atw - International Journal for Nuclear Power | 03.2022
Ever since its first issue in 1956, the atw – International Journal for Nuclear Power has been a publisher of specialist articles, background reports, interviews and news about developments and trends from all important sectors of nuclear energy, nuclear technology and the energy industry. Internationally current and competent, the professional journal atw is a valuable source of information. www.nucmag.com
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2022
3
ISSN · 1431-5254
32.50 €
Die Deutsche Energiepolitik
nach dem 24. Februar 2022
Perspektiven der
Energieversorgung in
Deutschland
Nuclear Threat Resulting from
Russian Military Occupation of
Chornobyl Exclusion Zone
Programmvorschau
3Bis die Welt zusammenfällt
atw Vol. 67 (2022) | Ausgabe 3 ı Mai
Liebe Leserinnen und Leser, der seit dem 24. Februar 2022 tobende Krieg in der Ukraine hat zu vielerlei strategischen Neubestimmungen
geführt, im Rahmen der NATO hinsichtlich der Truppenstationierungen an ihrer Ostflanke und der möglichen Aufnahme von Schweden
und Finnland als Mitgliedern, in der EU im Blick auf die Finanzierung von Waffenlieferungen in ein Kriegsgebiet und eine möglichst
schnelle Aufnahme der Ukraine als Mitglied sowie in Deutschland etwa in Bezug auf ein Sondervermögen zur Ausrüstung der Bundeswehr in
Höhe von 100 Milliarden Euro neben dem Bundeshaushalt und die auch von den Grünen unterstützte, sogar vehement geforderte Lieferung
von Waffen in ein Kriegsgebiet.
EDITORIAL
Auch in der Energiepolitik Deutschlands und der EU ist die von
Bundeskanzler Scholz verkündete Zeitenwende deutlich spürbar,
mit dem Ziel der Europäischen Kommission, die EU bis 2027 von
Energieträgern aus Russland unabhängig zu machen, einer seit
Wochen andauernden Diskussion über ein Embargo russischer Energielieferungen
sowie der Bereitschaft der Bundesregierung, den
Fahrplan für den Kohleausstieg für eine noch unbestimmte Zeit und
in unbestimmtem Umfang auszusetzen. Für einen kurzen Augenblick
rückte sogar die Möglichkeit in den Blick, auch die Kernenergie
zur Energiesicherung in einer Krisensituation für einige Zeit weiter
zu nutzen. Während aber in der Außen-, Sicherheits-, Verteidigungs-,
Rüstungs-, und sogar Energiepolitik die heiligen Kühe wie
am Fließband geschlachtet wurden, hat man beim Thema Kernenergie
schnell, innerhalb von Tagen die ideologischen Reihen in der
Regierung geschlossen. Stand der Abfassung dieses Editorials
erscheint es nun kaum mehr denkbar, dass auch nur eine kleine
Änderung am Kernenergieausstiegsfahrplan von 2011 vorgenommen
wird, so dass wir damit rechnen dürfen, in der Halbzeit des
kommenden Winters die letzten 4 Gigawatt Kernkraftkapazität zu
verlieren und sich die Betreiber von Kohlekraftwerken freuen dürfen,
ab 2023 neben einer unbestimmten aber erheblichen Menge an
Stromerzeugung mit Erdgas auch die rund 33 TWh Strom aus Kernenergie
ersetzen zu dürfen, die von den letzten drei Anlagen in
diesem Jahr noch produziert werden dürften. Zu diesem Thema
findet sich mehr in einem eigenen Dossier in dieser Ausgabe.
Gänzlich anders reagiert man energiepolitisch auf den Krieg und
das Problem der Abhängigkeit von Russland im Vereinigten Königreich,
wo eine neue Energiesicherheitsstrategie insbesondere für den
Ausbau der Kernenergie nun sehr deutliche Impulse setzen soll, um
langfristig die Versorgungssicherheit des Vereinigten Königreiches
zu gewährleisten. Auch in Südkorea hat der gewählte Präsident Yoon
Suk-yeol angekündigt, wegen der hohen Strompreise und zur
CO 2 -Einsparung die Kernenergieausstiegspolitik seines noch amtierenden
Vorgängers zu revidieren.
Ein anderes direkt durch den Krieg in der Ukraine aufgeworfenes
Thema findet ebenfalls seinen Widerhall in dieser Ausgabe, der russische
Angriff auf Kernkraftwerke und kerntechnische Einrichtungen
in der Ukraine. Auch diese Handlungen gegen den Standort Tschernobyl,
das Kernkraftwerk Saporischschja, zwei Abfalllager für radioaktive
Reststoffe und einen unterkritischen Reaktor zur Forschung
und Isotopenherstellung qualifizieren sich als völkerrechtswidrige
Kriegsverbrechen. Waren auch die Ziele nicht so ausgewählt bzw.
das Maß an Gewalt nicht so bemessen, ernsthaften Schaden in
größerer Dimension zu verursachen, bleiben es doch Handlungen
von großer Verantwortungslosigkeit, die den internationalen Prinzipien
der nuklearen Sicherheit Hohn sprechen. Dies wiegt umso
schwerer, als Russland nicht nur eine Kernwaffenmacht, sondern
eine führende Nation in der Kerntechnik insgesamt ist, mit großer
Erfahrung und Kompetenz.
Jenseits des alle Aufmerksamkeit absorbierenden Realitätsschocks
in Osteuropa, aber doch damit verbunden, zeigt sich, dass
einer der großen Hoffnungsträger der Energiewende, die Windkraft,
in wirtschaftlich schwieriges Fahrwasser zu geraten droht. Auf dem
großen Branchentreffen WindEurope 2022 beklagten große
Hersteller, dass der finanzielle Druck der Auktionierungsverfahren
in Verbindung mit höheren Rohstoff- und Logistikkosten, die durch
den Krieg noch verschärft wurden, zu Verlusten führt, die auf Dauer
nicht tragbar sind und es der Branche unmöglich machen, die europäischen
Ausbauziele zu erfüllen. Dies bezieht sich insbesondere auf
das Ziel der EU, in ihrem Plan REPowerEU zur Erlangung von Energieunabhängigkeit
von Russland die Windkraftkapazität in der EU
bis 2030 von 190 auf 480 GW zu steigern. Ein Branchenvertreter
machte darauf aufmerksam, dass die Komponenten für Windkraftanlagen
zu 85 % aus China stammten und insoweit die Gefahr
bestehe, die Energieunabhängigkeit Europas mit einer Lieferkettenabhängigkeit
erreichen zu wollen.
Schließlich sei noch erwähnt, dass in der deutschen Bevölkerung
anders als in der Bundesregierung der Ukraine-Krieg tatsächlich zu
einem gewissen Umdenken hinsichtlich der Kernenergie geführt hat.
In einer Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach haben auf
die Frage, ob die Laufzeiten der Kernkraftwerke in Deutschland über
2022 hinaus verlängert werden, oder man die letzten Kernkraftwerke
dieses Jahr planmäßig abschalten sollte, im Februar 42 % der
Befragten für das Abschalten und 35 % für die Verlängerung plädiert.
Im März gab es auf dieselbe Frage dann 57 % Zustimmung für eine
Verlängerung und nur noch 25 % sprachen sich für die pünktliche
Abschaltung aus. Das zeigt nicht nur, dass die Bevölkerung durchaus
vernünftig ist – es haben sich auch 57 % der Befragten gegen ein
schnelles Energieembargo gegen Russland ausgesprochen – sondern
auch, dass die Kernenergie eben nicht so unbedingt abgelehnt wird,
wie es oft dargestellt wird.
Nicolas Wendler
– Chefredakteur –
Editorial
Bis die Welt zusammenfällt
atw Vol. 67 (2022) | Ausgabe 3 ı Mai
4
CONTENTS
Ausgabe 3
2022
Mai
Inhalt
Editorial
Bis die Welt zusammenfällt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .3
Did you know? 5
Seminarprogramm INFORUM Mai 2022. . . . . . . . . . . . . . . . 7
Kalender 8
Energy Policy, Economy and Law
Die Deutsche Energiepolitik nach dem 24. Februar 2022 . . . . . . . .9
Martin Neumann
Update on U.S. Nuclear Energy Policy . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47
Edward Kee
Serial | Major Trends in Energy Policy and Nuclear Power
Perspektiven der Energieversorgung in Deutschland . . . . . . . . . 15
Hans-Wilhelm Schiffer, Stefan Ulreich
Environment and Safety
Nuclear Threat Resulting from Russian Military Occupation
of Chornobyl Exclusion Zone . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36
Anatolii V. Nosovskyi, Vyacheslav M. Shestopalov, Iurii Shybetskyi, Jürgen Krone
KERNTECHNIK 2022
Programmvorschau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
Spotlight on Nuclear Law
Wäre ein Gesetz zur Laufzeitverlängerung rechtlich möglich? . . . 34
Christian Raetzke
KernD Brancheninformation
Dossier: Debatte über den Weiterbetrieb von Kernkraftwerken
zur Energiesicherung im Zusammenhang mit dem
Krieg in der Ukraine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51
KTG – Fachinfo. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68
News . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71
Cover:
Reaktordruckbehälter KKI2 beim Entladen während
der Revision 2021 (© PreussenElektra GmbH)
Vor 66 Jahren
Internationale Kernforschung und Atomwirtschaft . . . . . . . . . . 72
KTG Inside . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76
Impressum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71
Inhalt
atw Vol. 67 (2022) | Ausgabe 3 ı Mai
Did you know?
Die neue Britische Energiesicherheitsstrategie – 24 GW Kernenergie für die
Versorgungssicherheit
Wie in Deutschland hat auch in Großbritannien der Krieg
in der Ukraine einen starken Einfluss auf die energiepolitische
Diskussion und führte dazu, dass neben dem
klimapolitischen Ziel der Beendigung der Nutzung fossiler
Energierohstoffe auch und dringend das Ende des
Imports von Energierohstoffen und -produkten aus Russland
zu einem strategischen Ziel wurde. Darum hat die
britische Regierung am 7. April 2022 neben den bestehenden
energiepolitischen Strategiepapieren aus 2021
Ten point plan for a green industrial revolution“ und „Net
zero strategy“, die „British energy security strategy“ veröffentlicht.
Mit Hilfe der Strategie, die sämtliche heutigen Energietechniken
und Energieverwendungen sowie Effizienzmaßnahmen
umfasst, sollen bis 2030 100 Milliarden
Pfund private Investitionen in grüne und saubere Technologien
mobilisiert werden. Ähnlich wie im „Osterpaket“
des Bundeswirtschaftsministeriums gehört zur Strategie
auch der beschleunigte Ausbau von erneuerbaren Energien,
der Abbau von regulatorischen Hemmnissen und
die Beschleunigung von Genehmigungsverfahren in
diesem Bereich. Als Ziele sind etwa der Ausbau der
offshore Windkraft auf bis zu 50 GW installierte Leistung
bis 2030 oder die Verfünffachung der installierten Solarleistung
von 14 auf 70 GW bis 2035 vorgesehen. Übergeordnete
Zielsetzung ist es, bis 2030 zu 95 % CO 2 -armen
Strom zu erzeugen und den Stromsektor bis 2035 vollständig
zu dekarbonisieren, soweit die Versorgungssicherheit
gewährleistet ist.
Im großen Unterschied zu Deutschland spielt in der britischen
Energiestrategie aber auch die Kernenergie eine
große Rolle, die nach dem durchwachsenen Erfolg der
Wiederbelebung der Kernenergie in Großbritannien im
vergangenen Jahrzehnt nun vehement angeschoben
werden soll. In dem Strategiepapier wird beklagt, dass
sukzessive Regierungen die notwendigen Investitionen in
die britische Kernenergie nicht getätigt hätten und es
wird angekündigt, dass diese jahrzehntelange Kurzsichtigkeit
und das Unterinvestment nun mit einem massiven
Investitionsprogramm korrigiert werden und auch zur
Kostensenkung in den kommenden 30 Jahren in großem
Maßstab investiert werden solle. Begründet wird dies
damit, dass die Kernenergie die einzige großskalige Technologie
sei, die CO 2 -arm und verlässlich auch dann Strom
produzieren könne, wenn der Wind nicht wehe und die
Sonne nicht scheine. Es wird dabei herausgestellt, dass
auf gleicher Fläche ein Kernkraftwerk 100 Mal soviel
Strom erzeugen könne wie eine Solaranlage und dass nur
mit der Kernenergie eine ausreichende Grundlastversorgung
gewährleistet werden könne.
Zunächst wird auf bereits erfolgte Maßnahmen im
Rahmen des Zehn-Punkte-Programms hingewiesen. Im
Bereich der Kernenergie sind das die Bereitstellung von
1,7 Milliarden Pfund um eine Investitionsentscheidung
für ein weiteres Neubauprojekt bis 2024 herbei zu führen,
die Bereitstellung von 100 Millionen Pfund, um das
Projekt Sizewell C voranzubringen, 210 Millionen Pfund,
um die Entwicklung eines britischen SMR mit Rolls Royce
voranzubringen und 120 Millionen Pfund für den Future
Nuclear Enabling Fund, mit dessen Hilfe Markteintrittsbarrieren
für neue Reaktortypen überwunden werden
sollen.
Die Zielvorgabe für die Kernenergie in der British energy
security strategy ist nun bis 2050 ein Aufbau von
DID YOU EDITORIAL KNOW? 5
Kernenergie: Großartige britische Kernenergie mit ehrgeizigen Zielen, Erfahrung und projektbezogener Unterstützung verwirklichen
Schlüsselvorhaben Ziel Ende 2022 Ziel 2023 Ziel 2024 Ziel 2030 Ziel 2050
Bis zu 8 Reaktoren
über die nächste
Projektserie
voranbringen
Das Great British
Nuclear Vehicle
(GBN) soll
bestimmt sein und
Bis zu 8 Rektoren
sollen sich in einem
fortgeschrittenen
Stadium befinden
Bis 2050 24 GW
installierte
Leistung erreichen,
um 25 % des
Strombedarfs zu
decken
Beginn der
Eruierung des
Great British
Nuclear
Development
Vehicle ab dem
kommenden
Monat (Mai 2022)
aufgebaut werden
Die Finanzierung
des Future Nuclear
Enabling Fund soll
stehen
Der Auswahl
prozess für
weitere
Kernenergieprojekte
soll
begonnen
werden
Bis 2024 soll die
abschließende
Investitionsentscheidung
für
ein Kernenergie-
Neubauprojekt
getroffen sein
Bis zu 24 GW
installierte Kernenergieleistung
für
bis zu 25 % des
Strombedarfs
Für weitere
Informationen
kontaktieren Sie bitte:
Nicolas Wendler
KernD
Berliner Straße 88A
13467 Berlin
Germany
E-mail: presse@
KernD.de
www.KernD.de
Did you know?
atw Vol. 67 (2022) | Ausgabe 3 ı Mai
DID YOU EDITORIAL KNOW? 6
insgesamt bis zu 24 GW installierter Leistung Kernenergie
– einschließlich der 7 GW der Projekte Hinkley Point C und
Sizewell C. Damit sollen in 2050 bis zu 25 Prozent des –
gestiegenen – Strombedarfs mit Kernenergie gedeckt
werden, statt ca. 15 % heute und rund 20 % bis vor einigen
Jahren. Diese Zielvorgabe ist eine deutliche Abweichung
nach oben im Vergleich zu den beiden anderen Dokumenten,
in denen die Kernenergie eher stiefmütterlich behandelt
wurde und es keine wirklichen vorwärtsgerichteten
Ambitionen in diesem Bereich gab. Konkret sollen bis
2024 die Investitionsentscheidung für ein zusätzliches
Projekt fallen, bis 2030 dann für zwei weitere. Dabei gilt
jeweils die Bedingung der Kostengünstigkeit und des
Vorliegens der erforderlichen Genehmigungen. Es soll
neue Anlagen an insgesamt acht Standorten geben und
das Tempo des Ausbaus der Kernenergie soll von aktuell
einer neuen Anlage pro Jahrzehnt in der Tendenz auf einen
neuen Reaktor pro Jahr beschleunigt werden.
Eine weitere Maßnahme ist die Etablierung des Great
British Nuclear Vehicle als Körperschaft in Kooperation mit
der Industrie, die die Umsetzung der Projekte in jeder
Phase unterstützen und eine stabile Pipeline nuklearer
Projekte ermöglichen soll. Der Auswahlprozess für
unterstützungswürdige Projekte soll bereits 2023 beginnen
und die Projekte sollen finanziell unterstütz oder ggf.
mit staatlichen Finanzmitteln versehen werden. Bei
Aufrechterhaltung eines hohen Niveaus nuklearer Sicherheit
sollen Genehmigungsprozesse gestrafft und die Anforderungen
bereinigt werden.
In der Energiesicherheitsstrategie wird auch das Thema
Wasserstoffwirtschaft behandelt. Die Produktionskapazität
soll bei 10 GW liegen, davon die Hälfte mittels Elektrolyse.
Bis 2025 soll es im Vereinigten Königreich Elektrolyseure
mit einer Produktionskapazität von 1 GW in Betrieb
oder in Bau geben. Als Energiequelle für Wasserstoff ist
auch Kernenergie möglich.
Die britische Regierung strebt bei der Entwicklung von
kleinen modularen Reaktoren auch internationale
Partnerschaften an und möchte die Kompetenz in Sachen
Urananreicherung und Brennelementfertigung in eine
internationale strategische Kooperation zur Erlangung von
Energieunabhängigkeit von Russland einbringen. Auf der
vorherigen Seite finden Sie die wesentlichen Meilensteine
der Energiesicherheitsstrategie für die Kernenergie in
tabellarischer Form.
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Did you know?
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atw Vol. 67 (2022) | Ausgabe 3 ı Mai
Kalender
CALENDAR 8
2022
04.05. – 06.05.2022
NUWCEM 2022 – 4th International
Symposium on Cement-Based Materials for
Nuclear Wastes.
SFEN, Avignon, France
www.new.sfen.org
08.06. – 09.06.2022
Virtual Conference
Nuclear Innovation Conference 2022.
NRG
www.nuclearinnovationconference.eu
10.07. – 15.07.2022
SMiRT 26 – 26th International Conference
on Structural Mechanics in Reactor Technology.
German Society for Non-Destructive Testing,
Berlin/Potsdam, Germany
www.smirt26.com
15.05. – 20.05.2022
PHYSOR 2022 – International Conference
on Physics of Reactors 2022.
ANS, Pittsburgh, PA, USA,
www.ans.org
DECOM 2022.
cvent, Shropshire, UK
web-eur.cvent.com
20.07.2022
18.05. – 20.05.2022
International Power Summit 2022.
Progressive Media International, Berlin, Germany
registration.pmi-live.com/tc-events/international-power-summit-2022/
08.06. – 09.06.2022
Nuclear Power Plants - IV. Expo & VIII. Summit.
inppes Expo, Istanbul, Turkey
www.nuclearpowerplantsexpo.com
04.09. – 09.09.2022
NUTHOS-13 – 13th International Topical
Meeting on Nuclear Reactor Thermal
Hydraulics, Operation and Safety.
ANS, Taichung, Taiwan
www.ans.org
18.05. – 20.05.2022
4th CORDEL Regional Workshop –
Harmonization to support the operation
and new build of NPPs including SMR.
World Nuclear Association, Lyon, France
events.foratom.org
22.05. – 25.05.2022
NURER 2022 – 7th International Conference
on Nuclear and Renewable Energy Resources.
ANS, Ankara, Turkey,
www.ans.org
Postponed TBD
IYNC - International Youth Nuclear Congress.
IYNC
iync2022.org
09.06. – 10.06.2022
Virtual Conference
Safety in Nuclear Power Plants 2022.
Prospero Events
www.prosperoevents.com
07.09. – 09.09.2022
World Nuclear Association Symposium.
WNA, London, UK
www.wna-symposium.org
03.10. – 06.10.2022
G4SR-4 - 4th International Conference on
Generation IV and Small Reactors.
Canadian Nuclear Society, Toronto, Canada
www.g4sr.org
09.10. – 13.10.2022
TopFuel 2022 - Light Water Reactor Fuel
Performance Conference.
ANS, Raleigh, NC, USA
www.ans.org/meetings/topfuel2022
30.05. – 03.06.2022
FISA 2022 – EURADWASTE ’22.
European Commission, Lyon, France
events.foratom.org
21.06. – 22.06.2022
KERNTECHNIK 2022.
KernD and KTG, Leipzig, Germany
www.kerntechnik.com
06.06. – 07.06.2022
Nuclear Journey to 2050.
FORATOM, Helsinki, Finland
events.foratom.org/nuclear-europe-2022
06.06. – 10.06.2022
RRFM - European Research Reactor Conference.
ENS, Budapest, Hungary
ens.eventsair.com/research-reactorconference-2022
04.07. – 06.07.2022
DAEF 2022 - Conference on Key Topics in Deep
Geological Disposal.
KIT, Cologne, Germany
www.daef2022.org
06.07. – 08.07.2022
GLOBAL 2022 – International Conference
on Nuclear Fuel Cycle
SFEN, Reims, France,
www.new.sfen.org
15.11. – 16.11.2022
12th International Symposium
Release of Radioactive Materials | Provisions for
Clearance and Exemption.
TÜV Nord, Frankfurt, Germany
www.tuev-nord.de
07.06. – 09.06.2022
Hybrid
Nordic Nuclear Forum.
FinNuclear, Helsinki, Finland
nordicnuclearforum.fi
15.11. – 17.11.2022
ICOND 2022.
Aachen Institute for Nuclear Training, Aachen,
Germany
www.icond.de
This is not a full list and may be subject to change.
Calendar
atw Vol. 67 (2022) | Ausgabe 3 ı Mai
Die Deutsche Energiepolitik nach dem
24. Februar 2022
Prof. Dr. Ing. Martin Neumann
Vieles was vor dem 24. Februar als Maßstab in der deutschen Energiepolitik galt, muss in Anbetracht der
aktuellen geopolitischen Lage neu bewertet werden. Die Szenarien des Ausstiegs aus der Braunkohleverstromung
– idealerweise bis 2030 – und die Abschaltung der letzten noch am Netz befindlichen Kernkraftwerke
– alles Makulatur? Klar ist, der Krieg Putins in der Ukraine offenbart, dass eine Neuausrichtung der
Energiepolitik nun zügiger erforderlich ist – es müssen vor allem viele bisher sicher geglaubte Wege verlassen
werden. Eine stärker werteorientierte Ausrichtung unserer Energiepolitik ist eine der großen Herausforderungen.
Die Rohstoffe dieser Welt liegen zum großen Teil
nicht unter dem Boden demokratischer Staaten,
ihre Verteilung hat sich durch den Krieg gegen die
Ukraine nicht verändert. Hinzukommt, dass
Deutschland bisher nicht autark war und es auch in
Zukunft nicht sein wird. Deutschland wird also
auch in Zukunft regelmäßig zu rund 70 % auf Energieimporte
angewiesen sein. Durch Putins Krieg
gegen die Ukraine hat sich diese Situation nicht
verändert. Mindestens genauso wichtig wie die
Absicherung unserer Energieversorgung ist die
Rückkehr zu einem Dialog auf Augenhöhe.
Die Sanktionen gegen Russland sind zurzeit wahrscheinlich
zumindest teilweise wirksam. Aber zu
oft zeigt sich bei Sanktionen – wie am Beispiel
Nordkorea, Venezuela oder Iran –, dass diese nicht
zu den erhofften Ergebnissen führen. Nur als wirtschaftlich
starkes Land kann Deutschland in der EU
maßgeblich zu Sicherheit und Stabilität in Europa
und der Welt beitragen. Voraussetzung für wirtschaftliche
Stärke ist eine bezahlbare und sichere
Energieversorgung.
– Energieimporten zu verringern. Wieviel Energie
lässt schon dadurch einsparen, wenn eine Heizungsanlage
richtig eingestellt wird. Beim sogenannten
hydraulischen Abgleich einer Heizungsanlage kann
bis zu 40 % der Energie eingespart werden, ohne
dass es zu Komforteinbußen kommt. Und das auch
noch für relativ wenig Geld. Aber auch im Umgang
mit Heizungsanlagen fehlt es beim Nutzer oft an
einfachen, aber notwendigen Informationen. Wenn
ich in Deutschland ein Bügeleisen kaufe, bekomme
ich eine umfangreiche Gebrauchsanweisung –
warum nicht als Mieter oder Eigentümer eine angemessene
Information zum Umgang mit der
Heizungsanlage. Die Palette sinnvoller Maßnahmen
lässt sich deutlich verlängern.
ENERGY POLICY, ECONOMY AND LAW 9
Die Kooperation mit Russland bzgl. der Energieversorgung
war auch für uns sehr vorteilhaft und ist
nicht der Grund des aktuellen Konfliktes. Der Krieg
in der Ukraine verändert aber (fast) alles und offenbart
Fehler und politische Fehleinschätzungen der
Vergangenheit bei der Struktur, Gestaltung und
Entwicklung des nationalen Energiemix. Versorgungssicherheit,
Verfügbarkeit, bezahlbare Kosten
und Wirtschaftlichkeit sowie die Verminderung der
Treibhausgasemissionen, können und müssen
durch echte Technologieoffenheit in der Energieversorgung
und breite Diversifikation beim Energieträgerimport
erreicht werden.
Es sind Entscheidungen zu treffen, um die Abhängigkeit
von – insbesondere russischen
| Abb. 1
Primärenergieverbrauch nach Energieträgern (* vorläufige Angaben).
(Quelle: AG Energiebilanzen)
Der Primärenergieverbrauch Deutschlands betrug 2021 12.193* Petajoule.
Rund 70 % des Primärenergiebedarfs muss Deutschland durch Importe decken (Stand 2020).
Wie geht es weiter, wenn Russland tatsächlich die
Lieferung einstellt, weil nicht mit Rubel bezahlt
wird? Oder einfach andere Dinge passieren, die
Energy Policy, Economy and Law
Die Deutsche Energiepolitik nach dem 24. Februar 2022 ı Prof. Dr. Ing. Martin Neumann
atw Vol. 67 (2022) | Ausgabe 3 ı Mai
Primärenergieimporte
ENERGY POLICY, ECONOMY AND LAW 10
Energieträger Importquote 2020*
momentan nicht für möglich gehalten werden? Der
Blick auf konkrete Zahlen zeigt die Zusammenhänge
klar und deutlich: Die bisherigen deutschen
Importe aus Russland lagen 2021 für Steinkohle bei
50 %, bei Mineralöl bei fast 50 % und bei Erdgas bei
55 %. Auch bei Uran war Russland für die EU mit
rund 20 % ein wichtiger Lieferant.
Wenn wir jetzt wissen, dass große Mengen von nur
einem Lieferanten große Probleme schaffen
können, dann lohnt sich immer darüber nachzudenken,
Importquoten aus einer Bezugsquelle zu
Anteil des Energieträgers
am Primärenergieverbrauch 2020
Anteil des Energieträgers
an der Bruttostromerzeugung 2020
Braunkohle -2,2 % 8,0 % 16,0 %
Steinkohle 100,0 % 7,5 % 11,3 %
Uran 100,0 % 5,9 % 11,3 %
Mineralöl 98,0 % 34,3 % 16,1 %
Erdgas** 94,4 % 26,5 % 0,8 %
Erneuerbare Energien*** 0,8 % 16,5 % 43,9 %
* Anteil des Primärenergieverbrauchs, der nicht durch Gewinnung im Inland gedeckt ist. (Eine negative Angabe bedeutet,
dass im Inland vom jeweiligen Energieträger mehr gewonnen als verbraucht wurde. Der Überschuss wurde entweder
exportiert oder den Vorräten hinzugefügt.)
** Importquote für Naturgase (Erdgas, Erdölgas, Grubengas)
*** Importiert werden Anteile der Energieträger "feste biogene Stoffe" (darunter Holzkohle),
"flüssige biogene Stoffe" und "Biokraftstoffe"
| Abb. 2
Primärenergieimporte.
Quelle: Umweltbundesamt, Arbeitsgruppe Erneuerbare Energien-Statistik
(AGEE-Stat) und auf Basis von: AG Energiebilanzen, Auswertungstabellen
zur Energiebilanz für die Bundesrepublik Deutschland 1990 bis 2020, Stand
09/2021; AG Energiebilanzen, Bruttostromerzeugung in Deutschland von
1990 bis 2020 nach Energieträgern, Stand 02/2021
begrenzen. Ich habe zuletzt Diskussionen erlebt –
sind es nun 10 oder 20 – vielleicht sogar 30 % von
einem Lieferanten? Wichtig bleiben die Fragen, wer
liefert und ist der Lieferant zuverlässig?
Erdgas ist der Energieträger, der für Industrie und
Haushalte, für Prozesswärme aber auch für Gebäudeheizung
und vieles andere eine besondere Bedeutung
hat. Sind wir doch alle bisher davon ausgegangen,
dass Erdgas als Brücke zur Grundlastfähigkeit
alternativer Energien dienen wird. Als Brücke
zu modernen Wasserstofftechnologien. War es
| Abb. 3
Strommix 2021 - Stromerzeugung in Deutschland [Netto].
(Quelle: STROM-REPORT.de)
Energy Policy, Economy and Law
Die Deutsche Energiepolitik nach dem 24. Februar 2022 ı Prof. Dr. Ing. Martin Neumann
atw Vol. 67 (2022) | Ausgabe 3 ı Mai
Naivität, Fahrlässigkeit oder einfach nur Politikversagen?
Russland hat immer, auch in Zeiten des
kalten Krieges, zuverlässig geliefert sagen viele, die
die jetzige Situation bis zum 24. Februar nicht für
möglich gehalten haben.
Brauchen wir jetzt nicht eine Inventur der real
verfügbaren Energieträger auf der einen Seite und
des Energiebedarfs von Wirtschaft und Verbrauchern
auf der anderen Seite? Viel spannender ist
deshalb die Frage wo in den Haushalten, aber auch
in der Industrie Erdgas in der Anwendung bei Fernwärme,
in der Industrie und im Stromsektor wirtschaftlich
sinnvoll reduziert werden kann. Wie
stellt sich nun die aktuelle Situation konkret dar?
Parallel zum Ausbau der Erneuerbaren Energien
sollen u. a. alle deutschen Kohlekraftwerke planmäßig
bis spätestens 2038 stillgelegt werden. Im
Koalitionsvertrag der Ampelregierung ist die Rede
von einem Ausstieg – idealerweise – bereits 2030.
Im Moment ist aber kaum etwas ideal. Zur Gewährleistung
der Versorgungssicherheit ist der Ausbau
von wetterunabhängigen Gaskraftwerken vorgesehen,
die langfristig mit Biogas und/oder Wasserstoff,
übergangsweise aber auch mit Erdgas (mit/
ohne CCS) betrieben werden sollen.
Sollten Biogas, Wasserstoff und Erdgas oder die
erforderlichen Kraftwerkskapazitäten nicht rechtzeitig
in ausreichender Menge zur Verfügung
stehen, ist ein vorübergehender Weiterbetrieb von
Kohlekraftwerken einzuleiten. Hierzu ist rechtzeitig
und regelmäßig eine Überprüfung zuverlässiger
Brennstoffversorgung vorzunehmen.
denkbar. Um auch künftig über genügend
Planungszeit zu verfügen, wäre der Ausbau der
Kapazität der Gasspeicher mit einer Reichweite
von z. B. einem Jahr denkbar.
Wärmeversorgung von Haushalten und
Industrie
Während eine Umstellung der Stromversorgung,
ob der ohnehin stattfindenden Energiewende
relativ einfach möglich scheint, ist eine Umstellung
der sehr kleinteiligen und maßgeschneiderten
Wärmeversorgung nur langfristig zu realisieren.
Ca. 50 % des Wohnungsbestandes wird vor Ort mit
Erdgas und etwa 25 % mit Heizöl beheizt.
Für eine Umstellung wäre in der Regel ein neuer
Kessel oder eine Therme zu installieren. Dieser
Prozess betrifft Haus- und Wohnungsbesitzer, die
durch geeignete Maßnahmen, unterstützt werden
sollten, um den Erdgasverbrauch zu reduzieren und
die Effizienz insgesamt zu steigern. Dazu gehört
u. a. eine objektbezogene und ganzheitliche Energieberatung.
Wesentlich ist, dass in jedem Fall
Investitionssicherheit gewährleistet wird.
ENERGY POLICY, ECONOMY AND LAW 11
Gaskraftwerke
Kurz- und mittelfristig sind bisher wegen der relativ
geringen CO2-Emissionen Gaskraftwerke als Substitution
von Kohle- und Kernkraftwerken vorgesehen.
Langfristig mit dem Aufbau einer ausreichenden
und zuverlässigen Wasserstoffinfrastruktur
sollen Gaskraftwerke komplementär zur
volatilen Stromerzeugung durch Photovoltaik- und
Windkraftanlagen betrieben werden. Im Ausbauzustand
wäre also eine Versorgung mit Wasserstoff
oder Biogas sicherzustellen. Kurz- und mittelfristig
sollte eine diversifizierte Beschaffung organisiert
werden. Aus Kostengründen ist ein Bezug über
Pipeline vorteilhaft. Aus Sicht der Versorgungssicherheit
sollte der schon diskutierte direkte Zugang
zu LNG zügig umgesetzt werden. Der Bau und
Betrieb von Schiffsterminals in Deutschland, aber
auch der Zugang und die Nutzung von LNG-
Terminals im Ausland, eventuell mit Anbindung
per Pipeline stellen eine Alternative dar. Parallel
wäre ein Ausbau von Lieferungen aus Norwegen
| Abb. 4
Beheizungsstruktur des Wohnungsbestandes in Deutschland 2021.
(Quelle: BDEW)
Deutschland braucht mindestens 2.700 TWh für
die nationale Gesamtenergieversorgung. Davon
sind ca. 20 % Strom – die restlichen 80 % kommen
für Gebäude, Wärme und Kälte, aber auch Verkehr
und Landwirtschaft zur Anwendung. Argumentiert
wird, dass der Ausbau alternativer Energien
schneller erfolgen muss. Das ist im Ansatz ein
Energy Policy, Economy and Law
Die Deutsche Energiepolitik nach dem 24. Februar 2022 ı Prof. Dr. Ing. Martin Neumann
atw Vol. 67 (2022) | Ausgabe 3 ı Mai
10.05.2021 Folie 1 SP-V/Ba
ENERGY POLICY, ECONOMY AND LAW 12
Installierte Leistung und Erzeugung 2020*
Gesamte Elektrizitätswirtschaft
Wind auf See
Wind an Land
Photovoltaik
Biomasse und
sonst. Erneuerbare Energien
sonstige konv. Energieträger
Erdgas
Steinkohle
Braunkohle
Kernenergie
Wasserkraft
Quellen: Destatis, BDEW; Stand 04/2021
24,0%
4,2%
4,8%
13,4%
10,7%
9,2%
3,6%
| Abb. 5
Elektrizitätswirtschaft – Installierte Leistung und Erzeugung 2020*.
(Quellen: Bestatis, BDEW)
richtiger Weg. Aber was wird sich jetzt ändern bzw.
was müsste sich ändern und ist es damit tatsächlich
getan? Das Problem der Dunkelflauten ist damit
nicht gelöst. Orientiert man sich an den Berichten
der Vergangenheit, dann sind wir auch schon in den
vergangenen Monaten gefährlich nah an den Punkt
gelangt, an dem das Licht plötzlich ausgehen kann.
Damit das nicht passiert, muss verantwortliche
Politik alle bisherigen Ausstiegsszenarien zügig
und ergebnisoffen unter den Aspekten Versorgungssicherheit,
Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit
überprüfen und für einen Weiterbetrieb
abwägen. Wichtig sind dabei nicht nur die über das
gesamte Jahr insgesamt gelieferten Energiemengen
– die sogenannten bilanziellen Energiemengen -
sondern vor allem die zu jeder Zeit lieferbaren
Energiemengen aus wetterabhängigen – den sogenannten
volatilen – und den konventionellen Energieanlagen.
Der Wechsel hin zu einem verstärkten Wasserstoffeinsatz
braucht grundsätzlich sehr viel Strom – und
deshalb die Unterstützung durch Klimaschutzverträge.
Strom muss preiswert sein und deshalb von
staatlichen Preisbestandteilen befreit werden. Es
lohnt auch der Blick auf die Gesetze, die im Zuge
der Energiewende beschlossen wurden. Was muss
aktualisiert, vielfach aber auch novelliert werden?
Manchmal würde es schon reichen, diese Gesetze
einfacher und verständlicher zu machen. Das
beginnt schon bei der Eigenstromversorgung wo
man vieles für den Nutzer wirtschaftlicher und
anwendungsfreundlicher machen könnte.
3,4% 5,0%
24,2% 19,1%
Installierte Leistung**
224,7 GW (netto)
9,3%
8,6%
3,8%
16,6%
7,2%
15,7%
11,3%
2,5% 3,4%
Stromerzeugung
539,4 TWh (netto)
*vorläufig **ohne Einspeiseleistung von Stromspeichern
Die 2022 als letzte am Netz verbliebenen drei Kernkraftwerke
(KKE Emsland, GKN-2 Neckarwestheim
und KKI-2 Isar) haben eine Leistung von
zusammen ca. 4,3 GW und können ca. 34 TWh
Strom p.a. erzeugen. Die Ende 2021 vom Netz
genommenen Kernkraftwerke (Grohnde, Gundremmingen
C, Brokdorf) hatten eine Leistung von
zusammen ca. 4,1 GW. In vielen Diskussion geht es
nun um die Frage eines befristeten Weiterbetriebs
über 2022 hinaus. Hierzu müssten aber auch
Personal zumindest teilweise reaktiviert und neu
rekrutiert und neue Brennelemente beschafft
werden. Zur politischen Entscheidung für oder
gegen einen lückenlosen Weiterbetrieb der Kernkraftwerke
müssen somit eine Reihe von Fragen
schnell geklärt werden. Für einen Weiterbetrieb
spricht die schnelle und sichere Verfügbarkeit von
weitgehend treibhausgasfreier Erzeugung von
Strom in relevanten Mengen.
Die schwerwiegenden Veränderungen der weltpolitischen
Rahmenbedingungen erfordern deshalb
schnelle Entscheidungen ohne Denkverbote.
Wesentlich bleibt, dass alle einheimischen Energieträger
und Technologien, die klimaneutral sind,
wichtig für die Grundlast als Teil der Gesamtlösung
und damit für die Versorgungssicherheit bleiben.
Das betrifft u. a. Biomasse, Geothermie und
Abwärme.
Energieeffizienz spielt in allen Betrachtungen eine
entscheidende Rolle. In einer umfangreichen
Studie wurde festgestellt, dass deutschlandweit ca.
80 % der Heizungsanlagen im Bestand, zwei- bis
Energy Policy, Economy and Law
Die Deutsche Energiepolitik nach dem 24. Februar 2022 ı Prof. Dr. Ing. Martin Neumann
atw Vol. 67 (2022) | Ausgabe 3 ı Mai
dreimal größer in der Leistung ausgelegt sind, als
eigentlich nach der Heizlast notwendig wäre. Mit
Blick auf den resultierenden Energieumsatz ist es
wesentlich, ob die Heizungsanlage auf 10 kW oder
eben 20 kW ausgelegt ist. Die Praxis liefert dafür
ausreichend Beispiele.
Energie dann zu nutzen, wenn diese gerade ausreichend
vorhanden ist, wird auch Flexibilität
genannt. Das kann durch Anreizsysteme oder in
gekoppelten Systemen funktionieren. Das dafür
notwendige komplexe Management funktioniert
nicht manuell, sondern muss als Teil eines digital
organisierten Systems funktionieren.
Es gehört zu den Irrungen in der deutschen Energiepolitik
sich in bilanziellen Betrachtungen buchstäblich
zu sonnen, denn „Überschüsse“ entstehen
zu Zeiten, in denen das Angebot die Nachfrage
deutlich übersteigt und mangels Alternativen
Stromexporte notwendig werden. Klar, warum das
so ist. Wenn Energie über Windräder oder
PV-Anlagen in Strom umgewandelt wird und nicht
ausreichend Netze oder Speicher vorhanden sind,
passiert so etwas schon mal.
Energieversorgung braucht eine auskömmliche
Finanzierung, braucht aber vor allem Investitionen
und Zeit. Und da alles sehr komplex ist,
sollte der Gesamtprozess ab sofort von einen
Expertengremium zielorientiert begleitet
werden.
Autor
Prof. Dr. Ing. Martin Neumann MdB a.D.
ehem. Sprecher für Energiepolitik der FDP Bundestagsfraktion
prof.m.neumann@web.de
Prof. Dr. Ing. Martin Neumann studierte Maschinenbau an der TU Dresden und
promovierte anschließend an der Hochschule Cottbus. Von 2017 bis 2021 war er
Mitglied des 19. Deutschen Bundestages - Sprecher für Energiepolitik sowie 2009
bis 2013 Mitglied des 17. Deutschen Bundestags- Sprecher für Forschungspolitik.
In 2007 war er Mitglied der Arbeitsgruppe „Klimawandel“ beim Ministerium für
Landwirtschaft und Umwelt des Landes Sachsen-Anhalt und hält seit 1999 die
Professur für Technische Gebäudeausrüstung (TGA) an der Hochschule
Magdeburg-Stendal.
ENERGY POLICY, ECONOMY AND LAW 13
Dies offenbart eine weitere – schon lange bekannte
– Schwäche deutscher Energiepolitik. Es fehlt
grundsätzlich die systemische Integration oder
einfacher gesagt, Strom der produziert wird, muss
direkt über Leitungen zum Verbraucher oder es
müssen brauchbare Speicher her. Und daran
mangelt es. Aber nicht nur dort. Eine wichtige Frage
in diesem Zusammenhang ist auch die nach der
Verantwortlichkeit für die nationale Versorgungssicherheit.
Hier braucht es eine klare Struktur und
klare Handlungsoptionen für die praktische Umsetzung.
Damit können Verbraucher sicher mit Energie
versorgt werden aber auch bezahlbare Preise durch
Marktwirtschaft und Wettbewerb ermöglich
werden.
Bleibt die Frage, wer die Kabel in die Erde legt, die
vielen PV-Anlagen anschließt und in Betrieb
nimmt. Fachkräfte fehlen überall – es fehlt aber
gerade hier an guten Ideen um verstärkt Fachkräfte
für die Energiewende zu gewinnen. Wenn für die
Anwendung bzw. Umsetzung wichtiger Gesetze
Juristen beteiligt werden müssen und Bauteile in
einem System – die noch einwandfrei und sicher
funktionieren – einfach ausgetauscht werden
müssen, nur weil es so in der Norm steht, wird klar,
wo weitere Probleme liegen.
Und eines wird jetzt noch deutlicher: Der umfangreiche
Prozess der Transformation der
Energy Policy, Economy and Law
Die Deutsche Energiepolitik nach dem 24. Februar 2022 ı Prof. Dr. Ing. Martin Neumann
Die Technische Universität München betreibt mit der Forschungs-Neutronenquelle Heinz Maier-Leibnitz (FRM II) in Garching bei
München eine der leistungsfähigsten und modernsten Neutronenquellen weltweit. Als Serviceeinrichtung für die Wissenschaft und
Dienstleister für die Industrie nehmen wir eine Spitzenstellung im Bereich der Forschung mit Neutronen und deren technischer
Nutzung ein.
Zur Unterstützung des Betriebs unserer Anlage ist zum ehest möglichen Zeitpunkt in Vollzeit (40,1h/Woche) die Stelle
Fachbereichsleiter (m/w/d) Reaktorbetrieb
zu besetzen.
Ihr Aufgabengebiet
Als Fachbereichsleiter Reaktorbetrieb sind Sie für einen Fachbereich von mehr als 30 Mitarbeiter*innen zuständig, der sich in die
Teilbereiche Reaktorschichtpersonal, Maschinentechnik, Fachkundeerhalte sowie Wiederkehrende Prüfungen und Wartungskoordination
gliedert.
Zu Ihrem zukünftigen Verantwortungs- bzw. Aufgabenbereich gehören:
• der sichere Betrieb des Reaktors, auch der sekundären Quellen, gemäß Betriebsplan
• die Einhaltung von Auflagen und Vorschriften zum Betrieb des Reaktors inkl. dem vorbeugenden Brandschutz
• die Wartung und Instandhaltung der Anlage
• der Betrieb und die Instandhaltung der für den Reaktorbetrieb erforderlichen konventionellen Anlagen
• die Aktualisierung des Betriebshandbuches
• die Kommunikation mit Behörden und Sachverständigen
• die Sicherstellung und der Erhalt der erforderlichen Fachkunde des Personals in Zusammenarbeit mit dem/der Ausbildungsleiter/in
Anforderungsprofil
• Sie verfügen über ein abgeschlossenes Hochschulstudium (Dipl. Ing. Univ., Master Univ. oder Promotion) im
ingenieurwissenschaftlichen oder naturwissenschaftlichen Bereich.
• Sie begeistert die Zusammenarbeit mit Kollegen aus einem breitgefächerten technischen Umfeld bei der Findung und Umsetzung
konstruktiver technischer Problemlösungen.
• Sie zeichnen sich durch Teamfähigkeit, Durchsetzungskraft, Eigeninitiative, Belastbarkeit und präzise Ausdrucksweise aus.
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Bereitschaft, sich in neue Fragestellungen einzuarbeiten.
• Idealerweise verfügen Sie bereits über Führungserfahrung.
• Vorkenntnisse und/oder Berufserfahrung im kerntechnischen Bereich sind von Vorteil aber nicht unabdingbar.
Der hohe Sicherheitsstandard unserer Einrichtung erfordert die atomrechtliche Zuverlässigkeit der Beschäftigten. Dazu werden
entsprechende Überprüfungen durchgeführt. Die Aufgaben beinhalten auch den Zugang zu Strahlenschutzbereichen.
Unser Angebot
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Als Mitarbeiter*in des FRM II können Sie von vielen weiteren Angeboten der TUM profitieren, wie
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Die Stelle wird nach TV-L vergütet und ist zunächst auf 2 Jahre befristet. Schwerbehinderte werden bei im Wesentlichen gleicher Eignung
bevorzugt eingestellt. Die TUM strebt eine Erhöhung des Frauenanteils an. Bewerbungen von Frauen werden daher ausdrücklich begrüßt.
Kontakt
Wir freuen uns auf Ihre aussagekräftige Bewerbung über unser Portal https://karriere.frm2.tum.de bis zum 05.06.2022
Dort finden Sie auch weitere Stellenanzeigen.
Technische Universität München
Forschungsneutronenquelle Heinz Maier-Leibnitz (FRM II)
Personalbüro
Lichtenbergstraße 1
D-85748 Garching
Tel: +49 89 289 13815
www.mlz-garching.de
www.frm2.tum.de
Im Rahmen Ihrer Bewerbung um eine Stelle an der Technischen Universität München (TUM) übermitteln Sie personenbezogene Daten. Beachten Sie bitte hierzu unsere
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Durch die Übermittlung Ihrer Bewerbung bestätigen Sie, dass Sie die Datenschutzhinweise (https://www.tum.de/spezialseiten/datenschutz/) der TUM zur Kenntnis
genommen haben.
atw Vol. 67 (2022) | Ausgabe 3 ı Mai
Perspektiven der Energieversorgung in
Deutschland
Hans-Wilhelm Schiffer, Stefan Ulreich
Im Jahr 2021 betrug der gesamte Primärenergieverbrauch in Deutschland 12.265 Petajoule (PJ). Dies entspricht
418,5 Millionen Tonnen Steinkohleneinheiten (Mio. t SKE). Zu den besonderen Kennzeichen der
deutschen Energieversorgung gehört die hohe Importabhängigkeit. 2021 mussten 71 % des Energiebedarfs
durch Einfuhren gedeckt werden. Der Anteil heimischer Energien an der Bedarfsdeckung hat sich in den
Abb. 1: vergangenen Energiegewinnung Jahrzehnten in Deutschland – trotz des 1990 starken bis 2021 Ausbaus der erneuerbaren Energien zur Stromerzeugung –
in Mio. t SKE
von 42 % im Jahr 1990 auf 29 % im Jahr 2021 vermindert.
200
150
100
50
0
212,4
129,4
141,8
1990 2000 2010 2020 2021
| Abb. 1
Energiegewinnung in Deutschland 1990 bis 2021 (in Mio. t SKE)
(Quelle: Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen (AGEB), September 2021 und eigene
Schätzung für 2021)
Quelle: Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen (AGEB), September 2021 und eigene Schätzung für 2021
115,9 121,1
Sonstige
Energien
Erneuerbare
Energien
Erdgas
Mineralöl
Braunkohle
Steinkohle
So war die inländische Gewinnung an Steinkohle,
die 1990 noch rund 71 Mio. t SKE betragen hatte,
Ende 2018 vollständig eingestellt worden. Der
Abbau von Braunkohle hat sich in dem genannten
Zeitraum um 63 % verringert. Zugleich ging in den
vergangenen Jahrzehnten auch die inländische
Förderung von Erdöl und Erdgas aufgrund der
zunehmenden Erschöpfung von Altfeldern und
Lagerstätten zurück, und zwar um 71 % bei Erdgas
und um 51 % bei Rohöl – jeweils im Vergleich zu
1990. Im Unterschied zur Entwicklung bei den
fossilen Energieträgern hat sich die Nutzung
erneuerbarer Energien bis 2021 im Vergleich zum
Stand des Jahres 1990 verzehnfacht (Tab. 1 und
Abb. 1). Seit dem Jahr 2015 haben die erneuerbaren
Energien die Braunkohle als zuvor wichtigste
heimische Energiequelle abgelöst. Das erklärt sich
vor allem durch die starken Zuwächse bei Wind und
Photovoltaik.
Energieträger 1990 2000 2010 2021
Energiegewinnung im Inland in Mio. t SKE
Steinkohle
Braunkohle
Mineralöl
Erdgas/Erdölgas
Erneuerbare Energien
Sonstige Energien
71,3
107,2
5,3
19,2
6,8
2,5
34,5
52,1
4,5
21,8
14,2
2,2
| Tab. 1
Energiegewinnung und Primärenergieverbrauch in Deutschland.
13,2
52,4
3,6
15,4
48,5
8,7
0,0
39,3
2,6
5,6
66,3
7,3
Summe 212,4 129,4 141,8 121,1
Primärenergieverbrauch in Mio. t SKE
Steinkohle
Braunkohle
Mineralöl
Erdgas/Erdölgas
Erneuerbare Energien
Kernenergie
Sonstige Energien
78,7
109,2
178,4
78,2
6,7
56,9
0,5
69,0
52,9
187,6
101,9
14,2
63,2
2,6
58,5
51,6
159,8
108,2
48,2
52,3
6,5
35,6
38,5
135,1
112,2
66,4
25,7
5,0
Summe 508,6 491,4 485,1 418,5
(Quelle: Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen: Auswertungstabellen zur Energiebilanz Deutschland
(September 2021) sowie Energieverbrauch in Deutschland im Jahr 2021. Berlin, März 2022)
Fläche des Landes:
357.000 km²
Bevölkerung: 83 Millionen
Bruttoinlandsprodukt 2021:
3.567 Mrd. €
Ranking nach globaler
Wirtschaftsleistung:
Nr. 4 hinter USA, China
und Japan
SERIAL | MAJOR TRENDS IN ENERGY POLICY AND NUCLEAR POWER 15
Braunkohle wird in Deutschland noch in zehn Tagebauen
– verteilt auf drei Reviere – abgebaut. Die
vergleichsweise geringe Erdgas- und Erdölförderung
konzentriert sich insbesondere auf den Norden
der Bundesrepublik Deutschland (Abb. 2). Windanlagen
sind – aufgrund der dort günstigeren Windverhältnisse
– vor allem im Norden Deutschlands
(onshore und offshore) installiert, während die
Stand: Februar 2022
| Abb. 2
Schwerpunkte der Energiegewinnung.
(Quelle: H.-W. Schiffer, Energiemarkt Deutschland)
Solarenergie stärker im Süden als im Norden ausgebaut
worden ist.
Serial | Major Trends in Energy Policy and Nuclear Power
Perspektiven der Energieversorgung in Deutschland ı Hans-Wilhelm Schiffer, Stefan Ulreich
atw Vol. 67 (2022) | Ausgabe 3 ı Mai
SERIAL | MAJOR TRENDS IN ENERGY POLICY AND NUCLEAR POWER 16
Starker Anstieg der Energie-
Importabhängigkeit Deutschlands
Im Zeitraum 1990 bis 2021 haben sich die Nettoimporte
an Erdgas um rund 67 % auf 100 Mio. t SKE
erhöht. Die Nettoimporte an Steinkohlen waren
von 6,1 Mio. t SKE im Jahr 1990 auf 54,8 Mio. t SKE
im Jahr 2016 gestiegen und sind in der Folge auf
35,2 Mio. t SKE im Jahr 2021 zurückgegangen. Die
Nettoimporte an Mineralölen sind seit Mitte der
1990er Jahre gesunken. Sie betrugen 2021 rund
133 Mio. t SKE. Das waren 23 % weniger als 1990.
Für Kernenergie wird in den Statistiken der Arbeitsgemeinschaft
Energiebilanzen für 2021 ein Nettoimport
von 25,7 Mio. t SKE ausgewiesen. Das
entspricht knapp der Hälfte des Vergleichswertes
von 1990. In internationalen Statistiken, etwa der
International Energy Agency, wird die in verschiedenen
Ländern genutzte Kernenergie dort den
heimischen Energien zugerechnet, auch wenn das
Uran importiert werden muss. Das wird damit
begründet, dass der Kernenergie angesichts der in
den einzelnen Ländern vorgehaltenen Brennstoffvorräte
mit mehrjähriger Reichweite praktisch der
gleiche Stellenwert in Bezug auf Versorgungssicherheit
beizumessen ist wie heimischen Energien.
Wenn man diese Praxis auch für Deutschland
anwendet, würde sich die für 2021 berechnete
Energie-Importabhängigkeit auf 65 % verringern.
Mit der Stilllegung der letzten drei noch verbliebenen
Kernkraftwerke zum Jahresende 2022 existieren
ab 2023 in Deutschland aber keine Anlagen
auf Basis dieser Technologie mehr, die einen Beitrag
zur Versorgungsicherheit leisten könnten.
„Für die Verletzbarkeit der deutschen Volkswirtschaft
gegenüber Energiekrisen spielt die Verfügbarkeit und
die damit verbundene Möglichkeit einer heimischen
Gewinnung und Nutzung von Energierohstoffen eine
wichtige Rolle. Grundsätzlich senkt eine höhere
Inlandsgewinnung die Einfuhrabhängigkeit und
reduziert damit die Gefahr von Angebotsstörungen
oder -unterbrechungen sowie das Preisrisiko für die
heimische Wirtschaft.“ 1
Neben der Höhe der Importabhängigkeit spielen
auch der Grad an Diversifizierung der Bezugsquellen,
das Maß an Sicherheit, das die Lieferländer
bei der Bereitstellung von Öl, Erdgas und Kohle
bieten, sowie der Konzentrationsgrad der
Vorkommen, aus denen die internationalen Märkte
bedient werden, eine wichtige Rolle für die Beurteilung
der Sicherheit der Versorgung mit
Energie-Rohstoffen. Ebenso können liquide Großhandelsmärkte
zu einer Erhöhung der Versorgungssicherheit
führen: der Ausfall eines Lieferanten
kann dann unproblematisch durch neue Lieferbeziehungen
ersetzt werden. Insbesondere Energieträger,
die verschifft werden können, z. B. Erdöl
oder Flüssigerdgas (LNG 2 ), bieten hier besondere
Vorteile.
Zu den bedeutendsten Energie-Rohstofflieferanten
der Bundesrepublik Deutschland zählten 2021
Russland, Norwegen, USA, Kasachstan, Großbritannien,
Niederlande, Australien und Kolumbien.
Russland steht bei Rohöl, Erdgas und Steinkohle
auf Platz 1 der für Deutschland wichtigsten Energie-
Rohstofflieferanten. Aus Norwegen bezieht
Deutschland Rohöl und Erdgas, aus den USA Steinkohle
und Erdöl. Schwerpunkt der Lieferungen aus
Großbritannien ist Erdöl, im Falle der Niederlande
ist es Erdgas. Aus Kasachstan führt Deutschland
Rohöl ein. Australien und Kolumbien waren 2021 –
nach Russland und USA – die wichtigsten Steinkohle-Lieferanten
(Abb. 3).
120
100
80
60
40
20
0
Russland
Norwegen
Angaben in Mio. t SKE
Erdöl Erdgas Steinkohle
USA
Kasachstan Großbritannien
Niederlande Australien Kolumbien
| Abb. 3
Energie-Rohstofflieferanten Deutschlands 2021.
(Quelle: H.-W. Schiffer; Datenquellen: Rohöl: Basis BAFA; Erdgas: Bruegel, Preparing for the
first winter without Russian gas, 28. Februar 2022; Steinkohle: Statistisches Bundesamt)
Abb. 4: Energie-Importabhängigkeit Deutschlands im
Jahre 2021
140
120
100
80
60
40
20
0
135,1 Mio. t
SKE
98%
112,2 Mio. t
SKE
95%
66,4 Mio. t
SKE
100%
2% 5%
Öl Erdgas Erneuerbare
Energien
Importabhängigkeit gesamt:
Inland 29 %
Importe 71 %
38,5 Mio. t
SKE
100%
35,6 Mio. t
SKE
100%
25,7 Mio. t
SKE
Quelle: Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen 03/2022 (Prozentzahlen als Anteile der Inlandsförderung am jeweiligen Primärenergieverbrauch
errechnet); einschließlich Sonstiger Energien, wie o. a. Außenhandelssaldo Strom, von 5,0 Mio. t SKE ergibt sich der gesamte
Primärenergieverbrauch von 418,5 Mio. t SKE.
| Abb. 4
Nettoimporte
Inlandsförderung
Braunkohle Steinkohle Kernenergie
Energie-Importabhängigkeit Deutschlands im Jahre 2021.
(Quelle: Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen 03/2022 (Prozentzahlen als Anteile der
Inlandsförderung am jeweiligen Primärenergieverbrauch errechnet); einschließlich
Sonstiger Energien, wie o. a. Außenhandelssaldo Strom, von 5,0 Mio. t SKE ergibt sich
der gesamte Primärenergieverbrauch von 418,5 Mio. t SKE.
1 Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen (2020): Energieverbrauch in Deutschland im Jahr 2019. Berlin/Bergheim, März 2020
2 LNG = liquefied natural gas
Serial | Major Trends in Energy Policy and Nuclear Power
Perspektiven der Energieversorgung in Deutschland ı Hans-Wilhelm Schiffer, Stefan Ulreich
atw Vol. 67 (2022) | Ausgabe 3 ı Mai
Eine mit 98 % überproportional hohe Abhängigkeit
von Lieferungen aus dem Ausland besteht bei Mineralöl,
dem nach wie vor mengenmäßig wichtigsten
Energieträger. Bei Erdgas belief sich der Einfuhranteil
2021 auf 95 %. Bei Steinkohle ist Deutschland
zu 100 % auf Importe angewiesen. Demgegenüber
sind Braunkohle sowie Wasser, Windkraft, Solarenergie,
Bio-Energie und Geothermie praktisch in
vollem Umfang der Inlandsgewinnung zuzurechnen
(Abb. 4).
Mangelnde Diversifizierung der
Energieimporte nach Herkunftsländern
Bei der Einschätzung der Sicherheit der Versorgung
durch die Herkunftsländer für Öl, Erdgas und
Steinkohle bestehen deutliche Unterschiede. So
konzentrieren sich die weltweiten Vorkommen an
Erdöl und Erdgas stark auf die sogenannte strategische
Ellipse (Abb. 5). Dazu gehören – neben
verschiedenen Staaten Eurasiens, darunter Russland
– insbesondere Länder des Mittleren Ostens.
Im Unterschied dazu sind die Vorkommen an
Abb. 5: Weltweite Verteilung der Reserven* an Erdöl und
Erdgas
(Mrd. t SKE)
Erdöl
Nordamerika
20
51
Sonstiges
Mittel- und
Südamerika
insgesamt:
Venezuela
7
Afrika
350 Mrd. t SKE
Erdgas insgesamt: 267 Mrd. t SKE
68
3
5
21
24
Europa
3 3
| Abb. 5
Weltweite Verteilung der Reserven* an Erdöl und Erdgas (Mrd. t SKE).
Quelle: Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR), BGR Energiestudie
2021, Hannover, Februar 2022
Abb. 6: Weltweite Verteilung der Kohlereserven
in Mrd. t SKE
Naher
Osten
161
GUS
88**
29
„Strategische Ellipse“
62 % der weltweiten
Erdöl- und Erdgasreserven
Austral-Asien
9
21
Australien
* einschließlich nicht-konventionelle Reserven
** davon 62 Mrd. t SKE Russland
Quelle: Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR), BGR Energiestudie 2021, Hannover, Februar 2022
104
Bild 5
Steinkohlen weltweit breit gestreut. Sie lagern zum
größeren Teil in politisch stabilen Regionen, wie
Nordamerika und im Raum Asien/Pazifik (Abb. 6).
Die Versorgung Deutschlands mit Rohöl erfolgte
2021 aus insgesamt 30 Staaten. Die fünf wichtigsten
Lieferländer waren Russland, USA,
Kasachstan, Norwegen und Großbritannien. Auf
Russland entfielen 34 % der Rohöleinfuhren. 17 %
der importierten Rohölmengen stammten aus
OPEC-Mitgliedstaaten. 3
In den letzten drei Jahrzehnten
hat sich der Anteil der OPEC an der Rohölversorgung
Deutschland, der 1990 noch bei 41 %
gelegen hatte, zwar verringert. Im Gegenzug haben
die Lieferungen aus Russland ein verstärktes
Gewicht bekommen.
Bei der Versorgung des deutschen Marktes mit
Erdgas dominieren zwei Staaten. Das sind Russland
und Norwegen. Eine besonders starke Position hat
Russland inzwischen erreicht. Die Lieferungen aus
Russland waren im Jahr 2021 mit 55 % an den
Erdgaseinfuhren bzw. 52 % am Gesamtaufkommen
(einschließlich Inlandsförderung) beteiligt. Auf
Norwegen entfielen 30 % des Aufkommens. Die
Lieferungen aus den Niederlanden haben sich in
den vergangenen Jahren deutlich vermindert –
zugunsten eines wachsenden Anteils von Russland.
2021 lag der Anteil der Niederlande am Erdgasaufkommen
Deutschlands bei 8 %. Neben den aus
diesen Herkunftsländern per Pipeline nach
Deutschland gelieferten Erdgasmengen entfielen
etwa 5 % auf LNG-Mengen, die über Terminals in
den Niederlanden und in Belgien angelandet und
von dort über das bestehende Pipelinenetz nach
Deutschland verbracht wurden. Innerhalb der
vergangenen zehn Jahre hat sich der Anteil der
Lieferungen Abb. 7: Erdgasaufkommen aus Russland stark zur Versorgung vergrößert. in (Abb. Deutschland 7)
nach der Herkunft 2011 und 2021 im Vergleich
SERIAL | MAJOR TRENDS IN ENERGY POLICY AND NUCLEAR POWER 17
13
192
Braunkohle
Steinkohle
1
Mittel- und
Südamerika
8
Europa
23* 24
1
Afrika
12
**
46 GUS
114***
Indien 2
87
2
sonstiges
Asien
2
VR
China
111
insgesamt: 766 Mrd. t SKE
davon Steinkohle: 642 Mrd. t SKE
Braunkohle: 124 Mrd. t SKE
4
Indonesien
7
20
Australien
24
68
3 1
Neuseeland
2011
DK/GB/Sonstige
Nordamerika
6%
13%
Inlandsförderung
22%
Niederlande
27%
Norwegen
Russland
32%
2021
Inlandsförderung
Niederlande
5%
8% 5% LNG
Norwegen
30%
Russland
52%
* davon 11 Mrd. t SKE Deutschland *** darunter 54 % Russland, 24 %, Ukraine und 19 % Kasachstan
** davon 45 Mrd. t SKE Russland und 1 Mrd. t SKE Ukraine
Quelle: Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR), BGR Energiestudie 2021, Hannover, Februar 2022
Bild 6
Quelle: BAFA und eigene Schätzung
Bild 7
| Abb. 6
Weltweite Verteilung der Kohlereserven (Mrd. t SKE).
(Quelle: Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR), BGR Energiestudie
2021, Hannover, Februar 2022)
| Abb. 7
Erdgasaufkommen zur Versorgung in Deutschland nach der Herkunft 2011 und 2021
im Vergleich.
(Quelle: BAFA und eigene Schätzung)
3 Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (2020): RohölINFO Dezember 2021 (Rohölimporte). Eschborn, 2022
Serial | Major Trends in Energy Policy and Nuclear Power
Perspektiven der Energieversorgung in Deutschland ı Hans-Wilhelm Schiffer, Stefan Ulreich
Abb. 8: Deutsche Steinkohlenimporte 2021
atw Vol. 67 (2022) | Ausgabe 3 ı Mai
Kraftwerkskohle: 25,8 Mio t Kokskohle: 11,9 Mio t
SERIAL | MAJOR TRENDS IN ENERGY POLICY AND NUCLEAR POWER 18
Kolumbien
9%
USA 13%
Südafrika
4%
Sonstige
4%
Russland 70%
Quelle: Statistisches Bundesamt, Außenhandelsstatistik, März 2022
| Abb. 8
Deutsche Steinkohlenimporte 2021.
(Quelle: Statistisches Bundesamt, Außenhandelsstatistik, März 2022)
Bei Steinkohle stellt sich die Importstruktur nach
Lieferländern differenziert dar – abhängig von der
Kohlenart. Knapp zwei Drittel der Einfuhren
entfallen auf Kraftwerkskohle. In diesem Markt
hält Russland mit 70 % einen dominierenden
Anteil. Im Unterschied dazu handelt es sich bei den
wichtigsten Lieferanten von Kokskohle um Australien
und USA. Russland steht bei dieser – bevorzugt
in der Stahlindustrie genutzten Kohlenart – an
dritter Stelle in der Rangliste der für Deutschland
wichtigsten Herkunftsländer (Abb. 8). An den
gesamten Steinkohlen-Einfuhren Deutschlands im
Jahr 2021 waren die Lieferungen aus Russland mit
50 % beteiligt.
Außenwirtschaftliche Energierechnung
Deutschlands
2021 wurden Energieträger im Wert von
104,9 Mrd. € nach Deutschland importiert. Dies
entspricht 8,7 % gemessen an den gesamten
Australien
45%
Kanada
11%
Russland
12%
USA 31%
Einschließlich Anthrazit, Briketts und Koks beliefen sich die Gesamteinfuhren an Steinkohle
2021 auf 41,1 Mio. t.
Energieträger 1990 2000 2010 2021
Saldo aus Importen und Exporten in Mrd. €
Kohle
Erdgas
Erdöl
Uran
Strom
- 0,3
3,5
15,8
0,2
0,0
1,3
7,7
29,6
0,1
0,0
4,5
20,2
50,5
0,8
- 1,1
| Tab. 2
Außenwirtschaftliche Energierechnung der Bundesrepublik Deutschland.
4,7
28,3
37,9
- 0,2
- 2,2
Insgesamt 19,2 38,7 74,9 68,4
Warenimporten der Bundesrepublik Deutschland
von 1.202,2 Mrd. € im Jahr 2021. Abzüglich der
Energieexporte in Höhe von 36,5 Mrd. € belief sich
die Energierechnung Deutschlands (netto) auf
68,4 Mrd. €. Dies stellt mehr als eine Verdreifachung
im Vergleich zum Jahr 1990 dar (Tab. 2). Im
Jahr 2022 könnte die Netto-Energierechnung
Deutschlands erstmals die 100 Mrd. €-Marke überschreiten.
Die Entwicklung der außenwirtschaftlichen Energierechnung
wird – neben der Menge und der
Struktur der eingeführten Energieträger – vor
allem durch die Preise auf den internationalen
Märkten bestimmt. Rohöl kommt unverändert eine
Leitfunktion zu (Abb. 9). Neben den in US$
notierten Weltmarktpreisen spielt die Entwicklung
des Wechselkurses des € im Vergleich zum US$ eine
wichtige Rolle für die Höhe der Importpreise für
Energierohstoffe. Die Entwicklung der Einfuhrpreise
für Rohöl, Erdgas und Steinkohle – umgerechnet
auf einen einheitlichen Heizwert und
ausgedrückt in € – ist für den Zeitraum 1990 bis
Anfang 2022 in Abb. 10 ausgewiesen.
Energie-Importabhängigkeit im
internationalen Vergleich
Sonstige 1%
Im internationalen Vergleich gehört Deutschland
zu der Gruppe von Staaten, die durch einen
geringen Selbstversorgungsgrad, also durch eine
hohe Abhängigkeit von Importen, gekennzeichnet
sind. Bei einem Vergleich innerhalb der
Serial | Major Trends in Energy Policy and Nuclear Power
Perspektiven der Energieversorgung in Deutschland ı Hans-Wilhelm Schiffer, Stefan Ulreich
atw Vol. 67 (2022) | Ausgabe 3 ı Mai
140
120
100
80
60
40
20
Abb. 9: Entwicklung Rohölpreis
in USD/Barrel
Abb. 10: Entwicklung ausgewählter Primärenergiepreise
frei deutsche Grenze
| Abb. 9
Entwicklung Rohölpreis (in USD/Barrel).
(Quelle: EIA und MWV)
€/t SKE
450
400
350
300
250
200
150
100
50
0
Iranische
Revolution
Yom Kippur Krieg
OPEC-Embargo
Krieg Iran-
Irak
Überfall Irak
auf Kuwait
Offizieller Preis für Saudi Arabian Light (bis 1973/74)
Rohöl
Unruhen in Venezuela
Militäraktionen im Irak
Erdgas
Unruhen in Nord-afrika/Naher Osten
Verstärkte Nachfrage Finanz-investoren
auf Rohstoffmärkten
Schwache Nachfrage
bei hohem Angebot
Konflikt Libanon/Israel;
Pipeline-Leckagen Alaska
Hurrikans im Golf von Mexiko
Lieferstörungen Irak/Nigeria
Nachfrageanstieg, insb. China
Finanz- und Wirtschaftskrise:
Abschwächung Nachfrage
Krisen in
Venezuela und
Libyen
Net-Back-Preise
Überangebot u.a. wegen
0
eingeführt Asien-Krise Bedarf < Angebot Rezession
Nachfrageeinbruch Corona
Jan 70 Jan 75 Jan 80 Jan 85 Jan 90 Jan 95 Jan 00 Jan 05 Jan 10 Jan 15 Jan 20
Durchschnittlicher Weltmarktpreis für Rohöl (fob)
Steinkohle
(Kraftwerkskohle)
Einmarsch Russland
in die Ukraine
Produktionskürzungen
OPEC
bei robuster
Nachfrage
Preiskrieg zwischen
Saudi Arabien und
Russland sowie
Nachfrageeinbruch
wegen Corona-Krise
Bild 1
SERIAL | MAJOR TRENDS IN ENERGY POLICY AND NUCLEAR POWER 19
| Quelle: Abb. 10 Statistisches Bundesamt: Rohöl und Erdgas; Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle sowie VDKi: Steinkohle
Entwicklung ausgewählter Primärenergiepreise frei deutsche Grenze.
(Quelle: Statistisches Bundesamt: Rohöl und Erdgas; Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle sowie VDKi: Steinkohle)
G20, also zwischen den zwanzig weltweit wirtschaftsstärksten
Staaten bzw. Staatenverbünden,
stellt sich die Situation wie folgt dar: 4
p Der Kategorie mit einem geringen Selbstversorgungsgrad
(Anteil der heimischen Energien
geringer als ein Drittel gemessen am Primärenergieverbrauch)
sind Italien, Türkei, Japan,
Südkorea sowie Deutschland zuzuordnen. Allerdings
weist beispielsweise Japan eine deutlich
breitere Diversifizierung als Deutschland sowohl
hinsichtlich der genutzten Energietechnologien
als auch in Bezug auf die Herkunftsländer für
die Energieimporte auf. Der Anteil Russlands an
den Energiebezügen Japans liegt mit 4 % bei Öl,
9 % bei Gas und 12 % bei Kohle deutlich unter
den für Deutschland genannten Werten.
p Einen Selbstversorgungsgrad zwischen 50 und
90 % weisen Frankreich – dort wegen des hohen
Anteils der Kernenergie – sowie Großbritannien,
Indien, China, Mexiko und Argentinien auf.
Auch die EU-27 liegt mit einem Anteil inländischer
Förderung (einschließlich Kernenergie)
am Primärenergieverbrauch von 55 % in dieser
Spannweite.
4 International Energy Agency (2021): World Energy Balances. Paris, 2021
Serial | Major Trends in Energy Policy and Nuclear Power
Perspektiven der Energieversorgung in Deutschland ı Hans-Wilhelm Schiffer, Stefan Ulreich
atw Vol. 67 (2022) | Ausgabe 3 ı Mai
SERIAL | MAJOR TRENDS IN ENERGY POLICY AND NUCLEAR POWER 20
p In den USA und in Brasilien entspricht die
inländische Erzeugung in Summe praktisch der
Höhe des Verbrauchs. Seit 1953 waren die USA
Netto-Importeur von Energie. Die Versorgung
über die Weltmärkte, die mit Öl insbesondere
aus dem Mittleren Osten gespeist wurde, spielte
eine essentielle Rolle. Diese Abhängigkeit ist
Vergangenheit. Im Zuge der stark gewachsenen
und weiter steigenden Öl- und Gasförderung
sind die USA seit 2020 zum Netto-Exporteur
von Energie geworden. 5
p Nettoexporteure aus dem Kreis der G20 sind
Kanada, Australien, Indonesien, Russland und
Saudi-Arabien. Auch in Südafrika übersteigt
die Förderung den Verbrauch des Landes. Eine
Netto-Exportbilanz weist Australien insbesondere
bei Steinkohle und daneben bei Erdgas
auf. Bei Kanada sind es Erdöl und Erdgas sowie
außerdem – wenn auch in deutlich geringerem
Umfang – Steinkohle. Die USA sind bei Steinkohle
und inzwischen zusätzlich bei Erdgas
Netto-Exportland. Indonesien exportiert insbesondere
Kohle und daneben auch Erdgas.
Südafrika ist zwar stark von Öl- und Erdgasimporten
abhängig; allerdings übersteigt die
Gewinnung an Steinkohle die Nachfrage im
eigenen Land deutlich. Per Saldo ist die heimische
Energieproduktion in etwa so hoch wie
der gesamte Energieverbrauch des Landes.
Russland ist Nettoexporteur von Öl, Erdgas und
Steinkohle. Saudi-Arabien exportiert drei
Viertel der geförderten Erdölmengen. 6
Mit der Beendigung der Nutzung der Kernenergie
Ende 2022 und dem schrittweisen
Ausstieg aus der Kohleverstromung bis spätestens
Ende 2038 wird sich die Abhängigkeit
Deutschlands von Energieimporten künftig
weiter vergrößern, zumal die inländische Ölund
Erdgasförderung voraussichtlich noch
weiter abnehmen. Zwar wird sich der Beitrag der
erneuerbaren Energien, die 2021 mit 16 % an
der Deckung des Primärenergieverbrauchs in
Deutschland beteiligt waren, weiter erhöhen.
Der Anstieg wird insbesondere durch den fortgesetzten
Ausbau von Wind- und Solaranlagen
bewirkt. Diese sich abzeichnende Entwicklung
macht aufgrund der fluktuierenden Darbietung
dieser erneuerbaren Energieformen die
verstärkte Nutzung von Speichermöglichkeiten
erforderlich.
Unverzichtbarkeit von Erdgas als kurzund
mittelfristige Brücke
Die Bedeutung von Erdgas zur Energieversorgung
in Deutschland hat sich in den vergangenen Jahrzehnten
kontinuierlich erhöht. War dessen Beitrag
1973 noch auf 8,7 % begrenzt, so kletterte der
Anteil bis 1990 auf 15,4 %, lag im Jahr 2000 bei
20,7 % und im Jahr 2010 bei 22,3 % und erreichte
2021, gemessen am Primärenergieverbrauch,
26,8 %. Damit hat sich Erdgas zum zweitwichtigsten
Energieträger in Deutschland entwickelt.
Mineralöl steht trotz der verzeichneten Einbußen
an erster Stelle. Die erneuerbaren Energien halten
inzwischen den dritten Rang. 7
Erdgas wird in Deutschland vor allem energetisch
genutzt (Abb. 11). Haupteinsatzbereich ist die
Erzeugung von Wärme. Hierzu wird Erdgas in
privaten Haushalten, im Sektor Gewerbe/Handel/
Dienstleistungen (GHD) sowie in der Industrie
genutzt. Eine weitere energetische Nutzung von
Erdgas stellt dessen Umwandlung in Strom und
Fernwärme dar. Im Verkehrssektor kommt Erdgas
lediglich eine Nischenfunktion zu.
Die Industrie (Bergbau und Verarbeitendes
Gewerbe) ist in Deutschland der Sektor mit der
stärksten Erdgas-Nachfrage. 2021 waren dies
372,5 TWh entsprechend einem Anteil von 37,2 %
am gesamten Erdgasabsatz von 1.001,0 TWh. Mehr
als ein Viertel der energetischen Nutzung von
Erdgas in der Industrie entfällt auf die Chemie, vor
allem auf die Grundstoffchemie. Gemessen an der
Höhe des Verbrauchs folgen die Branchen Ernährung,
Papier, Metallerzeugung, Glas und Keramik,
Verarbeitung von Steinen und Erden, NE-Metalle/
Gießereien, Metallbearbeitung, Fahrzeugbau sowie
Maschinenbau.
In der Industrie dient die energetische Nutzung von
Energie vor allem der Bereitstellung von Prozesswärme.
Auf diesen Anwendungsbereich entfielen
2020 rund 86,5 % des gesamten Endenergieverbrauchs
der Industrie. Raumwärme- und Warmwasserbereitung
machten zusammen 10,8 % aus.
Für mechanische Energie wurden 2,7 % benötigt.
Vor allem in der Chemischen Industrie hat neben
der energetischen auch die stoffliche Verwendung
von Erdgas Relevanz. Etwa 30 % des von der Chemischen
Industrie genutzten Erdgases dienen diesem
Zweck. Beispiele sind die Gewinnung von
5 Energy Information Administration (2022): Annual Energy Outlook 2022. Washington DC, 2022
6 BP (2021): BP Statistical Review of World Energy. London, July 2021
7 Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen: Auswertungstabellen zur Energiebilanz Deutschland. Stand: September 2021 sowie Jahresbericht 2021, März 2022
Serial | Major Trends in Energy Policy and Nuclear Power
Perspektiven der Energieversorgung in Deutschland ı Hans-Wilhelm Schiffer, Stefan Ulreich
Abb. 11: Energetische Nutzung von Erdgas in den
atw Vol. 67 (2022) | Ausgabe 3 ı Mai
Kundengruppen. Die Anwendung in den Wärmebereichen
dominiert.
Mechanische
Energie 3%
Quelle: bdew und AG Energiebilanzen
| Abb. 11
Energetische Nutzung von Erdgas in den Kundengruppen. Die Anwendung in den Wärmebereichen dominiert.
(Quelle: bdew und AG Energiebilanzen)
Ammoniak (zur weiteren Herstellung von Düngemitteln),
von Methanol (als Grundstoff zur Essigsäureherstellung
und Biodieselproduktion) oder
zur Herstellung von Wasserstoff.
Der Erdgasverbrauch der privaten Haushalte belief
sich 2021 auf 312,1 TWh. In diesem Sektor dient
Erdgas vornehmlich der Wohnungsbeheizung. Seit
Anfang der 1990er Jahre hat Erdgas das Heizöl als
wichtigste Energiequelle für die Wohnungsbeheizung
abgelöst. 49,5 % des Wohnungsbestandes in
Deutschland wurden 2021 mit Erdgas beheizt.
Inzwischen ist Heizöl nur noch in 25 % des
Wohnungsbestandes die primäre Heizenergie. Es
folgen Fernwärme mit 14 %, Strom- und Elektro-
Wärmepumpen mit jeweils knapp 3 % und sonstige
Energien, wie Holz, Holzpellets, sonstige Biomasse,
und Kohleprodukte, mit 6 %.
Im Durchschnitt der letzten zehn Jahre (2012 bis
2021) lag der Erdgas-Verbrauch der privaten Haushalte
relativ stabil bei rund 300 TWh pro Jahr.
Schwankungen um diesen Durchschnittswert
erklären sich vor allem durch die jeweiligen Temperaturverhältnisse
in den einzelnen Heizperioden.
2020 entfielen 83,8 % des Endenergieverbrauchs
an Erdgas im privaten Haushaltssektor auf die
Deckung der Raumwärme. 15,4 % dienten der
Warmwasser-Bereitung und 0,9 % sind dem Anwendungsbereich
Mechanische Energie zuzurechnen.
Prozesswärme 1%
Warmwasser 5%
Prozesswärme 12%
Klimatisierung 1%
Bei Wohnungs-Neubauten ist der Anteil von Erdgas
zugunsten von Strom (vornehmlich Elektro-
Wärmepumpen) seit 2015 zurückgegangen. Er lag
2020 aber mit einem Anteil von einem Drittel
immer noch fast gleichauf mit Elektro-Wärmepumpen.
Im Jahr 2021 ist der Anteil der Elektro-
Wärmepumpen bei den neu zum Bau genehmigten
Wohnungen auf 43,6 % gestiegen 8 . Erdgas war mit
26,2 % gleichwohl noch die zweitwichtigste Energiequelle
bei den neu zum Bau genehmigten
Wohnungen. Das bedeutet, dass sich die absolute
Zahl der primär mit Erdgas beheizten Wohnungen
auch in den kommenden Jahren noch weiter
erhöhen wird. Auch bei Fortsetzung der Verbesserung
der Effizienz von Heizsystemen und der energetischen
Sanierung von Gebäuden wird Erdgas
somit in den bevorstehenden Jahren im Haushaltssektor
noch in gegenwärtiger Größenordnung
nachgefragt werden.
Im GHD-Sektor wurden 2021 rund 127,3 TWh
Erdgas verbraucht. Auch in diesem Sektor dient
Erdgas vornehmlich der Deckung des Bedarfs an
Raumwärme. 2020 9 macht der Anteil der Anwendung
für die Raumwärme 81 % aus. Auf Warmwasserbereitung
entfielen 6 %. Prozesswärme kam auf
12 %. Für Klimakälte und Prozesskälte wurde ein
Anteil von 1 % ausgewiesen. Die Anwendung
Mechanische Energie war mit lediglich 0,3 % am
Erdgasverbrauch dieses Sektors beteiligt.
Bild 2
SERIAL | MAJOR TRENDS IN ENERGY POLICY AND NUCLEAR POWER 21
8 bdew, Entwicklung der Beheizungsstruktur im Wohnungsneubau: 10-Jahre-Rückblick bis heute, 17. März 2022
9 Die Zahlen für 2021 lagen noch nicht vor.
Serial | Major Trends in Energy Policy and Nuclear Power
Perspektiven der Energieversorgung in Deutschland ı Hans-Wilhelm Schiffer, Stefan Ulreich
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SERIAL | MAJOR TRENDS IN ENERGY POLICY AND NUCLEAR POWER 22
Gas
Strom
Gasanschluss
Neu
GuD
„Brownfield“
oGT/Gasmotor
„Brownfield“
2022 2023 2024 2025 2026 2027
Fortgeschrittene
Planung Kraftwerk
führt zu
erkennbarem
Planungsbedarf
auf der Gasseite.
Bebauungsplan
EPC
BImSch
G etc.
Bebauungsplan
EP
C
Bebauungsplan (verbindlicher Bauleitplan):
BImSch
G etc.
Instrument Bebauungsplan der Raumplanung in Deutschland (verbindlicher (Langform: Bauleitplan): Gesetz zum Schutz Instrument vor schädlichen der Raumplanung in Deutschland
oGT: offenes Gasturbinen-Kraftwerk
EPC: Engineering, EPC: Procurement Engineering, and Construction, Procurement Umwelteinwirkungen and Construction, durch Luftverunreinigungen, kurz EPC, (zu Deutsch: Detail-Planung
kurz EPC, (zu Deutsch: Detail-Planung und Kontrolle, und Kontrolle,
Geräusche, Erschütterungen und ähnliche Vorgänge)
Beschaffungswesen, Ausführung der Bau- und Montagearbeiten)
Beschaffungswesen, Ausführung der Bau- FID: Final Investment Decision (endgültige
BImSchG: Bundes-Immissionsschutzgesetz (Langform: Gesetz zum Schutz vor schädlichen
Montagearbeiten)
Investitionsentscheidung)
Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen und
| Abb. 12
ähnliche Vorgänge)
Typischer Zeitplan für ein gasbefeuertes Kraftwerk.
FID: Final Investment Decision (endgültige Investitionsentscheidung)
GuD: Gas-und-Dampfturbinen-Kraftwerk
Demgegenüber oGT: hält offenes mechanische Gasturbinen-Kraftwerk
Energie im der Stromerzeugung auf Basis von Erdgas (2020:
Verkehrssektor einen Anteil von 100 % am Erdgasverbrauch.
Allerdings ist der Einsatz von Erdgas im
16,5 %).
Verkehrssektor mit 2,0 TWh im Jahr 2021 sehr Gas- und Dampfturbinenkraftwerke (GuD-Anlagen)
gering. 2021 hat der Bestand an Fahrzeugen, die erzielen unter allen fossil befeuerten Kraftwerksarten
die höchsten Wirkungsgrade. Inzwischen
mit komprimiertem Erdgas (CNG) bzw. mit verflüssigtem
Erdgas (LNG) angetrieben werden, in werden bei Neubau-Anlagen Wirkungsgrade von
Deutschland erstmals die Marke von 100.000 überschritten.
Die gut 80.000 mit Erdgas betriebenen Erzeugung von Strom und Wärme (KWK-Anlagen)
60 % und mehr erreicht. In Anlagen mit zeitgleicher
Pkw machen mehr als 80 % des Gesamtbestandes werden sogar Wirkungsgrade von mehr als 80 %
dieser Fahrzeugkategorie aus.
realisiert. Ein weiterer Vorteil von GuD-Anlagen
besteht in der vergleichsweise kurzen Anfahrzeit
dieses Kraftwerkstyps sowie in der großen Flexibilität,
auf Laständerungen schnell zu reagieren. Diese
Anwendungsvorteile gewinnen mit fortgesetztem
Ausbau von Anlagen auf Basis Wind und Sonne mit
fluktuierender Einspeisung von Strom zunehmend
an Bedeutung.
Zur Stromerzeugung (einschließlich BHKW, aber
ohne Industriekraftwerke gerechnet) wurden in
Deutschland 2021 rund 91,1 TWh Erdgas eingesetzt.
Im Verlauf der vergangenen zehn Jahre war
folgende Entwicklung zu verzeichnen: Die zur
Stromerzeugung eingesetzten Erdgasmengen
waren von 2010 bis 2015 um fast ein Drittel
gesunken. In der Folge war allerdings bis 2020 ein
Wiederanstieg zu verzeichnen. 2020 lag der Erdgaseinsatz
zur Stromerzeugung um mehr als 50 % über
dem vergleichbaren Stand des Jahres 2015 und
überschritt damit das Niveau des Jahres 2010.
Entscheidende Gründe waren die in der zweiten
Hälfte des vergangenen Jahrzehnts gesunkenen
Erdgaspreise und die gestiegenen Notierungen für
CO 2 -Emissionszertifikate. Damit konnten Gaskraftwerke
erhebliche Anteile von Kohleverstromung
verdrängen. Angesichts der 2021 stark gestiegenen
Erdgaspreise kehrte sich diese Entwicklung allerdings
wieder um. So basierten 2021 rund 15,3 %
Planfeststellungsverfahren
(zwei bis drei Jahre)
Genehmi
-gung
Genehmi
-gung
FID
BImSchG: Bundes-Immissionsschutzgesetz
Bau
Bau der Pipeline
(ca. 1 Jahr)
Bau
Inbetriebnahme
GuD: Gas-und-Dampfturbinen-Kraftwerk
Inbetriebnahme
Daneben kann Erdgas in Gasturbinen in Strom
umgewandelt werden. Durch den Verzicht auf
Dampfturbinen brauchen diese Anlagen weder Kühltürme
noch aufwändige Anlagen zur Rauchgasreinigung,
da bei Verbrennung im Unterschied zu anderen
fossilen Brennstoffen kaum Asche frei-gesetzt wird.
Die Anlagen haben zudem den Vorteil, dass sie in
relativ kurzer Zeit errichtet werden können und die
Herstellungsinvestitionen im Vergleich zu Dampfkraftwerken
mit vergleichbarer Leistung deutlich
geringer sind. Der Nachteil dieser Anlagen ist der im
Vergleich zu GuD-Kraftwerken deutlich niedrigere
Wirkungsgrad, der mit höheren spezifischen
Serial | Major Trends in Energy Policy and Nuclear Power
Perspektiven der Energieversorgung in Deutschland ı Hans-Wilhelm Schiffer, Stefan Ulreich
Der 10-Punkte-Plan der IEA
atw Vol. 67 (2022) | Ausgabe 3 ı Mai
Keine neuen Gaslieferverträge
mit Russland
Ersetzen russischer
Lieferungen durch Gas
aus alternativen Quellen
Einführung von
Mindestspeicherverpflichtungen
Beschleunigung neuer
Wind- und Solarprojekte
| Abb. 13
Der 10-Punkte-Plan der IEA.
Quelle: (Quelle: Basierend auf IEA, IEA, März März 2022) 2022
Brennstoff- und CO 2 -Zertifikate-Kosten verbunden
ist. Allerdings hat dieser Nachteil nicht in allen
Anwendungsfällen ein hohes Gewicht: für Anlagen,
die nur sehr wenige Betriebsstunden im Jahr
aufweisen z. B. als Netzreserve steht der beträchtliche
Mehraufwand einer GuD-Anlage in keinem
guten Verhältnis zur Nutzung der einfacheren
Gasturbine.
Quelle: Basierend auf IEA, März 2022
Zur Fernwärme-/Kälteversorgung (einschließlich
BHKW) wurden 2021 rund 94,1 TWh Erdgas eingesetzt.
Dies erfolgt zu etwa zwei Drittel in Heizkraftwerken
mit Wirkungsgraden über 80 %. Erdgas ist
der dominante Energieträger zur Versorgung mit
Fernwärme. An der Beheizung des Wohnungsbestandes
in Deutschland ist die Fernwärme – wie
erwähnt – mit 14 % beteiligt.
Perspektivisch wird Erdgas bei der Verstromung
wichtiger werden. Die im Jahr 2030 notwendige
steuerbare Leistung beläuft sich nach den Analysen
des EWI auf 71 GW. Im Falle eines Ausstiegs aus der
Kohleverstromung bis 2030 müsste bis 2030 ein
Nettozubau von 23 GW wasserstofffähiger Gaskraftwerke
erfolgen. Neben der gegenwärtig installierten
Gas-Leistung von 31,7 GW werden vom EWI 8 GW
Leistung auf Basis Biomasse, 5 GW auf Basis Wasserkraft
und 3 GW auf Basis sonstiger konventioneller
Energien ausgewiesen. Der mit einem Zubau von
23 GW wasserstofffähiger Gaskraftwerkskapazität
gewährleisteten steuerbaren Leistung von insgesamt
71 GW stünde eine Nachfragespitze von 95 GW im
Jahr 2030 gegenüber. 10
Dies wurde mittlerweile auch von der Politik erkannt.
Die Umsetzung eines beschleunigten Kohleausstiegs
und die Einhaltung der verschärften Klimaziele
erfordert laut Koalitionsvertrag von SPD, Bündnis
90/DIE GRÜNEN und FDP – neben dem massiven
Ausbau der erneuerbaren Energien – „die Errichtung
1
2
3
4
Beschleunigte Verbesserung
der Energieeffizienz in
Gebäuden und
in der Industrie
Beschleunigter Ersatz
von Gaskesseln durch
Wärmepumpen
Kurzfristige Maßnahmen,
um schutzbedürftige
Verbraucher vor hohen
Preisen zu schützen
Maximierung der
Stromerzeugung aus
vorhandenen, abschaltbaren,
emissionsarmer Quellen
8
7
6
5
Vorübergehende
Thermostateinstellung
durch die Verbraucher
Diversifizierung und
Dekarbonisierung der
Flexibilitätsquellen
des Stromsystems
Der 10-Punkte-Plan der IEA für
die Europäische Union
vom März 2022
moderner Gaskraftwerke, um den im Laufe der
nächsten Jahre steigenden Strom- und Energiebedarf
zu wettbewerbsfähigen Preisen zu decken.“ Zur
Gewährleistung dieses Ausbaus bedarf es ausreichender
Investitionsanreize, damit ein marktgetriebener
Prozess von Planung, Genehmigung und Bau
entsprechender Anlagen in Gang kommt. Es bestehen
allerdings Zweifel, dass dies über das gegenwärtig in
Deutschland bestehende Marktdesign erreicht
werden kann. 11
Angesichts der vergleichsweise geringen zu erwartenden
Jahresvolllaststunden ist unter alleiniger
Berücksichtigung von Erlösen auf dem Energy-Only-
Markt die Wirtschaftlichkeit entsprechender Investitionen
voraussichtlich nicht gegeben, selbst wenn
Preisspitzen in besonderen Knappheitssituationen
auftreten. Hinzu kommt das unsichere regulatorische
Umfeld. Aktuell ist nicht klar, ob und unter
welchen Bedingungen Investitionen in Gas Infrastruktur
als nachhaltige Investments klassifiziert
werden können. Hinzu kommen weitere Unsicherheiten
in Bezug auf die zukünftige Verfügbarkeit von
grünen Gasen oder Wasserstoff.
Daraus ergibt sich die Notwendigkeit für eine wettbewerblich
organisierte Steuerung des Ausbaus gesicherter
Leistung auf Basis Gas mittels eines Kapazitätsmarktes.
Zur Sicherstellung der Errichtung einer
als ausreichend angesehenen Leistung auf Gasbasis
bis 2030 sind die Weichen für eine Neugestaltung des
Strommarkt-Designs bereits 2022 zu stellen.
Planung, Genehmigungsverfahren und Bau von
Gaskraftwerken erfordern nämlich einen Zeitrahmen
von mindestens sechs Jahren (Abb. 12). Dies
gilt im optimalen Fall, der nicht durch Verzögerungen
beeinträchtigt ist. Dabei sind Gaskraftwerke
auch wesentlich, um die saisonalen Schwankungen
bei der Stromnachfrage zwischen Sommer und
Winter bzw. längere, bis zu überjährlichen
9
10
Bild 14
SERIAL | MAJOR TRENDS IN ENERGY POLICY AND NUCLEAR POWER 23
10 EWI (2021): Auswirkungen des Koalitionsvertrags auf den Stromsektor 2030. Köln, 6.12.2021. URL: https://www.ewi.uni-koeln.de/de/publikationen/auswirkungendes-koalitionsvertrags-auf-den-stromsektor-2030/
11 Energate messenger (2021)
Serial | Major Trends in Energy Policy and Nuclear Power
Perspektiven der Energieversorgung in Deutschland ı Hans-Wilhelm Schiffer, Stefan Ulreich
dem 10-Punkte-Plan der IEA
atw Vol. 67 (2022) | Ausgabe 3 ı Mai
SERIAL | MAJOR TRENDS IN ENERGY POLICY AND NUCLEAR POWER 24
| Abb. 14
Veränderung der Erdgasimporte in die EU nach dem 10-Punkte-Plan der IEA (in Mrd. Kubikmeter).
(Quelle: Basierend auf IEA, März 2022)
Schwankungen im Grünstromangebot zu kompensieren.
Die Perspektiven für Gasimporte
in
Quelle:
die
Basierend
EU
auf IEA, März 2022
Die International Energy Agency (IEA) 12 adressierte
kürzlich in einem 10-Punkte-Plan, wie die Europäische
Union ihre Abhängigkeit von Gasimporten aus
Russland reduzieren kann. Dabei wird kein sofortiger
Ausstieg aus der Nutzung von Erdgas vorgeschlagen,
sondern ein möglichst rascher Wechsel bei
den Bezugsquellen, die effizientere Nutzung von
Erdgas und den Beibehalt existenter bzw. den
forcierten Zubau klimaneutraler Stromerzeugung.
(Abb. 13)
Nach Schätzungen der IEA kann sich durch die
Umsetzung der genannten zehn Maßnahmen, die
Importabhängigkeit der EU deutlich verringern. Im
Jahr 2021 importierte die Europäische Union im
Durchschnitt mehr als 380 Millionen Kubikmeter
(mcm) Gas pro Tag über Pipelines aus Russland, was
etwa 140 Milliarden Kubikmeter (bcm) für das
gesamte Jahr entspricht. Darüber hinaus wurden
rund 15 Mrd. Kubikmeter in Form von verflüssigtem
Erdgas (LNG) geliefert. Die insgesamt 155 Mrd.
Kubikmeter, die aus Russland importiert wurden,
machten im Jahr 2021 rund 45 % der Gaseinfuhren
der EU und fast 40 % ihres gesamten Gasverbrauchs
aus.
Eine Reihe von Maßnahmen könnte dazu führen,
dass der jährliche Bedarf der EU an russischen
Gasimporten innerhalb eines Jahres um mehr als 50
Mrd. Kubikmeter sinkt - eine Reduzierung um mehr
als ein Drittel. Diese Zahlen berücksichtigen die
Notwendigkeit einer zusätzlichen Auffüllung der
europäischen Gasspeicher im Jahr 2022. Weitere
Maßnahmen würden sogar die Importe um mehr als
80 Mrd. Kubikmeter senken, aber zu einer
verlangsamten Reduktion der Treibhausgasemissionen
führen.
Bis 2030 laufen Lieferverträge mit Gazprom im
Volumen von rund 40 Mrd. Kubikmeter aus, womit
sich für die Gasunternehmen in der EU die Möglichkeit
eröffnet, nach alternativen Gaslieferanten zu
suchen.
Die installierten LNG-Importkapazitäten würden
eine Erhöhung der Importe um etwa 60 Mrd. Kubikmeter
erlauben. Das ist allerdings eine rein technische
Betrachtung. In Anbetracht der starken Nachfrage
nach LNG, welche schon 2021 weltweit zu
beobachten war, ist eine kurzfristige Anhebung der
Importmengen um 20 Mrd. Kubikmeter realistisch.
Andere europäische Pipelines können rund 10 Mrd.
Kubikmeter zusätzlich liefern.
Eine wichtige Möglichkeit ist auch die Reduzierung
der Methanleckagen aus europäischen Pipelines. Die
IEA schätzt das Volumen auf rund 2,5 Mrd. Kubikmeter
jährlich ein. Eine kurzfristige Steigerung von
Bioerdgas wird von der IEA nicht erwartet, da die
Vorlaufzeit der dazu nötigen Projekte dem entgegensteht.
Gelingt es, den Zubau an erneuerbaren Energien aus
PV und Wind zu beschleunigen, rechnet die IEA mit
einem Zuwachs der Strommenge um 35 TWh für die
EU. Umgerechnet würde diese eine geringere
Gasnachfrage um 6 Mrd. Kubikmeter bedeuten.
Durch die verlängerte Nutzung von Kernkraftwerken
(20 TWh) und die intensivere Nutzung von Biomasseverstromung
(50 TWh) würden nochmals 13 Mrd.
Kubikmeter Erdgas weniger verbraucht werden.Der
Ersatz von Gasheizungen durch Elektrowärmepumpen
würde zu rund 2 Mrd. Kubikmeter niedrigerem
Gasverbrauch in einem Jahr führen. Zum gleichen
Betrag würde die Umsetzung von
12 International Energy Agency (2022): A 10-Point Plan to Reduce the European Union’s Reliance on Russian Natural Gas. Paris (3 March 2022)
Serial | Major Trends in Energy Policy and Nuclear Power
Perspektiven der Energieversorgung in Deutschland ı Hans-Wilhelm Schiffer, Stefan Ulreich
atw Vol. 67 (2022) | Ausgabe 3 ı Mai
Energieeffizienzmaßnahmen führen. In beiden
Fällen sind jedoch Vorlaufzeiten und der kurzfristig
hohe Bedarf an Handwerkern eine ernstzunehmende
Hürde. Überraschend hoch ist der Hebel durch niedrigere
Heiztemperaturen: Ein Senken der Thermostate
in Gebäuden um lediglich 1° C würde zu einer
Nachfragesenkung um 10 Mrd. Kubikmeter führen.
Insgesamt können also die Gasimporte für Europa
deutlich gesenkt werden – ein Verzicht darauf ist
aber kurzfristig nicht möglich (Abb. 14). Damit
verbunden ist also die Aufgabe für Gasimporteure,
mit neuen Gaslieferanten für Europa und für
Deutschland Verträge auszuhandeln. Hier spielt
Flüssigerdgas eine entscheidende Rolle: die Abhängigkeit
von einzelnen Lieferantenländern wird
hiermit drastisch reduziert, da man Zugriff auf die
global aktiven Anbieter hat. Allerdings ist bedingt
durch Verflüssigung, Transport, Regasifizierung mit
höheren Preisen als für Pipelinegas zu rechnen.
Erschwerend kommt hinzu, dass der globale Wettbewerb
um LNG intensiver ist, da vor allem Teilnehmer
aus den asiatischen Märkten starke Nachfrager sind.
Insgesamt bestehen 13
in der EU-28 rund 212 Mrd.
Kubikmeter Importkapazitäten für Erdgas. Eine
Erweiterung dieser Kapazitäten um die erforderlichen
50 bis 100 Mrd. Kubikmeter entspricht also
einer Steigerung zwischen 25 % und 50 %. GIE stellte
jedoch auch 2019 fest, dass sich LNG-Terminals mit
einer Gesamtkapazität von 109 Mrd. Kubikmeter in
der Planung befinden. Es ist nicht anzunehmen, dass
alle Projekte realisiert werden – allerdings können in
Anbetracht der aktuellen Lage auch weitere Projekte
hinzukommen und die Realisierungswahrscheinlichkeit
der bisherigen Pläne deutlich erhöhen.
Bau von LNG-Terminals in Deutschland
In Deutschland gibt es bereits seit Jahren Diskussionen
um den Bau von LNG-Terminals an den drei
Standorten Brunsbüttel, Wilhelmshaven und Stade.
Die Investitionsentscheidung wurde jedoch aufgrund
der günstigen Bezugsbedingungen von Pipelineerdgas
aus Russland, Norwegen und den Niederlanden
bisher sehr zögerlich entschieden. Das hat
sich nun geändert. Die Umsetzung einer etwaigen
Investitionsentscheidung wird allerdings etwas
dauern. Die Anträge für Brunsbüttel wurden Mitte
2021 gestellt, eine Genehmigung durch das Wirtschaftsministerium
Schleswig-Holstein wird frühestens
im Herbst 2023 erwartet. Sofern diese Genehmigung
nicht durch Klagen in der Umsetzung verzögert
wird, kann bei einer Bauzeit von rund drei
Jahren mit einer Inbetriebnahme im Jahr 2026
gerechnet werden. Die geplante Kapazität beträgt
rund 8 Mrd. Kubikmeter. Das Jahr 2026 wird auch
für Stade genannt (12 Mrd. Kubikmeter). Das Projekt
in Wilhelmshaven war schon recht fortgeschritten,
bis die Investition zunächst gestoppt wurde – daher
kann bei einer Wiederaufnahme des Projekts sogar
mit einer Inbetriebnahme im Jahr 2025 gerechnet
werden (bis zu 10 Mrd. Kubikmeter). Inzwischen gibt
es sogar zunehmend Bestrebungen, die Genehmigungsverfahren
schneller ablaufen zu lassen, damit
die Inbetriebnahme der LNG-Terminals zu einem
früheren Zeitpunkt stattfindet. In der Zwischenzeit
kann Deutschland auf bestehende LNG-Terminals
innerhalb Europas zugreifen und über das dichte
europäische Pipelinenetz das regasifizierte Erdgas
importieren. Durch die in Deutschland vorhandenen
Gasspeicher kann der Importbedarf verstetigt
werden, wodurch saisonale Schwankungen kompensiert
werden können.
Die IEA betont die Rolle von Gasspeichern und
schlägt Mindestspeicherverpflichtungen vor, um die
Widerstandsfähigkeit der Gasmärkte zu stärken. Die
Bundesregierung plant aktuell (Stand Ende März
2022), im April ein Gesetz zu beschließen, bei
welchem Mindestfüllstände für die deutschen
Gasspeicher vorgeschrieben werden. Demnach
sollen die Füllstände zum 1. August bei 65 % liegen,
zum 1. Oktober bei 80 % und zum 1. Dezember bei
90 %. Anfallende Kosten werden dann über die Netzentgelte
auf die Gasverbraucher umgelegt.
Der globale Markt für Flüssigerdgas (LNG)
Flüssigerdgas (LNG) spielt schon seit Jahrzehnten
eine wichtige Rolle in der weltweiten Erdgasversorgung.
Eine erste Anwendung erfolgte bereits 1940 in
Cleveland, Ohio, zur Speicherung von Erdgas auf
möglichst kleinem Raum („peak shaving“). Die erste
experimentelle LNG-Fracht erreichte 1959 Canvey
Island in Großbritannien, und nur fünf Jahre später,
d. h. 1964, versorgten die staatlichen Erdgasförderunternehmen
von Algerien und später Libyen die
europäischen Länder Frankreich (ab 1972), Großbritannien
(ab 1984), Italien (ab 1971) und Spanien (ab
1969) mit LNG. Der erste LNG-Import nach Japan
begann 1969. Die ersten Importe nach Südkorea
erfolgten 1974, nach Taiwan 1990. Australien
begann 1991 mit dem Export von LNG und Trinidad
und Tobago 1999.
Der große Durchbruch für LNG erfolgte Mitte des
ersten Jahrzehnts dieses Jahrhunderts als Folge der
SERIAL | MAJOR TRENDS IN ENERGY POLICY AND NUCLEAR POWER 25
13 Gas Infrastructure Europe GIE, LNG Map 2019, May 2019
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Perspektiven der Energieversorgung in Deutschland ı Hans-Wilhelm Schiffer, Stefan Ulreich
Abb. 15: LNG Importeure und ihre Quellen
atw Vol. 67 (2022) | Ausgabe 3 ı Mai
Europa
Japan
SERIAL | MAJOR TRENDS IN ENERGY POLICY AND NUCLEAR POWER 26
China
| Quelle: Abb. 15 BP Statistical Review of World Energy 2021
LNG-Importeure und ihre Quellen (in Mrd. Kubikmeter).
(Quelle: BP Statistical Review of World Energy 2021)
Schiefergas-Revolution in den USA. Die starke Veränderung
des Gleichgewichts zwischen Angebot und
Nachfrage in den USA führten zu einem starken Interesse
von US-Firmen an Gas-Exporten. Parallel dazu
exportieren auch die Gasförderländer am Golf
verstärkt LNG. In beiden Fällen war Asien der interessante
Zielmarkt, da hier die Gasnachfrage sehr
stark wuchs. Den Vorsprung Asiens bei LNG-
Importen kann man Abb. 15 entnehmen: hier wird
deutlich, dass alleine die drei Länder China, Japan
und Südkorea bei den LNG-Importen Europa deutlich
überflügeln. Trotz der jetzigen Sondersituation,
dass Pipelineimporte nach Europa durch LNG
kompensiert werden müssen, kann davon ausgegangen
werden, dass die Gasnachfrage in Asien das
europäische Nachfragewachstum in den Schatten
stellen werden – sofern also nicht auch Exportkapazitäten
für LNG stark ausgebaut werden, ist nicht mit
sinkenden LNG-Preisen zu rechnen.
Der große Vorteil von LNG im Unterschied zu
leitungsgebundenem Gas ist die Angebotsvielfalt:
LNG kann aus einer Reihe von Exportländern geliefert
werden, so dass es zu keiner Abhängigkeit von
einem einzelnen Lieferantenland führen kann. Das
kann u.U. auch eine Rolle für zukünftige Wasserstoffimporte
spielen: Importe per Schiff können hier
als die flexiblere und damit attraktivere Lösung
gesehen werden. Bei LNG hat man aktuell die Wahl
zwischen 20 Exportländern (Abb. 16), wobei die drei
größten Exporteure Australien, Katar und die USA
einen Marktanteil von zusammen über 55 % haben.
Südkorea
Zum Verschiffen des LNG stehen knapp 650 Schiffe
zur Verfügung.
Moderne Technologie erlaubt sogar weitergehende
Flexibilisierungsmöglichkeiten: die Prelude von
Shell ist ein Floating LNG-Schiff (FLNG), d. h. das
Schiff ermöglicht die Erdgasförderung auf dem Meer,
die Verflüssigung und Speicherung auf dem Schiff.
Frachtschiffe können dann von der Prelude mit LNG
beladen werden. Analog gibt es auch FSRU, Floating
Storage and Regasification Units. Das sind schwimmende
LNG-Terminals mit integrierter Regasifizierung.
Diese Form des Anlandeterminals kann z. B.
eingesetzt werden, bis ein landgestütztes LNG-
Terminal fertiggestellt worden ist.
Der inzwischen recht liquide LNG-Markt führt seit
einigen Jahren zu zunehmenden Preisgleichheiten
weltweit – allerdings immer unter Einbezug der
Transportkosten, die natürlich stark von der Länge
des zurückzulegenden Frachtweges abhängen. Die
typischen Kosten für eine LNG-Fracht an einem
Anlandehafen bestehen aus den relevanten Marktpreisen
für Erdgas am Verladehafen (z. B. Henry Hub
für die LNG hubs Sabine Pass oder Cameron), die
Transportkosten des Erdgases zum Verladehafen,
Kosten für Verflüssigung des Erdgases und der
Schiffsbeladung, die Frachtkosten, Treibstoffkosten,
„boil off“ (Verluste während des Transportes),
etwaige Kanalgebühren (z. B. Panama-Kanal für
Exporte von der Ostküste der USA nach Asien) und
die Regasifizierungskosten. Der intensivere Handel
Serial | Major Trends in Energy Policy and Nuclear Power
Perspektiven der Energieversorgung in Deutschland ı Hans-Wilhelm Schiffer, Stefan Ulreich
Abb. 16: Übersicht zum globalen LNG-Markt
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Nachfrageseite
43 Importländer 20 Exportländer
| Abb. 16
Übersicht zum globalen LNG-Markt.
1 MTPA 1 MTPA = million tonnes tonnes per per annum annum . . . . . . . . 1 million tonnes LNG = 48.0279467 bcf
1 million (Quelle: tonnes GIIGNL GROUPE LNG = INTERNATIONAL 48.0279467 bcf DES IMPORTATEURS DE GAZ NATUREL LIQUÉFIÉ https://giignl.org , Annual Report 2021)
mit LNG weltweit hat zu einer Parallelisierung der
Preise an den Großhandelsmärkten für Erdgas
geführt. In Folge wird der europäische Gashandel
noch stärker als bisher auf globale Gaspreisentwicklungen
reagieren. Im letzten Jahr war dies (sogar
noch gedämpft) der Fall, als viele asiatische Länder
ihre leeren Gasspeicher nach einem kalten Winter
auffüllten und in Erwartung eines weiteren kalten
Winters sehr rasch sehr hohe Mengen auf dem Weltmarkt
kauften. Eine Sonderrolle spielt hier Japan, da
die weggefallende nukleare Stromerzeugung durch
Gaskraftwerke ersetzt wurde – und damit die Nachfrage
nach LNG sowie die Zahlungsbereitschaft sehr
hoch ist.
Teilweise können die LNG-Importe – ausreichende
Regasifizierungskapazitäten vorausgesetzt – auch
Gasspeicher partiell unterstützen, da saisonale
Schwankungen mit erhöhten LNG-Importen beantworten
werden können. Ebenso können LNG-Schiffe
auch als schwimmender Gasspeicher genutzt
werden, wenn man bereit ist die Chartergebühren
für den benötigten Zeitraum zu zahlen.
Die Perspektive für Wasserstoffimporte
Der globale Handel mit LNG kann in vielerlei Hinsicht
als Vorläufer eines globalen Handels mit Wasserstoff
oder mit Energieträgern auf Basis von neutral produziertem
Wasserstoff. Experten sehen aktuell nicht
nur Wasserstoff als möglichen Energieträger für
Exporte, sondern ebenso synthetisches Methan,
Methanol, Ammoniak oder andere synthetische
Treib- und Brennstoffe. Diese „synfuels“ werden mit
Angebotsseite
947 MTPA 1 Regasifizierungskapazität insgesamt 454 MTPA Verflüssigungskapazität insgesamt
71% der globalen LNG-Nachfrage kommt aus Asien 41% der globalen Lieferungen aus dem pazifischen
Becken
Die größten 5 Importländer:
• Japan (74,43 MTPA; 20,9%)
• China (68,91 MTPA; 19,3%)
• Südkorea (40,81 MTPA; 11,5%)
• Indien (26,63 MTPA; 7,5%)
• Taiwan (17,76 MTPA; 5,0%)
Die größten 5 Exportländer:
• Australien (77,77 MTPA; 21,8%)
• Katar (77,13 MTPA; 21,7%)
• USA (44,76 MTPA; 12,6%)
• Malaysia (23,85 MTPA; 6,7%)
• Nigeria (20,55 MTPA; 5,8%)
LNG Tankerflotte: 642 Frachtschiffe mit 95.2 Million Kubikmeter Transportkapazität
• Gesamtes Importvolumen: 356,1 MTPA (354,7 MT in 2019; 313 MT in 2018)
• Typische Vertragsdauer der lang- und mittelfristigen Verträge 11,7 Jahre
• Importierte Mengen auf Basis eines Spot- oder Kurzfristvertrages (≤ 4 years): 40% des gesamten LNG-
Handelsvolumens
klimaneutral erzeugtem Wasserstoff erzeugt. Sie
können entweder Vorteile beim Transport bieten
und/oder bei ihrer Nutzung. Synthetisches Methan
beispielsweise kann als Erdgasersatz dienen – das
hat den Vorteil, dass Transport- und Verteilnetze für
Erdgas weiter genutzt werden können, ebenso die
erdgasbetriebenen Heizungen. Allerdings muss zur
Herstellung von synthetischem Methan ein Kreislauf
mit eingefangenem CO 2 eingerichtet werden, was zu
einem relevanten Kostenblock führt. Wasserstoff
oder Ammoniak würden keine direkten CO 2 -Emissionen
hervorrufen, ihr Transport ist aber wegen der
extrem niedrigen Temperaturen für flüssigen
Wasserstoff oder der Toxizität von Ammoniak mit
anderen Herausforderungen zurechtkommen muss.
Quelle: GIIGNL GROUPE INTERNATIONAL DES IMPORTATEURS DE GAZ NATUREL LIQUÉFIÉ https://giignl.org , Annual Report 2021
Vorliegenden Schätzungen zufolge wird 2050
weniger als ein Drittel der im Inland für alle Einsatzzwecke
benötigten Mengen an Wasserstoff aus inländischen
Elektrolyse-Anlagen kommen können 14 .
Gemäß Koalitionsvertrag von SPD, Bündnis 90/DIE
GRÜNEN und FDP aus November 2021 soll in
Deutschland bis 2030 eine Elektrolyse-Kapazität von
10 GW errichtet werden. Damit könnten ca. 0,8 Mio.
Tonnen Wasserstoff auf Basis von erneuerbar
erzeugtem Strom produziert werden. Bei knapp drei
Viertel wird Deutschland auf Importe angewiesen
sein. Die Nationale Wasserstoff-Strategie trägt dieser
Tatsache Rechnung. 15 Internationale Partnerschaften
zur Realisierung entsprechender Vorhaben können
dazu einen wesentlichen Beitrag leisten. 16 Aktuelle
Gespräche zum Thema LNG-Importe beinhalten
daher nahezu immer einen Bezug zu Wasserstoffimporten.
Global werden sich dabei aller Voraussicht
nach Regionen bilden, die vor allem synthetische
Bild 13
SERIAL | MAJOR TRENDS IN ENERGY POLICY AND NUCLEAR POWER 27
14 La Revue de l´Énergie, octobre 2021, Decarbonised hydrogen imports into the European Union: challenges and opportunities
15 Die Bundesregierung (2020)
16 Ludwig-Bölkow-Systemtechnik und Weltenergierat – Deutschland (2020)
Serial | Major Trends in Energy Policy and Nuclear Power
Perspektiven der Energieversorgung in Deutschland ı Hans-Wilhelm Schiffer, Stefan Ulreich
atw Vol. 67 (2022) | Ausgabe 3 ı Mai
SERIAL | MAJOR TRENDS IN ENERGY POLICY AND NUCLEAR POWER 28
Treibstoffe importieren werden und exportierende
Regionen 17 . Dies ist bedingt durch die Gestehungskosten
für erneuerbare Energien und vor allem die zu
erwartenden Volllaststunden. Die Produktionskosten
für Wasserstoff sinken sehr stark, wenn die
Elektrolyseure nahezu rund um die Uhr mit klimaneutralem
Strom betrieben werden können. Eine
sehr sporadische Auslastung der Wasserstoffproduktion
für nur wenige hundert Stunden im Jahr führt
jedoch zu sehr hohen Produktionskosten, so dass
Importe ökonomisch attraktiver werden.
Ausblick
Der Krieg in der Ukraine hat einen gewaltigen
Einfluss auf die Versorgung mit Energierohstoffen
Deutschland und Europas. Er verstärkt erheblich die
Notwendigkeit zur Diversifizierung der Energie-
Rohstoffbezüge.
Perspektivisch sind darüber hinaus drei weitere
Punkte für eine sichere Energieversorgung von
Bedeutung.
Erstens: Der Ausbau erneuerbarer Energien und der
Zubau an benötigten Kurzfristspeichern führen zu
einem großen Bedarf an nicht-fossilen Rohstoffen.
Russland steht bei den seltenen Erden weltweit zwar
nur für 1 % der Produktion, aber 18 % der Reserven,
China für 60 % der Produktion und 37 % der Reserven.
18 Die Abkehr von fossilen Rohstoffen führt daher
zu einer geringeren Abhängigkeit von Öl-, Kohle- und
Erdgasimporten – erhöht dafür aber die Abhängigkeit
bei Importen anderer Rohstoffe. Darauf wurde
schon mehrfach hingewiesen. 19 Importe sind dabei
keineswegs generell negativ zu bewerten, es sollte
jedoch darauf geachtet werden, dass die Quellen
ausreichend diversifiziert sind.
Zweitens: Der zeitliche Druck, Lösungen zu liefern,
ist deutlich gewachsen. Neben einem beschleunigten
Ausbau erneuerbarer Energien eröffnen sich hier
wachsende Möglichkeiten für den Import von
Wasserstoff und Wasserstoffderivaten. Dieser Import
kann dabei – ggf. nach erfolgter Ertüchtigung – auf
wesentliche Teile der existenten Erdgasinfrastruktur
zurückgreifen. Damit stellen erdgasbasierte
Lösungen wie z. B. LNG-Importe oder H2-ready
Gaskraftwerke kein „lock-in“ von Emissionen dar,
sondern sind Bestandteile einer zukünftigen Wasserstoffwelt.
Drittens: Langfristig bietet die Herstellung von
Wasserstoff und von synthetischen Brenn- und
Kraftstoffen aus erneuerbar erzeugtem Strom, die
Power-to-X (PtX)-Technologie, eine Option für die
Langzeitspeicherung. Die Bereitstellung von Wasserstoff
und von synthetischen Brenn- und Kraftstoffen
dürfte aber ganz überwiegend durch Lieferungen
aus dem Ausland erfolgen. So herrschen dafür
beispielsweise in Nordafrika oder im Mittleren Osten
deutlich günstigere Bedingungen als in Deutschland.
Die Importquote bei der Energieversorgung wird
also künftig – auch im Falle einer erfolgreichen
Umsetzung der PtX-Strategie – kaum gedämpft
werden. Die PtX-Technologie bietet andererseits aber
vielversprechende Optionen zur Realisierung von
Sektorenkopplung und stellt damit durch den indirekten
Einsatz von erneuerbaren Energien über den
Umweg Wasserstoff einen wichtigen Beitrag zur
Dekarbonisierung der Energieversorgung dar. Für
die Sicherheit der Stromversorgung dürfte damit auf
absehbare Zeit jedoch noch kein größerer Beitrag
resultieren.
Autoren
Prof. Dr. Hans-Wilhelm Schiffer
Lehrbeauftragter der RWTH Aachen, Deutschland
HWSchiffer@t-online.de
Prof. Dr. Hans-Wilhelm Schiffer ist Mitglied des Studienausschusses des World
Energy Council, London und Gastdozent für Energiewirtschaft an der RWTH
Aachen.
Prof. Dr. Schiffer studierte Wirtschaftswissenschaften an der Universität Köln und
an der Pennsylvania State University. Seine berufliche Laufbahn begann er als
wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Energiewirtschaft der Universität
Köln. Anschließend arbeitete er als Beamter im Bundeswirtschaftsministerium,
unter anderem beim britischen Energieministerium und im
Bundesumweltministerium in Bonn, und anschließend für den RWE-Konzern in
Essen. Er ist Autor des im November 2018 bei Springer Vieweg erschienenen
Standardwerks Energiemarkt Deutschland.
Prof. Dr. Stefan Ulreich
Professor für Energiewirtschaft,
Hochschule Biberach, Deutschland
ulreich@hochschule-bc.de
Prof. Dr. Stefan Ulreich lehrt Energiewirtschaft an der Hochschule Biberach mit den
Schwerpunkten Rohstoffhandel, Risikomanagement, Energiepolitik und
Digitalisierung. Stefan Ulreich studierte Theoretische Physik an der Ludwig-
Maximilians-Universität in München. Seine Karriere startete er bei Dresdner
Kleinwort Benson im Investment Banking. Danach arbeitete er für den E.ON-
Konzern als Energiehändler und Originator, in der Energiepolitik und in der
Energiestrategieabteilung. Stefan Ulreich leitet die Task Force Renewables der
European Federation of Energy Traders (EFET) und ist im World Energy Council
aktiv.
17 Ram M., Galimova T., Bogdanov D., Fasihi M., Gulagi A., Breyer C., Micheli M., Crone K. (2020). Powerfuels in a Renewable Energy World - Global volumes, costs, and
trading 2030 to 2050. LUT University and Deutsche Energie-Agentur GmbH (dena). Lappeenranta, Berlin
18 U.S. Geological Survey, Mineral Commodity Summaries, January 2022
19 IEA, The Role of Critical Minerals in Clean Energy Transitions, May 2021; acatech, Rohstoffe für die Energiewende, Februar 2017
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Perspektiven der Energieversorgung in Deutschland ı Hans-Wilhelm Schiffer, Stefan Ulreich
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PROGRAMMVORSCHAU
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Montag, 20. Juni 2022 Dienstag, 21. Juni 2022 Mittwoch, 22. Juni 2022
p Gremientag KernD/KTG
09:00–16:45 Uhr
p Mitgliederversammlung KTG
17:00–18:30 Uhr
p Get Together
18:30–21:00 Uhr
p Industrieausstellung
p Plenarvorträge
p Vorträge zu „Special Topics“
p Technical Sessions
p Young Scientists Workshop
p Poster Session
p Gesellschaftsabend
in der Industrieausstellung
p Industrieausstellung
p Plenarvorträge
p Vorträge zu „Special Topics“
p Technical Sessions
p Young Scientists Workshop
p Poster Session
p Preisverleihungen
KERNTECHNIK 2022
KEY NOTES
Dienstag, 21. Juni 2022
Dr. Guido Knott
Vorsitzender der Geschäftsführung
der PreussenElektra
09:20–09:50 Uhr | PreussenElektra – Vom Betreiber zum
Rückbauer
Tomáš Ehler
Deputy Minister of Industry and Trade and
Head of the Nuclear Energy Section at the
Czech Embassy in the Federal Republic of Germany
09:50–10:20 Uhr | Entwicklung der Kernenergie in
Tschechien und Zusammenarbeit CZ–DE
Prof. Dr. Christian Linsmeier
Director IEK-4 Plasma Physics
bei Forschungszentrum Jülich
11:00–11:30 Uhr | Status quo der Kernfusion
Herbert Saurugg
Präsident der Österreichischen Gesellschaft
für Krisenvorsorge
11:30-12:00 Uhr | Energieversorgung nach dem Ausstieg –
ganz ohne Kernenergie?
Mittwoch, 22. Juni 2022
Lukas Aebi
Geschäftsführer Nuklearforum Schweiz
13:30–14:00 Uhr | Status quo und aktuelle Ziele
der Schweizer Atomwirtschaft
Peter Berben
Head of Decommissioning and Radioactive
Waste Management at ENGIE Corporate
14:00–14:30 Uhr | Status on ENGIE’s Belgian nuclear power
plant decommissioning
Prof. Dr. Bruno Merk
Royal Academy of Engineering Chair
in Emerging Technologies, University of Liverpool
14:30–15:00 Uhr | The current situation of nuclear new build
and nuclear technologies in the UK
Myrto Tripathi
President and founder of „Voix du Nuclear“
15:30–16:00 Uhr | The future of nuclear in France
Dr. James Conca
Trustee at Herbert M. Parker Foundation
16:00–16:30 Uhr | The Status of the U.S. Nuclear Waste
Disposal Program
SPECIAL TOPICS
Dienstag, 21. Juni 2022
Dr. Chris Breuer
Communications & PR Manager URENCO Germany
14:45–15:05 Uhr | Auf der Suche nach Liebe und Likes –
Die Kernenergie zwischen gesellschaftlicher
und politischer Debatte, Sozialen Medien
und der konkreten Öffentlichkeitsarbeit vor Ort
Dr. Jörg Aign
Geschäftsführer TÜV Nord EnSys
14:45–15:05 Uhr | Kohleausstieg, Klimawandel,
Sektorkopplung – braucht Klimaschutz die Kerntechnik?
Ulf Kutscher TBC
Commercial Director Orano
15:50–16:10 Uhr | The new French Initiative on Nuclear
Power and Orano's Contribution
Dr. Björn Peters
Chief Financial Officer Dual Fluid Energy
15:50–16:10 Uhr | Internationale Energiewende –
nur mit striktem Design-to-Cost Ansatz
Mittwoch, 22. Juni 2022
Dirk Ebert
Director Spare Parts at Westinghouse Electric Germany
11:00–11:20 Uhr | Data Analytics for Managing Obsolescence
Dr. Christian Reiter
Leiter der Reaktorphysik am FRM II, TU München
11:00–11:20 Uhr | TUM Center for Nuclear Safety and
Innovation
Jari Makkonen
Head of Sales and Marketing, Posiva Solutions
11:20–11:40 Uhr | Trial Run of Final Disposal
Dr. Konrad Linnemann
Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung
11:20–11:40 Uhr | New SCO-III Regulations to Ship Large
Objects as Surface Contaminated Objects
SPECIAL GUEST
Dienstag, 21. Juni 2022
Daniel D. Eckert
Finanzredakteur „Die Welt“
18:15–19:00 Uhr | Die Zukunft des Geldes. Dollar, Euro, Yuan,
Bitcoin – oder doch Gold? Welches wird die Weltwährung
des 21. Jahrhunderts? Wie Rekordschulden, Negativzins und
Kryptorevolution die Ordnung des Geldes auf den Kopf stellen
KERNTECHNIK 2022
Programmvorschau
atw Vol. 67 (2022) | Ausgabe 3 ı Mai
TECHNICAL SESSIONS
30
Kompetenz und
Sicherheit
Internationale Trends
und Entwicklungen
Rückbau und
Abfallbehandlung
Zwischen- und
Endlagerung
KERNTECHNIK 2022
PROGRAMMAUSSCHUSS
Dr. Jens Schröder (Vorsitzender)
GNS Gesellschaft für Nuklear-Service
Frank Apel
Kraftanlagen Heidelberg
Erik Baumann
Framatome
Florian Gremme
RWE Technology International
Dr. Sebastian Hahn
PreussenElektra
Dr. Christian Müller-Dehn
PreussenElektra
Tatiana Salnikova
Framatome
Dr. Angelika Bohnstedt
Karlsruher Institut für Technologie
Dr. Martin Brandauer
OECD Nuclear Energy Agency
Dr. Chris Breuer
Urenco Deutschland
Prof. Dr. Ron Dagan
Karlsruher Institut für Technologie
Eckehard Göring
EDL Anlagenbau Gesellschaft
Dr. Thorsten Hollands
Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit
Michael Köbl
GNS Gesellschaft für Nuklear-Service
Prof. Dr. Marco K. Koch
Ruhr-Universität Bochum
Andreas Loeb
Siempelkamp NIS Ingenieurgesellschaft
Thomas Mull
Framatome
Dr. Andreas Schaffrath
Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit
Dr. Norbert Schröder
Steag Energy Services
Thomas Seipolt
NUKEM Technologies Engineering Services
Dr. Anke Traichel
EWN Entsorgungswerk für Nuklearanlagen
Dr. Walter Tromm
Karlsruher Institut für Technologie
TECHNICAL SESSIONS
Dienstag, 21. Juni 2022
13:30-13:45 Dr. Kai Kosowski PreussenElektra
Zyklusverlängerung der Konvoi-Druckwasserreaktoren durch Streckbetrieb
– Anforderungen und Erfahrungen aus Sicht des Betreibers
13:45-14:00 Kevin Lamshöft Universität Magdeburg
Resilience against and detection of information hiding in nuclear
instrumentation and control systems within the scope of NSS 17-T
14:00-14:15 Joachim Herb Gesellschaft für Reaktorsicherheit
Recommendations for core monitoring to enhance the detection and
discrimination of anomalies by neutron noise measurements
14:15-14:30 Dr. Burkhard Kleibömer URENCO Deutschland
Dritte Sicherheitsüberprüfung der Urananreicherungsanlage Gronau
14:30-14:45 Zhi Yang Gesellschaft für Reaktorsicherheit
CFD Simulations on an Up-Scaled Experiment and Determination of the Heat
Transfer Coefficient for High Rayleigh Number Natural Convection in Water
16:10-16:25 Sebastian Buchholz Gesellschaft für Reaktorsicherheit
VASiL – A joint project to cover innovative concepts to remove residual heat in
LW-SMR in simulations using AC2
16:25-16:40 Dr. Christoph Hartmann Westinghouse Electric Germany
Long-Term Containment Cooling System using Water Turbine Driven Pump
16:40-16:55 David Lauer KSB
Research & Development for Primary Pumps for Generation IV Reactor
Concepts
16:55-17:10 Dr. Götz Ruprecht Dual Fluid Energy
Neue Entwicklungen bei der Dual Fluid Technologie
17:10-17:25 Dr. Jonathan Sappl Gesellschaft für Reaktorsicherheit
Implementation of FeCrAl cladding models in fuel rod code TESPA-ROD
Peter Hippauf Siempelkamp NIS Ingenieurgesellschaft
Stilllegungskosten für Kernkraftwerke im internationalen Vergleich
Cihan Cantay TÜV NORD EnSys
Bewertung der Einwirkungen von Explosionsdruckwellen unter
Berücksichtigung standortspezifischer Gegebenheiten und den
Besonderheiten von Methan-Gaswolken
Rüdiger König QENIQ Advisory Energieprojekte
Site Decommissioning and Re-Use critical for Energy Transition: new
concepts
Bastian Degner Brenk Systemplanung
Freigabe von schwer zugänglichen Strukturen am Beispiel der äußeren SHB
Einspannstelle im Kernkraftwerk Stade
Birte Froebus KIT - Karlsruher Institut für Technologie
Mobiles Anbaugerät zur automatisierten Rissüberfräsung
Dr. Henning Hartmann GNS Gesellschaft für Nuklear-Service
Fertigung von CASTOR® Behältern – Serienfertigung für Deutschland und
kundenspezifische Lösungen für ausländische Kunden
Dr. Marcus Seidl PreussenElektra
Status of the EURAD research program activities on improving source term
predictions for spent nuclear fuel
Dr. Daniel Nahm Gesellschaft für Reaktorsicherheit
Extending the GRS dry storage simulation chain to analyse BWR storage cask
inventory
Dr. Vera Derya WTI
Betrachtungen zur Aktivitätsrückhaltung als alternativer Nachweisweg bei
Bauartprüfungen für das Endlager Konrad
Dr. Michael Herm KIT - Karlsruher Institut für Technologie
Mobility of radionuclides in SNF in view of extended dry interim storage
KERNTECHNIK 2022
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atw Vol. 67 (2022) | Ausgabe 3 ı Mai
PROGRAMMVORSCHAU
31
TECHNICAL SESSIONS
Mittwoch, 22. Juni 2022
09:00-09:15 Prof. Dr. Bruno Merk University of Liverpool
iMAGINE – A Breakthrough Technology for a Successful Future of Nuclear
09:15-09:30 Guillaume Hemery Framatome
Early Launch of Validation via an Evolving Engineering Simulator (ELVEES)
Maik Stuke BGZ Gesellschaft für Zwischenlagerung
Forschung im Bereich der Zwischenlagerung - Das Forschungsprogramm
der BGZ
Alexander Tönnes WTI
Validierung von CFD-Methoden zur Berechnung der sicheren Wärmeabfuhr
aus der Behälterlagerhalle H des ZWILAG anhand von Temperaturmessungen
KERNTECHNIK 2022
09:30-09:45 Marcus Will pro-beam
Serienmäßiges Elektronenstrahlschweißen von Großbauteilen aus
dickwandigem CrNi-Stahl am Beispiel des International Thermonuclear
Experimental Reactor ITER
09:45-10:00 Dr. Arkady Serikov KIT – Karlsruher Institut für Technologie
Radiation Environment inside the IFMIF-DONES Target Interface Room
10:00-10:15 Sabrina Gil-Pascual Kraftanlagen Heidelberg
Hydrogen Fusion and the Importance of Thermal Energy Storage Systems -
Development of the DEMO Balance of Plant
10:15-10:30 Stelios Michaelides KIT – Karlsruher Institut für Technologie
Boiling Crisis Experiments under Oscillation Flow
11:40-11:55 Dr. Christoph Bratfisch Ruhr-Universität Bochum
Analyse der AC²-Kondensationsmodellbasis anhand von Simulationen der
PPP-Versuchsanlage
11:55-12:10 Johannes Hoffrichter Ruhr-Universität Bochum
Validation of AC 2 – COCOSYS regarding light gas stratification build-up and
dissolutiaon in an atmosphere containing carbon dioxide
12:10-12:25 Dr. Fabrizio Gabrielli KIT – Karlsruher Institut für Technologie
Impact of Realistic Fuel Inventories on the Radiological Consequences of a
Severe Accident Scenario in a Generic KONVOI Plant by means of the ASTEC Code
12:25-12:40 Miriam Müer Ruhr-Universität Bochum
Analysis of severe accident scenarios in the primary circuit of a generic
pressurized water reactor in the frame of plant calculations for evaluating
the program system AC
Dr. Thomas Fischer GNS Gesellschaft für Nuklear-Service
Rückführung von HAW-Glaskokillen aus Sellafield mit dem Behälter
CASTOR®HAW28M und radiologische Prüfungen
Mark Linssen BGZ Gesellschaft für Zwischenlagerung
Die BGZ und ihr Auftrag – Schritt für Schritt zum autarken Zwischenlager
Frank Querfurth Framatome
Robotergestütze Sortierung radioaktiver Abfälle zwecks Volumenoptimierter
Konditionierung: VIRERO
Mikael Gustafsson Uniper Nuclear D&D
Decommissioning of NPPs & research reactors incl. licensing & legal aspects
Strategy of Uniper’s Swedish D&D program proven success by first years of
dismantling experience
Rainer Slametschka NUKEM Technologies Engineering Services
Pyrohydrolysis of bituminised waste drums
Dr. Dominic Krupp Safetec Entsorgungs- und Sicherheitstechnik
Gebäudefreigabe 2.0
Teemu Seitomaa Fortum Power and Heat Oy
Dismantling and waste management planning for FiR 1 decommissioning
Alena Wernke KIT – Karlsruher Institut für Technologie
Automatisierung der Kontaminationsmessung im Rückbauprozess
kerntechnischer Anlagen
POSTER SESSION
Dienstag, 21. Juni 12:45–13:30 Uhr und 17:30–18:15 Uhr sowie Mittwoch, 22. Juni 2022 13:15–13:45 Uhr
Dr. Marina Sokcic-Kostic
NUKEM Technologies Engineering Services
Measurement Systems for Nuciear Fuel Cycle
Dr. Laurent Coquard
Framatome
Non-destructive verification of the material characterization
of radioactive waste packages with QUANTOM®
Peter Stängle
RODIAS
OPTIRA – Optimierung komplexer Planungsvorhaben mit
Hilfe mathematischer Methoden
Hauke Rathjen
PreussenElektra
A Citizen Initiative – „PRO Kernenergie”
Josef Schindler
Framatome
Cybersecurity Risk Management During all
NPP Lifecycle Phases
Mika Milan
ÚJV Řež
Recyclable decontamination medium for
decommissioning of nuclear facilities
Mika Milan
ÚJV Řež
Long Term Storage of Spent Nuclear Fuel
and Radioactive Waste
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PROGRAMMVORSCHAU
32
KERNTECHNIK 2022
YOUNG SCIENTISTS WORKSHOP
We welcome 17 Young Scientists with interesting lectures on nuclear research and innovation.
The three best papers will receive a competence award sponsored by
YOUNG SCIENTISTS WORKSHOP JURY
Dr. Katharina Stummeyer
Head of Project Management Agency Gesellschaft
für Anlagen- und Reaktorsicherheit
Prof. Dr. Jörg Starflinger
Head of the Institute of Nuclear Technology and
Energy Systems, University of Stuttgart
Prof. Dr. Marco K. Koch
Head of Plant Simulation and Safety Group, Faculty of
Mechanical Engineering, Ruhr-Universität Bochum
Matthias Daichendt
Head of Engineering
Kraftanlagen Heidelberg
YOUNG SCIENTISTS WORKSHOP
Dienstag, 21. Juni 2022 Mittwoch, 22. Juni 2022
13:30-13:45 Sergio Iván Cáceres Castro Universität Stuttgart
Experimental investigation on the startup behavior of a straight
two-phase closed thermosyphon bundle for passive heat transfer
from spent fuel pools
13:45-14:00 Sinem Çevikalp Usta Universität Magdeburg
Validation of ATHLET for bayonet heat exchangers with natural
convection heat transfer
14:00-14:15 Muhammad Chaudhry KIT Karlsruher Institut für Technologie
Treatment of radioactive secondary waste from waterjet abrasive
suspension cutting using separation techniques
14:15-14:30 Eduard Diaz-Pescador Helmholtz-Zentrum Dresden – Rossendorf
NuScale SMR 3-D modelling and analysis of boron dilution
transient with system code ATHLET in the framework of McSAFER
14:30-14:45 Lars Heibges Technische Universität Kaiserslautern
Analytical methods for simulation of hard projectile impact on
reinforced concrete structures
14:45-15:00 Lukas Helm Technische Universität Kaiserslautern
Self-centering ring spring dampers for seismic design of steel
frames
15:50-16:05 Maximilian Hoffmann Ruhr-Universität Bochum
Influence analysis of selected concrete properties and the
heating capacity on the heat transfer coefficient between
concrete and melt using the BETA experiments with COCOSYS
16:05-16:20 Marc Kirsch Universität Stuttgart
Experimental investigation on the long-term operational behaviour
of two-phase closed thermosyphon bundles for passive heat
transfer from spent fuel pools under normal, abnormal, and accident
conditions
09:00-09:15 Julia Krieger Ruhr-Universität Bochum
Simulation of the OSU-MASLWR test facility with the system
code AC 2
09:15-09:30 Florian Krist Ruhr-Universität Bochum
Analysis of the AC² model basis for mapping the fission product
release using simulations of the Phébus FPT1 and FPT3 integral
tests
09:30-09:45 Silvia lo Muzio Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit
Simulation of CEFR Neutronic Start-up Tests with FENNECS
and Coupled Pin-by-pin FENNECS/ATHLET Model of a CEFR
Subassembly
09:45-10:00 Ina Münch Technische Universität Kaiserslautern
Nonlinear dynamic calculation of impact tests on induced
vibrations: IRIS-3
10:00-10:15 Michael Pfau KIT – Karlsruher Institut für Technologie
Development of a universally applicable internal pipe separation
system for hard-to-reach (contaminated) areas (RoTre)
10:15-10:30 Eric Rentschler KIT – Karlsruher Institut für Technologie
Development of a mobile, automated, optical inspection system
for radioactive drums
11:00-11:15 Nelson Felipe Rincón-Soto Universität Stuttgart
Assessment and validation of ATHLET-Code for simulating
residual heat removal via a two-phase large-scale loop
thermosyphon
11:15-11:30 René Vennemann Ruhr-Universität Bochum
Simulation of pool scrubbing experiments performed in the
large-scale SAAB facility
11:30-11:45 Shanyao Zhang KIT Karlsruher Institut für Technologie
Comparison of performance parameters of the prototypes
for a dry-mechanical decontamination of corners, edges and
imperfections in nuclear facilities
KERNTECHNIK 2022
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atw Vol. 67 (2022) | Ausgabe 3 ı Mai
33
PARTNER, AUSSTELLER, SPONSOREN UND MEDIENPARTNER
Ingenieurgesellschaft für wissenschaftlich
technischen Umweltschutz
Atkins Energy Germany GmbH
atw – International Journal for Nuclear Power
August Alborn GmbH & Co. KG
Brenk Systemplanung GmbH
Framatome GmbH
GNS Gesellschaft für Nuklear-Service mbH
INFORUM Verlags- und Verwaltungsgesellschaft mbH
KernD – Kerntechnik Deutschland e. V.
Kraftanlagen Heidelberg GmbH
Krantz GmbH
KTG – Kerntechnische Gesellschaft e. V.
NUKEM Technologies Engineering Services GmbH
Steag Energy Services GmbH
Studsvik GmbH & Co. KG
TÜV Nord Ensys GmbH & Co. KG
URENCO Deutschland GmbH
Westinghouse Electric Germany GmbH
Women in Nuclear Germany e. V. (WiN)
KERNTECHNIK 2022
Czech Partners
Association of Nuclear Veterans (CZ)
CE Industries, AG
CVUT – Czech Technical University in Prague
Embassy of the Czech Republic in Berlin
Chemcomex, AG
ÚJV Rež, AG
21.–22. Juni 2022
HYPERION Hotel, Leipzig
Branchentreff, Ausstellung, Wissenschaftsdiskurs,
Young Scientists Workshop und Networking Plattform
Sichern Sie sich jetzt Ihr Ticket!
KERNTECHNIK 2022
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atw Vol. 67 (2022) | Ausgabe 3 ı Mai
Wäre ein Gesetz zur Laufzeitverlängerung rechtlich möglich?
SPOTLIGHT ON NUCLEAR LAW 34
Christian Raetzke
Die durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine ausgelöste Versorgungskrise hat die Diskussion
um eine Verlängerung der Laufzeiten der noch laufenden drei Konvoi-Anlagen und auch der drei weiteren
Ende 2021 abgeschalteten Reaktoren wieder aufleben lassen. Minister Habeck hatte eine entsprechende
Prüfung angekündigt; am 7. März legte sein Ministerium gemeinsam mit dem Umweltministerium ein
Papier „Prüfung des Weiterbetriebs von Atomkraftwerken aufgrund des Ukraine-Kriegs“ 1
vor, das von
einem solchen Vorhaben abrät.
Wie eine Laufzeitverlängerung gesetzestechnisch
zu machen wäre, ist klar. Der Gesetzgeber müsste
die in § 7 Abs. 1a Satz 1 AtG für die betreffenden
Anlagen festgelegten Enddaten umstellen (z. B. für
die Konvoi-Anlagen auf „31. Dezember 2027“) und
die Strommengen in Anlage 3 zum AtG
entsprechend erhöhen – oder die Strommengen,
die heute nur noch historisch zu erklären sind, ab
2023 ganz abschaffen. Möglicherweise sind noch
ein paar Folgeänderungen nötig. Das gesamte
AtG-Änderungsgesetz würde aber auf eine Seite
passen.
Eine Neuerteilung von Genehmigungen wäre nicht
erforderlich. Bei den drei Konvoi-Anlagen ist das
offensichtlich: sie verfügen ja noch über
ungeschmälerte Betriebsgenehmigungen. Aber
auch bei den schon abgeschalteten Anlagen ist die
Betriebsgenehmigung noch vorhanden; nach
§ 7 Abs. 1a AtG ist mit Ablauf des 31. Dezember
2021 lediglich die „Berechtigung zum
Leistungsbetrieb“ erloschen. Damit ist keine einzige
konkrete Regelung der Betriebsgenehmigung
aufgehoben worden; sie hat nur für den
Leistungsbetrieb zur Stromerzeugung ihre
Gestattungswirkung verloren. Wird die
Gestattungswirkung per Gesetz wiederhergestellt,
ist die Genehmigung wieder vollständig gültig.
Wäre ein solches Gesetz denn verfassungsgemäß
mit Blick auf den grundrechtlich garantierten
Schutz von Leben und Gesundheit (Art. 2 Abs. 2
Satz 1 GG)? Die klare Antwort lautet: ja. Das BVerfG
hat schon 1978 im Kalkar-Beschluss entschieden,
der Gesetzgeber durfte die Kernenergie (damals
sogar: unbefristet) zulassen, da er mit der „nach
dem Stand von Wissenschaft und Technik
erforderlichen Vorsorge gegen Schäden“ in § 7 AtG
eine Genehmigungsvoraussetzung geschaffen hat,
die höchste Anforderungen stellt und den Eintritt
von Schäden praktisch ausschließt; das noch
verbleibende Restrisiko ist grundsätzlich
hinzunehmen. Diese Wertung hat das BVerfG bis
heute beibehalten. Auch der Ausstiegsgesetzgeber
von 2002 und 2011 hat nicht die Schadensvorsorge
in Frage gestellt, sondern eine politische
Entscheidung zur zeitlichen Begrenzung des
Restrisikos getroffen.
Wenn der Prüfvermerk der beiden Ministerien
nahelegt, die bestehenden Kernkraftwerke
gewährleisteten für einen Weiterbetrieb diese
Schadensvorsorge nicht (mehr), weil sie nicht dem
„EPR-Standard“ entsprächen, so geht das fehl. Der
„EPR-Standard“ (keine einschneidenden
Katastrophenschutzmaßnahmen außerhalb der
Anlage) ist seit den 1990er Jahren Stand von
Wissenschaft und Technik – aber für Neuanlagen,
nicht für bestehende Anlagen. Diese gewährleisten
durch Maßnahmen auf der Sicherheitsebene 4
einen fast so hohen Schutz; das verbleibende Delta
ist verfassungsrechtlich zulässig. An der
Gewährleistung der Schadensvorsorge ändert auch
der Umstand nichts, dass die Periodische
Sicherheitsüberprüfung (PSÜ) für vier der sechs
Anlagen – zulässigerweise (§ 19a Abs. 2 AtG) –
bereits länger als zehn Jahre zurückliegt. Hier
würde man eine Lösung finden können, etwa eine
auf die begrenzte Zusatzlaufzeit zugeschnittene
Nachholung der PSÜ.
Aus allen diesen Gründen wäre eine
Laufzeitverlängerung um ein paar Jahre rechtlich
zulässig. Hinzu kommt ein weiterer Aspekt. Bisher
sprach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG bei der
gesetzgeberischen Abwägung immer nur gegen die
Kernenergie. Spätestens seit dem Klimabeschluss
des BVerfG von 2021 ist jedoch klar: der Staat muss
Leben und Gesundheit auch dadurch schützen, dass
er Maßnahmen gegen den Klimawandel ergreift.
Und da leistet die Kernenergie unstreitig einen
positiven Beitrag. Insofern fällt das Gewicht des
Grundrechts nunmehr, bildlich gesprochen, in
beide Waagschalen.
Muss der Gesetzgeber sonstige Anforderungen
beachten? Im Prüfvermerk wird argumentiert, ein
laufzeitverlängerndes Gesetz käme für die
1 https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Downloads/P-R/pruefvermerk-laufzeitverlaengerung-atomkraftwerke.html
Spotlight on Nuclear Law
Wäre ein Gesetz zur Laufzeitverlängerung rechtlich möglich? ı Christian Raetzke
atw Vol. 67 (2022) | Ausgabe 3 ı Mai
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abgeschalteten Anlagen einer „Neugenehmigung“
gleich und der Gesetzgeber müsse daher genehmigungstypische
Verfahrensschritte – etwa Sachverhaltsermittlung
oder Anhörungen – durchlaufen.
Das trifft nicht zu. Der Gesetzgeber übernimmt
nicht die Rolle der Genehmigungsbehörde. Er hat
die Laufzeiten 2002/2011 begrenzt und nun verlängert
er sie wieder etwas. Die Genehmigungen sind
(siehe oben) noch vorhanden. Deshalb reicht ein
„normales“ Gesetzgebungsverfahren, das recht
schnell über die Bühne gehen könnte.
Aber muss man nicht wenigstens – wie vom Prüfvermerk
ins Spiel gebracht – eine Umweltverträglichkeitsprüfung
(UVP) durchführen? Das ist nicht
der Fall: bei einer Laufzeitverlängerung bedarf es
nur dann einer UVP, wenn sie mit erheblichen
Baumaßnahmen verbunden ist. Das hat der Europäische
Gerichtshof (EuGH) 2019 im Fall der belgischen
Reaktoren Doel 1 und 2, die nach Erreichen
der Design-Laufzeit von 40 Jahren mit umfangreichen
Baumaßnahmen für weitere zehn Jahre
ertüchtigt wurden, entsprechend entschieden. Auf
die hier in Rede stehenden sechs deutschen Kernkraftwerke
trifft das nicht zu. Sie haben die
Betriebszeit von 40 Jahren noch lange nicht
erreicht. Signifikante Nachrüstungen sind nicht
erforderlich. Der Fall, dass ein Land Reaktorlaufzeiten
aus politischen Erwägungen heraus erst
verkürzt hat und sie nun wieder etwas verlängert,
dabei aber innerhalb der technischen Lebensdauer
bleibt, wäre in Europa einmalig. Eine UVP ist
hierfür nicht erforderlich.
Fazit: Ein Gesetz zur Laufzeitverlängerung – wenn
denn die politische Willensbildung in diese
Richtung ginge – ist möglich und könnte zügig
verabschiedet werden.
Autor
Christian Raetzke
Rechtsanwalt
christian.raetzke@conlar.de
12 th
International
Symposium
Release of Radioactive
Materials Provisions for
Clearance and Exemption
15 th – 16 th Nov. 2022
Crowne Plaza Congress
Hotel Frankfurt, Germany
The new IAEA Safety Guide
DS500 on the “Application of
the concept of clearance” is in
the process of endorsement
and will provide detailed guidance
on the application of the
concept of clearance for materials.
We invite you to continue
the exchange of experience,
expertise and information in the
field of clearance.
More information:
www.tuev-nord.de/tk-rrm
SPOTLIGHT ON NUCLEAR LAW 35
Dr. Christian Raetzke ist Rechtsanwalt und seit über 20 Jahren im Atom- und
Strahlenschutzrecht tätig. Von 1999 bis 2011 arbeitete er für die E.ON Kernkraft
(heute Preussenelektra) in Hannover. 2011 ließ er sich als Rechtsanwalt mit
eigener Kanzlei in Leipzig nieder. Er veröffentlicht regelmäßig
rechtswissenschaftliche Beiträge und ist Dozent auf Seminaren und an
internationalen Fortbildungseinrichtungen zum Atom- und Strahlenschutzrecht.
atw Vol. 67 (2022) | Ausgabe 3 ı Mai
ENVIRONMENT AND SAFETY 36
Nuclear Threat Resulting from
Russian Military Occupation
of Chornobyl Exclusion Zone
Anatolii V. Nosovskyi, Vyacheslav M. Shestopalov, Iurii Shybetskyi, Jürgen Krone
The paper provides an overview and assessment of major nuclear threats arising from Russian military occupation
of the Chornobyl Exclusion Zone (ChEZ). After an overview on the ChEZ nuclear facilities and on
its accumulated radioactive waste and spent nuclear fuel (SNF), the paper presents a record of relevant
events and corresponding incidents since February 24, 2022. Next, the paper provides an assessment of the
resulting major nuclear threats that cannot be limited to ChEZ or Ukraine and its directly neighbouring
countries. Finally, the conclusion identifies and specifies how the Russian Federation and its military forces
have violated the basic principles of international law and nuclear safety and security.
Introduction
In the early morning of February 24, 2022, following
Russian Federation President Putin’s order to attack
Ukraine, Russian military forces fired missiles on
cities and military targets attacking the country
from three sides, in the south from the earlier occupied
Crimea, in the east from southwestern Russia,
and in the north from Belarus. In a clear attempt at
misleading the world, the Russian Federation trivialized
its war in Ukraine by naming it a “Special
Operation” [1]. Furthermore, the Russian Duma
passed a law criminalizing any other description of
the unprovoked invasion of Ukraine by Russian
military forces.
Violating basic principles of international law and
of nuclear safety and security, Russian military
forces entered from Belarus directly into the
bordering Chornobyl Exclusion Zone (ChEZ), with
the intent of using the ChEZ as a staging ground
and bridgehead for attacking the Ukrainian capital,
Kyiv, from the north. About 12 hours after their
initial missile and air strikes on Ukraine (5 p.m.
local time), Russian forces occupied all of the
nuclear facilities within ChEZ.
The paper provides an overview and assessment of
major nuclear threats arising from Russian military
occupation of the ChEZ. After an overview on the
ChEZ nuclear facilities and on its accumulated
radioactive waste and spent nuclear fuel (SNF), the
paper presents a record of relevant events and
corresponding incidents since the invasion began
on February 24, 2022. Next, the paper provides an
assessment of the resulting major nuclear threats
that cannot be limited to ChEZ or Ukraine and its
directly neighbouring countries. Finally, the conclusion
identifies and specifies how Russia and its military
forces have violated the basic principles of
international law and nuclear safety and security.
Overview on Nuclear Facilities at
ChEZ and Accumulated Radioactive
Waste and Spent Nuclear Fuel
The ChEZ was established, after the accident on
April 26, 1986 at the fourth reactor unit of Chornobyl
Nuclear Power Plant (ChNPP) to protect
people from the threats and legacies of the accident
and for managing them as safely as possible. The
current ChEZ conditions are strictly regulated by
law, which prohibits permanent resident population
inside ChEZ and limits any activity to managing
the reactor accident legacies safely [2].
The ChEZ is divided by an outer 30-kilometer (km)
perimeter and an inner 10-km perimeter. Entrance
to both is strictly limited and subject to special radiation
protection regulations. All nuclear facilities,
as well as major site contaminations, radioactive
waste and spent nuclear fuel (SNF) accumulations
are located within the 10 km-perimeter.
The accident released and distributed a large quantity
of radioactive materials over the surrounding
territory, although the majority of the materials
remains inside the damaged reactor unit 4 above
that the “Shelter Object” was built, and within the
local area (the Shelter Object site) that surrounds
the ruined unit at the ChNPP site territory.
It should be mentioned that nuclide composition of
these radioactive wastes to the first approximation
corresponds to the nuclide composition of irradiated
nuclear fuel of RBMK-1000 reactors with
average burnup of 11,000 megawatts (MW)*day/
ton (t). At that the ratio of activities of gamma and
beta emitting nuclides to alpha emitting nuclides is
approximately 100 to 1 [3]. Table 1 provides an
overview on the released activity of main radionuclides
and Figure 1 provides an overview on radioactive
site contamination inside the ChEZ.
Environment and Safety
Nuclear Threat Resulting from Russian Military Occupation of Chornobyl Exclusion Zone ı Anatolii V. Nosovskyi, Vyacheslav M. Shestopalov, Iurii Shybetskyi, Jürgen Krone
atw Vol. 67 (2022) | Ausgabe 3 ı Mai
Tab 1. Activity of main radionuclides inside damaged Unit 4 between April 26
and May 6, 1986 and part of the released activity by May 6, 1986.
Nuclide
Activity inside unit four [10 15 Bq]
April 26, 1986 May 6, 1986
Released activity
by May 6, 1986
133
Хe 185 1.665 up to 100%
85m
Кг 5.6 — up to 100%
85
Кг — 33.30 up to 100%
131
I 167 270 20%
132
Те 148 48 15%
134
Cs 5.6 18.5 10%
137
Cs 11 37 13%
99
Мo 17 111 2.3%
95
Zг 17 141 3.2%
103
Ru 22 118 2.9%
106
Ru 7 59 2.9%
140
Ba 19 159 5.6%
141
Ce 15 104 2.3%
144
Се 17 89 2.8%
89
Sr 9 81 4%
90
Sr 0.56 8.14 4%
238
Pu 0.004 0.030 3%
| Tab. 1
Activity of main radionuclides inside damaged Unit 4 between April 26 and May 6,
1986 and part of the released activity by May 6, 1986.
Tab. 2. Radioactive waste volumes inside and at the Shelter Object site.
Waste
composition
Liquid Waste
Fuel-containing
materials
Containers with
HLW behind the
pioneer walls
Constructional
materials and
structures
Metal materials
Concurrent nonmetal
materials
Non-metal
materials
Waste characteristics
Inside Shelter Object
Free water in Shelter rooms
Pieces of the core and lava-like
fuel containing materials
Pieces of the core and other
high-level materials
Concrete, concrete plates and
units
Metal equipment and metal
structures
Filling material, serpentinite,
construction wastes
Burnable waste
Compactable waste
Shelter Object Site
Ground (crushed stone, sand,
gravel)
Waste
category
Waste Amount
(m³)
LLW 2,500
ILW 500
| Tab. 2
Radioactive waste volumes inside the Shelter Object and at Shelter Object site.
LLW = low-level radioactive waste ILW = intermediate-level radioactive waste
HLW = high-level radioactive waste
Most recently, in April of 2019, a team of experts led
by the National Centre for Nuclear Robotics (NCNR)
spent two weeks surveying the ChEZ. Using LIDAR
technology to measure the landscape and gamma-ray
spectrometers for radiation levels, the team flew
unmanned aerial vehicles (UAVs) in patterns,
mapping about 15 square kilometres within the
zone. At the most contaminated location within the
Exclusion Zone, Rudyy Lis (Red Forest), measured
gamma dose rates reached 0.1 to 10.0 mSv/h. [4]
Just directly before submitting this paper, details
(t)
HLW 3,000
HLW 1,700
L/ILW 300,000
HLW 90,000
L/ILW 20,000
HLW 22,000
HLW 9,000
L/ILW
200
5,000
LLW 137,000
ILW 2,000
HLW 600
Metal materials Metal structures LLW 1,440
| Fig. 1
137 CS Site contamination inside Chornobyl Exclusion Zone as of 2007.
became public that Russian soldiers had been
ordered to dig trenches in contaminated areas of the
ChEZ [5].
Radiological calculations performed within the
safety analyses of the Buriakivka repository
confirmed the dose rate due to inhalation of
radioactive aerosols of a bulldozer driver that
compacts contaminated soils would exceed the
expected gamma dose rate more than by an order of
magnitude [6].
In the case of trench digging the ratio between both
dose rates can be significantly higher due to the
higher exposure by radioactively contaminated dust
and small SNF particles. Thus, at locations within
the Red Forest doses significantly higher than 1
mSv/h or even 100 mSv/h could have been received.
According to unconfirmed press releases, new
trenches were found in the Red Forest as well and
several tens of Russian soldiers have been directed
from ChEZ to a radiological hospital in Gomel
(Belarus) for treating their radiation symptoms [7].
Due to the relatively dry weather conditions, several
tens of hours exposure to dust in highly contaminated
areas could have been sufficient for receiving a total
dose of 250 mSv or more from which deterministic
radiation syndromes have been observed in the past.
By 2005, the total activity that remained at the
Shelter Object had been assessed at
4.17 × 10 17 becquerel (Bq). Corresponding waste
volumes vary (according to different estimations) –
from 530 to 1,730 thousand cubic meters (m³). Table
2 provides an overview of these volumes.
The aging and hastily constructed original shelter,
i.e., the Shelter Object, above reactor Unit 4 raised
serious structural instability and radionuclide
release concerns. Thus, a new, unique shelter, the
New Safe Confinement, financed by numerous
sponsor countries was completed and operationally
ENVIRONMENT AND SAFETY 37
Environment and Safety
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Tab. 3.
Major radioactive waste dumps inside ChEZ.
ENVIRONMENT AND SAFETY 38
Waste
Category
Low,
intermediate
and high
level
Low and
intermediate
level
Waste Dump
Volume
(m³)
Weight
(t)
Rudyy Lis 50,0000 250,000
Pischane plato 57,300 91,700
Naftobaza 102,000 181,000
Yaniv Station 30,000 15,000
Stara Budbaza 171,000 316,000
Nova Budbaza 150,000 70,000
Kopachi 110,000 90,000
Pripiyat 16,000 11,000
Waste Nature
Stones, metal
scrap, ground,
wood
Solid waste,
sand
Stones, metal
scrap, ground,
wood
Stones, metal
scrap, ground,
wood
Reinforced
concrete, metal
structures
Reinforced
concrete, metal
structures
Wood,
household
rubbish and
constructional
wastes
Reinforced
concrete
structures,
stones, metal
scrap
Activity
(10 12 Bq)
374
6.8
40
37
1,100
185
33.3
25.9
Chystohalivka 160,000 150,000
Equipment,
transport
facilities, etc.
3.7
| Fig. 2
Destroyed reactor building of Unit 4 with indications of storage places for HLW
containers.
commissioned in 2020. This new structure was
constructed and moved over the original shelter to
provide safe containment and conditions over the
next one hundred year to support the required
decommissioning activities for this nuclear legacy
site.
A considerable quantity of radioactive substances is
contained in the ChNPP cooling pond (see background
of Figure 2). Based on their low mobility,
the radionuclides were localized in sludge deposits
under a massive water layer, which served as
powerful barrier preventing atmospheric release.
However, after the shutdown of the last power unit,
the recharge of the cooling pond was turned off, as
a result of which the water level in the pond
dropped. This led to the exposure of radioactively
contaminated areas of the cooling pond, which in
turn increased the risk of wind-driven transfer of
radioactive contamination. In 2002, cooling pond
| Fig. 3
New Safe Confinement for safe containment of the destroyed reactor unit 4.
| Tab. 3
Major radioactive waste dumps inside ChEZ.
sludge deposit concentrations were estimated to be
(16 ±3) × 10 13 Bq for 137 Cs, (2.4 ±0.9) × 10 13 Bq for
90 Sr, and (5.3 ±1.9) × 10 11 Bq for Pu [3].
In addition to the tremendous number of radionuclides
contaminating the surrounding area accumulated
in soils, groundwater, and vegetation,
there is approximately 2,000,000 m³ of radioactive
waste resulting from early intervention and decontamination
activities. This waste is stored in
numerous waste dumps and three engineered
storage facilities that are well below state of the art.
An overview is provided in Tables 3 and 4 and
Figures 4 – 6 [8].
Following international agreements, operation of
reactor Units 1 through 3 were terminated and
await decommissioning. From all three power
units, nuclear fuel has been unloaded and moved to
Tab. 4.
Waste
Category
Intermediate
and high
level, longlived
Low and
Intermediate
level, longlived
Low and
intermediate
level, shortlived
Engineered radioactive waste storages inside ChEZ.
Waste
Storage
Pidlisnyi
3 rd line of
ChNPP
Volume
(m³)
Weight
(t)
7,040 14,080
| Tab. 4
Engineered radioactive waste storages inside ChEZ.
Waste Nature
Metal, wood,
waste
Activity
(10 12 Bq)
1.0
3,960 7,920 Reactor pieces 2,500
26,200 41900
Buryakivka 554,000 1,048,600
Ground, metal
scrap (partially in
containers)
Ground, scrap
metal, concrete,
equipment in
containers,
transport facilities
391
2,460
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| Fig. 4
Sections of Pidlisny Waste Storage with ILW.
| Fig. 5
Stylized cross section of radioactive waste storage 3rd Line of ChNPP.
“compacted scheme” that included using the
reserve compartment.
Each RBMK-1000 SNF assembly consists of two fuel
bundles settled vertically on a central rod. A bundle
consists of 18 fuel elements, each of which is
3,640 to 3,644 mm long and a 13.57 to 13.9 mm
external diameter and a nominal cladding thickness
of 0.975 mm.
ENVIRONMENT AND SAFETY 39
| Fig. 6
Trench-type near surface repository Buriakivka.
the wet/pool type Spent Nuclear Fuel Storage
Facility 1 (SNFSF-1), located at ChNPP site. Based
on its original design capacity, SNFSF-1, commissioned
in 1986, can store most but not all of the
Activity of 21,297 main SNF radionuclides assemblies in with RBMK-1000 a total heavy SNF assemblies metal at initial
enrichment equivalent of 2.4% of and 2,415 burnup t. Therefore, of 24 MWt·day/kg a technical U, solution
from was the adopted, reactor. and its safety was justified, to
20 years after
reloading
allow storage placement of the SNF according to a
Radionuclide
Activity [Bq]
85
Кr 5.80 × 10 12
90
Sr 7.82 × 10 13
90
Y 7.82 × 10 13
134
Cs 2.01 × 10 11
137
Cs 1.11 × 10 14
137m
Ba 1.05 × 10 14
154
Eu 1.17 × 10 12
155
Eu 1.89 × 10 11
238
Pu 1.65 × 10 12
239
Pu 3.43 × 10 11
240
Pu 9.64 × 10 11
241
Pu 5.64 × 10 13
241
Am 3.19 × 10 12
244
Cm 9.87 × 10 11
The ChNPP used standard fuel assemblies with
235 U with initial enrichments of 1.8 ± 0.05%, 2.0 ±
0.05%, and 2.4 ± 0.05%. Spent fuel plutonium
concentration produces 4 kg/t of uranium. Table 5
provides the main radionuclide activities 20 years
after reloading from the reactor for an initial
enrichment of 2.4% and burnup of 24 MWt·day/
kg U.
Recently, the internationally financed dry storage
facility SNFSF-2 was commissioned to replace
SNFSF-1 at the end of its designed lifetime in 2026.
In 2021, SNFSF-2 became operational and reloading
SNF from SNFSF-1 into the concrete modules of
SNFSF-2 began.
Although the design, construction, and commissioning
of several dedicated facilities for safely
managing and disposing this radioactive waste and
SNF is ongoing, due to significant delays, practically
all waste and SNF remains in existing facilities.
| Tab. 5
Activity of main radionuclides in RBMK-1000 SNF assemblies at initial enrichment
of 2.4% and burnup of 24 MWt·day/kg U, 20 years after reloading from the reactor.
| Fig. 7
Pool-type Spent Nuclear Fuel Storage Facility 1 (SNFSF-1) at ChNPP.
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ENVIRONMENT AND SAFETY 40
Location
Chamber 3, Row 2
Chamber 3, Row 4
Hot cell В
Hot cell С
Radiation protection box
Chamber 18, Row 7
Chamber 18, Row 8
Chamber 18, Cell 01/К
Chamber 18, Cell 04/К
Chamber 18, Cell 10/К
Chamber 18, Cell 06/І
Chamber 18, Cell 01/А
Chamber 18, Cell 12/К
Chamber 18, Cell 06/К
| Fig. 8
Dry SNF storage SNFSF-2 at Chornobyl NPP.
| Fig. 9
Central Storage for Spent Sealed Sources.
Furthermore, two Ukrainian-wide centralized
storage facilities have been commissioned in the
ChEZ – the central storage for WWER-1000 SNF
built in cooperation with the United States of
America (USA) and the central storage for spent
sealed sources (see Figure 9), built in cooperation
with United Kingdom (UK). Approximately 24,000
spent sealed sources have been loaded at the central
storage facility so far (see Table 6), whereas SNF
from WWER-1000 reactors has yet to be delivered
to the ChEZ. It was planned that the first spent
nuclear fuel from Ukrainian nuclear power plants
(NPP) would be loaded into a centralized storage
facility in April 2022.
Main
Radionuclides
Pieces
Activity (Bq)
60
Cо 58 5.75 E+13
239
Pu 19100 3.53 Е+09
60
Cо 16 1.22 E+09
241
Am
226
Ra
60
Cо
2
4
1
239
Pu 1,272
9.60 Е+06
3.23 Е+07
1.062 Е+10
239
Pu + Ве 24 4.497 Е+11
238
Pu + Ве 509 5.708 Е+12
137
Cs 198 3.19 Е+12
137
Cs 388 6,45 Е+12
60
Cо 14 1.88 Е+12
137
Cs 43 5.19 Е+13
90
Sr + 90 Y 70 3.1 5E+10
60
Cо 179 1.3 2Е+10
137
Cs 552 8.697 Е+12
Stored sources in total 22,430 1.36 Е+14
Free storage places 19,100
| Tab. 6
Inventory of the Central Storage for Spent Sealed Sources by June 30, 2021.
Record of Major Events and Corresponding
Incidents at ChEZ since
February 24, 2022
The following record summarizes primarily the
information published by the State Nuclear Regulatory
Inspectorate (SNRIU) at its website [9].
Thursday, February 24, 2022
5:00 a.m. The State Agency of Ukraine for the
Management of the Exclusion Zone (SAUMEZ)
orders the rapid evacuation of all nonessential
employees from the ChEZ. SAUMEZ directed the
National Guard of Ukraine military staff that were
on duty protecting ChNPP nuclear facilities and on
duty employees at these facilities to remain at their
duty stations to continue performing essential
tasks, recognizing but taking into account the enormous
threat to these workers safety, health, and
lives.
5:00 p.m. The Russian military takes control of all
nuclear facilities and captures all Ukrainian staff
remaining within the ChEZ. Their mobile phones
were confiscated and the guard staff disarmed.
9:30 p.m. SNRIU informs the International Atomic
Energy Agency (IAEA) that it had lost control of all
nuclear ChEZ facilities.
Friday, February 25, 2022
Numerous SAUEMZ radiation monitoring stations
identify unusual high radiation levels up to 7.6
higher normal values (see Figure 10) obviously
caused by military activities. Subsequently
monitoring station access was lost and remains
unrecoverable.
Sunday, March 6, 2022
Several Shelter Object neutron detectors are lost
and cannot be repaired, thereby, adversely affecting
reliable control of potential criticality conditions.
Wednesday, March 9, 2022
11:11 a.m. The ChNPP 750 kilovolt (kV) power line
is disabled, and electric power is lost at all facilities.
The power line cannot be repaired due to shelling.
Available diesel generators are activated to provide
emergency power to safety-relevant equipment but
these are designed for only 48 hours of continuous
operation.
Friday, March 11, 2022
Forest fires break out in the central and western
parts of the ChEZ and continue uncontrolled until
March 18, 2022. During this time the Russian military
prevented access of firefighting personal to the
fires.
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ENVIRONMENT AND SAFETY 41
| Fig. 10
Status of gamma radiation monitoring levels at ChEZ February 25, 2022.
Monday, March 14, 2022
Electric power is restored due to completed repair
works at 5:45 p.m. All diesel generators are shut
down.
Sunday, March 20, 2022
After 24 days, the Russian military finally allows 48
volunteers to replace 104 of the extremely
exhausted employees who had remained on shift at
their ChNPP duty stations since 24 February 2022.
However, the larger day shift personnel, including
the repair staff, did not return to ChNPP after its
evacuation February 24th, 2022.
Thursday, March 31, 2022
At about 8:00 p.m., the Russian occupiers left the
ChNNP territory. The radiation conditions at the
site and the parameters of the equipment controlled
by the operational personnel are within the limits
set by the relevant technological regulations of
nuclear installations. However, the day shift,
including repair and contractor personnel have not
been able to return to the site. The SNRIU started
analyzing the possibility of resuming regulatory
control over the state of nuclear and radiation safety
and of nuclear materials at the ChNPP site and the
Exclusion Zone.
Assessment of the Resulting Major
Nuclear Threats
By occupying the ChEZ by its military, Russian
President Putin caused and risked purposely and
recklessly high nuclear threats, caused by:
p Inappropriate working conditions and staffing
p Loss of electric power
p Forest fires
p Shelling and explosions.
The following sections provide a first assessment of
the resulting major nuclear threats.
Inappropriate working conditions and staffing
Starting on February 24, the remaining ChNNP
staff was taken as hostage and forced to work under
the close supervision of armed Russian soldiers.
Operational personnel constantly worked under
conditions of occupation, ensuring nuclear and
radiation safety of all elements and systems of the
nuclear facilities. The psychological state of the
workers who were taken hostage deteriorated daily,
with every hour of being under the constant supervision
of the occupiers without mobile communications,
which were confiscated by the Russian military
in the first days of the occupation.
Throughout the stressful and difficult conditions at
the ChNPP, its staff demonstrated a high level of
solidarity and responsible attitude in performing
their duties. It is very difficult to be in conditions of
total control by the occupier and the available information
about the plans of the Russian military to
arrange a terrorist attack at the ChNPP.
These undue working conditions could have led to
major mistakes and, consequently, to serious incidents
or accidents. Moreover, the significantly
reduced staffing and impossibility of calling for
help by other specialized staff made it impossible to
respond to arising repair needs and to implement
emergency response measures. Altogether, it has to
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ENVIRONMENT AND SAFETY 42
Location
Fire
Square
[km²]
Average Activity
[кBq/m 2 ]
137
Cs
March 11
90
Sr
Concerned Inventory
[Bq]
137
Cs
Stechanka 0.7 36 11.0 2.7E+10 8.0E+09
Poliske 0.8 540 8.6 4.3E+11 6.9E+09
Bober 8.5 1,400 5.7 1.2E+13 4.8E+10
Pukhove 3.8 950 4.1 3.6E+12 1.6E+10
March 16
Korolivka 2.0 160 2.6 3.3E+11 5.2E+09
Poliske 2.9 420 8.1 1.2E+12 2.4E+10
Kotovske 2.4 460 5.4 1.1E+12 1.3E+10
Rudnya-
Grezlyanska
March 17
90
Sr
5.0 390 10.6 2.0E+09 5.33E+07
March 18
Tarasi 2.3 310 7.0 7.1E+08 1.6E+07
Rudnya-
Grezlyanska
0.9 350 11.9 3.0E+08 1.0E+07
Khristinivka 4.9 312 8.1 1.5E+09 4.0E+07
| Tab. 7
137 Cs and 90 Sr inventories concerned by forest fires March 11 – 18, 2022.
be considered as great luck that such did not occur
as far as known so far.
Loss of electric power
In the case of complete loss of electric power, the
staff lose the ability to control the Chornobyl NPP
nuclear facilities safety parameters, in particular
the radiation state of both spent nuclear fuel storage
facilities and the SNFSF-1 spent fuel pool water
level and temperature. Moreover, fires cannot be
identified, alarms cannot be raised, water cannot
be added to maintain sufficient water levels, and
permanent cleaning of the spent fuel pool water
stops. Also, the ventilation systems will fail with no
possibility to take compensatory measures. Thus,
explosive hydrogen concentrations may be formed
due to the radiolysis reaction.
For the Shelter object, a blackout will cause the loss
of control over the parameters characterizing the
state of nuclear and radiation safety, as well as the
state of unstable structures. Additionally, under a
blackout scenario the operation of the ventilation
systems, which are important for safety, and the
integrated control system will cease. In particular
the neutron absorber injection system would cease
to function. Ventilation system interruptions can
cause the New Safe Confinement to lose its negative
pressure, which could result in the release of
gaseous radionuclides. In this situation radioactive
aerosols can neither be captured, monitored, nor
retained by HEPA filters.
Because of the loss of electric power at the ChNPP
nuclear facilities and the limited capabilities of the
stressed and exhausted operational personnel, the
control of the safety parameters at the facilities
cannot be guaranteed. Consequently, impacting the
ability of the staff to effectively respond to both
potential internal and external emergency events.
This inability of the staff to effectively respond to
these events could lead to severe radiation consequences.
Thankfully, additional diesel reserves at ChNPP
and reliable functioning of the diesel generators
electric power was not completely lost, although
the external electric power supply was interrupted
for almost 125 hours from March 9 – 14, 2022.
Forest fires
Due to high soil and vegetation contamination,
forest fires are a permeant safety concern at ChEZ.
Thus, the State Specialized Enterprise (SSE)
Ecocenter operates a dedicated radiation monitoring
system for directing firefighting and monitoring
fire-related radionuclide distribution inside
the ChEZ.
However, for unknown reasons, the system service
terminated several hours after the Russian occupation
making atmospheric radioactive pollution data
unavailable and making it impossible to adequately
respond to threats of the deteriorating radiation
situation inside the ChEZ. Even worse, the military
occupation conditions eliminated firefighting
efforts. It is uncertain when these capabilities can
be fully restored.
Forest fires in the cold season are an atypical
phenomenon for the ChEZ, but there was a high
probability of the intensity forest fires exceeding
such limits in the spring and summer that could
lead (in the absence of any firefighting measures)
practically to completely burning the radioactively
contaminated forests in ChEZ. Such a total destruction
by fire could accordingly lead to a significant
deterioration of the radiation situation in Ukraine
and possibly throughout Europe.
According to the website of the Fire Information for
Resource Management System (FIRMS) [10], fire
areas in the period from March 11 to 18, 2022 were
observed mainly in the western and central parts of
the ChEZ. On March 11, 2022, the main fire areas
were recorded near settlements of Poliske,
Stechanka, Bober, and Pukhove. From March 12 to
15, no major fires were recorded. On March 16,
forest fires resumed in the Poliske - Kotovske
district, and broke out near the village of Korolivka.
On March 17, a fire in the Poliske region spread
northeast to the village of Rudnya-Grezlyanska and
continued the next day. In addition, new cells have
emerged in the area of village Tarasy and in the
radioactively contaminated area outside the ChEZ
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ENVIRONMENT AND SAFETY 43
| Fig. 11
Average daily 137 Cs activity concentration [µBq/m³] in the surface air layer resulting from combustion products for certain days from March 11 to 18, 2022.
near the village of Novomoskovsk. Table 7 summarizes
the concerned areas and 137 Cs and 90 Sr inventories.
The Department of Radiation Ecology of the ISP
NPP of the National Academy of Sciences of Ukraine
prepared a preliminary assessment of the spread of
137 Cs using additional input from the Weather
Research and Forecasting (WRF) Model. Figure 11
presents the model calculation results.
During the first half of March 11, radioactive distribution
drifted to the southwest and, by the end of
the day, to the southeast and it was possible it would
reach Moldova, Romania, and Black Sea via the
central and southern of Ukraine.
The calculated average daily 137 Cs activity could
reach 1 mBq /m³ at up to 150-200 km from the
ChEZ. On March 16, the transfer direction changed
to west and north-western Ukraine polluting the
territory of Belarus, and subsequently transferring
to the Baltic Sea. From March 17-18, the distribution
continued west.
According to the FIRMS homepage on March 19,
2022, fires continued within the ChEZ (near Rudnya-Grezlyanska
and Tarasy / Vlodimirovka /
October), as well as in the radioactively contaminated
area outside the Exclusion Zone near the
village Khristinivka, Zhytomyr region. A new intensive
fire center was formed in the 10-km zone of the
CHNPP near the villages of Tilsty Les and Buda in
an area with high levels of 137 Cs and 90 Sr pollution.
Further spread of fire was recorded almost in the
same areas March 20 to 21. In addition, less intense
fires occurred in the southwestern part of the Exclusion
Zone and in the Zhytomyr region near the
boundaries of the zone.
During March 26, 2022, only a small fire near
Poliskex was recorded and fires resumed near the
Shelter Object on March 27. The cessation of rain
showers in the late afternoon and evening of March
27 led to more intense fires in this area the next day.
A new fire was also recorded in the “Rudyy Lis”
approximately 2.5 – 4 km west of the ChNPP. The
following day the burning stopped in this area, but
fires continued in the Tarasov and in the Naroditsky
regions. The resumption of heavy rainfall in the
evening of March 29 led to an almost complete
cessation of fires March 30 – 31, 2022.
According to the Institute for Safety Problems of
Nuclear Power Plants (ISP NPP) modelling results,
combustion products were transferred in the
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ENVIRONMENT AND SAFETY 44
southeast direction on March 27, and March 28 – 29
in the east. The daily average activity concentration
of 137 Cs in surface air reached outside ChEZ up to
200 – 500 μBq/m 3 on March 28, but March 27 and
29 it did not exceed 10 μBq/m 3 . From March 30 –
31, when Russian soldiers left, practically no additional
radioactive surface air contamination within
the territory of Ukraine was observed as a result of
fires in ChEZ.
Although all modelling results suggest the
Ukrainian regulatory limit for 137 Cs air pollutions of
0.800 mBq/m³ have not been exceeded, significantly
more undue consequences could have
occurred particularly due to the reasons mentioned
earlier, as well as in the case of fires affecting waste
dumps and/or waste storages. In the worst case,
forest fires could directly impact the nuclear facilities
at ChNPP which could result in practically
unpredictable consequences.
Shelling and Explosions
Considering the nuclear threats of military battles
near nuclear facilities and trusting basic international
conventions and common sense, the
Ukrainian armed forces headquarters was not
prepared to defend the ChEZ territory against the
Russian invaders and ordered Ukrainian defence
personnel to stand down and not respond with military
force. Shelling and explosions at ChEZ were
most likely prevented thanks to this precaution.
However, satellite images confirmed that Russian
military forces, several hundred at a minimum,
brought significant amounts of ammunition into
ChEZ which under the military operation and
resulting occupation of the territory could have led
to severe explosive damage affecting, in worst
cases, the nuclear facilities.
Neither the New Safe Confinement nor the original
Shelter Object, containing the damaged fourth
reactor, nor other ChEZ nuclear facilities are hardened
against military attack or for that matter
designed to withstand an aircraft crash or similar
accident.
Significant radioactive releases, similar to those
after the 1986 accident, could occur from the
instantaneous loss of negative pressure within
either of the shelters due to shelling, explosions, or
another event, such as an aircraft crash. Moreover,
broken parts could fall on the original shelter and
cause its collapse due to its limited stability.
Irrespective of high fissile materials amounts, criticality
accidents are excluded reliably by ensuring
sufficient spacing between SNF assemblies.
However, in the case of shelling or explosions, this
condition cannot be guaranteed which could result
in an unplanned configuration/spacing of the
assemblies with unpredictable consequences. If the
SNFSF-1 or SNFSF-2 storage facilities are affected
by explosive events from artillery shelling or missile
strikes, the consequences might even exceed the
those of the original reactor unit four accident, as
the inventory of fissile materials in these facilities is
several orders of magnitude higher.
Finally, as mentioned previously, the long-lasting
electrical power loss could result in a concentration
increase of radiolysis gases and possible explosions
at the SNFSF-1 wet/pool-type storage.
Conclusions
Nuclear power plants and other nuclear facilities of
Ukraine are for peaceful use of nuclear energy and,
in accordance with Article 56 of the Additional
Protocol to the Geneva Conventions of 12 August
1949 on the Protection of Victims of International
Armed Conflict (Protocol I) of 8 June 1977, they are
not intended for hostilities and must not be attacked
[11].
Furthermore, the Russian Federation’s military
actions in ChEZ are in direct violation of treaty
agreements. Specifically, Article 7 of the Convention
on the Physical Protection of Nuclear Material,
as amended (hereafter referred to as “the Convention”)
[12], which herein states:
The intentional commission of:
...
(e) an act directed against a nuclear facility, or an act
interfering with the operation of a nuclear facility,
where the offender intentionally causes, or where he
knows that the act is likely to cause, death or serious
injury to any person or substantial damage to property
or to the environment by exposure to radiation or
release of radioactive substances, unless the act is
undertaken in conformity with the national law of
the State Party in the territory of which the nuclear
facility is situated;
...and...
(j) an act of any person who organizes or directs
others to commit an offence described in sub-paragraphs
(a) to (h);
...
shall be made a punishable offence by each State
Party under its national law.
The Convention, to which the Russian Federation is
signatory, entered into force in February 1987. and
its subsequent Amendment in May 2016. The
Convention and its amendment are seen as
“…crucial milestones in the development of the international
legal framework for nuclear security, as they
remain the only internationally legally binding
undertakings in the area of physical protection of
Environment and Safety
Nuclear Threat Resulting from Russian Military Occupation of Chornobyl Exclusion Zone ı Anatolii V. Nosovskyi, Vyacheslav M. Shestopalov, Iurii Shybetskyi, Jürgen Krone
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nuclear material and of nuclear facilities used for
peaceful purposes.”
The military occupation of the ChEZ, the holding
hostage of the staff, the disruption of power lines
and loss of power to the facilities within the ChEZ,
the destruction of the radiation monitoring
network, the hinderance of access of emergency
response firefighting personnel are all clear violations
of the Convention. The aggressive actions,
ordered by the Russian President, have at a
minimum resulted in substantive damage to the
environment and injury to human health, and
potentially may contribute to the premature death
of individuals.
Considering the continuing attacks from the
Russian forces on Ukraine, IAEA Director General
(DG) Grossi outlined the following seven indispensable
pillars of nuclear safety and security at an
IAEA Board of Governors meeting on March 2 [13].
p The physical integrity of the facilities – whether it
is the reactors, fuel ponds, or radioactive waste
stores – must be maintained;
p All safety and security systems and equipment
must be fully functional at all times;
p The operating staff must be able to fulfil their
safety and security duties and have the capacity
to make decisions free of undue pressure;
p There must be secure off-site power supply from
the grid for all nuclear sites;
p There must be uninterrupted logistical supply
chains and transportation to and from the sites;
p There must be effective on-site and off-site radiation
monitoring systems and emergency
preparedness and response measures; and
p There must be reliable communications with the
regulator and others.
Specific to ChNPP and the waste storages and
supporting facilities and infrastructure within the
ChEZ, it can be seen from the discussion presented
in this paper that the Russian military forces have
violated each of the seven pillars outlined by DG
Grossi.
It is important to note that already in the night from
March 3 to 4, Russian forces shelled and attacked
the Zaporizhzhya Nuclear Power Plant (ZNPP),
setting fire to a training facility on the power plant’s
grounds, not only a clear violation of these pillars
but of the above-mentioned conventions, as well.
The Russian Federation, as a signatory to these
conventions, therefore, is obligated to charge,
punishable by their law, the responsible individuals
who ordered and instigated in their capacities at
highest state duties the occupation of the ChEZ and
attacks on other Ukrainian nuclear facilities, which
resulted in the aforementioned violations. Failure
of the Russian Federation to pursue appropriate
charges as foreseen under the treaty would be a
clear violation of their obligations under the
Convention in intent and act and cannot be tolerated
by the international community.
The highest-ranking representatives of the Russian
Federation willfully and recklessly accepted and
ignored the high risk of unpredictable nuclear accidents
and the potential for catastrophic consequences
to the population in many European countries.
While it is extremely fortunate that such accidents
have not already occurred, due to other fortuitous
circumstances, such actions remain completely
inexcusable.
Moreover, the criminal behavior of the highest-ranking
representatives of Russian Federation
and their willful violation of international conventions
ratified by the Russian Federation raises the
urgent question of how much longer the international
community can tolerate their official position,
which is to blame other for their own criminal
actions. The Russian Federation’s repeated misrepresentations
and abuse of privileges, entrusted to
them by international organizations, such as IAEA
and the United Nations, cannot be tolerated and
appropriate actions are required by the international
community to address these abuses.
Acknowledgement
We would also very much like to thank Mr Terry
Tetreault who assisted with editing the manuscript
on very short notice, as well as other contributors
who are not explicitly mentioned.
References
[1] United Nations General Assembly Resolution ES‐11/1 adopted on 2 March 2022 at the eleventh
emergency special session of the United Nations General Assembly.
[2] Law of Ukraine “On legal regime of territories affected by radioactive contamination result of
the Chornobyl nuclear power plant.”
[3] TACIS PROJECT – U4.03/04 Development of the National Strategy and Concept for State
Program for Radioactive Waste Management in Ukraine (Part 1), including a Strategy for
NNEGC Energoatom Radwaste Management (Part 2) (WMS-UA), TECHNICAL REPORT Task 1.1
Current situation of the legal matters and available institutional framework in the radioactive
waste management in Ukraine, DBE TECHNOLOGY GmbH, Peine, October 2006.
[4] https://chernobylx.com/the-red-forest-the-most-radioactive-outdoor-environment-on-theplanet/
[5] https://www.unian.ua/ecology/chaes-rashisti-ne-tilki-rili-okopi-v-rudomu-lisi-a-y-tam-zhilivideo
11775091.html?fbclid=IwAR0ICQrke3ah_czAIhz3h9HQbovxKCGjhdYnOoGtT8Ta2umq3EVitCCUl50
[6] INSC PROJECT – U4.01/08-B Improvement of the infrastructure for radioactive waste
management in the Chernobyl Exclusion Zone. Phase I: Safety assessment TASK REPORT 5.2
PRELIMINARY SAFETY ASSESSMENT REPORT FOR THE EXTENDED BURYAKOVKA DISPOSAL
FACILITY, DBE TECHNOLOGY GmbH, Peine, June 2012
[7] https://telegraf.com.ua/ukraina/2022-04-01/5701140-budut-pit-chay-i-svetitsya-ot-radostiokkupanty-poluchili-obluchenie-na-chaes-no-raduyutsya-chto-nagrabili-posudy
[8] INSC PROJECT – U4.01/09 B Disposal Concepts for Radioactive Waste in Ukraine, Technical
Report Task 2, DBE TECHNOLOGY GmbH, Peine, October 2013.
[9] https://snriu.gov.ua/timeline?&type=posts&category_id=15
[10] https://firms.modaps.eosdis.nasa.gov/
[11] Protocol Additional to the Geneva Conventions of 12 August 1949, and relating to the
Protection of Victims of International Armed Conflicts (Protocol 1)
[12] INFCIRC/274/Rev.1/Mod. 1 (Corrected) Date:18 October 2021.
[13] https://www.iaea.org/newscenter/pressreleases/iaea-director-general-grossis-initiative-totravel-to-ukrain
[14] https://www.iaea.org/newscenter/statements/iaea-director-generals-introductory-statementto-the-board-of-governors-7-march-2022
ENVIRONMENT AND SAFETY 45
Environment and Safety
Nuclear Threat Resulting from Russian Military Occupation of Chornobyl Exclusion Zone ı Anatolii V. Nosovskyi, Vyacheslav M. Shestopalov, Iurii Shybetskyi, Jürgen Krone
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Authors
ENVIRONMENT AND SAFETY 46
Anatolii V. Nosovskyi
Member, Academy of Science of Ukraine
Director, Academy of Science of Ukraine Institute of
Safety Problems of Nuclear Power Plants
Anatoly Nosovsky, born in 1954, graduated from the Polytechnic Institute in
Leningrad. Nosovsky researched nuclear submarine radiation protection for the I.
Kurchatov branch of the Institute of Atomic Energy in Sosnovy Bor. In 1986, he
ensured employee radiation safety during the construction of the Chornobyl
nuclear power plant (ChNPP) shelter facility and associated restoration efforts.
In 1988, he served as the ChNPP Deputy Chief Engineer and later as the Deputy
General Director for Radiation Protection. After decommissioning ChNPP, he was
the deputy director for science at State Scientific and Technical Center for Nuclear
and Radiation Safety in Slavutich. In 2004, he was a department head and, since
2015, a director at the National Academy of Sciences of Ukraine Institute for
Safety Problems of Nuclear Power Plants.
Nosovsky’s former positions and awards include: Doctor of Technical Sciences,
Professor of the Department of Nuclear Power Plants and Engineering Thermal
Physics, Academician of the National Academy of Sciences of Ukraine, Honorary
Worker of the Nuclear Energy of Ukraine, Laureate of the State Prize of Ukraine in
Science and Technology, Member of the National Commission for Radiation
Protection of the Population of Ukraine, Member of the Board of the Ukrainian
Nuclear Society, Expert Council of the Ministry education and science of Ukraine;
scientific and technical councils of NNEGC “Energoatom,” and the Ministry of
Energy of Ukraine.
Iurii Shybetskyi
Principal scientist, Academy of Science of Ukraine
Radioecological Centre
Iurii Shybetskyi was born in 1960 and graduated in 1983 from Kyiv University and
earned his PhD in isotopic geochemistry at the Kyiv Institute of Geochemistry and
Mineral Physics in 1994. He has 25 years of experience in the field of radioactive
waste disposal as a Principal Scientist at State Enterprise “Radioenvironmental
Centre of National Academy of Sciences of Ukraine” and as a Member of the
National Commission for Radiation Protection of Ukraine. His main areas of
expertise include radioactive waste disposal siting; safety assessments; national
legislation development of norms and programs for radioactive waste
management; and scientific project management. Iurii Shybetsky has authored
more than 100 publications, including six books. He also helped develop the
following Laws of Ukraine: “On State Ecological Program for Radioactive Waste
Management in Ukraine” (2008), “On radioactive waste management” (2019), of
the Decree of Cabinet “On Radioactive Waste Management Strategy in Ukraine”
(2009), of the Regulations “General safety provision for geological disposal of
radioactive waste” (2007), and “Siting Requirements for Radioactive Waste
Disposal” (2008).
As leading Ukrainian Expert, he was responsibly involved in several EU-funded
international cooperation projects e.g., U4.01/08-C, “Improvement of the Waste
Classification System in Ukraine” (2011-2012); U4.01/09-B, “Disposal concepts for
Radioactive Waste Management in Ukraine” (2012-2017); and U4.01/14-B,
“Development of a National Plan for Radioactive Waste Geological Disposal in
Ukraine” (since 2018).
Vyacheslav M. Shestopalov
Member, Presidium of the Academy of Science of
Ukraine
Director, Academy of Science of Ukraine Radioecological
Centre
Dr. Jürgen Krone
Before retirement 2018 CEO of DBE TECHNOLOGY
GmbH
Vyacheslav Shestopalov, born in 1936, graduated from Kyiv University in 1959
majoring in hydrogeology. In 1971 Shestopalov earned his PhD in 1971 and
Doctor of Science in 1983 at the Kyiv Institute of Geological Science. He served in
1991 as a teaching professor, in 1995 he became Academician of National
Academy of Sciences of Ukraine, in 2004-2015 as the Academician-Secretary of
the Department of Earth Sciences of National Academy of Sciences of Ukraine, and
Advisor to the Presidium of National Academy of Sciences of Ukraine in 2015, and
currently is Director of State Enterprise at the Radioenvironmental Centre of
National Academy of Sciences of Ukraine.
He has over 30 years of experience with radioactive waste disposal and
eliminating the consequences of the Chornobyl NPP catastrophe. Professor
Shestopalov has authored more than 600 publications, including 28 books. He
was also awarded three Orders of Ukraine “For Merit” in 2002, 2008, and 2016
and the State Prize of Ukraine in the field of science in 2004.
Jürgen Krone was born 1955, graduated with a degree in computer science in
1979 and earned his PhD in 1981 from Kharkiv Polytechnical Institute. He has held
various industrial management positions focusing on engineering and applied
research, including several production atomization and environmental protection
projects. In 1996, Krone’s professional and scientific focus became radioactive
waste disposal. From 2001 until retirement in 2018, he led the newly founded DBE
TECHNOLOGY GmbH. 2001 – 2021 he led a consortium of prominent European
radioactive waste management organizations that implemented numerous
internationally funded cooperation radioactive waste management projects in
Eastern Europe and, in particular, Ukraine.
Environment and Safety
Nuclear Threat Resulting from Russian Military Occupation of Chornobyl Exclusion Zone ı Anatolii V. Nosovskyi, Vyacheslav M. Shestopalov, Iurii Shybetskyi, Jürgen Krone
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Update on U.S. Nuclear Energy Policy
Edward Kee
This article covers recent developments in United States (U.S.) nuclear energy policy. The U.S. has the most
operating nuclear power plants of any country, but U.S. nuclear power capacity is declining. Over the past
decade, U.S. nuclear power plants have closed early due to low electricity market prices. 1 Recent U.S.
nuclear energy policy initiatives help address the existential threat to nuclear power projects operating in
electricity markets. In the U.S. federalist form of government, oversight of the electricity and nuclear power
industries is divided between the national/federal government and state governments. New nuclear power
policies have been developed and implemented at both levels.
National/Federal Level
The U.S. federal government has a limited role in
nuclear power.
The federal Nuclear Regulatory Commission (NRC)
has exclusive authority over nuclear safety matters.
A major U.S. nuclear power utility, the Tennessee
Valley Authority (TVA) is owned by the federal
government, but receives no taxpayer funding and
operates as a regional public power utility.
The primary influence of the U.S. federal
government on nuclear power is from the Federal
Energy Regulatory Commission (FERC). FERC
regulates the wholesale power system and
wholesale electricity markets. In the 1990s, FERC
pushed for electricity industry reforms that
included wholesale electricity markets and the
divestment of generation assets by verticallyintegrated
utilities. The result of these reforms was
newly independent merchant generators operating
in new wholesale electricity markets.
FERC aimed to implement electricity industry
reforms nationwide, but some states declined to
participate and some parts of the U.S. retain the
traditional electricity industry approach (i.e.,
vertically-integrated utilities under cost-of-service
state regulation). A map of the U.S. electricity
markets shows the various regional electricity
markets, with white areas retaining the traditional
vertically-integrated regulated electric utility
industry structure. Also, public power utilities (e.g.,
municipals and cooperatives) remain in place even
in the market areas.
Most of the U.S. nuclear power plant early
retirements have been merchant generators
operating in these wholesale electricity markets.
Federal nuclear energy policy developments to
address this issue include the recently approved
Civil Nuclear Credit program, proposals for a
nuclear Production Tax Credit (PTC), and various
U.S. DOE funding activities.
Civil Nuclear Credit program
Shortly after taking office in 2021, President Biden
proposed a large infrastructure spending program.
After extensive congressional negotiations, the
Infrastructure Investment and Jobs Act (IIJA) was
passed by Congress and signed into law in November
2021.
The IIJA includes, among other things, a new Civil
Nuclear Credit (CNC) program that will provide $6
billion in payments to existing nuclear power plants
to help prevent more early retirements of these
plants. The CNC program will be designed and
implemented by the U.S. Department of Energy
(DOE).
Civil Nuclear Credits will be allocated to selected,
certified nuclear power plants over four years. The
U.S. DOE has indicated that it intends, to the
maximum extent practicable, to allocate credits to
as many certified reactors as possible. 2
The CNC program reflects broad political support
for nuclear power as an essential part of the effort
to reduce U.S. electricity sector greenhouse gas
emissions.
ENERGY POLICY, ECONOMY AND LAW 47
1 For a more complete discussion of this issue, see Edward Kee’s 2021 book: Market Failure – Market-Based Electricity is Killing Nuclear Power
2 See https://www.energy.gov/ne/civil-nuclear-credit-program
Energy Policy, Economy and Law
Update on U.S. Nuclear Energy Policy ı Edward Kee
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ENERGY POLICY, ECONOMY AND LAW 48
Proposed Production Tax Credit program
The Biden administration also proposed a larger
spending bill in 2021, referred to as the Build Back
Better Act, that was to be passed shortly after the
IIJA but Congress has not approved this larger bill.
The larger bill is not likely to be approved as
originally proposed, but will likely be divided into
several smaller and more focused bills that are
considered in 2022.
is another sign that U.S. federal policy is moving to
support nuclear power.
U.S. DOE programs
The DOE is designing and implementing the new
Civil Nuclear Credit program. DOE is also
implementing Energy Policy Act of 2005 incentives
that will apply to the new Vogtle 3&4 nuclear power
plant.
The larger spending bill included a new Production
Tax Credit (PTC) for nuclear power plants. Like the
Civil Nuclear Credits, the new PTC payments were
aimed at stopping additional early retirements of
existing nuclear power plants due to poor financial
performance.
The earlier Energy Policy Act of 2005 provides
production tax credits for nuclear power, but only
for new advanced nuclear power plants that meet
certain requirements.
The U.S. nuclear power industry preferred the
larger and more certain revenue that would come
from the proposed PTC program. The PTC program
had a larger total budget than the CNC program
and would have provided benefits to all operating
nuclear power plants, without the Civil Nuclear
Credit’s certification and auction process.
These PTC benefits are not yet approved, but the
inclusion of the PTC program in proposed legislation
In addition, the DOE funds numerous programs to
assist the U.S. nuclear power industry with a focus
on supporting R&D, facilitating NRC regulatory
approval for new reactor designs, and helping get
the first units using new nuclear power plant
designs built.
DOE has also funded several studies of the financial
issues facing existing nuclear power plants. 3
State Level
U.S. electricity market reform and restructuring
were implemented in some, but not all U.S. states.
In states that retained the traditional electricity
industry model, nuclear power plants under state
cost-of-service regulation have a more positive
outlook than the merchant nuclear power plants in
market states that have electricity markets and a
restructured electricity industry.
3 Two of these studies are at See https://gain.inl.gov/Shared%20Documents/Economics-Nuclear-Fleet.pdf and
See https://nuclear-economics.com/wp-content/uploads/2017/10/2017-09-Market-Challenges-for-Nuclear-Fleet-ESSAI-Study.pd
Energy Policy, Economy and Law
Update on U.S. Nuclear Energy Policy ı Edward Kee
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Traditional States
The only new nuclear power plant under
construction in the U.S. is the Vogtle 3&4 plant in
the state of Georgia, which retained the traditional
electricity industry approach. The Vogtle 3&4 plant
is the first Westinghouse AP1000 reactors built in
the U.S. and is owned by a regulated electric utility,
Georgia Power, in partnership with several public
power utilities. The Georgia Public Utility
Commission approved Georgia Power’s investment
in the regulated Vogtle 3&4 units. The Vogtle 3&4
project is financed with a DOE Loan Guarantee and
will receive production tax credits when it starts
commercial operation, both benefits from the
Energy Policy Act of 2005. Georgia’s state
government and public utility commission have
provided strong support for this new nuclear
project.
Minnesota, another state retaining the traditional
electricity industry approach, has two existing
nuclear power plants owned by Xcel Energy. In
2003, the state government raised the issue of
whether these existing nuclear power plants should
continue to operate and whether customer rates
would be lower if the nuclear power plants were
retired early. 4 This situation was different in early
2022, with Xcel Energy’s plan to rely on nuclear
power for the future confirmed. 5
Nebraska also retains a traditional electricity
industry approach that involves public power
utilities rather than investor-owned regulated
utilities. These public power utilities are non-profit
entities that recover costs from customers. In 2016,
the Fort Calhoun nuclear power plant, owned by
the Omaha Public Power District, was retired early
because customer rates would be lower without the
nuclear power plant. The Fort Calhoun early
retirement was linked to low power costs in a region
with extensive wind power development. Another
Nebraska public power utility, the Nebraska Public
Power District, owns the Cooper nuclear power
plant that continues to operate under a license
extension that allows operation until 2034.
companies to divest existing generation assets,
including nuclear power plants. The divested
nuclear power plants operate as merchant
generators selling power into the wholesale
electricity market. Low prices in U.S. wholesale
electricity markets were caused by low natural gas
prices, low demand growth, and increased
development of renewable generation subsidized
by out-of-market incentives (e.g., federal
government PTCs and state renewable mandates).
These low wholesale electricity market prices put
financial stress on merchant nuclear power plants,
with some plants experiencing financial losses.
This poor financial performance led to the early
retirement of merchant nuclear power plants (e.g.,
Kewaunee, Vermont Yankee, Three Mile Island,
Pilgrim) in market states.
ZEC Program States
Some market states, concerned about more early
retirements of merchant nuclear power plants,
established Zero-Emission Credit (ZEC) programs
to help provide additional revenue to merchant
nuclear plants.
The ZEC programs provide additional revenue to
merchant nuclear power plants to reduce the
incentives for owners to close these plants due to
poor financial performance.
These state-level ZEC programs have been the most
important nuclear power policy initiative in the
U.S. in decades.
The New York state 2016 ZEC program prevented
the early retirement of four reactors at the Ginna,
FitzPatrick, and Nine Mile Point nuclear power
plants. 6
The Illinois 2016 ZEC program covered the Clinton
and Quad Cities nuclear power plants. 7
Illinois
implemented a second ZEC program in 2021 to
cover the Byron and Dresden plants. 8
The New Jersey 2019 ZEC program covered the
Hope Creek and Salem nuclear power plants, with
the initial 2019 three-year ZEC program extended
for another three years in 2021. 9
ENERGY POLICY, ECONOMY AND LAW 49
Market States
U.S. states that implemented electricity reforms
and joined wholesale electricity markets typically
required original vertically-integrated utility
Connecticut power contracts
Another market state, Connecticut, located in the
ISO-NE electricity market, took a different
approach. Connecticut saved the Millstone nuclear
4 See https://www.house.leg.state.mn.us/hrd/pubs/nucxcel.pdf
5 https://www.startribune.com/state-regulators-ok-xcel-plan-that-shifts-from-coal-to-more-renewable-nuclear-energy/600144545/
6 https://www.nyserda.ny.gov/-/media/Files/Programs/Clean-Energy-Standard/2019/Case-15-E-0302-Final-ZEC-Implementation-Plan.pdf
7 https://www.ipa-energyrfp.com/zero-emission-credits/
8 https://www.eia.gov/todayinenergy/detail.php?id=50136
9 https://www.state.nj.us/bpu/newsroom/2021/approved/20210427.html
Energy Policy, Economy and Law
Update on U.S. Nuclear Energy Policy ı Edward Kee
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ENERGY POLICY, ECONOMY AND LAW 50
power plant by allowing the Millstone nuclear
power plant to participate in a state-sponsored
clean energy procurement process 10 that resulted in
a power contract with greater revenue than market
sales.
The Seabrook nuclear power plant, another
merchant nuclear power plant located in New
Hampshire (i.e., also in the ISO-NE electricity
market), was also awarded a clean energy contract
by Connecticut. 11
Other States
Some market states have not taken action to stop
merchant nuclear power plant early retirement.
The state of Michigan has done little to stop the
planned early retirement of the Palisades nuclear
power plant scheduled for May 2022. 12 Michigan is
another state with wholesale electricity markets,
with the southern end of the state covered by PJM
and the rest by the MISO market. The Palisades
nuclear power plant, in the MISO market part of
Michigan, was sold in 2007 to Entergy along with a
power contract that is due to expire in May 2022.
Current plans are to close the Palisades nuclear
power plant when the power contract expires (i.e.,
at the end of May 2022) and transfer ownership of
the closed nuclear power plant to Holtec to start
decommissioning. 13 There has been some discussion
of ways to keep Palisades in operation, but nothing
has been put in place so far.
The state of California supported a 2018 California
Public Utility Commission order for Diablo Canyon
to close in 2024/2025, the end of its normal
operating license, rather than applying for the
20-year license extensions that have been granted
to most other U.S. nuclear power plants. Most of
California is covered by the CAISO wholesale
electricity market, but the nuclear power plants in
California remained as regulated utility assets that
operate in the wholesale CAISO electricity market.
The last nuclear power plant in California, Diablo
Canyon, is expected to operate until the end of its
normal operating license (i.e., 2024 and 2025).
There are calls to extend the life of Diablo Canyon 14 ,
but it is unclear that these efforts will change the
planned closure dates.
The state of Pennsylvania declined to implement a
ZEC program in 2019, leading to the early retirement
of the Three Mile Island nuclear power plant 15 . The
Beaver Valley nuclear power plant was also
scheduled to close early, but this decision was
reversed in 2020 because Pennsylvania announced
that it would join the Regional Greenhouse Gas
Initiative. 16
Conclusions
At the federal level, the new Civil Nuclear Credit
program, the proposed Production Tax Credit for
nuclear power show, and various DOE programs
show a growing support for nuclear power by the
U.S. Federal government.
At the state level, traditional states seem to provide
continuing support for nuclear power and some
market states helped financially-threatened
merchant nuclear power plants. However, some
other market states have allowed, or even
encouraged, nuclear power plants to close early.
Author
Edward Kee
CEO, Founder and Principal Consultant of Nuclear
Economics Consulting Group (NECG),Alexandria, USA
edk@nuclear-economics.com
Edward Kee is an expert in nuclear economics. Mr. Kee provides advice to
governments, investors, regulators, regulated and unregulated electricity
companies, nuclear companies, and other parties.
10 https://www.cga.ct.gov/2020/rpt/pdf/2020-R-0203.pdf
11 https://www.spglobal.com/marketintelligence/en/news-insights/trending/vrAiKSOzmpxuz3yuBq6XQw2-
12 https://www.hollandsentinel.com/story/news/regional/2022/01/04/regulators-approve-sale-palisades-nuclearplant/9076515002/
13 https://www.hollandsentinel.com/story/news/regional/2022/01/04/regulators-approve-sale-palisades-nuclearplant/9076515002/
14 https://energy.stanford.edu/publications/assessment-diablo-canyon-nuclear-plant-zero-carbon-electricity-desalination-and
15 https://www.publicadvocates.cpuc.ca.gov/general.aspx?id=3567
16 https://stateimpact.npr.org/pennsylvania/2020/03/13/owners-of-pa-s-beaver-valley-nuclear-power-station-willkeep-it-open-because-of-states-climate-plan/
Energy Policy, Economy and Law
Update on U.S. Nuclear Energy Policy ı Edward Kee
atw Vol. 67 (2022) | Ausgabe 3 ı Mai
Dossier: Debatte über den Weiterbetrieb
von Kernkraftwerken zur Energiesicherung im
Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine
Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine führt dort zu Zerstörung, Leid und Tod sowie zu einer
Welle von Millionen Kriegsflüchtlingen innerhalb des Landes und in die Nachbarstaaten bzw. die
gesamte Europäische Union. Darüber hinaus ist die europäische Ordnung nach dem Kalten Krieg
herausgefordert und die geopolitische Situation nicht nur in Europa, sondern möglicherweise auch
weltweit verändert.
Neben diesen ganz großen Themen, die die
Nachrichtenlage und Sondersendungen wie
Analysen dominieren, wird mit gutem Grund
auch über die energiepolitischen Auswirkungen
der geopolitischen Krise diskutiert. Russland ist
in Summe über die verschiedenen Energieträger
der bedeutendste Exporteur von Energierohstoffen
und besonders mit Europa eng
verbunden, aus historischen wie kommerziellen
Gründen. Gerade in Deutschland wurde diese
Verflechtung, die eben auch Abhängigkeit
bedeutet, geradezu gepflegt als Element einer
partnerschaftlichen Beziehung zu Russland, als
Unterpfand eines friedlichen Europa, als Beitrag
zur wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit und
– auch dies – als Absicherung der deutschen
Energiewende, die auf die Abschaffung der
Kernenergie und der Kohleverstromung zielt.
Ganz unmittelbar bringt die Krise eine schwerwiegende
Unsicherheit in der Energieversorgung,
denn im vergangenen Jahr bezog Deutschland
55 % seines Erdgases, 50 % der Kraftwerksund
Kokskohle sowie 35 % seines Ölbedarfs in
Form von Rohöl und Ölprodukten, insbesondere
Diesel bzw. leichtes Heizöl aus Russland. Innerhalb
Deutschlands sind russische Unternehmen
oder ihre Gesellschaften Betreiber von Energieinfrastruktur
wie Gasspeichern, Pipelines und
Raffinerien sowie auf verschiedenen Ebenen des
Handels und der Distribution aktiv.
Damit steht nun ein wesentlicher Teil der deutschen
Energieversorgung gleichsam von einem
Tag auf den anderen zur Disposition, sei es, dass
in einer politischen Eskalation Russland die
Lieferungen aussetzt oder seine Marktposition
missbraucht, sei es, dass ein Embargo gegen
russische Energielieferungen verhängt wird.
Letzteres ist im Fall der Kohle durch die EU
bereits beschlossen worden.
Vor diesem Hintergrund hat Bundeswirtschaftsminister
Robert Habeck bereits am 27.02.2022
in der ARD-Sendung „Bericht aus Berlin“ angekündigt,
die Möglichkeit eines Weiterbetriebs
von Kernkraftwerken zur Sicherung der Energieversorgung
zu prüfen und zwar ohne Denkverbote
und ohne eine solche Option „ideologisch
abwehren“ zu wollen.
In der Folge, im Lauf des 28. Februar haben zwei
Energieversorger ihre bis dato bezüglich allen
zuvor geführten Diskussionen über einen Weiterbetrieb
aus Gründen des Klimaschutzes ablehnenden
Positionen modifiziert. Bislang galt, dass
kein Interesse an einem Weiterbetrieb bestehe,
da alle Planungen etwa im Hinblick auf die
Technik und die Rückbauplanungen, die Personalplanung
und die vertraglichen Regelungen
seit Jahren auf die Abschaltung und den unverzüglichen
Rückbau gerichtet seien. Im Lichte der
neuen Lage wurde die Bereitschaft erklärt, die
Möglichkeiten in Richtung eines Weiterbetriebs
zu prüfen und unter geeigneten Rahmenbedingungen
und auf ausdrücklichen Wunsch der
Bundesregierung von der geplanten Vorgehensweise
abzuweichen. Ein anderer Betreiber
äußerte sich sehr skeptisch und betonte die
Hürden, die einem solchen Weg im Wege
stünden. Alle drei Betreiber stromerzeugender
Kernkraftwerke betonten, zum beschlossenen
Ausstieg aus der Kernenergie in Deutschland zu
stehen.
Seitens der Bundesumweltministerin Steffi
Lemke kam unmittelbar eine negative Einschätzung,
die mit Sicherheitsbedenken begründet
wurde. Einige Landespolitiker und Bundestagsabgeordnete
haben dagegen eine ergebnisoffene
Prüfung der Einbeziehung der Kernenergie in die
Versorgungssicherheitsplanung gefordert. Diese
Diskussion hat in den folgenden Wochen
51
KERND BRANCHENINFORMATION
KernD Brancheninformation
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KERND BRANCHENINFORMATION
erheblich an Dynamik gewonnen, insbesondere
in CDU, CSU und FDP. Auch in Meinungsumfragen
haben sich immer größere Teile der
Befragten für eine Weiternutzung von Kernkraftwerken
in der aktuellen Lage ausgesprochen, bis
hin zu klaren Mehrheiten.
Am 4. März 2022 hat der Branchenverband Kerntechnik
Deutschland (KernD) eine Stellungnahme
mit dem Titel „Aktueller Beitrag der
Kernenergie zur Energiesicherheit in Deutschland“
veröffentlicht und auch an die Bundesministerien
sowie Bundestagsabgeordnete und
Medienvertreter gesendet, in dem seitens der
Mitgliedsunternehmen aus der Branche angeboten
worden ist, den Weiterbetrieb von Kernkraftwerken
in Deutschland zu unterstützen und
die dafür notwendigen Ressourcen zur Verfügung
zu stellen, sofern die Bundesregierung sich
dazu bekennt, im Zusammenhang mit der
Ukraine-Krise die Kernenergie weiter zur Sicherung
der Energieversorgung zu nutzen.
Bundeswirtschafts- und das Bundesumweltministerium
am 8. März gebeten, diese Position zu
überdenken und zur Abwendung einer möglichen
Energiekrise alle verfügbaren Energiequellen
zu nutzen, sowie jetzt die Grundsatzentscheidung
für einen Weiterbetrieb von Kernkraftwerken
zu treffen, damit alle erforderlichen
Maßnahmen dafür rechtzeitig ergriffen werden
können. In dem Brief wurde auch auf die zuvor
erfolgte Kommentierung der Regierungsbewertung
durch den Branchenverband KernD vom 15.
März Bezug genommen.
Im Folgenden finden Sie ein Dossier mit der
ursprünglichen Stellungnahme von KernD, dem
Prüfvermerk der Ministerien, der KernD-Pressemitteilung
dazu, der Kommentierung des Prüfvermerks,
dem Inhalt des Offenen Briefes sowie
eine KernD-Kurzanalyse zur aktuellen Relevanz
von Kernkraftwerken für die Versorgungssicherheit.
Am 8. März 2022 haben das Bundesministerium
für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit
und Verbraucherschutz (BMUV) sowie das
Bundesministerium für Wirtschaft und Klima
(BMWK) die „Prüfung des Weiterbetriebs von
Atomkraftwerken aufgrund des Ukraine-Kriegs“
veröffentlicht. In diesem Prüfvermerk wird
empfohlen, die Kernkraftwerke auch in der aktuellen
Krise nicht weiter zu betreiben, da damit
Sicherheitsrisiken verbunden seien und große,
rechtliche, technische und finanzielle Hürden
bestünden, denen nur ein kleiner Nutzen gegenüber
stünde.
Als erste Reaktion darauf hat KernD am
08.03.2022 die Pressemitteilung „Weiterbetrieb
von deutschen Kernkraftwerken: Bundesregierung
schlägt möglichen Beitrag der Kernenergie
zur aktuellen Energiesicherheit leider aus“ veröffentlicht.
Am 15. März veröffentlichte KernD die
„Fachliche Kommentierung des Prüfvermerks
der Bundesregierung ‚Prüfung des Weiterbetriebs
von Atomkraftwerken aufgrund des
Ukraine-Kriegs‘ durch den Verband Kerntechnik
Deutschland e.V. (KernD)“.
Am 21. März wurde schließlich ein Offener Brief
an Bundeskanzler Olaf Scholz zum Weiterbetrieb
deutscher Kernkraftwerke zur Sicherung der
Energieversorgung adressiert, der am 23. März
veröffentlicht wurde. Darin wird Scholz nach der
abschlägigen Bewertung eines möglichen
Weiterbetriebs von Kernkraftwerken durch das
Nicolas Wendler
Presse und Politik
KernD (Kerntechnik Deutschland e.V.)
nicolas.wendler@kernd.de
Tel.: +49 172 237 91 84
www.kernd.de
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Stellungnahme von KernD zum Weiterbetrieb vom 04. März 2022
Aktueller Beitrag der Kernenergie zur
Energiesicherheit in Deutschland
Im Zuge der aktuell geführten Diskussion über einen möglichen Weiterbetrieb einzelner
Kernkraftwerke zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit in Deutschland erklärt Kerntechnik
Deutschland (KernD), der Verband von Unternehmen und wissenschaftlichen Institutionen der
Kerntechnik in Deutschland:
Der Weiterbetrieb von deutschen Kernkraftwerken
über den aktuell verbindlichen
Abschalttermin 31.12.2022 hinaus kann einen
wichtigen Beitrag zur Energiesicherheit
Deutschlands leisten, sowohl im kommenden
Winter als auch in der Zeit danach. Die kerntechnische
Wirtschaft – Betreiber, Industrie,
Dienstleister – ist bereit, den Weiterbetrieb von
Kernkraftwerken in Deutschland zu unterstützen
und die dafür notwendigen Ressourcen
zur Verfügung zu stellen.
Dabei sind aktuell folgende Punkte von besonderer
Bedeutung:
p Die verfügbaren deutschen Anlagen sind in
sicherheitstechnisch hervorragendem
Zustand. Einem weiteren Betrieb stehen
keine sicherheitsbezogenen Gründe entgegen.
p Die kerntechnische Wirtschaft hat den im
großen politischen Konsens gefassten Ausstiegsbeschluss
akzeptiert und setzt diesen
umfassend um. Voraussetzung für einen darüber
hinaus gehenden Weiterbetrieb
deutscher Kernraftwerke ist, dass sich die
Bundesregierung dazu bekennt, die Kernenergie
weiter zur Sicherung der Energieversorgung
zu nutzen und der Bundestag die
gesetzlichen Rahmenbedingungen dafür
schafft. Diese politische Entscheidung muss
belastbar mit Blick auf unternehmerische
Entscheidungen und Investitionen sein und
zeitnah erfolgen. Dies gilt gerade mit Blick
auf eine möglichst rasche Beschaffung von
Kernbrennstoff, wenngleich dieser Prozess
nicht beliebig beschleunigt werden kann.
p Da auch die sicherheitsbezogenen regulatorischen
Prozesse bei den zuständigen Behörden
und den Gutachtern eingehalten werden
müssen, ist hierzu ebenfalls eine rasche politische
Entscheidung wichtig. Ein weiterer
Abbau von Personal und kerntechnischer
Kompetenz in diesen Bereichen muss sofort
gestoppt und soweit möglich rückgängig
gemacht werden.
04. März 2022
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KERND BRANCHENINFORMATION
Prüfvermerk des Bundesumwelt- und Bundeswirtschaftsministerium zum Weiterbetrieb vom 08. März 2022
Prüfung des Weiterbetriebs von Atomkraftwerken
aufgrund des Ukraine-Kriegs
Ausgangslage
Aktuell sind in Deutschland noch die Atomkraftwerke Isar 2, Emsland und Neckarwestheim 2 in Betrieb
mit insgesamt 4300 MW Leistung (brutto). Zuletzt wurden am 31.12.2021 die Atomkraftwerke
Brokdorf, Grohnde und Gundremmingen C abgeschaltet, mit insgesamt gut 4200 MW Leistung (brutto).
Im Zuge der Frage einer möglichen Kompensation der Importe von Erdgas aus Russland infolge
des russischen Angriffs auf die Ukraine stellt sich die Frage, ob diese Atomkraftwerke weiter genutzt
werden sollen bzw. können.
Gesetzes- und Genehmigungslage
Für die am 31.12.2021 abgeschalteten Anlagen
ist die Berechtigung zum Leistungsbetrieb aufgrund
der gesetzlichen Regelung erloschen. Ein Betrieb
könnte nur aufgrund einer gesetzlichen Aufhebung
des Erlöschens und einer gesetzlichen Laufzeitverlängerung
erfolgen. Diese Entscheidungen des
Gesetzgebers kämen einer „Neugenehmigung“
gleich. Ein derartiges Gesetz ist nach der Rechtsprechung
des Bundesverfassungsgerichts inhaltlich
und verfahrensrechtlich weitgehend wie eine
entsprechende behördliche Entscheidung zu
behandeln. Der Bundestag müsste die ähnlichen
Verfahrensschritte einschließlich Öffentlichkeitsbeteiligung
und UVP dann selbst vornehmen.
Insbesondere ist es im Hinblick auf den grundrechtlich
geschützten Anspruch auf die bestmögliche
Schadensvorsorge erforderlich, den aktuellen
Stand von Wissenschaft und Technik der Nachweisführung
zugrunde zu legen. Demnach müsste auch
nachgewiesen werden, dass die Auswirkungen von
Kernschmelzunfällen auf das Anlagengelände
begrenzt werden können. Dieser EPR-Standard ist
durch Nachrüstungen nicht zu erreichen. Das
Bundesverfassungsgericht hat für Neugenehmigungen
entschieden, dass dann, wenn die nach
theoretischen wissenschaftlichen Konzepten erforderliche
Schadensvorsorge praktisch nicht erreicht
werden kann, die Genehmigung für ein
Atomkraftwerk nicht erteilt werden darf. Es ist
deshalb sehr wahrscheinlich, dass ein die Genehmigung
ersetzendes Gesetz bereits im Eilverfahren
vor dem Bundesverfassungsgericht aufgehoben
würde.
Auch die am 31.12.2022 außer Betrieb gehenden
Kernkraftwerke (sog. Konvoi-Anlagen) können
auf Basis des geltenden Atomgesetzes nicht über
diesen Zeitraum hinaus betrieben werden. Auch
hier wäre eine Änderung des Atomgesetzes
notwendig, in der die kalendermäßige Befristung
entfallen und eine Zuteilung neuer Strommengen
erfolgen müsste. Hier läge zwar die Fortführung
eines aktuell genehmigten und überwachten
Betriebs vor, sodass die Anforderungen an eine
neue Genehmigung verfahrensrechtlich nicht
gelten (zur Sicherheitsbetrachtung unten). Nach
der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs
kann allerdings auch bei einer gesetzlichen Laufzeitverlängerung
eine (grenz- überschreitende)
Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlich sein.
Deutschland hat diese Auffassung ebenfalls bisher
international vertreten und könnte sich dem wohl
kaum entziehen.
Unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten
erfordert eine solche Laufzeitverlängerung eine
neue, umfassende Risiko- und Güterabwägung des
Gesetzgebers. Im Jahr 2011 war der Gesetzgeber zu
dem Ergebnis gelangt, dass das Risiko der Atomenergienutzung
auch mit den modernen Konvoi-
Anlagen nur noch bis zum 31.12.2022 hingenommen
werden soll.
Diese Bewertung wäre zu aktualisieren. Da- bei
wäre zum einen die veränderte Lage hinsichtlich
der Sicherung der Versorgung Deutschlands mit
Energie bzw. Strom in Folge des russischen Angriffs
auf die Ukraine zu berücksichtigen. Zum anderen
müsste in die Bewertung auch einfließen, inwieweit
die Risiken für den Schutz der Kernkraftwerke
bei Einwirkungen von außen sich in einem solchen
Szenario anders darstellen (der Beschuss des ukrainischen
Atomkraftwerks Saporischschja am
3.3.2022 durch die russische Armee macht deutlich,
dass solche Szenarien in Europa nicht völlig
auszuschließen sind. Auch müssen aktuell neue
Gefährdungsszenarien wie etwa staatlich
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veranlasste Sabotage in die Erwägungen
einfließen.) Auch denkbare mittelbare Folgen eines
Krieges (Unterbrechung der Stromversorgung)
erhöhen mit Blick auf die dauerhaft zu gewährleistende
Kühlung des Reaktorkerns das Risiko der
Atomkraftnutzung.
Sicherheitsbetrachtung
Die drei Konvoi-Anlagen, die aktuell noch laufen,
sind bzgl. Sicherheit und Sicherung in einem vollständig
genehmigten und überwachten Zustand.
Sie sind sicherheitstechnisch grundsätzlich auf
einem hohen Niveau. Allerdings gab es mit Blick auf
das Betriebsende zu Ende 2022 eine gesetzliche
Ausnahme von einer wesentlichen Überprüfungspflicht.
So ist nach internationalen Sicherheitsstandards
eine umfangreiche Sicherheitsüberprüfung
aller Atomkraftwerke alle zehn Jahre erforderlich.
Diese hätten für die drei Atomkraftwerke im
normalen Rhythmus zum 31.12.2019 vorgelegt
werden müssen, da die letzte umfangreiche Sicherheitsüberprüfung
2009 stattfand. Eine erneute
Vorlage 2019 war nach einer Ausnahmeregelung
des Atomgesetzes nicht erforderlich, wenn die
Anlage drei Jahre später abgeschaltet wird. Bei
einem Weiterbetrieb nach dem 1.1.2023 wäre also
die letzte Sicherheitsüberprüfung 13 Jahre alt, eine
neue wäre zwingend geboten.
würde. Der Gesetzgeber müsste also im Zuge der
Laufzeitverlängerung eine beschleunigte und
verschlankte Sicherheitsüberprüfung einschließlich
eines Verzichts auf eventuelle Nachrüstungen
akzeptieren und insofern mit der bisherigen deutschen
Sicherheitsphilosophie beim Betrieb der
Atomkraftwerke brechen.
Technische Situation
Die Brennelemente in den Anlagen sind mit Blick
auf das geplante Betriebsende 2022 weitgehend
auf- gebraucht. Durch kontinuierliche Absenkung
der Kühlmitteltemperatur und der Leistung oder
durch Abschaltung der Atomkraftwerke im
Sommer 2022 könnte der Betrieb der Atomkraftwerke
mit den aktuell in den Kraftwerken befindlichen
Brennelementen für eine gewisse Zeit (bis zu
ca. 80 Tagen) fort- gesetzt werden („Streckbetrieb“).
Sofern Reaktorkerne während des regulären
Betriebszyklus mit geringerer Leistung
betrieben werden, erhöht dies grundsätzlich die
mögliche Länge des Betriebszyklus. Die Atomkraftwerke
würden dann im Sommer 2022 weniger
Strom produzieren, um über den 31.12.2022 hinaus
im ersten Quartal 2023 noch Strom produzieren zu
können. Insgesamt würde zwischen heute und
Ende März 2023 netto nicht mehr Strom produziert.
55
KERND BRANCHENINFORMATION
Die Sicherheitsüberprüfungen sind in Deutschland
ein über Jahre währender Prozess, in dessen Verlauf
erkanntes Verbesserungspotenzial laufend umgesetzt
wird. Da die Atomkraftwerke in den letzten
Jahren zwar alle regulären Prüfungen der Komponenten
durchgeführt haben, aber eine grundlegende
Sicherheitsanalyse und Überprüfung der
Störfallszenarien anhand des neuen Regelwerks
von 2012 weitgehend unterblieben ist, sind
unerkannte Defizite nicht auszuschließen, sodass
in der Folge für einen Weiterbetrieb über den
31.12.2022 hinaus Investitionsbedarfe in die
Sicherheitstechnik ebenfalls nicht auszuschließen
sind. Bei einem längeren Weiterbetrieb dürften die
Anforderungen des aktuellen kerntechnischen
Regelwerks nicht genügen, das den EPR-Standard
(siehe dazu 2.) noch nicht berücksichtigt.
Dies konfligiert jedoch mit einem Weiterbetrieb der
Anlagen mit dem Ziel, ab 2023 einen Beitrag zur
Versorgungssicherheit zu leisten. Ein Weiterbetrieb
wäre nur sinnvoll, wenn diese Sicherheitsprüfung
in Umfang und Prüftiefe deutlich reduziert würde
und/oder auf weitreichende Nachrüstungsmaßnahmen,
die in Zuge der Sicherheitsüberprüfung
gegebenenfalls angeordnet würden, verzichtet
Die Beschaffung, Herstellung und atomrechtliche
Freigabe zur Herstellung neuer Brennelemente für
einen funktionsfähigen Reaktorkern dauert im
Regelfall 18-24 Monate. Ggf. ist eine Beschleunigung
auf ca. 12-15 Monate möglich. Es müsste in
dieser Zeit zudem eine erheblich größere Menge an
frischen Brennelementen (geschätzt rund Faktor 2)
gefertigt werden als im bisher üblichen jährlichen
Turnus.
Dies erfordert auch einen erheblichen Prüfungsaufwand,
d. h. es sind umfangreiche Berechnungen,
Begutachtungen und behördliche Zustimmungen
notwendig, um die Sicherheit aller Betriebsparameter
dieser Kernzusammensetzung zu ermitteln
und nachzuweisen. Selbst bei sofortiger Bestellung
und beschleunigter Abwicklung ist daher mit einer
Nutzung nicht vor Herbst 2023 zu rechnen.
Auch die Ersatzteilbevorratung wurde im Hinblick
auf die bevorstehende Abschaltung der Atomkraftwerke
abgebaut. Es ist fraglich, inwieweit ausreichend
Ersatzteile für das Sicherheitssystem und für
betriebliche Systeme vorhanden sind. Hier besteht
insbesondere die Problematik, dass manche
Bauteile eigens unter besonderen Anforderungen
für die Kerntechnik hergestellt wurden und
KernD Brancheninformation
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56
KERND BRANCHENINFORMATION
Hersteller dieser Bauteile inzwischen das wirtschaftliche
Interesse verloren haben sowie Know-
How bereits verloren gegangen ist. Weitere Hürden
könnten sich aus der Nachbeschaffung von notwendigen
Komponenten für einen Weiterbetrieb
aufgrund des Rückgangs qualifizierter Hersteller
und aufgrund von Störungen in Lieferketten (z. B.
aufgrund Embargos) ergeben. Bei den bereits 2021
abgeschalteten Anlagen ergäben sich im Übrigen
zusätzliche technische Hindernisse, je nachdem,
inwieweit bereits Maßnahmen zum Rückbau vorgenommen
und auf erhaltende Maßnahmen
verzichtet wurde.
Personal
Der Restbetrieb der Kernkraftwerke ist auch personell
auf den Auslaufbetrieb eingestellt. Die für
einen zeitnahen Weiterbetrieb notwendigen Personalressourcen
sind nicht mehr vorhanden und
müssten erst wieder aufgebaut werden. Es müsste
durch finanzielle Anreize eine einvernehmliche
Rücknahme der bereits individualvertraglich
vereinbarten sozialverträglichen Personalabbaumaßnahmen
erfolgen (Rücknahme Altersteilzeitverträge)
und zusätzlich neues notwendiges
Personal (z. B im Bereich Fachkunde Reaktorfahrer/Schichtführer)
in mindestens hoher zweistelliger
Zahl zügig sukzessive ersetzt und sofort
geschult werden. Hierfür ist eine mehrjährige Fachkundeausbildung
erforderlich. Auch bei Aufsichtsbehörden
und Sachverständigen müsste die Personalplanung
kurzfristig an- gepasst werden, wobei
das Problem besteht, dass hier in den letzten Jahren
wenig ausgebildet wurde.
Wirtschaftlichkeit und
Risikoverteilung
Es kann nicht im Vorhinein abgeschätzt werden, ob
sich aus der Sicherheitsprüfung größerer Nachrüstbedarf
ergibt (s. o.) und wie dieser kurzfristig abgearbeitet
werden kann, insbesondere mit Blick auf
die rechtzeitige Verfügbarkeit notwendiger Ersatzteile
und Komponenten. U. U. resultieren daraus
längere Stillstandsphasen, die die Verfügbarkeit
der Kernkraftwerke und damit den Nutzen der
Verlängerung schmälern. Dies hat Auswirkungen
sowohl auf die Kosten des Weiterbetriebs als auch
auf die energiewirtschaftliche Betrachtung
hinsichtlich zusätzlicher Strommengen. Zum aktuellen
Zeitpunkt können Zeitbedarf und Kosten nicht
belastbar abgeschätzt werden.
Mit Blick auf die Kosten wäre neben dem Aufwand
für den Weiterbetrieb u. a. auch die Kosten für die
Entsorgung zusätzlicher Mengen radioaktiver
Abfälle zu berücksichtigen. Nicht absehbar ist, zu
welchen Prämien der erforderliche Haftpflichtversicherungsschutz
(Deckungsvorsorge) für einen
verlängerten Leistungsbetrieb erlangt werden
könnte, der nach Ende 2022 bisher nicht einkalkuliert
ist. So müssen die Betreiber von Atomkraftwerken
nach dem Atomgesetz für Schäden, die von
deutschen Atomkraftwerken ausgehen, vollständig
haften und bis zu einer Höhe von 2,5 Milliarden
Euro Deckungsvorsorge gewährleisten, hierfür sind
Prämien an die Deutsche Kernreaktor-Versicherungsgemeinschaft
zu leisten.
Die Betreiber der Kernkraftwerke haben sich auf
das Ende der Nutzung der Kernenergie eingestellt
und bekennen sich dazu. Für den Fall, dass der
Staat in der aktuellen Lage einen Weitertrieb zur
Absicherung der Versorgungssicherheit für nötig
erachtet, gehen sie davon aus, dass dies angesichts
des finanziellen Aufwands in einer ökonomischen
Betrachtung nur mit einer Perspektive von weiteren
mindestens drei bis fünf Jahren sinnvoll wäre.
Sollte sich der Staat hierfür entscheiden, haben die
Betreiber der Kernkraftwerke bereits gegenüber
BMWK und BMUV mitgeteilt, dass dann die
Bundesregierung in eine „Quasi-Eigner“-Rolle
kommen solle, mit voller Kontrolle und Verantwortung
für Investitionen, Kosten, Erträge sowie
Verfahrensumfang und -tiefe auf der sicherheitstechnischen
und genehmigungsrechtlichen Seite.
In einem solchen Szenario würden die Atomkraftwerke
von den Unternehmen quasi im staatlichen
Auftrag betrieben.
Energiewirtschaftliche und
klimapolitische Bewertung
Eine Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke im
Streckbetrieb führt nicht zu zusätzlichen Atom-
Strommengen (s. o.), sondern verlagert lediglich
die Stromproduktion aus dem Sommer 2022 in den
Winter 2022/2023. Die Minderproduktion im
Sommer 2022 würde dann durch die letzten Kraftwerke
der Merit Order kompensiert, d.h. es gäbe
eine zusätzliche Stromproduktion aus Gas- oder
Kohlekraftwerken. Ein Ersatz von Gas bzw. Kohle
durch den Streckbetrieb findet somit bis zum ersten
Quartal 2023 nicht statt, es entsteht stattdessen ein
zusätzlicher Kohle- bzw. Gasverbrauch im Sommer
2022. Der Mehrwert aus energiewirtschaftlicher
Sicht läge vielmehr darin, im Winter 2022/2023
eine zusätzliche Leistung im System zu haben, um
zur Versorgungssicherheit bei Stromnachfragespitzen
beizutragen. Dies ist jedoch auch durch die
Nutzung der Steinkohlekraftwerke in den Reserven
bzw. durch eine Verlängerung der
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atw Vol. 67 (2022) | Ausgabe 3 ı Mai
Sicherheitsbereitschaft der Braunkohlekraftwerke
möglich. Tritt 2022 aufgrund des Ausbleibens von
Gaslieferungen aus Russland eine europaweite
Gasmangellage ein, würden diese Instrumente der
Aktivierung der Kohlekraftwerke ohnehin
ergriffen.
Erst mit einer Beladung der Atomkraftwerke mit
frischen Brennstäben wird zusätzlicher Strom
produziert. Für die drei in Frage stehenden Kraftwerke
sind dies im Durchschnitt insgesamt ca.
30 TWh pro Jahr, das sind ca. 5 % der deutschen
Stromproduktion. Sie würden vor allem Strom aus
Kohlekraftwerken ersetzen, d. h. in der aktuellen
Gaskrise kaum einen Beitrag zur Erhöhung der
Unabhängigkeit von russischen Gasimporten
leisten. Grund: Da aufgrund der aktuellen Krise
Gas sehr teuer ist, stehen Gaskraftwerke ohnehin
aktuell als letzte Kraftwerke in der Merit Order,
d. h. sie kommen fast nie zum Einsatz. Eine
Ausnahme bilden die KWK-Anlagen, weil die aus
den Kraftwerken erzeugte Wärme benötigt wird.
Diese können jedoch durch die Atomkraftwerke
nicht ersetzt werden, hier sind andere Maßnahmen
(Einsatz von grüner Fernwärme, Reduzierung
Wärmebedarf) nötig. Mit Blick auf die aktuelle
Gaskrise kann die Verlängerung der Laufzeiten der
Atomkraftwerke also nur einen begrenzten Beitrag
leisten.
Fazit
p Ein Wiederanfahren der drei zum 31.12.2021
stillgelegten Kernkraftwerke kommt schon
aufgrund der genehmigungsrechtlichen
Situation (erloschene Betriebserlaubnis), die
auch gesetzlich nicht rechtssicher geändert
werden kann, nicht in Betracht.
p Eine Verlängerung der Laufzeiten der noch in
Betrieb befindlichen drei Atomkraftwerke würde
im Winter 2022/2023 keine zusätzlichen
Strommengen bringen (Streckbetrieb), sondern
frühestens ab Herbst 2023 nach erneuter
Befüllung mit neu hergestellten Brennstäben.
p Eine Laufzeitverlängerung müsste unmittelbar
mit einer erneuten Durchführung der zuletzt
2009 stattgefundenen umfangreichen
Sicherheitsprüfung für jedes der drei
Atomkraftwerke einhergehen. Aktuell kann nicht
belastbar abgeschätzt werden, in welchem
Umfang aufgrund dieser Sicherheitsüberprüfung
Nachrüstanforderungen entstehen und in
welchem Zeitraum (und zu welchen Kosten)
diese durchgeführt werden können. Bei einem
längerfristigen Weiterbetrieb dürfte der Stand
von Wissenschaft und Technik ähnlich wie bei
Neuanlagen (EPR-Standard) anwendbar sein.
p Aufgrund des notwendigen Mehraufwands in
Folge der umfangreichen Sicherheitsüberprüfung
und des Wiederschulens von Personal bei den
Kraftwerken und den Überprüfungsbehörden ist
eine Verlängerung der Laufzeiten der
Atomkraftwerke nicht bloß um 2-3 Jahre,
sondern für mindestens drei bis fünf Jahre
notwendig, um den Aufwand wirtschaftlich zu
rechtfertigen. BMWK und BMU gehen davon aus,
dass in diesem Zeitraum bis 2028 andere
Möglichkeiten zur Verfügung stehen, um eine
ausreichende Stromversorgung trotz einer
Gasmangellage zu gewährleisten.
p Der energiewirtschaftliche Mehrwert einer
Laufzeitverlängerung ist sehr begrenzt. Im
Winter 2022/23 helfen sie nicht, sondern
verschieben nur die Stromproduktion in den
Sommer 2022 (kein netto-Effekt). Ab dem Herbst
2023 würden sie zwar zusätzliche Strommengen
liefern, ein Ersatz von Gasmengen findet aber
kaum statt, da Gaskraftwerke ohne KWK in einer
Gaskrisensituation ohnehin kaum zum Einsatz
kommen.
p In verfassungsrechtlicher Hinsicht bedürfte eine
Verlängerung der Laufzeiten einer umfassenden
neuen Risiko- und Güterabwägung des
Gesetzgebers. Diese kann durchaus zu einem
anderen Ergebnis kommen als die Abwägung im
Jahr 2011, insbesondere soweit die Absicherung
der Versorgungssicherheit für eine Verlängerung
der Laufzeiten spricht. Um dieses Ziel zu
erreichen, steht dem Gesetzgeber ein gewisser
Gestaltungsspielraum zu. Dennoch bestehen mit
Blick auf die Risiken der Kernenergienutzung
und den Schutz des Lebens und der körperlichen
Unversehrtheit hohe Hürden, gerade angesichts
der neu zu betrachtenden Risiken als Konsequenz
des Ukraine-Krieges. Angesichts des begrenzten
Beitrags der verbliebenen Kernkraftwerke zur
Stromversorgung bleiben Zweifel, ob eine
Verlängerung in der aktuellen Situation
verfassungsrechtlich belastbar begründet
werden kann. Die zu erwartenden Klagen gegen
eine mögliche Laufzeitverlängerung hätten vor
diesem Hintergrund durchaus aussichtsreiche
Erfolgschancen.
p Die Kernkraftwerksbetreiber haben bereits mitgeteilt,
dass eine Verlängerung der Laufzeiten
57
KERND BRANCHENINFORMATION
KernD Brancheninformation
atw Vol. 67 (2022) | Ausgabe 3 ı Mai
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KERND BRANCHENINFORMATION
letztlich in einer Übernahme der rechtlichen und
wirtschaftlichen Risiken durch den Staat münden
würde (s. o.). BMWK und BMUV finden es falsch,
Abstriche bei der deutschen Sicherheitsphilosophie
beim Betrieb der Atomkraftwerke zu
machen. In der Konsequenz würde dies im
Zweifel dazu führen, dass kein ununterbrochener
Betrieb der Kernkraftwerke stattfinden würde,
sondern dass gerade im Zeitraum 2022-2024
umfangreiche Nachrüstprogramme und damit
einhergehende Stillstandszeiten zu erwarten
wären.
p Im Ergebnis einer Abwägung von Nutzen und
Risiken ist eine Laufzeitverlängerung der drei
noch bestehenden Atomkraftwerke auch
angesichts der aktuellen Gaskrise nicht zu
empfehlen.
07. März 2022
Pressemitteilung von KernD zum Prüfvermerk der Ministerien vom 08. März 2022
Weiterbetrieb von deutschen Kernkraftwerken:
Bundesregierung schlägt möglichen Beitrag der
Kernenergie zur aktuellen Energiesicherheit leider aus
In einem gemeinsamen Prüfvermerk haben das Bundesumweltministerium und das
Bundeswirtschaftsministerium mitgeteilt, dass ein Weiterbetrieb von deutschen Kernkraftwerken aufgrund
des Ukraine-Kriegs aus ihrer Sicht nicht zu empfehlen sei.
p Der Verband Kerntechnik Deutschland bedauert
dies und stellt in diesem Zusammenhang jedoch
folgendes fest: Die Bewertung der beiden Ministerien
bestätigt, dass die Kernkraftwerke bei
einem Weiterbetrieb im gesamten kommenden
Winter ihren Beitrag zur Energiesicherheit
Deutschlands durchaus leisten und zudem ab
Spätsommer 2023 wieder vollumfänglich zur
Verfügung stehen könnten.
p Eine weitere Verschärfung der hiesigen Energieversorgungssituation,
die Fachleuten wahrscheinlich
erscheint und deshalb jeden möglichen
Beitrag verfügbarer Energieträger kurzund
mittelfristig notwendig macht, wird in dem
Regierungspapier leider nicht als Szenario
behandelt oder überhaupt erwähnt.
p Insgesamt ist die Bewertung der Ministerien
offenkundig vom bisherigen politischen Willen
geprägt, am endgültigen Ausstiegstermin für die
Kernenergie in Deutschland festzuhalten, anstatt
angesichts der derzeitigen energiewirtschaftlichen
Krisensituation zur Absicherung der Energieversorgung
jede verfügbare Ressource unter
Mitverantwortung für die gesamteuropäische
Energiesicherheit heranzuziehen.
p In dem Prüfvermerk der Ministerien wird detailliert
aufgeführt, warum ein Weiterbetrieb nicht
zu empfehlen ist, anstatt Lösungen dafür zu
finden. Der Kern der Hinderungsgründe ist formaljuristischer
Natur. Fakt jedoch ist, dass sich
die verfügbaren deutschen Kernkraftwerke anerkannt
in einem sicherheitstechnisch hervorragenden
Zustand befinden und einem weiteren
Betrieb keine sicherheitsbezogenen Gründe entgegenstehen.
Hinsichtlich der gesetzlichen Lage
zeigt die corona-bedingte, seit über 2 Jahren
währende Ausnahmesituation zum Schutze der
Bevölkerung für alle sichtbar, dass in Situationen
von nationaler Tragweite Gesetze ohne großen
Zeitverzug außer Kraft gesetzt werden können
oder änderbar sind.
p Im Fazit bleibt nur zu hoffen, dass es zu keiner
weiteren Zuspitzung im Energiesektor kommt.
Die kerntechnische Industrie jedenfalls steht
weiter bereit, gerade in der jetzigen Ausnahmesituation
einen möglichen Weiterbetrieb der
deutschen Kernkraftwerke zur Sicherung der
Energieversorgung mit allen Kräften zu unterstützen.
08. März 2022
KernD Brancheninformation
atw Vol. 67 (2022) | Ausgabe 3 ı Mai
Fachliche Kommentierung des Prüfvermerks der Bundesministerien durch KernD vom 15. März 2022
Fachliche Kommentierung des Prüfvermerks der
Bundesregierung „Prüfung des Weiterbetriebs von
Atomkraftwerken aufgrund des Ukraine-Kriegs“ durch
den Verband Kerntechnik Deutschland e.V.
Vorwort und Vorgehensweise bei der Kommentierung
Die Argumente und Aussagen der Bundesregierung zum Weiterbetrieb der restlichen, noch in Betrieb befindlichen
deutschen Kernkraftwerke, veröffentlicht im gemeinsamen Prüfvermerk des Bundesministeriums
für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz und des Bundesministeriums für
Wirtschaft und Klima vom 08.03.2022, werden im Folgenden vom Branchenverband Kerntechnik
Deutschland e.V. (KernD) kommentiert und bewertet.
Es wird dabei auf die einzelnen Kapitel des Regierungspapiers jeweils unter Wiedergabe der ursprünglichen
Kapitel-Nummern und der Kapitel-Titel eingegangen, wobei zuerst eine inhaltliche Zusammenfassung
von wesentlichen Einschätzungen und Positionen der Regierung erfolgt (in kursiver Schrift) und danach
eine ausführliche Kommentierung (als solche gekennzeichnet).
59
KERND BRANCHENINFORMATION
Ausgangslage
Die Bundesregierung führt an, dass in Deutschland
gegenwärtig und bis zum 31.12.2022 die Kernkraftwerke
Isar 2, Emsland und Neckarwestheim 2 in
Betrieb sind, mit zusammen rund 4300 MW Leistung
(brutto). Zuletzt wurden am 31.12.2021 die Kernkraftwerke
Brokdorf, Grohnde und Gundremmingen
C abgeschaltet, die zusammen rund 4200 MW Leistung
(brutto) bereitstellen konnten.
Im Hinblick auf eine mögliche Gasmangellage im
Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine hat sich
die Bundesregierung der Frage gewidmet, ob die Kernkraftwerke
weiter genutzt werden können oder sollen.
Kommentar KernD:
Wichtig, jedoch nicht im Papier der Bundesregierung
berücksichtigt, ist die Tatsache, dass die
Wertigkeit der Stromproduktion aus den KKW durch
die Verfügbarkeit „rund um die Uhr“ (bis auf die
Revisionszeiten) deutlich höher anzusetzen ist als
eine Stromproduktion aus volatilen Quellen (d. h.
aus Wind und Sonne). Letztere sind nicht grundlastfähig,
Strom aus Kernenergie und Kohle indes schon.
Dies ist ein sehr wichtiges Kriterium gerade bei der
Bewertung in Krisensituationen. So haben die sechs
Kernkraftwerke in 2021 zusammen 69,1 Milliarden
Kilowattstunden Strom (brutto) erzeugt, was 11,9
Prozent der deutschen Bruttostromerzeugung
entsprach.
Gesetzes- und Genehmigungslage
Die Bundesregierung schreibt, dass für einen Weiterbtrieb
der zum 31.12.2021 abgeschalteten Anlagen
rechtlich Maßnahmen erforderlich wären, die einer
„Neugenehmigung“ auf „EPR-Standard“ gleichkämen,
die technisch-wissenschaftlich nicht
erreichbar wären und die deshalb vom Bundesverfassungsgericht
aufgehoben werden würden.
Kommentar KernD:
Solange die Genehmigung für den Rückbau nicht
bei den Kernkraftwerken eingegangen ist, gilt
weiterhin ausschließlich die bestehende Betriebsgenehmigung.
Gemäß Atomgesetz erlischt mit den
in §7 Abs 1a gesetzten Fristen nur die Berechtigung
zum Leistungsbetrieb, die Betriebsgenehmigung
indes ist davon nicht berührt. Tatsächlich sind die
Genehmigungen aus verwaltungsrechtlicher Sicht
immer noch wirksam, da das Gesetz sie nicht
aussetzt. Es sollte ausreichend sein, die Enddaten
des vorgenannten §7 1a zu ändern und auf die Festlegung
von Reststrommengen zu verzichten. Die
Genehmigungsgrundlage in Deutschland ist im
Übrigen nicht der angeführte „EPR-Standard“,
sondern die „Sicherheitsanforderungen an Kernkraftwerke“
(SiAnf). Die SiAnf konkretisieren als
Basis für wesentliche kerntechnische Änderungsverfahren
und die Periodische Sicherheitsüberprüfung
(PSÜ) die Anforderung an die Schadensvorsorge
nach Stand von Wissenschaft und Technik
KernD Brancheninformation
atw Vol. 67 (2022) | Ausgabe 3 ı Mai
60
KERND BRANCHENINFORMATION
(W&T). Daraus lässt sich nicht ableiten, dass für
einen Weiterbetrieb der zum 31.12.2021 abgeschalteten
Anlagen ein wie auch immer gearteter "EPR-
Standard" erfüllt werden muss. Es ist derzeit vollkommen
unklar, auf welcher rechtlichen Basis die
neuen “EPR-Standards” angewendet werden
sollten.
Die Bundesregierung macht als eine rechtliche Hürde
für den Weiterbetrieb der noch laufenden Anlagen in
ihrem Prüfvermerk geltend, dass nach Rechtsprechung
des Europäischen Gerichtshofs auch eine
gesetzliche Verlängerung der Laufzeiten von Kernkraftwerken
eine grenzüberschreitende Umweltverträglichkeitsprüfung
(UVP) erforderlich machen
würde. Als weiteres Hindernis wird das Erfordernis
einer neuen, umfassenden Risiko- und Güterabwägung
des Gesetzgebers hinsichtlich der Kernenergie in
Änderung der entsprechenden Einschätzung nach
dem Unfall von Fukushima angeführt.
Kommentar KernD:
Es handelt sich bei der Aufhebung der kalendermäßigen
Befristung und einem möglichen Entfall der
Strommengenbegrenzung um die Wiederherstellung
des ursprünglichen Genehmigungszustandes.
Die Anlagen könnten somit weiter betrieben
werden. Erst in den Jahren 2028 und 2029 (Erreichen
der so genannten "Design- Lebensdauer" von
40 Jahren) wären über die periodischen
Maßnahmen hinausgehende Sicherheitsanalysen
durchzuführen. Die Aussage der Bundesregierung
zur UVP ist nicht korrekt und beruht auf einer Fehlinterpretation
der einschlägigen EuGH-Entscheidung.
Der EuGH hatte zum einen über eine Verlängerung
der Laufzeit um 10 Jahre zu entscheiden –
was hier aktuell nicht zur Debatte steht – und zweitens
eine wichtige Ausnahme für den Fall festgelegt,
dass der Mitgliedstaat nachweist, dass andernfalls
die Energiesicherheit gefährdet wäre. Genau
eine solche Gefährdung ist aber nun der Grund, aus
dem aktuell Analysen hinsichtlich eines Weiterbetriebs
von Kernkraftwerken überhaupt durchgeführt
werden.
Die Risiko- und Güterabwägung nach dem Unfall
von Fukushima basierte auf rein politischen Überlegungen.
Aus technischer Sicht haben die im Nachgang
zu Fukushima durchgeführten Robustheitsanalysen
aufgezeigt, dass die deutschen Anlagen zu
den robustesten weltweit gehören. Im Rahmen der
Post-Fukushima Maßnahmen wurden zusätzliche
Verbesserungen realisiert. Dadurch wird beispielsweise
sichergestellt, dass bei längerfristigen Stromausfällen
die Stromversorgung für die Kernkühlung
für mindestens 7 Tage gewährleistet ist.
Darüber hinaus ist festzuhalten, dass Kernkraftwerke
der neueren Bauart aufgrund ihrer massiven
Stahlbetonkonstruktion die mit am besten
geschützten Industrieanlagen überhaupt sind.
Sicherheitsbetrachtung
Die Bundesregierung verweist im Prüfvermerk
darauf, dass bei den aktuell laufenden Anlagen von
einer Ausnahmegenehmigung im Atomgesetz
hinsichtlich der alle 10 Jahre erforderlichen PSÜ
Gebrauch gemacht wurde und die Ende 2019 fälligen
PSÜ deshalb nicht durchgeführt worden seien. Die
Bundesregierung erklärt, dass unerkannte Sicherheitsdefizite
mit Blick auf die SiAnf von 2012 (Neufassung
2015) und damit auch Investitionsbedarfe in die
Sicherheitstechnik nicht auszuschließen seien.
Kommentar KernD:
Für die noch laufenden so genannten Konvoi-
Anlagen wurde noch keine PSÜ auf Basis der SiAnf
durchgeführt. Dahingegen wurde für ältere
Anlagen ( z. B. Brokdorf und Gundremmingen C)
bereits eine PSÜ auf Basis dieser SiAnf durchgeführt.
Dabei wurden keine nennenswerten Defizite identifiziert.
Daher ist auch bei der Aktualisierung der
PSÜ für die Konvoi-Anlagen unter Berücksichtigung
der Anforderungen aus den SiAnf nicht mit
nennenswerten Defiziten zu rechnen. Aus diesem
Grund sind auch keine daraus resultierenden
längeren Stillstandsphasen für Nachrüstungen zu
erwarten.
Nach Abschluss der PSÜ 2009 für die Konvoi-
Anlagen ergab sich in der anschließenden Dekade
aufgrund des Fukushima-Ereignisses die Sondersituation
der sicherheitstechnischen Nachrüstungsmaßnahmen,
die mit vorlaufenden Robustheitsanalysen
und Stresstests ca. 2014 abgeschlossen
wurden. Daher sind entsprechende sicherheitstechnische
Verbesserungen bereits realisiert und es
kann bei einer nun beginnenden Sicherheitsüberprüfung
gestaffelt vorgegangen werden. Die
wesentlichen Ergebnisse für den Überblick des
Sicherheitsniveaus können innerhalb eines Jahres
vorgelegt werden. Die kerntechnische Wirtschaft
steht zur
Unterstützung bei der Durchführung dieser
Analysen und der Umsetzung der ggf. daraus resultierenden
Maßnahmen zur Verfügung.
Auch die Erfahrungsauswertungen aus sonstigen
nationalen und internationalen Ereignissen
wurden weitergeführt und, falls erforderlich,
entsprechende Optimierungen bereits vorgenommen.
Das 2015 aktualisierte kerntechnische
Regelwerk fordert die nach dem Stand von
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atw Vol. 67 (2022) | Ausgabe 3 ı Mai
Wissenschaft und Technik erforderliche Vorsorge
gegen Schäden. Wie oben gezeigt, sind diese Anforderungen
für die hier diskutierten Anlagen erfüllt.
Die SiAnf enthalten auch Anforderungen an die
Beherrschung auslegungsüberschreitender Ereignisse
der sogenannten Sicherheitsebene 4. Auch
diese Anforderungen werden erfüllt. Dadurch wird
ein ähnliches Sicherheitsniveau wie beim EPR
erreicht.
Aus Sicht von KernD kann ein Weiterbetrieb der
Kernkraftwerke ohne Abstriche beim vorhandenen
Sicherheitsniveau erfolgen.
Technische Situation
Die Bundesregierung schreibt in ihrem Prüfvermerk
aufgrund einer von ihr verwendeten Definition des so
genannten Streckbetriebs als zeitlicher Verschiebung
der Stromproduktion durch Aussetzung des Betriebs,
dass ein möglicher Weiterbetrieb der Kernkraftwerke
keine zusätzlichen Strommengen bis Ende März 2023
erbringen würde. Darüber hinaus macht die Bundesregierung
geltend, dass frische Brennelemente frühestens
zum Herbst 2023 geliefert werden könnten und
führt auch die Versorgung mit Ersatzteilen als
Hindernis für einen Weiterbetrieb an.
Strategie könnten bereits im Winter 2022/2023
signifikante zusätzliche
Strommengen produziert werden. Die im Prüfvermerk
der Bundesregierung erwähnten größeren
Nachlademengen würden dann erst später, im
Sommer 2023 erforderlich. Dies würde dann
normale Zeiträume für die Beschaffung von Brennelementen
ermöglichen. Die genannten Kernbeladungen
würden unter Einhaltung der gegenwärtigen
sicherheitstechnischen Anforderungen und
Rahmenbedingungen erfolgen. Insofern würde
kein zusätzlicher, über den üblichen Umfang
hinausgehender Prüf- und Genehmigungsaufwand
erforderlich werden.
Somit kann mit Sicherheit gesagt werden, dass die
Brennelementbeschaffung, wenn mit der Beschaffung
jetzt begonnen wird, nicht zum Engpass wird
und ein unterbrechungsfreier Betrieb der KKW
aufrechterhalten werden kann. Die Brennelementfertigung
ist nicht abhängig von einer Versorgung
aus Russland, sondern es sind entsprechende Alternativen
verfügbar. Diese werden bereits genutzt.
Deshalb gibt es hier keine negativen Auswirkungen
aus einem möglichen Embargo für Lieferungen aus
Russland.
61
KERND BRANCHENINFORMATION
Kommentar KernD:
Die Aussage hinsichtlich Streckbetrieb und zusätzlichen
Strommengen ist nicht korrekt. Die Kernkraftwerke,
insbesondere das Kernkraftwerk Isar 2,
könnte bei vorliegender Beladung im Frühjahr 2023
noch für einige Monate zusätzliche Strommengen
im Streckbetrieb produzieren. Streckbetrieb
bedeutet Ausnutzung von Brennstoff über das
geplante Zyklusende hinaus und damit die Produktion
zusätzlicher Strommengen. Zusätzlich könnte
bei vorhandenem Stromüberschuss (Sonne, Wind)
insbesondere in den Sommermonaten 2022 Brennstoff
durch Leistungsreduktion der Kernkraftwerke
eingespart und dann dadurch zusätzliche Kapazitäten
für eine etwaige kritische Phase im Winter
2022/23 geschaffen werden.
Die kerntechnische Wirtschaft in Europa fühlt sich
verpflichtet, die Elektrizitätsversorgung in Europa
zu unterstützen. Dementsprechend räumt die
Branche der Beschaffung von Brennelementen für
die Verlängerung des Betriebs der deutschen Kernkraftwerke
Priorität ein. Dies würde es ermöglichen,
eine gewisse Menge an Brennelementen
innerhalb einer deutlich verkürzten Vorlaufzeit
unter Einhaltung der gegenwärtigen sicherheitstechnischen
Anforderungen zu liefern, um sie z. B.
rechtzeitig für einen kurzen Zyklus im Winter
2022/2023 verfügbar zu haben. Mit dieser
Zum Thema Ersatzteile ist festzustellen, dass das
Ersatzteilmanagement der deutschen Betreiber für
den Weiterbetrieb ausreichend ist. Ersatzteile
wurden nicht vernichtet, sondern von anderen
Kunden des Serviceverbandes VGB Powertech
übernommen und sind daher bei Bedarf weiterhin
verfügbar. Die Reparaturfähigkeit ist auch für
Steuerungsplattformen und Steuerungstechnik
gewährleistet, z. B. durch deutsche Betreiber selbst
mit eigenen Werkstätten und durch externe
Anbieter. Dies ist im Übrigen keine neue Situation
für deutsche Betreiber.
Die Lieferketten der maßgeblichen Kerntechnikunternehmen
in Deutschland und Europa sind
weiterhin etabliert, um die Bedürfnisse der deutschen
Anlagen zu befriedigen. Es sei hierzu
verwiesen auf die in der Bauart den deutschen
Anlagen ähnlichen KKW, welche von der ehemaligen
Kraftwerk Union (KWU) weltweit errichtet
wurden (Angra 2, Trillo, Gösgen, Borssele). Durch
ein gezieltes Obsoleszenz- management können
auslaufende Produkte oder eine schrumpfende
Lieferantenbasis kompensiert werden, so z. B.
durch Qualifizierung neuer Lieferanten, Unterstützung
bei der Querqualifizierung, Qualifizierung
neuer Produkte und Nachrüstungen. Diese
Lösungen stünden bei einem Weiterbetrieb auch
den deutschen Anlagen zur Verfügung.
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atw Vol. 67 (2022) | Ausgabe 3 ı Mai
62
KERND BRANCHENINFORMATION
Personal
Im Prüfvermerk der Bundesregierung wird erklärt,
dass keine Personalressourcen für einen Weiterbetrieb
zur Verfügung stünden und für neues Personal
eine mehrjährige Fachkundeausbildung erforderlich
ist.
Kommentar KernD:
Für einen Weiterbetrieb für kurze oder mittlere
Frist kann grundsätzlich durch die Betreiber eine
Abdeckung der Personalressourcen ermöglicht
werden. Zusätzlich wäre eine Umschulung von
Mitarbeitern anderer Standorte innerhalb eines
Jahres möglich.
Ggf. zusätzlich erforderliches Bedienpersonal
könnte auch von Herstellerunternehmen geschult
werden. Hierzu stehen Kapazitäten zur Verfügung,
die für die Erstschulung des Personals für Anlagenneubauten
geschaffen wurden.
Aufgrund der internationalen Aktivitäten der
Unternehmen für Neubau und Service steht
entsprechendes Servicepersonal zur Verfügung,
das dann auch für den Weiterbetrieb der deutschen
Anlagen eingesetzt werden kann.
Für einen – aktuell nicht zur Diskussion stehenden
– Weiterbetrieb über längere Frist wäre in der Tat
eine mehrjährige Fachkundeausbildung für
weiteres Personal im bewährten Rahmen erforderlich,
die aber unter entsprechenden Bedingungen
auch wieder ermöglicht werden könnte.
Wirtschaftlichkeit und
Risikoverteilung
Im Prüfvermerk der Bundesregierung werden neben
den schon adressierten Kosten für mögliche Nachrüstmaßnahmen
und Ersatzteile auch Kosten für die
Entsorgung zusätzlich entstehender radioaktiver
Reststoffe und der zu verlängernden Haftpflichtversicherung
als mögliche Hindernisse für einen Weiterbetrieb
angegeben.
Kommentar KernD:
Aus Sicht von KernD ergeben sich aus dem Anfall
radioaktiver Reststoffe und der Haftpflichtversicherung
keine nennenswerten Mehrkosten pro
Betriebsjahr gegenüber dem jetzigen, wirtschaftlich
durchgeführten Betrieb.
Energiewirtschaftliche und
klimapolitische Bewertung
Hier behauptet die Bundesregierung wiederum, dass
durch die Kernkraftwerke im ersten Quartal 2023
keine zusätzlichen Strommengen zur Verfügung
gestellt werden könnten, da diese zuvor im Sommer
eingespart und durch andere Anlagen wie Gas- und
Kohlekraftwerke erzeugt werden müssten. Daraus
folgert die Bundesregierung, dass ein zusätzlicher
Einsatz von Stein- und Braunkohlekraftwerken
mögliche Engpässe infolge einer Gasmangellage im
kommenden Winter ebenso abdecken könnte.
Kommentar KernD:
Durch zusätzlichen Streckbetrieb ab Januar 2023
können zusätzliche Strommengen erzeugt werden.
Im Rahmen des Lastfolgebetriebes könnte im Jahr
2022 gezielt nuklearer Brennstoff in Zeiten mit
hoher Solar- und Windstromerzeugung eingespart
werden. Damit würde kein zusätzlicher Gasverbrauch
im Sommer 2022 entstehen. Mit dem
Streckbetrieb und den durch Lastfolge eingesparten
Brennstoffmengen könnten im Winter 2022/2023
zusätzliche Strommengen produziert und dadurch
die Netze bei schwankender Solar- und Windstromversorgung
stabilisiert werden. Damit könnte in
dieser kritischen Zeit Gas in der Stromerzeugung in
erheblichem Umfang eingespart werden, was bei
den dezentralen und so genannten geschützten
Verbrauchern im Wärmemarkt gar nicht möglich
ist.
Wenn durch die nukleare Stromerzeugung Strom
aus Kohlekraftwerken ersetzt wird, wird ein erheblicher
Beitrag zur Vermeidung zusätzlicher CO 2
Emissionen geleistet.
Außerdem wäre zu klären, ob ohne Kohleimporte
aus Russland die Kapazitäten der Kohlekraftwerke
alleine zur Netzstabilisierung ausreichen, wenn
gleichzeitig auch keine Gaskraftwerke verfügbar
sind. Überdies ist auch noch zu beachten, dass die
Kohlekraftkapazitäten südlich der Mainlinie nicht
groß sind und die im Zuge des Ausstiegs aus der
Kernenergie zu errichtenden großen HGÜ-Stromleitungen,
die Strom bzw. hier vorübergehend
Kohlestrom in größerem Umfang von West- und
Mitteldeutschland nach Süddeutschland transportieren
könnten, noch mehrere Jahre lang nicht
verfügbar sein werden.
Fazit
In ihrem Fazit kommt die Bundesregierung aufgrund
der oben genannten Argumente und Annahmen
hinsichtlich der genehmigungsrechtlichen Situation,
des vermeintlichen Fehlens zusätzlicher Strommengen
aufgrund ihrer Interpretation des Konzepts
Streckbetrieb, der Annahmen zur Versorgung mit
neuem Brennstoff, Hypothesen zu erforderlichen
umfangreichen Nachrüstungen, einer erklärten
möglichen Anwendbarkeit eines nicht existierenden
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atw Vol. 67 (2022) | Ausgabe 3 ı Mai
EPR-Standard, unterstellter Personalengpässe beim
Betriebspersonal der Kraftwerke und bei den
Aufsichtsbehörden sowie durch Aufwerfen verfassungsrechtlicher
Zweifel an einer geänderten Abwägungsentscheidung
des Gesetzgebers und der Befürchtung
von Abstrichen an der Sicherheitsphilosophie zu
der Auffassung, dass in einer Abwägung von Nutzen
und Risiken ein Weiterbetrieb der Kernkraftwerke in
Deutschland auch angesichts der aktuellen politischen
und insbesondere Gasversorgungskrise nicht
zu empfehlen sei.
Die Bundesregierung führt darüber hinaus an, dass
aufgrund des Mehraufwands ein Weiterbetrieb nicht
nur für zwei oder drei Jahre, sondern für mindestens
drei bis fünf Jahre notwendig sei, um den Aufwand
wirtschaftlich zu rechtfertigen. Die Regierung unterstellt
dabei, dass „bis 2028 andere Möglichkeiten zur
Verfügung stehen, um eine ausreichende Stromversorgung
trotz einer Gasmangellage zu gewährleisten.“
Fazit von KernD:
Der Branchenverband KernD hält wie oben ausgeführt
die Argumente und Annahmen der Bundesregierung,
die der Einschätzung zugrunde liegen,
dass ein Weiterbetrieb von Kernkraftwerken in der
aktuellen Situation nicht empfehlenswert sei, für
nicht stichhaltig. Im Gegenteil können die Kernkraftwerke
in einer Gasmangellage oder gar einer
allgemeinen energiewirtschaftlichen Notlage in
Deutschland mit ihrer grundlastfähigen Stromerzeugung
einen entscheidenden Beitrag zur Energiesicherheit
leisten, ohne unverhältnismäßigen
Aufwand zu erzeugen. Die Anlagen, das Personal,
das Know-how, die Lieferketten – kurzum das technisch-wirtschaftliche
Gesamtsystem der
Kerntechnik – sind schließlich alle noch vorhanden,
anders als LNG-Terminals, zusätzliche Strom- und
Gasleitungen, viele zusätzliche erneuerbare Erzeugungsanlagen
oder Bezugsverträge über sehr große
Mengen Flüssiggas vom umkämpften Weltmarkt.
Nicht zuletzt würden die Kernkraftwerke auch im
Weiterbetrieb CO 2 -armen Strom bereitstellen, der
mit günstigen und stabilen Erzeugungskosten die
Entwicklung am Strommarkt stabilisieren würde.
Ein effektiver Beitrag der Kernenergie zur Vorbeugung
oder Verhinderung einer potentiell massiven
Energiekrise erfordert rasche politische Weichenstellungen,
denn wenn politische Zögerlichkeit und
eine offenbar aktuell von der Bundesregierung
nicht erwartete Zuspitzung im Energiebereich
zusammenfallen sollten, wird es für wirksame
Maßnahmen hinsichtlich der Kernkraftwerke
möglicherweise zu spät sein. Wie lange ein weiterer
Beitrag der Kernenergie sinnvoll ist, hängt von den
geopolitischen und energiewirtschaftlichen
Rahmenbedingungen ab. Die Möglichkeit eines
mittel- statt nur kurzfristigen Weiterbetriebs ist
aber gewiss kein Nachteil oder gar Hinderungsgrund,
da etwa die Europäische Kommission jüngst
angekündigt hat, mit ihrer Initiative REPowerEU
auf eine Unabhängigkeit von Russland bei fossilen
Energieträgern bis 2027 zu zielen.
15. März 2022
63
KERND BRANCHENINFORMATION
KernD Brancheninformation
atw Vol. 67 (2022) | Ausgabe 3 ı Mai
64
KERND BRANCHENINFORMATION
Offener Brief an den Bundeskanzler von KernD vom 21. März 2022 (veröffentlicht am 23. März, inhaltliche Darstellung)
Offener Brief an den Bundeskanzler der
Bundesrepublik Deutschland, Herrn Olaf Scholz
Sehr geehrter Herr Bundeskanzler,
mit diesem Schreiben möchten wir, der Branchenverband Kerntechnik Deutschland e.V. (KernD), an Sie
eindringlich appellieren, im Angesicht der potentiell gefährlichen Lage bei der Energieversorgung unseres
Landes die aktuelle Position der Regierung betreffend Kernenergienutzung zu überdenken und alle Schritte
sofort einzuleiten, um sich für eine Notsituation vorzubereiten.
Um in einer weiter eskalierenden Situation als Folge des Krieges um die Ukraine, die zu Lücken in der
Stromversorgung durchaus noch dieses Jahr, ungünstigstenfalls im kommenden Winter 2022/2023, führen
kann, gewappnet zu sein, müssen alle verfügbaren Energiequellen genutzt werden. Bei der Stromversorgung
sind dies auch zweifelsohne deutsche Kernkraftwerke, die mit ihrer Verfügbarkeit rund um die Uhr, zudem
dabei auch klimaschonend, nicht nur das Stromnetz im Notfall stabilisieren, sondern auch mit ihrer
Erzeugung einen nicht unerheblichen Teil des Grundlastbedarfs decken können. Kernkraftwerke können
mittels eines sogenannten Streckbetriebs sowie ggf. brennstoffsparender Fahrweise in diesem Sommer
dann mindestens bis nächstes Frühjahr problemlos weiterbetrieben werden. Falls gewünscht, können sie
durch Nachladung mit neuen Brennelementen auch durchaus noch weitere Jahre zur Sicherheit der
deutschen sowie europäischen Stromversorgung beitragen und dabei gleichzeitig die Abhängigkeit von
Einfuhren fossiler Energieträger reduzieren. Diese Maßnahme könnte sofort beschlossen und kurzfristig
umgesetzt werden. Anders als beispielsweise die derzeit angedachten neuen Flüssiggasterminals oder auch
Zubauten an Erneuerbaren Energien mit damit verbundenem Netzausbau.
Wir hatten als Industrie unser Hilfsangebot des Weiterbetriebs deutscher Kernkraftwerke bereits publik
gemacht. In einem Prüfvermerk mit dem Titel "Prüfung des Weiterbetriebs von Atomkraftwerken aufgrund
des Ukraine-Kriegs" hat die Bundesregierung kurz darauf der Öffentlichkeit einen Katalog von
Hinderungsgründen vorgelegt, der nach unserer Ansicht vielfach fachlich nichtzutreffend ist und vor allem
der derzeit kritischen Lage nicht gerecht wird. Wir haben daraufhin den Prüfvermerk eingehend
kommentiert und dies veröffentlicht.
Auch wenn wir alle hoffen, dass der Ukraine-Konflikt möglichst bald beigelegt werden kann, ist das aktuell
nicht mehr als ein Wunsch. Und auch das Streben nach einer Reduzierung des Gasverbrauchs und der
Gasimporte im Sinne des Klimaschutzes ist nicht kurzfristig zu realisieren. Solche Maßnahmen müssen
unbedingt von einer sicheren und verlässlichen Energieversorgung flankiert sein.
Sehr geehrter Herr Bundeskanzler, bitte sorgen Sie jetzt für die Grundsatzentscheidung für einen
Weiterbetrieb von Kernkraftwerken zur Energiesicherung, damit die erforderlichen Maßnahmen rechtzeitig
ergriffen werden können.
Mit vorzüglicher Hochachtung
Dr. Thomas Behringer
Geschäftsführer KernD e.V.
21. März 2022
KernD Brancheninformation
atw Vol. 67 (2022) | Ausgabe 3 ı Mai
Kurzanalyse von KernD vom 07. April 2022
Aktuelle Relevanz der Kernkraftwerke für die
Versorgungssicherheit
Ausgangslage
Gemäß den gesetzlichen Vorhaben werden in Deutschland Kernenergie und Kohlekraft abgeschafft, die Kernenergie
bis zum 31.12.2022, die Kohle auf einem absinkenden Pfad bis aktuell 2038 oder sogar schon bis 2030. Im
Gegenzug wurden aktuell noch Gaskraftwerke als „Übergangstechnologie“ zur Stützung des Netzes zugebaut, was
gemäß Koalitionsvertrag der Bundesregierung auch noch deutlich erweitert und beschleunigt werden soll. Angesichts
der derzeitigen Kriegssituation in der Ukraine und der potentiell kritischen, vielleicht sogar länger andauernden
Energieversorgungslage in Europa ist die Machbarkeit und Sinnhaftigkeit letzteren Zieles in Frage zu stellen,
zumal schon vor der jetzt aktuellen Situation das deutsche und europäische Stromnetz mehrere Male vor einem
Kollaps stand und nunmehr künftig Erdgas wohl nicht mehr so planungsgemäß bzw. wie bisher zur Verfügung stehen
wird. Der Politik und der Energieversorgungswirtschaft stellt sich nun die Frage, ob und in welchem Umfang
bestehende konventionelle Kraftwerke die Versorgung weiter stützen und absichern müssen. Dass hierbei deutsche
Kernkraftwerke eine durchaus entscheidende Rolle spielen können, sollen die folgenden Ausführungen aufzeigen.
Strombedarf
Ungeachtet der aktuellen potentiellen Krisensituation
bleibt der Strombedarf, der in der Regel
zwischen 40 und 80 Gigawatt (GW) liegt, bestehen,
bzw. steigt u.a. wegen der Elektromobilität und
zahlreicher Wärmepumpen in Neubauten auch
noch sukzessive an. Das gilt nicht nur für den jährlichen
Gesamtbedarf, sondern auch für den maximalen
Strombedarf in der Stunde des Jahres mit
dem höchsten Verbrauch, wie er in Analysen zur
Lastdeckung unterstellt wird. In der Systemanalyse
2021 der Übertragungsnetzbetreiber für
2021/2022 wurde diese Höchstlast mit 87,9 GW
angenommen (ohne Netzverluste auf Ebene der
Übertragungsnetze in Höhe von ca. 4 Prozent). In
der Grafik unten ist diese Höchstlast und die
Entwicklung der installierten Nettoerzeugungsleistung
konventioneller Kraftwerke gemäß Monitoringbericht
2021 der Bundesnetzagentur abgebildet.
Verfügbare Leistung
Die Stunde mit der Höchstlast fällt dabei aufgrund der
Erfahrungswerte der vergangenen Jahrzehnte auf eine
frühe Abendstunde in einem Wintermonat bei kalter
winterlicher Witterung, so dass die Erzeugung mittels
Fotovoltaik bei null anzusetzen ist. In einer Flautensituation
ist für die Windkraft maximal 5 Prozent der
65
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| Abb. 1
Entwicklung konventioneller Stromerzeugung 2021 - 2023 (in Gigawatt installierter Nettoleistung, jeweils zum 1. des Jahres)
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atw Vol. 67 (2022) | Ausgabe 3 ı Mai
66
KERND BRANCHENINFORMATION
installierten Leistung als verfügbar anzusetzen, also
rund 3,3 GW von dann rund 66 GW onshore und
offshore. In Flauten kann allerdings die tatsächliche
Leistung der Windkraftanlagen für signifikante Zeiträume
von mehreren Tagen auch deutlich unter den
Wert von 5 Prozent der installierten Leistung fallen.
Laufwasserkraftwerke (5,6 GW) und Stromerzeugung
mit Biomasse (7,8 GW) können grundsätzlich in
vergleichbarer Weise zur Bedarfsdeckung beitragen
wie konventionelle Kraftwerke, allerdings können ein
Teil der Wasserkraftwerke und aktuell die meisten
Biomassekraftwerke keine Systemdienstleistungen
zur Stabilisierung des Stromnetzes erbringen.
Wie bei allen technischen Anlagen ist auch bei Kraftwerken
und sonstigen Stromerzeugern eine nicht
geplante Nicht-Verfügbarkeit zu unterstellen, etwa
durch Defekte oder eine geplante Nicht-Verfügbarkeit
auch in den kritischen Wintermonaten, weil etwa
Wartungs- oder Reparaturmaßnahmen umfangreicher
Art erforderlich sind, die sich auch über den
Winter erstrecken. Um dem Rechnung zu tragen, wird
eine technische Nicht-Verfügbarkeit von 5 Prozent
über die konventionellen Erzeugungstechnologien
angenommen (vergl. VGB, UBA). Für Laufwasserkraftwerke
und die Stromerzeugung mit Biomasse werden
die Nicht-Verfügbarkeiten aus dem letzten Leistungsbilanzbericht
der Übertragungsnetzbetreiber von
2020 gemäß historischer Erfahrung angenommen,
also 72 Prozent bzw. 40 Prozent. In der untenstehenden
Abbildung sind diese Aspekte dargestellt.
Problem Gasmangellage
Wie erkennbar, ist bereits ohne Gasmangellage ab
Januar 2023 der maximale Strombedarf mit innerdeutscher
Erzeugung bei unveränderten
Bedingungen hinsichtlich Kernenergie- und Kohleausstieg
nicht mehr abgedeckt, es besteht ein
Defizit von 4,9 GW. Bei einer Gasmangellage, wie
sie infolge des Kriegs gegen die Ukraine und den
daraus resultierenden geopolitischen und energiewirtschaftlichen
Verwerfungen jederzeit denkbar
ist, wie durch die Ausrufung der ersten Stufe des
Notfallplans Gas durch die Bundesregierung aktuell
dokumentiert, ändert sich die Lage noch einmal
deutlich zum Schlechteren.
Die so genannten ungekoppelten Anlagen zur
ausschließlichen Stromerzeugung mit Gas und
einer installierten Leistung von (aktuell) 9,4 GW
(BDEW) sowie die gasbefeuerten Industriekraftwerke
mit einer installierten elektrischen Leistung
von 5,3 GW (BDEW) gehören, anders als die
privaten Verbraucher oder Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen
in der öffentlichen Wärmeversorgung,
nicht zu den so genannten geschützten
Verbrauchern im Rahmen des Notfallplans Gas. In
einer Gasmangellage ist somit zu unterstellen, dass
diese Anlagen nicht verfügbar sein werden.
Daraus ergibt sich eine rechnerische Unterdeckung
von 19,6 GW gegenüber dem Bedarf gemessen an
der diesjährigen, angenommenen maximalen Last.
Dies kann theoretisch durch Importe abgedeckt
werden, da die physikalische Gesamtleistung aller
Grenzkuppelverbindungen bei mehr als 23 GW
(BNetzA) liegt. Allerdings – und abgesehen von
möglichen Nicht-Verfügbarkeiten auch hier – wird von
einer Gasmangellage, die von einem Importstopp oder
Embargo des russischen Gasbezugs verursacht wird
nicht nur Deutschland, sondern ganz Europa betroffen
sein, etwa auch das für die Absicherung der
Stromversorgung Süddeutschlands besonders wichtige
| Abb. 2
Verfügbarkeit von Stromerzeugern 2023 (in Gigawatt verfügbarer Nettoleistung)
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| Abb. 3
Verfügbarkeit von Stromerzeugern 2023 - Gasmangellage (in Gigawatt verfügbarer Nettoleistung)
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Österreich (Gasstromerzeugung 16 Prozent, im Winter
20 bis 30 Prozent; Gasimportanteil Russland: 80
Prozent) oder Italien (Gasstromerzeugung 43 Prozent,
Stromimport: 12 Prozent; Gasimportanteil Russland:
40 Prozent) das dann ebenfalls auf erhöhte
Stromimporte angewiesen sein wird.
Auch ist in einer derartigen Stresssituation, die durch
das von der EU geplante Kaufverbot für russische
Steinkohle noch verschärft wird, nicht auszuschließen,
dass die Integrität des europäischen Stromverbundes
nicht aufrecht erhalten werden kann, und der Verbund
in mehrere getrennte Zonen zerfällt, die dann für
gewisse Zeit autark ihre Versorgung gewährleisten
müssten. Im Januar 2021 ist ein solches Szenario auch
ohne allgemeine Stresssituation aufgrund des Versagens
von Netzkomponenten in Südosteuropa bereits
eingetreten, wenn auch damals nur für kurze Zeit.
Fazit
Die installierte Leistung weiter betriebener Kernkraftwerke
kann in einer akuten Stresssituation für die
Stromversorgung den Unterschied zwischen der
Aufrechterhaltung und dem Kollaps des Stromnetzes
ausmachen, gerade wenn die besondere regionale
Verwundbarkeit in Süddeutschland mit in Betracht
gezogen wird. In solch einer Stresssituation, wenn Netzspannung
UND Frequenz in den engen vorgegebenen
Grenzen gehalten werden müssen, wird JEDER großtechnische
nichtvolatile Stromerzeuger (und dazu
gehört die Kernenergie) dringend benötigt, um das
Stromnetz zu stabilisieren. Kernkraftwerke können
hierbei durchaus das „Zünglein an der Waage“ sein. Es
ist zur Sicherung der Stromversorgung der deutschen
Bevölkerung im Krisenfall wie jetzt unverantwortbar,
diese am Netz befindlichen Kraftwerke einfach abzuschalten.
Zur derzeit gelegentlich aufgeworfenen Frage der
Sicherheit in Konfliktfällen ist bereits länger bekannt,
dass kerntechnische Anlagen zu den bestgesicherten
industriellen Anlagen überhaupt gehören und deswegen
einen guten Schutz etwa gegen terroristische Anschläge
bieten, der auch in einem hypothetischen Fall von
Kampfhandlungen im Umfeld eines Kernkraftwerks
wirksam wäre. Eine etwaige Abschaltung würde wegen
der an den Standorten ohnehin bestehenden oberirdischen
Zwischenlager keinen wesentlichen Zugewinn an
Sicherheit für den Fall eines völkerrechtswidrigen,
bewussten und gezielten militärischen Angriffs mit sich
bringen.
Last but not least trägt ein – auch nur kurz- oder mittelfristiger
– Weiterbetrieb von Kernkraftwerken in
Deutschland durch seine praktisch CO2-freie Stromerzeugung
auch zur Zielerreichung des Klimaschutzes
bei – und dies eben ohne neue Investitionen, Genehmigungs-
und Errichtungszeiten sowie Versorgungsrisiken
für neue Gaskraftwerke. Die durch einen begrenzten
Weiterbetrieb zusätzlich entstehenden radioaktiven
Reststoffe haben verglichen mit den bestehenden Inventaren
aus jahrzehntelanger Kernenergienutzung nur
einen geringen Umfang.
07. April 2022
KernD Brancheninformation
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KTG-FACHINFO
KTG-Fachinfo 11/2022 vom 08.04.2022
KernD-Kurzanalyse "Aktuelle
Relevanz der Kernkraftwerke für
die Versorgungssicherheit"
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Mitglieder der KTG.
der Branchenverband Kerntechnik Deutschland e.V.
(KernD) hat eine Kurzanalyse zur Relevanz des Beitrags
von Kernkraftwerken zur gesicherten Leistung im Fall
einer Gasmangellage erstellt und veröffentlicht. Die
Analyse finden Sie auf Seite 65.
Es wird aufgezeigt, wie stark die installierte Leistung
konventioneller Kraftwerke gemäß der Ausstiegsplanungen
aus Kernenergie und Kohle von 2021 bis 2023 absinkt,
wodurch bereits ohne Gasmangellage die Spitzenlast im
Stromnetz ab Januar 2023 nicht mehr im Inland gedeckt
werden kann. In einer Gasmangellage kann sich diese
Situation drastisch verschärfen und macht es erforderlich,
alle Möglichkeiten zu nutzen, gesicherte Leistung für die
Stromversorgung bereit zu stellen. Das gilt insbesondere
für die auch noch beinahe CO 2 -freie Kernenergie mit
ihren vorhandenen, sicher betriebenen Anlagen.
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Nicolas Wendler
wurde auch auf die zuvor erfolgte Kommentierung der Regierungsbewertung
durch den Branchenverband KernD
vom 15. März Bezug genommen.
Zeitnah zur Veröffentlichung haben die Frankfurter
Allgemeine Zeitung und Die Welt online zum Vorgang
berichtet, die FAZ in der Printausgabe vom 24. März dann
noch ausführlicher. Für einen Bericht der Bild-Zeitung vom
24.03.2022 äußerten sich auch u.a. der Bayerische
Ministerpräsident Dr. Markus Söder sowie die Vorsitzende
der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung von CDU
und CSU, Gitta Connemann, zugunsten eines
Weiterbetriebs von Kernkraftwerken in der durch den
Ukraine-Krieg verschärften Energiekrise.
Am 25. März äußerte sich ein Vertreter von KernD in einer
Live-Schalte im RTL/ntv Spezial: Krieg in der Ukraine.
Zudem berichteten Der Spiegel (Printausgabe 26.03.2022)
und dpa über das Thema. Am 27. März erschien in der
Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung ein Überblicksartikel
zum gesamten Sachverhalt seit den Äußerungen
von Bundeswirtschaftsminister Habeck am 27. Februar.
KernD adressierte ebenfalls an den Bayerischen Ministerpräsidenten
Söder einen nicht-öffentlichen Brief ganz
ähnlichen Inhalts unter Bezugnahme auf einige regionalspezifische
Aspekte der Sicherung der Energieversorgung
in Bayern.
KTG-Fachinfo 10/2022 vom 28.03.2022
Offener Brief von Kerntechnik
Deutschland an Bundeskanzler
Olaf Scholz und Reaktionen darauf
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Mitglieder der KTG.
der Branchenverband Kerntechnik Deutschland e.V.
(KernD) hat vergangene Woche mit Veröffentlichung am
23. März einen Offenen Brief an Bundeskanzler Olaf
Scholz zum Weiterbetrieb deutscher Kernkraftwerke zur
Sicherung der Energieversorgung adressiert. Den Offenen
Brief finden Sie auf Seite 64.
In dem Brief wird Scholz nach der abschlägigen Bewertung
eines möglichen Weiterbetriebs von Kernkraftwerken
durch das Bundeswirtschafts- und das Bundesumweltministerium
am 8. März gebeten, diese Position zu überdenken
und zur Abwendung einer möglichen Energiekrise alle verfügbaren
Energiequellen zu nutzen, sowie jetzt die Grundsatzentscheidung
für einen Weiterbetrieb von Kernkraftwerken
zu treffen, damit alle erforderlichen Maßnahmen
dafür rechtzeitig ergriffen werden können. In dem Brief
KTG-Fachinfo 09/2022 vom 15.03.2022
Ihre KTG-Geschäftsstelle
Nicolas Wendler
Kommentierung des Prüfvermerks
der Bundesregierung durch KernD
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Mitglieder der KTG.
der Branchenverband Kerntechnik Deutschland e.V.
(KernD) hat heute die „Fachliche Kommentierung des
Prüfvermerks der Bundesregierung ‚Prüfung des Weiterbetriebs
von Atomkraftwerken aufgrund des Ukraine-
Kriegs‘ durch den Verband Kerntechnik Deutschland e.V.
(KernD)“ veröffentlicht. Das Dokument finden Sie auf Seite
59.
Die langfristige französische Energiepolitik
Zuvor hatten das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz,
nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz
(BMUV) sowie das Bundesministerium für Wirtschaft und
Klima (BMWK) am 08.03.2022 die „Prüfung des
KTG-Fachinfo
atw Vol. 67 (2022) | Ausgabe 3 ı Mai
Weiterbetriebs von Atomkraftwerken aufgrund des
Ukraine-Kriegs“ veröffentlicht. (Siehe Seite 54).
Als erste Reaktion darauf hat KernD am 08.03.2022 die
Pressemitteilung „Weiterbetrieb von deutschen Kernkraftwerken:
Bundesregierung schlägt möglichen Beitrag der
Kernenergie zur aktuellen Energiesicherheit leider aus“
veröffentlicht. (Siehe Seite 58).
Der Prüfvermerk der beiden Ministerien kann auch als
Antwort der Bundesregierung auf die Stellungnahme von
KernD vom 04.03.2022 mit dem Titel „Aktueller Beitrag
der Kernenergie zur Energiesicherheit in Deutschland“
verstanden werden (siehe Seite 53). Diese Stellungnahme
wurde wie auch weitere Äußerungen aus verschiedenen
Unternehmen und Institutionen im Bereich der Kerntechnik
durch Äußerungen von Bundeswirtschaftsminister
Robert Habeck am 27.02.2022 in der ARD-Sendung
„Bericht aus Berlin“ veranlasst, in denen er eine Prüfung
der Möglichkeit des Weiterbetriebs von Kernkraftwerken
im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine und der
Sicherung der Energieversorgung ohne Denkverbote
ankündigte und die er nicht „ideologisch abwehren“
wolle.
KTG-Fachinfo 08/2022 vom 03.04.2022
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Russischer Artillerieangriff auf
Kernkraftwerk Saporischschja –
Anlage nun besetzt
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Mitglieder der KTG.
am frühen Freitagmorgen haben Einheiten der Russischen
Föderation einen Angriff auf den Kernkraftwerksstandort
Saporischschja unternommen. Dabei wurde der Standort
auch unter Artilleriefeuer genommen, wodurch ein Hilfsanlagengebäude
von Block 1 – dieser befindet sich in Revision
– beschädigt sowie ein außerhalb des eigentlichen
Kraftwerksgeländes befindliches Ausbildungszentrum in
Brand gesetzt wurde.
Nach Aussagen der ukrainischen Atomaufsichtsbehörde
State Nuclear Regulatory Inspectorate of Ukraine ist die
kerntechnische Sicherheit dadurch nicht in Frage gestellt
worden und die sicherheitsrelevanten Komponenten sind
in Betrieb. Es wurde keine erhöhte Radioaktivität festgestellt.
Dies wurde von der Internationalen Atomenergie-Organisation
(IAEA) und der US-amerikanischen
Energieministerin Jennifer Granholm bestätigt. Bei dem
Angriff wurden nach Aussage des IAEA-Generalsekretärs,
Rafael Mariano Grossi, zwei Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes
des Kernkraftwerks verletzt. Grossi beklagte in
einer Pressekonferenz, das mit dem Angriff das Prinzip, in
einem bewaffneten Konflikt die physische Integrität von
Kernkraftwerken aufrecht zu erhalten, verletzt wurde.
Grossi kündigte für die kommende Woche eine von ihm
persönlich angeführte Mission der IAEA nach Russland
und in die Ukraine an, um sicherzustellen, dass die Prinzipien
der Sicherheit von Kernkraftwerken in bewaffneten
Konflikten beachtet werden. Grossi erklärte, dass der
Beschuss des Kernkraftwerks von der russischen Seite
ausging.
Seit 06.20 Uhr Ortszeit ist das Feuer gelöscht, die Anlage
ist zwischenzeitlich von den russischen Truppen besetzt
worden. Zuvor waren diese in der Nacht durch von der
Bevölkerung errichtete Barrieren im Ort Enerhodar durchgebrochen,
die sich südostlich ans Kraftwerksgelände
anschließt. Die Anlagen werden weiter von ihren ukrainischen
Mitarbeitern geführt.
Die Anlage in Saporoschschja ist der größte Kernkraftwerksstandort
Europas mit sechs Blöcken vom Typ WWER
V-320 mit insgesamt 6.000 MW installierter Bruttoleistung.
Aktuell befindet sich Block 1 in Revision, die Blöcke 2 und
3 wurden abgefahren, Block 4 erzeugt 690 MW (Stand
07.15 Uhr Ortszeit), die Blöcke 5 und 6 befinden sich in
Reserve im Betrieb mit niedriger Leistung. Die auf dem
Anlagengelände befindlichen offenen Kühlbecken für
abgebrannte Brennelemente hatten angesichts des
Angriffs Anlass zu Besorgnis gegeben, sind aber nach
Aussagen von IAEA-Generalsekretär Grossi unbeschädigt
geblieben.
Es bleibt festzuhalten, dass den ukrainischen Kollegen
höchste Anerkennung dafür zukommt, unter kaum
vorstellbar schwierigen Bedingungen die kerntechnische
Sicherheit zu gewährleisten und die Stromversorgung
ihres Landes aufrecht zu erhalten.
KTG-Fachinfo 07/2022 vom 28.02.2022
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Update aktuelle Entwicklungen
in der Krisensituation „Ukraine“
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Mitglieder der KTG,
unten finden Sie einige Punkte als Aktualisierung zu den
aktuellen Entwicklungen in der deutschen Diskussion zur
69
KTG-FACHINFO
KTG-Fachinfo
atw Vol. 67 (2022) | Ausgabe 3 ı Mai
Krisensituation zwischen Russland und der Ukraine.
KTG-Fachinfo 06/2022 vom 28.02.2022
70
KTG-FACHINFO
a Energieversorger modifizieren Position zur Möglichkeit
eines längeren Betriebs der Kernkraftwerke:
a Ein Sprecher von E.ON äußerte gegenüber dem
Handelsblatt: „In dieser Ausnahmesituation sind wir als
Eon bereit, darüber zu sprechen, unter welchen technischen,
organisatorischen und regulatorischen Randbedingungen
eine verlängerte Nutzung des Kernkraftwerks
Isar 2 möglich wäre, sofern dies seitens der
Bundesregierung ausdrücklich gewünscht ist“
a Eine Sprecherin von EnBW teilte mit: „Sollte es in den
weiteren Entwicklungen als Folge des Kriegs in der
Ukraine erforderlich sein, Maßnahmen zu prüfen, die
für die Versorgungssicherheit unumgänglich sind und
von diesem Pfad abweichen, werden wir mit unserer
Erfahrung und unserem Know-how selbstverständlich
beratend zur Seite stehen und mithelfen, alle Möglichkeiten
technologieoffen auszuloten“
a Bundesumweltministerin Steffi Lemke äußerte gegenüber
Reuters: „Aus Sicherheitsgründen halte ich eine
Laufzeitverlängerung der letzten drei Atomkraftwerke
in Deutschland für nicht verantwortbar [...] Zweitens,
keine weiteren Risikofaktoren und damit keine Laufzeitverlängerung“.
a RWE erklärte, „ein Weiterbetrieb wäre – anders als
etwa bei Kohlekraftwerken – ohne weiteres nicht
machbar. Dafür gibt es extrem hohe Hürden, sowohl
technisch als auch genehmigungsrechtlich“, bekundete
aber Verständnis, dass die Bundesregierung alle Optionen
prüfe.
a Alle drei Unternehmen betonten, zum beschlossenen
Ausstieg Deutschlands aus der Nutzung der Kernenergie
zu stehen
a Zuvor hatte der nordrhein-westfälische Wirtschaftsund
Energieminister Andreas Pinkwart in einem
Diskussionspapier zur Energieversorgungssicherheit für
eine Beratung der Landesenergieminister gefordert,
dringend zu prüfen "ob und unter welchen Voraussetzungen
die Atomkraftwerke in Deutschland
befristet über das Jahr 2022 hinaus in Betrieb bleiben
können". Der energiepolitische Sprecher der FDP-
Bundestagsfraktion, Peter Kruse, forderte ergebnisoffen
zu prüfen, welchen Beitrag die Kernkraftkapazitäten
zur Versorgungssicherheit leisten könnten. Die
FDP Schleswig-Holstein forderte zu prüfen, ob das
Kernkraftwerk Brokdorf wieder in Betrieb genommen
werden könne.
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Nicolas Wendler
Aktuelle Entwicklungen in der
Krisensituation „Ukraine“ mit
Bezug zur kerntechnischen Branche
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Mitglieder der KTG,
unten finden Sie einige Punkte zur aktuellen Entwicklung
in der Krisensituation zwischen Russland und der Ukraine
mit Bezug zur kerntechnischen Branche.
a Das Bundeswirtschaftsministerium prüft eine längere
Nutzung von Kohle- und Atomkraftwerken; Minister
Habeck hält dies für ungeeignet, um eventuelle Lieferengpässe
zu überbrücken, kündigte aber eine Prüfung
ohne "Denktabus" an. Eine Vorprüfung zur
Verlängerung der letzten drei Kernkraftwerke habe
ergeben, dass dies kein Ausweg sei. Habeck erklärte am
Sonntagabend, dass er das nicht ideologisch abwehren
würde, meinte aber: "Für den Winter 2022/23 würde
uns die Atomkraft nicht helfen." Er verwies darauf, dass
die Vorbereitungen für die anstehenden Abschaltungen
so weit fortgeschritten seien, dass die AKWs "nur unter
höchsten Sicherheitsbedenken und möglicherweise mit
noch nicht gesicherten Brennstoffzulieferungen" weiter
betrieben werden könnten. "Und das wollen wir sicher
nicht."
a Zum Thema einer Verlängerung des Kernkraftwerkbetriebs
erklärte ein Sprecher von E.ON bereits am Freitag:
"Der Gesetzgeber hat vor Jahren entschieden, dass
Kernkraft in Deutschland keine Zukunft hat. Ein Weiterbetrieb
unseres Kernkraftwerks Isar 2 über den gesetzlichen
Endtermin 2022 hinaus ist für uns kein Thema.
Kurz vor Abschalten in Deutschland eine Debatte darüber
zu starten, ist befremdlich."
a Ähnlich äußerte sich RWE: "Das Thema Kernkraft ist in
Deutschland vom Tisch. Kurzfristig wäre es gar nicht
möglich, die Kernkraftwerke wieder hochzufahren".
EnBW erklärte: "Die Frage nach der Verlängerung der
Laufzeiten stellt sich für die EnBW nicht. Der Ausstieg
aus der Kernenergie ist 2011 im politischen und
gesellschaftlichen Konsens beschlossen worden und
gesetzlich klar geregelt".
a Zuvor forderten der sächsische Ministerpräsident
Michael Kretschmer, die CSU-Bundestagsabgeordneten
Peter Ramsauer und Max Straubinger, der Vorsitzende
des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft,
Markus Jerger, der frühere EU-Energiekommissar,
Günther Oettinger sowie der frühere CSU-Vorsitzende
Erwin Huber eine längere Laufzeit der Kernkraftwerke
oder deren Prüfung (Kretschmer).
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KTG-Fachinfo
atw Vol. 67 (2022) | Ausgabe 3 ı Mai
Wechsel beim Chefredakteur,
kontinuierliche Entwicklung bei
der atw
71
NEWS
In eigener Sache seien für unsere Leserschaft noch einige
Worte des Herausgebers zum Wechsel an der Stelle des
Chefredakteurs zum Jahresbeginn und mit effektiver
Wirkung ab der Ausgabe 02/2022 nachgetragen. In erster
Linie sind hier Worte des Dankes an den langjährigen,
engagierten Chefredakteur und Vollblut-Kerntechniker
Christopher Weßelmann zu richten. Er hat über mehr als
20 Jahre, von August 2000 bis Dezember 2021, als
Chefredakteur den Charakter der Zeitschrift maßgeblich
und erfolgreich geprägt und diese mit seinem breiten,
internationalen Netzwerk, seinen umfangreichen
Fachkenntnissen, jahrelanger Branchenerfahrung und
seinen persönlichen Kompetenzen bereichert. In diese
Zeit fielen mit zwei Ausstiegen aus der Kernenergie, einer
Teilrevision des Ausstiegs und dem Unfall von Fukushima
erhebliche Veränderungen, die von außen in die Branche
und damit auch in die Zeitschrift hineingewirkt haben, die
sich dabei gleichzeitig kontinuierlich modernisiert und
wechselnden Erfordernissen angepasst hat. Dies etwa im
Hinblick auf den Vierfarbendruck oder die Umstellung zu
einer primär international ausgerichteten, ausschließlich
englischsprachigen Fachzeitschrift. Für die langjährige
gute Zusammenarbeit und für manch andere
Unterstützung in der gemeinsamen Arbeit für die
Kernenergie möchten wir ihm herzlich danken. Persönlich,
in seiner pointierten Art, kommentiert er das aktuelle
Weltgeschehen zu den Fragen der Energieversorgung mit
dem Satz: „Kernenergie – nie war sie so wertvoll wie
heute!“
Impressum
Offizielle Mitgliederzeitschrift der Kerntechnischen Gesellschaft e. V. (KTG)
Verlag
INFORUM Verlags- und Verwaltungsgesellschaft mbH
Berliner Straße 88A, 13467 Berlin
www.nucmag.com
@atw_Journal
@atw-international-journal-for-nuclear-power
General Manager
Dr. Thomas Behringer
Chefredakteur
Nicolas Wendler
+49 172 2379184
nicolas.wendler@nucmag.com
Anzeigen und Abonnements
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Layout
angstroem Design Bureau
Mannheim
Druckerei
inpuncto:asmuth
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Redakteurin
Nicole Koch
+49 163 7772797
nicole.koch@nucmag.com
Anfang des Jahres wurde der Stab an den neuen
Chefredakteur, Nicolas Wendler, übergeben, um unter den
sich stetig verändernden Rahmenbedingungen die
Zeitschrift weiter zu führen und als einen wesentlichen
Baustein des kerntechnischen Kompetenznetzwerks in
Deutschland auch für die Zeit nach dem Ende der
Kernenergienutzung zu erhalten. Er ist ein Quereinsteiger,
der aus einer Tätigkeit im politischen Raum im Jahr 2010
zur Kerntechnik gekommen ist, diese zu seiner Sache
gemacht und ihr auch in schwierigen Zeiten treu geblieben
ist. Seit vielen Jahren informell, seit der Ausgabe Juli 2020
auch als offizielles Mitglied der Redaktion hat er bei der
atw bereits mitgewirkt. Mit dem aktuellen Redaktionsteam
verbleibt die atw in guten Händen und wird weiter ein
publizistisches Schaufenster der Kerntechnik bleiben.
Dr. Thomas Behringer
Preisliste
Gültig seit 1. Januar 2021
Erscheinungsweise 6 x im Jahr (alle 2 Monate)
DE:
Pro Ausgabe (inkl. USt, exkl. Versand) 32.50 €
Jahresabonnement (inkl. USt, exkl. Versand) 183.50 €
Alle EU-Mitgliedsstaaten ohne USt-IdNr.:
Pro Ausgabe (inkl. USt, exkl. Versand) 32.50 €
Jahresabonnement (inkl. USt, exkl. Versand) 183.50 €
EU-Mitgliedsstaaten mit USt-IdNr.
und alle weiteren Länder:
Pro Ausgabe (ohne USt, exkl. Versand) 30,37 €
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The journal and all papers and photos contained in it are protected by copyright.
Any use made thereof outside the Copyright Act without the consent of the
publisher, INFORUM Verlags- und Verwaltungsgesell schaft mbH, is prohibited.
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the contents of the respective paper. Please address letters and manuscripts only
to the Editorial Staff and not to individual persons of the association's staff. We do
not assume any responsibility for unrequested contributions.
Signed articles do not necessarily represent the views of the editorial.
ISSN 1431-5254
News
atw Vol. 67 (2022) | Ausgabe 3 ı Mai
VOR 66 EDITORIAL JAHREN 72
Vor 66 Jahren
atw Vol. 67 (2022) | Ausgabe 3 ı Mai
VOR 66 EDITORIAL JAHREN 73
Vor 66 Jahren
atw Vol. 67 (2022) | Ausgabe 3 ı Mai
VOR 66 EDITORIAL JAHREN 74
Vor 66 Jahren
atw Vol. 67 (2022) | Ausgabe 3 ı Mai
VOR 66 EDITORIAL JAHREN 75
Vor 66 Jahren
atw Vol. 67 (2022) | Ausgabe 3 ı Mai
KTG INSIDE 76
Terminvormerkung
Inside
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Mitglieder der Kerntechnischen Gesellschaft,
auch dieses Jahr wieder werden wir zur Mitgliederversammlung der KTG einladen. Die eigentliche,
verbindliche Einladung zur Mitgliederversammlung gemäß Vereinsrecht versenden wir noch an
alle Mitglieder gesondert; darin enthalten sein werden dann die Tagesordnung sowie alle
weiteren notwendigen Unterlagen.
Nach den Höhepunkten der Coronapandemie in den beiden letzten Jahren können wir uns dieses
mal erfreulicherweise wieder in alter Form treffen, d. h. zu einer echten Präsenzveranstaltung.
Zudem findet seit dem Jahr 2019 nun auch endlich wieder unsere gemeinsame, d. h. zusammen
mit KernD e.V. durchgeführte Fachtagung "KERNTECHNIK 2022" statt, wie bereits schon in der atw
angekündigt.
Traditionell wird die Jahreshauptversammlung einen Tag vor der Tagung abgehalten, wobei wir
Sie bitten, sich schon jetzt den Termin dafür vorzumerken:
KTG-Mitgliederversammlung 2022 am 20. Juni 2022
von 17:00 Uhr bis 18:30 Uhr
im Tagungshotel HYPERION in Leipzig.
Das Hotel befindet sich in den Promenaden des Hauptbahnhofs Leipzig;
Adresse: Sachsenseite 7, 04109 Leipzig; Telefon: 0341 550020
Der Eintritt zur KTG-Mitgliederversammlung ist selbstverständlich frei, die Teilnahme an der die
beiden darauffolgenden Tage stattfindenden Tagung ist jedoch wie immer kostenpflichtig.
Mit freundlichen Grüßen
Ihre KTG-Geschäftsstelle
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www.ktg.org
JETZT MITGLIED WERDEN
Wenn Ihnen die sachliche Auseinandersetzung mit der Kernenergie
ebenso wie uns am Herzen liegt, wenn Sie Teil des kerntechnischen
Netzwerkes in Deutschland werden möchten oder wenn Ihnen einfach
Ihr persönliches Engagement für Ihre Überzeugungen wichtig ist, sollten
Sie nicht länger zögern!
Werden Sie Mitglied der KTG und steigen Sie aktiv in unser Netzwerk ein!
https://www.ktg.org/ktg/faszination-kerntechnik/mitglied-werden/
KTG Inside
atw Vol. 67 (2022) | Ausgabe 3 ı Mai
Inside
Die KTG gratuliert an dieser Stelle unseren besonderen Jubilaren ab und in ihren „ Neunzigern“.
Wir danken für die lange und treue Mitgliedschaft in der KTG und wünschen noch viele glückliche Lebensjahre.
Juli 2022
KTG INSIDE 77
90 Jahre | 1932 27. Dr. Rainer Schwarzwälder, Glattbach
90 Jahre | 1932 31. Dr. Theodor Dippel, Eggenstein-Leopoldshafen
Herzlichen Glückwunsch!
Die KTG gratuliert ihren Mitgliedern sehr herzlich zum Geburtstag und wünscht ihnen weiterhin alles Gute!
Juni 2022
55 Jahre | 1967
4. Dr. Thomas Kohler, Olten
55 Jahre | 1967
6. Dr. Dietmar Senghaas, Heilbronn
55 Jahre | 1967
19. Dipl.-Ing. Nils Förtsch, Rheinzabern
60 Jahre | 1962
18. Frank Diercks, Hannover
70 Jahre | 1952
14. Dr. Peter Fritz, Weingarten
74 Jahre | 1948
20. Dr. Klaus Schippers, Mönchengladbach
77 Jahre | 1945
17. Prof. Dr. Rolf Ulrich Hauptmanns,
Schönebeck (Elbe)
78 Jahre | 1944
8. Jürgen Fabian, Büsingen am Hochrhein
78 Jahre | 1944
24. Hans-Jürgen Schlesinger, Essen
80 Jahre | 1942
10. Ing. Wolfgang Feltes,
Bergisch Gladbach
81 Jahre | 1941
15. Dr. Frank Depisch, Erlangen
82 Jahre | 1940
13. Dr. Heinz Hoffmann, Einhausen
82 Jahre | 1940
4. Dipl.-Phys. Hans-Peter Dyck, Forchheim
83 Jahre | 1939
2. Dr. Friedrich Bennewitz, Erlangen
83 Jahre | 1939
6. Dr. Peter Drehmann, Kornwestheim
83 Jahre | 1939
7. Dr. Peter Antony-Spies, Liederbach
83 Jahre | 1939
10. Dipl.-Ing. Reinhard Seepolt, Hamburg
83 Jahre | 1939
14. Dr. Gustav Meyer-Kretschmer, Jülich
83 Jahre | 1939
23. Dr. Rolf Krieg, Karlsruhe
84 Jahre | 1938
25. Dipl.-Ing. Horst Roepenack,
Bruchköbel
85 Jahre | 1937
10. Dipl.-Phys. Reinhard Wolf,
Grosskrotzenburg
86 Jahre | 1936
12. Dipl.-Ing. Heinz Malmström, Ahaus
86 Jahre | 1936
24. Dipl.-Ing. Christian-Theodor Körner,
Breitenbronn
86 Jahre | 1936
30. Kai-Michael Pülschen, Erlangen
87 Jahre | 1935
8. Ing. Karl Rudolph, Wettingen
87 Jahre | 1935
8. Dr. Ing. Heinrich Löffler, Wennigsen
87 Jahre | 1935
17.Dipl.-Ing. Peter Gottlob,
Stutensee-Friedrichstal
88 Jahre | 1934
15. Dr. Robert Hock, Dietzenbach
89 Jahre | 1933
12. Prof. Dr. Carsten Salander, Bad Sachsa
Juli 2022
60 Jahre | 1962
8. Dr. rer. nat. Klaus Eberhardt, Mainz
72 Jahre | 1950
1. Prof. Dr. Helmut Keutner,
Oberkrämer OT Schwante
72 Jahre | 1950
4. Dr. Gerhard Eiselt, Groß-Umstadt
72 Jahre | 1950
19. Dipl.-Ing. Gerhard Hanetzog, Peine
73 Jahre | 1949
26. Kurt Wagner, Recklinghausen
74 Jahre | 1948
19. Dr. Wolfgang Boeßert, Pirna
75 Jahre | 1947
12. Dr. Karl-Wilhelm Zerreßen,
Saarlouis-Picard
76 Jahre | 1946
2. Dr. Walter Stach, Nürnberg
76 Jahre | 1946
3. Dr. Arthur Max, Gelnhausen-Hailer
76 Jahre | 1946
10. Dr. Hans-Joachim Ritzhaupt-Kleissl,
Walldor
77 Jahre | 1945
13. Prof. Dr. Eckhard Rückl, Bodenwerder
77 Jahre | 1945
15. Walter Burchhardt, Karlsruhe
78 Jahre | 1944
17. Dipl.-Ing. Jürgen Krellmann,
Le Puy Ste. Réparade / FR
78 Jahre | 1944
20. Günter Langer, Rosbach
Wenn Sie künftig eine
Erwähnung Ihres
Geburtstages in der atw
wünschen, teilen Sie dies
bitte der KTG-
Geschäftsstelle mit.
KTG Inside
Lektorat:
Kerntechnische
Gesellschaft e. V. (KTG)
Berliner Straße 88A,
13467 Berlin
E-Mail: info@ktg.org
www.ktg.org
KTG Inside
atw Vol. 67 (2022) | Ausgabe 3 ı Mai
Shaping Tomorrow’s Energy
KTG INSIDE 78
79 Jahre | 1943
10. Dipl.-Ing. Dieter Eder, Alzenau
Protection
82 Jahre | 1940
86 Jahre |
at
1936
the
31. Dr. Peter Schneider-Kühnle, Worms 1. Dipl.-Ing. Hans-Jürgen Börner,
Weisenheim
83 Jahre | 1939
Speed Light
10. Dr. Bernhard Steinmetz,
88 Jahre | 1934
Bergisch Gladbach
14.Prof. Dr. Walter-H. Köhler, Wien
83 Jahre | 1939
23. Heinz Stahlschmidt, Erlangen
84 Jahre | 1938
30. Dr. Philipp Dünner, Odenthal
85 Jahre | 1937
6. Dipl.-Ing. Paul Börner, Steinau-Uerzell
That’s 83 Jahre how | 1939 fast the technology in the Peri-D-Fence protection system
26. Dipl.-Ing. Ewald Passig, Bochum
can secure the perimeter at your nuclear power plant.
Peri-D-Fence delivers the new standard of speed, safety and security
to the nuclear industry, with patent-protected technology that detects
penetration and passage at your site.
This is combined with high-detection security and low rates of undesirable
alarm indications Nachruf under all possible weather conditions during the year.
Die Kerntechnische Gesellschaft nimmt Abschied von ihrem langjährigen Mitglied
Peri-D-Fence is qualified for use at nuclear facilities in Germany
and Dipl.-Ing. demonstrates Joachim its strength May in restricted space conditions. Nach der Wiedervereinigung
der beiden deutschen Staaten
Learn 24. Juli more 1932 in Chemnitz about Peri-D-Fence at
war er im Rahmen seiner
20. November 2021 Burgwedel
dienstlichen Aufgaben auch an
www.westinghousenuclear.com/operating-plants
der Unterstützung der
ostdeutschen technischen
Joachim May verbrachte die ersten zehn Lebensjahre in
Überwachungseinrichtungen
Chemnitz. Die Familie zog danach nach Ostwestfalen und
beteiligt.
später nach Hannover. Er legte 1954 am humanistischen
Friedrichsgymnasium in Herford die Abiturprüfung ab.
Anschließend studierte er an der Technischen Hochschule
Hannover – heute „Leibniz Universität“ – Maschinenbau
mit dem Schwerpunkt Verfahrenstechnik.
Nach der Diplomprüfung 1961 trat er in die Dürr-Werke
AG in Ratingen ein. Sein Aufgabengebiet umfasste die
Konstruktion von Dampfkesseln und Müllverbrennungsanlagen.
Joachim May wechselte 1967 zum Technischen
Überwachungsverein Hannover – heute TÜV Nord – wo zu
diesem Zeitpunkt eine Abteilung für Kerntechnik und
Strahlenschutz aufgebaut wurde. Er nahm die Gelegenheit
wahr, sich in dieses neue und interessante Arbeitsgebiet
einzuarbeiten. In den folgenden Jahren war er an der
Bauüberwachung und den anschließenden regelmäßigen
Kontrollen der Kernkraftwerke Würgassen, Grohnde,
Lingen und Emsland beteiligt. Mit den Jahren wuchs die
Zahl der Mitarbeiter stetig, die Strukturen der Abteilung
wurden spezialisierter und Joachim May übernahm die
Leitung eines Teilbereichs. Mit der Zeit wuchsen aber auch
Erfahrung und Kompetenz sodass Beratungsaufgaben in
Ausschüssen und Seminare im Ausland hinzukamen.
Ihm lag aber auch die „innere“ Wiedervereinigung nach
1990 sehr am Herzen, sodass er 25 Jahre lang für eine
größere Gruppe von Studienfreunden und ihre Familien
einmal im Jahr einen Tagesausflug in Städte und
Landschaften der neuen Bundesländer organisierte,
„damit sich kennenlernen und zusammenwachsen kann,
was zusammengehört“.
Auch im Ruhestand blieb Joachim May weiterhin an
seinem ehemaligen Arbeitsgebiet und an der technischen
Entwicklung interessiert.
Wir vermissen unseren Ehemann, Vater und Großvater
sehr und danken der KTG für die Möglichkeit dieses
Nachrufs.
Im Namen der Familie
Erika May
KTG Inside
Nuclear Economics Consulting Group (NECG)
Is a network of independent global nuclear industry practitioners
Delivers client results with analytical rigor and real-world experience
Provides unmatched nuclear industry expertise and leadership experience
Collaborates with consulting and law firms to provide nuclear expertise
Nuclear Industry
National nuclear programs, electricity industry reform, market analyses,
peer reviews of industry studies, and nuclear fuel cycle issues
Nuclear Business/Transactions
Nuclear projects, valuation, business models, strategies,
procurement, and due diligence
Special Projects
Expert testimony in litigation and arbitration cases,
financial viability/bankability, PPAs, and other project contracts
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USA – Edward Kee
edk@nuclear-economics.com
Germany – Ruediger Koenig
rwk@nuclear-economics.com
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