. Die Gruppengrößen
werden größer statt
kleiner - und das nicht erst seit
den pandemiebedingten Schwierigkeiten.
Der Betreuungsbedarf
steigt, aber der Ausbau der Einrichtungen
und das Aufstocken
des Personals kommt nicht nach.
Sinnstiftende Arbeit -
Schlechte Bezahlung
90% der Beschäftigten in der
Elementarpädagogik halten ihre
Arbeit für sinnstiftend, doch nur
14% sind mit der Entlohnung
zufrieden, so die Ergebnisse der
AKOÖ-Studie.
Hintergrund EU-Fiskalpakt
Hintergrund für die völlig unzureichenden
Budgets im sozialen
Bereich ist die Einführung
neuer fiskalpolitischer Regeln
seit 2010/12 auf EU-Ebene, insbesondere
des EU-Fiskalpakts.
Strikte Defizit- und Verschuldungsvorschriften
machen aus
der „Schuldenbremse“ de facto
eine „Investitionsbremse“, die
zu Lasten wichtiger öffentlicher
Zukunftsausgaben geht. Infolge
der Coronakrise wurden diese
EU-Vorgaben zwar vorübergehend
ausgesetzt. Ab 2023 sollen
sie jedoch wieder voll wirksam
werden. Aufgrund der durch die
Krise gestiegenen öffentlichen
Verschuldung droht damit ein
noch schärferer Sozial- und Bildungsabbau
(sh. Seite 12).
Die Solidarwerkstatt Österreich
fordert für die Elementarpädagogik
mehr
Personal, kleine Gruppen
und eine Verbesserung
der Arbeitsbedingungen
ebenso wie den Ausbau
der Einrichtungen, besonders
im ländlichen Raum.
Mehr ist im Faltblatt
„Die Arbeit mit unseren
Jüngsten ist MehrWert!“
zu erfahren. Es kann bei
der Solidarwerkstatt bestellt
werden.
Der Kindergarten wäre ein idealer Ort
um Chancen-Ungleichheit zu bekämpfen
Eine Kindergartenpädagogin, die anonym bleiben möchte, beschreibt
den Alltag: „Einmal habe ich drei Kindern zur Sprachförderung
ein Buch vorgelesen, sie waren hoch konzentriert, alles war
also in Ordnung. Da zupft mich plötzlich ein Bub am Arm - er musste
dringend aufs Klo und bekam die Hose nicht auf.” Die Lesestunde
wurde natürlich sofort unterbrochen, während sie mit dem Kind
auf die Toilette gehen will, bemerkt sie eine Rangelei am anderen
Ende des Raumes. Dort sollte eine kleine Gruppe von Kindern mit
Bauklötzen spielen, schlägt sich aber stattdessen damit. Gleichzeitig
betritt eine Mutter den Raum, die dringend mit der “Tante” den
Menüplan besprechen will, der ihrer Meinung nach alles nur nicht
kindgerecht ist. “Und dann kam auch noch eine Kollegin dazu, die
mir Vorwürfe machte, weil ich mit meiner bürokratischen Arbeit im
Verzug war und irgendeine Liste von mir wollte,” so die Pädagogin.
An solchen Tagen denkt sie daran, den Job hinzuschmeißen.
(Quelle: www.moment.at)
Raphaela Keller war Vorsitzende des österreichischen Berufsverbands
der Kindergarten- und Hortpädagog*innen. Sie kämpft seit
Jahren für bessere Arbeitsbedingungen und betont, dass ihr und vielen
KollegInnen vor allem das Wohl der Kinder ein Anliegen ist:
„Bildung passiert bei Kindern ab dem Zeitpunkt, wo sie auf die Welt
kommen. Wir lernen in unserer Ausbildung alles über Entwicklungsschritte
und wie toll wir Kinder fördern könnten. Doch in der Praxis
können wir das alles nur schlecht oder gar nicht umsetzen.”
Vor allem Kindern aus bildungsfernen Familien könnte so ein anregendes
Umfeld geboten werden. Der Kindergarten ist eine Chance,
den Anschluss zu Gleichaltrigen zu halten. Im verpflichtenden Kindergartenjahr
wird die Möglichkeit einer idealen Sprachförderung
für Kinder mit Migrationshintergrund oft verspielt.
(zitiert nach www.moment.at)