als PDF - Deutscher Fluglärmdienst eV
als PDF - Deutscher Fluglärmdienst eV
als PDF - Deutscher Fluglärmdienst eV
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
1/2008<br />
MOSAIC und FAB CE<br />
Update aktuell<br />
GdF in der ATCEUC<br />
Es geht voran<br />
CISM in der DFS<br />
Erfolgsgeschichte<br />
Die DFS-Akademie<br />
Ersatz von Zufall durch Irrtum?
von<br />
Klaus<br />
Berchtold-<br />
Nicholls,<br />
Gewerkschaftsvorsitzender<br />
der flugleiter 2008/01<br />
Editorial<br />
Der Zug nach Europa ist unterwegs –<br />
nicht ohne die GdF<br />
Liebe Mitglieder,<br />
liebe Kolleginnen und Kollegen!<br />
Die Zukunft der Flugsicherung steht (wie die<br />
gesamte Luftfahrt von Natur aus) im Zeichen<br />
der Europäisierung und Globalisierung. Heu-<br />
tige Probleme und zukünftige Herausforde-<br />
rungen werden nicht mehr allein auf natio-<br />
n<strong>als</strong>taatlicher Ebene gelöst werden, sondern<br />
verstärkt im Rahmen des Single European Sky, in<br />
enger Kooperation mit anderen Ländern und deren<br />
Flugsicherungen und nach einheitlichen, verbind-<br />
lichen europäischen Regeln. Darüber hinaus wird<br />
auch jetzt schon der Ruf nach globaler Harmoni-<br />
sierung immer lauter, wobei vor allem die Synchro-<br />
nisation und die Interoperabilität der zukünftigen<br />
europäischen Systeme mit dem US-amerikanischen<br />
Next Gen im Vordergrund steht. Dies tritt immer<br />
stärker im größten Projekt der europäischen Luft-<br />
fahrt seit Bestehen der Europäischen Union, SES-<br />
AR, in den Vordergrund und bezieht sich auf die<br />
Technik, aber auch auf die Arbeitsmethoden.<br />
Daher gibt es auch für unsere berufsständische In-<br />
teressenvertretung, die GdF, mittelfristig keine Al-<br />
ternative zur Suche nach grenzübergreifenden Lö-<br />
sungen – insbesondere für Fragen der<br />
Arbeitsbedingungen und Arbeitsplatzsicherung.<br />
Die GdF darf und wird sich deshalb auch im kom-<br />
menden Jahr voller internationaler Herausforde-<br />
rungen nicht auf die nationale Gewerkschaftsarbeit<br />
beschränken, sondern sich aktiv und gestaltend den<br />
europäischen Aufgaben stellen. Dass sie hierbei je-<br />
der Zeit auf die Erkenntnisse und Ergebnisse eben<br />
jener Arbeit erfolgreich zurückgreifen wird, steht<br />
außer Frage.<br />
Mit der Umgestaltung der betrieblichen Altersver-<br />
sorgung und den Aufsichtsratswahlen in der DFS<br />
stehen dabei absolut anspruchsvolle Aufgaben in<br />
Deutschland an. In Tarifthemen ist die GdF weiter-<br />
hin hervorragend gerüstet, personell wie inhaltlich.<br />
Und zur Aufsichtsratswahl stehen die dafür am<br />
besten qualifizierten GdF Mitglieder bereit. Sie<br />
sollten den ArbeitnehmerInnen eine überzeugende<br />
Auswahl an fähigen Kolleginnen und Kollegen bie-<br />
ten, um die Entwicklung des Unternehmens im<br />
besten Interesse aller heutigen wie künftigen Mit-<br />
arbeiter zu beeinflussen. An diesem personellen<br />
Aufgebot können Sie die Bedeutung erkennen, die<br />
die GdF der Aufsichtsratswahl zumisst. Bitte neh-<br />
men Sie sich das zu Herzen und beteiligen Sie sich<br />
ohne Ausnahme am Urnengang!<br />
Neben diesen national bedeutsamen Themen wird<br />
eine andere Herausforderung im kommenden Jahr
maßgeblich die Geschicke des Unternehmens DFS<br />
und seiner MitarbeiterInnen bestimmen: Die Wei-<br />
terentwicklung der Flugsicherung und die Siche-<br />
rung, Ausgestaltung und Schaffung hochwertiger<br />
Arbeitsplätze im dynamischen europäischen Um-<br />
feld (Stichwort Single European Sky). Sie erfordert<br />
neben gedanklicher, strategischer Weitsicht auch<br />
die Fähigkeit und Bereitschaft, über ein nationales<br />
Unternehmen hinaus zu denken. Dies gilt in nicht<br />
minder starker Ausprägung auch für das Tarifres-<br />
sort, das sich schon in absehbarer Zeit verstärkt Ge-<br />
danken wird machen müssen, auf welchem Niveau<br />
und zu welchen Konditionen eine Harmonisierung<br />
der Arbeits- und Vergütungsbedingungen im enge-<br />
ren und weiteren FAB Umfeld in Betracht kommt.<br />
Unabhängig davon, ob die DFS in Zukunft <strong>als</strong> ei-<br />
genständiges Unternehmen mit anderen Flugsiche-<br />
rungen kooperieren oder Teil einer supranationalen<br />
Organisation wird: Die bisherigen und auch die<br />
kommenden Abschlüsse mit DFS und Co. sind<br />
ebenso hochwertige Errungenschaften an sich wie<br />
sie unsere Grundlage für den internationalen Wett-<br />
bewerb um die aus Arbeitgeber- oder Arbeitneh-<br />
mersicht wettbewerbsfähigsten bzw. attraktivsten<br />
Arbeitsbedingungen darstellen. Diese Aufgabe wird<br />
das komplette, intellektuelle und kreative Potenzial<br />
der GdF Funktionäre und Mitglieder fordern, so-<br />
viel steht fest.<br />
Mit freundlichen Grüßen,<br />
Klaus Berchtold-Nicholls<br />
GdF Bundesvorsitzender<br />
Erlauben Sie mir in jedem Fall die abschließende<br />
Vorhersage: bevor die DFS Vision für 2020 sich<br />
auch nur annähernd verwirklichen kann, wird ein<br />
schnellerer, größerer und – wenn wir uns kreativ<br />
damit befassen – attraktiverer Zug in Richtung Eu-<br />
ropa und darüber hinaus unterwegs sein. Sie, unse-<br />
re Mitglieder haben ein gewichtiges Wort mitzure-<br />
den, wie dieser Zug beschaffen sein könnte. Lassen<br />
Sie uns Ihre Meinung wissen.<br />
der flugleiter 2008/01
Update zu MOSAIC<br />
und FAB Europe Central<br />
Das gemessen am Bisherigen ungewöhnliche Format dieses Berichts<br />
hat zwei Hintergründe: Zum einen fand das letzte MOSAIC Meeting zeitgleich<br />
und an gleichem Ort (Hauptquartier der französischen Flugsicherung<br />
DSNA in Paris) mit dem zweiten FAB EC Stakeholder Forum statt.<br />
Der andere Grund: mit zunehmender Fertigungstiefe<br />
zeichnet sich bei Gedankengängen und daraus resultierenden<br />
Schlussfolgerungen eine immer stärkere<br />
Konvergenz der beiden Projekte ab.<br />
Was bedeutet das? MOSAIC hat seit dem letzten Update<br />
zwei weitere Arbeitsmeetings durchgeführt, die größtenteils<br />
zur Erstellung und Verfeinerung bzw. Abstimmung<br />
des so genannten Framework Document dienten.<br />
Dieses ist zur internen wie zur externen Darstellung des<br />
Konzepts einer multi-staatlichen Flugsicherung notwendig<br />
und in etwa mit der detaillierten Feasibility Study<br />
des FAB EC vergleichbar. Beide Dokumente beinhalten<br />
notwendiger Weise die selben Aspekte vom Betriebskonzept<br />
über die Auswirkungen auf die Umwelt bis hin<br />
zur institutionellen Ausgestaltung.<br />
Hatte es bei letzteren noch bis vor kurzem so ausgesehen,<br />
<strong>als</strong> würde FAB EC nichts dazu vorlegen, ist seit<br />
dem Stakeholder Forum am 11. Dezember 2007 klar,<br />
dass unter der Führung der Staaten nun alle Kooperationsformen<br />
bis hin zur vollen Integration untersucht<br />
werden müssen: „Das auszuwählende Kooperationsmodell<br />
zwischen den ANSPs muss dasjenige sein, das<br />
am besten die Leistungsziele erreicht“ (Vortrag des<br />
Leiters des schweizerischen Amts für Zivilluftfahrt, Raymond<br />
Cron). Dies ist die offizielle Position der zivilen<br />
und militärischen Verantwortlichen der sechs Staaten.<br />
Gespräche am Rande der Veranstaltung zwischen<br />
den GdF Vertretern und verschiedenen Führungskräften<br />
der DFS (u. a. D. Kaden und K. Gatz) fanden in<br />
lockerer, kollegialer Atmosphäre statt und deuteten<br />
auf eben jene schon zu Anfang erwähnte Konvergenz<br />
im Ausblick hin. Daher fällt es beiden Seiten mittlerweile<br />
deutlich leichter, miteinander auch über solche<br />
zukünftigen Lösungen offen zu sprechen, die das mittelfristige<br />
Aufgehen der DFS in einer gemeinsamen,<br />
supranationalen Flugsicherung beinhalten. Dass dies<br />
zumindest die eine Hälfte der Grundannahme bei<br />
MOSAIC ist, ist wohl müßig zu erwähnen.<br />
Während das MOSAIC Framework Document noch nicht<br />
in Version 1.0 fertig ist, konnten die Grundprinzipien<br />
und –annahmen der PRU (Performance Review Unit)<br />
vorgestellt werden. Für das vollständige Dokument<br />
wurde der MOSAIC Gruppe bis Ende Januar Zeit eingeräumt.<br />
Spätestens dann wird es benötigt, um eine eingehende<br />
Beurteilung des Projekts durchzuführen und<br />
Gewerkschaft International<br />
in die betreffende Studie aufzunehmen. Zu den bereits<br />
fertig gestellten Kapiteln gehört auch das Kapitel über<br />
die Umweltauswirkungen, das allein von der GdF<br />
erstellt wurde, fast einhelligen Beifall erhielt und daher<br />
<strong>als</strong> erstes abgeschlossen werden konnte. Ähnliches gilt<br />
für das Modell zur zivil-militärischen Integration nach<br />
deutschem Vorbild, das die GdF ebenfalls weitestgehend<br />
allein erstellte und eine unstrittige gemeinsame<br />
Grundlage für MOSAIC darstellt. Weitere fertige Elemente<br />
sind die Einleitung und das institutionelle Kapitel,<br />
während vor allem beim technischen Konzept noch<br />
große Lücken klaffen.<br />
Nicht anders ergeht es, nebenbei gesagt, dem FAB EC,<br />
obwohl dieser jetzt aus den oben genannten Zusammenhängen<br />
heraus unter massivem Druck steht, die<br />
bestehenden Lücken zu schließen. So ergibt sich eine<br />
Situation, wie man sie vor noch wenigen Monaten kaum<br />
ahnen konnte: MOSAIC und FAB EC haben nun, selbst<br />
für den Laien erkennbar, wesentlich mehr Gemeinsamkeiten<br />
<strong>als</strong> Unterschiede. Die letzteren sind zwar bedeutsam,<br />
aber bis Mitte des Jahres 2008 werden wir auch<br />
dazu deutliche und verbindliche Aussagen erhalten.<br />
Fortsetzung folgt…<br />
von Klaus<br />
Berchtold-<br />
Nicholls und<br />
Jens Lehmann<br />
11 der flugleiter 2008/01
von Klaus<br />
Berchtold-<br />
Nicholls<br />
der flugleiter 2008/01<br />
Gewerkschaft International<br />
12<br />
Die GdF in der ATCEUC –<br />
eine kleine Erfolgsgeschichte<br />
…eine kleine Erfolgsgeschichte deshalb, weil sie noch<br />
lange nicht zu Ende geschrieben wurde.<br />
Nach der Gründung der GdF hatten sich die Vorstände<br />
mit ungeteilter Zustimmung der Mitglieder der ATCEUC<br />
(Air Traffic Control European Union Coordination) <strong>als</strong><br />
europäischem Dachverband zugewandt und unsere<br />
Gewerkschaft trat ihr im Frühjahr 2004 <strong>als</strong> dam<strong>als</strong> 14.<br />
oder 15. Mitglied bei.<br />
Mittlerweile hat ATCEUC 23 Mitgliedsgewerkschaften<br />
von Norwegen bis Bulgarien, von Portugal bis Polen.<br />
Allesamt sind dies reine Flugsicherungs- oder Fluglotsengewerkschaften.<br />
Die Mehrzahl unter ihnen hat im<br />
Bereich der Flugsicherung einen eindeutigen Mehrheitsvertretungsanspruch,<br />
in keinem anderen Land<br />
ist dieser jedoch so deutlich wie in Deutschland, wo<br />
die GdF etwa 99,9% aller gewerkschaftlich organisierten<br />
Mitarbeiter in der Flugsicherung (inkl. der Vorfeldkontrolle<br />
an den größten Verkehrsflughäfen) zu ihren<br />
Mitgliedern zählen kann. Damit ist die GdF die zahlenmäßig<br />
größte Mitgliedsgewerkschaft und besitzt auf<br />
Grund ihrer außergewöhnlichen Mächtigkeit mitten<br />
im Kern von Europa auch in und für ATCEUC besondere,<br />
strategische Bedeutung. Daher ist es fast schon<br />
eine Selbstverständlichkeit, dass die GdF bereits ein<br />
halbes Jahr nach ihrem<br />
Beitritt in den Vorstand<br />
(das Executive Board)<br />
gewählt wurde. Diese<br />
Funktion wird seither<br />
vom Bundesvorsitzenden<br />
ausgeübt; nicht<br />
nur weil dies definitionsgemäß in seine Zuständigkeit<br />
fällt, sondern weil die Arbeit der ATCEUC ausschlaggebenden<br />
Einfluss auf die Entwicklung der europäischen<br />
Luftfahrt (dazu verweise ich auf die Vorgänge im<br />
Zusammenhang mit SES) haben kann und – unserer<br />
Ansicht nach – haben wird.<br />
Einziger Pferdefuß war aus Sicht der GdF von Beginn<br />
an die Tatsache, dass satzungsgemäß nur die Interessen<br />
der Fluglotsen direkt durch ATCEUC vertreten<br />
werden. Mehrere Versuche, diese Satzung im Sinne<br />
unserer Mitgliedschaft auszuweiten, scheiterten an<br />
verschiedenen, teils heftigen Vorbehalten in mehreren<br />
Ländern. Dies ist nachvollziehbar, wenn man auf<br />
die verschiedenen Kulturen und auf die verschiedenen<br />
Flugsicherungswelten in Europa etwas näher eingeht.<br />
In manchem Land überwiegt weiterhin die Befürchtung,<br />
dass das Eingehen beispielsweise auf Technikerinteressen<br />
entweder eine Verschiebung der Wer-
tigkeiten, vielleicht auch der Mächtigkeit innerhalb der<br />
nationalen Gewerkschaft wie auch innerhalb ATCEUC<br />
zur Folge haben könnte. Zum anderen befürchtet<br />
man, dass die Unterstützung der Interessen anderer<br />
Berufsgruppen innerhalb der Flugsicherung zu Abstrichen<br />
bei den Vergütungen und sonstigen Leistungen<br />
für Fluglotsen führen könnte. Wer die Verhältnisse auf<br />
der iberischen Halbinsel kennt, dürfte meine Ausführungen<br />
nachvollziehen können. Daneben gibt es auch<br />
Länder, in denen es nicht nur mehr Administrative <strong>als</strong><br />
Fluglotsen in der Flugsicherung gibt, sondern ebenso<br />
auch mehr Techniker und Ingenieure. Unvorstellbar<br />
eine Vereinigung der gewerkschaftlichen Interessenvertretungen,<br />
die zur Folge haben könnte, dass die<br />
Fluglotsen, die weltweit <strong>als</strong> die Träger der Schlüsselpositionen<br />
in der Flugsicherung angesehen werden,<br />
den entscheidenden Einfluss in der einschlägigen<br />
Tarifpolitik verlieren würden.<br />
So werden wir auch in Zukunft auf diese Veränderung,<br />
die aus deutscher Sicht so logisch erscheint, in paneuropäischer<br />
Betrachtung aber zumindest kurzfristig<br />
<strong>als</strong> utopisch erachtet werden muss, noch warten müssen.<br />
Immerhin hat sich innerhalb der ATCEUC einiges<br />
an Kreativität geregt, um eine alternative Lösung für<br />
dieses Problem zu erarbeiten.<br />
Eine in ihren Auswirkungen wesentlich weiter reichende<br />
Entwicklung vollzieht sich derzeit unter intensiver<br />
Mitwirkung der GdF: die ATCEUC scheint kurz<br />
vor der Anerkennung <strong>als</strong> Social Partner im Rahmen<br />
des europäischen Social Dialogue zu stehen. Was bis<br />
vor kurzem kaum denkbar war, nämlich dass es auch<br />
außerhalb der Schirmherrschaft der ETF eine direkte<br />
Beteiligung an diesen „Tarifverhandlungen“ für die<br />
GdF geben könnte, wird nun offenbar wesentlich<br />
schneller Realität, <strong>als</strong> selbst die Kühnsten unter uns<br />
zu prophezeien wagten.<br />
Welche Bedeutung hat nun dieser Social Dialogue<br />
und wie war er bisher organisiert? Hier sollen künftig<br />
alle Aspekte der Arbeitsbedingungen, die in der<br />
ganzen europäischen Union, sozusagen <strong>als</strong> Mindeststandards,<br />
Gültigkeit haben sollen (nicht Vergütung),<br />
vereinbart werden. Dazu zählen aber auch weiter führende<br />
Regelungen wie etwa die Notwendigkeit einer<br />
europaweiten FS-Technikerlizenz. Für die macht sich<br />
ATCEUC, obwohl offiziell reiner Fluglotsenverband,<br />
seit einigen Jahren (in etwa seit dem Beitritt der GdF)<br />
aus fachlichen Erwägungen stark.<br />
Organisiert waren diese „Verhandlungen“ (die<br />
den Namen nach einhelliger Bewertung aller uns<br />
bekannten Beteiligten bisher aber nicht verdienen)<br />
in der Joint ATM Working Group (JATMWG) <strong>als</strong> einer<br />
Art Tarifkommission und der ATM Working Party<br />
(ATMWP) <strong>als</strong> Verhandlungskommission, die dann mit<br />
den Arbeitnehmervertretern (CANSO, der auch die<br />
DFS angehört) zusammen trifft. Die Organisation der<br />
JATMWG/ATMWP wurde vor Jahren der ETF (European<br />
Transport Workers’ Federation) übertragen, der<br />
Gewerkschaft International<br />
alle großen Transportgewerkschaften in der EU und<br />
damit auch ver.di angehören. Ihre Aufgabe war es<br />
gemäß dem Auftrag der Europäischen Kommission,<br />
alle relevanten internationalen Arbeitnehmervertretungen<br />
unter dem Dach der JATMWG zusammen<br />
zu fassen und ihnen Sitz und Stimme zu verleihen.<br />
Ursprünglich waren in der ATMWP zehn Sitze, davon<br />
neun für ETF-Gewerkschaften und einer (durch Kooperationsabkommen)<br />
für die ATCEUC, dazu drei Sitze<br />
mit Beobachterstatus für die Berufsvereinigungen<br />
IFATCA, IFATSEA (FS-Technik) und ECA (Piloten). Mit<br />
der Osterweiterung der EU wurde dies auf 15+ (statt<br />
wie zuvor 10+) ausgedehnt.<br />
Nachdem dies partout nicht mehr den Vertretungsverhältnissen<br />
in der Flugsicherung entsprach und<br />
den ATCEUC-Gewerkschaften ganz gewaltig gegen<br />
den Strich ging, kündigte die ATCEUC (gefolgt von der<br />
IFATCA) die Kooperationsvereinbarung (wie dam<strong>als</strong><br />
VDF/FTI mit ver.di – die Geschichte wiederholt sich)<br />
mit ETF und beantragte bei der Europäischen Kommission<br />
die Anerkennung <strong>als</strong> Social Partner. Dies geschah<br />
nicht zuletzt auch, weil im Social Dialogue seit Jahren<br />
keine greifbaren Ergebnisse mehr erzielt wurden und<br />
die JATMWG größtenteils zum Debattierclub verkommen<br />
war.<br />
Kurz und gut: Wir können nun mit einiger Berechtigung<br />
hoffen, dass die GdF in absehbarer Zeit direkt an<br />
einem dann hoffentlich ergebnisorientierteren Social<br />
Dialogue teilnehmen wird. Ohne die GdF, die intensiv<br />
darauf drängte, wäre eine solche Entwicklung nicht,<br />
oder zumindest nicht in dieser Geschwindigkeit möglich<br />
gewesen, und sei es nur <strong>als</strong> das berühmt-berüchtigte<br />
„Zünglein an der Waage“. Auch der DFS, die diesen<br />
Schritt ausdrücklich unterstützt, wird das sicher<br />
zum Vorteil gereichen, weil sie dann endlich auch auf<br />
europäischer Ebene und über internationale Belange<br />
mit den „richtigen Leuten“ verhandeln kann.<br />
13 der flugleiter 2008/01
2008 – was bringt uns das neue Jahr?<br />
Wie geht es weiter? Ein Blick in die Glaskugel, und man weiß, was<br />
einen erwartet – oder eben auch nicht. Das Orakel zeigt viele Facetten,<br />
und man kann aus ihren viele Rückschlüsse ziehen, wenn man<br />
die Zeichen der vergangenen Zeit erkennt.<br />
Letztes Jahr wurde an gleicher Stelle das Jahr 2007 <strong>als</strong><br />
das Jahr des Umbruchs bezeichnet – Tarifkonflikt, Zertifizierung<br />
und Privatisierung waren die Schlagworte,<br />
auf die es letztes Jahr zu achten galt.<br />
Der Tarifkonflikt ist zu Ende, statt GdF machte die GdL<br />
die Schlagzeilen zum Jahresanfang. In der Flugsicherung<br />
scheint zunächst alles in geordneten Bahnen<br />
zu laufen. Es scheint zumindest so – die Tarifkommission<br />
ist weiterhin das beschäftigste Gremium<br />
der GdF. Gerade wurde die Tarifvereinbarung für die<br />
Kolleginnen und Kollegen vom Hahn unterschrieben.<br />
Und schon zeichnen sich weitere „Baustellen“ ab. Die<br />
Frage dabei: Was passiert mit den anderen Regionalplätzen,<br />
mit ihren zwischenzeitlich recht unterschiedlichen<br />
Arbeitgebern? Eine Tarifvereinbarung z.B. mit<br />
Austro-Control oder mit der „TTC“ sind Zielsetzungen<br />
für das Jahr 2008. Aber auch innerhalb der DFS ist<br />
die GdF – Tarifkommission gefordert. Seit längerer<br />
Zeit steht u.a. die Belastungstarifvereinbarung für<br />
die Fluglotsen und Flugdatenbearbeiter an. Gerade in<br />
letzter Zeit sind die Verhandlungen intensiver geworden,<br />
ein Abschluss wird hoffentlich nicht mehr all zu<br />
lange auf sich warten lassen.<br />
Zum Jahresende hingegen wird für die ca. 5000 Beschäftigten<br />
der DFS erneut mit einem Zahlenspiel dies- und<br />
jenseits des Komma gerechnet. Ein erneuter Verhandlungspoker<br />
um Gehaltszahlen steht an und dürfte auch<br />
wieder das verstärkte Interesse der Mitglieder wecken.<br />
Privatisierung – wie geht es weiter? Die Sondierungen<br />
laufen wohl weiter, eine genaue Zielführung ist derzeit<br />
jedoch nicht zu erkennen. Wie Minister Tiefensee<br />
anlässlich eines Presseempfanges in Berlin mitteilte<br />
(siehe auch den Bericht „aus der Redaktion“) ist<br />
innerhalb der politischen „Landschaft“ (die FDP einmal<br />
ausgenommen) eine weitergehende Privatisierung<br />
der Flugsicherung unter den bisher bekannten<br />
Vorgaben nicht zu erwarten und auch schwerlich<br />
durch zu setzten. Aber gerade hier darf man gespannt<br />
sein, wie und was hinter den Kulissen vereinbart wird,<br />
bzw. welche Alternativen zur Debatte stehen. Eine<br />
reine „innerdeutsche“ Regelung ohne die anstehenden<br />
FABs (Functional Air Blocks) zu berücksichtigen,<br />
scheint nicht viel Sinn zu machen. Eine Neuordnung<br />
des Luftraumes unter europäischem Gesichtspunkt<br />
(siehe hierzu auch die Veröffentlichungen zum Thema<br />
MOSAIC) ist zwingender denn je, wenn man die<br />
Wachstumszahlen und Prognosen der Airlines und der<br />
meisten Flughäfen sieht.<br />
Presse & PR<br />
Das erste Großereignis der GdF 2008 findet in Leipzig<br />
statt. Die Fachbereichstagung des Flugsicherungsbetriebsdienstes<br />
(FSBD) wirft ihre Schatten voraus. Bereits<br />
im Vorfeld hat der jetzige und langjährige Vorsitzende<br />
des Fachbereiches FSBD – Michael Schäfer, erklärt, dass<br />
er für eine erneute Wiederwahl nicht zur Verfügung steht.<br />
Personelle Veränderungen innerhalb der GdF stehen<br />
somit an und dürften dann im Oktober (Bundesdelegiertenkonferenz)<br />
ihre Fortsetzung finden. Auch in der Presseabteilung<br />
der GdF sind weit reichende Veränderungen<br />
zu erwarten. Marek Kluzniak, der das Amt des Pressesprechers<br />
jahrelang mit beispiellosem Einsatz und herausragendem<br />
Erfolg führte, tritt nicht mehr an. Wer wird<br />
sein Nachfolger, wer sein/e Vertreter? Diese Positionen<br />
haben absolute Priorität. Die Kontinuität einer effektiven<br />
Öffentlichkeitsarbeit muß sicher gestellt sein, erst recht<br />
bei den von HJK beschriebenen anstehenden Aufgaben.<br />
Und erst wenn dies zufriedenstellend gelöst sein wird,<br />
kann und wird die Suche nach dem Nachfolger für KBB<br />
beginnen. In wie weit weitere „Abteilungen“ von Veränderungen<br />
betroffen sind, bleibt abzuwarten.<br />
Mehr <strong>als</strong> nur einen guten Ruf hat die GdF anlässlich der<br />
DFS-Aufsichtratswahl im Frühjahr zu verteidigen. Hier sind<br />
die Mitarbeiter der DFS und selbstverständlich auch die<br />
Mitglieder der GdF aufgefordert, ihre nominierten Vertreter<br />
erneut in das Gremium „Aufsichtsrat“ zu wählen. Es versteht<br />
sich, daß von allen eine konsequente Wahlbeteiligung<br />
eingefordert ist, um dieses ehrgeizige Ziel zu erreichen.<br />
Alles in allem <strong>als</strong>o erwartet uns erneut ein sehr<br />
interessantes Jahr mit vielen unterschiedlichen und<br />
vielfältigen Themen. Langweile wird sicherlich nicht<br />
aufkommen. Für den „flugleiter“ eine erneute Herausforderung,<br />
diese Themenvielfalt den Mitgliedern der<br />
GdF in gewohnter Weise darzustellen. Das Redaktionsteam<br />
wird sich Mühe geben. Und nicht vergessen:<br />
„der flugleiter“ ist EUER Magazin, es wirkt durch Euch<br />
für Euch - Mitarbeit ist gefragt.<br />
von<br />
Hans-Joachim<br />
Krüger und KBB<br />
23 der flugleiter 2008/01
EHEMALIGE<br />
von „Emmi“<br />
Enneper<br />
der flugleiter 2008/01<br />
24<br />
✈ Die ehemalige FS-Leitsetelle heute.<br />
Was wurde eigentlich aus …<br />
der Flugsicherungs-Stelle Hannover?<br />
(vorm<strong>als</strong> auch FS-Leitstelle und FS-Region<strong>als</strong>telle)<br />
Meine Heimatdiensstelle Hannover hat wohl von allen FS-Betrieben<br />
in Deutschland den allergrößten Wandel, sprich „Abbau“<br />
erleben müssen.<br />
Vergleichbar ist der Wegfall der FS-Schule von München,<br />
denn dort ist auch nicht mal mehr ein Gebäude<br />
vorhanden. Die Veränderungen in den neuen Bundesländern<br />
sind beträchtlich, aber in Bezug auf den Verlust<br />
der Wertigkeit einer FS-Dienststelle hat es Hannover aus<br />
meiner Sicht am schlimmsten erwischt. Aber von vorn:<br />
Die Zeit der Umzüge<br />
Irgendwann ab 1953 wurde ATC von Bad Eilsen nach<br />
Hannover an den Flughafen Langenhagen verlegt.<br />
In einem ehemaligen Wehrmachtsgebäude konnte<br />
dam<strong>als</strong> einiges untergebracht werden : Die vollständige<br />
Regionalkontroll- bzw. Leitstelle mit Technik und<br />
Fuhrpark für die Betreuung der Streckenanlagen bis<br />
Warburg in Hessen. Die Verwaltung gehörte ebenso<br />
dazu, wie der Beratungs- und Fernmeldedienst, der<br />
allerdings direkt „am Piloten“ im Abfertigungsgebäude<br />
des Flughafens untergebracht war. Zu einem<br />
Flughafen gehörten auch ein Tower und dam<strong>als</strong><br />
noch ein Approach direkt unter der Towerkanzel in<br />
einem total abgedunkeltem Raum, der deshalb gerne<br />
„blauer Salon“ genannt wurde. Die „Dienstkleidung“<br />
entsprach auch diesem Namen, denn die Herren mußten<br />
Oberhemden mit Krawatte tragen. Nach der Erstellung<br />
eines neuen TWR Ende der 60er, wurde APP im<br />
ACC integriert und somit konnte die Kleidung die der<br />
legereren im ACC angepasst werden.<br />
1973/74 mußte die Dienststelle Hannover den größten<br />
Verlust hinnehmen: Die FIR Hannover zog nach<br />
Bremen und wurde umbenannt in Bremen<br />
FIR, die UIR Hannover zog nach<br />
Eurocontrol in Maastricht behielt aber<br />
ihren Namen. Die betriebliche Umorganisation<br />
war die eine Seite, aber die menschliche,<br />
sprich Versetzung des größten Anteils der Kollegen,<br />
die andere.<br />
Die Sozialauswahl ließ mich in Hannover verbleiben<br />
wie viele „Ältere“ auch, doch wir mochten uns gar<br />
nicht vorstellen, nur noch mit einer kleinen Anzahl<br />
der „elitären“ Tower-Approach-Kollegen zu arbeiten.<br />
Damaliger Tenor: Kann man mit denen überhaupt<br />
zusammen arbeiten? Die Zeit zeigte es - man konnte,<br />
und zwar so gut, dass ich im Nachhinein sage, es wurden<br />
die besten 20 Jahre meiner Flugsicherungszeit.<br />
Die Zeit der Aufbruchstimmung<br />
In den Jahren vor 1973 herrschte „Aufbruchstimmung“,<br />
denn die Zwangsverbeamtung hatte viel Frust verursacht.<br />
U.a. Wolfgang Kassebohm, Kollege in Hannover,<br />
GPR-Vorstandsmitglied und VDF-Vorsitzender sowie<br />
viele organisierte Kollegen wollten um bessere Bedingungen<br />
im Flugsicherungsbetriebsdienst kämpfen.<br />
Es gipfelte im „slow-go“ oder „sick-in“, was sogar die<br />
kurzfristige Schließung des Flughafens Hannover nach<br />
sich zog. Das aber war der Unkenntnis des damaligen<br />
Verkehrsministers zu verdanken, der nicht wusste,<br />
dass Streckenkontrolle von einem ACC betrieben wird.<br />
Ich war Zeugin der Feststellung des BVM Lauritz Lauritzen<br />
im Hannover-Tower : „Also von hier wird der<br />
norddeutsche Luftraum kontrolliert“.<br />
Nee, das wurde er nicht! Sondern recht bald, nach viel<br />
„crosstraining“ und Ausbildung europäischer Lotsen
für Eurocontrol (bereits mit Eurocontrolgehältern),<br />
von Bremen und Maastricht aus.<br />
Das gab Platz: Im ACC-Raum verblieb nur noch das<br />
Approach. Die Anzahl der Mitarbeiter einschließlich<br />
Technik und Verwaltung betrug nur noch einen Bruchteil.<br />
Die Bundesanstalt für Flugsicherung plante und<br />
verwirklichte dann einige Jahre später einen Neubau<br />
an anderer Stelle am Flughafen aus Bundesmitteln. Es<br />
wurde ein ansprechender Bau in grauem Basalt (o.ä.),<br />
vor allem moderne funktionelle Räumlichkeiten, ein<br />
Parkplatz, ein Grillplatz mit Bänken unter hohen Bäumen<br />
und sogar ein Bungalow für den Hausmeister zum<br />
Wohnen. Fast wie im Märchen! Nur eine hohe Umzäunung<br />
des Grundstückes mit einer Torschließanlage erinnerte<br />
an ein „sicherheitsrelevantes“ Gebäude. Das war<br />
zur Planungszeit wg. des RAF- Terrorismus Vorschrift.<br />
„Stand-alone TWR“<br />
Dann kam mit der DFS die Entscheidung des „TWR-<br />
Stand-alone“. Also wurde dieses neue, schöne APP-<br />
Gebäude überflüssig. Der alte TWR, direkt am Abfertigungsgebäude<br />
gelegen und im Besitz des Flughafens,<br />
wurde durch den ersten „DFS-TWR“ ersetzt. Dieser<br />
bekam im abgelegenen Gelände des Flughafens Hannover<br />
einen funktionellen Anbau für Verwaltung und<br />
Technik nach neuesten Anforderungen. Die Ausstattung<br />
ist moderner und schöner, aber das „alte“ Gebäude<br />
war nach ca.15 (!) Jahren auch noch nicht unmodern. Es<br />
würde beim Verkauf <strong>als</strong> Eigentum der DFS (BFS) einen<br />
guten Gewinn bringen. So dachte man. Ab 1999 wartete<br />
man vergebens auf Kaufinteressenten, stattdessen<br />
wurden die Unterhaltungskosten für Grundstück<br />
und Gebäude in jedem Jahr höher. Schließlich blieb nur<br />
✈ Als es noch ein App-Gebäude gab.<br />
noch der Abriss des Komplexes, um dann wenigstens<br />
das Grundstück verkaufen zu können.<br />
Das ist jetzt einige Monate her, bislang tut sich noch<br />
nichts auf dem Gelände. Zum Glück muß ich den<br />
Anblick auf das, noch immer hinter hoher Umzäunung<br />
liegende, verlassene Gelände nicht oft ertragen. Aber<br />
ich finde es sehr schade um dieses schöne Anwesen,<br />
zumal das ganz alte Wehrmachtsgebäude (Haus 18)<br />
gering verändert und renoviert, noch immer existiert<br />
- <strong>als</strong> Sitz einiger kleiner Bedarfsfluggesellschaften.<br />
Dort, wo in den 60er Jahren mein Renault R4 parkte,<br />
werden jetzt Cessnas etc. abgestellt. Den Anblick<br />
kann ich gut ertragen!<br />
Weit abgelegen steht der „TWR-Stand-Alone“- das<br />
wurde aus der geschichtsträchtigen, großen FS-Leitstelle<br />
Hannover!<br />
✈ Das ehemalige APP-Gelände heute.<br />
EHEMALIGE<br />
25 der flugleiter 2008/01
Ein Bericht von<br />
Daniela Franke<br />
und KBB<br />
der flugleiter 2008/01<br />
DFS Intern<br />
28<br />
Erfolgsstory: CISM in der DFS<br />
Es ist inzwischen etwa 10 Jahre her, dass die DFS mit der Entwicklung<br />
und Umsetzung eines Programms zur psychologischen Bewältigung<br />
von Stressreaktionen nach kritischen Ereignissen startete.<br />
Die Besonderheit der Tätigkeit des Fluglotsen und der<br />
ständig wachsende Luftverkehr machte es notwendig,<br />
eine für dieses Berufsfeld nutzbringende und anwendbare<br />
Form der Krisenintervention einzurichten. Jörg<br />
Leonhardt, Human Factors Experte und Referent im<br />
Sicherheitsmanagement der DFS, fand im „Critical Incident<br />
Stress Management“, CISM, die richtige Methode<br />
zur Bewältigung dieser schwierigen Aufgabe.<br />
Critical Incident Stress Management kann im Deutschen<br />
etwa mit „Stressbearbeitung nach belastenden<br />
Ereignissen“ übersetzt werden. Darunter sind alle<br />
Vorkommnisse zu verstehen, die bei einem Menschen<br />
„ungewöhnliche“ Reaktionen hervorrufen.<br />
Nicht allein die Schwere des Vorfalls ist entscheidend<br />
Ausschlaggebender Faktor, so die nahezu einhellige Meinung<br />
der Fachleute, ist dabei nicht primär die Schwere,<br />
die Dramatik des Vorfalls. Wesentlich sind vielmehr die<br />
individuellen Reaktionen des mit jeweiligen Ereignis<br />
konfrontierten Mitarbeiters. Beim Betroffenen, natürlich<br />
auch bei einer Mehrzahl von Betroffenen, können derart<br />
starke emotionale Reaktionen provoziert werden, dass<br />
deren „Funktionsfähigkeit“ in mehrfacher Hinsicht, <strong>als</strong>o<br />
sowohl fachlich <strong>als</strong> auch allgemein psychisch beeinträchtigt<br />
wird. Gemeint ist damit, dass die vom jeweiligen<br />
Vorfall betroffenen Menschen sehr oft nicht ohne<br />
weiteres „zur Tagesordnung“ zurückkehren können. Die<br />
durchaus unterschiedlich vorhandenen Fähigkeiten des<br />
Einzelnen, die vorangegangene Streßsituation zu verarbeiten<br />
und zu bewältigen, reichen dazu meist nicht<br />
mehr aus. Daher ist die strukturierte Unterstützung einer<br />
außen stehenden Person notwendig, um die eigene psychische<br />
Stabilität wieder zu erlangen.<br />
Kollegen unterstützen Kollegen- das Peer Modell<br />
Um diese essentiell wichtige Unterstützung anbieten<br />
zu können, hat die DFS „Peers“ ausgebildet. Sie sind<br />
Kolleginnen und Kollegen der gleichen Berufsgruppe,<br />
die eine spezielle Ausbildung durchlaufen haben und<br />
daher eine Krisenintervention durchführen können.<br />
Alle Peers üben ihre Aufgabe ehrenamtlich aus!<br />
Jörg Leonhardt erklärt dazu, dass inzwischen für fast<br />
alle dezentralen Standorte kollegiale Berater ausgebildet<br />
wurden oder werden. Um eine hohe Vertraulichkeit<br />
zu erlangen, werden diese von der eigenen Belegschaft<br />
gewählt. Die Schulung umfasst vier fachliche<br />
Ausbaustufen, die jeweils drei Tage dauern.<br />
1. Individual Crisis Intervention and Peer Support<br />
2. Group Crisis Intervention<br />
3. Advanced Group Crisis Intervention<br />
4. Strategic Planning<br />
Alle Kurse werden von der „International Critical Incident<br />
Stress Foundation“, ICISF, zertifiziert. So ist der<br />
hohe Qualitätsstandard der Ausbildung sicher gestellt.<br />
Als CISM Interventionen werden alle vorbeugenden<br />
und begleitenden Maßnahmen bezeichnet, die Menschen<br />
bei der Verarbeitung verschiedenster Stressreaktionen<br />
nach belastenden Ereignissen unterstützen.<br />
Dies kann zum Beispiel in Form spezieller Schulungsmaßnahmen<br />
ebenso geschehen wie im Einsatz und<br />
der Durchführung verschiedener, auf die Belastungsreaktion<br />
abgestimmter Maßnahmen.<br />
CISM verhindert effektiv negative Spätfolgen<br />
Bei mangelhafter Verarbeitung der vorhandenen<br />
Störung(en) ohne CISM Intervention durch einen geschulten<br />
Peer können chronische Beschwerden auftreten.<br />
Sie äußern sich u.a. in einer starken Einschränkung der<br />
Lebensqualität, dem Abbrechen der sozialen Kontakte,<br />
in extremen Einzelfällen sogar in Form der schwer zu heilenden<br />
und in die Arbeitsunfähigkeit führenden Krankheit<br />
„Post Traumatic Stress Disorder (PTSD)“ (Posttraumatisches<br />
Belastungssyndrom, PTBS).<br />
Es ist wichtig hervorzuheben, dass alle CISM-Maßnahmen<br />
keine Therapie darstellen, sondern ausschließlich<br />
der Gesundung und deren Erhalt ansonsten normal<br />
reagierender Menschen auf unnormale Ereignisse<br />
(„Critical Incidents“) dienen. CISM steht natürlich für<br />
jeden betroffenen Mitarbeiter der DFS im Bedarfsfall<br />
zur Verfügung, findet jedoch zumeist Anwendung im<br />
operativen Dienst.<br />
Kernpunkte der Krisenintervention sind:<br />
• schnelle Hilfe<br />
• meist vor Ort<br />
• normalisierend<br />
• echte Unterstützung<br />
• Aussprache von persönlich Erlebtem<br />
• Besprechen und Anerkennen der Gefühle<br />
• Gefühle werden kognitiv bearbeitet statt verdrängt/<br />
verneint<br />
• Reaktionen werden innerhalb der Gruppe ausgetauscht<br />
und kommuniziert<br />
• Reaktionen werden <strong>als</strong> normal besprochen und erlebt<br />
• Stressbewältigungstechniken werden erklärt
CISM Netzwerke und Partnerschaften<br />
Obwohl inzwischen zahlreiche ähnliche Programme in<br />
der Luftfahrt (und natürlich auch in anderen Arbeitsbereichen<br />
bestehen), gilt das CISM Programm der DFS im<br />
Bereich ATC <strong>als</strong> weltweit führend. Es spielt somit auch<br />
eine Vorreiterrolle für CISM Programme im Aviation-<br />
Bereich. Die DFS ist enger Partner der ICISF und bietet<br />
CISM Kurse auch für andere Flugsicherer in Europa an.<br />
Mit FRAPORT besteht bereits ein gemeinsames Kriseninterventionsteam.<br />
Dieses war erstmalig bei der<br />
nach dem Tsunami 2004 notwendigen Versorgung<br />
von Betroffenen und Angehörigen im Einsatz.<br />
Zur CISM-Tätigkeit zählt auch, daß über die Anzahl<br />
von Gesprächen, die stattfanden, Statistiken geführt<br />
werden, um die jeweilige Inanspruchnahme einschätzen<br />
zu können. Die Ergebnisse werden beim jährlichen<br />
CISM Forum diskutiert, um daraus erforderlich werdende<br />
Maßnahmen definieren zu können. So kann es<br />
zum Beispiel sein, dass die Schulung der Supervisor<br />
<strong>als</strong> eine notwendige Folge identifiziert wird.<br />
Die Supervisor bilden die Brücke zum Peer<br />
Supervisor sind meist diejenigen, die <strong>als</strong> erste mit dem<br />
Betroffenen im Kontakt sind. Daher werden in den Führungscurricula<br />
die Inhalte aus CISM geschult. So verfügt<br />
im Notfall auch die zuständige Führungskraft vor<br />
Ort über einen Entscheidungs- und Hilfeleitfaden und<br />
kann notwendig werdende Maßnahmen einleiten. Bisher<br />
war CISM fester Bestandteil des TWR Emergency<br />
Kurses der Akademie. Leider hat sich die Akademie entschlossen,<br />
CISM nicht mehr <strong>als</strong> Bestandteil der Emergency-Kurse<br />
anzubieten. (Einen aktuellen Bericht über<br />
die Lage an der Akademie finden Sie in diesem „flugleiter“,<br />
die Red.) CISM-Leiter Jörg Leonhardt sieht den<br />
bisherigen Erfolg gerade in der starken Verbreitung von<br />
Information und Wissen innerhalb der DFS. CISM ist -<br />
neben den Supervisor Schulungen - auch Bestandteil<br />
im ABQ und anderen Akademie Kursen. Dadurch, so<br />
meint Leonhardt, werde sichergestellt, dass jeder in<br />
der DFS über die Notwendigkeit von Krisenintervention<br />
informiert ist und für seinen jeweiligen Verantwortungsbereich<br />
weiß, was im gegebenen Fall zu tun ist.<br />
Das CISM Forum <strong>als</strong> anerkannte Plattform<br />
Ein Mal im Jahr findet ein DFS-weites CISM-Forum<br />
statt. Es hat sich über die Jahre zu einer international<br />
gefragten Konferenz für Wissensvermittlung und<br />
praktische Erfahrungen in CISM etabliert. Dies führt<br />
inzwischen dazu, dass auch Vertreter anderer ANSP`s<br />
am DFS Forum teilnehmen. In 2007 kamen diese aus<br />
der Schweiz, Irland, Portugal, Dänemark, Italien,<br />
Österreich, Kroatien, Frankreich und Tschechien.<br />
Ein wichtiges Thema waren „kulturelle Unterschiede<br />
im Umgang mit Krisen“ und „internationale Zusammenarbeit<br />
im Bedarfsfall“. Die Notwendigkeit für ein<br />
funktionierendes Netzwerk hat sich nach Überlingen<br />
deutlich gezeigt.<br />
Jörg Leonhardt lobt im Übrigen ausdrücklich die enge<br />
Zusammenarbeit mit dem F-Bereich des Unterneh-<br />
DFS Intern<br />
mens. Dieser sei – genauso wie die Geschäftsbereiche<br />
Tower und Center – ein starker Unterstützer des<br />
gesamten Programms. Die erfolgreichen Ergebnisse<br />
der von der Universität durchgeführten CISM Vor-<br />
und Hauptstudie basieren auf dieser verlässlichen<br />
Unterstützung.<br />
Human Factors <strong>als</strong> Zukunftsaufgabe<br />
CISM ist nicht das einzige Programm, das durch den<br />
Bereich Human Factors im Sicherheitsmanagement<br />
verantwortet wird. Weitere, wesentliche Aufgabengebiete<br />
sind das Konzept Erstsprecher bei Flugzeugentführungen,<br />
die Analyse des Faktors Mensch bei<br />
der Vorfalluntersuchung und zunehmend auch die<br />
Entwicklung von Methoden und Standards, wie das<br />
Thema Human Factors im Unternehmen präziser<br />
behandelt werden kann.<br />
Die immer mehr zunehmende Komplexität und Menge<br />
des Luftverkehrs stellt bereits an junge Nachwuchslotsen<br />
hohe Anforderungen. Sich sukzessive Step<br />
by Step einzuarbeiten, gestaltet sich in diesem Job<br />
immer schwieriger.<br />
Resumee<br />
• Neben einer fortschreitenden technischen Entwicklung<br />
muss sichergestellt sein, dass auch im Bereich<br />
Human Factors eine ständige Entwicklung stattfindet<br />
und diese aktuell bleibt.<br />
• Ein „Randdasein“ von Human Factors kann sich ein<br />
modernes Unternehmen nicht mehr leisten.<br />
• Wie kann das Unternehmen dazu beitragen, dass<br />
durch eine effektive und leistungsfördernde Personaleinsatzplanung<br />
die Gesundheit des FS-Person<strong>als</strong><br />
gefördert wird und somit das Leistungspotenzial der<br />
Mitarbeiter erhöht wird?<br />
• Wie müssten Regenerationspausen und Schichtrhytmen<br />
gelegt sein, um eine möglichst gesundheitsfördernde<br />
Reglung zu schaffen?<br />
• Sind die Abbaumöglichkeiten von Stress wenigstens<br />
zum Teil steuerbar, zum Beispiel durch die<br />
Schaffung gesundheitsfördernder Maßnahmen oder<br />
gesunder Ernährung?<br />
In all diesen Themen, betont Leonhardt, seien enorme<br />
Potenziale vorhanden, an denen die Tarifpartner<br />
aktiv mitwirken können. Gesundheit und Leistungsfähigkeit,<br />
so betont er, ließen sich nicht allein durch<br />
Gehaltssprünge abfangen, sondern ebenso durch<br />
gute Arbeitsbedingungen und einen ausgewogenen,<br />
bedarfsgerechten Personalbestand.<br />
Nach seiner Meinung sind hierbei alle drei Partner,<br />
nämlich die Unternehmensleitung, die GdF und die<br />
individuellen Mitarbeiter gefordert.<br />
Leonhardt dazu: „Im Endeffekt lohnt sich ein effektives,<br />
auch präventives Stressmanagement für alle<br />
Seiten. Das Unternehmen kann durch belastbares,<br />
gesundes Personal seine Produktivität<br />
erhöhen und die Mitarbeiter über entsprechende<br />
Lebensqualität gewinnen.“<br />
Der Faktor Mensch muß in<br />
der Sicherheitskultur eines<br />
Flugsicherungsunternehmens<br />
im Mittelpunkt<br />
stehen!
von Stephan<br />
Heinrich AK/CF<br />
Fotos von<br />
Jette Reissig<br />
der flugleiter 2008/01<br />
DFS Intern<br />
30<br />
Die DFS-Akademie<br />
oder: Planung ist offensichtlich der Versuch, den Zufall durch Irrtum zu ersetzen.<br />
Die Lotsen-Personalplanung der DFS und Ihre Auswirkung<br />
auf die Akademie.<br />
Es ist noch kein Jahr her - Ende Februar 2007-, dass<br />
die entsprechenden Entscheidungsträger in der UZ<br />
die Akademie immer noch am Liebsten geschlossen<br />
hätten. Fest entschlossen waren sie, trotz jahrelanger<br />
Ermahnungen, die Berechnungen für den Lotsenbedarf<br />
doch noch einmal zu überprüfen. Denn unserer<br />
Meinung und Berechnung nach könnten sie so nicht<br />
stimmen. Man fragt sich halt schon, wo sich denn zum<br />
Beispiel die ganzen Überhänge in den Centern verborgen<br />
haben, wenn der Akademie kaum Gastlehrer in<br />
ausreichender Zahl geschickt werden kann.<br />
Und wie sagte eine Kollegin aus dem Center Langen<br />
so schön: „Wo sind denn die 70 Lotsen zu viel? Die<br />
müssen sich wohl hinter oder in den Konsolen verstecken,<br />
denn ich hab noch keine gesehen.“ Ähnliche<br />
Kommentare waren auch aus den anderen Niederlassungen<br />
(NL) zu vernehmen: „Wenn wir zu viele sind,<br />
warum bekomme ich dann kein AM?“ etc.<br />
Ja, ja, es ist aber auch wirklich schwer, den genauen<br />
Bedarf zu ermitteln. Die - von der Akademie vorgebrachte<br />
- grobe Schätzung, dass bei mindestens 1500<br />
aktiven Lotsen, die im Durchschnitt 30 Jahre arbeiten,<br />
an sich und im Schnitt 50 Lotsen pro Jahr in die Ü-Vers.<br />
gehen müssten (1500:30=50) könnte doch eigentlich<br />
jeder nachrechnen. Dass wir demzufolge sehr konservativ<br />
von einem Bedarf von ca. 50 Lotsen pro Jahr<br />
ausgingen - ohne Berücksichtigung von Lotsenauszubildenden,<br />
die das OJT nicht überstehen, ohne K oder<br />
U, ohne Kur, ohne Schwangerschaft, ohne Untauglichkeit<br />
oder Abgänge in die Sachbearbeiterposition -<br />
wurde <strong>als</strong> unseriös und leicht durch den ermittelnden<br />
Überhang zu kompensieren abgetan.<br />
Dankenswerter Weise „schenkte“ man der Akademie<br />
nach zähen Verhandlungen mit den Bereichen TWR<br />
und CC, die sich über die letzten Jahre hinzogen, dann<br />
aber doch je neun Auszubildende für TWR und CC pro<br />
Jahr (inklusive 2007!), damit wir unsere Professionalität<br />
erhalten können. Wie das mit dieser „Masse“ an<br />
Lotsenschülern funktionieren soll, wurde uns leider<br />
nicht mitgeteilt… . Es ging eigentlich nur durch Personalreduzierung,<br />
damit wenigstens der übrig gebliebene<br />
Rest seine Professionalität erhalten kann.<br />
Was waren die Auswirkungen für die Akademie?<br />
Es wurden, um nur ein Beispiel zu nennen, die Verträge<br />
von „Flexis“ (bei Bedarf einsetzbare MitArbeiter)<br />
und befristet angestellten Honorarkräften (beide<br />
Gruppen bestehen aus Lotsen in der Ü-Vers.) nicht<br />
verlängert. Nun kann man natürlich darüber streiten,
ob diese Kräfte geeignet sind Flugsicherung im Simulator<br />
zu vermitteln. Aber es sind folgende Dinge zu<br />
beachten, bevor man ernsthaft darüber nachdenkt,<br />
auf dieses (Fach-)Wissen zu verzichten:<br />
Erstens wäre der Betrieb ohne sie in der AK in den Jahren<br />
zuvor, in denen hier bis zu 150 Lotsen/Jahr ausgebildet<br />
wurden, zusammengebrochen. Denn die Außenstellen<br />
konnten ja nur wenig Gastlehrer schicken. Zweitens,<br />
Debatten in der „BILD für Flugsicherung“ („ATC-Net“)<br />
hin oder her: sie haben exzellente Arbeit geleistet, was<br />
man an der Masse der in den letzten 10 Jahren erfolgreich<br />
lizenzierten Lotsen erkennen kann.<br />
Weiter Auswirkungen für die Akademie:<br />
• Alle SIM-Piloten mit Zeitarbeitsverträgen erhielten<br />
keine Verlängerung, und – <strong>als</strong> besonderen Auswuchs<br />
des von dem GB Center verordneten Sparzwangs<br />
– wurde im Jahr 2006 ein Entlassungsbedarf von 10<br />
Piloten angekündigt. Und dass, obwohl schon dam<strong>als</strong><br />
sicher war, dass wir eben diese 10 auf jeden Fall im<br />
November 2007 wieder benötigen werden! Dass es am<br />
Schluss nur sieben Stellen waren, die wegfielen und<br />
diese MA in anderen Bereichen der DFS untergekommen<br />
sind, ist hauptsächlich dem BR/UZ und dem Engagement<br />
der MA (auch denjenigen in der Jobagentur),<br />
sowie einer gehörigen Portion Glück zu verdanken.<br />
• Der technische Support der Simulatoren wurde an TE<br />
ausgelagert mit all den sich damit ergebenden Konsequenzen.<br />
Man ruft jetzt an und wartet, bis jemand<br />
von TE herbeieilt. Früher ging man ins gegenüberliegende<br />
Zimmer, wenn etwas nicht funktionierte, was<br />
im BASIM – Basic Ausbildungs Simulator – eigentlich<br />
jedes Mal der Fall ist, da er schon einige Jahre<br />
auf dem Buckel hat und aus Kostengründen nicht<br />
modernisiert werden konnte. Aber immerhin: 2008<br />
kommt ein neues System.<br />
DFS Intern<br />
• Büros wurden untervermietet an andere Bereiche<br />
der DFS, so dass es in der Akademie eine zeitlang<br />
wie bei dem Spiel „ Reise nach Jerusalem“ zu ging<br />
– in welchem Büro bin ich denn in zwei Monaten?<br />
• Führungsebenen und Verwaltungsbereiche wurden<br />
zusammengefasst - nur um sie später wieder<br />
zu trennen, <strong>als</strong> festgestellt wurde, dass es so nicht<br />
richtig funktioniert.<br />
Die Liste ließe sich noch verlängern.<br />
Ein weiteres Resultat der aufgezwungenen Sparwut<br />
– wie sagte eine ehemalige Führungskraft so schön:<br />
„sonst werden wir dichtgemacht. Wir sind zu teuer,<br />
in Tschechien bilden sie TWR-Lotsen für 40000 EUR<br />
aus“ – verloren wir nicht nur unser Vertrauen in die<br />
Personal“planung„, auch die Stimmung unter den<br />
„Vollzeitäquivalenten“ litt zunehmend.<br />
Das Geschäft mit den Externen<br />
Die Akademie versuchte sich dann im Externen-<br />
Geschäft, welches nach anfänglichen Schwierigkeiten<br />
inzwischen zum Haupteinnahmefaktor geworden ist.<br />
Erwähnt seien hier die Lotsenausbildung und weitere<br />
Kooperationen für und mit Kroatien. Die Akademie<br />
bildet Lotsen für Estland, Litauen und Mazedonien<br />
aus. Polen und weitere Staaten kauften verschiedene<br />
Module aus dem Q-Bereich (Q = Qualifizierung, <strong>als</strong>o<br />
ABQ, mil. Procedures, PRQ, HUM etc.). Dazu kommen<br />
noch die militärischen Lehrgänge, die bisher im Schnitt<br />
20 Lotsen pro Jahr an der Akademie ausbilden lassen.<br />
Ohne dieses „Fremdgeschäft“ wären wohl noch mehr<br />
MA „freigesetzt“ worden.<br />
Sooo schlecht kann <strong>als</strong>o die Qualität der Ausbildung<br />
an der Akademie nicht sein, liebe Lotsenkollegen,<br />
denn „billig“ - und zwar in jeder Bedeutung dieses<br />
Wortes - sind wir nicht.<br />
31 der flugleiter 2008/01
der flugleiter 2008/01<br />
DFS Intern<br />
32<br />
Der Autor erlaubt sich an<br />
dieser Stelle mal zu fragen,<br />
ob unserer Firma<br />
eigentlich bewusst ist,<br />
dass Ausbildung IMMER<br />
am Anfang nur kostet<br />
und warum die Akademie (am besten<br />
viel) Gewinn erwirtschaften muss. Jajaja, internationale<br />
Finanzrechtsprechung. Also machen wir weiter so: Wir<br />
an der AK bilden aus, stellen dann den NL, dem GB Center<br />
und TWR Rechnungen aus, die sie uns begleichen,<br />
damit werden unsere Gehälter etc bezahlt, wir führen<br />
unsere Gewinne, sofern vorhanden, an die Firma ab,<br />
die sie an die Geschäftsbereiche weiterreicht , damit<br />
sie uns wieder bezahlen können. Womit zumindest die<br />
Stellen des Finanzcontrollings gesichert sein sollten.<br />
Also doch Lotsenmangel<br />
Im März 2007 dann – Wunder oh Wunder – stellten<br />
dieselben Herrschaften, die die Akademie wohl am<br />
liebsten im Osteuropäischen Ausland angesiedelt<br />
gesehen hätten, fest, dass es an Lotsen mangele und<br />
man ganz dringend welche brauche. Man munkelte<br />
von einem Sofortbedarf von ca. 80 Lotsen in München.<br />
Als dies das erste Mal publik wurde, brachen<br />
dann auch so langsam die Dämme an den anderen NL.<br />
Im Laufe des Jahres 2007 kam noch ein Mehrbedarf an<br />
Lotsen für Karlsruhe und Langen dazu (und: man raunt<br />
in den stillen Ecken der Republik, Bremen traut sich<br />
nur noch nicht). Nicht unerheblich dazu beigetragen<br />
haben könnte auch der Zwischenfall in der NL Langen,<br />
<strong>als</strong> eine RyanAir Maschine auf einen anderen Flughafen<br />
ausweichen musste, da der für den ursprünglichen<br />
Zielflughafen zuständige Sektor auf Grund von Personalmangel<br />
nicht mehr besetzt werden konnte.<br />
Nun ist mit der Feststellung „man hat es ja schon<br />
immer gewusst„ nicht wirklich geholfen. Aber bei aller<br />
Bescheidenheit: Es ist schon ein gewisse Genugtu-<br />
ung, wenn man feststellt,<br />
dass man es nicht selber<br />
ist, der ein Logik- bzw. Planungsproblem hatte,<br />
wie einem dann doch ab und zu unterstellt wurde.<br />
Klar war auch, dass es der Akademie weder 2007 noch<br />
2008 auf Grund der geforderten und bereits umgesetzten<br />
Sparmaßnahmen (vor allem personell) möglich ist,<br />
auch nur ansatzweise den angeforderten Bedarf von<br />
Lotsen zeitnah (<strong>als</strong>o im DFS-Jargon: sofort) zu stillen.<br />
Man einigte sich darauf, ab 2008 die Ausbildungskapazität<br />
wieder auf das mögliche Maximum hoch zu fahren.<br />
Dieses Maximum hängt natürlich primär von zusätzlichem<br />
Personal ab. Nicht nur, dass man wieder mehr<br />
Lehrer braucht in den beiden Bereichen Theorie und<br />
Simulation (vor allem in der Simulation, da die NL nach<br />
wie vor nicht in der Lage sind, die geforderte Anzahl an<br />
Gastlehrern zu schicken), auch SIM-Piloten müssen eingestellt,<br />
und noch viel wichtiger - geschult werden. Seit<br />
November 2007 haben wir 10 SIM-Piloten in der Ausbildung.<br />
Ich kann einfach nicht anders <strong>als</strong> darauf hinzuweisen,<br />
dass dies schon 2006 geplant war, bevor man sieben<br />
Piloten freisetzte! Im Mai diesen Jahres soll der nächste<br />
SIM-Pilotenkurs starten. Dass es nicht, wie gedacht, nur<br />
ca. drei Wochen dauert, die Piloten adäquat zu schulen<br />
sondern eher 6-7 Wochen, ist ein anderes Thema.<br />
Wo sind geeignete Bewerber?<br />
Letztendlich gibt es aber auch noch ein ganz anderes,<br />
nicht zu unterschätzendes, Problem: die Lotsenanwärter<br />
selber. Ob es gelingt, genügend geeignete Bewer-
er für 2008 zu finden, steht noch nicht fest. Die Quote<br />
der Bewerber, die den Auswahltest besteht, ist immer<br />
noch gering. Zu gering momentan, um die ungefähr 60<br />
Center- und 16 TWR Losten dieses Jahr zu liefern. Man<br />
kann schon froh sein, die Hälfte an Lotsenschülern<br />
an die Akademie zu bekommen. Gut, wahrscheinlich<br />
war es auch nicht sehr hilfreich, (ein bisschen) Werbung<br />
für den Beruf im Herbst zu machen, wenn der<br />
normale Abiturient/in schon einen Studien- oder Ausbildungsplatz<br />
hat. Auch dass die Jahre davor Bewerbern/innen<br />
immer wieder klar gemacht wurde, dass<br />
man eigentlich keine braucht und dies auch denjenigen<br />
Abiturienten sagte, die nach ihrem Praktikum an<br />
der Akademie wirklich sehr interessiert waren, mag zu<br />
der geringen Bewerberzahl beigetragen haben. Und<br />
für die nächsten Abiturienten/innen ist es noch etwas<br />
früh, da diese ja erst im Frühjahr fertig werden. Für<br />
einen nicht geringen Teil der möglichen Aspiranten<br />
steht zudem danach noch der Wehrdienst an.<br />
Für 2009 sollen es dann 80 fertige (<strong>als</strong>o ready-for-OJT)<br />
Lotsen für den Center und 16 für den TWR sein. Und die<br />
Zahlen für die Jahre danach sollen sich ähneln (ohne den<br />
eventuellen Mehrbedarf eines möglichen Belastungsausgleiches).<br />
Des weitern werden wie schon erwähnt<br />
zusätzliche Lehrkräfte im Simulationsbereich benötigt,<br />
die Auswahlgespräche laufen noch. Ein Mehrbedarf<br />
von drei bis sieben festen Stellen ist schon festgestellt.<br />
Warum feste Stellen? Genau, weil man der Akademie<br />
nicht genügend Gastlehrer schicken kann.<br />
Tatsache ist ebenso: Es wird auch die nächsten<br />
Jahre nicht ohne alt gediente Kräfte und deren Einsatz<br />
und Enthusiasmus gehen. Wem das nicht passt:<br />
DFS Intern / Technik<br />
Beschwerde bitte an den Personalplanungsbereich<br />
oder die Entscheidungsträger des Bereiches CC, die<br />
diese Personalmisere zu verantworten haben und<br />
nicht an die Akademie. Einen Lotsen kann man sich<br />
eben nicht backen. Es dauert im Schnitt drei Jahre vom<br />
Start an der Akademie bis zur EBG für Centerlotsen.<br />
Die Hoffnung stirbt zuletzt<br />
Was bleibt zum Schluss? Die Hoffnung, die ja bekanntlich<br />
zu letzt stirbt, dass es irgendwann unserer Firma<br />
möglich ist, eine vernünftige Personalplanung im<br />
Lotsenbereich hinzubekommen. Man hat da zwar<br />
so seine Zweifel, denn es ist ja nicht das erste Mal,<br />
dass die DFS in die Personalnotmisere stehenden<br />
Auges schlittert. Ich erinnere den Leser gerne daran,<br />
dass die Akademie schon einmal geschlossen werden<br />
sollte „weil man zu viele Lotsen hatte“. Dam<strong>als</strong>,<br />
1995. Und wie dann ab 1998 jedes Jahr um die 100<br />
– 150 Lotsen am Rande der Ausbildungskapazität und<br />
teilweise darüber (erfolgreich!) ausgebildet wurden.<br />
Man dachte zwar, die Firma hätte daraus gelernt. Aber<br />
offensichtlich war dem wohl nicht so. Das Wort „beratungsresistent“<br />
fällt einem dazu spontan ein.<br />
Ich persönlich freue mich schon auf die Herausforderung<br />
der nächsten Jahre und die Aufgaben, die damit<br />
einhergehen. Wir an der Akademie werden alles Menschenmögliche<br />
tun, um die gewaltige Anzahl an Auszubilden<br />
zu bewältigen und trotzdem den Standard zu<br />
erhalten, der von uns zu Recht gefordert wird. Denn<br />
auch hier gilt, wie überall in der Flugsicherungswelt:<br />
Qualität geht vor Quantität!<br />
Liebe DFS, bitte, bitte beachte das bei allen (Personal-)Entscheidungen.<br />
Qualität hat eben seinen Preis!<br />
Elektronische Flugplandaten Darstellung<br />
und Verarbeitung im Towerbereich<br />
Ein Bericht der AG<br />
Was in den Kontrollzentralen <strong>als</strong> Damoklesschwert, in Form von Im Rahmen der letzten Fachbereichs-<br />
PSS, noch über den Köpfen der Lotsen schwebt , ist im Bereich konferenz haben wir uns mit diesem<br />
Tower schon Realität - genannt TFDPS.<br />
Thema auseinandergesetzt und kamen<br />
zu dem Schluss, dass uns seitenlange<br />
Mängelberichte sowie dieser und jener mehr oder<br />
weniger subjektive Kommentar nicht weiterbringen.<br />
Um diesen unübersichtlichen Wust an Informationen<br />
zu ordnen und gleichzeitig einmal genau zu definieren,<br />
was denn unserer Meinung nach die Anforderungen<br />
an ein solches System sind, beschlossen wir<br />
eine Arbeitsgruppe ins Leben zu rufen.<br />
Kolleginnen und Kollegen von den unterschiedlichsten<br />
Türmen wurden „rekrutiert“ um die verschiedensten<br />
Bedingungen (nur IFR, IFR und VFR gemixt, <strong>als</strong> auch<br />
geringes oder hohes Verkehrsaufkommen ) kompetent<br />
✈ „Heute noch unverzichtbar...“ Photos: DFS<br />
von<br />
Katharina<br />
Tappert<br />
33 der flugleiter 2008/01
von Werner<br />
Fischbach<br />
der flugleiter 2008/01<br />
Accidents<br />
38<br />
Der Effizienz geschuldet –<br />
Unfall trotz dreifacher Redundanz?!<br />
Es hätte eine ganz große Katastrophe werden können, was sich da<br />
am 15. Februar 1979 am International O´Hare Airport von Chicago<br />
ereignete. Glücklicherweise endete es „nur“ mit einer demolierten<br />
B747 im weichen Untergrund neben der Piste – weil die Controller<br />
mal wieder an die Grenze (und darüber hinaus) gegangen waren,<br />
um eine möglichst hohe Zahl von Flügen abzuwickeln.<br />
Das Wetter war nicht das beste an diesem 15. Februar<br />
1979. Am Flughafen O`Hare herrschte Nebel und die<br />
Sichtwerte lagen unter einer Meile. „A typical RVRday“,<br />
meinte einer der Controller. Und die waren<br />
ziemlich beschäftigt. Die Approachcontroller, den<br />
nicht endenden Strom anfliegender Flugzeuge zum<br />
ILS der Pisten 9L und 9R zu führen, ihre Kollegen im<br />
Tower damit, einen möglichst effizienten und sicheren<br />
Verkehrsablauf zwischen ab- und anfliegenden Flugzeugen<br />
sicher zu stellen. Wobei unter effizient zu<br />
verstehen ist, innerhalb eines bestimmten Zeitraums<br />
möglichst viele Flugzeuge abzufertigen. Was man<br />
gewöhnlich mit einer optimalen Nutzung der Flughafenkapazität<br />
zu umschreiben pflegt.<br />
Bekanntlich ist der Job der „Taxi-Controller“ in Chicago<br />
– O´Hare kein einfacher und es soll Kollegen geben,<br />
die diesen <strong>als</strong> nervenaufreibender bezeichnen <strong>als</strong> den<br />
✈ Beim „runway-crossing“ beinahe verunglückt – Delta B727<br />
Photo: Werner Fischbach<br />
des „Local Controllers“. Unter den Flugzeugen,<br />
die sich unter der Kontrolle des<br />
„Taxi-Controllers“ befanden, war auch<br />
eine B727 der Delta Air Lines, die sich<br />
zu ihrem Flug nach Orlando aufmachte.<br />
Im Cockpit des Dreistrahlers hatte auch<br />
ein Controller des Chicago Centers auf<br />
dem Jumpseat Platz genommen. Die B727 rollte auf<br />
der parallel zur Piste 14R/32L verlaufenden Rollbahn<br />
„T“. Gemäß ihrer Freigabe stoppte die Besatzung kurz<br />
vor der Kreuzung mit der Piste 9R und bat den „Taxi-<br />
Controller“, diese überqueren zu dürfen.<br />
Der Unfallhergang<br />
Die Sichtverhältnisse waren, wie bereits ausgeführt,<br />
nicht die besten und die Controller im Tower von<br />
O´Hare konnten die Pisten, Rollbahnen und Vorfelder<br />
nur teilweise einsehen. So konnte der „Taxi-Controller“<br />
eine DC-10, die auf der 9R gelandet war und sich<br />
im „Roll-Out“ befand, nur schemenhaft erkennen.<br />
Aber er hatte ja zusätzliche Hilfsmittel. Zum einen
das BRITE-Radar, auf welchem er den anfliegenden<br />
Verkehr, und das ASDE, mit dem er seine Kunden am<br />
Boden beobachten konnte. Ein Blick auf das BRITE<br />
sagte ihm, dass sich der nächste Anflug, eine L-1011<br />
Tristar, über dem „Outer Marker“ befand. Das ASDE<br />
sagte ihm, dass die DC-10 die Einmündung der Rollbahn<br />
T bereits passiert hatte. Daraufhin erteilte er der<br />
B727 die Freigabe, Piste 9R zu überqueren.<br />
Aufgrund der ihm vorliegenden Verkehrsinformationen<br />
und den dam<strong>als</strong> gültigen Vorschriften war diese<br />
Entscheidung nicht zu kritisieren. Dazu kam die Überlegung,<br />
dass der Staffelungsmindestwert zwischen<br />
zwei Flugzeugen der Gewichtsklasse „heavy“, nämlich<br />
der gelandeten DC-10 und dem nachfolgenden<br />
„Tristar“, vier Meilen betrug. Somit konnte sich kein<br />
weiteres Flugzeug im Anflug befinden. Zumindest<br />
nicht vor dem „Tristar“.<br />
Allerdings war ihm entgangen, dass der Approachcontroller<br />
etwas großzügig mit den vorgeschriebnen<br />
Staffelungsmindestwerten umgegangen war und zwischen<br />
der DC-10 und dem „Tristar“ noch eine B747 der<br />
Frachtfluggesellschaft Flying Tigers gequetscht hatte.<br />
Der Jumbo befand sich deshalb viel zu dicht hinter der<br />
gelandeten DC-10 oder, wie man es auch sehen kann,<br />
viel zu nah vor dem nachfolgenden „Tristar“ und hätte<br />
vom Approachcontroller eigentlich aus der Anflugfolge<br />
genommen oder vom Towercontroller zu einem<br />
„Go Around“ aufgefordert werden sollen.<br />
Doch nichts davon geschah. Vielmehr diskutierte der<br />
Towercontroller mit seinem Kollegen in der Anflugkontrolle<br />
(die sich zumindest zu jener Zeit im Untergeschoss<br />
des Towergebäudes befand), wie dieses<br />
Problem zu lösen sei. Sie kamen zu der Überzeugung,<br />
dass es sich von selbst erledigen würde. Oder wie<br />
Controller sich manchmal ausdrücken: „Geht oder<br />
klappt schon (make it work)“. Eine Haltung, die nach<br />
Aussage des inzwischen pensionierten Chicagoer<br />
Controllers Denny Cunningham alter O´Hare - Tradition<br />
entsprach („in the best O´Hare tradition“).<br />
Irgendwie lagen die beiden auch richtig. Denn <strong>als</strong> die<br />
B747 aufsetzte, hatte die vorher gelandete DC-10 die<br />
Piste bereits verlassen. Allerdings hatten sie nicht<br />
damit gerechnet, dass der „Taxi-Controller“ aufgrund<br />
seiner Informationen und im Einklang mit seinen Vorschriften<br />
der B727 eine Freigabe zum Überqueren der<br />
Piste 9R erteilt hatte. Und deren Besatzung setzte ihre<br />
Boeing im selben Moment in Bewegung <strong>als</strong> der Jumbo<br />
aufsetzte. Dazu kam, dass der Co-Pilot der B727 den<br />
landenden Frachter aus zwei Gründen nicht oder nur<br />
sehr schlecht sehen konnte. Zum einen war die Sicht<br />
wegen des Nebels eingeschränkt; zum anderen war<br />
die Sicht zur Schwelle aufgrund des Kreuzungswinkels<br />
von 50 Grad nicht gerade optimal.<br />
Unmittelbar nach dem Aufsetzen erkannte die Jumbocrew<br />
die kreuzende B727. Da die B747 aufgrund<br />
ihrer Geschwindigkeit zu schnell war, um rechtzeitig<br />
Accidents<br />
anzuhalten und es für einen „Go-Around“ nicht mehr<br />
reichen würde („to fast to stop, to slow to fly“), entschied<br />
sich deren Kapitän für das Nächstliegende. Er<br />
schlug eine scharfe Rechtskurve ein und steuerte den<br />
Jumbo von der Piste ins Gras. Unmittelbar danach versank<br />
das Bugfahrwerk des Jumbos im aufgeweichten<br />
Boden (zum Zeitpunkt des Unfalls herrschte Tauwetter),<br />
das Hauptfahrwerk und Triebwerke auf der rechten<br />
Seite wurden abgerissen. Der Center-Controller im<br />
Cockpit der B727 erwähnte später, dass er die Nieten<br />
des Triebwerks 1 der B747 zählen konnte, <strong>als</strong> dieses<br />
nur wenige Meter vor den Cockpitscheiben vorbeirauschte<br />
und die Tragfläche des Jumbos nur knapp<br />
über das Cockpit wischte. Niemand wurde bei dem<br />
Unfall verletzt.<br />
Unfallursachen und nachfolgende Maßnahmen<br />
So kurios dieser Unfall auch erscheinen mag, so muss<br />
man sich fragen, wie es dazu kommen konnte. Dass<br />
vom Approachcontroller die Mindeststaffelung nicht<br />
eingehalten wurde, steht ebenso außer Zweifel wie<br />
das Versäumnis des Towercontrollers, der 747-Besatzung<br />
einen „Go Around“ anzuweisen. „Inadequate<br />
spacing of aircraft“ und „traffic personnel issued<br />
improper or conflicting instructions“, stellte das NTSB<br />
(National Transport Safety Board) denn auch fest.<br />
Dass die Unfalluntersucher auch der 727-Besatzung<br />
eine Mitschuld gaben („pilot failed to maintain vigil<br />
for landing traffic“), hilft da nicht besonders. Zudem<br />
diese Kritik auch nicht so richtig nachvollziehbar ist.<br />
Welche Rolle spielte der „Taxi-Controller“? Nach den<br />
dam<strong>als</strong> gültigen Vorschriften konnte ihm kein Vorwurf<br />
gemacht werden. Aber weshalb hatte er keine Informationen<br />
über die anfliegende B747 erhalten? Dass<br />
er den Jumbo auf dem ASDE nicht erkennen konnte,<br />
ist klar. Denn schließlich handelt es sich dabei um<br />
ein Boden- oder Rollradar; zum Zeitpunkt, <strong>als</strong> er die<br />
Freigabe zum Überqueren der Piste erteilte, hatte die<br />
B747 die Schwelle noch nicht überflogen und konnte<br />
auf dem ASDE (noch) nicht dargestellt werden. Doch<br />
weshalb konnte der „Taxi-Controller“ den Jumbo nicht<br />
auf dem BRITE erkennen?<br />
Die Radarantenne, welche die Daten für das BRITE<br />
lieferte, befand sich am westlichen Ende des Flughafengeländes.<br />
Untersuchungen ergaben später, dass<br />
Ziele, die sich rund zwei Seemeilen westlich der Piste<br />
9R befanden, nicht dargestellt wurden. Und eben in<br />
diesem „Radarloch“ befand sich die B747, <strong>als</strong> der<br />
„Taxi-Controller“ die Verkehrslage überprüfte! Es ist<br />
erstaunlich: obwohl die Controller über drei unterschiedliche<br />
Systeme verfügten, um einen sicheren<br />
Verkehrsablauf zu garantieren, haben alle drei versagt.<br />
Der Blick nach draußen wurde durch den Nebel<br />
eingeschränkt, das ASDE konnte den anfliegenden<br />
Jumbo noch nicht erfassen und das BRITE war im entscheidenden<br />
Augenblick von Blindheit geschlagen. So<br />
ereignete sich ein Unfall, bei welchem den Controllern<br />
eigentlich drei redundante Systeme zur Verfügung<br />
standen.<br />
39 der flugleiter 2008/01
der flugleiter 2008/01<br />
Accidents<br />
40<br />
Photo: Internet<br />
✈ Beim „runway-crossing“ beinahe verunglückt – Delta B727<br />
Natürlich wurden nach dem Unfall die Vorschriften für<br />
die „Taxi-Controller“ geändert. Wobei natürlich zu fragen<br />
ist, ob die bisherige Vorschrift, nach welcher der<br />
Taxi-Controller Freigaben zum Überqueren der Pisten<br />
allein auf der Grundlage seiner Informationen und<br />
nicht erst nach Zustimmung des „Local Controllers“<br />
erteilen durfte, geeignet war, eine sichere Verkehrsabwicklung<br />
zu gewährleisten. Schließlich ist letzterer<br />
ja für die Verkehrsabwicklung auf der/den Piste/n verantwortlich<br />
und er hat zu entscheiden, wann die Piste<br />
überquert werden darf. Dass der FAA diese Problematik<br />
nicht gesehen hat, kann mit Fug und Recht bestritten<br />
werden. Aber möglicherweise stand hier das Bemühen<br />
um eine möglichst verzögerungsfreie Verkehrsabwicklung<br />
im Vordergrund und nicht die Sicherheit.<br />
Doch nun war das Kind in den Brunnen gefallen und<br />
in einer ersten Reaktion wurde den „Taxi-Controllern“<br />
generell verboten, Freigaben zum Überqueren von<br />
aktiven Pisten („crossing clearances“) zu erteilen.<br />
Das war natürlich aus der Hüfte geschossen und erinnert<br />
irgendwie an die Anweisungen der DFS, die nach<br />
einem Zwischenfall in München die Anwendung von<br />
„Conditional Clearances“ beim „Line-Up“ untersagte.<br />
So zeigte sich sehr schnell, dass die Arbeitsbelastung<br />
der „Local Controller“, die diese „Crossing Clearances“<br />
ja nun zu erteilen hatten, unermesslich hoch wurde.<br />
So wurde diese Anordnung recht bald geändert. „Taxi<br />
Controller“ durften Freigaben zum Überqueren von<br />
Pisten erteilen, wenn die jeweilige Piste geschlossen<br />
war oder wenn das Überqueren einer aktiven Piste mit<br />
dem „Local Controller“ koordiniert und von diesem<br />
genehmigt worden war.<br />
Bleibt zum Schluss noch die wichtige Frage, weshalb<br />
sich die betroffenen Controller ganz bewusst darauf<br />
eingelassen haben, eindeutige Vorschriften ganz<br />
bewusst zu ignorieren. Sie deshalb <strong>als</strong> ungeeignet<br />
abzuqualifizieren oder ihnen mangelndes Sicherheitsbewusstsein<br />
zu unterstellen, geht ganz sicherlich<br />
an den Tatsachen vorbei. Vielmehr darf unterstellt<br />
werden, dass sie sich – auch unter entsprechendem<br />
Druck ihrer Vorgesetzten und den Erwartungen der<br />
Fluggesellschaften und –häfen, verpflichtet sahen,<br />
einer flüssigen und effizienten Verkehrsabwicklung<br />
Vorrang einzuräumen. Dass dabei die Sicherheit unter<br />
die Räder geraten kann, zeigt sich exemplarisch an<br />
diesem Unfall.<br />
Dass sich die Controller von Chicago – O´Hare seit<br />
Jahren ganz besonders unter Druck gesetzt sehen,<br />
bei der Verkehrsabwicklung immer an ihre Grenzen<br />
zu gehen, ist hinlänglich bekannt. Betrachtet man<br />
jedoch die Wachstumsraten im internationalen Luftverkehr,<br />
so muss man feststellen, dass nicht nur die<br />
Controller in den USA, sondern auch in Westeuropa<br />
und natürlich auch in Deutschland den anfallenden<br />
Verkehr nur noch bewältigen können, wenn sie die<br />
einschlägigen Vorschriften bis „ans Limit“ ausreizen.<br />
Sie müssen letztlich mangelnde Flughafenkapazitäten<br />
durch ihren persönlichen Einsatz wettmachen.<br />
Anerkennung erhalten sie dabei lediglich von ihren<br />
Partnern in den Cockpits. Während sich deren Chefs<br />
meist darauf beschränken, bittere Zähren über das in<br />
den Holdings vergeudete Kerosin zu vergießen.<br />
Ach ja – der Center-Controller, der den Unfall im<br />
Cockpit der B727 miterleben musste, war später von<br />
den Künsten seiner Kollegen in O´Hare nicht mehr so<br />
beeindruckt wie er dies vorher gewesen war.
Berlin und seine Flughäfen<br />
Da verkündet die Berliner Flughafengesellschaft (BFG),<br />
nicht ohne Stolz, daß im vergangenen Jahr in Berlin<br />
gut 20 Millionen Fluggäste gezählt wurden. Herzlichen<br />
Glückwunsch! Und wo steckt da das Problem?<br />
Der neue Flughafen BBI in Schönefeld sollte ja eigentlich<br />
2007 fertig sein mit einem Terminal für jährlich 25<br />
Millionen Passagiere und die tatsächlich gezählten 20<br />
Millionen entsprachen genau der Schätzung für dieses<br />
Jahr. Geht man nun davon aus, daß die Grundlagen für<br />
die ursprüngliche Prognose weiterhin stimmen, dann<br />
wird im Jahre der geplanten Eröffnung von BBI (2011)<br />
das Terminal seine Kapazitätsgrenze mit dem Tag der<br />
Inbetriebnahme bereits erreicht haben.<br />
Da fällt dem Laien doch sofort eine Lösung ein: Noch ist<br />
Zeit, wir bauen schlicht ein bisschen größer. Aber, selbst<br />
wenn man die gesamte Planungsbürokratie außer acht<br />
lassen könnte, so einfach geht das nicht und zwar aus<br />
einem ganz simplen Grunde: Keine Knete!<br />
Das Geld ist jetzt schon knapp was dazu geführt hat,<br />
daß die Ausschreibung für das Terminal wiederholt<br />
wird, weil die von der Firma Hochtief geschätzten<br />
Kosten für das Gesamtprojekt alle Vorstellungen der<br />
Bauträger (ich sage mal vereinfacht: Herr Wowereit<br />
und Genossen) erheblich übertroffen hat.<br />
Bei der neuerlichen Ausschreibung soll das Projekt in<br />
einzelne Baulose aufgeteilt werden, verbunden mit<br />
der Hoffnung, auf diese Weise im geplanten Kostenrahmen<br />
zu bleiben; was Fachleute bereits bezweifeln.<br />
Darüberhinaus besteht die Gefahr, daß sich durch<br />
unvorhergesehene Verzögerungen bei diesem Verfahren<br />
der Termin für den Baubeginn des Abschnittes<br />
„Terminal“ nicht halten läßt und damit die Inbetrieb-<br />
Airports<br />
Tatsächlich wäre die einfachste Lösung des Kapazitätsproblems,<br />
das es ja jetzt auch schon in Tegel gibt,<br />
Tempelhof erst einmal für die 50-Tonner offen zu halten<br />
und sich mit einem Beckenbauerschen „Schaun<br />
mer mal“ vorübergehend zurückzulehnen.<br />
Bleibt abschließend zu sagen, daß die notwendigen<br />
170.000 Unterschriften für die Durchführung eines<br />
Volksentscheides zur Rücknahme des Schließungsbeschlusses<br />
für Tempelhof schon deutlich vor Ende der<br />
Frist zusammen kamen. Ein beeindruckender Erfolg für<br />
die Initiatoren und gleichzeitig ein deutlicher Beweis<br />
dafür, daß „die Berliner“ ihren Flugplatz Tempelhof<br />
behalten wollen.<br />
AIRPORTS<br />
Man hat das Gefühl, daß die Berliner Administration in Bezug auf die nahme durchaus erst 2012 erfolgen<br />
Flughäfen der Stadt und deren Zukunft nichts auslässt was – zumindest kann und das wiederum bedeutet, daß<br />
– Verwunderung auslöst. Was ist <strong>als</strong>o jetzt schon wieder passiert? BBI am Tage der Eröffnung bereits zu von<br />
klein ist.<br />
Arthur<br />
Stensitzky<br />
Photo: ICAT<br />
61 der flugleiter 2008/01
der flugleiter 2008/01<br />
Last Call<br />
„der flugleiter“ wird ausgeliefert ab<br />
15.04 / 15.06 / 15.08 / 15.10/ 15.12 15.03 / 15.05 / 15.07 / 15.09 / 15.11<br />
Die Anzeigenschlusstermine finden Sie auf der Homepage www.GdF.de<br />
Impressum<br />
Herausgeber:<br />
Gewerkschaft der Flugsicherung e.V.<br />
Sitz Frankfurt a.M.<br />
Geschäftsstelle:<br />
Am Hauptbahnhof 8<br />
60329 Frankfurt / Main<br />
Tel.: 069-24 40 46 800<br />
Fax: 069-24 40 46 820<br />
e-mail: geschaeftsstelle@gdf.de<br />
Homepage: www.gdf.de<br />
Bankverbindung:<br />
Postbank Dortmund<br />
Blz: 440 100 46<br />
Konto: 7565 17-469<br />
Verantwortlich für den Inhalt:<br />
GdF-Vorstand<br />
Redaktion:<br />
Bernd Bockstahler, M. A.,<br />
(Chefredakteur)<br />
Hans-Joachim Krüger,<br />
(Leiter des Redaktionsteams)<br />
Werner Fischbach (Int. Affairs),<br />
Harry M. Helbig (Airports, Airlines,<br />
„Spotter“), Willi Hermes (Safety, Human<br />
Factor), Roland Plaum (Fotoredaktion),<br />
Daniela Franke (UZ), „Emmi“ Enneper<br />
(„Ehemalige“), Michael Hnida (Technik),<br />
Thorsten Wehe (Technik, BR, TK),<br />
Ralph Reinwarth (Upper Airspace),<br />
78<br />
„Atze“ Stensitzky<br />
(Berlin Airports, Übersetzungen),<br />
Frank Willmeroth (Internet)<br />
Redaktionsassistenz und<br />
Anzeigenverwaltung: Ursula Kromat<br />
Anschrift der Redaktion:<br />
„der flugleiter“<br />
Herzogstr. 41 · 63263 Neu Isenburg<br />
Tel.: 06102 733716<br />
Fax: 06102 733715<br />
e-mail: redaktion@gdf.de<br />
Redaktionsschluss:<br />
Mitarbeiter dieser Ausgabe:<br />
Klaus Berchtold-Nicholls, Marek Kluzniak,<br />
Norbert Meyer, Hans-Joachim Krüger,<br />
Jens Lehmann, Michael Hnida, Uwe Perrey,<br />
"Emmi" Enneper, "Joe", Daniela Franke,<br />
Stephan Heinrich, Katharina Tappert,<br />
Thorsten Wehe, Werner Fischbach, Wilfried<br />
Hermes, Cpt. "Blunt", Michael J. Sniffen,<br />
Katie Fairbank, Steve Creedy, Harald M.<br />
Helbig, Michael Marx, Arthur Stensitzky,<br />
Klaus Wittkamp, Monika Sander.<br />
Bildquellen:<br />
Die Fotografen werden bei den Beiträgen<br />
genannt. Bei Fotos, die im Internet<br />
recherchiert wurden, ist der Urheber leider<br />
nicht immer auffindbar.<br />
Cover: FSG<br />
Layout, Illustration & Prepress:<br />
Litho Art GmbH & Co. Druckvorlagen KG<br />
Friesenheimer Straße 6a<br />
68169 Mannheim<br />
Druck:<br />
Druckerei Läufer GmbH<br />
Friesenheimer Straße 6a<br />
68169 Mannheim<br />
„der flugleiter“ erscheint zweimonatlich,<br />
jeweils im Februar, April, Juni, August,<br />
Oktober und Dezember.<br />
Die mit Namen oder Namenszeichen<br />
veröffentlichten Artikel stellen nicht unbedingt<br />
und in allen Teilen den Standpunkt<br />
der GdF oder der Redaktion dar, sondern die<br />
persönliche Meinung des/der Verfasser.<br />
© für alle Artikel – soweit nicht anders angegeben<br />
– bei GdF „der flugleiter“. Nachdruck –<br />
nach vorheriger Absprache mit dem Herausgeber<br />
– gestattet. Belegexemplar erbeten.<br />
ISSN 0015