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DVS_Bericht_379LP

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2022<br />

<strong>DVS</strong>-BERICHTE<br />

Schweißen im Anlagenund<br />

Behälterbau


Schweißen im Anlagenund<br />

Behälterbau<br />

Vorträge der gleichnamigen Sondertagung<br />

in München vom 03. bis 06. Mai 2022<br />

Gemeinschaftsveranstaltung des <strong>DVS</strong> –<br />

Deutscher Verband für Schweißen und<br />

verwandte Verfahren e. V., Landesverband<br />

Bayern und Bezirksverband München, der<br />

GSI – Gesellschaft für Schweißtechnik<br />

International mbH, Niederlassung SLV München,<br />

und der TÜV SÜD Industrie Service GmbH


Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek<br />

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;<br />

detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.<br />

<strong>DVS</strong>-<strong>Bericht</strong>e Band 379<br />

ISBN 978-3-96144-178-5 (Print)<br />

ISBN 978-3-96144-179-2 (E-Book)<br />

Die Vorträge wurden als Manuskript gedruckt.<br />

Alle Rechte, einschließlich Übersetzungsrecht, vorbehalten. Nachdruck und Vervielfältigung dieses<br />

Bandes oder von Teilen desselben nur mit Genehmigung der <strong>DVS</strong> Media GmbH, Düsseldorf.<br />

© <strong>DVS</strong> Media GmbH, Düsseldorf ⋅ 2022<br />

Druck: Print Media Group GmbH & Co. KG, Hamm


Vorwort<br />

Die Veranstalter, die GSI mbH, Niederlassung SLV München, die TÜV SÜD Industrie Service GmbH, der<br />

Landesverband Bayern und der Bezirksverband München des <strong>DVS</strong> e.V. laden zum 50. Mal zur schweißtechnischen<br />

Fachtagung „Schweißen im Anlagen- und Behälterbau“ in die Räumlichkeiten des Künstlerhauses am Lenbachplatz<br />

im Herzen Münchens ein.<br />

Auch bei dieser Jubiläumstagung sind die Veranstalter darauf bedacht, durch die Vorträge aktuelle Entwicklungen in<br />

der Schweiß- und Prüftechnik, Neuerungen auf dem Gebiet der Regelwerke und Qualitätssicherung, Informationen<br />

über Werkstoffentwicklungen sowie Schweißverfahren und deren besondere Anwendungen vorzustellen und zu<br />

diskutieren. Vorträge mit Anwendungsbeispielen aus dem Bereich der Fertigung und Anwendung runden das<br />

Programm ab.<br />

Die Arbeitsgruppen an den Nachmittagen bieten den Teilnehmerinnen und Teilnehmern nicht nur eine Plattform für<br />

Diskussionen, sondern auch die Möglichkeit, eigene Fragestellungen einzubringen.<br />

Nicht zuletzt bietet die Sondertagung weitere Möglichkeiten des Austausches von Fachinformationen und<br />

persönlichen Erfahrungen und ist für das Knüpfen neuer Kontakte, der Vertiefung bestehender Kontakte sowie der<br />

Netzwerkbildung von erheblichem Nutzen.<br />

Der vorliegende <strong>Bericht</strong>sband enthält die Manuskripte der Vorträge, die auch auf der beigefügten USB-Card als PDF-<br />

Datei enthalten sind.<br />

Die Veranstalter dieser Sondertagung danken den Vortragenden und Fachreferenten, den Diskussions- und<br />

Arbeitsgruppenleitern sowie allen, die zum Gelingen der Veranstaltung beigetragen haben. Dank gilt auch der <strong>DVS</strong><br />

Media GmbH für die Veröffentlichung des <strong>Bericht</strong>sbands.<br />

München, im Mai 2022<br />

Dipl.-Ing. Michael Dey Dipl.-Ing. F. Neuwieser Prof. Dr.-Ing. Prof. h. c. D. Böhme<br />

GSI mbH, NL SLV München TÜV SÜD Industrie Service GmbH <strong>DVS</strong> e. V, LV Bayern, BV München


Inhaltsverzeichnis<br />

Vorwort<br />

Basis-Information: Vorwärmen, Flammrichten, Tiefeninduktion<br />

Vorwärmen wozu? .................................................................................................................................. 1<br />

G. Wackerbauer, München<br />

Tiefeninduktion und ihre schweißtechnischen Anwendungen ................................................................. 4<br />

T. Vauderwange, Offenburg<br />

Flammrichten – altbewährt und immer noch relevant ............................................................................ 13<br />

T. Ammann, München<br />

Flammrichten von hochfesten, vergüteten Baustählen der Güten S960 QL und S1100 QL, was ist<br />

möglich und wie gut ist der Richterfolg ................................................................................................. 19<br />

J. Vogelsang, Duisburg<br />

Eröffnungsvortrag<br />

30 Jahre Behälterbau – Erfahrungsbericht eines Herstellers ................................................................ 27<br />

G. Wimmer, Tacherting<br />

Regelwerke und Qualitätssicherung<br />

Anforderungen an den neuen britischen Markt, UKCA (Pendant zu CE-Kennzeichnung)<br />

hier Druckgeräte und einfache Druckbehälter ....................................................................................... 31<br />

E. Springborn und A. Stäblein, München<br />

100 Jahre Schweißerprüfung, 10 Jahre ISO 9606-1 – Ein Erfahrungsbericht ………………. ................. 33<br />

J. Mußmann, Meerbusch<br />

EN 13480 Rohrleitungen für Wasserstoff– Wo geht die Reise hin? ...................................................... 44<br />

A. Kittel, R. Hermann, Pullach<br />

Vergleich von Rohrleitungen nach ASME B31.3 und EN 13480 ........................................................... 52<br />

D. Kölbl, Essen


Werkstoffe, Prüfung und Verfahren<br />

Baseline RBI – Mehr Wert an der Schnittstelle zwischen Baugruppen Hersteller und<br />

Anlagenbetreiber ................................................................................................................................... 57<br />

R. Kauer und R. Vogel, München<br />

Optimierungspotenziale bei der Auswahl von Draht/Schutzgas-Kombinationen beim MAG-Schweißen<br />

unlegierter Stähle im Hinblick auf anwendungsspezifische Anforderungen in der Praxis ...................... 61<br />

R. Paschold und L. Riehl, Langenfeld<br />

Besonderheiten bei der schweißtechnischen Verarbeitung von Nichtrostenden Stählen – von<br />

austenitischen CrNi-Stählen bis zu Super-Duplexstählen ..................................................................... 71<br />

G. Weilnhammer, Forstern<br />

Remote Inspection – ein Erfahrungsbericht aus Betreibersicht ............................................................. 77<br />

P. Sabatino und T. Spancken, Ludwigshafen<br />

Leistungssteigerung im UP-Verfahren bei Erfüllung der Qualitätsanforderungen an Beispielen aus der<br />

Praxis ................................................................................................................................................... 84<br />

E. Engindeniz, Freimersheim; N. Akkus und A. Karaaslan, Istanbul/TR<br />

Fertigung und Anwendung<br />

MSG-Schweißen: Innovation in einem konservativen Umfeld ‒ Wie können Anwender unter<br />

Berücksichtigung enger Normen und Richtlinien wirtschaftliche Vorteile generieren? ........................... 92<br />

D. Kocab, Buseck<br />

Über Schweißdrahtoberflächen und ihre Wirkung auf das MSG- und WIG-Verfahren ........................ 100<br />

R. Fichtner, Bad Neustadt; P. Terliesner, Ahaus; A. Borner, Duisburg; K. Niepold, Mülheim an der Ruhr<br />

Schadensfall an einer Fernwärmeleitung durch fehlerhafte HFI-Schweißung der Längsnähte ............ 110<br />

P. Gerster, Ehingen<br />

Modifikation von Aluminium Gussbauteilen per Wire Arc Additive Manufacturing ............................... 116<br />

M. Schnall, T. Klein, C. Schneider, M. Silmbroth, S. Ucsnik; Ranshofen/AT<br />

Herausforderung bei der Schweißreparatur eines Dampfturbinenrotors vor Ort in Australien ............. 121<br />

S. Keller, Birr/CH<br />

Verfasserverzeichnis ........................................................................................................................ 132


Vorwärmen wozu?<br />

G. Wackerbauer, München<br />

In der Schweißtechnik wird häufig das Vorwärmen von Bauteilen angewendet. Die Gründe für das Vorwärmen sind<br />

jedoch unterschiedlicher Art und sollen in diesem Vortrag grob dargestellt werden.<br />

1 Vorwärmen umwandlungsfähiger Stähle<br />

Als umwandlungsfähige Stähle werden im Allgemeinen Stähle bezeichnet, die bei erhöhter Abkühlgeschwindigkeit<br />

die Umwandlung von Austenit zu Martensit vollziehen. Der Anteil des gebildeten Martensits hängt beim Schweißen<br />

hauptsächlich von folgenden Faktoren ab:<br />

• Chemische Zusammensetzung des Stahls<br />

• Abkühlgeschwindigkeit<br />

• Bauteilgeometrie und Wärmeableitung<br />

• Wärmeeibringung des Schweißprozesses<br />

Da der Anteil des Martensits die Kaltrissempfindlichkeit maßgeblich bestimmt, muss in Abhängigkeit der oben genannten<br />

Faktoren gegebenenfalls das zu verschweißende Bauteil vorgewärmt werden. Empfehlungen zur Wahl der<br />

geeigneten Wärmeführung gibt die Normenreihe DIN EN 1011 in ihren Teilen 1 bis 8. DIN EN 1011-2 behandelt das<br />

Schweißen ferritischer Stähle, mit Ausnahme der rostfreien ferritischen Stähle. Zur Bestimmung der geeigneten Wärmeführung<br />

sieht die Norm die Methoden A und B zur Bestimmung der Vorwärmtemperatur für unlegierte Stähle,<br />

Feinkornbaustähle und niedriglegierte Stähle vor.<br />

Bei der vereinfachten Methode A können Standardwerte aus Tabellen für die Wärmeeinbringung und den diffusiblen<br />

Wasserstoffgehalt mit dem zu betrachtenden CEV und Materialdicke bzw. Stoßform zur Bestimmung der Vorwärmtemperatur<br />

herangezogen werden. Die Bestimmung der Vorwärmtemperatur erfolgt mit Hilfe von graphischen Darstellungen.<br />

Die Methode B sieht die Berechnung der Abkühlzeit t8/5 und der Vorwärmtemperatur durch unterschiedliche Formeln,<br />

unter Beachtung unterschiedlicher Einflussfaktoren und deren Kombination, vor.<br />

In der Norm DIN EN 1011-2 ist ein Beispiel zur Bestimmung der Vorwärmtemperatur nach Methode A enthalten.<br />

Bild 1. Abkühlung und Gefügeausbildung<br />

Bild 2. ZTU-Diagramm<br />

2 Vorwärmen von Duplexstählen<br />

Hochlegierte austenitisch-ferritische- (Duplex-) Stähle zählen nach Festlegung im Punkt 1 nicht zu den umwandlungsfähigen<br />

Stählen, da – im Normalfall – die Umwandlung von Austenit in Martensit nicht abläuft. Trotzdem führt<br />

der Duplexstahl während der Abkühlung eine Umwandlung durch. Duplexstähle erstarren aus der Schmelze vollständig<br />

in der δ-ferritischen Struktur und wandeln im Temperaturbereich zwischen 1200 °C und 800 °C im Idealfall<br />

ca. 50 % davon in γ-Fe um (vgl. Bild 3). Die Menge des sich bildenden Austenits ist neben der chemischen Zusammensetzung<br />

des Werkstoffs auch maßgeblich von der Abkühlgeschwindigkeit abhängig. Um Phasenbildungen und<br />

Heißrisse zu vermeiden, müssen Duplexstähle mit begrenzter Wärmeeinbringung in der Stichraupentechnik geschweißt<br />

werden. Damit sich trotz der erhöhten Abkühlgeschwindigkeit, bedingt durch die begrenzte Wärmeeinbringung,<br />

ausreichend Austenit bilden kann, müssen Duplexstähle in der Regel ab 10 mm Wanddicke vorgewärmt werden.<br />

Ein Ferritsaum in der WEZ neben der Schmelzlinie ist aber kaum vermeidbar (vgl. Bild 4).<br />

<strong>DVS</strong> 379 1


Bild 3. Austenitisch-ferritischer (Duplex-) Stahl |<br />

Bild 4. δ- und γ- Fe in der WEZ<br />

3 Vorwärmen von Aluminium<br />

Trotz des deutlich niedrigeren Schmelzpunktes besitzt Aluminium gegenüber Stahl eine höhere Schmelzwärme qs.<br />

In Verbindung mit der, gegenüber Stahl auch deutlich höheren Wärmeleitfähigkeit λ muss durch den Schweißprozess<br />

sichergestellt werden, dass eine ausreichend hohe Wärmemenge zur Verfügung steht, um den Grundwerkstoff aufzuschmelzen.<br />

Ist die Höhe der möglichen einzubringenden Wärmeenergie, wie z. B. beim WIG-Schweißen durch die Belastbarkeit<br />

der Wolframelektrode beschränkt, so können insbesondere bei höheren Wanddicken sowohl ein ausreichender Einbrand<br />

als auch ein wirtschaftliches Schweißen nicht mehr gewährleistet werden. Beim MIG-Schweißen mit abschmelzender<br />

Elektrode reicht bei höheren Wanddicken am Nahtanfang die zur Verfügung stehende Wärmemenge nicht<br />

aus, um vor dem Ablösen des Schweißguttropfens den Grundwerkstoff aufzuschmelzen.<br />

Der Werkstoff Aluminium muss zur Verbesserung des Einbrandes und zur Reduzierung / Vermeidung von Bindefehlern<br />

vorgewärmt werden. Da je nach Werkstoffzustand (Hx, Tx) bereits ab einer Temperatur von ca. 120 °C eine<br />

Wärmebehandlung durchgeführt wird, welche die mechanischen Eigenschaften des ursprünglichen Werkstoffzustandes<br />

negativ beeinflusst, sind die Vorwärmtemperatur und die Vorwärmdauer gegenseitig abzustimmen und zu begrenzen.<br />

4 Vorwärmen<br />

Nach DIN EN ISO 13916 ist die Vorwärmtemperatur Tp die „Temperatur im Schweißbereich des Werkstückes<br />

unmittelbar vor jedem Schweißvorgang“. Sie wird üblicherweise als Mindesttemperatur für alle Schweißarbeiten an<br />

einem Werkstoff / Bauteil angegeben (Tp = Ti,min). Unter Zwischenlagentemperatur Ti versteht die oben genannte<br />

Norm die „Temperatur in einer Mehrlagenschweißung und im angrenzenden Grundwerkstoff unmittelbar vor dem<br />

Schweißen der nächsten Raupe“, die üblicherweise als Maximaltemperatur angegeben wird. Die Zwischenlagentemperatur<br />

ist demnach immer ein Temperaturintervall zwischen Tp und Ti.<br />

Bild 5: Messung der Vorwärmtemperatur (BW)<br />

Bild 6: Messung der Vorwärmtemperatur (FW)<br />

Um eine möglichst gleichmäßige Vorwärmung zu gewährleisten, ist die Vorwärmtemperatur im Abstand A von der<br />

anzufertigenden Schweißnaht zu messen. Dabei gilt für Wanddicken ≤ 50 mm, A = 4 x t, ≤ 50 mm und für Wanddicken<br />

> 50 mm, A ≥ 75 mm. Die Zwischenlagentemperatur muss auf dem Schweißgut oder auf dem direkt<br />

angrenzenden Grundwerkstoff im Schweißbereich unmittelbar vor dem Schweißen der nächsten Lage (oder<br />

ggf. auch Raupe) gemessen werden.<br />

2 <strong>DVS</strong> 379


Zur Temperaturmessung können temperaturempfindliche Mittel (z. B. Stifte oder Farben) (TS), Kontaktthermometer<br />

(CT), Thermoelement (TE) oder berührungslos messende optische oder elektrische Geräte (TB) eingesetzt werden.<br />

5 Zusammenfassung<br />

Unterschiedliche Werkstoffe müssen, wie beschrieben, aus den unterschiedlichsten Gründen vorgewärmt werden.<br />

Bei der Festlegung der Vorwärmtemperatur und zum Teil der Vorwärmdauer sind die Auswirkungen auf die Gefügeveränderungen<br />

und die damit verbundenen Änderungen der mechanisch technologischen Werte bis hin zur chemischen<br />

Beständigkeit zu berücksichtigen. Die Vorwärmtemperatur muss auch immer unter Berücksichtigung der Wärmeeinbringung<br />

gewählt werden.<br />

<strong>DVS</strong> 379 3


Tiefeninduktion und ihre schweißtechnischen Anwendungen<br />

T. Vauderwange, Offenburg<br />

Induktion? Tiefeninduktion! In Summe geht es um eine spezielle Invertertechnologie mit Festfrequenztechnik, bei<br />

der durch außergewöhnlich hohe Feldkonzentration die Vorgaben den Arbeitsschutz betreffend auch in der manuellen<br />

Anwendung problemlos eingehalten werden können. Gleichzeitig gelingt bei richtiger Kombination aus Induktor,<br />

Geräteabstimmung und Handhabung eine Erzeugungswirktiefe, die deutlich über das hinausgeht, was man bei reinem<br />

Skineffekt erwartet. Damit ergeben sich interessante Anwendungen rings um die Schweißtechnik.<br />

1 Grundlagen<br />

1.1 Die Aufgabe<br />

Im direkten Vergleich mit anderen Wärmeverfahren geht es darum, wie schnell man eine gewisse Temperatur in eine<br />

gewisse Tiefe des Metalls hineinbringt – aber auch um in einer gewissen Tiefe erreichbare Temperaturänderungsgeschwindigkeiten.<br />

Bei den ansonsten üblichen Wärmeverfahren wie (Autogen-)Flamme, Heißluft / Ofen oder die<br />

Art Induktion, die aufgrund ihres Aufbaus für manuelle Anwendung geeignet ist, wird die Wärmeenergie oberflächlich<br />

oder zumindest sehr oberflächennah eingebracht. Damit ist die Wärmeleitung der entscheidende Faktor. Diese wiederum<br />

ist bekanntlich abhängig von drei Faktoren:<br />

• Temperaturdifferenz – je heißer die Oberfläche, desto schneller kommt man in die Tiefe. Nachteil: Je höher<br />

die Oberflächentemperatur, desto höher die Gefahr, etwas zu beschädigen. Sei es chemisch (Oxidation)<br />

oder metallurgisch (Aufhärtung, Versprödung, Anschmelzen).<br />

• Wärmeleitfähigkeit – was bei Silber am schnellsten geht, ist bei Aluminium und Kupfer noch schnell, bei<br />

ferritischem Stahl so lala und bei Chromnickelstahl eher schlecht. Nur: Man hat nicht die Wahl, der Werkstoff<br />

liegt fest.<br />

• Zeit – je länger man sich Zeit lässt, desto tiefer ist eine gewisse Temperaturhöhe erreicht. Was bei Anwendungen<br />

wie dem Vorwärmen aber einfach nur ein teurer Bremsklotz ist, führt beispielsweise beim thermischen<br />

Richten dazu, dass sich ein Richteffekt gar nicht erst einstellt.<br />

Bild 1. Rein oberflächlich wirksame Wärmeverfahren<br />

haben sekundäre Wirktiefe durch Wärmeleitung<br />

Bild 2. Mit Tiefeninduktion, hier vereinfacht am Beispiel<br />

des thermischen Richtens gezeugt, nutzt man<br />

die primäre Wirktiefe – wenn man es richtig macht!<br />

Bei der Tiefeninduktion gelingt es nun bei richtiger Anwendung, die Wärmeentstehung ein Stück weit ins Material zu<br />

verlagern. Wie weit? Das ist tatsächlich abhängig von Material, Materialstärke und vor allem der Induktorposition<br />

und/oder deren Bewegungsgeschwindigkeit. Ist aber in jedem Fall erfreulich reproduzierbar.<br />

1.2 Die zwei Erwärmungsmechanismen der Induktion<br />

Grundsätzlich geht es bei Induktion immer darum, ein elektromagnetisches Wechselfeld in das Werkstück einzukoppeln.<br />

Dies geschieht üblicherweise dadurch, dass ein elektrischer Leiter von einem Strom mit einer gewissen Frequenz<br />

(also kein Gleichstrom) durchflossen wird. Die einfachste Anwendung dabei ist die Innenfelderwärmung, bei<br />

der der Leiter ein- oder mehrmals um die zu erwärmende Zone gewickelt ist (Bild 3).<br />

4 <strong>DVS</strong> 379


Dies ist mit die effizienteste Methode, die aber nur dann Sinn macht, wenn ein Bauteil wirklich auf dem kompletten<br />

Umfang relativ gleichmäßig erwärmt werden soll; rund oder eckig spielt dabei keine Rolle.<br />

Nicht nur beim thermischen Richten, sondern tatsächlich auch bei Vorwärmaufgaben stellt sich ein Ansatz mit Nutzung<br />

von sogenannten Feldverstärkerkernen am Induktor (Bild 4) als vorteilhaft heraus. Es geht dabei darum, die<br />

Feldlinien auf eine begrenzte Fläche außerhalb der eigentlichen Leiterschleife zu konzentrieren.<br />

Bild 3. Innenfelderwärmung beim Hartlöten<br />

Chromnickel-Kupfer an Wärmetauscher<br />

Bild 4. Induktor mit Feldverstärker<br />

beim Richten eines Längsträgers<br />

Bild 5. Außenfelderwärmung zum<br />

Ausschrumpfen von Buchsen<br />

Die dritte grundlegende Methode ist die sogenannte Außenfelderwärmung, (Bild 5), bei der ein Ringinduktor kein<br />

Werkstück im Innern der Wicklung vorfindet und stattdessen das Feld beispielsweise in ein Rohr einkoppelt, in das<br />

der Induktor gesteckt ist.<br />

Nun zur Erklärung des ersten der beiden Wirkmechanismen, der sogenannten Wirbelströme. Stellen wir uns einen<br />

Transformator vor. Er besteht aus einer Primärwicklung, die von einem Wechselstrom durchflossen wird.<br />

Bild 6. Transformator als Verständnisbildner, wie es zu Wirbelströmen im Werkstück und damit zur Erwärmung kommt<br />

Der resultierende magnetische Fluss Φ breitet sich entlang der Kerngeometrie aus. Sobald nun in Bezug auf diesen<br />

Magnetfluss ein elektrisch leitfähiger Querschnitt mit einer nennenswerten Fläche durchströmt wird, erzeugt der<br />

magnetische Fluss in dieser Fläche Induktionsspannungen, hier bei einer Sekundärwicklung eines Transformators<br />

sichtbar gemacht durch ein Voltmeter.<br />

Hinweis zur Leitfähigkeit des Kernmaterials: Eine hohe Permeabilitätszahl µr wird durch eine hohe Zahl an Eisenatomen<br />

im Kern erreicht. Diese dürfen jedoch möglichst nicht in einem Metallgitter verbunden sein, denn die damit<br />

einhergehende Leitfähigkeit führt zu unbeabsichtigten Wirbelströmen und damit zu Verlusten – der Kern würde heiß.<br />

Die Primär- und die Sekundärwicklung sind elektrisch vollkommen voneinander isoliert.<br />

<strong>DVS</strong> 379 5


Schließt man die zwei Enden einer Sekundärwicklung kurz, läuft sich<br />

die komplette, erzeugte Induktionsspannung tot und der resultierende<br />

Strom setzt die Energie am ohmschen Widerstand des Leiters in Wärmeleistung<br />

um.<br />

Ausgehend von diesem Modell betrachten wir nun einen Transformator,<br />

bei dem nur die Primärwicklung und der halbe Transformatorkern<br />

vorhanden ist. In diesem Fall werden die Feldlinien des Magnetflusses<br />

im Trafokernstück auf die gewohnte Weise konzentriert. Sobald die<br />

durch den primärseitigen Stromfluss erzeugten Feldlinien auf ihrer<br />

Kreisbahn den Kern verlassen, suchen sie sich einen Weg zur Wiedereintrittstelle.<br />

Sobald nun in die Zone der ‚freien Feldlinien‘ ein elektrisch leitfähiges<br />

Objekt nennenswerten Querschnitts gelangt, agiert dies quasi gleichzeitig<br />

als Sekundärwicklung und dazugehöriger Kurzschluss.<br />

Bild 7. Die „Primärwicklung“ ist auf eine einzige Windung<br />

zusammengeschrumpf!<br />

Zusammen mit der Information, dass der ‚halbe Transformatorkern‘ bei der verwendeten Technologie eine Breite<br />

von 20 mm hat und je nach Geräteleistung zwischen 20 mm und 120 mm lang ist, versteht man nun, wie es gelingt,<br />

örtlich begrenzt in das Material hinein zu wirken.<br />

In der Umsetzung stellt man fest, dass die ‚Primärwicklung‘ quasi auf eine Windung degeneriert (Bild 7) ist – der<br />

Kupfer-Hohlleiter wird genau einmal durch den U-förmigen Feldverstärker geführt. Durch den Hohlleiter fließen übrigens<br />

Ströme bis ca. 1000 A, deswegen ist der überwachte Durchfluss mit einer Kühlflüssigkeit unerlässlich.<br />

Bei welchen Werkstoffen funktioniert dieser Effekt? Bei allen, die elektrisch leitfähig sind. Also beispielsweise alle<br />

Metalle, aber auch Silizium.<br />

Der zweite, grundlegende Erwärmungseffekt funktioniert nur bei ferromagnetischen Werkstoffen, also beispielsweise<br />

bei einem Baustahl unterhalb des „Curie-Punktes“ (769°C, A2-Linie im Eisen-Kohlenstoff-Diagramm).<br />

Hierbei richten sich die Elementarmagnete im Metall jeweils nach der Polung des angelegten Magnetfelds. Da dessen<br />

Richtung bei der Tiefeninduktion mit einem Frequenzbereich um die 15 kHz je Sekunde 15.000 mal wechselt,<br />

entsteht bei dieser Umpolung eine Art Reibungswärme, die sogenannten Hystereseverluste.<br />

Damit ergibt sich die Situation, dass beispielsweise bei einem Baustahl beide Effekte wirken, bei Chromnickelstahl<br />

aber nur die Wirbelströme. Schon an dieser Stelle sei verraten, damit ist noch lange nicht gesagt, dass die Wirkung<br />

gerade an Chromnickelstahl so viel schlechter wäre!<br />

2 Richten mit Tiefeninduktion<br />

2.1 Richt-Grundlagen<br />

Die Grundüberlegung ist folgende: Bei einer zu beseitigenden Deformation soll so materialschonend wie möglich<br />

Abhilfe geschaffen werden. Mit mechanischer Kraft bei Raumtemperatur zu richten, scheidet damit als erstes aus,<br />

da man damit das Material lokal über seine maximale Streckgrenze bringen muss und erhebliche Eigenspannungen<br />

verbleiben, die sowohl mit Wärme als auch durch Vibration freigesetzt werden und zum Effekt des „Zurückkehrenden<br />

Verzugs“ führen.<br />

Die resultierende lokale Kaltverfestigung – speziell, wenn man wie in der Praxis durchaus erst in die eine Richtung<br />

und dann korrigierend in die andere Richtung biegt – geht mit einer Versprödung einher, die je nach Material und<br />

Belastungsart durchaus zum Problem werden kann. Schlimmer noch: Wird dem gerichteten Werkstück später Energie<br />

zugeführt, kommt es durch Relaxierung von Eigenspannungen durchaus dazu, dass der Verzug wiederkommt.<br />

Beispiele gefällig? Warum wird ein perfekt gerichtetes Bauteil wieder krumm, wenn man es ins Feuerverzinkungsbad<br />

taucht? Und wieso führt ein LKW-Transport mit Vibrationen über ein paar Stunden dazu, dass das auf der Palette<br />

festgeschnallte Bauteil wieder deformiert?<br />

6 <strong>DVS</strong> 379


Das großflächige Herabsetzen der Streckgrenze, um danach mit weniger<br />

mechanischer Kraft die für plastische Verformung erforderliche<br />

Biegespannung von außen aufzubringen (wärmeunterstütztes Biegen),<br />

dürfte aus energetischen und aus Zeitgründen nur im Ausnahmefall<br />

eine Option sein.<br />

Mit der alten Handwerkskunst des Flammrichtens ist ein Zwischenweg<br />

gefunden, bei dem das Bauteil (1) lokal gewärmt wird und dadurch im<br />

Material eine Zone reduzierter Streckgrenze (2) geschaffen ist. Das<br />

umliegende Material (3) wird so wenig wie möglich erwärmt. Wenn<br />

dann noch in geeigneter Weise die notwendige thermische Ausdehnung<br />

dieser Zone verhindert – oder zumindest behindert – wird, kommt<br />

es dort zu einem Staucheffekt. Diesen an die richtige Stelle im Metall<br />

platziert, erreicht man eine Verformung des Bauteils. Ganz ohne externe<br />

Kräfte und Momente.<br />

Bild 8. Thermischer Richtmechanismus auf<br />

Basis der verhinderten Ausdehnung<br />

Die so gestauchte Zone hat nun im erwärmten Zustand dieselben Ausmaße<br />

wie im kalten Ausgangszustand. Nach erfolgter Abkühlung ist<br />

die Zone also kleiner als vorher (5), sie ist geschrumpft. Das Bauteil<br />

(4) hat nach diesem Vorgang durch die unterschiedliche Formänderung<br />

in der Stauchungszone (5) und dem umliegenden Material (6) die<br />

gewünschte Formänderung.<br />

Da das nicht erwärmte Material seine volle Streckgrenze behält, hat dieses ein relativ großes Vermögen, die erwärmte<br />

Zone an der Ausdehnung zu hindern. Ob diese Eigendehnbehinderung ausreicht oder nicht, lässt sich daran<br />

ablesen, ob das Bauteil 'mitgeht', sich bei der Erwärmung also entgegen der gewünschten Formänderung verformt.<br />

Wenn das geschieht, ist das ein Zeichen dafür, dass die thermisch bedingte Ausdehnung der Erwärmungszone nicht<br />

oder nicht hinreichend verhindert wird. „Energieverschwendung“ ist die passende Vokabel dafür.<br />

In so einem Fall ist es sinnvoll und erforderlich, durch externe Maßnahmen (Verspannen, Auflegen von Gewichten<br />

etc.) die Ausdehnung zu behindern. In der Realität trifft man leider immer wieder den Fall an, dass der Werker den<br />

mangelnden Richteffekt durch Steigerung der Temperatur (jenseits der Gefügeumwandlung und mit der Gefahr der<br />

lokalen Versprödung) auszugleichen versucht.<br />

Damit ist das thermische Richten mit verhinderter Ausdehnung in der Theorie beschrieben. Zwei Zonen unterschiedlicher<br />

Temperatur und die thermische Ausdehnung der heißeren Zone wird verhindert, was zu einer Stauchung führt.<br />

Die Realität weicht von der Theorie in einem wichtigen Punkt ab: Die Temperatur der erhitzten Zone ist nicht gleichmäßig,<br />

da die Wärme mittels einer Autogenflamme nur kraft einer Übertemperatur an der Oberfläche eingebracht<br />

und über den Mechanismus der Wärmeleitung mit entsprechendem Zeitverzug in die Tiefe des Materials gebracht<br />

werden kann.<br />

Außerdem ist bei der Erwärmung mit der Flamme eine Erwärmung eines großen Bereichs um die gewünschte Zone<br />

herum durch die abgeleiteten Flammgase unvermeidlich.<br />

Wichtiger Hinweis: Aufgrund der vorhandenen Eigenspannungssituation ist die benötigte Wärme für das Richten<br />

eines verzogenen Bauteils wesentlich geringer als beim Versuch, ein gerades Bauteil im selben Umfang krumm zu<br />

machen!<br />

2.2 Richten mit Tiefeninduktion<br />

Der Gedanke, die nötige Wärme für den Richtvorgang nicht mit der Flamme von außen, sondern mit einem induktiven<br />

Effekt im Metall entstehen zu lassen, war naheliegend und ist nicht neu. An dieser Stelle ist aber ein Blick auf die<br />

entscheidenden Unterschiede der verschiedenen Induktionsverfahren erforderlich.<br />

Entscheidend sind zwei Kriterien:<br />

• Die PRIMÄRE WIRKTIEFE. Hochfrequenz- Induktionsverfahren lassen die Wärme grundsätzlich nur an der<br />

Oberfläche entstehen. Die ebenfalls verbreiteten Resonanz-Induktionsverfahren fangen zwar mit etwas<br />

Wirktiefe an, mit steigender Temperatur wird die Arbeitsfrequenz aber immer weiter angehoben, sodass es<br />

bei nennenswerter Temperatur wiederum nur zu einer Heizwirkung an der Oberfläche, dem sogenannten<br />

<strong>DVS</strong> 379 7


'Skin Effekt' kommt. Die beiden genannten Verfahren sind übrigens das Mittel der Wahl, wenn es um das<br />

Oberflächenhärten geht.<br />

• Die FELDKONZENTRATION. Hier spielt sowohl der Induktoraufbau in Bezug auf die Wärmeaufgabe eine<br />

Rolle, aber vor allem das Feldverstärkermaterial in Kombination mit der richtigen, elektrischen Anregung.<br />

Aufgrund mangelnder Feldkonzentration hat man einerseits einen bescheidenen Koppelungsgrad, also wenig Wirkung<br />

bei viel Stromverbrauch. Andererseits wird der freundliche Herr von der Berufsgenossenschaft mit seinen Feldstärkemessgeräten<br />

festlegen, dass man entsprechend der Grenzwerte der DGUV Vorschrift 15 (früher BGV B11,<br />

Arbeitsschutzvorschrift für Gefährdung durch elektromagnetische Felder) metergroße Gefährdungsbereiche hat.<br />

Etwas besser wird es, wenn zumindest einfache Feldkonzentratoren aus einem mehr oder weniger fortgeschrittenen<br />

Kernmaterial hoher Permeabilität (µr) und geringer elektrischer Leitfähigkeit verwendet werden.<br />

Bei der Masse der seit den letzten 20 Jahren in der Praxis eingesetzten Induktionsrichtverfahren handelt es sich um<br />

Wärmeerzeugung im oberen halben Millimeter des Materials.<br />

Die Besonderheit der vorgestellten Tiefeninduktion besteht in der Kombination einer extremen Feldkonzentration<br />

durch einen Feldverstärker aus einem speziellen, amorphen Material, mit einer Anregung, die die Frequenz nicht<br />

verändert und die durch eine Hypermagnetisierung einen unerwartet hohen Wirkungsgrad kombiniert mit einer großen<br />

Wirktiefe.<br />

Damit lassen sich die vom Flammrichten prinzipiell bekannten Richtfiguren schnell und gezielt wärmen. Ein besonders<br />

ausgeprägter Temperaturunterschied zwischen der erwärmten und der nicht erwärmten Zone ist das wichtigste<br />

Charakteristikum.<br />

Mit der vorgestellten Technologie erzielt man gegenüber der Erwärmung mit der sauerstoffverstärkten Flamme einen<br />

enormen Energiekostenvorteil. Bei Nutzung der Wärm- und Bewegungsmuster der Tiefeninduktion sind die Energiekosten<br />

typischerweise weniger als ein Fünftel dessen, was der Prozess mit der Flamme kostet. Im Gegenzug dazu<br />

ist die Investition in die benötigte Technologie höher als das, was man für die Anschaffung von Brenner und Gasversorgungs-/<br />

Lagerungstechnologie veranschlagen muss. Voraussetzung ist in jedem Fall, die richtige Handhabung<br />

gezeigt zu bekommen und nicht einfach die Flamme nachzumachen.<br />

2.3 Richten mit optimierter Dehn-/Eigendehnbehinderung<br />

Da gibt es einen einfachen Geheimtipp: Nachmessen, wenn<br />

es am heißesten ist. Am Beispiel eines Trägers, der überhöht<br />

werden soll, sei das erklärt:<br />

Der Träger liegt an seinen äußeren Enden auf. An einer Stelle<br />

nahe der Mitte macht man eine Markierung und misst den Abstand<br />

zum Boden. Dann bringt man das Wärmemuster so ein,<br />

wie man es für richtig hält. Nachmessen, wenn es am heißesten<br />

ist. Ist der Abstand GRÖSSER geworden, ist das Bauteil<br />

„mitgegangen“. Also wurde die Ausdehnung der erwärmten<br />

Zone nicht hinreichend verhindert und wir sind wieder bei der<br />

oben erwähnten ENERGIEVERSCHWENDUNG. Das Schöne<br />

dabei: Nun kann man die Art der Wärmeeinbringung am (wieder<br />

abgekühlten) Bauteil variieren. Je weniger dieses beim Erwärmen<br />

mitgeht, desto besser wird der Richteffekt sein.<br />

Bild 9. Thermischer Richtmechanismus auf Basis<br />

der verhinderten Ausdehnung<br />

2.4 'Minimalinvasives Richten'<br />

Die bisherigen Ausführungen gingen davon aus, dass das, was man beim Flammrichten mit der Autogenflamme<br />

macht, mit dem Induktor mehr oder weniger nachempfunden wird.<br />

Die erste prinzipielle Abweichung resultierte aus der Feststellung, dass man bei der Tiefeninduktion die überhöhten<br />

Temperaturen an der Oberfläche zur Beschleunigung der Wärmeleitung in die Tiefe bei dickem Material nicht mehr<br />

braucht. Hinzu kamen aber schon in den ersten Jahren der Nutzung in Einzelfällen wahrgenommene Fälle großer<br />

Richtwirkung bei erstaunlich niedrigen Temperaturen, die zunächst nicht reproduzierbar und nicht erklärbar waren.<br />

8 <strong>DVS</strong> 379


Dass die STRECKGRENZE (Rp0.2) eines Metalls mit der Temperatur abnimmt, ist altbekannt – wahrscheinlich hat<br />

jeder schon mal einen Stahlstab über Rotglut erwärmt und dann mit wenig Kraft bleibend verformt.<br />

Andererseits muss aber in der zusammengepressten, an der Ausdehnung gehinderten Zone erst einmal genügend<br />

Druckspannung entstehen, um die (wenn auch abgesenkte) Streckgrenze zu überschreiten. Denn externe Biegespannung<br />

ist beim Richten im Gegensatz zum Wärmeunterstützten Biegen nicht vorgesehen.<br />

Bild 10. Die Hyperplastizitätszone (HPZ)<br />

Also braucht es ein genügend hohes Elastizitätsmodul, das bei einem<br />

Metall quasi die Aufgabe einer Federkonstante übernimmt.<br />

Zu weit abgefallener E-Modul bedeutet zu wenig aufgebaute<br />

Druckspannung – bedeutet einen rein elastischen Effekt ohne bleibende<br />

Richtwirkung. Ein Blick auf den typischen Verlauf von<br />

Streckgrenze und E-Modul über der Temperatur erklärt, warum<br />

beispielsweise bei einem Baustahl ein Richteffektmaximum bei ca.<br />

550 °C entsteht.<br />

Daraus resultiert nun die Definition einer 'Hyperplastizitätszone'<br />

(HPZ), innerhalb derer man die Streckgrenze schon reduziert, den<br />

Elastizitätsmodul aber noch so hoch wie möglich vorfindet.<br />

3 Vorwärmen<br />

3.1 Risikofreie Wärmeprozesse<br />

Mit Hilfe der Tiefeninduktion gelingt es, in sehr kurzer Zeit und mit nur geringer Übertemperatur an der Werkstückoberfläche<br />

eine Durchwärmung im Bereich von z. B. 80...150 °C zu erzielen. Die Wärmeanweisung legt dazu eine<br />

einzustellende Leistung fest und beispielsweise die Anweisung an den Werker, das Material nach leichten Anlauffarben<br />

zu beobachten (diese können normalerweise sogar vermieden werden). Gemessen wird die Temperatur auf<br />

der Gegenseite.<br />

Auf diese Weise sind in der Praxis hoch reproduzierbare Vorwärmprozesse entstanden, die auch an Feinkornstählen<br />

bis ultrahochfest, an Vergütungsstählen und Panzerstählen zur Anwendung kommen. Diese sind vor allem schnell<br />

und energieeffizient, lassen sich teilweise sogar direkt vorlaufend realisieren.<br />

Dieser Vorgang wird zwischenzeitlich auch automatisiert ausgeführt. Teilweise führt ein Schweißroboter den Induktor,<br />

bei radialsymmetrischen Bauteilen findet man auch den fixierten oder an einer Linearführung befestigten Induktor,<br />

an dem das Werkstück vorbei gedreht wird.<br />

Nur am Rande sei erwähnt, dass das Laserschweißen mit dieser Technologie ergänzt den Weg in viele Materialpaarungen<br />

findet, die bislang als unschweißbar galten.<br />

3.2 Verzugsvermeidungsstrategie – das 'freiwillige Vorwärmen'<br />

Man könnte annehmen, dass es darum geht, in möglichst vielen Fällen das Vorwärmen zu vermeiden. Zugegebenermaßen<br />

handelt es sich mit den gängigen Methoden um einen Arbeitsschritt, der<br />

- zeitaufwendig ist,<br />

- hohe Energiekosten verursacht,<br />

- je nach Material mit dem Risiko der Materialschädigung durch zuviel Wärme einhergeht.<br />

Betrachtet man den Vorwärmvorgang aber mit Tiefeninduktion, stellt man fest, dass durch die Anwendung der Tiefenwirkung<br />

bei reduzierter Leistung ein sehr schnelles, risikofreies Vorwärmen mit nicht nennenswerten Energiekosten<br />

möglich ist. Es sind gegenüber dem nicht vorgewärmten Fall natürlich deutlich reduzierte Schweißparameter zu<br />

verwenden.<br />

Unter der Voraussetzung eines praktikablen Vorwärmverfahrens ohne die üblichen Nachteile wird man dann viele<br />

Schweißprozesse noch einmal überdenken müssen. Mit einer sinnvollen Vorwärmmethode entsteht der Verzug oft<br />

genug erst gar nicht. Es muss in jedem Fall klar sein, dass der Zeit- und Energieaufwand für das Vorwärmen einer<br />

Schweißnaht mit der neuen Technologie wesentlich geringer ist, als ein eventueller Richtaufwand in der Nachbehandlung.<br />

<strong>DVS</strong> 379 9


3.3 Energieumlagerung im Schweißprozess<br />

Auch das hört sich absurd an: „Freiwilliges“ Vorwärmen und danach Energie aus dem eigentlichen Schweißprozess<br />

nehmen. Warum? Weil dadurch optimale Nahtqualität mit GERINGERER Gesamt-Streckenenergie erreicht wird und<br />

man beispielsweise noch einmal deutlich schneller schweißen kann.<br />

Wie nimmt man Energie aus dem Schweißprozess? Bei WIG, E-Hand und den Strahlverfahren einfach den Strom /<br />

die Leistung zurückdrehen. Bei MAG und den verwandten Prozessen muss man hingegen den Stickout vergrößern<br />

(Gasdüse entsprechend vorschieben) und danach die Lichtbogenspannung wieder auf den Originalwert ohne Energieumlagerung<br />

korrigieren. Faustformel: 5mm mehr Stickout reduziert bei gleichem Lichtbogen die Streckenenergie<br />

um etwa 20 %.<br />

3.4 Unterwasser-Vorwärmen<br />

Das beschriebene Verfahren ist betriebssicher auch unter Wasser zu nutzen. Hierbei bleibt das eigentliche Gerät an<br />

Land und nur der Induktor mit Schlauchpaket taucht unter. In dieser Anwendung wird die Oberflächentemperatur –<br />

bedingt durch die ständige Wasserkühlung – zwar kaum über 80 °C steigen. Der positiven Wirkung auf den Schweißprozess<br />

tut das aufgrund der darunterliegenden, großen Wärmezone aber keinen Abbruch.<br />

4 Sonderanwendungen<br />

4.1 Demontage verrosteter Komponenten<br />

Das Erhitzen einer verrosteten Mutter mit einer Flamme gilt als alteingesessene<br />

Handwerkskunst. Und wenn nicht gerade Einschränkungen aufgrund umliegender,<br />

hitzeempfindlicher Bauteile bestehen, bekommt man die Verbindung normalerweise<br />

gelöst. Jedoch muss man schnell sein – sobald die Mutter abgekühlt ist,<br />

geht nichts mehr. Wer sich ungeschickt anstellt und mehrere Wärmephasen<br />

braucht, dem droht die Katastrophe: Festgefressen.<br />

In Wirklichkeit handelt es sich sehr oft gar nicht um 'Fressen', also das Einbringen<br />

von Schmutz oder Fremdkörpern ins Gewinde. Man muss sich darüber im Klaren<br />

sein, dass jeder Glühvorgang die Mutter SCHRUMPFEN lässt. Die Erklärung findet<br />

sich weiter vorn im Dokument, wo einem die verhinderte Ausdehnung erklärt<br />

wird.<br />

Bild 11. Rost zerstören ohne Glühen<br />

Die Alternative: Mit Tiefeninduktion und genügend Leistung wird die Mutter großflächig und gleichmäßig sehr schnell<br />

auf maximal 200 °C erhitzt – es glüht nicht. Dies geschieht so schnell, dass es zu einer Ausdehnung der Mutter<br />

kommt, während die Schraube noch wesentlich kühler ist. Die Folge: Der Rost ist weg und bleibt es. Selbst nach<br />

kompletter Abkühlung läuft die Mutter noch ganz leicht. Undenkbar mit rein oberflächlich wirkenden Wärmeverfahren,<br />

da dann die Temperaturänderungsgeschwindigkeit im Gewinde so langsam ist, dass dem Rost nichts passiert.<br />

Dass dabei eine eventuelle Vergütung des Schraubenmaterials noch nicht einmal angelassen, geschweige denn<br />

aufgehärtet wird, sei nur der Vollständigkeit halber angemerkt.<br />

Unter Verwendung der beschriebenen Technologie gelingt<br />

auch ein handwerklich noch nicht sehr bekannter Kniff: Das<br />

Lösen von festgebackenen Schrauben und Bolzen durch<br />

Wärme 'vom Kopf her'. Hierbei wird dafür gesorgt, dass die<br />

Schraube ihrer kompletten Länge entlang jeweils für eine<br />

kurze Zeit um mindestens 100 K heißer ist als das umliegende<br />

Material. Erfolg dieser ungewöhnlichen Methode, die mit einer<br />

Flamme nicht (und mit Induktion ohne Tiefenwirkung nur ganz<br />

eingeschränkt) nachvollziehbar ist: Die Schraube drückt sich<br />

im Rost frei – nach Abkühlen lässt sie sich leicht entfernen.<br />

Bild 12. Bolzen und Schrauben durch schnelle Erwärmung<br />

im Rost freidrücken<br />

10 <strong>DVS</strong> 379


4.2 Lösen von Gewindekleber<br />

Bei dynamisch beanspruchten Konstruktionen ist die Herausforderung<br />

bei geschraubten Verbindungen klar: Ein Losvibrieren<br />

muss verhindert werden.<br />

Neben diversen Sicherungselementen ist die Verwendung<br />

von Gewindesicherung ('Loctite') ein probates Mittel in der<br />

Fertigung. Wann immer aber zu Service-Zwecken die Verbindung<br />

wieder gelöst werden muss, geht die Sache nach hinten<br />

los. Nicht selten werden Schraubenköpfe rundgedreht oder<br />

reißen gar ab.<br />

Bild 13. Schnelles und fachgerechtes Lösen von Gewindekleber<br />

mit Tiefeninduktion<br />

Die Abhilfe: Bei erhöhten Temperaturen zersetzt sich der Kleber.<br />

Normalfeste Gewindesicherung braucht dazu etwa 90 °C,<br />

bei der hochfesten Variante sind es aber an die 200 °C, die in<br />

der kompletten Tiefe der Schraube gebraucht werden. Eine<br />

ideale Anwendung der Tiefeninduktion.<br />

4.3 Enthärten thermischer Schnittkanten<br />

Achtung, Missverständnis! Auf keinen Fall geht es darum, auf Biegen<br />

und Brechen die Härte einer Laser-/Brenschnitt-/ Plasmaschnittkante<br />

abzusenken, nur weil derlei in der DIN EN 1090 gefordert<br />

war.<br />

Es muss klar sein, dass diese Härte an einer Kante, die im Zuge<br />

einer Schweißnaht ohnehin aufgeschmolzen wird, keine Rolle<br />

spielt.<br />

Da bleiben aber zwei wichtige Fälle übrig, in denen diese Härte<br />

von großer Bedeutung ist und nicht zu hoch sein darf.<br />

Erstens – wenn die Kante in irgendeiner Weise bearbeitet wird –<br />

und wenn nur ein Loch hinein zu bohren ist. Aufgrund der erhöhten<br />

Härte hat man extremen Werkzeugverschleiß.<br />

Bild 14. Das Enthärten von thermischen Schnittkanten<br />

geht mit Tiefeninduktion schnell und einfach,<br />

sogar mechanisierbar<br />

Zweitens – mal angenommen, die Kante soll ohne weitere Bearbeitung<br />

so bleiben und muss nur noch beschichtet werden.<br />

In diesen Fällen zahlt sich der geringe Aufwand aus, einmal mit<br />

ca. 60 cm/min mit dem Induktor samt Teflonkappe über die Kante<br />

zu fahren und diese damit „blau anzumalen“.<br />

4.4 Nachbearbeitung beim Feuerverzinken<br />

Bauteile, die aus dem Zinkbad kommen, haben immer diverse Fehlstellen,<br />

die es nach zu bearbeiten gilt. Seien es nun Ansammlungen von Zink,<br />

Tropfnasen (die auch spitz und messerscharf sein können!) oder gar teilweise<br />

verschlossene Bohrlöcher. Auch hier kann man mit Tiefeninduktion<br />

schnell und nachhaltig Abhilfe schaffen.<br />

Die Teflonkappe und eine passende Leistungseinstellung geht dabei mit<br />

leichter Bewegung des Induktors einher. Nach 10 Minuten Üben ist das<br />

leicht beherrschbar.<br />

Bild 15. Das „Zinkbügeleisen“<br />

Der Vorteil im Vergleich zum üblichen Wegschleifen mit dem Winkelschleifer:<br />

Weniger Krach, weniger toxischer Staub und vor allem liegt der Restzink<br />

in relativ großen Flecken auf dem Boden und kann mit wenig Aufwand<br />

sogar recycelt werden.<br />

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5 Zusammenfassung<br />

Tiefeninduktion ist nun seit 2011 im Industrieeinsatz. Anfänglich schon einfach nur in der Substitution der Flamme<br />

erfolgreich, ergaben sich im Lauf der Zeit immer wieder grundlegend neue Einsatzmöglichkeiten für die industrielle<br />

(schweißtechnische) Fertigung, die große Potenziale zur Kosten- und Energie-/CO2-Ersparnis und zum Ergonomiegewinn<br />

bieten und zum großen Teil mit anderen Wärmequellen gar nicht realisierbar wären.<br />

Zwar kann man mit Tiefeninduktion beispielsweise auch Grobkorn erzeugen, wenn man alles falsch macht! Bei aber<br />

auch nur halbwegs richtiger Anwendung ist die Sicherheitsmarge aber wesentlich höher als man das mit der Flamme<br />

oder herkömmlicher Induktion kennt.<br />

Literatur<br />

[1] Der Praktiker 1/2-2022 S.22-28<br />

[2] Der Praktiker 9-2021 S.421-426<br />

[3] Der Praktiker 5-2021 S. 210-216<br />

[4] SCHWEISSEN+SCHNEIDEN 10/2014 S. 606-609<br />

[5] GSI: Schweißfachingenieurlehrgang Teil 3 HG 3 Kap. 3.02-2<br />

[6] GSI: Schweißfachingenieurlehrgang Teil 3 HG 4 Kap. 4.03<br />

[7] www.vauquadrat.com<br />

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Flammrichten – altbewährt und immer noch relevant<br />

T. Ammann, München<br />

Nahezu jeder Vorgang in der Metallbearbeitung, bei dem große Wärmemengen in das Bauteil eingebracht werden,<br />

erzeugt bei der nachfolgenden Abkühlung Eigenspannungen im Werkstück, die sich sehr oft als Verzug bemerkbar<br />

machen. Das Schmelzschweißen ist davon besonders betroffen. Eine Möglichkeit, den Verzug zu korrigieren und<br />

aus einem unbrauchbaren ein brauchbares Bauteil zu machen, bietet das Flammrichten. Dabei werden ausgewählte<br />

Werkstückbereiche mittels einer Acetylen-Sauerstoff-Flamme gezielt und eng begrenzt auf die Flammrichttemperatur<br />

erwärmt und gleichzeitig in ihrer Ausdehnung behindert. Die erwärmten Werkstückbereiche stauchen sich auf und<br />

schrumpfen bei der Abkühlung. Dies führt, richtig angewendet, zum gewünschten Richteffekt. Grundsätzlich kann<br />

jeder Werkstoff, der schweißgeeignet ist, auch flammgerichtet werden. Die Wahl der passenden Ausrüstung und<br />

Gasversorgung hängt in erster Linie vom Werkstoff und der Materialdicke ab.<br />

1 Einleitung<br />

Fast immer erzeugt das Schmelzschweißen unerwünschten Verzug. In vielen Fällen lässt sich der Verzug bereits im<br />

Voraus abschätzen, so dass er durch entsprechende Gegenmaßnahmen (z. B. mit dem sog. Pilgerschrittschweißen<br />

oder angepasste Schweißfolgen) auf ein vertretbares Maß gemindert werden kann. In anderen Fällen ist es notwendig,<br />

den entstandenen Verzug an der fertigen Konstruktion im Nachhinein zu korrigieren. Das kann dann mit rein<br />

mechanisch wirkenden Verfahren geschehen („Zurechtbiegen“) oder mittels thermisch wirkender Verfahren.<br />

Eine Möglichkeit zu solch einer Korrektur durch gezielte Wärmeeinbringung bietet das Flammrichten. Beim Flammrichten<br />

werden vorher ausgesuchte Werkstückbereiche gezielt und örtlich begrenzt mit einer Acetylen-Sauerstoff-<br />

Flamme erwärmt und gleichzeitig die entstehende Ausdehnung behindert. Dadurch kommt es zu einer leichten Aufstauchung<br />

des Materials, was bei der nachfolgenden Abkühlung zu Schrumpfspannungen führt. Diese Spannungen<br />

erzeugen den Richteffekt.<br />

Die Acetylen-Sauerstoff-Flamme ist die ideale Wärmequelle für das Flammrichten. Kein anderes Brenngas erzeugt<br />

eine so hohe Flammentemperatur und Flammenleistung wie Acetylen. Daher ist das Richten, z. B. mit Propan oder<br />

einem anderen langsam verbrennenden Brenngas, selten erfolgreich, weil zu lange gewärmt werden muss und die<br />

Wärme währenddessen ins Material „wegfließt“. Der Aufstaucheffekt bleibt dann aus.<br />

Das Flammrichten ist kein neues Verfahren. Allerdings erfordert es ein großes Maß an Erfahrung und Fachwissen,<br />

um es richtig und erfolgreich einzusetzen. Häufig geht das Wissen um die richtige Handhabung und Ausrüstung beim<br />

Flammrichten in einem Betrieb verloren, etwa wenn die letzten verfahrenskundigen Mitarbeitenden in Rente gehen.<br />

Das ist besonders bedauerlich, nachdem das Flammrichten nicht selten den Unterschied zwischen einem verschrottungswürdigen<br />

und einem verwendbaren Bauteil ausmachen kann.<br />

2 Verfahrensprinzip<br />

Das grundlegende Prinzip beim Flammrichten lautet<br />

„schnelles, örtlich begrenztes Wärmen bei gleichzeitiger Ausdehnungsbehinderung“.<br />

Das Werkstück wird sehr gezielt an bestimmten ausgewählten Stellen so weit erwärmt, dass es plastisch verformbar<br />

wird, also über die Streck- bzw. Dehngrenzentemperatur hinaus (Bild 1). Ist dabei gleichzeitig die Ausdehnung behindert,<br />

wird sich das Material an dieser Stelle bleibend aufstauchen. Bei der nachfolgenden Abkühlung zieht sich<br />

das Material dann wieder zusammen, wird dabei aber kürzer als zuvor. Das bewirkt die Entstehung von Schrumpfspannungen,<br />

die, die richtige Wahl der Wärmeeinbringung vorausgesetzt, dann zum gewünschten Richteffekt führen.<br />

Wichtig ist dabei: Mit dem Flammrichten ist nur ein Verkürzen möglich, niemals ein Verlängern!<br />

Flammrichten kann mit oder ohne äußere Hilfsmittel durchgeführt werden (siehe Abschnitt 6). Der Zweck solcher<br />

Hilfsmittel besteht in der Verstärkung des Richteffektes durch das Fixieren der kalten Bereiche des Werkstückes,<br />

damit sich diese beim Erwärmen der zu richtenden Stelle nicht bewegen können. Ziel ist also nicht, das Werkstück<br />

aktiv in eine Richtung zu verformen, sondern nur, das Werkstück möglichst rigide in seiner Ausdehnung zu behindern.<br />

Das Ergebnis des Flammrichtens wird erst nach Abkühlen des Bauteils auf Umgebungstemperatur vollständig<br />

sichtbar.<br />

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