Beschaffung aktuell 06.2022
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Ausgabe 06 | 2022<br />
www.beschaffung-<strong>aktuell</strong>.de<br />
Einkauf<br />
Materialwirtschaft<br />
Logistik<br />
Interview<br />
Spend Management<br />
Fenster zur<br />
Strategischen <strong>Beschaffung</strong><br />
» Seite 20<br />
Recht im Einkauf<br />
Digitalisiertes Vertrauen<br />
per Blockchain<br />
» Seite 32<br />
Fertigungsplattform<br />
Anwender, Betreiber und<br />
Produzent im Gespräch<br />
» Seite 40<br />
Isabel Hochgesand,<br />
CPO, Beiersdorf AG<br />
» Seite 14<br />
ZULIEFERUNG<br />
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» Seite 34<br />
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2 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 06 | 2022
» EDITORIAL<br />
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Risiken vorbeugen<br />
Materialknappheit und Lieferengpässe bestimmen noch immer das<br />
tägliche Geschäft in vielen Industriezweigen und natürlich in den<br />
Einkaufs abteilungen. Der furchtbare Angriffskrieg Russlands auf die<br />
Ukraine wütet weiter und so sehr der Westen auch überlegt, ein Embargo<br />
für russisches Erdgas zu verhängen, so sehr würde es auch die Wirtschaft<br />
und somit auch die Bevölkerung treffen. Eine kürzlich (9. Mai 2022) veröffentlichte<br />
Studie von Prof. Dr. Tom Krebs von der Universität Mannheim<br />
kommt zu dem Ergebnis, dass ein abrupter Versorgungsstopp mit russischem<br />
Erdgas – sei es durch ein Embargo von EU- oder russischer Seite –<br />
die Produktion in Deutschland in den ersten 12 Monaten um 114 bis 286<br />
Milliarden Euro einbrechen lassen würde. Eine gigantische Summe, die<br />
einem Verlust von rund 3 bis 8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP)<br />
entspräche. Zusätzlich zu diesen angebotsseitigen Effekten wäre mit<br />
einem nachfragebedingten Rückgang des BIP aufgrund höherer Energiepreise<br />
zu rechnen: Wenn etwa Verbraucherinnen und Verbraucher weniger<br />
Geld für andere Güter ausgeben können und die Unsicherheit zunimmt,<br />
dürfte das die Wirtschaftsleistung um weitere 2 bis 4 Prozent reduzieren,<br />
so die Prognose.<br />
Damit wäre durch ein kurzfristiges Erdgas-Embargo ein wirtschaftlicher<br />
Einbruch auf dem Niveau des Corona-Jahres 2020 oder der Finanzkrise im<br />
Jahr 2009 zu erwarten, schreibt der Professor für Volkswirtschaftslehre. Es<br />
„könnte jedoch auch zu einer Wirtschaftskrise führen, wie sie (West)<br />
Deutschland seit dem Zweiten Weltkrieg nicht erlebt hat“, warnt Krebs.<br />
Das alles sind leider keine guten Aussichten auf den weiteren Verlauf des<br />
Jahres. Doch ständiges Jammern hilft nicht weiter. Die Auswirkungen der<br />
Pandemie belasten die Lieferketten seit gut zwei Jahren. Dabei hat die<br />
Krise aber nur offengelegt, was vorher schon gegeben war: fragile Lieferketten.<br />
Vor allem Unternehmen, die ihre Teile von Lieferanten in derselben<br />
Region bezogen, haben unter der Pandemie und den verhängten Lockdowns<br />
massiv gelitten – die Abhängigkeit von wenigen Lieferanten kam<br />
zum Vorschein. Hier kann innerhalb der Unternehmen mit einem modernen<br />
Lieferantenmanagement entgegengewirkt und so mögliche Risiken und<br />
Störfälle vorab identifiziert<br />
werden . Frühwarn- und<br />
Monitoring systeme können hier<br />
ein unterstützendes Mittel sein.<br />
Alexander Gölz,<br />
Chefredakteur <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong><br />
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<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 06 | 2022 3
» INHALT 06 | 2022 69. JAHRGANG<br />
ZULIEFERUNG<br />
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Polymeren<br />
» Seite 34<br />
Titelbild: Igus<br />
MAGAZIN<br />
EMI, ArGeZ-Zulieferer-Geschäftsklima<br />
und HWWI-Rohstoffindex 8<br />
Rohstoff des Monats: Silicium<br />
Das digitale Metall 12<br />
MANAGEMENT<br />
Isabel Hochgesand, CPO, Beiersdorf AG<br />
Zentral, regional, global: Die neue<br />
Einkaufsorganisation von Beiersdorf 14<br />
Ausgabentransparenz bei der Winkelmann Group<br />
Spend-Analyse – das Fenster zur<br />
Strategischen <strong>Beschaffung</strong> 20<br />
1. und 2. Fußballbundesliga<br />
Einkaufsleiter haben jeden Stein umgedreht 24<br />
Blended Rates entschlüsseln<br />
Wie Beratungssätze vergleichbar werden 26<br />
Einkaufstool für den Mittelstand<br />
Lieferantenanfrage per Express 28<br />
E-Procurement im großen Stil<br />
Die Plattform für den Sparkasseneinkauf 30<br />
Mehr Transparenz in der Lieferkette<br />
Digitalisiertes Vertrauen per Blockchain 32<br />
ZULIEFERUNG<br />
TITELSTORY<br />
Schmier- und wartungsfreie Gleitlagertechnik<br />
Kosten sparen mit Tribo-Polymeren 34<br />
Industrielle Automatisierung macht weiteren Sprung<br />
Freiheit und Offenheit für alle 37<br />
Produktneuheiten 38<br />
FERTIGUNGSTECHNIK<br />
Fertigungsplattform, Produzent und Anwender<br />
„Was wir uns nicht leisten können,<br />
sind schwarze Schafe im Netzwerk“ 40<br />
Round Table zum 3D-Druck<br />
Additive Fertigung und die Lieferkette 44<br />
ROBOTIK<br />
Automatica: Vorberichte und Produktneuheiten<br />
Aufbruchstimmung in der Robotik live erleben 48<br />
Plattformökonomie für die Robotik und Automation<br />
Anwender und Anbieter von Robotern<br />
zusammenbringen 50<br />
Anwendungen zuverlässig absichern<br />
Worauf es bei der Auswahl von<br />
Roboterbremsen ankommt 54<br />
4 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 06 | 2022
Bild: Beiersdorf<br />
Isabel Hochgesand ist CPO der Beiersdorf AG.<br />
» Seite 14<br />
BUSINESS TRAVEL<br />
Reisekosten und Co.<br />
Spesenmanagement: Wie Daten zu Grafiken werden 56<br />
Reisebranche steht vor gewaltigen Umwälzungen<br />
Wie sich Dienstreisen verändern 58<br />
BME<br />
BME intern<br />
BME präsentiert Website-Relaunch<br />
und Logo-Rebrush 60<br />
Fachmesse für Guss- und Schmiedeteile<br />
Castforge 2022 mit BME-Einkäufertag 60<br />
KARRIERE<br />
Prof. Dr. Wolfgang Buchholz, FH Münster<br />
Berufsbegleitendes Masterstudium of Digital SCM 62<br />
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Lieferkettengesetz<br />
RURBRIKEN<br />
Editorial 3<br />
Inserentenverzeichnis, Vorschau, Impressum 66<br />
Meinung 67<br />
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Das neue Lieferkettengesetz verpflichtet große<br />
Unternehmen in Deutschland ab 2023, auf<br />
die Einhaltung von Menschenrechten in ihren<br />
Lieferketten zu achten. Faire Arbeits- und<br />
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<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 06 | 2022 5
» MAGAZIN<br />
Weiterhin Staus in der Containerschifffahrt<br />
Der Welthandel stabilisiert sich<br />
Nach einem turbulenten Start ins Jahr<br />
stabilisiert sich der Warenverkehr im April<br />
in zahlreichen Volkswirtschaften. Laut<br />
dem jüngsten Datenupdate des Kiel Trade<br />
Indicator dürfte der Welthandel im Vergleich<br />
zum März um 2,1 Prozent zulegen<br />
(preis- und saisonbereinigt). Einen vergleichbaren<br />
Zuwachs gab es zuletzt im<br />
Januar, vor Kriegsausbruch. „Die ersten<br />
Schockwellen der russischen Invasion in<br />
der Ukraine für den globalen Warenaustausch<br />
sind offenbar verdaut, und die<br />
Handelsdaten im April stabilisieren sich.<br />
Fast alle wichtigen Volkswirtschaften<br />
können Zuwächse oder zumindest eine<br />
Seitwärtsbewegung erwarten“, so Vincent<br />
Stamer, Leiter des<br />
Kiel Trade Indicator.<br />
Für Deutschland<br />
lassen die<br />
Schiffsbewegungen<br />
auf eine positive<br />
Entwicklung<br />
schließen, sowohl<br />
Exporte als auch<br />
Importe liegen im<br />
Plus. Gleiches gilt<br />
für die EU. In den<br />
USA dürften die Ex-<br />
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C-TEILE<br />
SONDERTEILE<br />
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porte im April klar im positiven Bereich<br />
liegen, für die Importe zeichnet sich ein<br />
Minus ab. Für Russlands Handel zeigt sich<br />
eine Bodenbildung nach den Einbrüchen<br />
der vergangenen drei Monate an. In China<br />
deutet sich bei Exporten und Importen<br />
eine Stagnation an. „Der Lockdown in<br />
Shanghai bremst zwar Chinas Exportwachstum<br />
aus, Rückgänge im Handel<br />
scheinen sich aber auf den Hafen von<br />
Shanghai zu beschränken. Der Abstand<br />
Die negativen Folgen des Lockdowns in Shanghai bleiben laut dem IfW Kiel<br />
bisher überschaubar.<br />
der Warenausfuhren hat sich im Vergleich<br />
zu Chinas übrigen Häfen auf ein Minus<br />
von rund 25 Prozent eingependelt. Das<br />
heißt aber auch: Trotz Lockdown verlassen<br />
immer noch ein Großteil aller Güter<br />
den Hafen, das ist ein gutes Zeichen für<br />
die weltweiten Lieferketten“, so Stamer.<br />
Die weltweiten Staus im Containerschiffnetzwerk<br />
verharren aber auf hohem<br />
Niveau , rund 11 Prozent aller weltweit<br />
verschifften Waren stecken im Stau. (ys)<br />
Bild: IfW Kiel<br />
Explodierende Energie- und Rohstoffpreise und Lieferengpässe<br />
Unternehmen in Europa härter betroffen<br />
Homeoffice<br />
Nutzung sinkt kaum<br />
Bild: DIHK<br />
Auch außerhalb der Heimat spüren deutsche<br />
Unternehmen die stark gestiegenen<br />
Energie- und Rohstoffpreise – dies ist ein<br />
Ergebnis des AHK World Business Outlook<br />
Frühjahr 2022. „Wir sehen allerdings erhebliche<br />
Unterschiede zwischen Weltregionen<br />
und Standorten“, so DIHK-Außenwirtschaftschef<br />
Volker Treier über die Ergebnisse<br />
der Umfrage. Mit Blick auf die<br />
Auswirkungen der russischen Invasion in<br />
der Ukraine melden im weltweiten Durchschnitt<br />
zwei Drittel (66 %) der Unternehmen<br />
höhere Kosten für Energie, Rohstoffe<br />
und Vorleistungen als akutes Problem. In<br />
der Eurozone sind es mehr als drei Viertel<br />
(77 %), in Nordamerika und China liegt<br />
der Anteil der betroffenen Unternehmen<br />
mit 58 bzw. 51 Prozent niedriger. Mehr als<br />
die Hälfte der Unternehmen (53 %) spüren<br />
im weltweiten Schnitt Störungen in<br />
der Lieferkette und Logistik.<br />
Stärker betroffen sind die<br />
Standorte im Asien- und<br />
Pazifik-Raum, Nordamerika<br />
und der Eurozone. Infolge<br />
der Störungen beklagen die<br />
Betriebe fehlende Rohstoffe<br />
und Vorleistungsgüter<br />
(39 %) und müssen zum<br />
Teil (17 %) ihre Produktion<br />
drosseln oder stoppen. (ys)<br />
Der Anteil der deutschen Beschäftigten,<br />
die zumindest teilweise im Homeoffice<br />
arbeiteten, ist im April auf 24,9 Prozent<br />
gesunken. Im März waren es 27,6 Prozent.<br />
Das geht aus einer Umfrage des Ifo-<br />
Instituts hervor. „Die Homeoffice-Nutzung<br />
bleibt damit nach Abschaffung der<br />
Pflicht auf einem hohen Niveau. Offenbar<br />
haben sich viele Unternehmen dauerhaft<br />
auf flexiblere Modelle eingestellt“, sagt<br />
Jean-Victor Alipour, Ifo-Institut. Allerdings<br />
hatte das Institut ein Homeoffice-<br />
Potenzial von 56 Prozent über die gesamte<br />
deutsche Wirtschaft hinweg berechnet.<br />
Für das verarbeitende Gewerbe fiel der<br />
Wert leicht von 18,6 auf 16,3 Prozent. Bei<br />
den Dienstleistern bleibt das Homeoffice-<br />
Angebot im Durchschnitt am größten: Der<br />
Anteil fiel auf 35,3 Prozent, nach 38,7 im<br />
März. So arbeiten IT-Dienstleister noch zu<br />
72,3 Prozent von zu Hause. (ys)<br />
6 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 06 | 2022
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<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 06 | 2022 7
» MAGAZIN<br />
Einkaufsmanagerindex EMI im April<br />
Geschäftsausblick bleibt pessimistisch<br />
Deutschlands Hersteller starteten schwächer<br />
ins zweite Quartal, da der Krieg in<br />
der Ukraine und die Lockdowns in China<br />
sowohl die Nachfrage drückten als auch<br />
die Lieferketten störten. Aufgrund des<br />
Rückgangs der Neuaufträge sowie der<br />
Lieferverzögerungen schrumpften zudem<br />
die Produktionsraten. Hinzu kam, dass<br />
sich der Kostendruck den Rekordhöhen<br />
vom letzten Jahr näherte, was wiederum<br />
zu einer nie dagewesenen Verteuerung<br />
der Verkaufspreise führte. Beim Geschäftsausblick<br />
herrscht weiter Pessimismus,<br />
der sich gegenüber dem Vormonat<br />
noch verstärkte. Der saisonbereinigte S&P<br />
Global/BME Einkaufsmanagerindex sank<br />
mit 54,6 Punkten im April auf ein 20-Monatstief<br />
nach 56,9 im März. Damit notierte<br />
der EMI erneut in der Wachstumszone<br />
dank soliden Zuwächsen. Hinter dem vergleichsweise<br />
guten Hauptindex verbergen<br />
sich allerdings auch die Messwerte für<br />
Bild: S&P Global/BME<br />
Produktion und Auftragseingang, die beide<br />
erstmals seit Juni 2020 unter 50 Punkten<br />
liegen. (ys)<br />
ArGeZ-Zulieferer-Geschäftsklima im April<br />
Unsicherheiten für Zulieferer<br />
HWWI-Rohstoffpreisindex im April<br />
Preisrückgang auf hohem Niveau<br />
Nach dem historischen Einbruch<br />
im Vormonat stabilisiert<br />
sich das Geschäftsklima<br />
der deutschen Zulieferer laut<br />
ifo-Institut im April leicht.<br />
Von –7,5 Saldenpunkten geht<br />
es hoch auf –4,8 Punkte.<br />
Während die Beurteilung der<br />
<strong>aktuell</strong>en Geschäftslage im<br />
Vormonatsvergleich nahezu<br />
unverändert geblieben ist,<br />
sind die Erwartungen für die<br />
kommenden sechs Monate<br />
etwas weniger pessimistisch<br />
als vor vier Wochen. Gleichwohl<br />
zeigt sich, dass der<br />
Krieg in der Ukraine eine<br />
deutliche konjunkturelle Zäsur<br />
bedeutet. Der Saldo von<br />
positiven und negativen Erwartungen<br />
verbessert sich<br />
folglich nur geringfügig von<br />
–40,5 auf –36,3 Punkte. Unterm<br />
Strich erwarten nur<br />
neun Prozent der deutschen<br />
Zulieferer bessere Geschäfte<br />
in den kommenden sechs<br />
Monaten.<br />
Wenngleich die Beurteilung<br />
der <strong>aktuell</strong>en Geschäftslage<br />
seit dem Angriff Russlands<br />
auf die Ukraine nur geringfügig<br />
nachgegeben hat, weisen<br />
die negativen Aussichten auf<br />
teils massive Verwerfungen<br />
und erhebliche Unsicherheiten<br />
hin. Werden Sanktionen<br />
auf der einen Seite stets weiter<br />
ausgebaut, ist damit zu<br />
rechnen, dass eine Vielzahl<br />
indirekter Effekte auf die<br />
Märkte erst nach einigen<br />
Wochen zu Entfaltung kommen.<br />
Im Hinblick auf die zum<br />
Zerreißen gespannten internationalen<br />
Lieferketten spiegelt<br />
sich dies unter anderem<br />
durch steigende Kosten in<br />
den Wertschöpfungsketten<br />
wider. Effekte auf die gesamtwirtschaftliche<br />
Nachfrage<br />
werden folgen. (ys)<br />
Der HWWI-Rohstoffpreisindex<br />
sank im April im Vergleich<br />
zum Vormonat um<br />
durchschnittlich 12 Prozent.<br />
Von den drei im Gesamtindex<br />
abgebildeten Teilindizes sank<br />
im April der Index für Energierohstoffe<br />
am stärksten<br />
(-13,6 %), der Index für Industrierohstoffe<br />
nur leicht<br />
(-3,9 %), während bei den<br />
Nahrungs- und Genussmitteln<br />
sogar ein weiterer leichter<br />
Anstieg (+1,4 %) zu verzeichnen<br />
war. Die Rückgänge<br />
müssen jedoch vor dem Hintergrund<br />
des nach wie vor<br />
sehr hohen Rohstoff-Preis -<br />
niveaus betrachtet werden.<br />
Der Rohölpreis war im April<br />
leicht rückläufig und sank um<br />
5,7 Prozent. Im Vergleich zum<br />
Vorjahreswert ist der Index<br />
um 63,1 Prozent gestiegen.<br />
Stärker als der Rohölpreis<br />
ging der Kohlepreis zurück.<br />
Der Index sank im April um<br />
10,7 Prozent und lag damit<br />
um 223,7 Prozent über dem<br />
Wert von April 2021. Unter<br />
den Energierohstoffen waren<br />
im April die Veränderungen<br />
bei den Gaspreisen am<br />
stärksten. Während die Preise<br />
für amerikanisches Erdgas im<br />
April um durchschnittlich<br />
34,6 Prozent gegenüber dem<br />
Vormonat stiegen, sanken die<br />
Preise für europäisches Erdgas<br />
um 32,8 Prozent, nachdem<br />
sie im Vormonat um<br />
72,9 Prozent gestiegen waren.<br />
Gegenüber dem Vorjahr<br />
lag der Gesamtindex um<br />
271,5 Prozent höher. Der Teil -<br />
index für Industrierohstoffe<br />
sank im April um 3,9 Prozent<br />
gegenüber dem Vormonat<br />
(+15,5 % im Vorjahresvergleich).<br />
Damit zeichnet sich<br />
insgesamt eine leichte Entspannung<br />
ab. (ys)<br />
8 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 06 | 2022
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<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 06 | 2022 9<br />
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» MAGAZIN<br />
Nachhaltigkeit bei der Lieferantenauswahl im Maschinenbau<br />
„Grünes Potenzial“ in der Supply Chain häufig ungenutzt<br />
Bild: NicoElNino/stock.adobe.com<br />
Nur jeder vierte Maschinen- und Anlagenbauer wählt Lieferanten<br />
nach ökologischen Kriterien aus.<br />
Laut einer <strong>aktuell</strong>en Studie spielen Nachhaltigkeitskriterien<br />
bei der Lieferantenauswahl<br />
im Maschinen- und Anlagenbau<br />
bisher nur eine untergeordnete Rolle.<br />
Zwar gebe es zahlreiche<br />
Ansatzpunkte für einen<br />
grünen Wandel, diese werden<br />
jedoch noch nicht optimal<br />
genutzt. Nach Ansicht<br />
von Dr. Björn Falk,<br />
Branchenmanager Maschinenbau<br />
der Staufen<br />
AG, deuten die Ergebnisse<br />
auf eine fehlende Abstimmung<br />
zwischen den Teilnehmern<br />
der Wertschöpfungskette<br />
hin: „Der ESG-<br />
Gedanke ist noch zu stark<br />
nach innen gerichtet. Nur<br />
25 Prozent der Maschinenund<br />
Anlagenbauer betrachten<br />
das Thema ganzheitlich und beziehen<br />
bei der Lieferantenauswahl auch die<br />
Nachhaltigkeitsbewertung als ein Kriterium<br />
im Vergabeprozess ein. Der Automo -<br />
tive-Sektor ist da schon einen Schritt<br />
weiter: Hier sind es bereits 61 Prozent, die<br />
auf eine positive Nachhaltigkeitsbewertung<br />
in der Supply Chain achten.“<br />
Im Zusammenspiel mit den Zulieferbetrieben<br />
ergeben sich verschiedene Möglichkeiten<br />
für eine Transformation nach<br />
ökologischen Vorgaben. Aktuell konzentrieren<br />
sich die Unternehmen dabei nach<br />
eigener Aussage auf gemeinsame Verpackungsstrategien,<br />
Optimierung der Transportwege<br />
und gemeinsame Forschungsprojekte.<br />
Die abgestimmte Kooperation<br />
könne auch den Kostendruck in der Produktion<br />
verringern. Dies sei notwendig, da<br />
weder der Maschinenbau noch der Automobilsektor<br />
mehrheitlich dazu bereit seien,<br />
ökologische Mehrkosten zu tragen:<br />
„55 Prozent akzeptieren die Mehrkosten<br />
einer ökologisch nachhaltigen <strong>Beschaffung</strong><br />
nicht“, so Falk. (ys)<br />
Investitionen in den Maschinenpark und die Mitarbeiter<br />
Millionenauftrag für die Fertigung von Lkw-Lenkstangen<br />
Die Gersfelder Metallwaren GmbH (GMW)<br />
hat einen Großauftrag zur Fertigung von<br />
Lkw-Lenkstangen erhalten. Das Auftragsvolumen<br />
soll einen siebenstelligen Betrag<br />
umfassen. Damit hat sich das Unternehmen<br />
verpflichtet, jährlich rund eine Million<br />
der sicherheitsrelevanten Lkw-Bauteile<br />
zu fertigen. Der Auftrag ist zeitlich<br />
nicht begrenzt und veranlasst Geschäftsführer<br />
Maximilian Pfeifer, in sein Unternehmen<br />
zu investieren: „Für diesen Auftrag<br />
werden wir unseren Maschinenpark<br />
in Gersfeld um fünf Langdrehmaschinen<br />
erweitern und kalkulieren mit einem Investitionsvolumen<br />
von rund einer Million<br />
Euro.“ Zusätzlich will GMW sechs neue<br />
Arbeitsplätze schaffen. Die Fertigung der<br />
Bauteile soll ausschließlich in Gersfeld erfolgen.<br />
Nach zwei herausfordernden Jahren stellt<br />
sich die Auftragslage der GMW heute laut<br />
eigenen Angaben sehr gut dar. Das Jahr<br />
2021 hat das Unternehmen mit einem<br />
Umsatzwachstum von über 25 Prozent im<br />
Vergleich zu 2020 abgeschlossen. Sowohl<br />
die Kapazitäten in Gersfeld als auch im<br />
Tochterwerk in Rumänien seien solide<br />
ausgelastet. Herausfordernd ist allerdings<br />
die Rohstoffsituation: „Die Rohstoffpreise<br />
sind durch den Krieg in der Ukraine teilweise<br />
explodiert. Nickel kostete Anfang<br />
März noch 18.000 Euro pro Tonne, stieg<br />
zwischenzeitlich auf über 43.000 Euro<br />
und heute sind es immer noch 26.000<br />
Euro pro Tonne“, so Pfeifer. Nickel ist ein<br />
wichtiger Bestandteil zur Herstellung von<br />
Edelstahl, daher reagiert der Maschinenbau<br />
darauf sehr sensibel. Dennoch ist<br />
Pfeifer optimistisch: „Die globalen Lieferketten<br />
werden sich umsortieren und ich<br />
rechne ab Spätsommer 2022 mit einer<br />
beruhigten <strong>Beschaffung</strong>ssituation.“ (ys)<br />
Aufgrund des Großauftrags soll der Maschinenpark in Gersfeld um fünf<br />
Langdrehmaschinen erweitert werden.<br />
Bild: GMW<br />
10 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 06 | 2022
A22-060-035.indd 1 08.03.22 14:11<br />
Wachstum in 18 von 23 Branchen<br />
Die Zeichen im türkischen<br />
Maschinenbau stehen auf Grün<br />
Die Industrielandschaft des<br />
türkischen Maschinenbaus ist<br />
breit gefächert. Aktuell werden<br />
Maschinen und Anlagen<br />
in 23 Branchen entwickelt und<br />
produziert, die größten Exportmärkte<br />
sind hierbei die<br />
Europäische Union und die<br />
USA. Insgesamt hat der türkische<br />
Maschinenbau im Jahr<br />
2021 Waren im Wert von 23<br />
Milliarden USD exportiert, so<br />
die Vereinigung der türkischen<br />
Maschinenexporteure (Turkish<br />
Machinery). Das Exportziel für<br />
das Jahr 2022 liegt bei 27 Milliarden<br />
USD. 18 der 23 Branchen<br />
im türkischen Maschinenbau<br />
konnten 2021 ein<br />
Wachstum verzeichnen.<br />
Die Bedeutung einer nachhaltigen<br />
Wirtschaft hat sich für<br />
Turkish Machinery mit der<br />
Pandemie herauskristallisiert.<br />
Demnach sei es unumgänglich,<br />
das Bewusstsein in Bezug<br />
auf Produktions- und Konsumgewohnheiten<br />
zu überdenken.<br />
Es bedarf einer Nachhaltigkeitsbetrachtung<br />
in allen<br />
Perspektiven, einer Kreislaufwirtschaft<br />
und tiefgehenden<br />
Analysen der Wertschöpfung,<br />
so die türkischen Maschinenbauer.<br />
Das türkische<br />
Handelsministerium unterstützt<br />
Unternehmen im Rahmen<br />
der „Financing the green<br />
transition“, welche durch die<br />
Europäische Kommission ins<br />
Leben gerufen wurde. Unternehmen<br />
bekommen die Möglichkeit,<br />
ihren ökologischen<br />
Fußabdruck zu ermitteln und<br />
entsprechende Aktionspläne<br />
herauszuarbeiten. (ys)<br />
Auftragsbestand im verarbeitenden Gewerbe<br />
Reichweitenrekord für die Industrie<br />
Die deutsche Industrie hat mit<br />
ihrem <strong>aktuell</strong>en Auftragsbestand<br />
einen Rekord erreicht.<br />
Ohne einen einzigen neuen<br />
Auftrag könnte sie 4,5 Monate<br />
produzieren, wie aus einer Ifo-<br />
Umfrage im April hervorgeht.<br />
Bei der letzten Umfrage im Januar<br />
waren es saisonbereinigt<br />
4,4 Monate. Im langjährigen<br />
Durchschnitt liegt die Auftragsreichweite<br />
bei 2,9 Monaten.<br />
„Der Zuwachs an Reichweite<br />
ist jetzt nur noch gering.<br />
Das deutet darauf hin, dass<br />
sich der Eingang an neuen<br />
Aufträgen allmählich abschwächt“,<br />
sagt Timo Wollmershäuser,<br />
Leiter der Ifo-<br />
Konjunkturprognosen. Dieser<br />
Auftragsstau spiegele nicht<br />
nur die hohe Nachfrage nach<br />
deutschen Industriewaren wider,<br />
sondern auch die Schwierigkeiten,<br />
die bestehenden<br />
Aufträge aufgrund des Mangels<br />
an Vorprodukten und<br />
Rohstoffen zeitnah abzuarbeiten.<br />
„Falls sich die Lieferengpässe<br />
in den kommenden Monaten<br />
auflösen würden, könnte<br />
die Produktion in der deutschen<br />
Industrie durchstarten“,<br />
fügt Wollmershäuser hinzu.<br />
„Allerdings spricht derzeit vieles<br />
eher für eine Verschärfung<br />
der Lieferengpässe, vor allem<br />
als Folge der rigorosen Lockdowns<br />
in China.“ Besonders<br />
groß ist die Auftragsreichweite<br />
in der Autoindustrie (7,4<br />
Monate), im Maschinenbau<br />
(6,5) und bei Datenverarbeitungsgeräten<br />
(6,3). (ys)<br />
DÜSSELDORF, 21.–24. JUNI<br />
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<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 06 | 2022 11
Ein Fremdatom auf 100 Mrd. Siliciumatome:<br />
Wafer in der Mikrochip-Produktion.<br />
Bild: SweetBunFactory/stock.adobe.com<br />
Rohstoff des Monats: Silicium<br />
Das digitale Metall<br />
Silicium ist unverzichtbar für Elektronik und Energiewende, für die Metall- und<br />
Baubranche. Obwohl es überall in der Erdkruste vorkommt, hat sich der Preis<br />
für den Ausgangsstoff im letzten Jahr verfünffacht.<br />
Elementares Silicium wird aus Silicaten hergestellt;<br />
sprich: aus Quarzsanden. Die gibt es zwar<br />
wie Sand am Meer – trotzdem ist der Preis für<br />
Silicium metall im zweiten Halbjahr 2021 von rund<br />
2000 US$ auf einen Rekordpreis von 9500 US$ gestiegen.<br />
Eine langfristige Preis-Entwicklung ist<br />
schwer festzumachen. So treiben die Un -<br />
sicher heiten im Rahmen des Ukrainekrieges<br />
die Preise weiter nach oben.<br />
EINBLICK Darüber hinaus hat die Entwicklungs-<br />
und Reformkommission der<br />
Preisanalysen und<br />
Hintergrundinfos zu<br />
chinesischen Provinz Yunnan angekündigt,<br />
die Produktion von<br />
wichtigen Rohstoffen<br />
Silicium metall wegen Energie-<br />
Beschränkungen und weiter verschärften<br />
Umweltauflagen langfristig<br />
deutlich zu senken. Mit einem Marktanteil<br />
von rund 64 % ist China das weltweit größte<br />
Förderland , es folgen Russland mit rund zehn und die<br />
USA mit gut fünf Prozent. Die Deutsche Rohstoffagentur<br />
ordnet Silicium wegen der starken regionalen<br />
Konzentration in die Gruppe der Rohstoffe mit den<br />
höchsten Preis- und Lieferrisiken ein.<br />
Die Produktion von elementarem Silicium ist aufwendig:<br />
Zuerst wird der Ausgangsstoff Silicium -<br />
dioxid (Quarzsande) bei Temperaturen von rund<br />
2000 °C im Lichtbogenofen reduziert. Dabei entsteht<br />
Siliciummetall plus Kohlenmonoxid. Rohsilicium enthält<br />
mindestens 98,5 % Silicium sowie maximal<br />
0,5 % Eisen, 0,5 % Aluminium und 0,3 % Calcium. Es<br />
wird hauptsächlich als Aluminium-Legierung eingesetzt,<br />
um Schwindung und Fließeigenschaften positiv<br />
zu beeinflussen.<br />
Solartechnologie und Halbleiter<br />
Für die meisten industriellen Anwendungen wird<br />
aller dings hochreines Silicium gebraucht, sogenanntes<br />
Polysilicium oder Solarsilicium. Der Name ist<br />
Programm : Rund 90 % des global produzierten<br />
Materials werden für die Herstellung von Solarpanelen<br />
eingesetzt, rund 10 % wandern in die Mikrochip-<br />
Industrie. Nur ein relativ kleiner Teil landet beispielsweise<br />
als Legierungszusatz im Schmelztiegel, als<br />
Schleifmittel in Zahnpasta oder in Form von Silikon<br />
in der plastischen Chirurgie.<br />
Silicium Valley<br />
Zur Veredelung wird Rohsilicium mit Chlorwasserstoff<br />
in flüssiges Trichlorsilan umgewandelt und anschließend<br />
destilliert. Das entstehende Produkt ist polykristallin<br />
und wird deshalb kurz Polysilicium genannt. Es<br />
besitzt eine Reinheit von mindestens 99,9999 %. Für<br />
die Halbleiterindustrie muss die Reinheit allerdings<br />
99,999999999 % betragen; das bedeutet weniger als<br />
12 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 06 | 2022
MAGAZIN «<br />
ein Fremdatom auf 100 Mrd. Siliciumatome. Das kann<br />
durch mehrmaliges Zonenschmelzen erreicht werden,<br />
die Verunreinigungen lösen sich dabei in der Schmelze<br />
und werden abgetrennt.<br />
Durch die gezielte Einlagerung von Fremdatomen<br />
können im nächsten Schritt die elektrischen Eigenschaften<br />
von Polysilicium maßgeschneidert in einem<br />
weiten Bereich verändert werden – als Grundlage für<br />
unterschiedliche elektronische Anwendungen von<br />
Mikrochips bis hin zur Fotovoltaik. Die Namens -<br />
gebung für ein kleines Tal in Kalifornien belegt die<br />
Relevanz dieses Grundstoffs für die weltweite Halbleiter-<br />
und Computerindustrie – obwohl es (zumindest<br />
im deutschen Sprachgebrauch) eigentlich Silicium<br />
Valley heißen müsste.<br />
Aus Licht wird Strom<br />
Die Wirkungsweise eines Solarpanels ist einfach: Die<br />
Module bestehen aus zwei Siliciumschichten. Die<br />
obere Schicht enthält eine exakt definierte Anzahl<br />
von Phosphor-Atomen, die untere entsprechend Bor-<br />
Atome. Trifft ein Sonnenstrahl auf ein Elektron in der<br />
oberen Schicht, wandert es nach unten. Dadurch<br />
entsteht eine elektrische Spannung, die als Gleichstrom<br />
zu einem Wechselrichter fließt, welcher dann<br />
das gewünschte Spannungsniveau erzeugt – genügend<br />
Sonneneinstrahlung vorausgesetzt. Ein standardisiertes<br />
Grundmodul mit der Kantenlänge von<br />
12,5 Zentimeter erzeugt bei voller Sonneneinstrahlung<br />
ungefähr zwei Watt.<br />
Wacker Chemie AG ist mit zwei Produktionsstand -<br />
orten in Deutschland und einem in den USA der<br />
weltweit zweitgrößte Produzent von Polysilicium.<br />
Insgesamt mehr als 3500 Beschäftigte produzieren<br />
jährlich rund 80.000 Tonnen. Im Bereich Panel-Produktion<br />
hat Deutschland dagegen seinen Spitzenplatz<br />
verloren: Die Zahl der Arbeitsplätze in der Solar -<br />
industrie hat sich mit dem Auslaufen von Förderprogrammen<br />
seit 2012 halbiert.<br />
Deutschland ist Siliciumland<br />
Silicium könnte allerdings auch hierzulande wieder<br />
eine Renaissance erleben: vergleichbar mit Wasserstoff<br />
als Energieträger der Zukunft. So kann Siliciumdioxid<br />
unter Energiezufuhr in Silicium und Sauerstoff<br />
aufgespalten werden. Das reine Silicium kann<br />
gespeichert und in anderen Prozessen wieder zur<br />
Energiegewinnung eingesetzt werden. Als Verbrennungsprodukt<br />
entsteht lediglich Sandstaub.<br />
Michael Grupp, Journalist, Stuttgart<br />
90 % des weltweit<br />
produzierten Siliciums<br />
dienen der Gewinnung<br />
regenerativer Energie.<br />
Bild: dusanpetkovic1/stock.adobe.com<br />
<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 06 | 2022 13<br />
1773457-3.indd 1794146-1.indd 1 13.10.21 02.02.22 08:33 16:03
» MANAGEMENT<br />
Interview mit Isabel Hochgesand, CPO Beiersdorf AG<br />
Zentral, regional, global: die neue<br />
Einkaufsorganisation von Beiersdorf<br />
Drei Jahre hat Isabel Hochgesand die <strong>Beschaffung</strong> von Beiersdorf reformiert. Heraus kam<br />
eine zentrale Organisation in einem dezentral aufgestellten Konzern und ein Einkauf , der als<br />
Partner wahrgenommen wird. 70 Prozent der Einkäuferinnen und Einkäufer haben neue<br />
Funktionen und Rollen. Innovation, <strong>Beschaffung</strong>ssicherheit, Nachhaltigkeit sind die Kernziele.<br />
Frau Hochgesand, bevor Sie 2017 bei<br />
Beiersdorf die Funktion des CPO übernahmen,<br />
waren Sie 25 Jahre bei Procter<br />
& Gamble in verschiedenen Positionen<br />
im Einkauf und im Supply Chain Management.<br />
Mit welchem Blick kommt<br />
man nach so langer Zeit in ein anderes<br />
Unternehmen?<br />
Isabel Hochgesand: Ich bin offen an<br />
die neue Aufgabe herangegangen. Den<br />
Unternehmenswechsel habe ich als Möglichkeit<br />
gesehen, mich neu zu definieren,<br />
mich zu hinterfragen: Was möchte ich<br />
selbst erreichen? Welche meiner fachlichen<br />
Erfahrungen lasse ich zurück, was<br />
möchte ich mitnehmen und was hinzufügen?<br />
In allen meinen beruflichen Stationen<br />
habe ich wahnsinnig viel lernen dürfen<br />
– wofür ich sehr dankbar bin. Die<br />
neue Rolle als CPO bei Beiersdorf bot mir<br />
die wunderbare Gelegenheit, mit allen<br />
meinen bisherigen Erfahrungen und entwickelten<br />
Kompetenzen mein eigenes<br />
Team aufzubauen, meine Vision und Strategie<br />
für den Einkauf zu entwickeln und<br />
so den Bereich auf eine neue Ebene zu<br />
heben. Und das funktioniert bis heute.<br />
Wie würden Sie die damalige<br />
Einkaufsorgani sation bei Beiersdorf beschreiben?<br />
Hochgesand: Der Einkauf war damals<br />
stark mit Kosteneinsparungen assoziiert<br />
und wurde teilweise als Blackbox empfunden.<br />
Ich vertrete die Ansicht, dass eine<br />
moderne Einkaufsorganisation mehr ist.<br />
»Ich vertrete die Ansicht,<br />
dass eine moderne<br />
Einkaufsorganisation<br />
mehr ist. Es geht nicht<br />
nur um Verhandlung,<br />
sondern um die Leistung<br />
von Wertbeiträgen über<br />
Einsparungen hinaus.«<br />
Isabel Hochgesand, CPO Beiersdorf AG<br />
Bild: Beiersdorf
Es geht nicht nur um Verhandlung, sondern<br />
um die Leistung von Wertbeiträgen<br />
über Einsparungen hinaus. Der Einkauf<br />
hat zum Beispiel einen großen Einfluss<br />
auf Risikomanagement, Innovation oder<br />
auch Nachhaltigkeit. Diese Themenfelder<br />
gilt es zu besetzen und auch in der Diskussion<br />
mit den Stakeholdern zu thematisieren.<br />
Um das damals vorherrschende<br />
Bild vom Einkauf zu revidieren, haben wir<br />
unsere Transformation gestartet. Unser<br />
Ziel war es, bereits bei der Entstehung<br />
von Ideen und Strategien eingebunden zu<br />
werden, um die richtigen Weichen stellen<br />
zu können.<br />
Die Transformation hat drei Jahre gedauert.<br />
Was waren Gründe für die Neuausrichtung?<br />
Hochgesand: Einer der Hauptgründe,<br />
war das dezentrale Set-up, welches uns<br />
teilweise langsam gemacht und zu ineffizienten,<br />
nicht harmonisierten Prozessen<br />
beigetragen hat. Weiterhin hat uns die Organisationsstruktur<br />
daran gehindert, mit<br />
der ganzen Mannschaft an einheitlichen<br />
Prioritäten zu arbeiten und schnelle Entscheidungen<br />
zu treffen. Um den Einkauf<br />
neu zu positionieren und als moderner<br />
Einkaufsbereich wahrgenommen zu werden,<br />
der mehr als Einsparungen erwirkt,<br />
haben wir das Transformationsprojekt gestartet.<br />
Der Prozess war intensiv, aber zusammen<br />
mit dem Management haben wir<br />
alle Leitlinien für die Neuausrichtung gemeinsam<br />
beschlossen. Mit dem Aufbau<br />
neuer Organisationsstrukturen, Strategien<br />
sowie Arbeitsweisen und Prozessen konnten<br />
wir eine vollständige und frühzeitige<br />
Integration des Einkaufs erwirken, Themengebiete<br />
bündeln, Prozesse standardisieren<br />
und ganz neue Karrierechancen<br />
schaffen. Durch ein klares Bild vom Einkauf<br />
und definierte Standpunkte zu Themen<br />
wie Innovation, <strong>Beschaffung</strong>ssicherheit<br />
und Nachhaltigkeit werden wir intern<br />
jetzt anders wahrgenommen und können<br />
auch extern klarer auftreten.<br />
Was war die größte Veränderung?<br />
Hochgesand: Die größte Veränderung<br />
im Einkauf war der Übergang von einer<br />
dezentralen zu einer zentral geführten<br />
Organisation mit Berichtslinien der Länder<br />
zum CPO. Konkret bedeutet das, dass<br />
der direkte Einkauf zentral gesteuert wird<br />
und der indirekte sowie der Marketingeinkauf<br />
als Matrixorganisation aufgestellt<br />
sind. Dabei haben wir viele neue globale<br />
und regionale Rollen geschaffen und kaufen<br />
heute deutlich mehr regional oder<br />
global ein. Um eine gute Basis für eine<br />
strategischere und langfristigere Arbeitsweise<br />
zu legen, haben wir auch an Themen<br />
wie Supplier Performance Management,<br />
e2e Supply Chain Integration, Business<br />
Continuity Planning gearbeitet und<br />
eine digitale Roadmap aufgesetzt. Parallel<br />
haben wir umfassendes Expertenwissen<br />
in unseren Teams aufgebaut, um auf Augenhöhe<br />
mit unseren internen, aber auch<br />
externen Verhandlungspartnern agieren<br />
zu können.<br />
Wie nimmt man die Menschen in einem<br />
solchen Wandel mit? Management,<br />
Team, Fachbereiche …<br />
Hochgesand: Das A und O ist es, direkt<br />
am Anfang eine klare Vision zu definieren<br />
und den Mitarbeitenden eine Orientierung<br />
zu geben. Wir haben deshalb zuerst<br />
einen einfachen Überblick in acht Punkten<br />
entwickelt, um der Einkaufsorganisation<br />
zu zeigen, wofür wir als Managementteam<br />
stehen. Darauf aufbauend haben<br />
wir die Vision und die Strategie erarbeitet.<br />
Diese Dokumente waren sowohl<br />
für die einkaufsinterne als auch die crossfunktionale<br />
Kommunikation unsere Eckpfeiler.<br />
Um den Wertbeitrag der neuen<br />
Strategie für das gesamte Unternehmen<br />
aufzuzeigen, sind wir in der Kommunikation<br />
sprachlich auf unsere Zielgruppen<br />
zugegangen, zum Beispiel reden wir heute<br />
mehr über „Protect Revenue“ statt über<br />
„Compliance“ und „Risk Management“.<br />
Welches Zielbild verfolgt der Einkauf<br />
heute, wofür steht die Beiersdorf-<br />
<strong>Beschaffung</strong>?<br />
Hochgesand: Wir haben den Einkauf<br />
als Business Partner auf Augenhöhe positioniert.<br />
Wir unterstützen das Geschäft<br />
und leisten einen Wertbeitrag entlang<br />
unserer drei definierten Dimensionen<br />
„Protect Revenue“, „Drive Efficiency“ und<br />
„Enable Growth“.<br />
Was sind Ihre wichtigsten Ziele<br />
2022/23?<br />
Hochgesand: Unser kurzfristiges Ziel<br />
ist, die Materialverfügbarkeit zu wettbewerbsfähigen<br />
Preisen zu gewährleisten.<br />
Wir dürfen dabei aber die mittelfristigen<br />
Ziele und die Weiterentwicklung des Einkaufs<br />
nicht aus den Augen verlieren. Neben<br />
der Weiterentwicklung unserer Mitarbeitenden<br />
und ihrer Fähigkeiten sowie<br />
unsere Partnerschaften sind die Digitalisierung<br />
des Einkaufs und Nachhaltigkeit<br />
Themen, die bei uns mit hoher Priorität<br />
vorangetrieben werden.<br />
Wie gut ist Ihre Organisation im Risikomanagement<br />
aufgestellt? Welche Ansätze<br />
verfolgen Sie?<br />
Isabel Hochgesand<br />
... hat 25 Jahre bei Procter & Gamble in verschiedenen Positionen<br />
und Standorten gearbeitet. 1992 hat sie nach einem<br />
MBA-Abschluss in den USA bei P&G in Schwalbach/Ts im<br />
Europäischen Zentraleinkauf ihren ersten Einkaufsjob angetreten.<br />
Sie hat daraufhin verschiedene Stellen im Einkauf<br />
bekleidet und Führungsrollen übernommen. 2017 wechselte<br />
Isabel Hochgesand zu BDF, um die Rolle des CPOs einzunehmen<br />
und eine globale Transformation zu gestalten. Des<br />
Weiteren ist sie Mitglied in mehreren Frauennetzwerken, war<br />
mehrere Jahre im Vorstand der AmCham Germany und ist<br />
heute im Aufsichtsrat von Ontex, Belgien.<br />
<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 06 | 2022 15
» MANAGEMENT<br />
Wie war die Liefersituation in den letzten<br />
zwei, ebenfalls nicht einfachen,<br />
Pandemie-Jahren?<br />
Hochgesand: Die Lieferausfälle und<br />
-verwerfungen getrieben durch die Pandemie<br />
haben uns vor Augen geführt, dass<br />
globale Lieferketten Herausforderungen<br />
mit sich bringen und die punktgenaue<br />
Lieferung aufgrund von langen Transportmentinnen<br />
und Konsumenten im Mittelpunkt<br />
stehen.<br />
Isabel Hochgesand hat eine klare Vision für den Einkauf bei Beiersdorf.<br />
Hochgesand: Wir haben bereits vor<br />
der COVID- 19-Pandemie stark in Business<br />
Continuity Planning investiert und eine<br />
breitere Aufstellung bei der Lieferantenbasis,<br />
die Flexibilität in der Formulierung<br />
sowie KI-basierte Tools des Risikomanagements<br />
der Lieferketten vorangetrieben.<br />
Diese Maßnahmen haben uns in den vergangenen<br />
zwei Jahren sehr geholfen. Des<br />
Weiteren treiben wir Digitalisierung,<br />
Transparenz und Datenmanagement weiter<br />
voran, um unseren bisherigen Erfolg<br />
zu sichern.<br />
Inwiefern ist Ihre Lieferkette vom Krieg<br />
in der Ukraine und den Sanktionen gegenüber<br />
Russland betroffen?<br />
Hochgesand: Wir sind trotz der<br />
schwierigen Liefersituation und zahlreicher<br />
Engpässen in der Lage, unseren Servicelevel<br />
im Vergleich zu Wettbewerbern<br />
auf einem sehr hohen Niveau zu halten.<br />
wegen oder Unterbrechungen in der Lieferkette<br />
gestört werden können. Dies hat<br />
zu einem Umdenken geführt und einen<br />
bereits knappen Markt aus dem Gleichgewicht<br />
gebracht. Wir konnten über die vergangenen<br />
zwei Jahre hinweg konstant ein<br />
sehr gutes Servicelevel halten und haben<br />
uns auf die Liefersicherheit für unsere<br />
Verbraucherinnen und Verbraucher fokussiert.<br />
Dabei haben uns unser gutes Business-Continuity-Plan-Programm<br />
sowie<br />
die gute Zusammenarbeit mit unseren<br />
Schnittstellenfunktionen maßgeblich unterstützt.<br />
Bild: Beiersdorf<br />
Eine resiliente, nachhaltige Lieferkette<br />
braucht eine konsequente End-to-End-<br />
Betrachtung. Inwiefern verfolgen Sie<br />
diese im Einkauf?<br />
Hochgesand: Die End-to-End-Betrachtung<br />
habe ich in meiner beruflichen<br />
Laufbahn erfahren, gelebt und treibe sie<br />
voran. Sie beinhaltet für mich die Prüfung<br />
der eigenen Prozesse, aber auch derer mit<br />
unseren Kunden und Kundinnen sowie<br />
unseren Lieferanten. Wie können wir enger<br />
zusammenarbeiten? Wie können wir<br />
offener Daten miteinander teilen? Wie<br />
können wir die Stärken des anderen besser<br />
nutzen? Den Zeiten einer Lieferkette<br />
sind wir entwachsen, wir befinden uns in<br />
einem Ökosystem, bei dem die Konsu-<br />
Menschen, Datenstrukturen, Abläufe,<br />
Systeme: Wo setzen Sie den Schwerpunkt<br />
in Bezug auf End-to-End?<br />
Hochgesand: Bei Beiersdorf spielt Digitalisierung<br />
eine sehr große Rolle. Wir<br />
haben ein großes Investmentpaket dafür<br />
geschnürt, das auch die Umsetzung unserer<br />
Ideen für die Digitalisierung unserer<br />
Procurement-Prozesse unterstützen soll.<br />
Aufseiten unserer Mitarbeitenden begleiten<br />
wir das auf allen Ebenen und in allen<br />
Altersklassen mit dem Aufbau einer digitalen<br />
Denkweise. Wir regen alle dazu an,<br />
die Digitalisierung gemeinsam voranzubringen.<br />
Unser Ziel ist es, auf diese Weise<br />
unsere Kapazitäten auf strategische Inhalte<br />
zu verlagern und mehr Wert für das<br />
Unternehmen zu schaffen. So bewegen<br />
sich heute mehr als 80 Prozent unserer<br />
POs durch unsere Systeme, ohne einmal<br />
berührt zu werden. Robots and Chatbots<br />
erleichtern uns das Leben und eliminieren<br />
Prozesse, die keinen Mehrwert liefern.<br />
Für Verpackungen kaufen Sie heute<br />
statt der Commodity Kunststoff Rezyklate<br />
aus Abfällen. Wie gehen Sie mit<br />
solchen neuen <strong>Beschaffung</strong>smärkten<br />
und Lieferketten um?<br />
Hochgesand: Wir haben diese Entwicklung<br />
früh erkannt und unsere Teams<br />
entsprechend neu ausgerichtet. In den<br />
Raw & Pack-Einkaufsteams haben wir beispielsweise<br />
dedizierte Sustainability<br />
Category Manager installiert. Sie befassen<br />
sich speziell mit neuen Anforderungen,<br />
neuen Märkten und unseren Strategien<br />
zur Erreichung der Nachhaltigkeitsziele,<br />
die Beiersdorf sich gesetzt hat. Gerne<br />
greife ich hier auch noch einmal den<br />
Punkt des Ökosystems auf. Wir gehen<br />
heute sehr viel tiefer in die Wertschöpfungskette<br />
rein – kaufen also Rezyklate<br />
selber ein und interessieren uns für den<br />
Abfallkreislauf.<br />
Wo steht der Beiersdorf-Einkauf 2022<br />
in Sachen nachhaltige <strong>Beschaffung</strong>?<br />
Hochgesand: Im Bereich der nachhaltigen<br />
<strong>Beschaffung</strong> sind wir mit den bereits<br />
erwähnten Sustainabiltiy Category Mana-<br />
16 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 06 | 2022
gern, unserer engen Zusammenarbeit mit<br />
dem Corporate Sustainability Team gut<br />
aufgestellt. Ergänzt wird dies durch eine<br />
Mitarbeiterin in unserem Excellence Team,<br />
die das gesamte Thema zusammenhält und<br />
die Steuerung der übergreifenden Themen<br />
wie CoC (Chain-of-Custody-<br />
Zertifikate), SMETA Audits<br />
(Supplier Ethical Data Exchange)<br />
und das Lieferkettengesetz<br />
verantwortet. An der<br />
Messung aller relevanten Daten<br />
und deren Integration in<br />
unsere Systeme arbeiten wir<br />
derzeit.<br />
Inwiefern verändert die neue Komplexität<br />
die Zusammenarbeit mit Ihren Business-Partnern?<br />
Hochgesand: Wir scheuen Komplexität<br />
nicht. Im Gegenteil, wir sehen in ihr die<br />
Chance, uns ständig weiterzuentwickeln.<br />
Wir hinterfragen, überprüfen und gestalten<br />
bestehende Prozesse neu, um Effizienzen<br />
zu generieren. Zudem helfen uns im Bereich<br />
Marketing unsere neuen regionalen<br />
Business Partner ein höheres Level an Standardisierung<br />
in den Ausschreibungsprozessen<br />
gegenüber den Märkten durchzusetzen<br />
und eine Konsolidierung des Agenturgeschäfts<br />
auf der Ebene der Management<br />
Unit und der Region voranzutreiben.<br />
Neue Lieferkette: Für Verpackungen<br />
beschafft der Einkauf Rezyklate und<br />
beschäftigt sich mit Abfallthemen.<br />
Wie lässt sich der Beitrag des Einkaufs<br />
zur Nachhaltigkeit oder an der Innovation<br />
eines Unternehmens messen? Haben<br />
Sie hierfür die richtigen KPI?<br />
Hochgesand: Im vergangenen Jahr haben<br />
wir für alle drei Dimensionen unserer<br />
»Den Zeiten einer Lieferkette sind<br />
wir entwachsen, wir befinden uns<br />
in einem Ökosystem, bei dem die<br />
Konsumentinnen und Konsumenten<br />
im Mittelpunkt stehen.«<br />
Beiersdorf<br />
Bild: Beiersdorf<br />
Vision Messgrößen definiert und Zielkorridore<br />
vereinbart. Dazu gehören Sustainability-Messgrößen<br />
hinsichtlich des Beiersdorf-Zieles,<br />
wie zum Beispiel die Reduzierung<br />
von Plastik und CO 2 sowie Themen<br />
wie CoC-Abdeckung oder Supplier<br />
Audits.<br />
Beiersdorf ist ein dezentral aufgestelltes<br />
Unternehmen. Inwiefern verträgt sich<br />
dies mit einem zentral agierenden Einkauf?<br />
Hochgesand: Ein zentraler Einkauf hat<br />
viele Vorteile. Wir können besser sicherstellen,<br />
dass weltweit einheitliche Prozesse<br />
Anwendung finden. Themen wie Compliance<br />
und Nachhaltigkeit können inten-<br />
Die Beiersdorf AG schloss das Geschäftsjahr<br />
2021 mit 7,6 Mrd.<br />
Euro Umsatz und einem Plus von<br />
9,7 Prozent gegenüber Vorjahr ab.<br />
Zum Unternehmensbereich Consumer<br />
gehören neben der Kernmarke<br />
Nivea u.a. die Dermokosmetik-Marke<br />
Eucerin und die Premium-Marke<br />
La Prairie. Seit 2001<br />
wird der Unternehmensbereich<br />
Tesa im Konzern als unabhängiger<br />
Teilkonzern geführt. Beiersdorf<br />
beschäftigt weltweit 20.567<br />
Menschen (Stand Ende 2021).<br />
siver und schneller vorangetrieben werden.<br />
Des Weiteren haben wir im Headquarter<br />
Expertenteams aufgebaut, die auf<br />
Augenhöhe mit unseren internen und externen<br />
Business-Partnern agieren. Dies<br />
hilft uns dabei, Wissen zu bündeln und<br />
Bedürfnisse gegenüber unseren<br />
externen Partnern klar zu<br />
formulieren. Zentralisierung<br />
bedeutet für uns aber nicht,<br />
dass lokale Bedürfnisse außer<br />
Acht gelassen werden oder<br />
keine Kommunikation stattfindet.<br />
Unsere lokalen<br />
Einkaufsleiter innnen und Einkaufsleiter<br />
sind Business Partner<br />
für das lokale Management und auch<br />
in großen Ausschreibungen, wie Media<br />
oder Seefracht, werden am Anfang lokale<br />
Bedürfnisse abgefragt.<br />
Welche Ziele in Bezug auf Diversität<br />
verfolgen Sie?<br />
Hochgesand: Entsprechend unserer im<br />
Jahr 2021 verkündeten „Beiersdorf Gender<br />
Parity Ambition“ streben wir bis 2025 eine<br />
geschlechterparitätische Besetzung von<br />
Führungspositionen unterhalb des Vorstands<br />
im Verhältnis 50:50 an. Im Einkauf<br />
sind bereits 50 Prozent der Mitarbeitenden<br />
in Führungspositionen weiblich und<br />
im gesamten Einkauf liegt der Frauenanteil<br />
bei 60 Prozent. Wir fördern und fordern<br />
Gleichberechtigung, Chancengleichheit<br />
und Inklusion – unabhängig von Geschlecht,<br />
Nationalität, ethnischer oder sozialer<br />
Herkunft, Religion oder Weltanschauung,<br />
Behinderung, Alter, sexueller<br />
Orientierung oder Identität. Im Jahr 2012<br />
haben wir die Charta der Vielfalt unterzeichnet,<br />
um sicherzustellen, dass Vielfalt<br />
in der deutschen Arbeitskultur anerkannt,<br />
wertgeschätzt und einbezogen wird. Auf<br />
Initiative unserer eigenen Mitarbeitenden<br />
haben wir interne Communities gegründet,<br />
die sich für LGTBIQ+ (lesbisch,<br />
schwul, bisexuell, transgender, intersexuell,<br />
queer und mehr), die Gleichberechtigung<br />
von Frauen am Arbeitsplatz, die Integration<br />
neuer internationaler Kollegen<br />
und Kolleginnen und die Interessen älterer<br />
Kolleginnen und Kollegen einsetzen.<br />
Die Fragen stellte<br />
Annette Mühlberger, Journalistin.<br />
<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 06 | 2022 17
Foto: GEA<br />
GEA ist weltweit einer der größten Systemanbieter für die Nahrungsmittel-, Getränke- und Pharmaindustrie.<br />
Einkauf aus einer Hand<br />
Bei GEA, einem internationalen Technologieunternehmen, stehen die Zeichen auf<br />
digitaler Transformation. Auch der indirekte Einkauf soll von innovativen SAP-Technologien<br />
profitieren. Unterstützt wird die gesamte Implementierung vom SAP Gold Partner apsolut.<br />
Die laufende S/4-Transformation ist ein konzernweites<br />
Projekt, in dessen Rahmen der traditionsreiche<br />
industrielle Technologieanbieter seine äußerst<br />
heterogene, historisch gewachsene ERP-Systemlandschaft<br />
durch SAP S/4HANA ablösen will. Auch in der<br />
indirekten <strong>Beschaffung</strong> soll eine Vielzahl IT-gestützter<br />
und manueller Verfahren global vereinheitlicht<br />
werden, und zwar durch kombinierten Einsatz von<br />
Ariba Guided Buying und S/4HANA Central Procurement<br />
(CP). Nach erfolgreich abgeschlossener Pilotphase<br />
werden die beiden SAP-Einkaufslösungen bis<br />
Ende des Jahres auf 22 Landesgesellschaften ausgerollt,<br />
weitere folgen.<br />
„Aufgrund unserer starken internationalen Diversifizierung<br />
ist unser indirekter Einkauf durch zahl -<br />
reiche zentrale, regionale und lokale Zuständigkeiten<br />
geprägt“, erläutert Kati Rother, Digital Procurement<br />
Program Manager bei GEA. „Daher stand<br />
unser Projektteam zunächst vor der schwierigen<br />
Aufgabe, unternehmensweit einheitliche Prozesse,<br />
Strukturen und Rollen für die Bestellvorgänge zu<br />
definieren und eine geeignete Procurement-Lösung<br />
auszusuchen.“<br />
Zuschlag für Ariba Guided Buying<br />
Im Einklang mit der globalen Digitalisierungsstra -<br />
tegie mit SAP fiel die Wahl auf Ariba Guided Buying –<br />
eine zentrale Plattform, die den Source-to-Pay-<br />
Prozess automatisiert und sich leicht in die vorhan -<br />
dene Multi-ERP-Systemumgebung einbinden lässt.<br />
Zudem ist Guided Buying mit strategischen Ariba-<br />
Funktionen, wie Sourcing oder Contract Management,<br />
integrierbar, die GEA zur Verbesserung der<br />
Lieferantenleistungen nutzt. Damit stehen im strate-<br />
18 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 06 | 2022
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gischen Bereich erzielte Ergebnisse – zum Beispiel<br />
Rabatte und Lieferkonditionen – direkt im operativen<br />
Einkauf zur Verfügung.<br />
Um die Kommunikation mit der bestehenden ERP-<br />
Systemumgebung zu erleichtern, führt GEA zusätzlich<br />
SAP S/4HANA Central Procurement (CP) ein. Denn<br />
es müssen vorläufig noch drei höchst unterschied -<br />
liche SAP-Backendsysteme und SAP Master Data<br />
Governance (MDG) an die Guided Buying-Plattform<br />
angebunden werden. „CP dient als Integrationsschicht,<br />
in der die Einkaufsprozesse aus heterogenen<br />
ERP-Systemen zusammengeführt, zentral gesteuert<br />
und standardisiert analysiert werden können“,<br />
erklärt Tina Schmidt, Senior Business Application<br />
Consultant SCM bei GEA.<br />
Transparenz und Zeitersparnis<br />
Bereits nach Abschluss des Pilotprojekts bei fünf<br />
GEA-Landesgesellschaften in Europa und Asien zeichnen<br />
sich die enormen Vorteile der neuen Lösungen<br />
ab. So bietet Guided Buying eine intuitive Benutzeroberfläche,<br />
über die die Anforderer die gewünschten<br />
Artikel mit wenigen Klicks aus vordefinierten Katalogen<br />
bestellen können. Da es für diese Katalogbedarfe<br />
keiner Unterstützung durch die operativen Einkäufer<br />
mehr bedarf, ist die Zeitersparnis groß. Gleichzeitig<br />
lassen sich durch vorkonfigurierbare Policies<br />
die Compliance-Richtlinien einhalten. „Mit Guided<br />
Buying konnten wir die Katalogquote bezogen auf die<br />
Zahl der Transaktionen bereits in kurzer Zeit auf<br />
30 Prozent heben,“ resümiert Kati Rother. „Ziel ist,<br />
die zeitintensiveren Freitextbedarfe weitestgehend<br />
zu reduzieren.“<br />
Gleichzeitig sorgt die neue Lösung für Transparenz im<br />
indirekten Einkauf, da sie umfassenden Aufschluss<br />
über Anforderer, Bedarfe, Lieferanten und Preise<br />
gibt. „Sobald Guided Buying global ausgerollt ist, hat<br />
GEA erstmals die Chance, alle indirekten <strong>Beschaffung</strong>svorgänge<br />
konzernweit in einem zentralen System<br />
zu überblicken“, unterstreicht Kati Rother. „Das<br />
bietet unserem strategischen Einkauf neue Möglichkeiten,<br />
wertvolle Effizienzpotenziale zu heben.“<br />
Erfahrener Beratungspartner an Bord<br />
Auch beim bevorstehenden Rollout von Guided<br />
Buying und CP vertraut GEA auf apsolut, Spezialist für<br />
Intelligent Spend Management und Digital Business<br />
Transformation, der die Einführung von Beginn an begleitet.<br />
„Mit apsolut haben wir ein äußerst erfahrenes<br />
Beraterteam zur Seite, das durch tiefes Prozess- und<br />
SAP-Know-how überzeugt“, sind sich Kati Rother und<br />
Tina Schmidt als Projektleiterinnen des Fach- und<br />
IT-Bereichs einig. „So hat es apsolut mit Bravour<br />
gemeistert, eine hochkomplexe Infrastruktur aus<br />
Sind bei GEA für die Digitalisierung<br />
der indirekten <strong>Beschaffung</strong> mit SAP<br />
verantwortlich: Kati Rother, Digital<br />
Procurement Program Manager….<br />
vorhandenen und neuen SAP Cloud- und On-Premise-<br />
Anwendungen zu einem reibungslosen End-to-End-<br />
Prozess aus der Public Cloud zu integrieren.“<br />
Insgesamt verlief die Pilotphase ohne Probleme. Kam<br />
es aufgrund der übergeordneten S/4HANA-Einführung<br />
zu Zeitverzögerungen, passte das apsolut-Team<br />
den Projektplan immer wieder kurzfristig an und<br />
lieferte pünktlich das gewünschte Ergebnis. Das ist<br />
umso bemerkenswerter, als dass das gesamte Pilotprojekt<br />
Pandemie-bedingt remote durchgeführt werden<br />
musste. „Durch die rein virtuelle Zusammen -<br />
arbeit mit den beteiligten GEA-Landesgesellschaften<br />
konnten wir stets sehr schnell reagieren“, betonen<br />
Frank Dunkel und Georgi Vanchev, die für das Projekt<br />
verantwortlich zeichnen. „Zudem sind wir in den<br />
zahlreichen Online-Workshops und -Meetings zu<br />
einem hocheffektiven Team zusammengewachsen,<br />
das sich punktgenau auf die <strong>aktuell</strong>en Projektan -<br />
forderungen fokussiert.“<br />
KONTAKT<br />
apsolut GmbH<br />
Oelmühlenstraße 30<br />
33604 Bielefeld<br />
Foto: GEA<br />
… und Tina Schmidt, Senior Business<br />
Application Consultant SCM.<br />
Jonas Vomstein, Head of Reference Marketing & Storytelling<br />
Telefon: +49 (0)521 163909–0<br />
E-Mail: jonas.vomstein@ap-solut.com<br />
www.ap-solut.com<br />
Foto: GEA<br />
<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 06 | 2022 19
» MANAGEMENT<br />
Ausgabentransparenz bei der Winkelmann Group<br />
Spend-Analyse – das Fenster zur<br />
Strategischen <strong>Beschaffung</strong><br />
Strategische <strong>Beschaffung</strong> beginnt mit korrekten, umsetzbaren Informationen der<br />
Ausgaben. Bei der Winkelmann Group verschaffen den notwendigen Überblick<br />
Spend-Cubes, die durch ein Regelsystem und einen Machine-Learning-<br />
Algorithmus funktionieren. Die Macher erlauben einen Einblick in das Projekt.<br />
Der Spend-Cube i. A. a.<br />
[VAN WEELE, A. J.;<br />
EßIG, M. (2017): Strategische<br />
<strong>Beschaffung</strong>,<br />
Wiesbaden: Springer<br />
Fachmedien, S.31]<br />
Die Strategische <strong>Beschaffung</strong> findet ihren Ausgangspunkt<br />
nicht nur in der Analyse von<br />
<strong>Beschaffung</strong>s märkten, sondern auch in der Unter -<br />
suchung der Ausgaben und Bedarfe. Vor allem die<br />
Untersuchung der unternehmensweiten Ausgaben<br />
basiert auf den Daten der Zahlungen und kann im<br />
Rahmen eines Spend-Managements erfasst werden.<br />
Dabei ist das Ziel des Spend-Managements, durch<br />
die systematische Verwaltung, Erfassung und Konsolidierung<br />
von Ausgabendaten eine größtmögliche<br />
Transparenz über alle <strong>Beschaffung</strong>sbereiche zu<br />
schaffen. Ein Teilbereich des Spend-Managements<br />
stellt die Spend-Analyse dar. Die Spend-Analyse beschreibt<br />
die systematische Datenanalyse und das Ableiten<br />
von Entscheidungen aus diesen Daten und<br />
Analysen. Ein zentraler Begriff in diesem Zusammenhang<br />
ist die datenbasierte Entscheidungsunterstützung.<br />
Dies kann als Praxis verstanden werden, Entscheidungen<br />
unter Berücksichtigung von Datenanalysen<br />
zu treffen. Dabei ist jedoch hervorzuheben,<br />
Bild: Autor<br />
dass es sich hierbei um keine ausschließende Praxis<br />
handelt, vielmehr sollen Entscheidungen aus einer<br />
Kombination von bestehenden Verfahren (z. B. Matrix-<br />
Analysen), Erfahrungen der EinkäuferInnen und eben<br />
der Daten getroffen werden.<br />
Eine Möglichkeit für die Darstellung und nachgelagerte<br />
Analyse von <strong>Beschaffung</strong>sausgaben bietet ein<br />
sogenannter Ausgabenwürfel oder auch Spend-Cube,<br />
der über die verschiedenen Achsen die Ausgaben beispielsweise<br />
hinsichtlich von Lieferanten, Produktkategorien<br />
und Kostencentern schematisch visualisieren<br />
kann. Das Herzstück des Spend-Cubes ist eine<br />
relationale Datenbank.<br />
Spend-Cube bei Winkelmann<br />
Den oben genannten Ausführungen folgend, hat die<br />
Winkelmann Group einen entsprechenden individuellen<br />
Spend-Cube etabliert. Die Winkelmann Group<br />
GmbH + Co. KG ist im Bereich der Metallumformung<br />
eine der führenden Unternehmensgruppen. Mit den<br />
drei Geschäftsbereichen Automotive, Building + Industry<br />
und Flowforming werden namhafte Kunden aus<br />
unterschiedlichen Branchen und Industrien erreicht.<br />
Die Hauptverwaltung des Konzerns befindet sich in<br />
Ahlen, Deutschland, wo das Unternehmen 1898 als<br />
Handwerksbetrieb unter dem Namen Winkelmann &<br />
Pannhoff GmbH gegründet wurde. Heute verfügt die<br />
Unternehmensgruppe über Produktionsstandorte in<br />
Deutschland, Polen, der Türkei, den USA und Mexiko.<br />
Die Unternehmen des Geschäftsbereichs Automotive<br />
agieren als Zulieferer von Systemkomponenten für<br />
die Automobilindustrie, wobei ein Fokus auf die Entwicklung<br />
und Produktion von rotationssymmetrischen<br />
Motor- und Getriebekomponenten sowie auf<br />
Baugruppen für die Kraftstoffversorgung gelegt wird.<br />
Der Geschäftsbereich Building + Industry bietet seinen<br />
Kunden Lösungen für wasserführende Systeme<br />
in der Gebäude- und Versorgungstechnik, dazu zählen<br />
u. a. Druckausdehnungsgefäße, Wasseraufbereitungssysteme<br />
und Warmwasserspeicher.<br />
20 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 06 | 2022
Der dritte Geschäftsbereich Flowforming fertigt anwendungsspezifische<br />
Produkte mithilfe von spanlosen<br />
Umformverfahren für Kunden aus den Bereichen<br />
Nutzfahrzeugtechnik, Luft- und Raumfahrt, Medizintechnik<br />
und auch für den allgemeinen Anlagen- und<br />
Maschinen bau.<br />
Transparenz aller Ausgabedaten<br />
Ein Grund für die Entwicklung eines unternehmensweiten<br />
Spend-Cubes war vor allem die „Schaffung einer<br />
größtmöglichen Transparenz aller Ausgabe daten<br />
über alle Unternehmensbereiche hinweg, dies vor allem<br />
auch vor dem Hintergrund der sehr heterogenen ERP-<br />
Systeme und den organisatorischen Strukturen der Unternehmensbereiche“,<br />
so Besim Jakob, der als Einkaufsleiter<br />
die strategische Verantwortung für die <strong>Beschaffung</strong><br />
bei der Winkelmann Group innehat. Ein positiver<br />
Effekt dieser Transparenz sei es, so der Einkaufsleiter,<br />
Synergieeffekte zwischen den Einkaufsbereichen zu<br />
heben und gruppenweite Produktgruppenstrategien zu<br />
entwickeln. Dafür enthält die, im Rahmen eines AT Kearney-Beratungsprojektes<br />
implementiert und von Dr.<br />
Jens Hühn (Huehn Solutions GmbH) entwickelte permanente<br />
Spend-Cube-Lösung die Möglichkeit, Ausgabedaten<br />
mit der Hilfe von einem Regelsystem und einem<br />
auf Machine Learning basierenden Algorithmus<br />
zu kategorisieren und somit den strategischen Produktgruppen<br />
zuzuordnen.<br />
Im Zusammenhang mit der Stabilisierung des Spend-<br />
Managementprozesses und der Ausbreitung des<br />
Systems in den Einkaufsbereichen der Winkelmann<br />
Group kam in verschiedenen Gesprächen auf, dass weitere<br />
Anpassungen der vorhandenen Lösung notwendig<br />
sind, um die vollen Potenziale der Spend-Analyse in der<br />
Strategischen <strong>Beschaffung</strong> heben zu können.<br />
Vorschläge der Nutzer beachten<br />
Aus diesem Grund hat Malte Igelmann im Rahmen<br />
seiner Masterarbeit eine umfassende Analyse der Situation<br />
durchgeführt, sodass auf der einen Seite aus<br />
einer theoretischen Sicht Weiterentwicklungen von<br />
Spend-Analyse-Ansätzen aus der Literatur identifiziert<br />
wurden und auf der anderen Seite die derzeitige<br />
Nutzungssituation erfasst und Verbesserungsvorschläge<br />
der potenziellen NutzerInnen erhoben wurden.<br />
Die Notwendigkeit der regelmäßigen Überprüfung<br />
des Spend-Managements ergab sich auch daraus,<br />
dass der Prozess des Spend-Managements auch<br />
Metallverarbeitung ist komplex<br />
genug. Da müssen es Ihre<br />
Lieferanten nicht auch noch sein.<br />
GMW – alles aus einer Hand.<br />
Die Gersfelder Metallwaren GmbH steht seit über 50 Jahren für innovative<br />
Fertigungslösungen von Montage- und Schweißbaugruppen, Draht- und Rohrbiegeteilen<br />
sowie Drehteilen. Wir begleiten Sie von Entwicklung über Prototyp<br />
bis Serienproduktion. GMW – alles aus einer Hand.<br />
www.gersfelder-metallwaren.de<br />
<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 06 | 2022 21
» MANAGEMENT<br />
Bild: Autor<br />
Der Weg der Daten.<br />
in der Literatur als ein Regelkreis verstanden werden<br />
kann und somit kontinuierliche und systematische<br />
Entwicklungen erfordert.<br />
Das Ergebnis dieser Analysen zeigt zunächst auf, dass in<br />
den Einkaufsbereichen noch einige Potenziale in Bezug<br />
auf die Nutzung des Tools existieren, aber es ist auch<br />
hervorzuheben, dass der Nutzen für die individuelle<br />
Leistung in der strategischen <strong>Beschaffung</strong> als eher hoch<br />
angesehen wird. Diese Diskrepanz zwischen erwartetem<br />
Nutzen und der <strong>aktuell</strong>en Nutzung lässt sich auf verschiedene<br />
Ursachen zurückführen: Zunächst kann festgehalten<br />
werden, dass viele NutzerInnen aufgrund von<br />
organisatorischen und technischen Hürden die Lösung<br />
nicht umfassend nutzen. Diese Hürden äußern sich<br />
durch z.B. langsame Ladezeiten, fehlendes Training und<br />
Herausforderungen bei der Dateninterpretation. Außerdem<br />
zeigte sich bei der Erfassung der Anforderungen an<br />
das Tool, dass die verschiedenen Verbesserungsvorschläge<br />
von Erweiterungen der Reports über Schulungen<br />
und Anleitungen, bis hin zu Verbesserung der Nutzerfreundlichkeit<br />
reichen.<br />
Aufgrund dieser Erkenntnisse konnten Handlungsempfehlungen<br />
identifiziert werden, die eine Erhöhung<br />
der strategischen Nutzung des Tools in den Einkaufsbereichen<br />
versprechen. Beispiele für Handlungsempfehlungen<br />
sind aus einer organisatorischen Sicht<br />
die Erstellung einer umfangreichen Dokumentation,<br />
eines Zugangskonzepts, sowie die Durchführung von<br />
Schulungen und die Bereitstellung von Anleitungen.<br />
Aus einer technischen Perspektive soll vor allem die<br />
Datenmenge reduziert werden, sodass Zugriffszeiten<br />
verbessert werden. Darüber hinaus besteht ein Ziel<br />
darin, in Abstimmung mit den verantwortlichen EinkäuferInnen<br />
weitere Standardreports zu entwickeln,<br />
die bedarfsgerecht und selbstständig aus dem Tool<br />
abgerufen werden können. Diese Empfehlungen befinden<br />
sich derzeit in der internen Evaluation, sollen<br />
dann umgesetzt und im Rahmen eines Reviews der<br />
Produktgruppenstrategie angewendet werden.<br />
Abschließend ist festzuhalten, dass für eine performancesteigernde<br />
Auswirkung von Tools zur Datenanalyse<br />
auch immer die NutzerInnen berücksichtigt<br />
werden sollten, da an dieser Stelle die Ergebnisse final<br />
umgesetzt und in einen Mehrwert umgewandelt<br />
werden müssen. Dieser Fokus auf die Zielgruppe wurde<br />
durch die durchgeführte Untersuchung gesetzt<br />
und wird auch durch Aussagen der TeilnehmerInnen<br />
bestätigt, die darauf hinweisen, dass die individuelle<br />
Bedarfserfassung als notwendig und zielführend erachtet<br />
wird. In diesem Zusammenhang fasst folgende<br />
erhobene Aussage die Thematik final zusammen: „Der<br />
Spend-Cube ermöglicht es, einen Überblick über alle<br />
Unternehmen der Winkelmann Group zu entwickeln,<br />
und gewährleistet, dass alle Mitarbeiter mit der gleichen<br />
Perspektive einen Zugang zu Informationen und<br />
Beispielen anderer Geschäfts einheiten erhalten.“<br />
Malte Igelmann<br />
Procurement Controlling<br />
& Process Excellence,<br />
Winkelmann Group<br />
GmbH + Co. KG<br />
Besim Jakob<br />
Leitung Strategischer<br />
Einkauf, Prokurist,<br />
Winkelmann Group<br />
GmbH<br />
Dennis Meyer<br />
Wiss .Mitarbeiter &<br />
Doktorand Lehrstuhl für<br />
Unter neh mens logistik,<br />
TU Dortmund<br />
Dr. Jens Hühn<br />
Huehn Solutions GmbH<br />
22 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 06 | 2022
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Foto: NicoElNino/ iStock<br />
Einkäufer sparen viel Zeit und Kosten mit digitalisierten <strong>Beschaffung</strong>sprozessen<br />
Digitale <strong>Beschaffung</strong>:<br />
Schneller, sicherer, günstiger<br />
Digitale <strong>Beschaffung</strong> hilft dabei, Lieferketten zu stabilisieren und Produktionsabläufe<br />
zu harmonisieren. Doch man sollte auch nicht vergessen, dass das digitalisierte<br />
<strong>Beschaffung</strong>swesen noch drei weitere wichtige Vorteile hat: Zeit sparen, Kosten senken<br />
und Risiken minimieren.<br />
Zeit sparen<br />
Im Rahmen der Techconsult-Studie »Digitale Prozesse<br />
– <strong>Beschaffung</strong> und Rechnungsverwaltung in<br />
deutschen Unternehmen« schätzen die Befragten die<br />
Zeitersparnis, die mittels digitalisierter <strong>Beschaffung</strong><br />
erzielt werden kann, sehr hoch ein: Durchschnittlich<br />
40 Prozent weniger Zeitaufwand erwarten die Studienteilnehmer<br />
durch ein digitalisiertes <strong>Beschaffung</strong>swesen.<br />
Kosten senken<br />
Gezielt ausgewählte digitale Lösungen können helfen,<br />
<strong>Beschaffung</strong>sprozesse zu automatisieren, zu verschlanken<br />
und eine enge Verzahnung mit dem Lieferanten<br />
und seiner Logistik herzustellen. Das senkt die<br />
Kosten. Eine Studie der Hackett Group zeigt, dass<br />
Unternehmen mit World-Class-Einkaufsfunktion 21%<br />
Personalkosten und bis zu 30% Prozesskosten sparen.<br />
Risiken minimieren<br />
Die politischen und wirtschaftlichen Disruptionen<br />
der letzten zwei Jahre haben gezeigt, dass Einkäufer<br />
immer mehr Aufwand betreiben müssen, um ihre Lieferketten<br />
stabil zu halten. Digitalisierte <strong>Beschaffung</strong><br />
ermöglicht es Einkäufern, ihre Risiken durch die zielgenaue<br />
Suche nach alternativen Lieferanten und Herstellern<br />
zu mindern.<br />
Orderfox verbindet diese Vorteile digitaler <strong>Beschaffung</strong><br />
mit der Expertise ihrer Mitarbeiter. Unterstützt von<br />
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<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 06 | 2022 23
V. l.: Sebastian Janzen (SV Werder Bremen), Reinhild Müller-Holthusen (Bayer 04 Leverkusen), Sabine Ursel (für <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong>), Oliver Diefenbach<br />
(ehemals VfL Bochum, jetzt Bayer 04), Panagiotis Alexopoulos (FC Schalke 04) sprachen im März über den Einkauf in einem Bundesliga-Fußballverein.<br />
Bild: Neil Baynes, Bayer 04<br />
Exklusiv: 1. und 2. Fußballbundesliga<br />
Einkaufsleiter haben jeden<br />
Stein umgedreht<br />
Treffpunkt BayArena: Gastgeberin Reinhild Müller-Holthusen von Bayer 04 Leverkusen,<br />
Panagiotis Alexopoulos vom FC Schalke 04, Sebastian Janzen von SV Werder Bremen<br />
und Oliver Diefenbach ehemals VfL Bochum, jetzt Bayer 04 sprachen in exklusiver<br />
Runde mit <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> über die schwierige Phase des Einkaufs in den Klubs<br />
der 1. und 2. Fußballbundesliga.<br />
Wie hat sich die lange Corona-Phase<br />
auf Ihren Personalstand ausgewirkt?<br />
Sebastian Janzen: Wir haben derzeit<br />
noch rund 220 Kräfte in Werders Kapitalgesellschaft.<br />
Einige haben während der<br />
Pandemie auch in Eigenregie einen anderen<br />
Job außerhalb des Fußballs gesucht,<br />
vor allem Jüngere. Der Arbeitsmarkt war<br />
ja bereit. Interessant ist in diesem Kontext,<br />
dass Sponsoren mit Stadionwerbung<br />
nicht mehr nur ihre Produkte adressieren,<br />
sondern über diesen Weg auch Fachkräfte<br />
suchen.<br />
Reinhild Müller-Holthusen: Bei<br />
Bayer 04 arbeiten rund 300 Personen in<br />
der Verwaltung. Pandemiebedingt gab es<br />
keine nennenswerten Abgänge. Allerdings<br />
war es in dieser Zeit nicht einfach, für unseren<br />
Bereich Einkauf eine adäquate<br />
Nachfolge für mich zu finden. Obwohl ein<br />
Bundesligaclub wie Bayer 04 als Marke<br />
eine attraktive Adresse darstellt.<br />
Panagiotis Alexopoulos: Bei Schalke<br />
ist die Mitarbeiterzahl etwas kleiner geworden,<br />
aber das hat teilweise unterschiedliche<br />
Gründe. Als eingetragener<br />
Verein sind unsere Zahlen in der Regel<br />
nicht direkt vergleichbar mit Kapitalgesellschaften.<br />
Wir haben zum Beispiel das<br />
Catering in eigener Hand.<br />
Welche Anpassungen mussten Sie im<br />
Einkauf vornehmen?<br />
Alexopoulos: Wir haben alles hinterfragt.<br />
Wir haben die Aufwandsseite angeschaut,<br />
nach Fachabteilungen bzw. Kostenstellen<br />
geclustert und gemeinsam<br />
Position für Position auf Sinnhaftigkeit<br />
überprüft, was etwa Mengen und Pauschalen<br />
betrifft. Bei den Gesprächen<br />
haben sich unsere Lieferanten sehr<br />
solidarisch gezeigt. Wir konnten einen<br />
siebenstelligen Betrag einsparen.<br />
Janzen: Wir haben bei allen Kostenstellen,<br />
die nicht Personal betrafen, rund 30<br />
Prozent eingespart. Wir mussten auch den<br />
Lizenzanforderungen für die 2. Liga entsprechen.<br />
Corona kam auch bei uns als<br />
Brandbeschleuniger dazu.<br />
24 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 06 | 2022
MANAGEMENT «<br />
Aus Platzgründen können wir<br />
hier nur einen Teil des<br />
Gesprächs mit den Einkaufsleitern<br />
der Fußball bun des li gisten<br />
zeigen. Lesen Sie den vollständigen<br />
Beitrag online unter<br />
www.beschaffung-<strong>aktuell</strong>.de/<br />
einkauf/ekl-Bundesliga<br />
fer treffen sich im Übrigen seit vielen<br />
Jahren in Arbeitskreisen beim DFB und bei<br />
der DFL. C-Artikel werden von den Kollegen<br />
über unser Bestellsystem geordert. A-<br />
und B-Artikel machen wir gemeinsam mit<br />
den Fachkollegen.<br />
Diefenbach: Für Analysen nutze ich intensiv<br />
die vorhandenen Systeme und frage<br />
im Anschluss die Fachabteilungen, wobei<br />
ich unterstützen kann oder wo es aus<br />
meiner Sicht Redebedarf gibt. Ich sehe<br />
mich als internen Dienstleister. Auf der<br />
anderen Seite kommen die Fachabteilungen<br />
selbstständig bei anstehenden Ausschreibungen<br />
und Verhandlungen auf den<br />
zentralen Einkauf zu. Er wird bei Bayer 04<br />
intensiv genutzt.<br />
<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong>: Thema Maverick<br />
Buying …<br />
Janzen: Das gibt es trotz neuer Prozesse<br />
immer noch. Wie die anderen Klubs<br />
schauen wir uns einmal in der Saison die<br />
<strong>aktuell</strong>en Kreditorenlisten an. Dann sehen<br />
wir, was am Portal vorbei geordert wurde,<br />
das reicht von Radiobuchungen bis Blumensträuße.<br />
Auch unser Controlling meldet<br />
sich schnell, wenn Reinigungsleistungen<br />
außerhalb des Vertrags bestellt oder<br />
Barter-Geschäfte unabgestimmt vereinbart<br />
wurden. Den letzten C-Artikel schauen<br />
wir logischerweise auch nicht mehr an.<br />
Alexopoulos: Bei Barter-Deals müssen<br />
wir genau abwägen: Wie sind gegenseitige<br />
Leistungen marktgerecht zu bewerten?<br />
Und es ist auch nicht alles sinnvoll.<br />
Diefenbach: Bartern ist kein explizites<br />
Ziel. Aber wenn wir Produkte oder Dienstleistungen<br />
brauchen, kann das schon mal<br />
Sinn machen, weil man Tickets oder Werbeleistungen<br />
im Tausch zur Verfügung<br />
stellen kann.<br />
Müller-Holthusen: Jeder Barter-Deal<br />
muss bei uns in der Einkaufsabteilung beantragt,<br />
begründet und abgezeichnet<br />
Wie ist Ihre Rolle in Sachen Merchandising?<br />
Schals gab es schon immer. Einkauf<br />
als Abteilung wurde ja erst spät<br />
etabliert. Und viele Klubs haben ihn<br />
noch gar nicht auf ihrer Agenda.<br />
Müller-Holthusen: Merchandising war<br />
neben dem Ticketing der erste Bereich im<br />
„Non-Sport“-Bereich, der professionalisiert<br />
wurde. Hier wurde ein bewährter Lieferantenstamm<br />
aufgebaut, das Lizenzgeschäft<br />
erweitert und Lager und Logistik<br />
optimiert. Lange bevor wir den Einkauf<br />
2014 bei Bayer 04 eingeführt haben. In<br />
der Zeit gab es mit der Merchandising-<br />
Abteilung ein Grundsatzgespräch hinsichtlich<br />
der Umsetzung unserer Einkaufsrichtlinien.<br />
Die Kompetenzen liegen in der<br />
Fachabteilung, aber wir arbeiten eng zusammen<br />
und profitieren voneinander.<br />
Alexopoulos: Seit dem dritten Quartal<br />
2021 haben wir einen neuen Prozess<br />
etabliert. Wir sehen uns jetzt nicht jeden<br />
Schallieferanten an, das ist klar. Als Zentraleinkauf<br />
schauen wir auf die Jahreszahlen<br />
aller Bereiche. Generell gilt: Ab<br />
Summe x wird der Zentraleinkauf eingeschaltet.<br />
Janzen: Bei uns kümmert sich die Geschäftsführerin<br />
der Bremer Fanservice<br />
GmbH darum. Die Merchandising-Einkäuwerden.<br />
Es gibt eine wertmäßige Obergrenze.<br />
Es werden nur Produkte gegen<br />
Werbeleistungen getauscht, die wir brauchen.<br />
Das sind zum Beispiel Medikamente<br />
oder Tapes, Getränke wie Kaffee oder<br />
Wasser, auch Media- oder Druckleistungen<br />
sowie zum Beispiel Dünger im Bereich<br />
Greenkeeping. Und wir fragen unsere<br />
Fachabteilungen – darunter fallen auch<br />
die sportlichen Bereiche wie Lizenz, Frauenfußball,<br />
Leistungszentren, Physios etc.<br />
–, welche Produkte tatsächlich in welcher<br />
Menge benötigt werden. Es gibt keine<br />
Deals nebenher. Nach jeder Saison laufen<br />
die Vereinbarungen automatisch aus, weil<br />
sich Bedarfe und Mengen der Fachabteilungen<br />
ändern können.<br />
Janzen: Als ich 2013 bei Werder anfing,<br />
hatten wir 100 Lieferanten allein für Büroartikel.<br />
Da hat jeder bestellt, was und<br />
wo er wollte. Heute haben wir einen Lieferanten<br />
im Portal. Und wenn ich dabei in<br />
Absprache mit dem Sponsoring bartern<br />
kann, brauche ich keinen Spend, ich schone<br />
also meinen Etat.<br />
Sie vier sind ja Vertreter des Einkaufsleiterkreises<br />
der 1. und 2. Bundesliga.<br />
Warum haben bisher nur wenige der 36<br />
Klubs einen zentralen Einkauf etabliert?<br />
Alexopoulos: Das fragen wir uns auch.<br />
Unseres Wissens ist das bisher nur bei<br />
Schalke, Werder, Leverkusen, Bochum,<br />
Frankfurt, Leipzig, Wolfsburg, HSV und St.<br />
Pauli der Fall. Interessant wäre es aber<br />
schon zu sehen, wie die anderen Klubs<br />
komplexe Themen wie Fuhrpark, Mobilsysteme,<br />
Druck, Versicherungen oder<br />
Energie ohne zentralen Einkauf managen.<br />
(...] Lesen Sie online weiter!<br />
Das Interview führte Sabine Ursel,<br />
Journalistin, Wiesbaden.<br />
VERANTWORTUNG IST UNSER ANTRIEB.<br />
In Kooperation mit:<br />
gpal.de<br />
RZ_GPAL_21-222_AZ_188x32_<strong>Beschaffung</strong>Aktuell_06.indd 1 11.05.22 09:51<br />
<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 06 | 2022 25
» MANAGEMENT<br />
Bild: BillionPhotos.com/stock.adobe.com<br />
Blended Rates entschlüsseln<br />
Wie Beratertagessätze<br />
vergleichbar werden<br />
Die durch Unternehmensberater in Rechnung gestellten<br />
Tages sätze gehören zu den großen Geheimnissen unserer<br />
Zeit. Die Branche scheut die Vergleichbarkeit und Berater<br />
unternehmen große Anstrengungen, ihre „Unique Selling<br />
Proposition “ in den Vordergrund zu stellen. Der Versuch der<br />
Commoditisierung ihrer Dienstleistung entgegenzuwirken,<br />
spiegelt sich sowohl in den individuellen Rangordnungen<br />
als auch in der Preisgestaltung wider.<br />
Grundsätzlich lassen sich bei Unternehmensberatern<br />
zwei Honorar -<br />
typen feststellen – die Abrechnung nach<br />
Fixpreis oder nach Aufwand. Neben hybriden<br />
Abrechnungsformen – der Kombination<br />
fixer und aufwandsbezogener Komponenten<br />
– sind aber inzwischen auch erfolgsabhängige<br />
Honorarvereinbarungen<br />
gängig.<br />
Während Fixpreise meist für Projekte mit<br />
einem eindeutigen Ergebnisversprechen<br />
infrage kommen und somit Werkvertragscharakter<br />
haben, sind sogenannte<br />
Time-&- Material-Modelle besonders<br />
geeignet für durch ein Leistungsversprechen<br />
geprägte Projekte. Somit folgt diese<br />
Abrechnungsform dem Konzept von<br />
Dienstverträgen.<br />
Fixpreis und Tagessätze<br />
Selbst in Situationen, in denen der Auftraggeber<br />
einen Fixpreis bevorzugt, ist es<br />
sinnvoll, auch die dem Preis zugrunde liegenden<br />
Personentagessätze mitanzufragen.<br />
Fallen nämlich im Zusammenhang<br />
mit dem Projekt weitere Aufgaben an,<br />
Checkliste<br />
Bei der Angebots -<br />
einholung ist aus Sicht<br />
des Einkaufs eine<br />
wertvolle Referenz :<br />
• Vergütungsmodell<br />
(pauschal, nach<br />
Aufwand,<br />
erfolgsabhängig)<br />
• Bemessungsgrundlage<br />
(Stunden, Tage ,<br />
Wochen)<br />
• Modus der<br />
Leistungserbringung<br />
(vor Ort, Remote,<br />
hybrid)<br />
• Honorarkomponenten<br />
(Spesen, Lizenzen, etc.)<br />
• Vorgabe der Rang -<br />
stufen und<br />
Beschreibung<br />
(Consultant, Manager,<br />
Partner)<br />
26 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 06 | 2022
Case study: Entschlüsseln von Blended Rates<br />
Berechnungsformel für Rangstufe „Manager“.<br />
Nehmen wir an, es wurde ein<br />
Beratungsprojekt ausgeschrieben<br />
und zwei Dienstleister<br />
haben Angebote unterbreitet,<br />
hier Alpha und Bravo. Alpha<br />
bietet individuelle Tagessätze<br />
nach Rängen an:<br />
• Partner, 4500 €, 1 Tag<br />
• Manager, 1950 €, 3 Tage<br />
• Consultant, 900 €, 5 Tage<br />
Bravo bietet eine Blended Rate<br />
von 1700 € über dieselben Rangstufen<br />
und mit demselben Tageskontingent<br />
an. Der hohe Tagessatz<br />
des Partners im Angebot von Alpha<br />
schreckt möglicherweise ab,<br />
dennoch ist der gewichtete Tagessatz<br />
mit 1650 € niedriger als bei<br />
Bravo.<br />
Leider sind Angebote im echten<br />
Leben nie so einfach vergleichbar.<br />
Deshalb wäre es gut, Blended Rates<br />
in individuelle Tagessätze umzurechnen.<br />
Mit der abgebildeten<br />
Bild: Apadua<br />
Umrechnungsformel ist das ziemlich<br />
einfach.<br />
Nach Analysen von Apadua ist der<br />
Tagessatz der Manager im Durchschnitt<br />
etwa 1,6 mal so hoch wie<br />
der von Consultants. Diese Relation<br />
(1,6) wird mit dem Gesamtaufwand<br />
(5 + 3 + 1) und der Blended<br />
Rate (1700 €) multipliziert und<br />
schließlich durch die mit der<br />
Struktur gewichteten Referenz -<br />
tagessätze (C: 1.260 €, M: 2.010 €,<br />
P: 3.390 €) dividiert. Hieraus ergibt<br />
sich ein Tagessatz für Manager<br />
von 1.950 €. Hierdurch wird deutlich,<br />
dass bei Bravo die niedrige<br />
Rangstufe „Consultant“ mit 1.230 €<br />
deutlich teurer ist als bei Alpha<br />
(900 €).<br />
Category Manager können „eigene“<br />
Formeln aus Rate Cards oder<br />
Angeboten ihrer Dienstleister ableiten<br />
und so für mehr Transparenz<br />
im Beratungseinkauf sorgen.<br />
können diese dann anhand der vorverhandelten<br />
Sätze beauftragt werden.<br />
Für den Einkauf liegt der Vorteil auf der<br />
Hand, er verhandelt die Preise, wenn der<br />
Hebel am größten ist – vor Projektbeginn.<br />
Aber auch für den Dienstleister ist eine<br />
vorgängige Festlegung der Tagessätze<br />
vorteilhaft, weil eventuelle Nachträge zügig<br />
bearbeitet werden können und das<br />
Projektgeschehen so minimal gestört wird.<br />
Einige Beratungsfirmen setzen bei der<br />
Vereinbarung von Personentagessätzen<br />
auf Einheitsraten, sogenannte „Blended<br />
Rates“. Hierbei handelt es sich um einen<br />
gewichteten Mittelwert der Personentagessätze<br />
einzelner Beratungsressourcen.<br />
Meist werden hierzu die Zieltagessätze<br />
der einzelnen Ränge (Partner, Manager,<br />
Analyst, etc.) und der jeweils erwartete<br />
Aufwand multipliziert, anschließend addiert<br />
und die Summe durch den erwarteten<br />
Gesamtaufwand dividiert. Besonders<br />
kompliziert wird es, wenn nicht nur Blended<br />
Rates, sondern Team- oder gar Wochenpreise<br />
angeboten werden. Um Angebote<br />
unterschiedlicher Dienstleister sicherstellen<br />
zu können, ist es empfehlenswert<br />
– analog zum Einkauf von direkten<br />
Materialien – klare Vorgaben zu Inhalt<br />
und Format zu machen. Dies gilt sowohl<br />
für den Honorartyp (pauschal oder nach<br />
Aufwand) als auch für eine mögliche erfolgsabhängige<br />
Komponente. Außerdem<br />
sollte vorab bestimmt werden, wie mit<br />
Nebenkosten (bspw. Reisespesen, Lizenzen,<br />
Kommunikationskosten, etc.) umzugehen<br />
ist. Bei der Abrechnung nach Aufwand<br />
ist es hilfreich eigene Rangstufen<br />
zu definieren, denen die Anbieter ihre<br />
Ränge zuordnen. Wenn Blended Rates<br />
angeboten werden, ist auf die entsprechende<br />
Teamzusammensatzung zu achten,<br />
also welche Rangstufe wie viel Anteil<br />
am Gesamtaufwand einnimmt.<br />
Häufig stellt sich für interne Kunden die<br />
Frage nach dem möglichen Mehrwert des<br />
Einkaufs bei der Auswahl von Beratern<br />
und anderen Professional Services Anbie-<br />
tern. Eigene Benchmarks auf Basis echter<br />
Projekte und Rahmenverträge vorzubereiten<br />
und so Preistransparenz zu schaffen<br />
ist sicherlich ein gutes Argument den Einkauf<br />
frühzeitig einzubinden. Zwar sollten<br />
Dienstleister nicht ausschließlich auf Basis<br />
von Preisen ausgewählt werden, dennoch<br />
ist Transparenz und Vergleichbarkeit<br />
auch für interne Kunden wichtig.<br />
Gregory N. Vider<br />
Gründer und<br />
Geschäftsführer der<br />
Apadua GmbH<br />
Bild: Apadua<br />
<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 06 | 2022 27
» MANAGEMENT<br />
Einkaufstool für den Mittelstand unterstützt in der Krise<br />
Lieferantenanfragen per Express<br />
Die <strong>aktuell</strong>e Versorgungslage bedeutet für viele Unternehmen große Herausforderungen.<br />
Dringend werden neue beziehungsweise alternative Lieferanten gesucht. Doch<br />
oft fehlen die Kapazitäten und das Know-how über die Möglichkeiten der potenziellen<br />
Geschäftspartner. Ein einfaches, aber effizientes Anfragetool kann hier Unterstützung<br />
leisten. <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> sprach mit Helmut Rau, der dazu das Anfragetool ExprAn<br />
entwickelt hat.<br />
<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong>: Herr Rau, Sie<br />
bieten mit ExprAn ein Anfragetool für<br />
den Einkauf an. Funktioniert ein solches<br />
Tool in diesen Zeiten überhaupt noch,<br />
oder sind hier wieder die persönlichen<br />
Beziehungen bzw. Netzwerke gefragt?<br />
Helmut Rau: Ja, die Zeiten im Einkauf<br />
sind wieder einmal, auf ganz andere Weise<br />
als in der Konjunkturkrise, hart. Zuletzt<br />
musste um den letzten Euro gekämpft<br />
werden. Teilweise auch Lieferanten ersetzt<br />
werden, die nicht durch die Krise ka-<br />
men. Nun zeigt sich ein ganz anderes<br />
Bild. Überall fehlt es an Vormaterial und<br />
Kapazitäten. Und ja, unsere Kunden berichten,<br />
dass sie die Situation mit ExprAn<br />
besser bewältigen, als sie es in der Vergangenheit<br />
unter ähnlichen Bedingungen<br />
konnten.<br />
Wie kann ein Tool wie ExprAn hier Vorteile<br />
bieten, es kann doch keine Kapazitäten<br />
schaffen?<br />
Rau: Doch, im Grunde schafft es Kapazitäten.<br />
Da es in ExprAn für den Einkäufer<br />
zeitlich keinen Aufwand macht, wie viele<br />
Lieferanten er anfragt, kann er immer alle<br />
seine zugelassenen Lieferanten in eine<br />
Anfrage einbinden und so finden sich<br />
doch immer noch Lieferanten, die eventuell<br />
das Material noch am Lager oder entsprechend<br />
Kapazitätslücken haben. Unser<br />
Kunde EMAG hat den November 2021<br />
ausgewertet und ermittelt, dass 93,5 Prozent<br />
der Anfragen mit Angebot waren. Bei<br />
den restlichen 6,5 Prozent hat es wohl<br />
Um ExprAn einzurichten, legen die<br />
Einkäufer einmalig die für Anfragen<br />
entsprechenden Lieferantenpools<br />
in der Eingabemaske an.<br />
Danach laden sie zum passenden<br />
Lieferantenpool die Kontaktdaten<br />
der Lieferanten per Excel-Liste in<br />
das System. Firmennamen,<br />
Ansprechpartner und E-Mail-<br />
Adressen reichen aus.<br />
Schritt 1 – Anfrage ausführen<br />
Zum Start einer Ausschreibung<br />
öffnet der Einkäufer eine neue<br />
Anfrage und wählt einfach seinen<br />
passenden Lieferantenpool für die<br />
Ausschreibung aus. Anschließend<br />
gibt man in der Anfragemaske den<br />
Bedarf an, hängt die Spezifikation<br />
bzw. Zeichnung an, macht Angaben<br />
zu Staffelung und Lieferfrist.<br />
Anfragen mit ExprAn<br />
Nachdem der Einkäufer auf Senden<br />
klickt, werden die Lieferanten einzeln<br />
und persönlich angemailt. Die<br />
Lieferanten müssen sich daher auch<br />
nirgendwo einloggen, da sie die<br />
Anfragen direkt per E-Mail erhalten.<br />
Schritt 2 – Der automatische<br />
Preisspiegel<br />
Nachdem der Lieferant die Anfrage-Mail<br />
des Einkaufs erhalten hat,<br />
gibt er sein Angebot ab. Dazu tippt<br />
er die erforderlichen Daten wie<br />
Preise und Rabatte direkt in<br />
speziell markierte Textfelder der<br />
Antwort-Mail ein.<br />
Die eingegangenen Antwort-Mails<br />
der Lieferanten werden von<br />
ExprAn automatisch ausgelesen.<br />
Das System generiert dann selbstständig<br />
einen Preisspiegel, sodass<br />
der Einkäufer in ExprAn direkt<br />
einen Überblick über alle Angebote<br />
und Konditionen bekommt. Er<br />
erkennt so, wer die besten<br />
Konditione n anbietet und erteilt<br />
schließlich seinen Zuschlag.<br />
Die Lieferanten bekommen nach<br />
Abschluss der Ausschreibung<br />
ebenfalls ein Preisranking. Dieses<br />
zeigt keine Preise an und ist<br />
anonymisiert . Der Lieferant sieht<br />
nur, welchen Rang er mit seinem<br />
Angebot belegt und ist vor diesem<br />
Hintergrund dazu angehalten, mit<br />
spitzem Bleistift zu kalkulieren.<br />
Lieferanten mit ungünstigen<br />
Platzierungen im Preisspiegel<br />
werden daher bei späteren Ausschreibungen<br />
erfahrungsgemäß<br />
deutlich bessere Angebote<br />
machen . www.expran.com<br />
28 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 06 | 2022
auch an qualitativ mangelhaften Anfragen<br />
gelegen, dass es keine Angebote gab.<br />
Wie auch immer, letztendlich musste man<br />
sich dort nur noch um einen ganz kleinen<br />
Teil der Anfragen kümmern, da beim<br />
Großteil ExprAn die Arbeit gemacht hat.<br />
Trotzdem sind doch persönliche Beziehungen<br />
im Einkauf nach wie vor wichtig,<br />
oder nicht?<br />
Rau: Das stimmt natürlich. Daher ist ExprAn<br />
auch rein auf Mail-Basis und kein<br />
Portal. Denn ich höre von Lieferanten unserer<br />
Kunden immer wieder, dass sie froh<br />
sind, dass ExprAn kein Portal ist. Denn<br />
man muss sich vorstellen, dass es inzwischen<br />
ja einige Portalanbieter gibt und<br />
der Lieferant sich nun für jeden Kunden<br />
aktiv, mit Passwort usw. auf dessen Portal<br />
einloggen muss. Mit ExprAn bekommt er<br />
die Anfragen direkt per Mail in sein gewohntes<br />
Arbeitsumfeld und wird persönlich<br />
angesprochen. Daher berichten<br />
unsere Kunden, dass der persönliche Bezug<br />
zum Liefer anten erhalten bleibt. Im<br />
Gegenteil, dass er sich sogar intensiviert,<br />
da nun Zeit ist, sich ausgiebig um die<br />
wirklichen Probleme zu kümmern, da die<br />
problemlosen Fälle ja ohne Aufwand<br />
durchlaufen.<br />
Helmut Rau, Geschäftsführer von ExprAn, will mit seinem Tool dem Einkauf in<br />
mittelständischen Unternehmen helfen.<br />
tergrundprozesse ist. Nur 15 Prozent für<br />
die Oberfläche, denn die soll sofort und<br />
ohne Schulung intuitiv bedienbar sein.<br />
Somit haben wir den Aufwand sowohl<br />
beim Einkäufer als auch beim Lieferanten<br />
auf ein Minimum reduziert.<br />
Interessant. Ich habe herausgehört, dass<br />
sich dabei der Lieferant aussuchen kann<br />
was er anbietet. Ist das so?<br />
Rau: Im Grunde ja. Die Lieferanten werden<br />
nur noch in sehr grobe Pools eingeteilt,<br />
damit nicht womöglich Lieferanten<br />
bei einer Anfrage ausgeschlossen werden,<br />
die sie eventuell hätten bedienen können.<br />
Das hat auch einen Nebeneffekt. Die<br />
Qualitätsquote zum Beispiel im Zeichnungsteilebereich<br />
steigt. Denn nun bieten<br />
die Lieferanten an, was sie sicher beherrschen.<br />
Bei EMAG hat eine Auswertung der<br />
Zeichnungsteilequalität eine Gutteilquote<br />
von 99,1 Prozent ergeben. Und das bei<br />
überwiegenden Einzelteilbestellungen.<br />
Trotzdem bleiben die <strong>aktuell</strong>en Versorgungsengpässe.<br />
Da ist es doch auch<br />
wichtig, über den Tellerrand zu schauen<br />
und nicht nur mit den Bestandslieferanten<br />
zu agieren. Kann Ihr Tool hier unter-<br />
Was heißt an der Stelle ohne Aufwand?<br />
Rau: Ohne Aufwand ist natürlich nicht<br />
ganz richtig. Der Einkäufer muss natürlich<br />
die für die Anfrage relevanten Daten eingeben.<br />
Entweder pro Anfrage oder über<br />
einen Excel-Upload. Unser Tool versendet<br />
dann die personalisierten Anfragen per<br />
Mail an den Lieferanten. Dieser kann nun<br />
direkt entscheiden, ob er anbieten kann<br />
oder eben nicht. Dazu klickt er nur auf<br />
‚antworten‘ in seiner Mail, trägt seine Angebotsdaten<br />
ein und sendet die Mail zurück.<br />
Also auch der Aufwand beim Lieferanten<br />
ist minimal. ExprAn nimmt die<br />
Mail entgegen und liest sie ein. Der Einkäufer<br />
hat nun sofort, ohne Handarbeit,<br />
eine Preisübersicht. Er muss nur noch entscheiden,<br />
bei wem er beziehen möchte,<br />
schließt die Anfrage ab und ExprAn informiert,<br />
in seinem Namen, die Lieferanten<br />
wieder persönlich über das Ergebnis.<br />
Unsere IT hat ermittelt, dass in ExprAn<br />
85 Prozent der Programmierung für Hinstützen,<br />
oder sind da die gängigen Portale<br />
am Markt gefragt?<br />
Rau: Ich denke, auch hier kann ExprAn<br />
sehr einfach unterstützen, da es, wie gesagt,<br />
keinen Mehraufwand bedeutet, zusätzliche<br />
Lieferanten anzufragen. Klar,<br />
eine Internetrecherche ersetzt es nicht,<br />
doch aufgrund der durch ExprAn eingesparten<br />
Zeit hat der Einkäufer nun die<br />
Muße dazu. In ExprAn dann einen Lieferanten<br />
aufzunehmen dauert maximal 30<br />
Sekunden und ab da ist er in den üblichen<br />
Arbeitsablauf des Einkäufers eingebunden.<br />
Das ist wichtig, um in diesen Zeiten<br />
nicht noch eine zweite Schiene bearbeiten<br />
zu müssen. Nun wird sehr schnell klar,<br />
ob die Kostenstruktur des testweise im<br />
System befindlichen Lieferanten zum Unternehmen<br />
passt. Mit dieser Vorgehensweise<br />
muss der Einkäufer auch nicht genau<br />
einschätzen können, was der Lieferant<br />
anbieten kann. Es besteht damit<br />
nicht die Gefahr, dass, aufgrund nicht<br />
passender Teile bei den ersten Anfragen,<br />
eine mögliche ergiebige Zusammenarbeit<br />
verpasst wurde. Zudem taucht ein nicht<br />
passender Lieferant damit erst gar nicht<br />
im Bestellsystem auf. So halte ich mir<br />
auch mein ERP sauber. (sas)<br />
Bild: ExprAn<br />
<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 06 | 2022 29
» MANAGEMENT<br />
E-Procurement im großen Stil<br />
Die Plattform für den<br />
Sparkasseneinkauf<br />
Die Sparkassen-Einkaufsgesellschaft (SEG) ist der zentrale Einkaufsdienstleister<br />
der S-Finanzgruppe. Die rechtlich selbstständigen Sparkassen, Landesbanken<br />
und Verbundpartner bestellen zentral über die digitale Einkaufsplattform der SEG.<br />
Das System ermöglicht eine individuelle <strong>Beschaffung</strong> auf Basis zentraler<br />
Rahmenverträge . Von der Bündelung und Automatisierung profitieren alle.<br />
Über 370 Sparkassen gibt es in<br />
Deutschland, alle rechtlich selbstständig,<br />
genauso wie die zur S-Finanzgruppe<br />
gehörenden Landesbanken, Versicherer,<br />
LBS-Bausparkassen und weiteren<br />
Verbundpartner. Den Einkauf für die bundesweite<br />
Finanzgruppe managt die Sparkassen-Einkaufsgesellschaft<br />
(SEG) in<br />
Wiesbaden. Die digitale Einkaufsplattform<br />
der SEG, die alle Sparkassen, Landesbanken<br />
und Versicherungen für ihre<br />
Bestellungen und Bezahlvorgänge nutzen,<br />
basiert auf der E-Procurement-Lösung<br />
impact ordering von Veenion.<br />
Zentral und nach Bedarf<br />
50.000 User sind an das System der SEG<br />
angeschlossen, dazu 600 Kataloge mit einer<br />
Million Artikeln. Von Elektronik- und<br />
IT-Produkten, Büromaterialien, medizinischen<br />
Masken über Mietwagen, Dienstfahrräder<br />
und Geldzählmaschinen bis zu<br />
Sonderbriefmarken für Jubiläumsaktionen<br />
oder Tombola-Gewinnen lässt sich über<br />
das Tool alles konfigurieren, ordern und<br />
abrechnen, was die 372 deutschen Sparkassen<br />
für ihren Betrieb und ihr Marketing<br />
brauchen. Auch die sparkassenspezifischen<br />
Formulare, Vordrucke und Werbematerialien<br />
bestellen die Institute über<br />
das Tool, darunter allein jährlich eine Milliarde<br />
Blatt Papier zum Ausdruck von<br />
Kontoauszügen. Täglich gehen 1250 Bestellungen<br />
über die Plattform ein. Einzig<br />
das Projektgeschäft (Investitionsgüter)<br />
läuft nicht über das System.<br />
Die Zugriffsrechte, Sortimente und Auswahlmöglichkeiten<br />
sind für jede Sparkas-<br />
Frank Eickenberg, Geschäftsführer der Sparkassen-Einkaufsgesellschaft, Wiesbaden: „Wir haben mit<br />
unserem E-Procurement-System eine durchgängige Purchase-to-Pay-Lösung für die gesamte<br />
S-Finanzgruppe geschaffen.“<br />
se, Landesbank, Versicherung und Bausparkasse<br />
individuell konfiguriert. Zu den<br />
Lieferanten gibt es automatisierte Bestellschnittstellen.<br />
Die komplexen Rahmenverträge<br />
und Verrechnungssätze gegenüber<br />
den Sparkassen sind in der<br />
E-Procurement-Lösung im Detail abgebildet.<br />
Insbesondere für die Katalogaktualisierungen<br />
ist es wichtig, dass dies alles im<br />
System korrekt hinterlegt ist und die Aktualisierungen<br />
für alle Sparkassen dann<br />
auch passen.<br />
Die Flexibilität, die das Tool für eine solch<br />
diffizile Ausgestaltung bietet, ist ein<br />
Grund für den Erfolg der Plattform in der<br />
Sparkassenwelt. „Unsere Plattform ist<br />
über die Jahre gewachsen und an die unterschiedlichen<br />
Belange der Sparkassen<br />
hervorragend angepasst“, erklärt Frank<br />
Eickenberg, Geschäftsführer und Gründer<br />
der SEG. „Unsere Kunden sehen das praktisch<br />
als ihr eigenes Einkaufssystem“, beschreibt<br />
er den Effekt der individuellen,<br />
bedarfsgerechten Konfiguration. „Wir<br />
Bild: SEG<br />
30 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 06 | 2022
»Wir haben mit unserem<br />
E-Procurement-System<br />
eine durchgängige<br />
Purchase- to-Pay-Lösung<br />
für die gesamte S-Finanzgruppe<br />
geschaffen.«<br />
Frank Eickenberg, Geschäftsführer der Sparkassen-<br />
Einkaufsgesellschaft, Wiesbaden<br />
Vom Kontoauszugsdrucker-Papier über die Weltspartag-Maskottchen bis zur Geldzähl -<br />
maschine bestellen die Sparkassen und Landesbanken alles, was sie brauchen, über eine<br />
zentrale Plattform. 50.000 Besteller sind angeschlossen. Seitdem können für die Finanzgruppe<br />
ganz andere Rahmenverträge ausgehandelt werden.<br />
Bild: S-Finanzgruppe<br />
Der Rechnungslauf erfolgt aus dem<br />
E-Procurement an das ERP der Einkaufsgesellschaft,<br />
über das die Abrechnung mit<br />
den Sparkassen erfolgt. Die SEG agiert<br />
gegenüber den Sparkassen als Intermediär.<br />
Entsprechend hoch sind die Sicherheitsanforderungen<br />
auch an das verbundene<br />
E-Procurement-System. „Wir haben<br />
mit dem System eine durchgängige Purchase-to-Pay-Lösung<br />
für die gesamte<br />
S-Finanzgruppe geschaffen“, freut sich<br />
Frank Eickenberg über den erfolgreich auhaben<br />
eine Einkaufsmall geschaffen mit<br />
einem zentralen Eingang und verschiedenen<br />
Shop-in-Shop-Lösungen“, beschreibt<br />
Frank Eickenberg die digitale <strong>Beschaffung</strong>slösung<br />
für alle.<br />
Die SEG wiederum kann durch die sparkassenweiten<br />
Bestellungen die Bedarfe<br />
der Finanzgruppe hervorragend bündeln,<br />
standardisieren und die Rahmenverträge<br />
optimal ausgestalten. Darüber hinaus lassen<br />
sich toolgesteuert die einzelnen Bestellungen<br />
so zusammenfassen, dass<br />
möglichst wenig Transporte anfallen.<br />
Wichtige Schnittstellen<br />
Dass sich die Vielzahl der Anforderungen<br />
und Bestellungen so gut in einer Plattform<br />
abbilden lassen, liegt auch an den<br />
zahlreichen Schnittstellen. So sind die<br />
Tankkartenabrechnung und das Mobilitätsportal<br />
inklusive Fuhrparkmanagement<br />
an das Bestellsystem angeschlossen. Gleiches<br />
gilt für die Aktionen rund um den<br />
Weltspartag. Die Präsentationen der neuen<br />
Designs sind über eine Schnittstelle direkt<br />
mit der Bestellmöglichkeit für die <strong>aktuell</strong>en<br />
Werbemittel verbunden.<br />
Automatisierte Bestellung<br />
und Bezahlung<br />
Das Einkaufsportal der Sparkassen-<br />
Einkaufsgesellschaft (SEG)<br />
• System: impact ordering von Veenion<br />
• angeschlossene Nutzer (Besteller): 50.000<br />
• Bestellungen pro Tag: 1250<br />
• angebundene Kataloge: 600<br />
• bestellbare Artikel: 1 Million<br />
• Warengruppen: Büromaterialien, Elektronik, Telekom -<br />
munikation, IT, Sparkassen-Formulare, Versicherungsund<br />
Sparkassen-Vordrucke, Broschüren, Werbemittel,<br />
Leasingverträge, Mietwagen, Filialausstattung<br />
tomatisierten Bestell- und Bezahlprozess.<br />
In Zukunft sollen die Sparkassen über die<br />
Plattform auch regionale Dienstleistungen<br />
wie Renovierungs-, Reinigungs- oder<br />
Gartenarbeiten anfragen, ausschreiben<br />
und beauftragen können. Frank Eickenberg<br />
kann sich zudem vorstellen, dass die<br />
Plattform, die für die öffentlich-rechtlichen<br />
Sparkassen so gut funktioniert, auch<br />
für Landkreise oder Kommunen interessant<br />
ist. „Wir können die Sparkassen-<br />
Plattform zu einem kommunalen Kaufhaus<br />
entwickeln, das Interesse bei einigen<br />
Landkreisen und Kommunen ist durchaus<br />
vorhanden“, erklärt der Einkaufsprofi.<br />
Erweiterungen geplant<br />
Der Content ist standardisiert, die Kataloge<br />
sind angebunden, die Bedarfe gebündelt.<br />
Die Einkaufskompetenz der SEG ließe<br />
sich damit für weitere Institutionen, Banken<br />
oder kommunale Einrichtungen nutzen.<br />
Auch eine Anbindung der Veenion-<br />
Schwester Deutsche eVergabe sei in diesem<br />
Zusammenhang denkbar, denkt Eickenberg<br />
über mögliche Erweiterungen<br />
nach. Sein positives Fazit lautet: „Durch<br />
die einerseits zentrale, andererseits individuelle<br />
Procurement-Plattform sowie<br />
unsere Logistik können wir zu optimalen<br />
Konditionen einkaufen und jederzeit die<br />
bedarfsgerechte Versorgung der Sparkassen<br />
sicherstellen.“ Gleichzeitig diene die<br />
anpassungs- und leistungsfähige E-Procurement-Lösung<br />
als Basis für die weitere<br />
Skalierung.<br />
Annette Mühlberger, Journalistin<br />
<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 06 | 2022 31
» MANAGEMENT<br />
Mehr Transparenz in der Lieferkette<br />
Digitalisiertes Vertrauen per<br />
Blockchain<br />
Den flächendeckenden Durchbruch hat die Blockchain-Technologie noch nicht geschafft.<br />
Im Einkauf könnte es im Zuge der Lieferkettengesetze sinnvolle Einsatzmöglichkeiten geben,<br />
die datenschutzrechtlich unbedenklich sind.<br />
„Erwartungen noch nicht erfüllt“, so<br />
könnte man derzeit den Stand der Dinge<br />
in Sachen Blockchain beschreiben. Nach<br />
der ersten Euphorie hat sich eine gewisse<br />
Ernüchterung breitgemacht und man ist<br />
noch auf der Suche nach der einen, ultimativen<br />
Einsatzmöglichkeit für die „Datensatzkette“.<br />
Die Kette, die Datensätze<br />
(„Blocks“) mittels kryptographischer Verfahren<br />
miteinander verkettet, sollte<br />
Transaktionen und Bezahlvorgänge so<br />
schnell und sicher machen wie nie. Wo<br />
Papierkram, Formalien und unterschiedliche<br />
Systeme Prozesse verlangsamten,<br />
könnte die Blockchain den vollautomatischen<br />
Ablauf von Geschäften, Transporten<br />
und Warenverkehr über Grenzen und<br />
Bedenken hinweg ermöglichen.<br />
Grundsätzlich eröffnen Blockchain und<br />
die dahinter stehende Distributed-Ledger-Technologie<br />
die Möglichkeit, <strong>Beschaffung</strong>sprozesse<br />
zu automatisieren<br />
und transparenter<br />
zu gestalten.<br />
Doch momentan<br />
findet dies nur<br />
in Einzelfällen<br />
statt. „Sehr viele<br />
Unternehmen<br />
entwickeln <strong>aktuell</strong><br />
Use-Cases<br />
und setzen diese<br />
dann als Proofof-Concept,<br />
kurz<br />
POC, mit einigen<br />
ausgewählten Handelspartnern um“, erläutert<br />
Dr. Ulrich Franke, Berater bei Cassini<br />
Consulting in Düsseldorf. „Um jedoch<br />
das volle Potenzial der neuen Technologie<br />
zu nutzen, bedarf es des Aufbaus von<br />
»Um das volle Potenzial<br />
der neuen Technologie zu<br />
nutzen, bedarf es des<br />
Aufbaus von ganzen Eco-<br />
Systemen [...].«<br />
Dr. Ulrich Franke<br />
Dr. Ulrich Franke, Berater bei Cassini<br />
Consulting in Düsseldorf.<br />
ganzen Eco-Systemen, also eines Verbundes<br />
von Unternehmen, die durch einen<br />
Orchestrator auf eine gemeinsame Wertschöpfung<br />
ausgerichtet werden.“<br />
Wenn bei Handel, Transport und Verkehr<br />
jeder Schritt abgebildet sein soll, müssen<br />
sich möglichst viele Akteure beteiligen.<br />
„Es braucht ein<br />
digitales Betriebssystem,<br />
dem alle Beteiligten<br />
vertrauen“,<br />
schlussfolgert<br />
Blockchain-Experte<br />
Franke. Die Basistechnologie<br />
sei vorhanden,<br />
aber das Management<br />
in<br />
den Unternehmen habe noch nicht die organisatorischen<br />
und prozessualen Strukturen<br />
geschaffen. „Das wird die wesentliche<br />
strategische Aufgabe des Einkaufs in<br />
den nächsten Jahren sein“, so der Berater,<br />
Dr. Martin W. Viciano Gofferje,<br />
Rechtsanwalt und Digitalexperte im<br />
Berliner Büro der Kanzlei Gleiss Lutz.<br />
„denn hier liegen die großen Zeit-, Qualitäts-<br />
und Kostenpotenziale, die es vom<br />
Einkauf zu heben gilt.“<br />
Sorgfalt nachweisen<br />
Ausgerechnet die neue Lieferkettengesetzgebung<br />
auf deutscher und europäischer<br />
Ebene könnte der Blockchain beim<br />
Sourcing zum Durchbruch verhelfen. Das<br />
deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz<br />
(LkSG) tritt 2023 in Kraft, das –<br />
schärfere – europäische Pendant ist <strong>aktuell</strong><br />
in der Mache. Das LkSG verpflichtet<br />
Auftraggeber zu mehr Transparenz in der<br />
Lieferkette. Betroffene Unternehmen<br />
müssen entlang ihrer Supply Chain analysieren,<br />
wo ihre größten Risiken liegen, soziale<br />
und ökologische Mindeststandards<br />
zu verletzen, und entsprechende Gegenmaßnahmen<br />
treffen.<br />
Bei dem Nachweis der LkSG-Konformität<br />
könnte die „Blockkette“ helfen, weil sie<br />
mittels Distributed Ledger Technologie<br />
(DLT) alle Transaktionen und Vorgänge<br />
unveränderbar dokumentiert und dezen-<br />
32 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 06 | 2022
So könnte die Blockchain eingesetzt werden<br />
Dr. Ulrich Franke gibt ein praktisches<br />
Beispiel, wie Blockchain<br />
und Smart Contract in einer<br />
B2B-Handelsbeziehung eingesetzt<br />
werden könnten:<br />
„Zwei Unternehmen einigen sich<br />
auf eine Transportfracht von<br />
800 Euro für einen Container<br />
von A nach B. Diese Vereinbarung<br />
wird als Smart Contract in<br />
die Blockchain geschrieben und<br />
kann nur geändert werden,<br />
wenn beide Handelspartner dem<br />
digital zustimmen. Außerdem<br />
schreiben die Vertragspartner<br />
weitere Leistungsparameter als<br />
tral speichert – es entsteht eine überprüfbare<br />
Historie aller Aktionen in der <strong>Beschaffung</strong>skette.<br />
„Die Blockchain-Technologie<br />
ermöglicht einen schnellen, vertrauensvollen<br />
Informationsaustausch,<br />
auch über Unternehmensgrenzen hinweg,<br />
also eine End-to-End-Wertschöpfungsnetzwerktransparenz“,<br />
sagt Experte Franke.<br />
„Sie bietet quasi digitalisiertes Vertrauen.“<br />
Das macht sich Seedtrace zunutze. Das<br />
Berliner Start-up will Nachhaltigkeit in<br />
Lieferketten etablieren, den Weg eines<br />
Produkts bis zu seinem Ursprung zeigen,<br />
Arbeitsbedingungen<br />
transparent<br />
machen.<br />
„Wir sind überzeugt,<br />
dass alle<br />
Akteure entlang<br />
der Lieferkette<br />
‚Wenn-dann-Bedingung‘ mit in<br />
den Smart Contract, z. B. der Lkw<br />
soll am nächsten Tag um 12 Uhr<br />
am Zielort sein, für jede Minute<br />
Verspätung wird als Malus 1 Euro<br />
abgezogen. Die Lieferung kommt<br />
am nächsten Tag am Empfangsort<br />
an, das GPS-Gerät sendet die<br />
Ankunftszeit 12:17 Uhr. Nun werden<br />
die im Smart Contract hinterlegten<br />
‚Wenn-dann-Bedingungen‘<br />
ausgelöst. Von der vereinbarten<br />
Fracht werden automatisch<br />
17 Euro Malus abgezogen<br />
und sofort die 783 Euro an den<br />
Frachtführer überwiesen.“<br />
»Der Smart Contract ist<br />
kein Vertrag im<br />
Rechtssinne , sondern<br />
eine technische<br />
Lösung [...].«<br />
RA Dr. Martin W. Viciano Gofferje<br />
von ihrer Arbeit<br />
profitieren können<br />
und sollten“,<br />
sagt CEO<br />
Katharina Elisa<br />
Davids. Zusammen<br />
mit zwei Partnern dokumentieren die<br />
Berliner den Waren- und Finanzfluss im<br />
ghanaischen Kakaohandel mittels einer<br />
öffentlichen Blockchain, die jede Transaktion<br />
irreversibel abbildet. Das Ziel: Überprüfbar<br />
zu machen, ob beim Farmer in<br />
Ghana auch tatsächlich ein fairer Lohn<br />
ankommt.<br />
Diese Offenlegung kann zu Kollisionen<br />
mit dem Datenschutz führen. Das Unternehmen<br />
versichert, alle Kakaobauern hätten<br />
der Verarbeitung und Weitergabe ihrer<br />
Daten zugestimmt und man behandle<br />
selbst anonymisierte Daten als personenbezogen<br />
und somit besonders sensibel.<br />
Wer „Blockchain“ sagt, der muss auch<br />
„Smart Contracts“ sagen. Die schlauen<br />
Verträge sollen selbst für ihren Vollzug<br />
sorgen und somit Vertragsstreitigkeiten<br />
minimieren.<br />
„Der Smart Contract<br />
ist kein<br />
Vertrag im<br />
Rechtssinne,<br />
sondern eine<br />
technische Lösung,<br />
mittels<br />
derer bestimmte<br />
Vertragsinhalte<br />
automatisiert<br />
ausgeführt und<br />
durchgesetzt<br />
werden“, erläutert Dr. Martin W. Viciano<br />
Gofferje, Rechtsanwalt und Digitalexperte<br />
im Berliner Büro der Kanzlei Gleiss<br />
Lutz. Diese programmierten „Wenndann“-Verknüpfungen<br />
lösen automatisch<br />
und unabdingbar Rechtsfolgen aus, ohne<br />
dass es einer separaten Überprüfung bedarf.<br />
„Entscheidend ist, dass sowohl das<br />
zu prüfende Ereignis als auch die auszuführende<br />
Aktion digital sind“, sagt Jurist<br />
Viciano Gofferje und ergänzt: „Zugleich<br />
muss es eine Verknüpfung mit der analogen<br />
Welt geben, damit der Smart Contract<br />
von realem Nutzen ist.“<br />
Zwar könnten solche Kontrakte etwa die<br />
Transaktionskosten bei <strong>Beschaffung</strong>sprozessen<br />
radikal senken (siehe Beispiel im<br />
Kasten). Doch ganz so einfach ist es nicht,<br />
denn die schlauen Verträge haben es in<br />
sich, zumindest juristisch gesehen. „Die<br />
beiden Ebenen – analoge Welt auf der einen<br />
Seite und digitale/technische Welt<br />
auf der anderen Seite – müssen aufeinander<br />
abgestimmt sein“, erklärt Viciano<br />
Gofferje. „In der analogen Welt sind viele<br />
vertragliche Fragen nicht binär, sondern<br />
erfordern eine normative Wertung im<br />
Einzelfall, die sich nicht immer ohne Weiteres<br />
technisch abbilden lässt.“<br />
Und weitere juristische Fragestellungen<br />
sind noch ungelöst: Wie verhält es sich<br />
bei den programmierten Verträgen mit<br />
Rücktritt, Anfechtung, Nichtigkeit? Wie<br />
schlägt sich der Einsatz von Smart Contracts<br />
in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen<br />
(AGB) nieder? Und – natürlich:<br />
Wie schützt man Daten, die auf einer<br />
Vielzahl von Rechnern gespeichert und<br />
abgerufen werden? Beim Start-up Seedtrace<br />
ist nachzulesen, die Blockchain-Integration<br />
bei den Kakaobauern stehe im<br />
Einklang mit dem ghanaischen Datenschutzgesetz.<br />
Möglicherweise weist die<br />
EU-Datenschutz-Grundverordnung aber<br />
höhere Hürden auf.<br />
Anja Falkenstein,<br />
Rechtsanwältin,<br />
Karlsruhe<br />
<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 06 | 2022 33
TITEL » Zulieferung<br />
Bild: Igus<br />
Gleitlager aus Hochleistungskunststoffen bieten viele<br />
Vorteile, da sie nicht geschmiert werden müssen,<br />
korrosionsfrei und leichter als metallische Lösungen<br />
sind. Igus verspricht eine schnelle Lieferung, da<br />
12.000 Gleitlager ab Lager verfügbar sind.<br />
Wie Unternehmen von schmier- und wartungsfreier Gleitlagertechnik profitieren<br />
Kosten sparen mit<br />
Tribo-Polymeren<br />
Klein, manchmal auch groß, aber meist unscheinbar kommen<br />
Gleit lager in den unterschiedlichsten Bewegungen zum Einsatz.<br />
Gleichzeitig sind sie entscheidend für die Haltbarkeit und Lebens -<br />
dauer einer Maschine, da sie für leichtgängige Bewegungen sorgen.<br />
Von großer Bedeutung ist hierbei die Wahl des richtigen Werkstoffs.<br />
34 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 06 | 2022
Heutzutage gibt es viele Arten von Lagern. Diese<br />
unterteilen sich wiederum in Übergruppen;<br />
zum Beispiel Wälz- und Gleitlager. Wälzlager übertragen<br />
die auftretenden Kräfte zwischen den zueinander<br />
beweglichen Teilen mithilfe rollender Elemente,<br />
der Wälzkörper. Gleitlager werden aufgrund<br />
ihrer zylindrischen Form auch Buchsen genannt. Sie<br />
enthalten keine beweglichen Teile und benötigen nur<br />
wenig Bauraum. Gleitlager unterscheiden sich von<br />
Wälzlagern wesentlich durch das Prinzip der Bewegung:<br />
Es gibt keine sich abrollenden Wälzkörper im<br />
Inneren der Lager, stattdessen gleitet die Welle direkt<br />
im Innendurchmesser der Lager.<br />
Je nach Anwendung und Einsatzbereich werden unterschiedliche<br />
Anforderungen an das eingesetzte Lager<br />
gestellt. So ist es wichtig zu wissen, welche Rahmenbedingungen<br />
in den eigenen Anlagen oder Maschinen<br />
herrschen und diese Parameter als erstes zu<br />
bestimmen, um das optimale Lager zu finden. Denn<br />
bei den Lagerwerkstoffen gibt es Allrounder, die ausgeglichene<br />
Fähigkeiten in allen Bereichen haben.<br />
Und es gibt Spezialisten, die für spezielle Bereiche<br />
mit bestimmten Fähigkeiten ausgelegt und anderen<br />
Werkstoffen überlegen sind.<br />
Worauf es bei der Auswahl des<br />
Lagers ankommt<br />
Die unterschiedlichen Parameter, die es am Anfang<br />
der Suche nach der optimalen Lagerung zu bestimmen<br />
gilt, sind in erster Linie die Belastung, die Geschwindigkeit<br />
und die Bewegungsart. Also, ob es sich<br />
um eine Dreh-, Schwenk- oder Linearbewegung handelt.<br />
Weiterhin ist wichtig, ob Stöße oder Schläge im<br />
Arbeitsablauf vorkommen und ob die Lager mit<br />
Schmutz in Berührung kommen können. Ist dies der<br />
Fall, sind schmiermittelfreie Gleitlager aus Hochleistungskunststoffen<br />
immer im Vorteil, da an ihnen kein<br />
Sand, Staub oder Dreck haften bleiben kann und damit<br />
der Lauf der Gleitlager nicht behindert wird. Zudem<br />
sind weitere Umgebungsbedingungen in der Anlage<br />
oder der Maschine zu betrachten: Kommen die<br />
Lager mit Wasser in Berührung? Herrschen hohe oder<br />
niedrige Temperaturen oder gibt es Chemikalien, mit<br />
denen die Gleitlager zurechtkommen müssen?<br />
Nachdem auch diese Fragen beantwortet sind, gibt<br />
es eventuell noch besondere Zertifikate, die eingehalten<br />
werden müssen. So ist es beispielsweise in der<br />
Lebensmittelindustrie sehr wichtig, dass Werkstoffe<br />
entsprechend der EU-Richtlinie 10/2011 oder mit<br />
FDA-Konformität eingesetzt werden, um den Anforderungen<br />
dieser Branche zu entsprechen. Diese Regularien<br />
geben Gewähr für eine sichere Produktion<br />
oder ein sicheres Verpacken von Lebens- und Nahrungsmitteln.<br />
In dieser Branche ist es ebenfalls von<br />
Bedeutung, dass die Lagerstellen ohne externe<br />
Schmierung durch Öle oder Fette auskommen, da<br />
sonst die Gefahr besteht, dass Lebensmittel kontaminiert<br />
werden können.<br />
Aber auch in vielen anderen Branchen spielen tribologisch<br />
optimierte Kunststoffgleitlager von Igus, die<br />
ohne Schmierung und Wartung auskommen, ihre<br />
Vorteile aus – vom Unterwassereinsatz bis zu Hochlastanwendungen,<br />
von der Medizintechnik bis zur<br />
Automobilindustrie. Auch in Photovoltaik-Anlagen,<br />
der Agrar- und Offshore-Branche, der Fassadentechnik,<br />
oder in Hydraulikzylindern und Aktuatoren – in<br />
vielen Industriezweigen ersetzen maßgeschneiderte<br />
Werkstoffe von Igus seit Langem schon metallische<br />
Gleitlager. Einkäufer wie auch Ingenieure und Instandhalter<br />
profitieren von der Schmiermittel- und<br />
Korrosionsfreiheit sowie der Verschleißfestigkeit und<br />
den geringen Reibwerten der „motion plastics“, denn<br />
sie erhöhen die Standzeiten ihrer Maschinen und Anlagen<br />
und sind dabei um bis zu 40 Prozent kostengünstiger<br />
als metallische Lager.<br />
Das Gesamtpaket muss stimmen –<br />
und reibungslos funktionieren<br />
Denn nicht zuletzt entscheidet für den Einkäufer der<br />
Preis eines Produktes. So ist die Lösung die geeignetste,<br />
die am günstigsten ist und gleichzeitig gut<br />
funktioniert. Der Preis eines Gleitlagers ist jedoch<br />
nicht nur vom Werkstoff selbst abhängig – auch geht<br />
es darum, ob man auf ein großes Standard-Katalogprogramm<br />
zurückgreifen und ab Stückzahl eins bestellen<br />
kann. Doch egal wie groß die Menge ist, der<br />
Einkäufer muss sich darauf verlassen können, dass<br />
die Gleitlager passende Maße haben und den ge-<br />
Bild: Igus<br />
Kunststoffgleitlager brauchen keine externe<br />
Schmierung. So können keine Schmutzpartikel<br />
an ihnen haften bleiben.<br />
<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 06 | 2022 35
TITEL » Zulieferung<br />
wünschten Anforderungen entsprechen. Daher sollten<br />
zum einen 3D-CAD-Daten frei zum Download<br />
bereitstehen. Zum anderen muss nachvollziehbar<br />
sein, welche Lösung die geeignetste für die jeweilige<br />
Anwendung ist. So sollte im Optimalfall – per Lebensdauerberechnung<br />
und Produktfinder, wie Igus es<br />
online anbietet – der Anwender selbst ermitteln können,<br />
welche Lösung geeignet ist. Ein weiterer Preisvorteil<br />
kann sich aus dem Material des Gegenlaufpartners<br />
ergeben: Mit welcher Welle erzielen die Lager<br />
welche Lebensdauer? Sind sogenannte „weiche“<br />
Wellen wie Aluminium, ungehärteter Stahl oder sogar<br />
Kunststoff einsetzbar? Hier steckt weiteres Einsparpotenzial<br />
durch den Einsatz von Kunststoffgleitlagern.<br />
Bei all diesen Vorteilen müssen sich Anwender<br />
immer darauf verlassen können, dass die Produkte<br />
vom Hersteller zuvor eingehend getestet worden<br />
sind und diese Testergebnisse auch verlässlich sind,<br />
um später unnötige und kostenintensive Maschinenstillstände<br />
und Ausfälle verhindern zu können.<br />
Daher betreibt Igus auf 3.800 Quadratmetern in<br />
Köln ein eigenes Testlabor. Linear, rotierend,<br />
schwenkend und walkend sowie in Kombination<br />
werden dort die schmier- und wartungsfreien Tribo-<br />
Gleitlager in rund 11.000 Tests pro Jahr auf ihre tribologische<br />
Qualität geprüft. Die Lagertechnik des<br />
Kunststoffspezialisten wie Gleitlager, aber auch Linear-,<br />
Kugel- oder Gelenklager kommen in den verschiedensten<br />
Branchen zum Einsatz und müssen in<br />
entsprechenden Umgebungen ihre Lebensdauer unter<br />
Beweis stellen. Jahr für Jahr füllen sich so die<br />
Testdatenbanken des Labors mit Forschungsdaten,<br />
aus denen auch neue Werkstoffe entstehen. Die Ergebnisse<br />
fließen schließlich in die 58 Online-Tools,<br />
die den Kunden kostenfrei und ohne Registrierung<br />
im Internet zur Verfügung stehen.<br />
Individuelle Teile schnell im<br />
3D-Druck fertigen<br />
Das optimale Gleitlager nützt dem Einkäufer eines<br />
Unternehmens allerdings nichts, wenn es nicht lieferbar<br />
ist. Daher sind kurze Lieferzeiten sowie eine<br />
schnelle und kostenlose Bemusterung unabdingbar,<br />
um mit der Konzeption der Maschinen beginnen zu<br />
können oder auch einen reibungslosen Arbeitsablauf<br />
bestehender Produktionen gewährleisten zu können.<br />
Um stets schnell reagieren zu können, sind bei Igus<br />
12.000 Gleitlager ab Lager verfügbar – in Standardabmessung<br />
oder im Bedarfsfall als maßgeschneiderte<br />
Individuallösungen. Kunststoffspritzguss in Verbindung<br />
mit mechanischer Bearbeitung von Halbzeugen<br />
gleichen Materials und der 3D-Druck ermöglichen<br />
neben dem Katalogprogramm einen kostenoptimierten<br />
„Plan B“ von Stückzahl 1 bis hin zu Großserien.<br />
Gerade der 3D-Druck bietet hier ganz neue Möglichkeiten:<br />
So lassen sich kundenindividuelle Teile aus<br />
Iglidur Tribo-Filamenten, über das selektive Lasersintern<br />
und im DLP-3D-Druck in kurzer Zeit fertigen. Für<br />
die Materialwahl aus über 50 Iglidur Standard-<br />
Hochleistungskunststoffen besteht bei Igus zudem<br />
die Möglichkeit, 3D-gedruckte Spritzgusswerkzeuge<br />
herzustellen. All das zeigt einen entscheidenden Vorteil<br />
für Gleitlager aus Kunststoff: Mit vergleichsweise<br />
geringem Aufwand lassen sich auch komplexe Formen<br />
schnell und günstig realisieren.<br />
Stefan Loockmann-Rittich, Leiter Geschäfts -<br />
bereich Iglidur Gleitlager, Igus GmbH<br />
Anwender sollten sich immer darauf verlassen können, dass die Produkte<br />
vom Hersteller zuvor eingehend getestet worden sind und die Testergebnisse<br />
auch verlässlich sind.<br />
Bild: Igus<br />
Igus bietet online 58 Tools – z. B. Konfiguratoren, Lebensdauerrechner und<br />
Produktfinder – an, die kostenfrei und ohne Registrierung zur Verfügung<br />
stehen.<br />
Bild: Igus<br />
36 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 06 | 2022
ZULIEFERUNG «<br />
Industrielle Automatisierung macht weiteren Sprung<br />
Freiheit und Offenheit für alle<br />
Die Transformation in der industriellen Automatisierung ist in vollem Gange. Forderungen<br />
nach Einfachheit und Flexibilität auf technischer Seite sowie Unabhängigkeit von globalen<br />
Lieferketten steigen deutlich. Die Automatisierung wird daher noch offener und von<br />
zunehmender Zusammenarbeit zwischen allen Marktakteuren geprägt.<br />
Steffen Winkler, Vertriebsleiter der Business Unit Automation & Electrification Solutions<br />
bei Bosch Rexroth<br />
Der Paradigmenwechsel in der industriellen<br />
Automatisierung – weg von<br />
starren, proprietären Systemen hin zu offenen,<br />
flexiblen Lösungen – ist eingeläutet.<br />
Jedoch werden erst in diesem Jahr<br />
viele Veränderungen im Markt deutlich<br />
spürbar und sichtbar. Das sagt Steffen<br />
Winkler, Vertriebsleitung Business Unit<br />
Automation & Electrification Solutions<br />
bei Bosch Rexroth. „Der Bedarf nach alternativen<br />
Lösungen und offenen Standards<br />
wächst immens, um die Abhängigkeit<br />
von einzelnen Anbietern zu reduzieren.<br />
Gleichzeitig ist zunehmende Offenheit<br />
auf Seiten aller Beteiligten gefragt,<br />
um in Co-Creation die besten Entwicklungen<br />
zu erzielen.“ Demnach bedarf es<br />
eines offenen Automatisierungsbaukastens,<br />
dessen Lösungsraum durch ein möglichst<br />
großes Ökosystem aus Drittanbietern<br />
erweitert wird. Anwendende können<br />
sich ihre Automatisierungslösung nach<br />
Bedarf zusammenstellen, aber auch ihre<br />
eigene Software entwickeln.<br />
„Für die Software-Entwicklung ist vor allem<br />
eines wichtig: Sie muss mit allen<br />
gängigen Programmiersprachen und<br />
-tools möglich sein und darf nicht mehr<br />
von proprietären Systemen einzelner Anbieter<br />
abhängig sein. Nur so kann die<br />
nächste Generation von Entwickelnden<br />
für die Industrie gewonnen und die Abhängigkeit<br />
von einzelnen Automatisierungsanbietern<br />
– insbesondere in puncto<br />
Software – reduziert werden“, so Winkler.<br />
Schnelle Entwicklung<br />
Bild: Bosch Rexroth<br />
Industrielle Automatisierungslösungen<br />
werden zunehmend durch Software-Entwicklung<br />
bestimmt. In diesem Zusammenhang<br />
ist es erforderlich, noch einfacher<br />
und schneller an Lösungen zu gelangen.<br />
Der Trend geht daher in Richtung<br />
Low-Code-/No-Code-Plattformen. Über<br />
diese können Personen, die über wenige<br />
bis gar keine Programmierkenntnisse verfügen,<br />
Software generieren. Die Entwicklung<br />
einfacher Anwendungen soll dadurch<br />
bis zu fünfmal schneller sein und<br />
einen fehlerfreien Code liefern.<br />
Auch das Engineering unterliegt einem<br />
Wandel, da Engineering-Aufgaben immer<br />
häufiger webbasiert ausgeführt werden.<br />
Die umfangreichen Installationen von<br />
Softwarelösungen und deren Wartung ist<br />
heute kaum mehr zu leisten. Deshalb erfolgen<br />
bei Automatisierungssystemen wie<br />
ctrlX Automation von Bosch Rexroth laut<br />
Winkler etwa 70 Prozent aller Engineering-Tätigkeiten<br />
webbasiert – 100 Prozent<br />
ist das Ziel.<br />
Unabhängig von globalen<br />
Lieferketten<br />
Neben der zunehmend geforderten Einfachheit<br />
und neuen Freiheitsgraden auf<br />
technologischer Seite zeichnet sich <strong>aktuell</strong><br />
auch ein verstärkter Wunsch nach Unabhängigkeit<br />
von Anbietern auf globaler<br />
Ebene ab. „Durch die Coronapandemie<br />
und die schwierige <strong>Beschaffung</strong>slage<br />
wurden die Schwachstellen der Globalisierung<br />
deutlich aufgezeigt. So sehen wir<br />
im Jahr 2022 einen noch größeren Trend<br />
zum Loslösen von einzelnen Lieferanten.<br />
Vermehrt werden Re-Shoring-Projekte<br />
verfolgt und wieder Multi-Sourcing-Strategien<br />
umgesetzt – oft gezwungenermaßen,<br />
da einige Anbieter bereits lieferunfähig<br />
geworden sind“, erklärt Winkler. „Jetzt<br />
zeigt sich besonders, wie wichtig ein offenes<br />
Automatisierungssystem ist, das auf<br />
allen Ebenen Drittanbieter zulässt und<br />
somit sogar kurzfristig dringend notwendige<br />
Alternativen eröffnet.“ (ys)<br />
<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 06 | 2022 37
» ZULIEFERUNG<br />
Fernwartung und Kommunikation<br />
Vernetzung industrieller Geräte und Anlagen<br />
RS Components und HMS Networks, Spezialist<br />
für die industrielle Informationsund<br />
Kommunikationstechnik, haben eine<br />
Partnerschaft vereinbart. Dadurch erweitert<br />
der Händler für Elektronik und Automation<br />
sein Angebot um drei Marken. Die<br />
Anybus-Gateways ermöglichen Automatisierungsgeräten,<br />
unabhängig von Feldbus<br />
oder Industrial Ethernet, miteinander<br />
zu kommunizieren. Auch kabellose Datenübertragungen<br />
sind realisierbar. Mit<br />
den Fernwartungslösungen von Ewon<br />
kann eine sichere Verbindung zur SPS<br />
hergestellt werden. Damit wird es sowohl<br />
Maschinenbauern als auch Anwendern<br />
möglich, jederzeit auf Maschinen und Anlagen<br />
zuzugreifen, um sie zu konfigurieren<br />
und zu verwalten. Unter dem Markennamen<br />
Ixxat bietet HMS sein Portfolio an<br />
CAN-/CAN FD-Produkten wie PC-Interfaces,<br />
Repeater, Bridges, Gateways und<br />
SPS-Erweiterungen an. Insbesondere für<br />
die Verbindung eines PCs an CAN-basierte<br />
Netzwerke für Steuerungsanwendungen,<br />
Diagnose oder Konfiguration gibt es<br />
verschiedene Lösungen. (ys)<br />
RS Components baut sein Angebot im Bereich<br />
Fabrikautomation und Digitalisierung aus.<br />
Bild: RS Components<br />
Kompakte Bauweise und hohe Belastbarkeit<br />
Drei Kupplungen für mehr Flexibilität<br />
Die neuen Kupplungen N-Eupex ERN mit Drehmomentbegrenzer (r.),<br />
N-Eupex B mit Spannelement (l.) und N-Eupex DKS mit kurzem<br />
doppelkardanischem Design.<br />
Bild: Flender<br />
Der Getriebehersteller Flender<br />
stellt drei neue Bauarten seiner<br />
elastischen Kupplungsbaureihe<br />
N-Eupex vor. Mit der<br />
Kupplungsvariante N-Eupex<br />
ERN können Anwender ein<br />
maximales Drehmoment festlegen,<br />
sodass kritische Drehmomente<br />
für Motor und Antriebsmaschine<br />
nicht übertragen<br />
werden. Die N-Eupex B<br />
plus Spannelement soll reibschlüssige<br />
Klemmverbindungen<br />
gewährleisten. Hierbei<br />
wird das glatte, zylindrische<br />
Maschinenwellenende über<br />
eine Klemmverbindung passfederlos<br />
mit der Kupplungsnabe<br />
verbunden. Darüber hinaus<br />
wird die N-Eupex DKS, eine<br />
doppelkardanische Kupplung<br />
als Short-Version, in den Baukasten<br />
aufgenommen. Die verkürzte<br />
Gesamtlänge bietet<br />
laut dem Unternehmen ein<br />
geringes Abstandsmaß der<br />
Wellen ohne Verlust der Vorteile<br />
einer doppelkardanischen<br />
Kupplungsverbindung. Als Ergänzung<br />
zu den bisher eingesetzten<br />
Gummielementen aus<br />
NBR werden von Flender nun<br />
auch Elastomere aus thermoplastischem<br />
Polyurethan (TPU)<br />
für Nockenkupplungen angeboten.<br />
(ys)<br />
Explosionsgeschützte Wälzkolbenpumpe<br />
Hermetisch dicht<br />
Die Wälzkolbenpumpen der<br />
Oktaline von Pfeiffer Vacuum<br />
eignen sich für Prozesse in explosionsgefährdeter<br />
Umgebung<br />
oder dem Evakuieren explosionsfähiger<br />
Gase. Gemäß<br />
Atex-Richtlinie (2014/34/EU1<br />
bzw. 1999/92/EG) und Druckstoßfestigkeit<br />
nach PN 16 erfüllen<br />
sie die höchsten Anforderungen<br />
an den Explosionsschutz.<br />
Eine Zonenverschleppung<br />
explosionsfähiger Gase<br />
wird dadurch ausgeschlossen,<br />
so das Unternehmen. Die Anwendungsbereiche<br />
erstrecken<br />
sich von der Chemie, Biotechnologie<br />
und Pharmaindustrie<br />
bis hin zu industriellen Applikationen<br />
wie bspw. Vakuum -<br />
öfen oder Wärmebehandlung.<br />
Die Wälzkolbenpumpen können<br />
in Umgebungstemperaturen<br />
von –20 °C bis +40 °C<br />
genutzt werden.<br />
Durch die Erweiterung der<br />
Baureihe reicht das Saugvermögen<br />
von 280 bis 8100 m 3 /h.<br />
Dank der Magnetkupplung<br />
sind die Wälzkolbenpumpen<br />
hermetisch dicht und erzielen<br />
laut Pfeiffer niedrige Leckraten.<br />
Im Vergleich zu Pumpen<br />
mit Wellendichtringen soll die<br />
Kupplung der Oktaline für bis<br />
zu 20 Prozent geringere<br />
Betriebsk osten und deutlich<br />
reduzierte Wartungskosten<br />
sorgen. (ys)<br />
Pfeiffer Vacuum erweitert die Baureihe seiner explosionsgeschützten<br />
Wälzkolben pumpen.<br />
Bild: Pfeiffer<br />
38 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 06 | 2022
Steuerung und Sensorik integriert<br />
Intelligente Produkte für Linearbewegungen<br />
Um in einer digitalen Fertigung ihr volles<br />
Potenzial abrufen zu können, benötigt Lineartechnik<br />
oft externe Steuerungen und<br />
Sensoren. Diese werden oft von unterschiedlichen<br />
Anbietern bezogen, was zu<br />
Problemen bei Kompatibilität, Funktionalität<br />
und Wartung führen kann. Bei der<br />
neuen Generation an SmartX-<br />
Lineartechnikprodukten von Ewellix ist<br />
das nicht mehr notwendig, so der Hersteller.<br />
Alle erforderlichen digitalen Steuerungs-,<br />
Sensor- und Kommunikationstechnologien<br />
sind demnach bereits integriert.<br />
Die Lineartechnikkomponenten verfügen<br />
über einen redundant ausgelegten Twin-<br />
Bild: Ewellix<br />
Der CAHB-2XS-Aktuator eignet sich<br />
auch für beengte Einbausituationen.<br />
CPU-Controller mit integrierter Software,<br />
Elektronik sowie internen und externen<br />
Busanschlüssen. Damit kann sie<br />
der Anwender einfach programmieren<br />
und integrieren<br />
oder die Parameter später<br />
ändern. Außerdem lassen<br />
sich Sicherheits-, Mess- und<br />
Steuerfunktionen einfügen. SmartX ermöglicht<br />
darüber hinaus die Integration<br />
verschiedener Sensoren. So wird Ewellix<br />
beispielsweise die ersten Produkte mit internen<br />
digitalen Positionssensoren ausstatten<br />
– was eine Neukalibrierung überflüssig<br />
machen soll. Weitere Sensor- und<br />
Software-Optionen können dazu beitragen,<br />
die Sicherheit zu verbessern. Bislang<br />
sind drei Produkte der Linie verfügbar:<br />
Der smarte CAHB-2xS-Aktuator sowie die<br />
aktualisierten Versionen des Liftkit und<br />
des Slidekit. Diese sollen Robotik- und<br />
Automatisierungssystemen mehr Bewegungsfreiheit<br />
verleihen. (ys)<br />
Panel-PCs mit geringer Verlustleistung<br />
Energieeffiziente Bedieneinheiten<br />
Bild: Rose<br />
Das Herzstück der Eco-Line-Panel-PCs<br />
von Rose Systemtechnik ist ein Intel-Celeron-N4200-Prozessor<br />
mit einer Verlustleistung<br />
von nur 6 Watt. Zum niedrigen<br />
Energieverbrauch trägt zudem die LED-<br />
Hintergrundbeleuchtung bei. Ist mehr Re-<br />
Rose bietet für die Eco-Line-<br />
Baureihe verschiedene Extras<br />
an. Dazu gehören unter<br />
anderem RFID-Reader und<br />
Touch-Eingabestifte.<br />
chenleistung gewünscht, kann die Eco-Line<br />
auch mit einem Intel-Core i5–8365UE<br />
ausgerüstet werden. Die Panel-PCs sind<br />
mit einer Gehäusetiefe von 33 mm äußesrt<br />
kompakt. Die Eco-Line ist als Panel-<br />
PC mit einer Bildschirmdiagonalen von<br />
15,6 Zoll lieferbar. Es besteht aus einem<br />
Multitouch-Glas, das sich auch mit Handschuhen<br />
bedienen lässt. Die Eco-Line-<br />
Panel-PCs bieten Speicherkapazitäten<br />
von 64 bis 480 GB. Das Gehäuse der PCs<br />
ist pulverbeschichtet und mit einer verschraubten<br />
Rückwand ausgestattet. (ys)<br />
1793053-2.PDF - Januar 5, 2022 x<br />
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<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 06 | 2022 39
» FERTIGUNGSTECHNIK<br />
Gespräch mit Fertigungsplattform, Produzent und Anwender<br />
„Was wir uns nicht leisten können,<br />
sind schwarze Schafe im Netzwerk“<br />
Laserhub bringt auf seiner gleichnamigen Fertigungsplattform Einkäuferinnen und<br />
Einkäufer mit Produktionsunternehmen zusammen. Wie sehen die Prozesse innerhalb<br />
des Portals aus und was sind die Vor- und Nachteile? Ein Gespräch mit allen drei<br />
Parteien – den Plattform-Experten Christoph Rößner, Nicoletta Caporaletti und Anton<br />
Tsuji von Laserhub, dem Anwender Torge Andresen vom Sondermaschinenbauer<br />
Anthon sowie Tristan Frerichs vom Lohnfertiger Baumgarten – bot spannende Einblicke.<br />
<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong>: Wie stark sind<br />
bzw. waren Anthon und Baumgarten<br />
von den Engpässen während der Pandemie<br />
betroffen?<br />
Torge Andresen: Die Situation auf<br />
den <strong>Beschaffung</strong>smärkten wurde für Anthon<br />
im vergangenen Jahr äußerst<br />
schwierig. Das ist mitunter ein Grund,<br />
weshalb die Zusammenarbeit mit Laserhub<br />
zustande gekommen ist. Zum einen<br />
war die Belieferung mit Material problematisch.<br />
Hinzu kam, dass wir in der Konstruktion<br />
viel geändert haben, sodass<br />
mehr Blechteile benötigt wurden. Das hat<br />
sich gebissen: Kein Material auf dem<br />
Markt aber mehr benötigte Teile. Mit La-<br />
serhub wurde das wesentlich einfacher.<br />
Bisher hatten wir bei der <strong>Beschaffung</strong><br />
über die Plattform keine Probleme.<br />
Tristan Frerichs: Aus Produzentensicht<br />
kann ich den Schritt nachvollziehen.<br />
Auch wir bei Baumgarten merken, dass<br />
viel Bewegung im Markt ist. Das heißt,<br />
Rund 100 Produzenten wurden von der Fertigungsplattform sorgfältig ausgewählt und auditiert. Das soll Liefertreue und Qualität sicherstellen.<br />
Bild: Laserhub<br />
40 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 06 | 2022
Lagerbestände, die vor zwei Jahren noch<br />
verboten waren, sind heute erwünscht.<br />
Christoph Rößner: Und jetzt ist, ausgelöst<br />
durch den Krieg in der Ukraine,<br />
noch einmal mehr Dynamik in die Lage<br />
gekommen, die vielen Unternehmen die<br />
verlässliche <strong>Beschaffung</strong> von Teilen erschwert.<br />
Wie kann die Plattform Laserhub hier<br />
helfen?<br />
Rößner: Laserhub übernimmt zwei Themen.<br />
Zum einen das Anfrage- und Bestellwesen:<br />
Anwender laden ihre CAD-<br />
Zeichnungen hoch, wir prüfen die Bauteile<br />
auf Produzierbarkeit und geben basierend<br />
auf den Parametern sofort einen<br />
Preis aus. Innerhalb von wenigen Schritten<br />
haben unsere Kunden einen verbindlichen<br />
Liefertermin und können direkt online<br />
bestellen. Wir kalkulieren an dieser<br />
Stelle unabhängig vom Produzenten:<br />
Bauteil X darf Summe Y kosten, weil wir<br />
die Produktion entsprechend analysieren.<br />
Das passiert auf Simulationsbasis und mit<br />
immer mehr künstlicher Intelligenz. Im<br />
Anschluss, das ist das zweite Thema, suchen<br />
wir für das Bauteil aus unserem Lieferanten-Pool<br />
den am besten geeigneten<br />
Produzenten heraus. Das ist ein zweiter<br />
Algorithmus, der teils schon während der<br />
Kalkulation greift. Dabei prüfen wir, wie<br />
viele Lieferanten mit dem Material und<br />
dem Liefertermin zur Verfügung stehen.<br />
Und wer bekommt den Zuschlag?<br />
Rößner: Das Matching findet statt,<br />
nachdem der Auftrag erteilt wurde. Hier<br />
greifen verschiedene Ausschlusskriterien:<br />
Kann der Lieferant diese Lieferzeiten einhalten?<br />
Hat er das Material auf Lager<br />
oder kann er es in der Zeit beschaffen?<br />
Auch die regionale Nähe und weitere Faktoren<br />
wie Reklamationsquote und Liefertermintreue<br />
nehmen Einfluss. Darauf basierend<br />
wird der passende Lieferant dem<br />
Auftrag zugewiesen. Dieser hat ein bestimmtes<br />
Zeitfenster, um den Auftrag anzunehmen.<br />
Macht er das, kann der Auftrag<br />
digital übernommen werden. Wenn<br />
nicht, kaskadiert das System weiter zum<br />
nächsten geeigneten Lieferanten. Wir<br />
stellen den Preis in beide Richtungen –<br />
Kunde und Produzent. Bei letzterem kaufen<br />
wir auf Zielkosten ein.<br />
Das heißt, Laserhub kauft die Teile von<br />
den Produzenten und verkauft sie an die<br />
Plattformnutzer?<br />
Rößner: Korrekt. Wir sind Vertragspartner<br />
des Kunden und des Lieferanten. In<br />
Richtung Kunde stehen wir entsprechend<br />
für Produkt- und Prozessqualität ein und<br />
in Richtung Lieferant, dass er pünktlich<br />
sein Geld überwiesen bekommt.<br />
Herr Andresen, wie sieht der Workflow<br />
auf Ihrer Seite aus? Wie tätigen Sie Bestellungen<br />
bei Laserhub?<br />
Andresen: In unserer Arbeitsvorbereitung<br />
wird festgelegt, welche Bauteile beschafft<br />
werden müssen. Deshalb ist sie in<br />
diesem Fall auch für den Einkauf zuständig.<br />
Da ist der direkte Austausch mit den<br />
Lieferanten gewünscht. Das ist unüblich,<br />
aber wir haben in der Arbeitsvorbereitung<br />
das technische Verständnis für die Teile<br />
und wissen, wie sie gefertigt werden<br />
müssen. Wir laden die Datei in das Portal<br />
Die drei Unternehmen<br />
Die Laserhub GmbH ist ein B2B-Start-up aus Stuttgart, das<br />
eine herstellerübergreifende <strong>Beschaffung</strong>splattform für<br />
individuelle Metallteile entwickelt hat. Die Plattform deckt<br />
dabei Aufträge für die Bereiche Laserschneiden, Biegen,<br />
Rohrlaserschneiden, Schweißen und CNC-Drehen ab und beliefert<br />
Kunden aus Deutschland, Österreich und Frankreich.<br />
Die Anthon GmbH ist ein mittelständischer Maschinenbauer<br />
mit Sitz in Flensburg. Das Unternehmen arbeitet mit<br />
verschiedenen Industriezweigen, darunter die Plattenherstellung,<br />
die Möbel- und die Holzwerkstoffindustrie ebenso<br />
wie die Baustoffindustrie. Neben einzelnen Maschinen<br />
verantwortet Anthon auch komplette Fertigungsstraßen<br />
inklusive Softwarelösung.<br />
Baumgarten GmbH & Co. KG ist ein 1907 gegründetes mittelständisches<br />
Maschinenbau- und Metallbearbeitungs -<br />
unternehmen. Mithilfe einer hohen Fertigungstiefe und der<br />
50 Mitarbeiter werden alle Maschinen/Blechteile am Sitz in<br />
Porta Westfalica hergestellt. Das Familienunternehmen<br />
verfügt über ein vielfältiges Portfolio aus nationalen und<br />
internationalen Kunden.<br />
und bekommen sofort Preis und Liefertermin.<br />
Vielleicht hätten wir es woanders zu<br />
einem anderen Preis bekommen. Aber die<br />
Zeit, die wir dadurch einsparen, ist in dem<br />
Moment wesentlich wertvoller. Der Workflow<br />
ist für uns abgeschlossen, wenn ich<br />
auf Bestellen klicke. Etwa vier Wochen<br />
später haben wir die Teile auf dem Hof.<br />
Herr Frerichs, wie stellt sich der Prozess<br />
bei Ihnen dar?<br />
Frerichs: Wir bekommen einen Auftrag<br />
per Mail zur Prüfung zugewiesen. Dann<br />
können wir entscheiden, ob wir diesen zu<br />
den genannten Konditionen und Fertigungsparametern<br />
fertigen können. Die Daten<br />
schauen wir uns davor an, um bei großen<br />
Aufträgen entsprechend zu kalkulieren.<br />
Generell versuchen wir den Aufwand aber<br />
möglichst gering zu halten. Wir erhalten<br />
gut aufbereitete Zeichnungen und müssen<br />
nicht extra mit der Arbeitsvorbereitung des<br />
Kunden telefonieren. Die Daten werden<br />
über einen XML-Import direkt von der<br />
Plattform gezogen und der Auftrag wird<br />
automatisch bei uns im ERP-System ange-<br />
<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 06 | 2022 41
» FERTIGUNGSTECHNIK<br />
Christoph Rößner ist Geschäftsführer und Co-Gründer der Laserhub GmbH.<br />
Bild: Laserhub<br />
Tristan Frerichs ist Geschäftsführer der Baumgarten Gmbh & Co. KG.<br />
Bild: Baumgarten<br />
legt, mit allen Positionen und Preisen. Das<br />
bedeutet, die Kollegen müssen nur Biegeteile<br />
und Bauteile mit manuellen Arbeiten<br />
aufbereiten. Bei einfachen Laserteilen machen<br />
wir nichts mehr. Die Durchlaufzeit ist<br />
im Vergleich zu normalen Aufträgen deutlich<br />
geringer und<br />
entsprechend effizienter.<br />
Zwar ist das<br />
Plattformgeschäft,<br />
bezogen auf die<br />
Marge, nicht mit<br />
klassischen Aufträgen<br />
vergleichbar.<br />
Aber Vertriebs- und<br />
Arbeitsvorbereitungskosten sind dort mit<br />
erheblich weniger Anteil zu sehen. Wenn<br />
wir das Teil produziert haben, melden wir<br />
es im Portal als fertig und Laserhub organsiert<br />
den Transport.<br />
»Wir laden die Datei<br />
in das Portal und<br />
bekommen sofort Preis<br />
und Liefertermin.«<br />
Torge Andresen, Anthon<br />
gen entspricht und bestenfalls sogar einen<br />
entsprechenden Marktstandard vorgibt.<br />
Im Moment ist es so, dass sich interessierte<br />
Betriebe bei uns bewerben oder uns auf<br />
Messen ansprechen. Bewerber durchlaufen<br />
einen strukturierten Bewerbungsprozess<br />
mit unterschiedlichen<br />
Filter-<br />
Stufen der in einer<br />
Art Nutzwertanalyse<br />
mündet und ein<br />
erfolgversprechendes<br />
Netzwerk-<br />
Match zielgerichtet<br />
identifiziert. Sehr<br />
kleine Betriebe haben ein erhöhtes Ausfallrisiko.<br />
Deshalb streuen wir Risiken, indem<br />
wir direkt in gewisse Betriebsgrößen<br />
gehen, die eine entsprechende Maschinenkapazität<br />
zur Verfügung stellen können.<br />
Wir brauchen Wegbegleiter, welche<br />
die Entwicklung und Vision von Laserhub<br />
mittragen. Dafür sind auf beiden Seiten<br />
immer wieder Prozessveränderungen notwendig.<br />
Dieses Mindset fordern wir konsequent<br />
ein. Was wir uns nicht leisten<br />
können, sind einzelne schwarze Schafe im<br />
Netzwerk. Schließlich wollen wir dem<br />
Kunden einen Grund geben, seine Produzentenbasis<br />
durch eine Plattform zu ersetzen<br />
oder ergänzen.<br />
Wie bewerten Sie die Zusammenarbeit,<br />
Herr Frerichs?<br />
Frerichs: Wir haben die Zusammenarbeit<br />
mit Laserhub vor drei Jahren begonnen<br />
und sind quasi von Anfang an dabei<br />
Frau Caporaletti, wie findet Laserhub<br />
die richtigen Lieferanten?<br />
Nicoletta Caporaletti: Wie sagt man<br />
so schön, jedes Unternehmen bekommt<br />
die Lieferanten, die es verdient. Am Ende<br />
des Tages steht Laserhub für ein Kennzahlen-orientiertes,<br />
ganzheitliches Lieferantenmanagement,<br />
als Basis für eine langfristig<br />
orientierte Zusammenarbeit mit<br />
dem Ziel gemeinsamer, schlanker Prozesse.<br />
Wenn Herr Andresen auf Senden klickt,<br />
hat er die Erwartung, dass Laserhub seinen<br />
Job richtig macht. Dafür bezahlt er.<br />
Wir müssen also sicherstellen, dass die<br />
Grundqualität und Lieferperformance in<br />
unserem Netzwerk den Kundenerwartungewesen.<br />
Die digitalen Schritte, die wir im<br />
Zuge dessen umgesetzt haben, konnten<br />
wir auch für die Weiterentwicklung unseres<br />
eigenen Geschäftsmodells nutzen. Bedeutet:<br />
Hätten wir diesen Impact nicht<br />
gehabt, ständen wir jetzt nicht da, wo wir<br />
heute sind. Diese Entwicklung hat uns im<br />
Positiven dazu gezwungen, uns immer<br />
wieder zu hinterfragen.<br />
Wie viele Bewerbungen möglicher Produzenten<br />
bekommt Laserhub?<br />
Caporaletti: Wir sind in der glücklichen<br />
Situation, dass wir nahezu unseren kompletten<br />
Zulauf über selbstmotivierte Bewerbungen<br />
lösen können. Aktiv nach Lieferanten<br />
suchen wir selten. Falls doch,<br />
suchen wir nach speziellen Fähigkeiten,<br />
bestimmten Zertifizierungsszenarien oder<br />
konkreten Fertigerprofilen wie beispielsweise<br />
eine weiße Fertigung. Es gibt immer<br />
Betriebe, die man gerne zusätzlich in seinem<br />
Netzwerk hätte. Was wir nicht machen,<br />
ist das inflationäre Listen Hunderter<br />
Produzenten. So können wir konkret auf<br />
Basis des Forecasts in die Jahreszielgespräche<br />
gehen und wissen, was wir voneinander<br />
erwarten. Das ist aber nur sichergestellt,<br />
wenn wir die jeweiligen Kuchenstücke<br />
pro Lieferant nicht auf ein Minimum<br />
runterrechnen, sondern ihm die<br />
Möglichkeit geben, im Netzwerk zu<br />
wachsen und die eigene Produktion und<br />
Umsatzplanung darauf auszurichten.<br />
Und wie viele Kuchenstücke sind es <strong>aktuell</strong><br />
im Netzwerk?<br />
42 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 06 | 2022
Caporaletti: Auf alle Länder und Produktgruppen<br />
verteilt, arbeiten wir derzeit<br />
mit etwa einhundert Lieferanten im Netzwerk<br />
zusammen. Wenn ein Produzent bei<br />
uns für Blechteile aktiv ist, und es bietet<br />
sich an, andere Produktbereiche zusätzlich<br />
über dieses Haus abzudecken, ist dies<br />
– bei passenden KPIs – immer unsere erste<br />
Wahl. Ziel ist Produktgruppen bei den<br />
Lieferanten zu bündeln und damit A-Kunde<br />
zu sein.<br />
Gibt es verschiedene Preismodelle, die<br />
Laserhub anbietet?<br />
Caporaletti: Wir haben unterschiedliche<br />
Orderprofile. Es gibt die Einzelorder<br />
sowie hoffentlich bald wieder die Möglichkeit,<br />
Rahmenverträge anzufragen, sobald<br />
sich die Lage am Markt wieder etwas<br />
beruhigt. Aber es gibt keine unterschiedlichen<br />
Preismodelle. Dasselbe gilt für die<br />
Lieferanten.<br />
Herr Andresen, welche Art von Bauteilen<br />
und welche Stückzahlen geben Sie<br />
bei Laserhub in Auftrag?<br />
Andresen: Anthon kommt aus dem<br />
Sondermaschinenbau. Wir haben also selten<br />
große Stückzahlen. Von Losgröße 1<br />
bis 100 ist aber alles dabei – alle Materialstärken,<br />
überwiegend Stahlbereich und<br />
viel verzinkter Stahl. Die Aufträge verteilen<br />
wir projektweise, weshalb wir nicht<br />
explizit nach hohen Stückzahlen schauen<br />
und diese an das Portal weitergeben. Wir<br />
haben ein Projekt X, das wird bei Laserhub<br />
beschafft. Und wir haben ein Projekt Y,<br />
welches wir bei einem anderen Produzenten<br />
beschaffen. Auf diese Weise können<br />
wir klar zuordnen, wo etwas ist.<br />
Sind solche Stückzahlen der Standard<br />
bei Laserhub?<br />
Anton Tsuji: Laserhub stellt einen<br />
‚Sweetspot‘ für solche Anwendungsfälle<br />
dar – Projektgeschäft mit großen Volumina,<br />
bei dem viel Blech oder Metall auf<br />
einmal benötigt<br />
wird. Hier liegt viel<br />
von unserem Geschäft.<br />
Aber auch<br />
nach unten und<br />
oben – also in<br />
Richtung Prototypen,<br />
sowie in Bezug<br />
auf große Serien<br />
– entwickeln<br />
wir uns weiter. Wir<br />
sehen in unserem Netzwerk bereits Fälle<br />
von Kunden, die mit Prototypen eingestiegen<br />
sind, anschließend eine Kleinserie<br />
gefahren haben und später ein Serienprodukt<br />
auf den Markt gebracht haben, welches<br />
über Laserhub läuft.<br />
Wie verhalten sich die Kosten im Vergleich<br />
zu anderen Lieferanten?<br />
Andresen: Natürlich muss man die<br />
Dienstleistung auch bezahlen. Es ist also<br />
völlig verständlich, dass es eventuell etwas<br />
mehr kostet als beim Lieferanten um<br />
die Ecke. Dazu kommen dann auch noch<br />
»Was wir nicht<br />
machen, ist das<br />
inflationäre Listen<br />
Hunderter<br />
Produzenten.«<br />
Nicoletta Caporaletti, Laserhub<br />
die Versandkosten. Aber letztendlich ist<br />
der Preis völlig in Ordnung. Was mich<br />
persönlich in Bezug auf die Nachhaltigkeit<br />
stört ist, dass überall LKW mit Blechteilen<br />
unterwegs sind. Aber Laserhub versucht<br />
das so zu ordnen, dass der Lieferant<br />
möglichst bei uns in der Nähe sitzt.<br />
Tsuji: Die Kosten sind ja nicht nur der<br />
Preis, der auf dem Angebot steht. Ein klarer<br />
Vorteil, den wir sehen, ist unser Prozess.<br />
Der erste Auftrag<br />
mit Laserhub<br />
war für Herrn Andresen<br />
auch mit<br />
Kosten verbunden,<br />
da er sich erst mit<br />
dem Prozess beschäftigen<br />
musste<br />
und Zeit investiert<br />
hat. Wir haben viele<br />
Entwickler, die<br />
täglich daran arbeiten, die Plattform zu<br />
verbessern. Jedes Mal, wenn ein Kunde<br />
ein Projekt abwickelt, wird der Service ein<br />
bisschen verbessert, die Leistung ein bisschen<br />
besser und der Algorithmus ein bisschen<br />
smarter. Auf Kundenseite sehen wir<br />
darüber hinaus bei vielen, die schon länger<br />
dabei sind: Je besser der Laserhub-<br />
Prozess in den eigenen Workflow integriert<br />
ist, desto kosteneffizienter wird das<br />
Ganze.<br />
Das Interview führte Yannick Schwab,<br />
Redakteur <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong>.<br />
Nicoletta Caporaletti leitet die virtuelle Fabrik bei der Laserhub<br />
GmbH.<br />
Bild: Laserhub<br />
Anton Tsuji ist Head of Marketing bei der Laserhub GmbH.<br />
Bild: Laserhub<br />
<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 06 | 2022 43
Namhafter Round Table zum Thema 3D-Druck<br />
Additive Fertigung und die<br />
Lieferkette<br />
Bild: Airbus Defence and Space<br />
Der Einsatz von 3D-Druck bei Airbus Defence and Space ermöglicht es unter anderem, das Gewicht von Komponenten zu reduzieren.<br />
Der Hersteller von 3D-Druckern und Produktionssystemen Stratasys hat<br />
eine Diskussionsrunde mit Vertretern von General Motors, Siemens<br />
Mobility sowie Airbus Defence and Space veranstaltet. Die Teilnehmer<br />
berichteten dabei über ihre Erfahrungen mit der additiven Fertigung in<br />
den vergangenen zwei Jahren.<br />
»Manchmal kann ein<br />
sehr kleines Teil zu<br />
langen Verzögerungen<br />
führen.«<br />
Octavio Pichardo Romero, General Motors<br />
Die Vorteile des 3D-Drucks bzw. der additiven<br />
Fertigung (Additive Manufacturing, AM) sind<br />
inzwischen weithin bekannt. Weniger bekannt ist jedoch<br />
ihre wachsende Bedeutung in der globalen<br />
Supply Chain. Die jüngsten<br />
Unterbrechungen in den Lieferketten<br />
haben Schwachstellen<br />
aufgezeigt. Hier hat die<br />
additive Fertigung für einige<br />
Hersteller den entscheidenden<br />
Unterschied gemacht. Mit General<br />
Motors, Siemens Mobility<br />
und Airbus Defence and<br />
Space kamen auf Einladung des 3D-Druck-Experten<br />
Stratasys drei internationale Unternehmen zusammen,<br />
um sich über ihre Erfahrungen auszutauschen.<br />
Ihnen zufolge, ist der 3D-Druck von einer Technologie<br />
für die Entwicklung von Prototypen und Sonder-<br />
teilen nicht nur in die Serienfertigung vorgedrungen,<br />
sondern er ist auch zu einer treibenden Kraft in der<br />
strategischen Entwicklung geworden.<br />
Kleine Teile mit großer Bedeutung<br />
für die Produktion<br />
Die Werke von General Motors in Mexiko nutzen den<br />
3D-Druck seit vielen Jahren für die Herstellung von<br />
Produktionsteilen für Fahrzeuge, darunter Metallteile<br />
für die Cadillac V-Serie. Im vergangenen Jahr nutzte<br />
das Unternehmen die additive Fertigung jedoch auch<br />
für die Herstellung von Ersatzteilen für die eigene<br />
Montagelinie, um sicherzustellen, dass die Produktion<br />
zügig fortgesetzt werden konnte, wenn Teile ausgetauscht<br />
werden mussten.<br />
„Als die Lieferketten während der Pandemie unterbrochen<br />
wurden, war es sehr schwierig, eine Reihe<br />
kleiner, aber wichtiger Teile zu bekommen”, erklärt<br />
44 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 06 | 2022
FERTIGUNGSTECHNIK «<br />
Octavio Pichardo Romero, Senior Manager im General-Motors-Produktionswerk<br />
San Luis Potosi in Mexiko.<br />
„Ein solches Teil befand sich in unserer Lackiererei,<br />
wo die Bakelitbuchsen einer großen Anlage zum<br />
Bewegen von Lkw-Fahrgestellen<br />
regelmäßig ausgetauscht<br />
werden mussten.<br />
Diese müssen eine Isolierung<br />
von 200 A und 300 V<br />
gewährleisten, sind also<br />
Spezialteile.“ Die normale<br />
Lieferzeit dieser Komponenten<br />
beträgt zwei bis<br />
drei Monate ab Bestellung<br />
und sie halten etwa vier<br />
Monate, sodass ein regelmäßiger Austausch üblich<br />
ist. „Um einen Stillstand der Anlage zu vermeiden, arbeiteten<br />
wir mit dem Lieferanten zusammen, wählten<br />
das richtige Material und haben die Ersatzteile 3D-gedruckt”,<br />
fährt Pichardo Romero fort. „So sind wir in der<br />
Lage, das Bauteil innerhalb von fünf Stunden zu drucken<br />
und vermeiden die Schließung von Produktions -<br />
linien, die rund 1000 USD pro Stunde kosten würde.”<br />
Der General-Motors-Manager ergänzt: „Ein weiteres<br />
Beispiel war die Entwicklung eines Getriebes, für<br />
welches ein spezieller Steckschlüssel für den Verschluss<br />
benötigt wurde. Da die Konstruktion neu war,<br />
gab es keine kommerzielle Lösung, welche das richtige<br />
Drehmoment liefern konnte. Die herkömmliche<br />
Herstellung eines solchen Produkts kann Monate<br />
dauern. Wieder in Zusammenarbeit mit dem OEM-<br />
Lieferanten konnten wir es mit einem Hightech-Industriematerial<br />
additiv fertigen und hatten es innerhalb<br />
weniger Stunden in den Händen.”<br />
Manchmal kann selbst ein sehr kleines Teil zu langen<br />
Verzögerungen führen: „Einmal brauchten wir Passstifte<br />
für ein Fließband. Wegen Covid betrugen die<br />
Lieferzeiten aus den USA vier bis sechs Wochen, und<br />
aus Japan hätten wir zehn bis zwölf Wochen warten<br />
müssen. Jetzt können wir sie in zwanzig Minuten<br />
drucken“, so Pichardo Romero. „Diese und andere<br />
Beispiele haben unsere Produktion gesichert. Die<br />
Technologie hat uns dazu gebracht, unsere Lieferketten<br />
zu überdenken und zu überlegen, wie wir mehr<br />
Teile vor Ort produzieren können.”<br />
»Wir setzen AM auch ein,<br />
um die Produkt- und<br />
Personensicherheit zu<br />
erhöhen.«<br />
Barbara Bergmeier, Airbus Defence and Space<br />
Bei Siemens Mobility wurde der 3D-Druck auf andere<br />
Weise eingesetzt, um pandemiebedingte Unterbrechungen<br />
der Lieferkette zu umgehen: „Bei Siemens<br />
produzieren wir zertifizierte 3D-gedruckte Metallund<br />
Polymerteile für unsere Kunden auf der ganzen<br />
Welt, vor allem im Bahnbereich”, erklärt Philip Emmerling,<br />
Business Development Additive Manufacturing<br />
bei Siemens Mobility. „Die 3D-Drucktechnologie<br />
ist für uns sehr wichtig bei der Wartung von Zügen,<br />
wobei unser Ziel darin besteht, On-Demand-Druck<br />
für maßgeschneiderte Produktlösungen<br />
durchzuführen.<br />
Jetzt setzen wir AM zur<br />
Optimierung der Lieferkette<br />
ein, insbesondere im Bereich<br />
der Instandhaltung,<br />
wo schnelle und zuverlässige<br />
Lösungen für Ersatzteile<br />
gefragt sind. In diesem Sinne<br />
agieren wir ähnlich wie<br />
Octavio in Mexiko.“<br />
Vom „Digital Depot“ in Dortmund aus, werden Inspektionen<br />
an Zügen durchgeführt, während sie noch in<br />
Betrieb sind. Wartungsarbeiten können geplant und<br />
Teile bestellt werden, bevor der Zug in das Depot<br />
kommt. „Die Herausforderung besteht in der Planung,<br />
Bestellung und <strong>Beschaffung</strong> von Ersatzteilen, aber genau<br />
hier bietet die additive Fertigung viele Vorteile im<br />
Vergleich zu herkömmlichen Lieferströmen“, sagt Emmerling.<br />
„Für uns war AM die perfekte Lösung. Die<br />
Technologie ist sehr schnell und skalierbar. Wir haben<br />
Drucker auf der ganzen Welt. Man braucht nicht<br />
viel Platz, keine große Produktionshalle und keinen<br />
großen Maschinenpark – und genau das war der<br />
Ausgangspunkt unserer Idee, ein globales 3D-Druck-<br />
Netzwerk aufzubauen.“<br />
Im Mittelpunkt dieses Netzes steht das Kompetenzzentrum,<br />
welches für Forschung und Entwicklung, Engineering<br />
und die Konstruktion von Bauteilen zuständig<br />
ist. „Jeder ‚Satelite‘ ist mit dem Kompetenzzen-<br />
Die GM-Werke in<br />
Mexiko nutzen den<br />
3D-Druck seit Jahren<br />
für die Herstellung von<br />
Produktionsteilen. Im<br />
vergangenen Jahr<br />
wurde er jedoch auch<br />
für die Ausrüstung der<br />
Montagelinie genutzt.<br />
Netzwerk für den 3D-Druck bietet<br />
viele Vorteile<br />
Bild: General Motors<br />
<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 06 | 2022 45
» FERTIGUNGSTECHNIK<br />
Siemens produziert<br />
zertifizierte 3Dgedruckte<br />
Metall- und<br />
Polymerteile für Kunden<br />
auf der ganzen Welt,<br />
vor allem im<br />
Bahnbereich .<br />
trum verbunden”, so Emmerling. „Sie wenden sich an<br />
uns, und wir erarbeiten mit ihnen eine Lösung. Diese<br />
ist maßgeschneidert, sodass sie direkt auf dem jeweiligen<br />
3D-Drucker umgesetzt werden kann. Unsere<br />
3D-Druck-Anlagen von Stratasys sind dafür perfekt<br />
geeignet. Wir können die Hauptarbeit leisten – das<br />
Engineering und die Vorbereitung des Bauteils – und<br />
der ‚Satellit‘ kann das Produkt direkt in seinem Depot<br />
fertigen. Das macht herkömmliche Lieferketten praktisch<br />
überflüssig und spart Versand, Lagerhaltung,<br />
Verwaltung, Zoll und andere Zeit- und Kostenfaktoren<br />
– was AM auch zu einer sehr nachhaltigen Lösung<br />
macht.”<br />
Additive Fertigung verringert die<br />
Abhängigkeit von Lieferanten<br />
Während die Herausforderungen für Airbus Defence<br />
and Space sehr ähnlich sind, sind die Prioritäten doch<br />
unterschiedlich. „An unseren Standorten in ganz<br />
Europa setzt Airbus additive Fertigung für einige klar<br />
definierte Zwecke ein. Einer davon ist, wie bei Siemens<br />
Mobility, die Nachhaltigkeit<br />
und die Verringerung<br />
unserer Umweltbelastung”, erklärt<br />
Barbara Bergmeier, Head<br />
of Operations bei Airbus Defence<br />
and Space. „Octavio und<br />
Philip haben bereits die kürzeren<br />
Vorlaufzeiten erwähnt, die<br />
sich als großer Vorteil für die<br />
Mitarbeiter erwiesen haben.<br />
Viele Ideen kommen von unseren<br />
Mitarbeitern, vor allem in der Fertigung. Der<br />
3D-Druck ermöglicht es, mehr dieser Ideen zu testen<br />
und zu bewerten.”<br />
„Wir setzen AM auch ein, um die Produkt- und Personensicherheit<br />
zu erhöhen – unsere oberste Priorität.<br />
Und ein letztes, sehr wichtiges Thema: Design -<br />
Bild: Siemens Mobility<br />
»Wir setzen AM jetzt<br />
zur Optimierung der<br />
Lieferkette ein, insbesondere<br />
im Bereich der<br />
Instandhaltung.«<br />
Philip Emmerling, Siemens Mobility<br />
freiheit. Die Änderung von Materialien trägt dazu<br />
bei, das Gewicht von Komponenten zu reduzieren<br />
und die CO 2 -Belastung eines Flugzeugs zu verringern“,<br />
führt Bergmeier fort. „Was die Lieferketten betrifft,<br />
so sind wir durch den Einsatz von additiver Fertigung<br />
weniger abhängig von Zulieferern, ob es sich<br />
nun um Rohmaterial oder Fertigteile handelt. Aber<br />
was mir auch gefällt, ist, dass wir nicht so viel Material<br />
verschwenden. In einigen Fällen werden bis zu<br />
80 Prozent Materialeinsparungen erzielt. Im Flugzeugbau<br />
bestehen wichtige Zusammenhänge zwischen<br />
weniger Material, weniger Gewicht, weniger<br />
Energiebedarf und weniger Treibstoffverbrauch.“<br />
Bergmeier fasst abschließend zusammen: „Wir produzieren<br />
also Bauteile wie Siemens Mobility. Aber<br />
wir fertigen auch Montagevorrichtungen und Werkzeuge<br />
wie bei General Motors im 3D-Druck. Das gibt<br />
uns mehr Unabhängigkeit und verringert die Abhängigkeit<br />
von Lieferungen.”<br />
Die Fertigungswelt mithilfe von<br />
Flexibilität verändern<br />
Von Ersatzteilen über die Herstellung von Montagevorrichtungen<br />
und Werkzeugen bis hin zur Entwicklung<br />
neuer Teile und dem vernetzten, verteilten<br />
3D-Druck – AM bietet laut Stratasys das Potenzial<br />
die Fertigungswelt zu verändern. In Anbetracht der<br />
Erfahrungen von General Motors, Siemens Mobility,<br />
Airbus Defence und Space und anderer ähnlicher Unternehmen<br />
ist Andy Langfeld, EMEA President bei<br />
Stratasys, der Ansicht, dass die Pandemie die<br />
Schwachstellen in den globalen Lieferketten aufgedeckt<br />
hat, dass aber die Entwicklungen in der AM-<br />
Technologie eindeutig zur Lösung dieses Problems<br />
beigetragen haben.<br />
„Wir sehen heute, dass immer mehr Hersteller diese<br />
Gelegenheit nutzen, um ihre Lieferketten zu überdenken<br />
und neu auszurichten.<br />
Damit die Unternehmen noch<br />
widerstandsfähiger und auch<br />
flexibler auf zukünftige Störungen<br />
reagieren können”,<br />
fasst Langfeld zusammen.<br />
„Gleichzeitig ermöglichen es<br />
die technologischen Entwicklungen<br />
in der additiven Fertigung<br />
den Herstellern, schnell<br />
und kosteneffizient vom Druck<br />
einzelner Chargen zur Produktion von Tausenden – ja<br />
sogar Zehntausenden – von Einheiten überzugehen.<br />
Dies ist ein entscheidender Faktor, der den Herstellern<br />
weitere Möglichkeiten eröffnet, die Flexibilität<br />
des 3D-Drucks in weiteren Teilen der Lieferkette zu<br />
erhöhen.“ (ys)<br />
46 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 06 | 2022
Leichtschneidende Walzenstirnfräser<br />
Hohes Zeitspanvolumen und<br />
lange Standzeiten<br />
Die großen Wendeplatten der neuen Walzenstirnfräser steigern das Zeitspanvolumen<br />
und ermöglichen eine Reduzierung des Werkzeugbestands.<br />
Bild: Seco Tools<br />
Ein großes Werkzeugsortiment mit vielen Spezialwerkzeugen<br />
verursacht bedeutende Kosten in der Fertigung. Die neuen Walzenstirnfräser<br />
Helical Turbo 16 von Seco Tools vereinen Produktivität<br />
und Benutzerfreundlichkeit, so der Hersteller. In Fagersta,<br />
Schweden, gegründet und nun in mehr als 75 Ländern vertreten,<br />
ist das Unternehmen ein weltweit agierender Anbieter von Zerspanungslösungen<br />
zum Fräsen mit Wendeplattensystemen und<br />
Vollhartmetallfräsern, zum Drehen, Bohren, Gewindeschneiden<br />
und -drehen sowie für Werkzeugsysteme.<br />
Anwender können für die neuen Walzenstirnfräser auf ein umfangreiches<br />
Wendeplattensortiment zurückgreifen, das ein hohes<br />
Zeitspanvolumen sowie lange Werkzeugstandzeiten bietet.<br />
Verbesserte Kühlmittelkanäle, neu gestaltete Spankammern und<br />
die Einbaulage der Wendeplatten sollen die Prozesssicherheit<br />
steigern und die Spanbildung optimieren. Dies maximiert realisierbare<br />
Schnitttiefen und Vorschübe für kürzere Bearbeitungszeiten,<br />
so das Unternehmen.<br />
Das Radius Error Preventing System soll zudem den stirnseitigen<br />
Einbau von Wendeplatten mit nicht zulässigen Eckenradien verhindern.<br />
Die Walzenstirnfräser sind auf Basis einer Wendeplatte<br />
mit einer Schneidenlänge von 16 mm laut Seco Tools dafür prädestiniert,<br />
Bearbeitungszeiten und -kosten zu senken. Anwender<br />
benötigen für dieselben Schnitttiefen weniger Wendeplatten<br />
und können ihren Werkzeugbestand reduzieren. Die Walzenstirnfräser<br />
Helical Turbo 16 sind in einem Durchmesserbereich<br />
von 32 bis 100 mm erhältlich und für zahlreiche Aufnahmearten<br />
sowie beschichtete und unbeschichtete Wendeplatten in fünf<br />
Geometrien ausgelegt. Die Fräser und Wendeschneidplatten sind<br />
mit einem Datamatrix-Code versehen, über den der Anwender<br />
mit der Smartphone App „Seco Assistant“ alle relevanten Produktinformationen<br />
sowie Schnittdaten für die Bearbeitung abrufen<br />
kann. (ys)<br />
Scannen und<br />
Drucken erstmalig<br />
in einem Gerät<br />
• 1D-/2D-Code scannen, umwandeln und drucken<br />
• Konvertierung in individuelles Format<br />
• Druck auf beinahe allen Oberflächen und<br />
Materialen<br />
www.reiner.de/digitalisieren<br />
<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 06 | 2022 47
» ROBOTIK<br />
Automatica 2022 in München<br />
Aufbruchstimmung in der<br />
Robotik live erleben<br />
Vom 21. bis 24. Juni 2022 findet in München – erstmals seit 2018 – wieder die<br />
Automatica statt. Und diese erste große Robotik-Messe nach der Corona-<br />
Pause kommt gerade zur rechten Zeit, denn in der Roboterszene herrscht eine<br />
große Aufbruchstimmung mit jeder Menge spannender Neuheiten.<br />
Als „Weltleitmesse für intelligente Automation<br />
und Robotik“ zeigt die Automatica<br />
nicht nur Roboter und Cobots. Weitere<br />
Ausstellungsbereiche sind die Montageund<br />
Handhabungstechnik, mit z. B. Bosch<br />
Rexroth, Festo, der Hahn Group, Schaeffler,<br />
Schunk und Zimmer, sowie die industrielle<br />
Bildverarbeitung, mit z. B. Asentics,<br />
Zeiss, IDS, Isra Vision und VMT. Auch aus<br />
der Sensorik und Automatisierungstechnik<br />
sind Unternehmen wie Beckhoff, Keyence,<br />
Nabtesco, Sick oder Siemens vertreten.<br />
Auf der Automatica ist eine Testzone geplant, in der Robotik- und Automationsanwendungen vor<br />
Ort ausprobiert werden können.<br />
Das große Ziel, das die Robotikbranche<br />
gerade umtreibt, ist die „Demokratisierung<br />
der Robotik“. Sprich: Künftig<br />
soll jede und jeder Roboter bedienen können<br />
– ohne spezielle Kenntnisse. Damit<br />
soll die Robotik für neue Anwenderkreise<br />
insbesondere in kleinen und mittleren<br />
Unternehmen (KMU) sowie im Handwerk<br />
noch interessanter werden.<br />
Für diese Aufbruchstimmung sorgen nicht<br />
nur die etablierten Branchengrößen wie<br />
Fanuc, Kuka, Yaskawa, ABB oder Universal<br />
Robots, die allesamt in München Flagge<br />
zeigen. Es sind auch und vor allem<br />
Newcomer und Start-ups, die für einen<br />
frischen Wind sorgen. Auch diese „jungen<br />
Wilden der Robotik“ nutzen die Automatica<br />
2022, um sich zu präsentieren. Darunter<br />
finden sich zum Beispiel Agile Robots,<br />
Franka Emika, Fruitcore Robotics,<br />
Kassow Robots, Mech-Minds, Micropsi<br />
Industries, Neura Robotics, Rethink Robotics,<br />
Robominds, Wandelbots oder Xitaso.<br />
Mehr Cobots als je zuvor<br />
Bild: Messe München<br />
Dieser Wettbewerb zwischen etablierten<br />
Industrieroboterherstellern und „jungen<br />
Wilden“ sorgt für eine große Dynamik –<br />
gerade bei den Leichtbaurobotern und<br />
Cobots. Entsprechend gibt es auf der Automatica<br />
2022 ein so breites Angebot an<br />
kollaborativen Robotern zu sehen wie<br />
noch nie. Aber auch bei Industrierobotern<br />
gibt es jede Menge Neuheiten – so sind<br />
Industrieroboter immer einfacher zu bedienen.<br />
Dafür sorgen Easy-to-use-Ansätze<br />
und einfache Programmiermöglichkeiten<br />
à la „No Code Robotics“.<br />
Foren zeigen Megatrends<br />
Vier Trendthemen prägen die Automatica<br />
2022: „Digitale Transformation“, „Künstliche<br />
Intelligenz“, „Mensch und Maschine“<br />
sowie „Nachhaltige Produktion“. Sie bilden<br />
daher auch den inhaltlichen roten<br />
Faden des Automatica Forums 2022, das<br />
wie gewohnt von der Konradin Mediengruppe<br />
unter Federführung der Automationspraxis<br />
organisiert wird. An allen vier<br />
Messetagen liefert das Forum mit Key -<br />
notes, Praxisvorträgen und Podiums -<br />
diskussionen sowie Ausstellervorträgen<br />
wertvollen Input für die Besucher der Robotikmesse.<br />
Am zweiten Tag der Messe<br />
steht mit dem munich_i Hightech-Summit<br />
ein weiterer Höhepunkt des Rahmenprogramms<br />
auf der Agenda. In vier Sessions<br />
beleuchten jeweils vier Experten die<br />
zentralen Aspekte der Interaktion<br />
menschlicher und künstlicher Intelligenz<br />
und des verantwortungsvollen technologischen<br />
Wandels. Das Spektrum reicht<br />
dabei von der Lagerautomatisierung über<br />
Deep-Learning-Ansätze für intelligente<br />
Roboter und das automatisierte, KI-gestützte<br />
Fahren bis zu „Soft Robotics“. (ys)<br />
48 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 06 | 2022
Greifer- und Spannsysteme<br />
Kits für die Werkzeugmaschine<br />
Cobot auf Basis eines neuen Betriebssystems<br />
Einfacher Einstieg in die Robotik<br />
Für die metallbearbeitende<br />
Fertigung bietet Schunk mit<br />
den neuen Applikations-Kits<br />
MTB laut eigenen Angaben einen<br />
komfortablen Einstieg in<br />
die automatisierte Maschinenbe-<br />
und -entladung mit<br />
Cobots. Die Universalgreifer<br />
und Kraftspanner sind auf den<br />
Einsatz in der spanabhebenden<br />
Bearbeitung vorkonfigu-<br />
Bild: Schunk<br />
Applikations-Kits MTB für den<br />
Einstieg in die Maschinenbeladung<br />
mit Cobots.<br />
riert. Passende roboterspezifische<br />
Anschlusskits sollen eine<br />
unkomplizierte Inbetriebnahme<br />
und eine bis zu 50 Prozent<br />
schnellere Be- und Entladung<br />
ermöglichen. Die Kits eignen<br />
sich dank Features wie der abgedichteten<br />
Ventilbox oder einer<br />
Abblasdüse für Schmutz<br />
und Späne für den Einsatz in<br />
Werkzeugmaschinen. Auch digital<br />
baut Schunk seine Services<br />
aus. Den Anfang machte<br />
der im Frühjahr eingeführte<br />
FGR Fingerkonfigurator. Über<br />
das Tool können mit wenigen<br />
Klicks Greiferfinger geplant<br />
und bestellt werden. Als<br />
Messeüberraschung wird zur<br />
Automatica ein konfigurierbarer,<br />
pneumatischer Großhubgreifer<br />
vorgestellt. (ys)<br />
Automatica, Halle A5, Stand 502<br />
Kuka gewährt in München<br />
Einblicke in das Roboter-Betriebssystem<br />
iiQKA.OS. Der<br />
Cobot LBR iisy läuft als erster<br />
seiner Art auf Basis des neuen<br />
Betriebssystems und soll dadurch<br />
innerhalb von Minuten<br />
konfiguriert und programmiert<br />
werden können. Auf der Messe<br />
zeigt das Unternehmen den<br />
kollaborativen Roboter in weiteren<br />
Ausführungen. Mit dem<br />
Gesamtsystem aus Hard- und<br />
Software möchte Kuka die<br />
Eintrittsschwelle für Robotik<br />
gerade bei kleineren und mittelständischen<br />
Unternehmen<br />
senken.<br />
Die Simulationssoftware Kuka.Sim<br />
soll es Anwendern ermöglichen,<br />
Roboterapplikationen<br />
offline zu programmieren,<br />
virtuell in Betrieb zu nehmen<br />
Bild: Kuka<br />
Die Produktfamilie der „LBR iisy“-<br />
Cobots wächst.<br />
und Zeit zu sparen. Dafür erstellt<br />
die Software einen digitalen<br />
Zwilling. Die KI-basierte<br />
Leitsteuerung Kuka AIVI sorgt<br />
in der Intralogistik für einen<br />
verbesserten Materialfluss zur<br />
Produktionslinie sowie für die<br />
Auslastung von fahrerlosen<br />
Transportfahrzeugen. (ys)<br />
Automatica, Halle A4, Stand 231<br />
Programmieren von Robotern<br />
Der No-Code-Programming-Ansatz<br />
Mit dem No-Code-Programming-Ansatz<br />
sollen die Softwarelösungen von Artiminds,<br />
Robot Programming Suite (RPS)<br />
und Learning & Analytics for Robots<br />
(LAR), das Programmieren von Roboteranwendungen<br />
vereinfachen. Mithilfe von<br />
Algorithmen können so auch kraft- und<br />
Servokupplungen_188x65_mit_Messehinweis.pdf - Mai 17, 2022 x<br />
bildgeregelte Prozesse mittels Drag-anddrop<br />
von vordefinierten Programmbausteinen<br />
erstellt werden. Es werden Applikationen<br />
mit Robotern von Kuka, Fanuc,<br />
ABB und Universal Robots vorgestellt. Interessierte<br />
haben die Möglichkeit, eine<br />
kraftgeregelte Anwendung, bei der ein<br />
Hydraulikventil in eine enge Passung gefügt<br />
werden soll, selbst zu programmieren.<br />
Wie sich Werkzeugpfade für komplexe<br />
Konturen auf Basis von CAD-Modellen<br />
automatisiert erstellen lassen, demonstriert<br />
ein ABB-Roboter. (ys)<br />
Automatica, Halle B4, Stand 302A<br />
Die braucht jeder<br />
Servokupplungen für<br />
alle Antriebskonstellationen<br />
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<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 06 | 2022 49
Anwender sollen mithilfe der verschiedenen<br />
Plattformen ohne großen Aufwand und<br />
Know-how Roboter sowie weitere<br />
Automatisierungskomponenten finden,<br />
konfigurieren und ordern können.<br />
Bild: Tierney/stock.adobe.com<br />
B2B-Plattformökonomie für die Robotik und Automation<br />
Anwender und Anbieter von<br />
Robotern zusammenbringen<br />
Die Plattformökonomie zieht als disruptives <strong>Beschaffung</strong>s- und Vertriebsmodell<br />
immer stärker in das B2B-Umfeld ein. Mit Playern wie Go2Automation, RBTX,<br />
Unchained Robotics oder Xito gilt das auch für die Bereiche Robotik und<br />
Automation. Was bieten die Robotik-Plattformen an? Wodurch unterscheiden sie<br />
sich voneinander? Ein Überblick.<br />
Im Privatleben hat sich die Plattformökonomie bereits<br />
auf breiter Front durchgesetzt. Daher ist abzusehen,<br />
dass die Plattformökonomie auch im<br />
B2B-Bereich und damit auch im Umfeld von Robotik<br />
und Automation weiter Einzug hält. Auch die Branche<br />
wächst stetig weiter: Auf rund drei Millionen<br />
Einheiten beläuft sich der weltweite Bestand an Industrierobotern,<br />
berichtete die International Federation<br />
of Robotics (IFR) bereits im vergangenen Jahr.<br />
Das durchschnittliche jährliche Wachstum lag demnach<br />
bei 13 Prozent (2015 bis 2020).<br />
„Die Geschäftsmodelle der Plattformökonomie haben<br />
in der Consumer-Industrie bereits zu drastischen<br />
Marktveränderungen geführt. Im B2B-Bereich stehen<br />
uns solche Anpassungen zwangsläufig bevor“, betont<br />
der Gründer der Robotik-Plattform Andugo (ehemals<br />
Go2Automation), Dirk Engelbrecht. „Diese Entwicklungen<br />
im B2B-Sektor wollen wir aktiv mitgestalten.<br />
Denn ansonsten werden uns die Hyperscaler aus den<br />
anderen Teilen der Welt die nächste Plattform und<br />
damit die Spielregeln der Geschäftsentwicklung vorsetzen.“<br />
Der Plattformgedanke soll unter anderem den Einstieg<br />
in Robotik und Automation vereinfachen, wie<br />
Dr. Dennis Stampfer, Gründer der Robotik-Plattform<br />
Xito, betont: „Der Anwender möchte ja mit Robotern<br />
ein Problem lösen und daher bei selbigem abgeholt<br />
werden.“ Bislang ist der Zugang zur Robotik aber relativ<br />
schwer: Die fachliche Domäne ist komplex und<br />
der Markt unübersichtlich. Zugleich sind viele Anbieter<br />
stark spezialisiert und decken nur einen Bruchteil<br />
der Anfragen ab. Stampfer: „Diese beiden Seiten zusammenzubringen,<br />
gelingt am besten mit einem<br />
Plattformkonzept.“<br />
Vernetzung steht im Vordergrund<br />
Daher sind inzwischen mit Andugo, RBTX, Unchained<br />
Robotics und Xito gleich mehrere Robotik-Plattfor-<br />
50 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 06 | 2022
ROBOTIK «<br />
men an den Start gegangen. Ihre Ziele sind ähnlich:<br />
Im Vordergrund steht die Vernetzung. Die Plattformen<br />
bringen Anwender und Anbieter auf einem Online-Marktplatz<br />
zusammen, sodass sich die Anwender<br />
eine passende Automatisierungslösung suchen<br />
und zusammenstellen können, wie Alexander Mühlens,<br />
Leiter Geschäftsbereich Automatisierungstechnik<br />
und Robotik bei Igus sowie verantwortlich für<br />
RBTX, erklärt: „Die Automations-Anbieter wiederum<br />
erhalten die Möglichkeit, auf dem Marktplatz ihre<br />
Produkte an ein größeres Publikum zu vermarkten<br />
und erschließen sich damit einen neuen Vertriebskanal.<br />
Eine Win-win-Situation für beide Seiten.“<br />
Allerdings: Plattform ist nicht gleich Plattform. Denn<br />
im Detail unterscheiden sie sich dann doch mit ihrem<br />
Ansatz und dem jeweiligen Angebot.<br />
Marktplatz bringt Angebot und<br />
Nachfrage zusammen<br />
Mit seiner Plattform Andugo will der ehemalige Kuka-Vertriebsmitarbeiter<br />
Dirk Engelbrecht die Zusammenarbeit<br />
zwischen Anbietern und Anwendern im<br />
Maschinen- und Anlagenbau verbessern. Das Ziel ist<br />
es, Produktionstechnik problembezogen so einfach,<br />
schnell und zuverlässig zugänglich zu machen, wie<br />
sich „eine Küche zu konfigurieren“. Engelbrecht ist es<br />
gelungen, Plattformpartner wie den VDMA Robotik<br />
und Automation zu gewinnen. So wächst sein Netzwerk<br />
schnell: „Bereits mehr als 600 internationale<br />
Partnerfirmen sind aktiv mit dabei“, so Engelbrecht.<br />
Firmen wie Omron, Schunk, Weiss, Universal Robots,<br />
Engrotec oder Kuka präsentieren sich auf dem<br />
Marktplatz und arbeiten online mit ihren Kunden<br />
und Partnern zusammen. Anbietende Firmen vernetzen<br />
ihre Angebote innerhalb der Plattform. Sie referenzieren<br />
und qualifizieren ihre Partnerfirmen, heben<br />
Systemkompatibilitäten hervor und verknüpfen Produkte<br />
in Praxisbeispielen. Durch wenige Klicks entwickeln<br />
die Firmen ihr jeweils eigenes Ecosystem und<br />
eine globale, validierte Lösungsdatenbank.<br />
Anwender – ob mit oder ohne Fachwissen – können<br />
diese Lösungen auf Andugo entdecken und die Anbieter<br />
direkt kontaktieren. Sind keine passenden Lösungen<br />
online, hilft die geführte Projektspezifikation:<br />
„Über eine künstliche Intelligenz werden die Spezifika<br />
mit den vorhandenen Portfolios sowie der Expertise<br />
registrierter Anbieter abgeglichen“, erläutert Engelbrecht.<br />
Die Kontaktdetails derjenigen Firmen, die<br />
am besten zu den Projektanforderungen passen, werden<br />
mit dem Auftraggeber geteilt. Um das Finden<br />
und Konfigurieren der richtigen Lösung weiter zu<br />
vereinfachen, verfeinert Andugo nicht nur die Algorithmen<br />
für das intelligente Matching, sondern integriert<br />
auch Tools von Drittanbietern, etwa Engineering-<br />
und Simulations-Tools.<br />
Mladen Milicevic,<br />
Co-Gründer und<br />
Geschäftsführer von<br />
Unchained Robotics.<br />
Bild: Unchained Robotics<br />
Dirk Engelbrecht, Gründer und CEO bei Andugo.<br />
Bild: Go2Automation<br />
Cobot-Marktplatz als<br />
Generalunternehmer<br />
Mladen Milicevic, Gründer von Unchained Robotics,<br />
agiert mit seiner Robotik-Plattform nicht nur als reiner<br />
Marktplatz, sondern tritt auch als Generalunternehmer<br />
auf. „Unchained Robotics ist viel mehr als ein<br />
reiner Online-Marktplatz, auf dem man seine Lösung<br />
zusammenstellen und kaufen kann. Wir begleiten als<br />
Generalunternehmer den Kunden durch den kompletten<br />
Prozess: von der ersten Information über<br />
Konfiguration und Bestellung bis hin zur Inbetriebnahme.“<br />
Um Kunden – wenn gewünscht – bei der Inbetriebnahme<br />
zu unterstützen, nutzt Milicevic nicht<br />
nur seine eigene Robotik-Erfahrung, sondern auch<br />
<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 06 | 2022 51
» ROBOTIK<br />
Alexander Mühlens,<br />
Leiter des Geschäftsbereichs<br />
Automatisierungstechnik<br />
und<br />
Robotik bei Igus und<br />
verantwortlich für<br />
RBTX.<br />
Bild: Igus<br />
ein Netzwerk aus Partnern wie Hahn Robotics oder<br />
Alexander Bürkle Robotic Solutions. Milicevic: „Kunden<br />
bekommen auf unserer Plattform eine komplette<br />
Lösung oder aber nur Roboter und Komponenten fürs<br />
Do-it-yourself – ganz wie sie möchten.“ Egal ob nun<br />
DIY oder Komplettlösung: „Kunden haben mit Unchained<br />
Robotics nur einen Ansprechpartner für ein<br />
One Stop Shopping.“<br />
Auf seiner Plattform hat Unchained Robotics einige<br />
namhafte Anbieter von Robotern und Cobots versammelt,<br />
darunter Universal Robots, Omron, Doosan,<br />
Denso, Hanwha, Aubo Robotics, Yuanda, Kassow Robots<br />
oder Dobot. Vor allem in Sachen Cobots bietet<br />
Unchained Robotics einen guten und transparenten<br />
Überblick. Bei jedem Cobot ist der Listenpreis hinterlegt,<br />
sodass man schnell weiß, um welche Größenordnung<br />
es geht. Hinzu kommen Greifer sowie Kameras<br />
und weiteres Zubehör. Ein Konfigurator erleichtert<br />
das Zusammenstellen der passenden Lösung. Zudem<br />
findet man auf dem Marktplatz auch ein wachsendes<br />
Angebot an fertigen Turnkey-Lösungen.<br />
KMUs können sich so bei der Suche nach dem passenden<br />
Cobot informieren, vergleichen und das Konfigurations-Tool<br />
nutzen. „Via Software erhalten sie<br />
dann erste Empfehlungen, welche Produkte zu ihrem<br />
Problem passen“, sagt Milicevic. Zudem biete man<br />
auf der Plattform eine digitale Beratung an: „Wir haben<br />
einen Live-Chat, der von echten Menschen und<br />
nicht von Chatbots betreut wird. Da haben wir schon<br />
viele spannende Probleme diskutiert.“<br />
Low-Cost-Robotik mit<br />
Expertenberatung<br />
Dr. Dennis Stampfer, CEO bei Toolify Robotics und Betreiber<br />
von Xito.<br />
Der Igus-Ableger RBTX konzentriert sich mit seiner<br />
Plattform auf das Einstiegssegment, also kostengünstige<br />
Low-Cost-Robotik für wenige Tausend Euro<br />
mit kurzen Amortisationszeiten. „Übliche Hardwarekosten<br />
liegen bei 8500 Euro für Robotik-Komponenten<br />
zum selbst Zusammenbauen“, berichtet Mühlens.<br />
„Fertige Plug-and-play-Lösungen starten bei 12.500<br />
Euro.“ Das Grundgerüst von RBTX bilden Roboterkinematiken<br />
verschiedener Anbieter: Neben kostengünstigen<br />
Robotern von Igus selbst (Portalroboter,<br />
Deltaroboter, Robolink-Knickarmroboter, Rebel-Cobot)<br />
findet man auf der Plattform auch Roboter von<br />
Fruitcore Robotics, Epson und Variobotic. Diese Basis<br />
kann im nächsten Schritt um Einzelkomponenten wie<br />
Kameras, Software, Greifer, Leistungselektronik, Motoren,<br />
Sensoren und Steuerungen erweitert werden.<br />
Beim Zusammenstellen unterstützt der Konfigurator<br />
„My Robot“, der dann auch die Kompatibilität der<br />
ausgewählten Produkte garantiert. Gemäß dem Ansatz<br />
„build or buy“ finden Interessenten aber auch<br />
fertige Robotik-Systeme inklusive Steuerung zum<br />
Festpreis. Aktuell sind etwa 70 Partner auf der Plattform<br />
vertreten. „Der Interessent muss nicht zeitintensiv<br />
jede einzelne Komponente recherchieren und<br />
weiß am Ende nicht, ob diese auch hundertprozentig<br />
miteinander funktionieren. RBTX stellt eine Funktionalität<br />
auf Software- und Hardware-Ebene sicher.<br />
Wir senken damit die Integrationskosten und das Risiko“,<br />
betont Mühlens.<br />
Zudem bietet RBTX mit dem RBTXpert-Angebot eine<br />
persönliche Hilfestellung: „Für Automatisierungseinsteiger,<br />
die zwar wissen, was sie automatisieren<br />
möchten, aber sich nicht sicher sind, welche Lösung<br />
am besten für sie passt, steht die kostenlose Videoberatung<br />
RBTXpert zur Verfügung. Unsere Experten<br />
Bild: Toolify Robotics<br />
52 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 06 | 2022
zeigen direkt live an Roboterlösungen, welche Komponenten<br />
der Anwender benötigt und wie er das Projekt<br />
umsetzen kann. Am Ende erhält er ein Angebot<br />
mit Festpreis.“ So werde die Plattform zu einem hybriden<br />
Business, verspricht Alexander Mühlens.<br />
„Wichtig ist für uns, dass der Marktplatz nicht nur<br />
ein reines Online-Tool ist, sondern dass der Kunde<br />
auch immer die Möglichkeit hat, sich persönlich bei<br />
uns kostenfrei informieren und beraten zu lassen.<br />
Kombination aus Marktplatz und<br />
offenem Baukasten<br />
Einen deutlich stärker technikbasierten Ansatz wählt<br />
die Plattform Xito, die Dr. Dennis Stampfer, CEO des<br />
Forschungs-Spin-off Toolify Robotics, betreibt: „Xito<br />
ist eine Kombination aus einem Marktplatz mit einem<br />
offenen Baukastensystem samt integriertem<br />
Low-Code-Engineering-Werkzeug – also mehr als<br />
nur ein Robotik-Onlineshop oder Branchenverzeichnis<br />
fürs Matchmakings.“ Knapp ein Jahr nach dem<br />
Start versammelt die Plattform bereits 80 Produkte<br />
von über 50 Anbietern.<br />
Generell fokussiert sich Stampfer mit Xito auf „moderne<br />
Robotik“, also Leichtbauroboter und Cobots<br />
sowie autonome mobile Roboter. Dabei sei die Plattform<br />
als offenes Ökosystem technologie- und herstellerneutral.<br />
„Anwender sollen bei uns das bekommen,<br />
was in Sachen Preis oder Funktion am besten<br />
passt – und nicht, was gerade zufällig kompatibel<br />
ist“, betont Stampfer. Für diese Kompatibilität sorgt<br />
ein modellbasierter Software-Ansatz im Hintergrund.<br />
Das System erstellt zunächst ein „digitales Modell“<br />
des jeweiligen Robotik-Bausteins und sorgt so dafür,<br />
dass dieser Baustein dann mit allen anderen zusammenpasst.<br />
Die Xito Engineering Suite erlaubt dann<br />
die Kombination dieser Bausteine dank des modellbasierten<br />
Low Code Engineering ganz ohne Programmieren.<br />
Weil die Bausteine und ihre Schnittstellen in<br />
Xito digital modelliert sind, können die Anwender die<br />
Robotik-Bausteine einfach und übersichtlich mit einem<br />
grafischen Applikationsdesign-Tool zu einem<br />
Gesamtsystem zusammensetzen. Zum Einrichten der<br />
Anwendung verwendet der Kunde in der Low-Code-<br />
Entwicklungsumgebung die „Skills“, die ihm die Bausteine<br />
bieten. Er kann Fähigkeiten wie Erkennen,<br />
Greifen oder Ablegen in der gewünschten Reihenfolge<br />
zu einer Anwendung modellieren – ohne kompliziertes<br />
Robotik- und Programmier-Know-how.<br />
Armin Barnitzke, Automationspraxis,<br />
Konradin-Verlag, und Yannick Schwab,<br />
<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong><br />
Pneumatische Direktantriebe in den Gelenken<br />
Festo will mit neuem Pneumatik-Cobot punkten<br />
Bild: Festo<br />
Festo präsentiert den „weltweit ersten<br />
pneumatischen Cobot“. Laut Aussage<br />
des Unternehmens soll die Mensch-Roboter-Kollaboration<br />
mit keiner Technologie<br />
so feinfühlig gelingen wie mit der<br />
Dr. Frank Melzer (l.), Vorstand Product and Technology<br />
Management, und Christian Tarragona, Leiter Robotics,<br />
beide Festo SE & Co. KG, mit dem neuen Cobot.<br />
nachgiebigen Pneumatik. Darüber hinaus<br />
benötige der Cobot durch die integrierte<br />
Steuerung im eigenen Fußteil<br />
keinen zusätzlichen Schaltschrank. Er<br />
besteht aus der Hardware selbst, einem<br />
Handmodul und der Robotic<br />
Suite, einer Software<br />
für die Inbetriebnahme<br />
und Programmierung. Dieses<br />
Paket macht es laut<br />
Festo möglich, den Cobot<br />
in weniger als einer Stunde<br />
in Betrieb zu nehmen<br />
und zu programmieren.<br />
Vorkenntnisse sind laut<br />
des Unternehmens nicht<br />
notwendig, denn die Software<br />
enthält visualisierte<br />
und standardisierte Funktionsbausteine.<br />
Die pneumatischen<br />
Antriebe ermöglichen<br />
das manuelle<br />
und widerstandsfreie Führen des Roboterarms<br />
mit der Hand, um Wegpunkte<br />
bzw. Bahnen einzulernen.<br />
Die Direktantriebe in den Gelenken sollen<br />
kostengünstiger und leicht sein, weil im<br />
Gegensatz zu elektrischen Lösungen keine<br />
schweren Getriebe und Kraft-Moment-<br />
Sensorik nötig sind. Dadurch soll der<br />
pneumatische Cobot ein attraktives Verhältnis<br />
aus Preis und Leistung in seinem<br />
vornehmlichen Einsatzgebiet, des Kleinteilehandlings<br />
bei Nutzlasten bis zu 3 Kilogramm,<br />
aufweisen. Die pneumatischen<br />
Antriebe des Cobots mit 670 Millimeter<br />
Reichweite und sein geringes Gewicht (17<br />
kg) senken seine Kontaktenergie. Christian<br />
Tarragona, Leiter Robotics bei Festo:<br />
„Durch exakte Druckregler in den Gelenken<br />
erkennt der Roboter, wenn er berührt<br />
wird und reagiert mit entsprechenden<br />
Safety-Funktionen.“ Der Verkaufsstart ist<br />
für 2023 geplant. (ys)<br />
<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 06 | 2022 53
» ROBOTIK<br />
Robotik-Anwendungen zuverlässig und intelligent absichern<br />
Worauf es bei der Auswahl von<br />
Roboterbremsen ankommt<br />
Roboterarme dürfen nach Ausschalten des Stroms, bei Stromausfall oder<br />
Not-Halt nicht unkontrolliert absinken oder abstürzen – gerade wenn sie<br />
Personen im Alltag unterstützen. Für die nötige Sicherheit sorgen Bremsen, die<br />
die Servoachsen zuverlässig und sicher in ihrer Position halten. Doch welche<br />
Kriterien sind bei der Auswahl der Bremsen zu beachten?<br />
nen hier hingegen an ihre tribologischen<br />
Grenzen.<br />
Es gibt Federdruckbremsen für Servomotoren, die speziell an die hohen Anforderungen in der Robotik<br />
angepasst sind. Anwender können dabei wählen zwischen klassischen Servobremsen im Motor, mit<br />
Rotor und Verzahnung (l.), oder aber Bremslösungen, die direkt in das Robotergelenk eingepasst<br />
werden, sogenannten Pad-Lösungen mit großem Innendurchmesser (r.).<br />
In allen wichtigen Industriebranchen<br />
wird die Zusammenarbeit von Mensch<br />
und Roboter immer enger. Vorangetrieben<br />
wurde diese Entwicklung auch durch die<br />
Coronapandemie. Dabei steigt aber auch<br />
das Gefährdungspotenzial. Fällt zum Beispiel<br />
während eines Arbeitsvorgangs der<br />
Strom aus, muss der Roboterarm, der den<br />
Arbeitsschritt vornimmt, sofort exakt gehalten<br />
werden, damit Personen in der Nähe<br />
keinen Schaden nehmen. Deshalb ist<br />
es wichtig, bereits in der Konstruktionsphase<br />
ein unbeabsichtigtes Absinken der<br />
Last sowie unzulässig lange Anhaltewege<br />
dauerhaft auszuschließen. Entscheidend<br />
dabei sind die richtige Auswahl der Sicherheitsbremsen<br />
sowie deren korrekte<br />
Integration in das Gesamtsystem.<br />
Für Servomotoren sind Sicherheitsbremsen<br />
nach dem Fail-Safe-Prinzip die erste<br />
Wahl. Denn diese Bremsen sind im energielosen<br />
Zustand geschlossen. Sie bringen<br />
das geforderte Bremsmoment dementsprechend<br />
auch bei Not-Stopp, Stromausfall<br />
oder bei einer zum Beispiel durch<br />
Kabelbruch verursachten Unterbrechung<br />
der Energieversorgung. Damit die Sicherheitsbremsen<br />
auch in Not-Stopp-Situationen<br />
ausreichend Reibarbeit leisten und<br />
Bewegungen zuverlässig mit definiertem<br />
Bremsmoment abbremsen, ist ein dafür<br />
entwickelter Reibbelag mit dazugehöriger<br />
Stahlgegenreibfläche erforderlich. Während<br />
dies bei Federdruckbremsen üblich<br />
ist, stoßen Permanentmagnetbremsen mit<br />
ihren Stahl-auf-Stahl-Reibkombinatio-<br />
Bild: Mayr<br />
Schlanke, leichtbauende<br />
Bremsen für die Robotik<br />
Mit der Roba-servostop-Baureihe hat<br />
Mayr Antriebstechnik Federdruckbremsen<br />
für Servomotoren entwickelt, die speziell<br />
an die Anforderungen der Robotik angepasst<br />
sind. „Unsere Leichtbaubremsen bewähren<br />
sich heute in unzähligen Robotik-<br />
Applikationen weltweit“, erklärt Bernd<br />
Kees, Produktmanager bei Mayr. Der<br />
Standardbaukasten bietet dabei eine hohe<br />
Flexibilität für die verschiedenen Einbausituationen.<br />
„Gerade bei Servomotoren<br />
spielt die Baulänge häufig eine wichtige<br />
Rolle“, beschreibt Kees die Anforderungen<br />
an die Bremsen. „Das bedeutet,<br />
schlanke Bremsen sind hier von Vorteil.“<br />
Im Bereich der Leichtbauroboter kommt<br />
es zudem auf das Gewicht der Bremsen<br />
an. Roboter, die für die verschiedenen Arbeitsschritte<br />
oftmals wechselnde Positionen<br />
einnehmen, erreichen mit leichten<br />
Bremsen eine höhere Dynamik, schließlich<br />
müssen sie die Bremsen auch mitbewegen.<br />
Für diesen Einsatzbereich bieten<br />
sich leichtbauende Bremsen in Hohlwellen-Ausführung<br />
an, die für die Integration<br />
in das Robotergelenk konzipiert sind.<br />
Im Motor werden Servobremsen bevorzugt<br />
im A-Lagerschild eingebaut, weil<br />
hier das Festlager sitzt und Temperaturdehnungen<br />
die Bremse nicht gravierend<br />
beeinflussen können. Bremsen von Mayr<br />
Antriebstechnik können aber ohne Einschränkung<br />
auch in der B-Lagerseite des<br />
54 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 06 | 2022
Bild: Mayr<br />
Der Roba-brake-checker bietet Anwendern ein<br />
sensorloses, vernetztes Bremsenmonitoring für<br />
eine vorausschauende Maschinenwartung.<br />
Motors integriert werden. Denn Temperaturdehnungen<br />
und Lagerspiel haben hier<br />
keinen negativen Einfluss auf die Funktion<br />
und Zuverlässigkeit der Bremsen. Alternativ<br />
können Anwender auch auf Anbaubremsen<br />
zurückgreifen, die modular<br />
an den Motor angefügt werden.<br />
Die Roba-servostop-Bremsen sind nicht<br />
nur sehr leicht, sondern auch im magnetischen<br />
Aktuieren extrem schnell. Gleichzeitig<br />
sind sie leistungsdicht und verschleißfest.<br />
Die Bremsen überzeugen zudem<br />
durch eine hohe zulässige Reibarbeit<br />
bei dynamischen Bremsungen. „Daneben<br />
sind die Bremsen so ausgelegt, dass der<br />
Bauraum optimal ausgenutzt und möglichst<br />
viel Energie eingespart wird“, erläutert<br />
Kees. Ein weitaus größeres Einsparpotenzial<br />
bietet sich aber im Betrieb<br />
durch die intelligente Ansteuerung der<br />
Bremsen mit einem Roba-switch-Gleichrichter:<br />
Denn nur beim Einschalten wird<br />
die Bremse kurzzeitig mit einer hohen<br />
Spannung bestromt. In dieser Phase ist<br />
eine hohe Magnetkraft erforderlich, um<br />
die Ankerscheibe über den Luftspalt anzuziehen.<br />
Liegt die Ankerscheibe dann allerdings<br />
am Spulenträger an, reicht eine<br />
wesentlich kleinere Magnetkraft aus, um<br />
die Bremse offen zu halten. Deshalb kann<br />
in dieser Phase die Spannung deutlich abgesenkt<br />
werden. Senkt der Gleichrichter<br />
die Spannung nach dem Lüften der Bremse<br />
auf ein Drittel des Wertes ab, sinkt die<br />
Spulenleistung und damit auch der Energieverbrauch<br />
auf nur mehr ein Neuntel.<br />
Sensorloses Monitoring für<br />
integrierte Bremsen<br />
Für die Sicherheit von Mensch und Maschine<br />
sind kurze Anhaltewege wichtig.<br />
Entscheidend für den Bremsweg sind dabei<br />
die Schaltzeiten der Bremse. Denn in<br />
der Zeit des freien Falls, bis die Bremse<br />
schließt und die Verzögerung einsetzt,<br />
beschleunigt sich die Masse zusätzlich –<br />
unter Umständen so extrem, dass die zulässigen<br />
Werte der Bremse überschritten<br />
werden. Anwender sollten daher bei der<br />
Auswahl der Sicherheitsbremsen auf<br />
möglichst kurze, verifizierte Schaltzeiten<br />
achten – und auch darauf, dass diese<br />
Schaltzeiten über die gesamte Lebensdauer<br />
der Bremse eingehalten werden.<br />
Hier sind Monitoring-Lösungen wichtig.<br />
Bislang waren Servobremsen aufgrund<br />
der kleinen Luftspalte oder aber ihrer Einbausituation<br />
nicht überwachbar. Mayr<br />
bietet jetzt eine Lösung für sensorloses<br />
Bremsenmonitoring. Das nachrüstbare<br />
Modul Roba-brake-checker erkennt durch<br />
eine erweiterte Analyse von Strom und<br />
Spannung die Bewegung der Ankerscheibe<br />
und weiß, in welchem Zustand sich die<br />
Bremse befindet. Das Modul arbeitet sensorlos<br />
und leistet neben der Überwachung<br />
von Schaltzustand und kritischer Spulentemperatur<br />
auch eine präventive Funktionsüberwachung<br />
auf Verschleiß, Funktionsreserve<br />
und Fehler.<br />
In einer erweiterten Ausführung ist das<br />
Modul Roba-brake-checker mit einer zusätzlichen<br />
Platine mit kundenspezifischer<br />
Schnittstelle (z. B. optisch, W-LAN, IO<br />
Link, Profibus etc.) ausgestattet. Darüber<br />
kann es Daten zu Schaltzeit, Strom, Spannung,<br />
Widerstand, Leistung und relativem<br />
Anzugsstrom liefern. Damit sind auch<br />
Verläufe auswertbar, Auffälligkeiten im<br />
Prozess lassen sich schnell erkennen und<br />
somit Schlüsse aus komplexen Zusammenhängen<br />
ziehen. Darüber hinaus ist<br />
auch die Integration in Fernwartungssysteme<br />
möglich – ein nicht unwichtiges<br />
Kriterium für den Einsatz im Alltag, falls<br />
keine Fachkräfte vor Ort sind.<br />
Andreas Merz, Produktmanager bei<br />
Mayr Antriebstechnik<br />
Checkliste: Einkauf von Servobremsen<br />
• Definieren Sie aus den technischen<br />
Daten des Antriebs möglichst<br />
exakt die Anforderungen<br />
an die Sicherheitsbremsen. Führen<br />
Sie eine Applikationsprüfung<br />
durch und vergewissern<br />
Sie sich, dass die Bremse zu den<br />
Umgebungsbedingungen passt,<br />
die in der Praxis vorherrschen.<br />
• Achten Sie darauf, dass die<br />
Sicherheitsbremsen auch für<br />
dynamische Bremsungen geeignet<br />
sind und unter realistischen<br />
Bedingungen getestet wurden.<br />
Erkundigen Sie sich nach den<br />
Prüfmöglichkeiten des<br />
Herstellers.<br />
• Vergewissern Sie sich, dass der<br />
Lieferant eine 100%-Endprüfung<br />
durchführt inklusive der automatischen<br />
Speicherung aller<br />
Testdaten. Für eine lückenlose<br />
Rückverfolgbarkeit müssen die<br />
Bremsen mit eindeutigen Seriennummern<br />
gekennzeichnet sein.<br />
• Prüfen Sie die Ansprechzeiten<br />
der Bremse (Anzug/Abfall). Nur<br />
mit einer schnellen Bremse und<br />
konstanten Schaltzeiten über die<br />
Lebensdauer erreichen Sie<br />
kurze, sichere Anhaltewege.<br />
• Beachten Sie, dass der Lieferant<br />
Sicherheitskennwerte für seine<br />
Bremsen bereitstellt. Diese<br />
benötigen Sie für Ihre<br />
Sicherheitsbetrachtung.<br />
<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 06 | 2022 55
» BUSINESS TRAVEL<br />
Reisekosten & Co.<br />
Spesenmanagement:<br />
Wie Daten zu Grafiken werden<br />
Daten über unternehmensweite Ausgaben wie Reisekosten auszuwerten bzw.<br />
grafisch aufzubereiten, bedeutet in den meisten Fällen viel Zeitaufwand. Wie soll<br />
aus dem Ressourcen- und Mitarbeitereinsatz, der damit verbunden ist, letztendlich<br />
ein Vorteil entstehen? Ganz einfach: Anwender können die Arbeit einer<br />
Software überlassen und zur Auswertung künstliche Intelligenz einsetzen.<br />
Die Jenji AG<br />
… ist ein Anbieter für professionelles Spesenmanagement.<br />
Das Unternehmen wurde 2015 in Frankreich gegründet<br />
und bietet auf Basis einer eigenen Technologie zahlreiche<br />
Lösungen zur Verwaltung von Spesenabrechnungen, Pauschalentschädigungen<br />
und Berufskosten, die für mittlere<br />
und große Unternehmen konzipiert sind. Dabei setzt es auf<br />
Cloud- und KI-Technologien und bietet gleichzeitig eine<br />
einfache Benutzeroberfläche an, die geräteübergreifend zugänglich<br />
sein soll.<br />
Daten sollen durch den Einsatz von Business Intelligence zu<br />
Grafiken werden.<br />
Automatisierte Lösungen, die nur mit Daten „gefüttert“<br />
werden müssen und alles in Tabellen<br />
protokollieren, gibt es verschiedene am Markt. Vielmehr<br />
kommt es bei einer Business-Intelligence-Lösung<br />
(BI) darauf an, die Anwender dabei zu unterstützen,<br />
diese Daten schneller und einfacher zu verstehen.<br />
Der Einsatz von Visualisierungen über die<br />
Einkaufsabteilung hinaus ist durch die grafischen<br />
Aufbereitungen ebenfalls möglich. Dazu werden beispielsweise<br />
Diagramme erstellt, die ohne zu befürchtende<br />
Verständnisprobleme für firmeninterne Meetings<br />
eingesetzt werden können – und das ohne großen<br />
Erklärungsbedarf.<br />
Um den Unternehmenserfolg zu sichern und bessere<br />
Entscheidungen treffen zu können, müssen Nutzer<br />
die Daten über ihre Ausgaben also nicht nur sammeln,<br />
sondern auch verstehen können. Dies trägt in<br />
der Folge dazu bei, dass sie in der Lage sind, Prozesse<br />
rund um ihre Ausgaben kontinuierlich zu optimieren.<br />
Für das System von Business Intelligence im Expense<br />
Management gelten laut dem französischen Spezialisten<br />
für Ausgabenmanagement Jenji die nachfolgenden<br />
drei Leitsätze. Sie beschreiben, wie Unternehmen<br />
mit visuell aufbereiteten Daten weiterentwickelt<br />
werden können.<br />
Wettbewerbsvorteil verschaffen<br />
Gute BI-Lösungen können Daten aus verschiedenen<br />
Quellen komplett eigenständig auswerten. Dabei unterscheidet<br />
die Software vor allem zwischen zwei Arten<br />
von Daten: Auf der einen Seite stehen die eigenen<br />
Daten, die beispielsweise durch eine Firmenkreditkarte<br />
automatisch eingespeist werden. Auf der<br />
anderen Seite stehen externe Rechnungen, welche<br />
die Software durch OCR (Optical Character Recognition)<br />
auswertet. Die Daten werden dann zusammengeführt<br />
und analysiert. Nur Unternehmen, die ihre<br />
Ausgaben bzw. damit verbundene Daten grundsätzlich<br />
auswerten, sind in der Lage, Trends zu verstehen<br />
und dementsprechend zu reagieren, wenn Veränderungen<br />
auftreten. Zusätzlich bieten die Visualisierungen<br />
eine gute Verhandlungsgrundlage im Gespräch<br />
mit Geschäftspartnern.<br />
Ein Beispiel: Durch den Einsatz von Business Intelligence<br />
lässt ein Anwender alle Ausgaben im Expense<br />
Bild: Jenji<br />
56 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 06 | 2022
Management automatisch auswerten. Dadurch<br />
konnte er an vielen Stellen bereits Sonderkonditionen<br />
aushandeln. Das eingesparte Geld setzt das Unternehmen<br />
für neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />
sowie Technologien ein. Zudem hat er durch die<br />
eingesparte Zeit die Möglichkeit, sich weiter auf das<br />
Unternehmenswachstum zu fokussieren.<br />
Bessere Entscheidungsgrundlagen<br />
Eine zielführende Datenvisualisierung geht über eine<br />
reine Analyse der Daten hinaus. Durch die visuelle<br />
Darstellung der Ausgaben können die Daten schneller<br />
erfasst werden und sind somit um ein Vielfaches<br />
zugänglicher als bspw. in Tabellen. Entscheidern fällt<br />
es dann leichter, fundierte Aussagen auf Basis dieser<br />
Daten zu treffen. Missverständnisse und damit verbundene<br />
Risiken gehören ebenfalls der Vergangenheit<br />
an. Die grafischen Aufbereitungen sind leichter<br />
verständlich und können somit ebenfalls zur Vorbereitung<br />
von Konditionsverhandlungen und Mitarbeitergesprächen<br />
genutzt oder auch für Reportings an<br />
die übergeordneten Instanzen eingesetzt werden. Zur<br />
Vorbereitung von Verhandlungsgesprächen benötigt<br />
es bspw. nur noch ein paar Klicks und schon ist eine<br />
Mappe mit Diagrammen zur Unterstreichung Ihrer<br />
Argumente zusammengestellt.<br />
Unternehmenskosten optimieren<br />
Aus den Visualisierungen können die Nutzer Schlussfolgerungen<br />
über das Ausgabeverhalten ziehen und<br />
so bessere Konditionen mit Partnern aushandeln.<br />
Sieht der Anwender beispielsweise, dass Mitarbeiter<br />
auf Geschäftsreisen immer bestimmte Fluglinien<br />
nutzen, kann er dieses Wissen bei Vertragsverhandlungen<br />
über Sonderkonditionen mit der Fluggesellschaft<br />
einfließen lassen. Durch<br />
den Einsatz von Business Intelligence<br />
werden Daten zu Grafiken.<br />
Das hat mitunter den Zweck, dass<br />
diese nicht mehr nur von Analysten<br />
verstanden werden. Abteilungsübergreifendes<br />
Verständnis<br />
zum Ausgabenmanagement ist<br />
keine Zukunftsmusik. Durch die<br />
bessere Einsicht können Entscheider<br />
aus allen Abteilungen,<br />
jedoch hauptsächlich der Einkauf,<br />
schneller agieren.<br />
Visualisierte Daten<br />
über ihre Ausgaben<br />
können Nutzern dabei<br />
helfen, bessere<br />
Entscheidungen zu<br />
treffen.<br />
Pierre Queinnec<br />
ist CEO von Jenji.<br />
Bild: Jenji<br />
Bild: SFIO CRACHO/stock.adobe.com<br />
<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 06 | 2022 57
» BUSINESS TRAVEL<br />
Reisebranche steht vor gewaltigen Umwälzungen<br />
Wie sich Dienstreisen verändern<br />
Seit Beginn der Coronakrise treffen sich Manager, Mitarbeiter und Kunden fast<br />
ausschließlich in virtuellen oder hybriden Konferenzräumen. Das kann den Präsenztermin<br />
oft nicht vollständig ersetzen, bietet aber einen großen Vorteil: Die<br />
Reisekosten der Unternehmen haben sich enorm reduziert. Ein <strong>aktuell</strong>es Whitepaper<br />
untersucht, wie die digitale Zusammenarbeit in Zukunft aussehen könnte.<br />
Der nationale und internationale Geschäftsreisemarkt<br />
verzeichnet als<br />
Folge der Coronakrise einen signifikanten<br />
Einbruch. In Deutschland sind die Ausgaben<br />
für Geschäftsreisen laut der <strong>aktuell</strong>en<br />
Geschäftsreiseanalyse 2021 des Verbands<br />
Deutsches Reisemanagement (VDR) in<br />
2020 um fast 82 Prozent zurückgegangen.<br />
Im vergangenen Jahr erfolgte eine<br />
Stabilisierung auf deutlich niedrigerem<br />
Niveau als 2019. Aufgrund der bestehenden<br />
Einschränkungen im internationalen<br />
Reiseverkehr werden zwangsläufig neue<br />
Lösungen für Dienstreisen und digitale<br />
Meetings entstehen. Dafür werden neue<br />
Strukturen in den Unternehmen, angepasste<br />
und veränderte Buchungsprozesse,<br />
Kennzahlen und neue Services benötigt.<br />
Die Unternehmen werden in Zukunft die<br />
Notwendigkeit einer Geschäftsreise viel<br />
stärker als bislang hinterfragen und prüfen,<br />
ob und wann sich eine Geschäftsreise<br />
noch lohnt und wann sie sich durch eine<br />
digitale Konferenz ersetzen lässt. Die Betriebe<br />
sollen zentral steuern können, ob<br />
im jeweiligen Einzelfall eine physische<br />
Reise notwendig ist oder ob sie virtuell in<br />
Form einer digitalen Konferenz empfohlen<br />
wird. Hierfür müssen erst neue Kennzahlen<br />
(KPI) entworfen werfen, mit deren<br />
Hilfe im Vorfeld eine Empfehlung abgegeben<br />
werden kann. Die Kennzahlen könnten<br />
sich auf Faktoren wie Reisesicherheit,<br />
Reisekosten/Nutzen, Zeitaufwand und<br />
Nachhaltigkeit beziehen.<br />
Pandemie markiert<br />
Trendwende<br />
Die Dienstreise ist rechtlich und im allgemeinen<br />
Sprachgebrauch jede geschäftliche<br />
Abwesenheit von Wohnort oder Arbeitsplatz.<br />
Darin eingeschlossen sind interne<br />
Reisen, Kundenbesuche, Reisen zur<br />
Leistungserbringung (Montage, Service),<br />
Reisen des Vertriebs und Reisen zu Veran-<br />
Die Dienstreise selbst<br />
wird weiterhin eine<br />
Zukunft haben, aber<br />
unter veränderten<br />
Rahmenbedingungen.<br />
Insbesondere die<br />
Betrachtung der Notwendigkeit<br />
wird sich<br />
erheblich verändern.<br />
Bild: Rido/stock.adobe.com<br />
58 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 06 | 2022
staltungen wie Messen, Tagungen und<br />
Seminaren.<br />
Auf diese Reisearten hat die Pandemie<br />
seit Anfang 2020 erheblichen Einfluss.<br />
Fast alle Unternehmen haben schnell reagiert<br />
und alle nicht notwendigen und<br />
nicht mehr möglichen Reisen gestrichen.<br />
Für die nächsten zwei bis drei Jahre rechnen<br />
viele Unternehmen mit 20 bis 40 Prozent<br />
des bisherigen Reisevolumens (Referenzwert<br />
2019), in fünf Jahren mit ca. 50<br />
Prozent. Aufgrund der veränderten Nachfragesituation<br />
werden die Kosten für Geschäftsreisen<br />
signifikant steigen. Es zeigt<br />
sich also, dass die Auswirkungen und Veränderungen<br />
Bestand haben werden. Viele<br />
Unternehmen haben sich an neue Formen<br />
der Zusammenarbeit gewöhnt. Vor allem<br />
interne Reisen werden so durch digitale<br />
Formate ersetzt.<br />
Zulässigkeit und Wert<br />
einer Reise<br />
Die einzelne Reise wird wertvoller aber<br />
gleichzeitig auch teurer. In Zukunft wird<br />
eine genauere Bewertung der Wertigkeit<br />
und Notwendigkeit vor Reiseantritt erwartet.<br />
Nur wenn Kosten und Nutzen einer<br />
Reise ausgewogen sind, ist die Reise<br />
sinnvoll. Bisher gibt es keine standardisierte<br />
Methode, um den Wert einer Reise<br />
zu ermitteln. Sinnvoll wäre ein Entscheidungsbaum,<br />
der anhand strukturierter<br />
Fragestellungen und Bewertung der Kosten<br />
ermittelt, wie sinnvoll die Reise ist.<br />
Wenn es gelingt, hierfür Kriterien (z. B.<br />
Art der Reise, Wichtigkeit, Rendite, Risiken<br />
etc.) zu standardisieren und an die<br />
Reisenden zu kommunizieren, entsteht<br />
ein Mehrwert durch nachvollziehbare und<br />
dokumentierte Entscheidungen für oder<br />
gegen eine Dienstreise. Neue Mechanismen<br />
zur Freigabe einer Geschäftsreise<br />
müssen definiert und in die Travel-Management-Prozesse<br />
integriert werden.<br />
Sich verändernde<br />
Anforderungen<br />
Bisher gab es für EU-Bürger in vielen Ländern<br />
Reisefreiheit oder nur geringe Hürden,<br />
was sich in jüngster Zeit geändert<br />
hat. Immer mehr Länder haben Einreiseregistrierungen<br />
verpflichtend eingerichtet<br />
oder sind dabei, das gerade zu tun. Die<br />
Ideen für die Zukunft<br />
Das Whitepaper „Dienstreisen & Events – Ideen<br />
für die Zukunft“ können Sie kostenfrei unter<br />
www.businesstravel2025.de anfordern. Die Berater<br />
Mike Bassmann, Ralf Tellmann und Michael<br />
Zwickl haben sich für die Erstellung im Business-<br />
Travel-Competence-Team organisiert.<br />
Vergabe von Visa wird restriktiver gehandhabt.<br />
Zusätzlich sind als neuer Prozess<br />
durch die Coronakrise medizinische<br />
Dokumentation und Tests vor, während<br />
oder nach der Einreise erforderlich. Nicht<br />
alle Dokumente eines Landes werden von<br />
allen Ländern anerkannt. Nicht alle Impfstoffe,<br />
Impfungen oder deren Dokumentationen<br />
werden von allen Ländern anerkannt.<br />
Bisher gibt es zur Verwaltung der Einreisebestimmungen<br />
kein übergreifendes<br />
System. Auch Dienstleister sind immer<br />
nur für einzelne Schritte verfügbar. Vernetzung<br />
und Integration der Prozesse sind<br />
damit für die <strong>aktuell</strong>e Situation unzureichend.<br />
Hier ist die Industrie gefordert,<br />
existierende Lösungen in den Buchungsprozess<br />
einzubinden oder neue Lösungen<br />
zu entwickeln.<br />
Wichtige Tools für<br />
Dienstreisen<br />
Die nachfolgenden Lösungen bestehen<br />
bereits am Markt und haben erheblich an<br />
Bedeutung gewonnen:<br />
• Destination Tracking Monitoring bezeichnet<br />
effektive Frühwarn-, Informations-<br />
und Kommunikationssysteme für<br />
Schutz und Sicherheit der Reisenden.<br />
Die Suche nach Land und Reisedatum<br />
liefert die bekannten relevanten Informationen<br />
aus verschiedenen Quellen,<br />
die von spezialisierten Anbietern bereitgestellt<br />
werden.<br />
• Das Travel Risk Management hat in<br />
den letzten Jahren stark an Bedeutung<br />
gewonnen. Seit diesem Jahr gibt es die<br />
ISO Norm 31030 als Travel-Risk-Management-Leitfaden<br />
für Unternehmen.<br />
Während internationale Großfirmen<br />
sich schon länger mit diesem Thema<br />
befassen, steckt dies bei den KMUs<br />
teilweise noch in den Kinderschuhen.<br />
• Health-Assistance-Systeme sind spezielle<br />
Systeme und Dienstleistungen<br />
zur Vorbereitung auf die Reise, zur Vermeidung<br />
von Erkrankungen und zur<br />
schnellen Hilfe bei Unfällen oder medizinischen<br />
Themen im Ausland.<br />
• Reisesicherheit-Systeme und -Dienstleistungen<br />
für die persönliche Sicherheit<br />
des Reisenden als Prävention und<br />
im Krisenfall weltweit. Der Fokus liegt<br />
auf der Vorbeugung von medizinischen<br />
oder Sicherheitsvorfällen, von denen<br />
Mitarbeiter betroffen sein könnten.<br />
Neustart mit Alternativen<br />
Die Digitalisierung hat neue Formate geschaffen,<br />
die heute massentauglich sind.<br />
Verfügbarkeit, Zuverlässigkeit, Sicherheit<br />
und Bedienbarkeit haben einen guten<br />
Stand erreicht, sodass die Akzeptanz<br />
enorm gestiegen ist. Alle digitalen Formate<br />
haben jedoch die Herausforderung,<br />
dass Emotionen unzureichend übermittelt<br />
werden oder nur schwer erkennbar sind.<br />
„Break Out Sessions“ als spontane Einzelgespräche<br />
zwischen Teilnehmern sind in<br />
den meisten Produkten nicht möglich. Die<br />
grafische Sammlung oder Aufbereitung<br />
von Inhalten wie an einem Flipchart ist<br />
nicht gleichwertig und meist wesentlich<br />
erschwert. Die Konzentration der Teilnehmer<br />
lässt nach ca. zwei Stunden deutlich<br />
nach. Fachlicher Austausch „während der<br />
Kaffeepause“ ist nicht möglich. Damit<br />
gibt es hinsichtlich der Leistungsfähigkeit<br />
der Lösungen Grenzen, die eine vollständige<br />
Portierung bisheriger Reisen in digitale<br />
Formate (noch) verhindern. (ys)<br />
<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 06 | 2022 59
» BME AKTUELL<br />
BME intern<br />
BME präsentiert Website-Relaunch und Logo-Rebrush<br />
Der BME hat seinen Online-Auftritt runderneuert<br />
und in diesem Zusammenhang<br />
auch gleich sein Logo aufgefrischt. Die<br />
klare Botschaft lautet: Aufbruch in eine<br />
dynamische Zukunft! Pünktlich zum Start<br />
in den Mai hat der BME einen komplett<br />
überarbeiteten Webauftritt präsentiert:<br />
www.bme.de hat nicht nur ein komplett<br />
neues Design und eine neue Farbgebung<br />
bekommen, die Website wurde auch neu<br />
strukturiert und deutlich verschlankt.<br />
„Eine zeitgemäße Website muss vom Nutzer<br />
her gedacht werden. Die User Experience<br />
war daher Leitgedanke bei dieser<br />
Umstellung. Nicht jede Detailinformation<br />
muss sich auf einer neuen Website wiederfinden,<br />
gleichzeitig wollten wir aber<br />
natürlich sicherstellen, dass sich die verschiedenen<br />
Stakeholdergruppen des BME<br />
weiterhin bestmöglich damit identifizieren<br />
können“, sagt BME-Hauptgeschäftsführerin<br />
Dr. Helena Melnikov. „Ich hoffe,<br />
das ist uns gelungen.“ Neue, vereinfachte<br />
Menüstruktur, klarerer Aufbau, größere<br />
Bilder, übersichtlichere Beiträge: Schon<br />
nach wenigen Klicks wird klar, mit welchen<br />
Vorzügen der neue Webauftritt aufwartet.<br />
„Die vergangenen Relaunches der<br />
BME-Website fanden 2015 bzw. 2004<br />
statt. So gesehen war der BME dieses Mal<br />
vier Jahre schneller“, sagt Helena Melnikov<br />
mit Augenzwinkern. Aber damit nicht<br />
genug: Parallel zum Website-Relaunch<br />
hat der Einkäuferverband in den vergangenen<br />
Monaten auch an der Erneuerung<br />
seines Markenauftritts gearbeitet. „Starke<br />
Marken signalisieren Verlässlichkeit, Vertrauen<br />
und Kontinuität. Sie dürfen aber<br />
nicht verstauben, weswegen nach knapp<br />
17 Jahren wieder einmal eine kleine Auffrischung<br />
fällig war“, so BME-Kommunikationschef<br />
Tobias Anslinger. Der letzte<br />
Logo-Rebrush datiert vom Sommer 2005.<br />
Die Marke BME hat sich in den vergangenen<br />
68 Jahren zu einer echten „Brand“<br />
entwickelt. Sie steht für Seriosität<br />
und Unabhängigkeit<br />
in den vier Säulen des<br />
BME: Netzwerk, Weiterbildung,<br />
Fachinformationen<br />
und Services – daran wird<br />
sich natürlich auch künftig<br />
nichts ändern. „Unser neues<br />
Logo bricht nicht mit Vertrautem.<br />
Die Neuerungen<br />
haben eine zeitgemäße<br />
Prägung, gleichzeitig knüpfen<br />
wir bei den Farben des<br />
neuen Logos an unsere Traditionen an:<br />
Denn ganz früher war das BME-Logo mal<br />
grün. Nun verbinden wir blau und grün<br />
auf eine dynamische Weise“, sagt Kommunikationschef<br />
Anslinger.<br />
„Uns ist wichtig, ein modernes und<br />
schlagkräftiges Gesamtbild des BME zu<br />
zeichnen, das klar für die Interessen und<br />
Themen des Einkaufs, der Supply Chain<br />
und der Logistik steht. Mit einem klaren<br />
Profil bringen wir unsere 10.000 PS als<br />
Verband auf die Straße“, sagt BME-Vorstandsvorsitzende<br />
Gundula Ullah in einer<br />
Gesamtwürdigung beider Projekte, die<br />
Teil einer Profilschärfung des BME und<br />
dem damit verbundenen, stärkeren<br />
Marktauftritt in der Öffentlichkeit sind –<br />
ein Ziel, das sich der <strong>aktuell</strong>e BME-Bundesvorstand<br />
für seine noch bis 2025 laufende<br />
Amtszeit gesetzt hat.<br />
Fachmesse für Guss- und Schmiedeteile<br />
CastForge 2022 mit BME-Einkäufertag<br />
Fachbesucher der CastForge 2022, die<br />
vom 21. bis 23. Juni in Stuttgart stattfinden<br />
wird, können sich auf ein hochwertiges<br />
Rahmenprogramm freuen: Der BME<br />
wird sich auf der Fachmesse für Gussund<br />
Schmiedeteile erneut mit einem Einkäufertag<br />
präsentieren. „Die Einkaufswelt<br />
ist gefordert wie nie zuvor und befindet<br />
sich in einem Spannungsverhältnis. Die<br />
Corona-Krise hat deutlich gemacht, dass<br />
die bisherigen <strong>Beschaffung</strong>sstrategien bei<br />
globalen Veränderungen an ihre Grenzen<br />
stoßen. Gleichzeitig erfordern Lieferengpässe<br />
und steigende Preise in vielen Warengruppen<br />
einen zusätzlichen Aufwand<br />
zur Materialversorgung der Unternehmen.<br />
Die BME-Geschäftsstelle in Eschborn.<br />
Mit unserem Vortragsprogramm bieten<br />
wir auf der CastForge Gelegenheit, um<br />
sich darüber mit Experten dezidiert auszutauschen“,<br />
informiert Dr. Frithjof Kilp,<br />
Bereichsleiter Verband des BME e.V.<br />
Auf dem BME-Einkäufertag am 22. Juni<br />
2022 werden renommierte Expert:innen<br />
in Fachvortragen zu <strong>aktuell</strong>en, beschaffungsspezifischen<br />
Themen wie Lieferengpässe<br />
und Risikomanagement referieren.<br />
„Für BME-Mitglieder ist die Teilnahme sowohl<br />
an der Fachmesse als auch am Einkäufertag<br />
kostenlos. Zur besseren Planbarkeit<br />
bitten wir jedoch um eine vorherige<br />
Anmeldung“, so Dr. Kilp.<br />
Anmeldung unter: https://messe.bme.de<br />
Bild: Tobias Anslinger/BME e.V.<br />
Impressum: Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e. V. (BME)<br />
Frankfurter Straße 27, 65760 Eschborn, Tel. 06196 5828-0, Fax –399,<br />
E-Mail: info@bme.de, Internet: www.bme.de<br />
60 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 06 | 2022
Industrie<br />
Das führende Fachmagazin<br />
für den strategischen Einkauf<br />
Kompetent – glaubwürdig – praxisnah<br />
• <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> ist das Magazin für den Einkauf.<br />
• Hinter der <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> steckt das Einkaufsvolumen<br />
der deutschen Industrie.<br />
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Sie mit uns auf Erfolgskurs!<br />
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Sie und Ihre Branche:<br />
konradin.de/industrie<br />
media.industrie.de<br />
<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 06 | 2022 61
Der Master-Studiengang vermittelt nebenberuflich eine Kombination von Logistik-, Digitalisierungs- und Organisationskompetenzen, um die täglichen<br />
Herausforderungen der Digitalisierung des Supply Chain Managements im Unternehmen zu bewältigen.<br />
Bild: FH Münster<br />
FH Münster, Prof. Dr. Wolfgang Buchholz über das neue Angebot<br />
Berufsbegleitendes<br />
Masterstudium Digital SCM<br />
„Lebenslanges Lernen“ – ein Baustein in der Strategie der Fachhochschule Münster –<br />
steht im Mittelpunkt des berufsbegleitenden Masterstudiengangs Digital Supply Chain<br />
Management (DigiSCM), initiiert von Prof. Dr. Wolfgang Buchholz. Im Wintersemester<br />
startet der erste Jahrgang. Noch bis zum 15. August kann man sich anmelden.<br />
Das Interesse von Bachelorabsolventen<br />
berufsbegleitend weiterzustudieren,<br />
wächst von Jahr zu Jahr. Für Einkaufs-<br />
und Supply-Management-Interessierte<br />
ist dies auch an der Fachhochschule<br />
in Münster möglich. Der Masterstudiengang<br />
Digital Supply Chain Management<br />
(DigiSCM) bietet insbesondere Absol -<br />
ventInnen betriebswirtschaftlicher oder<br />
technischer Studiengänge, die sich nach<br />
ersten Praxiserfahrungen im Bereich SCM<br />
weiter qualifizieren möchten, die Chance,<br />
sich fit für die Zukunft zu machen und<br />
u. a. Einblicke in die strategische <strong>Beschaffung</strong><br />
zu gewinnen.<br />
Zulassungsvoraussetzungen sind:<br />
• berufsqualifizierender Hochschul -<br />
abschluss mit einer Gesamtnote von<br />
mindestens „gut“ (2,5)<br />
• einschlägige Berufserfahrung nach<br />
dem ersten Hochschulabschluss von<br />
mindestens einem Jahr<br />
• ausreichende Englischkenntnisse<br />
(B2 Niveau)<br />
• bestandene Eignungsprüfung<br />
Die Anmeldung zum Auswahlverfahren ist<br />
noch bis zum 15. August möglich.<br />
AbsolventInnen besitzen ein Verständnis,<br />
um bestehende Supply Chains weiterzuentwickeln<br />
oder gänzlich neu zu konzipieren.<br />
Sie haben vertiefte Kenntnisse<br />
hinsichtlich digitaler Transformation in<br />
Themenfeldern wie Industrie 4.0, Internet<br />
of Things, Big Data Analysis, Künstliche<br />
Infoveranstaltungen und Kosten<br />
Online-Infoveranstaltungen<br />
• 23. Juni, 18–19 Uhr<br />
• 2. August, 18–19 Uhr<br />
Anschließend können interessierte<br />
KandidatInnen ihre Fragen<br />
an die Professoren stellen.<br />
Das Studium ist auf vier Semester<br />
angelegt. Die Studienkosten<br />
betragen 13.500 €, zusätzlich<br />
sind die Semesterbeiträge zu<br />
leisten.<br />
Fragen der Arbeitgeber beantwortet<br />
Prof. Wolfgang Buchholz<br />
(wbuchholz@fh-muenster.de)<br />
online am 3. Juni, 9–10 Uhr.<br />
fh-muenster.de/msb/studienga<br />
enge/master-digital-supplychain-management<br />
62 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 06 | 2022
KARRIERE «<br />
Intelligenz oder Block-Chain-Technologie.<br />
Zudem sind sie in der Lage, neue Wege<br />
bei der Konzeption und Gestaltung von<br />
digitalisierten Supply Chains und digi -<br />
talen Geschäftsmodellen zu gehen, indem<br />
sie relevante Daten beschaffen, analysieren,<br />
aufbereiten, bewerten und visualisieren.<br />
Und schließlich zeichnen sich die AbsolventInnen<br />
dadurch aus, dass sie sowohl<br />
in analogen als auch in virtuellen<br />
Umgebungen konstruktiv zusammenarbeiten<br />
können.<br />
DigiSCM befähigt die AbsolventInnen unter<br />
Berücksichtigung der <strong>aktuell</strong>en Entwicklung<br />
der Digitalisierung sowohl<br />
intra logistische Managementaufgaben zu<br />
lösen als auch nationale und internationale<br />
Lieferketten und Wertschöpfungsnetze<br />
ganzheitlich zu analysieren und zu<br />
optimieren. (sas)<br />
„Geballte Kompetenz an der Schnittstelle SCM und Digitalisierung“<br />
Bild: Patrick Lückmann<br />
Prof. Dr. Wolfgang<br />
Buchholz von der<br />
FH Münster<br />
Wen möchten Sie mit dem Master-<br />
Studiengang ‚Digital Supply Chain<br />
Management‘ erreichen?<br />
Prof. Dr. Wolfgang Buchholz: Die<br />
AdressatInnen sind AbsolventInnen<br />
betriebswirtschaftlicher oder technischer<br />
Studiengänge, die sich nach<br />
ersten Praxiserfahrungen im Bereich<br />
Supply Chain Management nebenberuflich<br />
weiterqualifizieren möchten.<br />
Dazu gehören MitarbeiterInnen aus<br />
Funktionen, die mit der Gestaltung,<br />
Optimierung, aber auch operativen<br />
Abwicklung entlang der Supply Chain<br />
betraut sind sowie Interessenten von<br />
Industrie- und Handelsunternehmen,<br />
Logistikdienstleistern, Managementund<br />
IT-Beratungsunternehmen. Wir<br />
nehmen keine inhaltliche Fokussierung<br />
auf einzelne Teilbereiche der<br />
Supply Chain vor. Unsere Erfahrung<br />
hat gezeigt, dass z. B. auch für einen<br />
Disponenten der Distributionslogistik<br />
ein Einblick in die strategische<br />
<strong>Beschaffung</strong> hilfreich sein kann. Ein<br />
Blick über den eigenen Tellerrand<br />
kann nie schaden. Die Digitalisierung<br />
wird in allen Bereichen des Supply<br />
Chain Management weiterhin Einzug<br />
halten. Hierfür wollen wir unsere AbsolventInnen<br />
mit dem nötigen Rüstzeug<br />
versorgen.<br />
Was ist das Besondere an Ihrem<br />
Lehrangebot?<br />
An unserem „Institut für Prozessmanagement<br />
und Digitale Transformation“<br />
(IPD) an der FH Münster sind<br />
mittlerweile elf ProfessorInnen tätig,<br />
die sich mit den verschiedensten<br />
Facetten der Digitalisierung in Unternehmen<br />
beschäftigen. Wir betreuen<br />
dort Promotions-, Drittmittel- und<br />
Transferprojekte. Sechs der Profes -<br />
sorInnen haben einen logistischen<br />
Background aus den Bereichen Einkauf,<br />
Produktion und Distribution. Alle<br />
diese KollegInnen werden auch als<br />
DozentInnen in dem Programm<br />
DigiSCM tätig sein. Ergänzt wird das<br />
mit hochkarätigen DozentInnen aus<br />
der Unternehmenspraxis. Damit<br />
können wir geballte Kompetenz an<br />
der Schnittstelle SCM und Digitalisierung<br />
bieten.<br />
In der Lehre werden wir mit einer<br />
Mischung aus Präsenz- und Online-<br />
Lehre ebenfalls neue Wege gehen. In<br />
dem neuen Programm wird es in<br />
jedem Semester zwei Blockveranstaltungen<br />
zu Semesterbeginn/-ende<br />
geben . Dazwischen findet die Lehre<br />
online über eine Kommunikationsplattform<br />
statt. Termine sind dann<br />
flexibel unter der Woche nach der<br />
Arbeit einzurichten. Ein weiterer Vorteil<br />
ist auch, dass für Studierende, die<br />
nicht in der Nähe von Münster ansässig<br />
sind, dieses Studienprogramm gut<br />
abbildbar ist. Und auch bei den<br />
Prüfungs formen sollen nicht primär<br />
klassische Klausuren im Vordergrund<br />
stehen, sondern Projektarbeiten,<br />
Präsen tationen oder Hausarbeiten, die<br />
mit der Berufstätigkeit der Studierenden<br />
in Verbindung stehen.<br />
Mit der Betonung auf ‚Digital‘<br />
suggerieren Sie, dass es auch ohne<br />
gehen könnte?<br />
Natürlich wird es im SCM nicht mehr<br />
ohne „Digital “ gehen. Die Digitalisierung<br />
hat und wird die Supply Chains<br />
nachhaltig verändern. Daher ist es nur<br />
legitim , das auch in den Titel eines<br />
Studienprogramms aufzunehmen. Die<br />
Frage für Studierende ist: Ist in<br />
DigiSCM auch drin, was draufsteht?<br />
Wir sind der Meinung, dass wir die<br />
relevanten Themen der Digitalisierung<br />
von Supply Chains in sehr guter Art<br />
und Weise mit unserem Studiengang<br />
vermitteln können.<br />
Welche Erfahrungen haben Sie mit<br />
dem Online-Studium gemacht?<br />
Die dort gemachten Erfahrungen<br />
waren der Auslöser für unser neues<br />
Programm. In den Zeiten der Pandemie<br />
konnten wir ganz viele Erfahrungen<br />
in der Online-Lehre sammeln, die<br />
man jetzt gewinnbringend nutzen<br />
muss. Im Regelbetrieb wollen wir<br />
natürlich in Präsenz unterrichten. Für<br />
ein berufsbegleitendes Programm<br />
bietet sich die Online-Lehre aber ganz<br />
stark an. Letztendlich gilt: Die<br />
Mischung macht‘s. In einem berufsbegleitenden<br />
Programm ist die Vernetzung<br />
der Studierenden zudem ein<br />
ganz wichtiges Element, und das<br />
geht, trotz aller Technik, am besten<br />
im persönlichen Kontakt.<br />
<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 06 | 2022 63
» BÜCHER<br />
Mit Künstlicher Intelligenz in die Zukunft<br />
Schöne, neue Welt im Jahre 2041?<br />
Mit diesem reichlich dickleibigen Buch wagen der international bekannte KI-Experte<br />
Kai-Fu Lee und der mehrfach prämierte Science-Fiction-Autor Qiufan Chen einen<br />
Ausblick auf die Welt und das Leben im Jahr 2041 in zehn spannend zu lesenden,<br />
fiktionalen Geschichten.<br />
Bild: Campus<br />
KI 2041 – Zehn Zukunftsvisionen.<br />
Kai-Fu<br />
Lee und Qiufan Chen.<br />
Campus Verlag Frankfurt<br />
/M. – New York<br />
2022, 534 Seiten, 26<br />
Euro, ISBN<br />
9783593515496<br />
Künstliche Intelligenz (KI) ist intelligente<br />
Soft- und Hardware, die Aufgaben<br />
erfüllen kann, die normalerweise<br />
menschliche Intelligenz erfordert. KI ist –<br />
so die Einschätzung der beiden Autoren<br />
Kai-Fu Lee und Qiufan<br />
Chen – in den<br />
»Künstliche Intelligenz<br />
ist der Schlüssel<br />
zu einer besseren<br />
Welt und einem<br />
besseren Leben.«<br />
schenzeit zu einem sehr bekannten<br />
Science- Fiction-Autor avanciert.<br />
Die beiden KI-Protagonisten haben sich<br />
zusammengetan, um den Einfluss von KI<br />
auf die zukünftige Welt aufzuzeigen. Sie<br />
haben dafür ein originelles Format gewählt:<br />
Qiufan Chen verfasste zehn fiktionale<br />
Kurzgeschichten, in denen er Facetten<br />
von KI fiktiv fortspinnt und den Leser<br />
dabei an unterschiedliche Orte führt. Die<br />
amüsant zu lesenden Geschichten zeigen<br />
auf, was in 20 Jahren möglich ist, wenn<br />
unser Alltag von künstlicher Intelligenz<br />
geprägt sein sollte. So erhalten die Leser -<br />
Innen ein Porträt unserer Welt und unseres<br />
privaten und geschäftlichen Lebens im<br />
nicht mehr so fernen Jahr 2041. Kai-Fu<br />
Lee führt für jede Kurzgeschichte den Realitätscheck<br />
durch<br />
und kommentiert<br />
sachkundig die<br />
Inhalte der darin<br />
vorkommenden<br />
Technologien.<br />
Erfreulicherweise<br />
setzt er dabei nicht<br />
nur die Brille des<br />
Informatikers auf, sondern bezieht auch<br />
gesellschaftliche Aspekte mit ein. So kann<br />
man die Chancen und Risiken der KI<br />
besser verstehen und vor allem nachvollziehen,<br />
dass es beim Erschließen der KI-<br />
Potenziale entscheidend auf die Mensch-<br />
Maschine-Symbiose ankommt.<br />
Die zehn Geschichten decken wichtige<br />
Bereiche des Lebens ab. Mal geht es um<br />
die Liebe, mal um die persönliche Zufriedenheit,<br />
aber auch darum, wie wir in der<br />
nahen Zukunft möglicherweise lernen<br />
(Stichwort Deep Learning), uns fortbewegen<br />
(Stichwort autonomes Fahren), bezahlen<br />
und arbeiten werden. KI-Anwendungen<br />
werden Medizin und Bildung<br />
letzten fünf Jahren<br />
zur gefragtesten<br />
Technologie der<br />
modernen Welt geworden.<br />
Auch IT-affine<br />
Einkaufsmanager<br />
können dies sicherlich<br />
bestätigen. In der modernen Einkaufsorganisation<br />
kommt KI bisher mit<br />
Trippelschritten voran, aber die Perspektiven<br />
für die Zukunft sind beeindruckend.<br />
Kai-Fu Lee ist ein an der amerikanischen<br />
Carnegie-Mellon-University promovierter<br />
bekannter KI-Protagonist, der in leitender<br />
Funktion für Microsoft und Apple arbeitete<br />
und als Manager Googles China-Geschäft<br />
maßgeblich mit aufbaute. Heute<br />
lebt er als Wagniskapital-Unternehmer in<br />
Peking und hat insofern zweifellos ein<br />
großes Interesse an der weiteren wirtschaftlichen<br />
Nutzung von KI. Der zweite<br />
Autor Qiufan Chen arbeitete in China für<br />
Baidu und Google und ist in der Zwidurch<br />
die Symbiose von Mensch und Maschine<br />
revolutionieren. Sie werden neue<br />
Formen der Kommunikation und Unterhaltung<br />
(Stichwort linguistische Datenverarbeitung)<br />
schaffen und dabei aber<br />
auch zu mehr Konflikten zwischen dem<br />
Schutz personenbezogener Daten und Lebenszufriedenheit<br />
führen. Schließlich<br />
geht KI nicht ohne Big Data. KI-Anwendungen<br />
werden uns von Routinearbeiten<br />
befreien, aber auch unser bisheriges Wirtschaftsmodell<br />
infrage stellen und leider<br />
auch neue Risiken in Form von autonomen<br />
Waffen hervorbringen. Ob sich die<br />
KI-Technologien als Fluch oder als Segen<br />
erweisen, hängt entscheidend davon ab,<br />
wie wir Menschen sie nutzen.<br />
Insgesamt ist das gut aufgemachte Buch<br />
eine bemerkenswerte Mischung aus lehrreichem<br />
Sachbuch und Science Fiction<br />
mit einem Schuss Utopie der zukünftig<br />
möglichen Realität. Auch wenn man den<br />
beiden Autoren eine Prise naiven Fortschrittsglauben<br />
attestieren muss, darf<br />
man ihre Schrift als Aufforderung verstehen,<br />
das Beste aus KI herauszuholen und<br />
mit gut durchdachten KI-Anwendungen<br />
wagemutig Neues zu erschließen.<br />
Prof. Dr. Robert Fieten<br />
Wissenschaftlicher<br />
Berater der<br />
<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong>,<br />
Köln<br />
64 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 06 | 2022
Bild: Verlag Dr. Kovac<br />
Bild: Herder<br />
Bild: Herder<br />
Globale Produktionsnetze<br />
Aus der Verteilung der Produktion auf verschiedene<br />
Standorte ergeben sich für global<br />
agierende Unternehmen neben den<br />
unzweifelhaften Vorteilen auch Risiken.<br />
Reinhard Riffel entwickelt in diesem Buch<br />
ein Optimierungsmodell, das für global<br />
agierende Unternehmen mit weltweit verteilten<br />
Produktionsstandorten die optimale<br />
Verteilung von Produktgruppen und Produktionsvolumen<br />
findet unter Berücksichtigung<br />
wesentlicher strategischer Risiken.<br />
Zur Lösung der Aufgabenstellung wird ein<br />
dynamisches stochastisch gemischt ganzzahliges<br />
lineares Optimierungsmodell mit<br />
einer Zielfunktion entwickelt und mathematisch<br />
formuliert, welches die zuvor als<br />
strategisch relevant identifizierten Risiken<br />
von steigenden Importzöllen sowie Wechselkurs-<br />
und Nachfrageschwankungen berücksichtigt.<br />
Dieses Modell wird mithilfe<br />
einer Fallstudie, der fiktiven „Deutsche<br />
Motorenwerke AG“, einer numerischen<br />
Analyse unterzogen. Aus den Ergebnissen<br />
wird der weitere Forschungsbedarf identifiziert<br />
sowie ein Best-Practice-Ansatz für<br />
die Praxis abgeleitet – aus der Forschung<br />
für Interessierte. (sas)<br />
Optimierung globaler Produktionsnetzwerke<br />
unter Berücksichtigung<br />
strategischer Risiken<br />
in der Schriftenreihe:<br />
Logistik-Management in Forschung und<br />
Praxis, Band 69<br />
Reinhard Riffel<br />
Verlag Dr. Kovac, Hamburg, 2022<br />
Softcover, 116 Seiten<br />
ISBN 978–3–339–12880–<br />
Wirtschaft und Gesellschaft<br />
Die soziale Marktwirtschaft ist grundlegend<br />
für Deutschlands Gesellschaftsordnung<br />
– freier Wettbewerb, Preisstabilität<br />
und sozialer Ausgleich haben dieses Modell<br />
so erfolgreich gemacht. Jedoch wurde<br />
spätestens mit der Finanzmarkt krise<br />
2008 deutlich, dass dieses Modell im 21.<br />
Jahrhundert weiterentwickelt werden<br />
muss. Digitalisierung, Dekarbonisierung<br />
und geopolitische Machtkämpfe erhöhen<br />
den Druck. Professor Dr. Michael Hüther,<br />
Direktor des Instituts der Deutschen Wirtschaft,<br />
bietet einen Überblick zum Zustand<br />
und zu den Perspektiven der sozialen<br />
Marktwirtschaft, die insbesondere<br />
durch die Globalisierung auf die Probe<br />
gestellt wird. Denn obwohl unsere Industrie<br />
auf den Export dringend angewiesen<br />
ist, „steht sie unter Druck durch Protektionismus<br />
und Systemkonflikte zwischen<br />
dem transatlantischen Westen und China“,<br />
wie Siegfried Russwurm und Joachim<br />
Lang in ihrem Vorwort feststellen.<br />
Der vorliegende Band ist der erste, der<br />
vom Herder Verlag herausgegebenen<br />
Reihe „Wirtschaft und Gesellschaft“, die<br />
Denkanstöße zur Debatte geben möchte,<br />
wie die Zukunft der Wirtschaft in<br />
Deutschland erfolgreich gestaltet werden<br />
kann.<br />
Welche Zukunft hat die soziale<br />
Marktwirtschaft?<br />
Michael Hüther<br />
Verlag Herder, Freiburg, 1. Auflage 2022<br />
Kartoniert, 128 Seiten, 10,00 €<br />
ISBN: 978–3–451–07229–1<br />
Vorsicht: Autokratien!<br />
Ist Moral ein Wirtschaftsfaktor? Welche<br />
roten Linien gelten im Umgang mit autoritären<br />
Regimen? Deutschland ist wie<br />
kein anderes Land auf den Export von<br />
Spitzenprodukten angewiesen, um Wohlstand<br />
und Beschäftigung zu sichern. Die<br />
Freihandelspolitik steht jedoch erheblich<br />
unter Druck. Autoritäre Regime wie China<br />
setzen ihre staatsgelenkten Wirtschaftssysteme<br />
dazu ein, geopolitische Ziele zu<br />
erreichen. Handelskonflikte können sich<br />
zu Wirtschaftskriegen auswachsen, Sanktionen<br />
können zum Mittel der Außenpolitik<br />
werden. Welche Verantwortung<br />
kommt den Unternehmen zu, wenn Menschenrechte<br />
verletzt werden? Welche außenwirtschaftlichen<br />
Leitplanken sollten<br />
im Umgang mit aggressiven Staaten wie<br />
Russland gelten?<br />
Der Bundesverband der Deutschen Industrie<br />
e. V. lädt mit dieser Buchreihe zu einer<br />
Debatte über Wirtschafts- und Industriepolitik<br />
ein, um Fakten- und Hintergrundwissen<br />
verständlich zu vermitteln.<br />
Die Reihe möchte Anstöße zur Lösung<br />
langfristiger Herausforderungen für den<br />
Wohlstand künftiger Generationen geben.<br />
Mit Beiträgen von Nils Ole Oermann,<br />
Sabine Herold, Hans-Jürgen Wagener,<br />
Edna Schöne u.a.<br />
Wie soll die Wirtschaft mit<br />
Autokratien umgehen?<br />
Siegfried Russwurm (Herausgeber),<br />
Joachim Lang (Herausgeber)<br />
Verlag Herder, Freiburg, 1. Auflage, 2022<br />
Kartoniert, 128 Seiten, 10,00 €<br />
ISBN: 978–3–451–07230–7<br />
<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 06 | 2022 65
INSERENTENVERZEICHNIS<br />
IMPRESSUM<br />
Bild: Keller & Kalmbach<br />
apsolut GmbH, Bielefeld 18-19<br />
Bundesministerium für Arbeit und<br />
Soziales (BMAS), Berlin 5<br />
Chr. Mayr GmbH + Co. KG Antriebstechnik,<br />
Mauerstetten 49<br />
Gersfelder Metallwaren GmbH, Gersfeld 21<br />
Gütegemeinschaft Paletten e.V., Münster 25<br />
Keller & Kalmbach GmbH, Unterschleißheim 2<br />
Lederer GmbH, Ennepetal 6<br />
Maxon Motor GmbH, Sexau 3<br />
Orderfox AG, LI-Ruggell 23<br />
VORSCHAU<br />
CONSULTINGKOSTEN<br />
Wer wünscht sich das nicht: Mehr<br />
Transparenz im Einkauf von Beratungs -<br />
leistungen? Aufgrund der üblicherweise<br />
sehr komplexen, durch unterschiedliche<br />
Anbieter vorgestellten Projektalternativen<br />
ist die Auswahl von Beratungsunternehmen<br />
kein rein ökonomischer Vorgang.<br />
PriceWaterhouseCoopers AG<br />
Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Düsseldorf 7<br />
RCT Reichelt Chemietechnik GmbH + Co.,<br />
Heidelberg 39<br />
reichelt elektronik GmbH & Co. KG, Sande 9<br />
Ernst Reiner GmbH & Co. KG, Furtwangen 47<br />
SoftconCIS GmbH, Oberhaching 13<br />
VDW Verein Deutscher Werkzeugmaschinenfabriken<br />
e.V., Frankfurt 11<br />
TITELSTORY<br />
Wir sprechen mit<br />
Dr. Florian Seidl,<br />
geschäftsführender<br />
Gesellschafter bei<br />
Keller & Kalmbach,<br />
über die volatilen<br />
Zeiten auf den<br />
Einkaufsmärkten .<br />
FUHRPARK<br />
Es mangelt an Fahrzeugen und die<br />
Kosten steigen massiv. Verantwortlich<br />
sind nicht nur fehlende Halbleiter,<br />
sondern auch ungünstige Leasing -<br />
verträge . Gibt es Alternativen?<br />
Das Magazin für Einkauf, Material wirtschaft und Logistik<br />
ISSN 0341–4507<br />
Herausgeberin: Katja Kohlhammer<br />
Verlag: Konradin-Verlag Robert Kohlhammer GmbH<br />
Ernst-Mey-Straße 8,<br />
70771 Leinfelden-Echterdingen, Germany<br />
Geschäftsführer: Peter Dilger<br />
Verlagsleiter: Peter Dilger<br />
Chefredakteur:<br />
B. A. Alexander Gölz (ag), Phone +49 711 7594–438<br />
Ernst-Mey-Straße 8, 70771 Leinfelden-Echterdingen, Germany<br />
Redaktion:<br />
Dipl.-Ing. (FH) Sabine Schulz-Rohde (sas),<br />
Phone +49 711 7594–252;<br />
Yannick Schwab (ys), Phone +49 711 7594–537<br />
Korrespondent:<br />
M.A. Nico Schröder (sc), Phone +49 170 6401879<br />
Freie Mitarbeit:<br />
Ass. Jur. Ulrike Dautzenberg, RA Anja Falkenstein,<br />
Dipl. Ing. (FH) Michael Grupp, M.A. Annette Mühlberger,<br />
M.A. Sabine Ursel<br />
Fachliche Beratung: Prof. Dr. Robert Fieten<br />
Redaktionsassistenz:<br />
Daniela Engel, Phone +49 711 7594–452,<br />
Fax –1452, E-Mail: daniela.engel@konradin.de<br />
Layout: Jennifer Martins, Phone +49 711 7594–262<br />
Gesamtanzeigenleitung:<br />
(Verantwortlich für den Anzeigenteil)<br />
Joachim Linckh, Phone +49 711 7594–565<br />
Auftragsmanagement:<br />
Matthias Rath, Phone +49 711 7594–323<br />
Leserservice: <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong>, Phone +49 711 7252–209,<br />
E-Mail: konradinversand@zenit-presse.de<br />
Erscheinungsweise: 9 x jährlich<br />
Bezugspreis jährlich: Inland 160,20 € inkl. MwSt. und<br />
Versandkosten; Ausland 165,15 € inkl. Versandkosten;<br />
Einzelheft Inland: 17,90 € inkl. MwSt. und Versandkosten.<br />
Einzelheft Ausland: 18,40 € inkl. Versandkosten.<br />
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<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> 7-8/2022 erscheint am 28.07.2022<br />
Anzeigenschluss ist am 4.07.2022<br />
66 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 06 | 2022
MEINUNG «<br />
Hamstern – kein Mittel<br />
gegen Lieferkettenstress<br />
Die schlechten Nachrichten aus der deutschen Industrie finden<br />
zurzeit leider kein Ende. Das Statistische Bundesamt berichtete,<br />
dass im März 2022 neben dem Export und dem Auftragseingang<br />
auch die Industrieproduktion überraschend deutlich sank. Die<br />
reale (preisbereinigte) Produktion im Produzierenden Gewerbe<br />
fiel im März 2022 gegenüber Februar 2022 saison- und kalenderbereinigt<br />
um 3,9 Prozent. Im April 2022, für den die Zahlen<br />
noch nicht vorliegen, dürfte es kaum besser aussehen. Die Statistiker<br />
verweisen darauf, dass es einen stärkeren Rückgang zuletzt<br />
zu Beginn der Corona-Krise im April 2020 gegeben<br />
(-18,1 % gegenüber März 2020) habe.<br />
Infolge anhaltend gestörter Lieferketten aufgrund der rigiden<br />
Lockdowns im wichtigen <strong>Beschaffung</strong>smarkt China und des<br />
Kriegs in der Ukraine haben viele Unternehmen große Probleme<br />
beim Abarbeiten ihrer gut gefüllten Auftragsbücher. Deutschlands<br />
wichtigstem Industriezweig,<br />
der Automobilindustrie, fehlten im März u. a. Kabelbäume<br />
aus der Ukraine, mit der Folge, dass die Produktion<br />
um 14 Prozent fiel. Dies bleibt nicht ohne Ausstrahleffekte<br />
auf die vorgelagerten Industrien. Laut ifo<br />
Institut für Wirtschaftsforschung klagten im März 2022<br />
gut 80 Prozent der befragten Industrieunternehmen über<br />
Engpässe und Probleme bei der <strong>Beschaffung</strong> von Vorprodukten<br />
und Rohstoffen. Unserer Industrie machen zudem<br />
die hohen Energiepreise schwer zu schaffen. Laut Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums<br />
drosselten energieintensive Unternehmen aus den Feldern Glas, Glaswaren, Keramik<br />
sowie Verarbeitung von Steinen und Erden im März ihre Produktion um 6,7 Prozent.<br />
»Hamsterkäufe [...] heizen<br />
die Einkaufspreise weiter an<br />
und verschlimmbessern den<br />
Dauerstress.«<br />
Prof. Dr. Robert Fieten,<br />
wissenschaftlicher Berater der<br />
<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong>, Köln<br />
Wann es wieder besser wird, steht in den Sternen. Hohe Rohstoff- und Energiepreise und<br />
vor allem die Lieferketten im Dauerstress machen den Unternehmen auf der Angebotsseite<br />
wohl noch auf geraume Zeit das Leben schwer. Auf der Nachfrageseite belasten die offenbar<br />
in den Dauerzustand übergehende hohe Inflation sowie die Unsicherheit infolge<br />
des Ukraine-Krieges. Hinzu kommt die bald zu erwartende Zinserhöhung durch die EZB.<br />
In dieser ungemütlichen Gemengelage agieren die Einkäufer am Anschlag. Hoffentlich<br />
behalten sie dabei einen kühlen Kopf! In Zeiten der Knappheit von Rohstoffen wie etwa<br />
Nickel, Kupfer, Lithium und Co. sowie von Vorprodukten wie Stahl, Halbleiter, Kunststoff,<br />
Papier selbst Schrauben und Nägel etc. werden die überkommenen Einkaufs-Best-Practices<br />
wie etwa beinharter Lieferantenwettbewerb, Reverse Auctions, Abrufe on demand obsolet.<br />
Es zählt nur noch Verfügbarkeit. Dies verleitet zu Panik- und Hamsterkäufen. Diese<br />
heizen jedoch die Einkaufspreise weiter an und verschlimmbessern den Dauerstress in den<br />
Lieferketten. Was sollten die Einkäufer tun? Für diejenigen, die sich nicht längerfristig abgesichert<br />
haben, ist die Situation verfahren – hoffentlich nur temporär. Eine Lehre aus der<br />
<strong>aktuell</strong>en Versorgungskrise lautet: Für die Zukunft müssen resiliente Lieferketten und<br />
funktionierende Ökosysteme mit Lieferanten aufgebaut werden. Dies wird nicht billig. Es<br />
ist zu akzeptieren, dass Versorgungssicherheit ihren Preis hat!<br />
<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 06 | 2022 67
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