Frankreich erleben - Vorschau Heft Nr.83
Heft 83 - Sommer 2022
Heft 83 - Sommer 2022
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
DAS UNABHÄNGIGE FRANKREICH-MAGAZIN Nr. 83 · Sommer 2022
BELFORT · CENTRE-VAL DE LOIRE · DRÔME · NORMANDIE · OKZITANIEN · PARIS
Mont Saint-Michel
Die Geheimnisse des « Gefängnisbergs »
Drôme
Die Schönheit der Dörfer
Rambouillet
Der Krieg der Schafe
Okzitanien
Céret, das « Mekka
des Kubismus »
Territoire de
Belfort
Die Stärke der Kleinen
Paris Streit um die « Schönheit » der Stadt
Rezept Tarte aux myrtilles
Tradition Das « Trou normand »
www.frankreicherleben.de
Deutschland 6,90 €
Österreich 7,60 €
Schweiz 11,90 CHF
Frankreich & Benelux 8,10 €
Italien 8,10 €
Agence VERTU
© Bal du Moulin Rouge 2022 - Moulin Rouge® - 1-1028499
LA REVUE DU PLUS CÉLÈBRE CABARET DU MONDE ! - DIE SHOW DES BERÜHMTESTEN VARIETÉ THEATERS DER WELT !
DÎNER ET REVUE À 19H À PARTIR DE 205E - REVUE À 21H ET 23H À PARTIR DE 77E - DINNER AND SHOW UM 19 UHR AB 205E - SHOW UM 21 UHR UND 23 UHR AB 77E
MONTMARTRE 82, BLD DE CLICHY 75018 PARIS - TEL : 33(0)1 53 09 82 82 - WWW.MOULIN-ROUGE.COM
EDITORIAL
Liebe Leserin, lieber Leser,
wenn man es sich innerhalb der Redaktion
zum Ziel gesetzt hat, « Sie, unsere
Leser, in Erstaunen zu versetzen! », dann
ist es nicht einfach, einen umfassenden Artikel über den
Mont Saint-Michel, einen der bekanntesten und meistbesuchten
Orte Frankreichs, zu verfassen! Über ihn scheint
schon alles gesagt und geschrieben worden zu sein.
Und doch haben wir nicht nur für das
Titelbild eine ganz ungewöhnliche Perspektive
– vom Dach der Basilika – gefunden,
sondern der Beitrag handelt zudem, wie Sie
feststellen werden, von einem ungewöhnlichen
und kaum beachteten Abschnitt der
Vergangenheit des Mont Saint-
Michel: von seiner Zeit als Gefängnis.
Selbst diejenigen, die glauben, den
Klosterberg zu kennen, werden ihn
unter diesem Aspekt neu entdecken!
Und nun noch ein paar Worte
an Sie, liebe Abonnentinnen
und Abonnenten. Es geht um
ein Thema, das uns am Herzen
liegt: den Schutz der Umwelt. Sie
haben sicherlich festgestellt, dass
die letzte Ausgabe (Nr. 82) zum ersten
Mal ohne die übliche Plastikhülle
in Ihrem Briefkasten steckte. Immer
mehr Verlage nutzen inzwischen diesen
neuen Service der Deutschen Post für
den Versand innerhalb Deutschlands.
Dies trägt dazu bei, eine große Menge an Plastikmüll zu
vermeiden, denn es ist allgemein bekannt, dass dieses Material
sehr umweltschädlich ist. Obwohl uns der Nutzen
dieser Umstellung für unseren Planeten sofort überzeugte,
muss ich ehrlicherweise zugeben, dass dennoch
eine gewisse Skepsis blieb. Wir wollten sicher sein, dass
die Magazine in einwandfreiem Zustand bei den
Empfängern ankommen. Die Deutsche Post hat
dies garantiert, wir haben darauf vertraut. Dass
es die richtige Entscheidung war, bestätigen
die Zahlen, die wir Ihnen nicht vorenthalten
möchten: Lediglich bei 0,2 % der im
Abonnement gelieferten Magazine gab
es eine Reklamation. Diese Quote ist
kaum höher, als es mit der Plastikverpackung
der Fall war. Insofern haben
wir entschieden, diese Versandart beizubehalten.
Sollte Ihr Exemplar aus unglücklichen
Umständen einmal nicht in einwandfreiem
Zustand bei Ihnen ankommen, kontaktieren Sie
einfach unseren Aboservice. Wir senden Ihnen
dann gerne ein neues Exemplar. Dieses wirtschaftliche
« Risiko » nehmen wir angesichts
der ökologischen Herausforderungen auf uns.
Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen dieser
Ausgabe von Frankreich erleben und einen sonnigen,
heiteren Sommer voller schöner Entdeckungen!
Titelbild: Blick vom Dach der Basilika auf die
Bucht des Mont Saint-Michel (Manche).
Jean-Charles Albert
Chefredakteur
jc.albert@frankreicherleben.de
Frankreich erleben · Sommer 2022 · 3
INHALT
Belfort · 68
Mont Saint-Michel · 24
Rambouillet · 46
Montrichard · 82
Paris · 78
Drôme · 36
Rezept · 92
Céret · 56
4 · Frankreich erleben · Sommer 2022
Lille
Rennes
Nantes
Bordeaux
Rouen
24 · Mont Saint-Michel 78 · Paris
46 · Rambouillet
Tours
82 · Montrichard
Montpellier
Toulouse
Marseille
56 · Céret
Straßburg
68 · Belfort
22 · Dijon
Lyon
36 · Drôme
Unterwegs in Frankreich
24 Mont Saint-Michel
Die Geheimnisse des « Gefängnisbergs »
Der Mont Saint-Michel, das « Wunder des Westens », hat nichts von
seiner magischen Anziehungskraft auf Touristen und Pilger verloren.
Die Kehrseite des Erfolges: Die Besichtigung gleicht oftmals
einem « touristischen Pflichtprogramm ». Dabei ist es durchaus
möglich, sich für eine ganz andere Seite des Klosterbergs zu
interessieren: für die Zeit, in der der Mont ein Gefängnis war.
36 Drôme
Die Schönheit der Dörfer
Zwischen Vercors und Provence laden Flüsse und Wälder, Berge
und Lavendelfelder dazu ein, dem Alltag zu entfliehen! Unser
Vorschlag für eine 341 Kilometer lange Strecke, auf der Sie sechs
sehenswerte Dörfer in einer vielfältigen Landschaft entdecken.
46 Bergerie nationale de Rambouillet
Der Krieg der Schafe
Südwestlich von Paris liegt in einer abgelegenen Ecke des Parks
von Schloss Rambouillet eine ganz besondere Schäferei, die
erstaunlicherweise selbst bei Franzosen relativ unbekannt
ist, obwohl sie unter anderem einen regelrechten Schatz
besitzt: eine Herde mit Merinoschafen und -widdern, die sich
dadurch auszeichnen, dass sie niemals gekreuzt wurden.
56 Okzitanien
Céret, das « Mekka des Kubismus »
Braque, Chagall, Dalí, Dufy, Gris, Soutine und Picasso sind
nur einige Namen berühmter Künstler, die in Céret lebten
oder sich zumindest zeitweilig dort aufhielten. Der Ort besitzt
ein Museum, das mit einer der reichhaltigsten Sammlungen
Frankreichs nicht nur diese weltweit renommierten Meister
ihres Fachs würdigt, sondern sich auch dafür engagiert,
zeitgenössische Künstler bekannt zu machen. Ein Besuch.
Frankreich heute
66 Tourismus
Hotels: die Reform des französischen Sterne-Systems
Am 1. April 2022 trat im französischen Hotelwesen ein neues
Verfahren für die Vergabe der Sterne in Kraft. Eine Übersicht über
diese bedeutende Neuerung, die man als Tourist kennen sollte.
68 Territoire de Belfort
Die Stärke der Kleinen
Das Territoire de Belfort wird in diesem Jahr 100 Jahre alt. Trotz
der überschaubaren Größe – 609 km 2 – wollte man dort immer
hoch hinaus und agierte entschlossen, ganz nach dem Vorbild
der Symbolfigur, dem berühmten Löwen von Belfort. Ein Beispiel,
das zeigt, wie stark manchmal gerade die Kleinsten sein können.
78 Städteplanung
Streit um die « Schönheit » von Paris
Ist Paris die « schönste Stadt der Welt » oder ist Paris
« verwüstet »? Darüber wird in der Hauptstadt diskutiert,
zuweilen sogar sehr heftig. Worum geht es dabei? Wir haben
versucht, vor Ort etwas Klarheit in das Thema zu bringen ...
Art de vivre
82 Weintourismus
Wenn Loire-Schlösser Weinkeller illuminieren
In den Kellern von Maison Monmousseau in Montrichard werden
seit 1886 Schaumweine nach der Méthode traditionnelle
hergestellt. Die beeindruckenden Stollen sind die Kulisse für
ein ganz unerwartetes Erlebnis. Lesen Sie mehr über eine
schöne Art, die Region und ihre Weine zu entdecken!
92 Chantals Rezept
Tarte aux Myrtilles
94 Produkt
Louit Frères: der besondere Senf im kleinen Fass
Denkt man an Senf, fallen einem unweigerlich Burgund und die
« Hauptstadt des Senfs », Dijon, ein. Dabei gibt es noch einen
anderen Senf, den man kennen sollte und dessen Ursprung
überraschenderweise nicht in Dijon, sondern in Bordeaux liegt.
3 Editorial
6 On en parle
12 On lit
14 On lit en France
16 On regarde
18 On surfe
20 Am Tag als …
22 On écoute
77 Leserbriefe
88 Nach bestellungen
96 Guéwen a testé
98 Impressum
98 Vorschau
Frankreich erleben im Internet: www.frankreicherleben.de
Frankreich erleben · Sommer 2022 · 5
UNTERWEGS IN FRANKREICH Normandie / Manche
Mont Sain
Die Geheimnisse des
24 · Frankreich erleben · Sommer 2022
t-Michel
« Gefängnisbergs »
Nähert man sich der Baie du Mont Saint-Michel lässt der Anblick der
pyramidenförmigen Silhouette der Insel mit ihrer Abtei auch heute
noch, mehr als 1300 Jahre nach der Gründung des Klosters im Jahr
708, niemanden gleichgültig. Das Betreten des felsigen Eilands ist
nach wie vor ein besonderes Erlebnis. Kein Zweifel, das « Wunder des
Westens » hat nichts von seiner magischen Anziehungskraft auf Touristen
und Pilger verloren. Die Kehrseite des Erfolges ist jedoch, dass
die Besichtigung eines solchen Anziehungspunktes oftmals einem
« touristischen Pflichtprogramm » gleicht, das keine Gelegenheit für
wirkliche Entdeckungen bietet. Dabei ist es durchaus möglich, sich für
eine ganz andere, vielfach unbekannte Seite des Mont Saint-Michel zu
interessieren: die Zeit, in der der Mont ein Gefängnis war, als das ehemalige
Benediktinerkloster in eine der bedeutendsten Haftanstalten
Frankreichs verwandelt worden war. Ein Thema, um ausgetretene
Touristenpfade zu verlassen und diesen besonderen Ort unter einem
ganz neuen und packenden Blickwinkel zu entdecken!
Frankreich erleben · Sommer 2022 · 25
UNTERWEGS IN FRANKREICH Normandie / Manche
26 · Frankreich erleben · Sommer 2022
Diskutiert man mit François Saint-James während
des Spaziergangs durch die Gassen der
Gemeinde Mont Saint-Michel, muss man darauf
gefasst sein, immer wieder unterbrochen zu werden.
Von allen Seiten ertönt ein « Hallo, wie gehts? » oder ein
« Tag François, alles klar? », sodass man den Eindruck
hat, sich in Begleitung einer lokalen Berühmtheit zu
befinden. Was im Grunde genommen nicht falsch ist.
Die meisten der noch verbliebenen rund 20 Einwohner
und derjenigen, die hier arbeiten, kennen ihn gut, denn
der Mann gehört sozusagen zum « Inventar ». Seit 1989
ist der « altgediente » Gästeführer der Abtei hier tätig,
lange Zeit wohnte er zudem hier, und schon immer
hegte er eine ausgeprägte Leidenschaft für den Felsen
und seine Geschichte. Beide kennt er wie seine Westentasche.
Wie die meisten seiner Kollegen trennt er sich
niemals von dem beeindruckenden Schlüsselbund mit
riesigen Schlüsseln, die ihm Zugang zu allen Räumen
der Abtei und den Respekt der Besucher verschaffen.
Wir haben einen Termin mit François Saint-James vereinbart,
weil er der Initiator einer der spannendsten und
ungewöhnlichsten Besichtigungen des Mont Saint-Michel
ist, die sich einer eher unbekannten Epoche widmet,
nämlich der Zeit, in der hier ein Gefängnis war:
Zunächst gingen die Mönche einer « Nebentätigkeit »
als Kerkermeister nach; in der Folge wurde aus der Abtei
ein bedeutendes Gefängnis, in dem knapp 600 Häftlinge
eingesperrt waren. Grund genug also, den Mont
einmal aus einer ganz anderen, ungewöhnlichen Perspektive
zu betrachten!
Frankreich erleben · Sommer 2022 · 27
UNTERWEGS IN FRANKREICH Auvergne-Rhône-Alpes / Drôme
Drôme
Die Schönheit der Dörfer
36 · Frankreich erleben · Sommer 2022
km 0
Mirmande
601 Einwohner / Höhe: 195 m
Das Departement Drôme liegt an der Route nationale 7 – also an der berühmten
« Ferienstraße » – und kann sich stolz damit rühmen, dass auf seinem
Gebiet sechs Orte mit dem Qualitätslabel Les plus beaux Villages de
France liegen. Bereist man sie, entdeckt man nicht nur die Schönheit dieser
bemerkenswerten Dörfer, sondern wird sich darüber hinaus der erstaunlichen
geografischen Vielfalt der Gegend bewusst: Zwischen Vercors und
Provence laden Flüsse und Wälder, Berge und Lavendelfelder dazu ein, dem
Alltag zu entfliehen! Wir haben für Sie einen Streckenvorschlag ausgearbeitet,
der in einem Ort zwischen Valence und Montélimar beginnt und endet:
Mirmande ist gleichzeitig eines dieser « schönsten Dörfer », die fünf anderen
besuchen Sie im Verlauf der 341 Kilometer langen Strecke in Ihrem eigenen
Rhythmus. Idealerweise sollten Sie sich mindestens zwei bis drei Tage Zeit
dafür nehmen.
Der Anblick des hoch auf dem Hügel gelegenen
Dorfes Mirmande ist faszinierend. Das Auge wird
sofort von der ganz oben gelegenen – heute entweihten
– Kirche Sainte-Foy angezogen, die mittlerweile als Ausstellungsort
dient. Vor allem aber ist man darüber erstaunt, welche Harmonie der Ort ausstrahlt.
Die alten Dorfhäuser, deren Steine im Sonnenlicht goldgelb leuchten, liegen so
dicht beieinander, dass sie wie miteinander verschmolzen scheinen. Diese Bauweise ist jedoch
ein exzellentes Mittel, um sich vor dem Mistral, dem eisigen Nordwind, zu schützen.
Im Inneren ist das Dorf ein wahres Labyrinth blumengeschmückter Gässchen und Treppen.
Überall verstecken sich kleine Gärten, von einigen Stellen hat man einen herrlichen Ausblick
auf das Rhonetal und die Berge des Vivarais. Im Frühjahr verzaubert die Umgebung
den Besucher mit Tausenden blühender Obstbäume. Nachdem Ende des 19. Jahrhunderts
die meisten Seidenraupenzüchter der Gegend den Betrieb einstellten, sind es heute neben
den vielen Künstlern und Galerien, die das ganze Jahr über eine wichtige Rolle für das kulturelle
Leben spielen, vor allem Obstproduzenten (Kirschen,
Pfirsiche, Aprikosen, Kiwi …), die für die wirtschaftliche
Grundlage des Dorfes sorgen.
Office de Tourisme du Val de Drôme
Place du Champ de Mars
26270 Mirmande
www.valleedeladrome-tourisme.com
Frankreich erleben · Sommer 2022 · 37
UNTERWEGS IN FRANKREICH Île-de-France / Yvelines
46 · Frankreich erleben · Sommer 2022
Bergerie nationale
de Rambouillet
Der Krieg der Schafe
Rund 50 Kilometer südwestlich von Paris liegt in
einer abgelegenen Ecke des Parks von Schloss
Rambouillet eine ganz besondere Schäferei, die
man besichtigen kann. Die ehemals « königliche
Schäferei » – aus der in der Folge eine kaiserliche
und schließlich eine nationale wurde – befindet
sich in wunderschönen Gebäuden aus dem 18.
Jahrhundert. Erstaunlicherweise ist sie selbst bei
Franzosen relativ unbekannt, obwohl sie unter
anderem einen regelrechten Schatz besitzt: eine
Herde mit Merinoschafen und -widdern, die sich
dadurch auszeichnen, dass sie niemals gekreuzt
wurden. Genetisch entsprechen diese Tiere exakt
denen, die der spanische König 1786 Frankreich
schenkte und die der Ursprung für diese Schäferei
waren. Die Schafe wurden gegen alle Wechselfälle
der Geschichte des Landes sorgsam beschützt
und stellen heute einen einzigartigen und
sorgsam umhegten Tierbestand dar, der seinesgleichen
auf dem Globus sucht. Die unglaubliche
Geschichte dieser Schafe und der nationalen
Schäferei ist wahrlich einen Besuch wert …
Frankreich erleben · Sommer 2022 · 47
UNTERWEGS IN FRANKREICH Okzitanien / Pyrénées-Orientales
Céret
56 · Frankreich erleben · Sommer 2022
Ein Künstlerdorf
zwischen
Bergen und Meer
Frankreich erleben · Sommer 2022 · 57
FRANKREICH HEUTE Tourismus
Hotels: die Reform
des französischen
Sterne-Systems
Am 1. April 2022 trat im französischen
Hotelwesen ein neues
Verfahren für die Vergabe der
Sterne in Kraft. Dies ist eine bedeutende
Neuerung im Bereich des Tourismus
in Frankreich, denn das bestehende
Klassifizierungssystem, das in den 1930er-
Jahren eingeführt wurde, ist zwar nicht obligatorisch,
wurde jedoch von den Hotelbesitzern
weitestgehend übernommen: 87 % der
rund 17 000 Hotels schmücken sich mit einem bis
maximal fünf Sternen. Was hat sich mit der « neuen
Klassifizierung 2022 » genau geändert? Übersicht über
eine Reform, die man als Tourist kennen sollte.
Die bislang bestehenden Hotelkategorien in Frankreich
gehen auf ein Gesetz vom 7. Juni 1937 zurück,
in dem 30 Kriterien definiert wurden, die der
Vergabe von bis zu vier Sternen zugrunde lagen. In der
Folge dauerte es lange, genauer gesagt bis 2009, bis es eine
weitreichende Reform gab: Für die immer mehr verbreiteten
Luxushotels, die sogenannten Palace, wurde mit fünf
Sternen eine neue Kategorie eingeführt. Vor allem aber
wurde damit berechtigterweise das – für Hotelbesitzer
« bequeme » – Prinzip der lebenslangen Einstufung abgeschafft.
Seitdem gilt der Grundsatz, dass die Sternekategorie
vom Hotel alle fünf Jahre neu beantragt werden muss,
was mit der Kontrolle durch eine zugelassene Einrichtung
einhergeht. Die bestehende Praxis ist im Übrigen nicht
länderübergreifend einheitlich. Jedes Land kann die Kriterien
für die Auszeichnung frei vergeben, sodass zum Beispiel
der Standard für zwei Sterne in Frankreich nicht
zwangsläufig dem eines anderen europäischen oder außereuropäischen
Landes entspricht. Seit 13 Jahren hat sich die
Vorgehensweise für die Klassifizierung französischer Hotels
allerdings nicht weiterentwickelt, zumal das System
relativ gut funktioniert. Auch wenn man durch das Aufkommen
von Reservierungsplattformen im Internet, wie
Booking.com oder Hotels.com, zunächst Befürchtungen
hegte, da dort die Beherbergungsbetriebe aufgrund der von
den Kunden vergebenen Noten bewertet werden, sind die
Sterne für Hotels nach wie vor ein wichtiges Auswahlkriterium,
auf das sich Gäste generell verlassen. Was allerdings
die Erwartungen der Hotelgäste angeht, so haben sich diese
seit 2009 zwangsläufig verändert, sodass eine Anpassung
des Verfahrens vonnöten wurde. Dies ist in Frankreich per
1. April 2022 erfolgt, ohne dass man nun gleich von einer
« Revolution » oder gar von einem « Großreinemachen » bei
den Sternen sprechen könnte. Man kann jedoch sagen,
dass diese Reform, ähnlich wie im Jahr 2009, das französische
Hotelgewerbe einen Schritt nach vorne bringt. Im
Übrigen gilt sie nicht nur für Hotels, sondern auch für andere
kommerzielle Beherbergungsbetriebe (Campingplätze,
Freizeitparks, Ferienwohnungen, Feriendörfer usw.).
Das Grundprinzip der Einstufung hat sich durch die
66 · Frankreich erleben · Sommer 2022
Reform nicht geändert: Generell besteht nach wie vor
keine Pflicht, die Einstufung zu beantragen, die Entscheidung
liegt beim Betreiber selbst. Wenn sich dieser jedoch
mit einem oder mehreren Sternen schmücken möchte,
muss er dafür bestimmte Formalitäten abwickeln, indem
er ein offizielles Formular ausfüllt. Dieses Formular
umfasst heute eine lange Liste mit 243 Kriterien, wobei
es für jedes erfüllte Kriterium Punkte gibt. Je höher die
Gesamtpunktzahl ist, desto mehr Sterne kann der Betrieb
erhalten. Die Erfüllung einiger Kriterien ist Pflicht. Dies
kann für alle der fünf Kategorien (ein bis fünf Sterne) gelten,
was beispielsweise bei Anforderungen wie « saubere
Kleidung des Empfangspersonals » oder « Zimmer sauber
und in gutem Zustand (Wände, Boden, Decke) » relativ
naheliegend ist. Andere Kriterien sind dagegen von der
jeweiligen Kategorie abhängig. So muss beispielsweise die
Mindestfläche eines Doppelzimmers (inkl. Bad/Toilette)
in einem 1-Sterne-Hotel 10,5 m², in einem 2-Sterne-
Hotel 10,75 m², bei drei Sternen 13,5 m², bei vier Sternen
16 m² und bei fünf Sternen 24 m² betragen. Ein weiteres
Beispiel für ein « maßgeschneidertes » Kriterium ist das
Vorhandensein eines « funktionsfähigen » Tresors, der erst
ab einem Standard von vier Sternen vorhanden sein muss.
Dagegen müssen selbst in einem Hotel mit nur einem
Stern ausnahmslos alle Zimmer mit einem Spiegel ausgestattet
sein.
Was die neuen Anforderungen der Reform 2022 allerdings
auszeichnet, ist der deutlich gestiegene Stellenwert
der Nachhaltigkeit in der Bewertung. Für diesen Punkt
gibt es nun insgesamt 27 Kriterien, von denen 12 zwingend
erfüllt sein müssen, während es bisher nur drei waren,
die alle erfüllt sein mussten. Insofern muss jeder Anwärter
für einen oder mehrere Sterne unter anderem « mindestens
eine Maßnahme zur Reduzierung des Wasserverbrauchs »,
« das Vorhandensein eines Mülltrennungssystems für die
Gäste », « den Einsatz mindestens eines umweltverträglichen
Reinigungsmittels » sowie « die Ausbildung des Personals
im Hinblick auf Maßnahmen für einen sparsamen
Umgang mit Energie und Wasser sowie
im Abfallmanagement » nachweisen.
Obwohl diese Kriterien heutzutage
eigentlich auf der Hand liegen, zeigen
sie dennoch, dass man die Branche mit
sanftem Druck zur Erfüllung auffordern
muss.
Gleichzeitig passt sich die Reform
auch neuen Gewohnheiten aufseiten
der Gäste an. So wird zum Beispiel
bereits ab dem ersten Stern
eine Website verlangt,
« die den Betrieb, das
Angebot und die Preise
vorstellt », ebenso wie
« der Internetzugang
über ein drahtloses
Netz (WLAN) » und
zwar nicht nur in den öffentlichen Bereichen, sondern
auch in allen Zimmern, wobei das Angebot nicht zwangsläufig
kostenlos sein muss. Dies erfüllt mit Sicherheit die
Bedürfnisse großer Teile der Kunden, die solche Punkte
heutzutage als wesentlich einstufen.
Über einige der 243 Kriterien dieser langen Liste muss
man sich jedoch eher wundern. Obwohl inzwischen quasi
jeder ein Smartphone oder Tablet besitzt, ist « eine zusätzliche
freie Steckdose in der Nähe des Bettes » immer
noch nicht verpflichtend, dabei ist es naheliegend, dass
der Gast ein solches Gerät in Bettnähe aufladen möchte,
um es gleichzeitig nutzen zu können. Ebenso ist bedauerlich,
dass in den ersten vier Sterne-Kategorien für « die
Betten in allen Zimmern nur ein Mindestmaß » von 0,80
x 1,90 m (Einzelbett) beziehungsweise 1,40 x 1,90 m
(Doppelzimmer) gefordert ist. Das « berühmte » schmale
Doppelbett à la française mit einer Breite von nur 1,40 m
ist also nach wie vor kein Auslaufmodell. Nur für Häuser
mit fünf Sternen sind Doppelbetten vorgeschrieben, die
mindestens eine Größe von 1,60 x 2,00 m haben. Ebenso
mag es heute überraschen, dass zwar in allen Kategorien
systematisch eine « zusätzliche Decke » angeboten werden
muss, aber eben nur eine « Decke ». Nirgendwo ist in
dieser Klassifizierung von einer « Steppdecke » die Rede,
obwohl diese in Frankreich seit einigen Jahren immer
verbreiteter ist. Dieser Punkt wird viele Touristen nicht
zufriedenstellen, zumal, wenn sie aus dem Norden Europas
kommen. Gut zu wissen ist auch, dass der Gast erst ab
dem dritten Stern einen Bademantel im Zimmer erwarten
kann. Gleiches gilt für die Möglichkeit, das Frühstück im
Zimmer einzunehmen. Will man Zahnbürste und Zahncreme
im Badezimmer vorfinden, muss man allerdings in
einem 5-Sterne-Hotel absteigen, was zugegebenermaßen
den Preis für solche « kostenlosen » Hygieneartikel sehr in
die Höhe treibt … Beachten sollte man zudem, dass die
neuen Kriterien erst nach Ablauf der Fünfjahresfrist der
aktuellen Klassifizierung eines Hotels zur Anwendung
kommen. Ein Haus, das seine Sterne 2021 zuerkannt
bekam, ist demnach erst 2026 von den
Änderungen betroffen. Als Fazit lässt
sich festhalten, dass es sich hierbei um
eine eher halbherzige Reform handelt,
die zwar einige Veränderungen berücksichtigt,
jedoch keine bahnbrechende
Neuerung darstellt. Regierung und
Fachkreisen zufolge zielt die Reform
auf alle Fälle darauf ab, Frankreich
den Platz als « die Nummer eins
der weltweiten Reiseziele » zu
sichern. Die Zukunft wird
zeigen, ob sie ambitioniert
genug ist, dafür zu
sorgen, dass die Sterne
der französischen Hotels
nach wie vor hell
strahlen werden …
Frankreich erleben · Sommer 2022 · 67
FRANKREICH HEUTE Hundertjahrfeier
68 · Frankreich erleben · Sommer 2022
Territoire de Belfort
DIE STÄRKE DER KLEINEN
Das Territoire de Belfort in der Region Bourgogne-Franche-Comté ist die Nummer 90
der 101 französischen Departements. In diesem Jahr wird es 100 Jahre alt. Ein bedeutender
Geburtstag also, den man im Verlauf des gesamten Jahres würdig begeht.
Wir haben die Gelegenheit genutzt, um uns mit dem Präsidenten des Departements,
Florian Bouquet, über dieses liebenswerte Departement mit ausgeprägtem
Charakter zu unterhalten. Trotz der überschaubaren
Größe – 609 km 2 , eines der kleinsten des
Landes – wollte man dort immer hoch hinaus
und agierte entschlossen, ganz nach dem Vorbild
der Symbolfigur, dem berühmten Löwen
von Belfort. Ein schönes Beispiel dafür, wie stark
manchmal gerade die Kleinsten sein können.
Frankreich erleben · Sommer 2022 · 69
FRANKREICH HEUTE Städteplanung
Ist Paris die « schönste Stadt der Welt » oder ist
Paris « verwüstet »? Die Frage mag provozierend
erscheinen. Und doch wird in der Hauptstadt
darüber diskutiert, zuweilen sogar sehr heftig.
Einwohner und Politiker werfen der amtierenden
Bürgermeisterin, Anne Hidalgo, teilweise vor, die
« Verwüstung » der Stadt auf dem Gewissen zu
haben, während die Betroffene selbst der Meinung
ist, alles daranzusetzen, um sie schöner zu
machen. Worum geht es dabei? Wir haben versucht,
vor Ort etwas Klarheit in das Thema zu
bringen …
Achtung, es ist ein heikles Thema! Sogar sehr heikel!
Wenn Sie mit Parisern zusammen sind und eine
heftige Debatte lostreten möchten, in deren Verlauf
ihre Gesprächspartner sprichwörtlich explodieren,
dann gibt es ein besseres Thema als die jüngsten Präsidentschaftswahlen:
Bringen Sie die Arbeit der seit 2014 eingesetzten
Stadtverwaltung und die mutmaßlichen – oder tatsächlichen
– Folgen für das Aussehen der Hauptstadt zur
Sprache. Dann können Sie sicher sein, eine erbitterte Diskussion
zu erleben. Eine Diskussion, wie Franzosen sie
gerne führen. Innerhalb nur weniger Minuten werden Sie
feststellen, dass von beiden Seiten die Argumente nur so
hageln: Für die einen – diejenigen, welche die sogenannte
« Verwüstung » der Hauptstadt anprangern – geht es sehr
wahrscheinlich um die « ausgesprochene Hässlichkeit », das
« Königreich der Nachlässigkeit », den « in der Politik vorherrschenden
schlechten Geschmack », um « Absurdität »
und « Inkompetenz ». Für die anderen – diejenigen, die diesen
Aussagen widersprechen – geht es dagegen um ein
« Experimentieren », eine « notwendige Entwicklung », die
« Anpassung an eine neue Welt », um « Modernisierung »,
« Wagemut » und « die Antwort auf die klimatischen Herausforderungen
». Der Dialog droht kompliziert zu werden!
Wappnen Sie sich vor allem mit Geduld, mit viel Geduld,
wenn Sie es darauf abgesehen haben, dass Ihre Gesprächspartner
am Ende zu einem Konsens kommen.
Denn wenn es um die Schönheit von Paris geht, sind die
78 · Frankreich erleben · Sommer 2022
Debatten hitzig und die Meinungen festgefahren … Wie
konnte es überhaupt so weit kommen? Bevor wir dieser
Frage nachgehen, ist es vielleicht sinnvoll, durch die Straßen
der Hauptstadt zu streifen, um sich eine eigene Meinung
zu bilden. Diejenigen, die Anne Hidalgo und ihre
Politik anprangern, verbreiten seit etwas mehr als einem
Jahr via Twitter unter dem Hashtag #SaccageParis Fotos,
welche die Verunstaltung der Stadt dokumentieren sollen.
Denn sie sind der Ansicht, dass die Straßen heute besonders
« schmutzig », wenn nicht gar « eine Gefahr für die
Gesundheit » seien, « übersät mit Müll, der niemals eingesammelt
wird » und « bedeckt mit Hundekot ». Vor allem
aber – und das mache den Zustand nicht besser – würden
sie « durch neue Stadtmöbel entstellt » und seien « eine einzige
Baustelle ». Muss man sich vor diesem Hintergrund
für eine Ortsbegehung womöglich mit Stiefeln, Handschuhen
und einer Maske ausrüsten?
Sauber oder schmutzig?
Man kommt um die Feststellung nicht umhin, dass
der Zustand der Straßen zwar weit vom Idealzustand
entfernt ist, aber lange nicht so beklagenswert und katastrophal
ist, wie manche behaupten. Auf unserem immerhin
17 Kilometer langen Tagesmarsch durch Paris – von
Norden nach Süden und von Westen nach Osten – sehen
wir tatsächlich Papier auf der Erde liegen, nicht geleerte
und manchmal aufgeschlitzte Mülleimer, Zigarettenkippen
wohin das Auge reicht und in der Tat auch die wenig
appetitlichen « Hinterlassenschaften » von Hunden. Objektiv
gesehen ist dies jedoch nicht « schockierender » als
das, was wir von Paris oder von vielen anderen Städten
in Frankreich und auf der ganzen Welt leider seit vielen
Jahren gewöhnt sind. Es stimmt, dass sich die Stadt nicht
gerade als « tadellos sauber » rühmen kann, doch sie deswegen
gleich generell als « schmutzig » zu verunglimpfen,
scheint uns nicht richtig. Jeder Tourist, der bereits über
den Globus gereist ist, wird das bestätigen. Denn wo auf
der Welt findet man in dieser Hinsicht schon den Idealzustand?
Abgesehen vielleicht von Tokio, wo es den
Menschen nicht im Traum einfallen würde, ein Stück
Papier auf den Boden fallen zu lassen. Öffentliche Abfalleimer
sind dort sogar so gut wie verschwunden, da
man sie schlichtweg nicht mehr benötigt! Es ist jedoch
kein Geheimnis, dass der Bürgersinn der Pariser in Bezug
auf Sauberkeit von dem der Tokioter weit entfernt
ist.
Gewiss, dieses oder jenes Foto, das solche Missstände
in Großaufnahme zeigt und sofort auf Twitter oder Facebook
veröffentlicht wird, kann zu Recht beunruhigen.
Solche Bilder legen den Finger in die Wunde, indem sie
auf ein Problem, auf das nicht funktionierende Reinigungssystem
hinweisen. Sollen solche Fotos aber deswegen
mithilfe der sozialen Netzwerke als politische Waffe
Frankreich erleben · Sommer 2022 · 79
ART DE VIVRE Weintourismus / Centre-Val de Loire / Loir-et-Cher
Monmousseau
Wenn Loire-Schlösser
Weinkeller illuminieren
Im Herzen des Loire-Tals, nur wenige Minuten von Schloss Chenonceau
entfernt, liegt eine regelrechte lokale Institution: die Keller von Maison
Monmousseau in Montrichard (Loir-et-Cher). Seit 1886 werden dort stille
Weine, vor allem aber die Spezialität des Hauses, Schaumweine nach der
Méthode traditionnelle, hergestellt. Die Weinkeller befinden sich in beeindruckenden
Stollen, die in den für die Gegend typischen Kalkstein – den sogenannten
Tuffstein – gehauen sind. Seit einigen Jahren ist dies für Besucher
die Kulisse für ein ganz unerwartetes Erlebnis: Die langen Gänge werden
durch eine einfache, aber wirkungsvolle Technik illuminiert, und die gelungene
Inszenierung ist gleichzeitig eine Hommage an die Schlösser der
Loire, die zum Teil mit dem an diesem Ort abgebauten Stein errichtet wurden.
Eine schöne Art, die Region und ihre Weine zu entdecken!
82 · Frankreich erleben · Sommer 2022
Frankreich erleben · Sommer 2022 · 83
ART DE VIVRE Rezept
Wanderer wissen nur zu gut, dass die Heidelbeer-Tarte in einigen
Bergregionen Frankreichs ein beliebtes Dessert ist. Ich persönlich
mag die einfachste Version am liebsten, so, wie man sie normalerweise
in den Vogesen bekommt. Dort wird sie auch Tarte aux
brimbelles genannt, nach dem Namen, den man dem « schwarzen
Gold » der Region, den wilden Heidelbeeren, gegeben hat. In
den Vogesen werden Heidelbeeren in der Regel von Mitte Juni
bis Mitte Juli geerntet, allerdings ist das Sammeln mittlerweile so
beliebt, dass es inzwischen oftmals reglementiert ist. Doch das
ist kein Problem, denn heutzutage erhält man im Handel frische
Kulturheidelbeeren, mit denen man diese Tarte ebenso gut zubereiten
kann. Ein Genuss für Groß und Klein! Bon appétit!
Tarte aux
myrtilles
Für 6 Personen • Zubereitung: ca. 15 Minuten • Backzeit: ca. 45 Minuten
92 · Frankreich erleben · Sommer 2022
Zutaten:
Mürbeteig:
300 g Mehl
150 g in Würfel geschnittene Butter
½ TL Salz
3-4 EL Zucker
Etwas Wasser
Belag:
700 g frische Heidelbeeren
150 g Löffelbiskuits
120 g Zucker
Zubereitung:
• Für den Mürbeteig Mehl, Salz und
Zucker in einer Schüssel mischen,
Butter durch leichtes Kneten
mit den Fingerspitzen schnell
einarbeiten. Etwas Wasser (nicht
zu viel!) zugeben und zu einem
homogenen Teig verarbeiten.
• Teig auswellen und eine gebutterte
Tarteform damit auslegen. Teig
mit einer Gabel einstechen und
die Form für zehn Minuten in
den Tiefkühlschrank stellen.
• Währenddessen Löffelbiskuits
grob zerbröseln. Sie nehmen den
beim Backen entstehenden Saft
der Heidelbeeren auf, sodass
der Teig schön knusprig wird.
Heidelbeeren mit dem Zucker in
einer Schüssel mischen. Sobald
der Teig aus dem Tiefkühlschrank
kommt, zuerst die Brösel, dann die
gezuckerten Beeren gleichmäßig
auf dem Teigboden verteilen.
• Im auf 180-200 Grad vorgeheizten
Ofen 45 Minuten backen.
• Auf einem Gitter auskühlen lassen.
Frankreich erleben · Sommer 2022 · 93
GUÉWEN A TESTÉ
… Was ist ein « Trou normand »?
Das Trou normand, wörtlich übersetzt das « normannische
Loch », ist eine Institution in Frankreich! Es handelt sich dabei
um eine sehr alte kulinarische Praxis, die man vor allem im
Rahmen eines festlichen – und umfangreichen – Mahls, zum
Beispiel bei einer Hochzeit, findet. Während eines solchen
mehrgängigen Essens trinkt man in diesem Fall zwischen zwei
Gängen ein kleines Gläschen eines normannischen Obstbrandes:
einen Calvados.
Wozu dient das?
Ich gestehe, dass ich mir diese Frage selbst gestellt habe, als man mir das erste Mal
ein Trou normand anbot. Im Gegensatz zu mir schien die Sache für alle anderen
Gäste am Tisch klar zu sein. Meine Tischnachbarn erklärten mir dann, dass es für
die Verdauung nichts Besseres gäbe: Calvados ist immerhin eine Spirituose mit
einem Alkoholgehalt von 40 bis 45 % vol. Ihrer Meinung nach würde der enthaltene
Alkohol die Verdauung fördern. Ich gestehe, dass ich diese Erklärung
im ersten Moment als Ausrede einstufte, um den zusätzlichen Alkoholgenuss
zu rechtfertigen. Eine Vermutung, die sich bei Überprüfung im Übrigen
bestätigte: Mediziner sind der einhelligen Meinung, dass die Annahme,
Alkohol würde bei der Verdauung helfen, wahrlich eine Legende ist. Im
Gegenteil: Alkohol stört die Verdauung
sogar eher. Insofern hat das Trou normand
im Grunde genommen lediglich « einen
Nutzen » in Bezug auf die Geselligkeit …
Woher kommt diese Tradition?
Sie breitete sich im 17. und 18. Jahrhundert
aus, in einer Zeit, in der man anlässlich großer
Mahlzeiten gewöhnlich die Tradition der
sogenannten trois coups respektierte. Damit
sind drei Gläser gemeint, die man im Rahmen
einer reichhaltigen Mahlzeit konsumierte:
Das « Glas zuvor » (le coup d‘avant), das
heute Aperitif genannt wird; das « Glas danach
» (le coup après), heutzutage der Digestif;
und das « Glas in der Mitte » (le coup du milieu),
also dieses « normannische Loch », um
das es hier geht. Da festliche Mahlzeiten in
Frankreich aus vielen Gängen bestehen und
meist sehr lange dauern (drei bis vier Stunden
sind keine Seltenheit), sollten diese drei
96 · Frankreich erleben · Sommer 2022
Lassen Sie sich von
uns überraschen!
Sparen Sie
10 %!
Gläser eines starken alkoholischen Getränks das Essen
« verdaulicher » machen. Die Tradition gab es im Übrigen
nicht nur in der Normandie, sondern in ganz Frankreich.
Was trinkt man als « richtiges » Trou normand?
Ich habe festgestellt, dass man in der Regel beim « Glas
in der Mitte » eine regionaltypische Spirituose trinkt,
das kann beispielsweise ein Cognac, ein Armagnac
oder ein Obstbrand sein, je nachdem, wo man sich
gerade befindet. Insofern ist es amüsant, wenn einem
Hunderte Kilometer von der Normandie entfernt, ein
Trou normand angeboten wird. Dennoch ist festzuhalten,
dass das echte Trou normand, das man beispielsweise
in einem Restaurant erhält, normalerweise aus einem
alkoholischen Getränk aus der Normandie besteht.
Gibt es diese Tradition nach wie vor?
Während der Aperitif und – im geringeren Maße – der
Digestif nach wie vor zu einem französischen Essen
gehören, ist dies beim Coup du milieu immer weniger der
Fall. Heute bietet man das Getränk noch in manchen
Restaurants – vorwiegend in sternengekrönten – in einer
etwas « leichteren » Ausführung an.
Dieses Trou normand der « neuen
Art » besteht oft aus einem Apfelsorbet,
das mit Calvados begossen
ist. Nach wie vor soll es die
Verdauung erleichtern und
den Appetit für die folgenden
Gänge anregen. Die Ehre der
Normandie ist somit gerettet!
Liebe Leserinnen und Leser,
in Situationen wie der jüngeren Vergangenheit
tun Aktivitäten wie Lesen und eventuell sogar
die Vorbereitung des nächsten Frankreichurlaubs
mehr denn je gut.
Abonnieren Sie jetzt für nur
24,90 €
pro Jahr für 4 Ausgaben (Deutschland)
Immer alle Ausgaben dabei: Laden Sie unsere
neue App « Frankreich erleben » bei Google Play
oder im App Store herunter und lesen Sie auch
vergriffene Ausgaben!
Jetzt bestellen: 030 / 42 80 40 40
www.frankreicherleben.de