20220609_i-Presse
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JUNI 2022<br />
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INHALT<br />
Wirtschaft im Umbruch<br />
04 Die Kunst, Wissen zu schaffen: Die Verwendung externen<br />
Wissens und die Nutzbarmachung internen Know-hows.<br />
10 Implizites Wissen: Vom Können im Kopf zum Wissen im<br />
Unternehmen; Management eines Transfers.<br />
18 Dokumentenmanagementsysteme: Wie sich Wissen<br />
entlang des Dokumentenlebenszyklus generieren lässt.<br />
26 Künstliche Intelligenz. Wie KI Daten verknüpft und dabei<br />
hilft, aus Datenfriedhöfen Wissensfelder zu machen.<br />
Unternehmen im Wandel<br />
34 Die Österreichische Nationalbibliothek: Blick hinter die<br />
Kulissen eines virtuellen Raums in der digitalen Welt.<br />
42 Chief Digital Officer: Wer darüber in leitender Funktion<br />
wacht, dass im Unternehmen kein Wissen verloren geht.<br />
48 Wissen, made in Austria: Heimische Start-ups und Softwareschmieden<br />
im Bereich des Wissensmanagements.<br />
Haben Sie sich schon einmal die Frage<br />
gestellt, was Sie alles wissen? Was persönlich<br />
ein wenig philosophisch klingen mag,<br />
kann für Unternehmen erfolgskritisch sein.<br />
Denn durch den Wechsel von der Industriezur<br />
Informations- und Wissensgesellschaft<br />
hat die Bedeutung von Wissen eine neue<br />
Dimension erreicht. Wissensmanagement<br />
ist heute durch die enorme Datenflut und<br />
die sich ständig im Wandel befindliche Welt<br />
zur hochkomplexen Aufgabe geworden.<br />
Wissen gilt als eine essenzielle Währung.<br />
Allein: Viel gespeichertes Wissen stellt<br />
noch keine ausreichende Hilfestellung dar.<br />
Um von den Daten profitieren zu können,<br />
muss zuerst das erfolgskritische Wissen<br />
identifiziert werden und danach rasch und<br />
einfach abrufbar sein. Dafür stehen vielfältige<br />
digitale Lösungen und Tools zur<br />
Verfügung, die wir in dieser Ausgabe der<br />
i-presse unter die Lupe genommen haben.<br />
Wir haben uns auch angeschaut, ob es<br />
technologische Methoden gibt, um implizites<br />
Wissen, das ja auf Handeln und Erfahrung<br />
beruht und normalerweise durch<br />
Interaktion weitergegeben wird, digital<br />
gesichert und transferiert werden kann.<br />
Und natürlich finden Sie praktische Umsetzungsbeispiele<br />
aus der Unternehmenswelt.<br />
Viel Vergnügen beim Lesen!<br />
54 Medizin digital: Mit enormen Datenmengen und der Hilfe<br />
von KI auf dem Weg zur Präzisionsmedizin.<br />
Digitale Zukunft<br />
GettyImages_eoneren; Portrai Editorial: Nathan Murrell<br />
60 Interview Sandra Becker: Renaissance des Wissensmanagements<br />
im Zeitalter der Wissensökonomie.<br />
64 Natural Language Processing: Nachfrage nach dem<br />
gesprochenen Wort, Sprache als Schlüssel zum Wissen.<br />
EVA KOMAREK<br />
Chefredakteurin<br />
Medieninhaber, Herausgeber und Redaktion: „Die <strong>Presse</strong>“ Verlags-Gesellschaft m.b.H. & Co KG, 1030 Wien, Hainburger Straße 33, FN 218199g/Handelsgericht Wien, ATU 54093001, Komplementär:<br />
„Die <strong>Presse</strong>“ Verlags-Gesellschaft m.b.H., FN 216077k/Handelsgericht Wien, Tel.: +43/(0)1/514 14-0, Geschäftsführung: Mag. Herwig Langanger, Rainer Nowak, Herausgeber: Rainer<br />
Nowak, Chefredaktion: Eva Komarek, Art Direction: Matthias Eberhart, Grafik: Peter Jaunig, Thomas Kiener, Bildbearbeitung: Christian Stutzig, Fotoredaktion: Alexandra Eizinger,<br />
Produktion: Stephan Flisnik Hersteller: Druck Styria GmbH & Co KG, Herstellungsort: St. Pölten, Anzeigen: Tel.: +43/(0)1/514 14-535, E-Mail: anzeigenleitung@diepresse.com<br />
3
WIRTSCHAFT IM UMBRUCH<br />
Die<br />
Kunst,<br />
Wissen zu<br />
schaffen<br />
Wenn Unternehmen es verstehen, sich Wissen von außen<br />
zunutze zu machen und jenes ihrer Mitarbeiter<br />
freizusetzen, sind große Sprünge möglich.<br />
von Fabian Graber<br />
mysugar_ Susanne Einzenberger<br />
4
WIRTSCHAFT IM UMBRUCH<br />
Christian Hattinger, Head of<br />
Digital Agility Center bei Roche<br />
Diabetes Care.<br />
Es begann mit einer Brotbackmaschine.<br />
Im Jahr 1985 kämpften Mitarbeiter des<br />
japanischen Haushaltsgeräte-Herstellers<br />
Matsushita Electric Company in Osaka<br />
damit, dass ihre Neuentwicklung die<br />
Kruste zu knusprig machte, während das<br />
Brotinnere noch roh blieb. Sie ließen<br />
professionelle Bäcker nach einer Lösung<br />
suchen und fertigten sogar Röntgenaufnahmen<br />
an. Doch man kam dem Problem<br />
einfach nicht auf die Schliche. Dann<br />
hatte die Softwareentwicklerin Ikuko<br />
Tanaka eine Idee: Ein Hotel war bekannt<br />
für das beste Brot in der ganzen Stadt.<br />
Also schaute sie dem dortigen Chefbäcker<br />
für mehrere Monate über die<br />
Schulter und erkannte eine besondere<br />
Technik beim Kneten – die sie dann mit<br />
den Matsushita-Ingenieuren in das<br />
Design der Brotmaschine einfließen ließ.<br />
Der Trick funktionierte und das neue<br />
Gerät verkaufte sich wie warme<br />
Semmeln. Matsushita heißt heute<br />
Panasonic und gehört zu den japanischen<br />
Unternehmen, die in den 1970erund<br />
1980er-Jahren für einen enormen<br />
Innovationsschub sorgten und Branchen<br />
wie die Autoindustrie und Unterhaltungselektronik<br />
auf den Kopf stellten.<br />
Die Konkurrenz wurde nicht nur von<br />
den neuen Produktionsmethoden und<br />
der knallharten Effizienz überrumpelt,<br />
sondern auch von der Kreativität, mit<br />
der die Unternehmen auf neue Ideen<br />
kamen und Probleme lösten. Kurz: Wie<br />
sie sich das Wissen innerhalb der Firma<br />
und in der Außenwelt zu Nutzen<br />
machten. Tanakas Ansatz beim<br />
Teigkneten machte Schule – und in diese<br />
Zeit fällt auch die Geburtsstunde des<br />
modernen Wissensmanagements.<br />
Von Krisen geprägt. „In einer<br />
Wirtschaft, in der die einzige Gewissheit<br />
die Ungewissheit ist, ist Wissen die<br />
einzige sichere Quelle für einen dauerhaften<br />
Wettbewerbsvorteil“, schrieb der<br />
japanische Universitätsprofessor Ikujiro<br />
Nonaka in einem Aufsatz für „Harvard<br />
Business Review“. Gemeinsam mit<br />
Hirotaka Takeuchi veröffentlichte er im<br />
Jahr 1995 das Buch „Das Wissen schaffende<br />
Unternehmen“ und identifizierte<br />
einen entscheidenden Erfolgsfaktor,<br />
nämlich dass sich japanische Firmen<br />
unter widrigen Umständen – Weltkriegswirren,<br />
Kriege in Korea und Vietnam,<br />
Wirtschaftskrisen – nach oben kämpfen<br />
mussten und dabei sehr stark auf das<br />
bereits vorhandene Wissen in ihrer<br />
Umgebung zurückgriffen. Aber mehr<br />
noch: Sie verstanden es, dieses Wissen<br />
innerhalb des Unternehmens zu teilen<br />
und daraus Neuerungen zu entwickeln.<br />
Die Autoren unterscheiden dabei<br />
zwischen zwei Arten von Wissen: explizites<br />
Wissen, das leicht greifbar und klar<br />
kommunizierbar ist, also etwa die Spezifikationen<br />
einer Brotbackmaschine.<br />
Wichtiger aber ist das implizite Wissen<br />
von Menschen, wie eben die spezielle<br />
Knettechnik des Bäckers, das stets sehr<br />
persönliche Züge hat und oft versteckt<br />
ist. „Das persönliche Wissen anderen zur<br />
Verfügung zu stellen, ist die zentrale<br />
Tätigkeit des Wissen schaffenden Unter-<br />
nehmens. Das findet kontinuierlich und<br />
auf allen Ebenen der Organisation statt“,<br />
so Nonaka in dem Aufsatz.<br />
Seit dem Aufstieg der japanischen<br />
Technologiekonzerne hat der Innovationsdruck<br />
nicht nachgelassen, der technologische<br />
Wandel ist rasant und Unternehmen<br />
sind mehr denn je gefordert,<br />
kreative Lösungen für komplexe Probleme<br />
zu finden. Und auch die Ungewissheit<br />
ist wieder groß, in Zeiten der Coronavirus-Pandemie<br />
und des Krieges in<br />
Europa. Kein Wunder also, dass Wissensmanagement<br />
bei Unternehmen eine<br />
Renaissance erlebt (siehe Interview<br />
Seite 10) und alle Register gezogen werden,<br />
um dem starken wirtschaftlichen<br />
Druck standzuhalten.<br />
Wissen im Mittelpunkt. Gerade aufstrebende<br />
Unternehmen und deren Investoren<br />
setzen von Anfang an auf Prinzipien,<br />
auf die modernes Wissensmanagement<br />
aufbaut: Kooperation, Offenheit,<br />
flache Hierarchien. Ein Beispiel dafür ist<br />
das in Wien ansässige Gesundheitstechnik-Unternehmen<br />
mySugr, das 2012<br />
gegründet wurde und seit 2017 zum<br />
Pharmakonzern Roche gehört. Es ist auf<br />
Diabetes spezialisiert und bietet<br />
Menschen mit Diabetes etwa eine App<br />
und Beratung an, um den Alltag mit der<br />
Erkrankung zu erleichtern. Schon<br />
aufgrund der Produkte spielt explizites<br />
Wissen eine große Rolle für das Unternehmen,<br />
weil der Umgang mit Diabetes<br />
sehr viel Wissen und daher Daten erfordert<br />
und laufend Studien durchgeführt<br />
werden, sagt Christian Hattinger, Global<br />
Head of Digital Agility Center bei Roche<br />
Diabetes Care. In vielen Bereichen sei<br />
das Management von Wissen im Unternehmen<br />
durch regulatorische Standards<br />
getrieben, weil es bei Medizinprodukten<br />
klare Richtlinien in Bezug auf unter<br />
anderem Transparenz und Nachvollziehbarkeit<br />
gebe, so der Manager.<br />
Auch in Bezug auf den Datenschutz habe<br />
sich in den letzten Jahren viel getan und<br />
besonders die EU-Verordnung dazu hätte<br />
großen Einfluss auf das Handeln des<br />
Unternehmens im Alltag, so Hattinger.<br />
„Man darf nach Zustimmung bei der<br />
Registrierung nur die Infos verwenden,<br />
die man für die Produktentwicklung<br />
braucht. Für alles andere muss man<br />
weitere explizite Zustimmungen der<br />
Nutzer einholen“, sagt der Manager. Das<br />
5
WIRTSCHAFT IM UMBRUCH<br />
ERFAHRUNG ALS WESENTLICHE WISSENSQUELLE<br />
persönliche Erfahrung / Arbeitserfahrung Berufsausbildung Bildung<br />
Woher kommt Ihr arbeitsplatzbezogenes Wissen?<br />
51 25 24<br />
Wie wichtig sind diese Quellen für Ihre tägliche Arbeit?<br />
sei gerade für mySugr ausschlaggebend,<br />
weil man stark auf den Kontakt mit den<br />
Nutzern setze und die Daten der<br />
Community einen wichtigen Beitrag zur<br />
Entwicklung und Anpassung von<br />
Produkten leiste.<br />
Interaktion ermöglichen. Großer Wert<br />
wird bei mySugr auf das Wissen der<br />
Mitarbeiter und den offenen Austausch<br />
gelegt, der eben die impliziten und<br />
nicht so leicht greifbaren Erkenntnisse<br />
an die Oberfläche befördern kann. Stellvertretend<br />
für diesen Zugang ist ein<br />
wöchentliches sogenanntes „Show &<br />
Tell“ – ein Gesprächsformat, bei dem<br />
das gesamte Unternehmen zusammenkommt<br />
und Mitarbeiter und Teams<br />
Updates und Erfahrungen teilen. „Jede<br />
und jeder hat die Bühne. Der Ablauf ist<br />
sehr informell und es geht darum,<br />
sichtbar zu machen, was in der Firma<br />
los ist. Diese Form der Transparenz ist<br />
uns sehr wichtig“, so Hattinger. Die<br />
Meetings werden zwar aufgezeichnet –<br />
und werden seit dem Beginn der<br />
Coronapandemie virtuell abgehalten –<br />
aber nicht aufbereitet, schließlich gehe<br />
es vor allem um den Austausch. „Wir<br />
haben das von Anfang an gelebt, das<br />
Show & Tell gab es bereits, als wir zehn<br />
Leute waren. Seither gab es auch schon<br />
auch mal ein Streitgespräch vor allen,<br />
mittlerweile mehr als 150 Teilnehmenden.<br />
Es geht darum, die Angst zu<br />
verlieren und seine Meinung zu sagen.“<br />
Eine weitere Säule, die das Teilen von<br />
Wissen und das Arbeiten im Allgemeinen<br />
möglichst frei gestalten soll, ist<br />
die Struktur bei mySugr – die auf<br />
54 24 22<br />
Welche dieser Quellen ist in einer Organisation am schwierigsten aufzubauen und zu ersetzen?<br />
Quelle: panopto.com / Umfrage unter Arbeitnehmern in den USA<br />
81 11 8<br />
sogenannten „agilen Teams“ aufbaut.<br />
Das sind autonome Einheiten von bis<br />
zu neun Mitarbeitern, innerhalb derer<br />
es große Kollaboration und Transparenz<br />
gibt und für alle Entscheidungen<br />
das Vier-Augen-Prinzip herrscht. Die<br />
Resultate des Teams stehen über individueller<br />
Leistung, so Hattinger. „Alle im<br />
Unternehmen sind Spezialisten –<br />
sogenannte Wissensarbeiter. Die<br />
Aufgabe der Manager ist es nicht<br />
vorzugeben, wie Mitarbeiter ihre Arbeit<br />
machen müssen. Vielmehr geht es<br />
darum, die Mitarbeiter in ihrer<br />
Entwicklung zu fördern und eine<br />
Sicherheit herzustellen, sodass man<br />
Probleme anspricht und herausfinden<br />
kann, wie man an die richtigen Informationen<br />
herankommt.“ Dabei sei es<br />
sehr wichtig, kontinuierlich Feedback<br />
zu geben und diesen Prozess zu<br />
trainieren, sagt der Leiter der Agile-<br />
Coaches bei mySugr.<br />
EINZIGARTIGKEIT DES<br />
WISSENS VON MITARBEITERN<br />
Standardwissen<br />
einzigartiges Wissen<br />
58 % 42<br />
Angaben in %<br />
Grenzen des Home-Office. Auch dieser<br />
Ansatz ist mit großen Herausforderungen<br />
verbunden und laut Hattinger<br />
sind diese durch die Coronapandemie<br />
nicht kleiner geworden. „Wir haben<br />
international mehrere Standorte mit<br />
verschiedenen Zeitzonen und Kulturen.<br />
Durch das virtuelle Arbeiten funktionieren<br />
manche Meeting-Formate nicht<br />
mehr so gut, weil die Barriere größer<br />
ist, auf andere Leute im Unternehmen<br />
zuzugehen und sie etwas zu fragen. Im<br />
Büro ist das einfacher. Wir verändern<br />
unser Büro ständig und wollen es<br />
attraktiv halten, damit man gern<br />
hingeht. Wir passen Meeting-Formate<br />
an, damit wir der veränderten Situation<br />
gerecht werden“, so Hattinger.<br />
Natürlich spielt auch Software eine<br />
große Rolle für das Wissensmanagement<br />
und die Produktentwicklung bei<br />
mySugr. Entscheidungen werden zum<br />
Beispiel in einem Wiki über ein<br />
Programm namens Confluence<br />
dokumentiert, Google Drive dient für<br />
die Ablage von Dokumenten und<br />
Programmierer arbeiten auf der kollaborativen<br />
Coding-Plattform GitHub.<br />
Beim Einsatz von Software gebe es aber<br />
eine goldene Regel: „Nie mehr als fünf<br />
Tools in der Firma haben, mit denen 80<br />
Prozent des Wissens und der Prozesse<br />
abgedeckt werden können.“<br />
Mehr Zeit für Ärzte. Wie der technologische<br />
Fortschritt und gerade neue<br />
Software den Umgang mit Wissen<br />
innerhalb von Organisationen beeinflusst,<br />
zeigt sich in einer anderen Ecke<br />
des Gesundheitsbereichs. Der Venture-<br />
Capital-Fonds Calm/Storm mit Sitz in<br />
Wien, der sich auf Investments im<br />
Gesundheitswesen spezialisiert, hat<br />
etwa vor Kurzem ein Start-up mitfinanziert,<br />
das Ärzte bei Patientengesprächen<br />
unterstützt und durch den Einsatz von<br />
Software mit künstlicher Intelligenz<br />
(KI) automatisch eine Anamnese<br />
vorschlägt. Die Dokumentation sei nach<br />
wie vor ein großes Problem in der<br />
Medizin und liege noch immer weitgehend<br />
in den Händen der Ärzte, die etwa<br />
44 Prozent ihrer Arbeitszeit damit<br />
verbringen, heißt es auf der Webseite<br />
von Calm/Storm. Das Start-up – dessen<br />
Name noch unter Verschluss ist – stelle<br />
6
WIRTSCHAFT IM UMBRUCH<br />
WELTWEIT ERZEUGTES UND KOPIERTES DATENVOLUMEN<br />
in Zettabyte, gerundet<br />
181<br />
SPEICHERKAPAZITÄT<br />
weltweit, in Zettabyte<br />
16<br />
147<br />
14<br />
120<br />
97<br />
12<br />
79<br />
10<br />
64<br />
8<br />
41<br />
33<br />
26<br />
13<br />
16 18<br />
2 5 7 9<br />
2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2022 2023 2024<br />
Quelle: International Data Corporation; 1 Zettabyte = 10 21 Byte = 1 Mrd. TeraByte<br />
Prognose<br />
2025<br />
6<br />
4<br />
2020 2021 2022 2023 2024<br />
Prognose<br />
2025<br />
„Schon aufgrund<br />
der Produkte spielt<br />
explizites Wissen<br />
eine große Rolle für<br />
das Unternehmen,<br />
weil der Umgang<br />
mit Diabetes sehr<br />
viel Wissen und daher<br />
Daten erfordert<br />
und laufend Studien<br />
durchgeführt werden.“<br />
CHRISTIAN<br />
HATTINGER<br />
Global Head of Digital Agility Center,<br />
Roche Diabetes Care.<br />
eine KI-gestützte Softwarelösung zur<br />
Verfügung, die die Kommunikation<br />
zwischen Arzt und Patient zusammenfasst<br />
und strukturiert. „Bei den Daten<br />
im Gesundheitsbereich wird noch sehr<br />
viel handschriftlich gemacht, das wird<br />
jetzt zunehmend digitalisiert und in<br />
diesem Schritt sind die Schriftsätze an<br />
der Reihe“, sagt Calm/Storm-<br />
Mitgründer und Managing Partner<br />
Lucanus Polagnoli. Bei der Digitalisierung<br />
von Daten und Wissen sei noch<br />
viel möglich im Gesundheitsbereich,<br />
wenngleich es noch viel Skepsis gebe,<br />
so Polagnoli. „Der Computer kann viele<br />
Erkenntnisse liefern, auf die wir noch<br />
nicht gekommen sind. Man muss sich<br />
fragen, welche Zugänge wir zu Daten<br />
haben und wie sie sich zusammenfügen<br />
lassen. Da gibt es viel Wissen bei Versicherungen,<br />
bei Ärzten und in den<br />
Krankenhäusern. Gesundheit hat eine<br />
große ökonomische Komponente und<br />
da ließe sich viel Wert schaffen, wenn<br />
man die Daten und das Wissen<br />
verknüpfen würde.“ Auch innerhalb des<br />
Unternehmens kommen bei Calm/<br />
Storm zunehmend digitale Tools zum<br />
Einsatz, um angesichts der Flut an<br />
Informationen und Wissen, die tagtäglich<br />
auf die Investoren einprasselt, den<br />
Überblick zu behalten. Man bekomme<br />
jedes Jahr Tausende Anfragen von Startups,<br />
die auf der Suche nach Investoren<br />
sind, und auch das eigene Portfolio<br />
steige kontinuierlich an – und damit der<br />
administrative Aufwand. „Unser System<br />
greift jedes E-Mail auf, speichert jede<br />
Interaktion, erinnert uns an Termine.<br />
Die Software kann bereits eingreifen –<br />
aber nur, wenn wir ihr auch die<br />
richtigen Daten zum Arbeiten geben.<br />
Die Beste Datenbank scheitert am<br />
mangelhaften Input der Menschen. Ich<br />
glaube, hier kann KI bald mehr helfen,<br />
insbesondere wenn sie durch ‚Zuhören‘<br />
Einträge vorschlägt und nicht darauf<br />
angewiesen ist, dass Menschen selbst<br />
sorgfältig alles eintragen“, so Polagnoli.<br />
Der unternehmerische Faktor. Dass<br />
Wissensmanagement gerade bei Startups<br />
und in der innovationsgetriebenen<br />
Risikokapital-Branche so im Fokus<br />
steht, ist kein Zufall. Bereits der japanische<br />
Autor Nonaka hat dem unternehmerischen<br />
Denken in seiner Abhandlung<br />
über wissensschaffende Firmen als<br />
Schlüsselfaktor identifiziert: „Die Erfindung<br />
neuen Wissens ist keine spezialisierte<br />
Tätigkeit. Es ist eine Verhaltensweise,<br />
ja eine Daseinsform, in der jeder<br />
ein Wissensarbeiter und demnach ein<br />
Unternehmer ist.“ Ob man nun eine<br />
Volkskrankheit wie Diabetes bekämpft<br />
oder nur kleinere Brötchen bäckt.<br />
7
WIRTSCHAFT IM UMBRUCH<br />
Mehr vom Selben bringt<br />
nichts Neues<br />
Neues Wissen entsteht dann, wenn Gegensätze aufeinandertreffen, sagt<br />
Alexander Kaiser, Leiter des Bereichs Knowledge Management an der WU Wien.<br />
von Fabian Graber<br />
Herr Professor Kaiser, was ist Wissen eigentlich?<br />
Alexander Kaiser: Es gibt viele Definitionen. Ich verwende<br />
eine, die schon aus den 1960er-Jahren stammt, aber immer noch<br />
gültig ist. Demnach wird Wissen als „capacity to act“, also als<br />
Handlungsfähigkeit definiert. Erst durch Wissen ist ein Mensch<br />
oder eine Organisation in der Lage, zu handeln. Das ist für mich<br />
faszinierend und stimmig. Es geht nicht um besseres Wissen,<br />
sondern um passenderes Wissen, mit dem wir bessere<br />
Entscheidungen treffen können. Dieses Dreieck zwischen<br />
Lernen, Wissen und Entscheiden definiert das Wissensmanagement.<br />
Durch Entscheidungen und Erfahrungen wird wieder<br />
neues Wissen generiert, das ist der Kreislauf.<br />
Wie kann man Wissen von Daten abgrenzen?<br />
Das wird sehr oft vermischt, obwohl es einen großen Unterschied<br />
zwischen Daten, Informationen und Wissen gibt. Wenn<br />
wir über Wissensmanagement sprechen, dann sollte man sich<br />
bewusst sein, dass Datenverarbeitung, Big-Data-Analyse und<br />
Informationsverarbeitung total wichtig sind. Das<br />
Wissensmanagement baut auf Daten und Informationen<br />
auf. Nicht aus jedem Datensatz<br />
entsteht automatisch auch Wissen – es hat einen<br />
starken kontextuellen und subjektiven Bezug.<br />
Wie entsteht Wissen?<br />
Einerseits entsteht Wissen durch Lernen. Ein<br />
tiefergehender Ansatz wäre es, zu sagen: Neues<br />
Wissen entsteht, wenn man Gegensätze bewusst<br />
aneinanderfügt. Desto besser konträre Positionen<br />
miteinander ins Gespräch kommen und dabei<br />
begleitet und moderiert werden, umso wertvoller<br />
ist das neue Wissen, das dabei entsteht. Erst wenn<br />
sich aus der These und der Antithese eine<br />
Synthese ergibt, entsteht etwas Neues. Mehr vom<br />
Selben bringt nichts Neues. Das sollte in der<br />
Unternehmenskultur und der Zusammensetzung<br />
von Teams verankert sein, nämlich schon konträre<br />
Persönlichkeiten miteinander agieren zu lassen.<br />
Wir lernen natürlich aus der Vergangenheit. Aber<br />
beim Wissensmanagement geht es auch darum,<br />
aus der Zukunft zu lernen. Indem ich mich in die<br />
Zukunft hineinversetze und über diese imaginativen<br />
Szenarien Erkenntnisse für die Gegenwart<br />
erhalte. Das hat nichts mit Esoterik zu tun, das<br />
Alexander<br />
Kaiser<br />
Alexander Kaiser leitet die<br />
Abteilung für Wissensmanagement<br />
an der Wirtschaftsuniversität<br />
Wien<br />
und ist stellvertretender<br />
Leiter des Instituts für<br />
Data, Process and Knowledge<br />
Management. Er hat<br />
Betriebsinformatik an der<br />
Universität Wien studiert, ist<br />
zertifizierter systemischer<br />
Coach und der CEO von<br />
WaVe – Zentrum für Wachstum<br />
und Veränderung.<br />
basiert auf neurowissenschaftlicher Forschung. Peter Drucker<br />
[der Managementexperte, Anm.] hatte schon vor 60 Jahren<br />
sinngemäß gesagt: Wir können die Zukunft nicht vorhersehen,<br />
aber wir können sie gestalten. Das ist eine ganz neue und<br />
wichtige Facette des Wissensmanagements.<br />
Welche Rolle spielt Technologie beim Wissensmanagement?<br />
Technologie hat aus meiner Sicht eine unterstützende, aber keine<br />
ursächliche Rolle. Wissen entsteht nicht durch Technologie,<br />
sondern durch den Menschen und die Organisation. Es besteht<br />
immer aus implizitem und explizitem Wissen. Die Technologie<br />
ist gut für den expliziten Teil. Aber das Problem ist: Wir können<br />
nicht davon ausgehen, dass man nur mit dem Expliziten arbeitet.<br />
Um das implizite Wissen nutzbar zu machen, braucht es den<br />
Menschen. Dazu braucht es Kultur und da ist die Technologie<br />
allein nicht sinnvoll anwendbar. Algorithmen sind zwar<br />
großartig, dienen letztendlich aber vorrangig der Verarbeitung<br />
von Daten. Und das ist wieder das Explizite. Man kann sich eine<br />
wichtige Funktion von Wissensmanagement wie<br />
eine Pumpe vorstellen, die das Implizite sukzessive<br />
an die Oberfläche befördert.<br />
Ist das eine gute Nachricht für die Menschen, dass<br />
wir neben der Technologie weiter Bedeutung haben<br />
werden?<br />
Manche haben ja Angst, dass die künstliche<br />
Intelligenz den Menschen ersetzt. Sie ist ein guter<br />
Verbündeter, aber der Mensch bleibt immer noch<br />
am Schalthebel. Weil dieser große Teil des impliziten<br />
Wissens enorm wichtig ist. Wir können viel<br />
aus dem asiatischen Raum lernen. Da geht es stark<br />
darum, die drei Bereiche Kopf, Bauch und Herz zu<br />
verbinden. Der Kopf hält das Explizite und die<br />
Ratio. Der Bauch ist das, was man landläufig unter<br />
Intuition versteht. Wenn ich mit Managern rede,<br />
wird mir oft gesagt: Die wichtigsten Entscheidungen<br />
des Lebens haben sie nicht auf Basis der expliziten<br />
Dinge getroffen, sondern wegen eines Bauchgefühls.<br />
Das ist eine neue und wichtige Ressource<br />
im Wissensmanagement, Menschen und Organisationen<br />
zu unterstützen, das Wissen von beiden<br />
Quellen – Kopf und Bauch – zu nutzen. Das ist<br />
nicht so leicht und braucht gute Methoden. Wir<br />
haben dazu passende Werkzeuge entwickelt.<br />
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10<br />
WIRTSCHAFT IM UMBRUCH
WIRTSCHAFT IM UMBRUCH<br />
Vom Können im<br />
Kopf zum Wissen im<br />
Unternehmen<br />
Implizites Wissen gilt in Organisationen als wertvoller<br />
Schatz. Um ihn zu heben, müssen subjektive<br />
Erfahrungen Einzelner zu Gruppenwissen mutieren.<br />
von Christian Lenoble<br />
GettyImages_iMrSquid<br />
D<br />
ihren<br />
ie Welt des Internets scheint alle Informationen<br />
zur Verfügung zu stellen, die<br />
denkbar sind. Es gibt wohl kein Thema<br />
mehr, das nicht bis ins letzte Detail<br />
bereits durchleuchtet und auf einem<br />
digitalen Kanal publik gemacht wurde.<br />
Dass das Netz dennoch nicht „allwissend“<br />
ist, liegt an der Problematik der<br />
Weitergabe von Erfahrungswissen.<br />
Denn während Fachwissen sich in<br />
schriftlicher und bildlicher Form bestens<br />
übersetzen lässt, sind Erfahrung<br />
und Bauchgefühl nicht ganz so einfach<br />
vermittelbar. Von Bedeutung ist diese<br />
Problematik insbesondere innerhalb<br />
von Unternehmen, wenn es darum<br />
geht, für einen direkten Wissenstransfer<br />
bei Positionswechsel, Altersausstieg,<br />
Fluktuation oder Organisationsänderung<br />
zu sorgen.<br />
„Das Wissen und Können einer Person<br />
oder Organisation, was sich aus deren<br />
Erfahrungen, Erinnerungen und aus<br />
Überzeugungen generiert und ihr<br />
individuelles Können abbildet, ist im<br />
Internet nicht zu finden – es steckt im<br />
Kopf des Menschen“, sagt Silvia<br />
Schorta, Mitglied der Gesellschaft für<br />
Wissensmanagement (GfWM). Das<br />
sogenannte implizite Wissen zu erfassen<br />
und zu dokumentieren, stelle eine<br />
besondere Herausforderung an das<br />
Wissensmanagement dar. „Einerseits<br />
bedarf es spezieller Methoden, um diesen<br />
Erfahrungsschatz zu heben und<br />
sichtbar zu machen. Andererseits spielen<br />
die persönlichen Einstellungen des<br />
Wissensträgers und seine Bereitschaft<br />
zur Wissensweitergabe eine tragende<br />
Rolle“, erklärt Schorta, die Unternehmen<br />
in der digitalen Transformation<br />
und der Wissensarbeit unterstützt,<br />
Wissenstransfers coacht und Kulturveränderungen<br />
begleitet.<br />
Wissen via Video. Zur Er- und Vermittlung<br />
impliziten Wissens bedarf es<br />
laut Experten Kommunikation und Dialog.<br />
Zu den einfachen und zugleich<br />
besonders zielführenden Methoden<br />
zählen Screencasts. Die Rede ist von<br />
Videoaufzeichnung des Bildschirms,<br />
um die Abläufe am PC, Laptop oder<br />
Smartphone wiederzugeben. Mitgeschnitten<br />
bzw. aufgezeichnet wird<br />
dabei jede ausgeführte Aktion. Man<br />
sieht, wo der Mauszeiger hingeht, wo<br />
11
WIRTSCHAFT IM UMBRUCH<br />
etwas eingegeben wird, und zumeist<br />
gibt es eine Audiospur mit begleitenden<br />
Erklärungen.<br />
Zum Einsatz kommen Screencasts<br />
vor allem als Software-Tutorials und<br />
Schulungen, zur Dokumentation und<br />
Lösung technischer Probleme, für die<br />
Präsentation von Projekten, Produkten,<br />
Funktionen und Neuheiten oder<br />
zur Veranschaulichung von Arbeitsprozessen.<br />
Immer beliebter ist auch<br />
deren Verwendung im Bildungsbereich:<br />
„Schüler können in ihrem individuellem<br />
Lerntempo die Erklärvideos<br />
ansehen. Ein Idealfall von selbstgesteuertem<br />
Lernen und schnellem Wissenszuwachs<br />
auf Schülerseite bei<br />
gleichzeitiger Entlastung für Lehrer“,<br />
betont André Kollenberg, Techniklehrer<br />
und Koordinator für die berufliche<br />
Orientierung in Nordrhein-Westfalen.<br />
„Screencasts lassen sich immer wieder<br />
verwenden und bieten Freiraum im<br />
aktuellen Unterrichtsgeschehen. Ein<br />
weiterer immens großer Vorteil ist,<br />
dass sich Screencasts sowohl für den<br />
Präsenz- als auch für den Distanzunterricht<br />
eignen.“<br />
Kompakt und komfortabel. Die<br />
generellen Atouts von Screencasts liegen<br />
auf der Hand: Manche Vorgänge,<br />
die nur schwer in Textform verständlich<br />
erklärbar sind, lassen sich in einem<br />
Video in wenigen Minuten darlegen.<br />
„Der Wissensempfänger erhält einfach,<br />
kompakt und anschaulich Wissen. Veröffentlicht<br />
werden können die Screencasts<br />
im firmeneigenen Intranet und<br />
anderen Speicher- und Ablagemedien<br />
sowie, bei größeren und nicht vertraulichen<br />
Empfängerkreisen, auch über<br />
Video-Publikationsplattformen“, so die<br />
Wissensmanagerin Schorta. Was für<br />
Screencasts spricht, ist zudem der<br />
geringe technische Aufwand. Im<br />
Grunde reicht ein Bildschirm, idealerweise<br />
ein Mikrofon für die Aufzeichnung<br />
der Audiokommentare und eine<br />
der zahlreichen kostenfreien Screencast-Softwares.<br />
Und selbst mit clever<br />
gemachten Web-Apps lässt sich die<br />
Aufgabe schnell und komfortabel erledigen<br />
– am Beispiel von Snipclip, Len-<br />
soo Create, Explain Everything u. a. m.<br />
Notwendig sind dann weder ein Programm<br />
noch die Installation eines Addons<br />
noch eine Nutzerregistrierung. Die<br />
Tools laufen in der Regel plattformunabhängig<br />
direkt im Desktop-Webbrowser,<br />
zeichnen entweder ein Fenster<br />
oder den gesamten Desktop auf,<br />
blenden auf Wunsch ein Webcam-Fenster<br />
ein, nehmen Mikrofonton mit auf<br />
und erlauben das Hinzufügen von<br />
Zeichnungen, PDFs usw.<br />
Das Erzählen von Geschichten. Zu<br />
den bekanntesten Methoden, vor allem<br />
implizites Wissen weiterzugeben, zählt<br />
Storytelling. „Storytelling beruht auf<br />
dem Konzept, dass Menschen den<br />
anschaulich aufbereiteten Inhalt einer<br />
Geschichte leichter annehmen als trockene<br />
Fakten und Zahlen. Die Adressaten<br />
der Geschichte können sowohl<br />
beim Lesen als auch beim Zuhören eine<br />
Geschichte mit eigenen Erfahrungen<br />
1600<br />
öffentliche semantische<br />
Wikis sind<br />
bei Unternehmen<br />
weltweit im Einsatz.<br />
Zu den prominentesten<br />
Nutzern<br />
zählen u. a.<br />
Pfizer, das US<br />
Verteidigungsministerium<br />
oder<br />
die NASA.<br />
vergleichen“, erklärt Dieter Weitz,<br />
Inhaber der Unternehmensberatung<br />
wissensentwicklung.at. Im Bereich von<br />
Unternehmenskommunikation gehe es<br />
im Grundprinzip darum, eine wahre<br />
Begebenheit, die zu einem unerwartet<br />
positiven oder negativen Projektergebnis<br />
geführt hat, in einem mehrstufigen<br />
Prozess zu entwickeln und zu verbreiten.<br />
„Durch diese Technik können der<br />
Wissenstransfer gefördert und Veränderungsprozesse<br />
innerhalb einer Organisation<br />
erleichtert werden“, so Weitz.<br />
Dass das „Geschichtenerzählen“ mit<br />
seiner langen Tradition in den letzten<br />
Jahren eine wahre Renaissance erlebt,<br />
liegt an den Möglichkeiten der Digitalisierung.<br />
Neu ist im digitalen Zeitalter,<br />
dass das Publikum die Story nicht nur<br />
durch Zuhören, Lesen oder Anschauen<br />
konsumiert, sondern als Prosumer<br />
aktiv in die Umsetzung der Geschichte<br />
miteingebunden werden kann, sei es<br />
auf News-Portalen, Streaming-Plattformen<br />
oder in der Virtual Reality.<br />
Story listening. „Generell lässt sich<br />
sagen: Das Wissen einer Organisation<br />
ist – auch über Identität, Sinn und<br />
Werte hinaus – zum großen Teil narrativ<br />
kodiert“, sagt Niels van Hoek, Mitgründer<br />
des Münchner Coaching-Büros<br />
„Start a new story“. Das trifft vor allem<br />
auf das implizite Wissen zu, das von<br />
den Erfahrungen einer Person abhängt<br />
und in ihrem Handeln liegt. „Oft ist<br />
dieses Wissen auch für die Person<br />
selbst eher diffus vorhanden und wird<br />
erst durch das genaue Erzählen<br />
bewusst“, so van Hoek, der zugleich<br />
vor den Gefahren eines einseitig von<br />
oben inszenierten Storytellings warnt:<br />
„Natürlich gibt es auch in einer ,idealen‘<br />
Organisation eine KIuft zwischen<br />
offizieller und inoffizieller Kommunikation.<br />
Wenn Unternehmensleitung<br />
und Marketing aber völlig andere<br />
Geschichten erzählen, als die, die sich<br />
aus dem konkreten Erleben der Stakeholder<br />
speisen, wird es problematisch.“<br />
Dann nämlich würden Glaubwürdigkeit<br />
und Reputation sowie Motivation und<br />
Leistung sinken, und es werde schwer,<br />
Mitarbeitende für Veränderung zu<br />
12
WIRTSCHAFT IM UMBRUCH<br />
gewinnen. Spätestens hier wird laut<br />
dem systemischen Coach und Werbetexter<br />
van Hoek deutlich, warum Storytelling<br />
nur ein Element narrativer<br />
Arbeit in Unternehmen sein sollte:<br />
„Mindestens genauso wichtig ist Storylistening:<br />
das Hören bzw. Wahrnehmen<br />
der Geschichten, die im Unternehmen<br />
und außerhalb davon kursieren und in<br />
denen sich ausdrückt, wie sinnvoll Mitarbeitende<br />
ihre Arbeit und das Unternehmen<br />
finden. Welche Werte sie<br />
leben. Wie sie die Identität des Unternehmens<br />
wahrnehmen. Und welches<br />
Erfahrungswissen sie teilen.“<br />
Aus Erfahrung klug. Dem Prinzip,<br />
dass jeder Fehler ein wertvoller Lehrmeister<br />
sein kann, folgt die Idee der<br />
Lessons Learned. Die vom US-Militär<br />
in den 1970er-Jahren entwickelte<br />
Methodik, die damals Einzelerfahrungen<br />
der Truppenmitglieder für Kameraden<br />
zugänglich machen sollte, wird<br />
mittlerweile bei sämtlichen unternehmensrelevanten<br />
Projekten, Aufgaben<br />
oder Prozessen angewandt. Langfristiger<br />
Wissensaufbau und Weiterentwicklung<br />
sollen durch Erkenntnisse aus<br />
gemachten Erfahrungen generiert werden.<br />
Das erworbene Wissen wird in der<br />
Folge idealerweise so abstrahiert, dass<br />
es sich auf ähnliche Projekte und Prozesse<br />
übertragen lässt.<br />
Lessons-Learned-Workshops finden<br />
in agilen Projekten, bei denen in kurzen<br />
Abständen (Teil-)Ergebnisse geliefert<br />
und schnelle Feedbacks von Stakeholdern<br />
eingeholt werden, nicht bloß<br />
am Ende der Projekte statt. „Regelmäßige<br />
Reviews der Zusammenarbeit im<br />
Team sind bereits in den Prozessen<br />
vorgesehen, beispielsweise als Sprint-<br />
Retrospektiven im Scrum“, erläutert<br />
Alexander Blumenau, Geschäftsführer<br />
der Interactive Teaching and Training<br />
Platform, ittp. Scrum steht für den<br />
weltweit gebräuchlichsten Ansatz zur<br />
Umsetzung agiler Projekte und basiert<br />
auf dem Scrum Guide. Dieser stellt als<br />
Rahmenwerk eine Reihe von Rollen,<br />
Events, Artefakten und Regeln zur Verfügung,<br />
die vom Team mit den eigenen<br />
Methoden ausgestaltet werden können.<br />
Das Wissen einer<br />
Organisation ist –<br />
über Identität, Sinn<br />
und Werte hinaus –<br />
zum großen Teil<br />
narrativ kodiert.<br />
Oft ist dieses<br />
Wissen auch für<br />
die Person selbst<br />
eher diffus vorhanden<br />
und wird erst<br />
durch Erzählen<br />
bewusst.<br />
NIELS VAN HOEK<br />
Mitgründer des Münchner Coaching-<br />
Büros „Start a new story“<br />
„Scrum basiert auf der Theorie empirischer<br />
Prozesssteuerung. Die Grundidee:<br />
Statt alles von vornherein zu planen,<br />
wird ein Projekt in wiederkehrenden<br />
Iterationen, sogenannten Sprints,<br />
abgewickelt. In jeder dieser Iterationen<br />
werden Erkenntnisse gewonnen und im<br />
nächsten Zyklus verwertet“, so Blumenau.<br />
Die Scrum-Grundlagen werden<br />
von den drei Säulen Transparenz<br />
(transparency – alle Information für<br />
alle sichtbar), Überprüfung (inspection<br />
– regelmäßige Kontrolle der Dokumente,<br />
Arbeitsfortschritte und Prozesse)<br />
und Anpassung (adaption –<br />
Kurskorrekturen) gebildet.<br />
Bank für Daten. Zu den größten Herausforderungen<br />
von Lessons Learned<br />
zählt es, die Lektionen so zu erfassen,<br />
dass sie für zukünftige Projekte auch<br />
nutzbar abgerufen werden können. Um<br />
sie in strukturierter Form zur Verfügung<br />
zu stellen, haben sich im Zeitalter<br />
der Digitalisierung vor allem gemeinsame<br />
Datenablagen oder Datenbanken<br />
etabliert. Ziel ist es, Erfahrungen, Templates<br />
oder Projektpläne, die als Blaupause<br />
für andere Projekte dienen sollen,<br />
strukturiert zu dokumentieren.<br />
Moderne Lessons-Learned-Datenbanken<br />
und -Software unterstützen<br />
Unternehmen bei der Erfassung, Speicherung<br />
und Verwaltung experimenteller<br />
Kenntnisse aus Projekten, Ereignissen<br />
oder Vorgängen mit einer Vielzahl<br />
an Funktionen. Berichterstattungstools<br />
erleichtern die Informationseingabe,<br />
Kategorisierungs- und Such-Tools das<br />
Sortieren und Filtern von Einträgen,<br />
Datenexporttools die Umwandlung in<br />
gängige Dateitypen. Zumeist liegen rollenbasierte<br />
Systeme zugrunde, die<br />
unterschiedliche Funktionen für Administratoren,<br />
allgemeine Nutzer oder<br />
Prüfer anbieten.<br />
„Speicherung, Datenqualität und<br />
einfacher Abruf: Das sind die drei<br />
funktionalen Schlüsselelemente eines<br />
digitalen Lessons-Learned-Systems“,<br />
bringt es Bill Brown, Gründer des USamerikanischen<br />
Projektmanagementspezialisten<br />
Secutor Solutions, auf den<br />
Punkt. Der Speichermechanismus<br />
13
WIRTSCHAFT IM UMBRUCH<br />
sollte leicht zugänglich sein und die<br />
Flexibilität bieten, Daten einzugeben,<br />
die den Kontext, eine Beschreibung des<br />
Gelernten und unterstützende Informationen<br />
wie Bilder und Dokumente<br />
liefern. Um sicherzustellen, dass die<br />
eingegebenen Informationen korrekt<br />
sind und mit den Unternehmensrichtlinien<br />
und -verfahren übereinstimmen,<br />
braucht es einen validen Überprüfungsprozess.<br />
Und schließlich<br />
sollten die eingegebenen Informationen<br />
leicht abrufbar sein,<br />
was in der Regel durch robuste<br />
Suchmechanismen erreicht<br />
wird. „Wenn auch nur eines dieser<br />
Elemente nicht in ausreichender<br />
Qualität vorhanden<br />
ist, wird das System nicht<br />
dazu führen, dass die Idee<br />
von Lessons Learned, also<br />
der Wissenstransfer, funktioniert“,<br />
so Brown.<br />
Wiki – hawaiisch für<br />
„schnell“ .Das verlockende<br />
Konzept von Wissensplattformen<br />
lautet, Wissen in<br />
unbegrenzter Menge so zu<br />
hinterlegen, dass es für alle<br />
immer und überall verfügbar ist.<br />
Typische Funktionalitäten, die für<br />
Unternehmensanwendungen gedacht<br />
sind, bieten sogenannte Enterprise<br />
Wikis, die erstmals bereits Mitte der<br />
1990er-Jahre zur Produktverwaltung in<br />
IT-Projekten eingesetzt wurden. Im<br />
Fokus steht, Wissen unter Mitarbeitern<br />
zu teilen und implizites Wissen des<br />
Einzelnen zu explizitem Gruppen- oder<br />
Unternehmenswissen zu formen. In<br />
den letzten Jahren setzen sich vermehrt<br />
semantische Wikis durch. Deren<br />
Wissensbasis ist in der Regel in einer<br />
formalen Sprache eingearbeitet, sodass<br />
Maschinen es automatisch verarbeiten<br />
und Algorithmen – Stichwort künstliche<br />
Intelligenz – neues Wissen aus den<br />
vorhandenen Fakten ableiten können.<br />
Die Vorteile einer Wissensplattform<br />
werden so mit den Möglichkeiten einer<br />
Datenbank kombiniert.<br />
Zu den etabliertesten semantischen<br />
Wikis zählt Semantic MediaWiki, eine<br />
bereits 2005 erschienene freie Open-<br />
Source-Softwareerweiterung zu Media-<br />
Wiki, jener Wikisoftware, die auch von<br />
der Wikipedia genutzt wird. Semantic<br />
MediaWiki nutzt Informationen derart,<br />
dass Artikel sich auf Anfrage hin selbst<br />
aktualisieren und stets konsistent mit<br />
den Detailartikeln sind. Alle semantischen<br />
Informationen können auch<br />
direkt in freien Formaten heruntergeladen,<br />
abgespeichert und leicht in externen<br />
Programmen wiederverwendet<br />
werden. Der Datenaustausch ermöglicht<br />
zudem die Kombination von<br />
Informationen aus verschiedenen<br />
Quellen, zum Beispiel um Zugriff auf<br />
die vereinten Inhalte mehrerer Wikis<br />
zu erhalten. Semantic MediaWiki wird<br />
gegenwärtig nicht nur auf gut 1600<br />
öffentlichen Wikis eingesetzt, sondern<br />
auch von Organisationen intern<br />
benutzt. Zu den prominentesten zählen<br />
unter anderem Pfizer, das US Verteidigungsministerium<br />
oder die NASA.<br />
Best Practice Wiener Wohnen. Welche<br />
Dienste semantische Wikis der neuesten<br />
Bauart leisten können, zeigt sich<br />
beispielhaft bei Europas größter kommunaler<br />
Hausverwaltung, „Wiener<br />
Wohnen“. 2017 hat die Dienststelle des<br />
Magistrats der Stadt Wien, die rund<br />
220.000 Gemeindewohnungen in<br />
1800 Wohnhausanlagen verwaltet,<br />
saniert und bewirtschaftet, ihr<br />
Organisationshandbuch sowie<br />
das komplette Prozess- und<br />
Dokumentenmanagement in<br />
eine Wiki-Plattform überführt.<br />
„Das BlueSpice-3-Wiki der Hallo<br />
Welt! einzuführen, war ein bisschen<br />
wie aufräumen“, erinnert<br />
sich Dietmar Milkovits,<br />
Dezernatsleiter für Qualitätsmanagement.<br />
„Die<br />
große Herausforderung<br />
war es, die Masse an Informationen<br />
für unsere Mitarbeiter<br />
klar, verständlich<br />
und transparent aufzubereiten.“<br />
Nachdem 2018 auch das<br />
hauseigene Intranet vom sogenannten<br />
Mitarbeiteranleitungssystem<br />
(MAAS) abgelöst wurde, gilt seither:<br />
„Wenn ich was brauche, schaue ich<br />
ins MAAS.“<br />
„Ein Wiki ist mehr als nur irgendein<br />
Hype. Das ist etwas Stabiles, das sich<br />
ausbauen und an zukünftige Herausforderungen<br />
anpassen lässt“, sagt Milkovits,<br />
dessen Dezernat das MAAS federführend<br />
betreut und als Betreiber der<br />
Plattform fungiert. Entsprechend den<br />
neun Stabsstellen im Unternehmen<br />
wurden mit dem Wiki auch neun<br />
Redaktionen eingeführt, die dafür sorgen,<br />
dass die Inhalte auf dem aktuellsten<br />
Stand bleiben und immer weiter<br />
vernetzt werden. Theoretisch haben<br />
inklusive Außendienstmitarbeitern<br />
rund 2500 Beschäftigte Zugriff auf die<br />
Plattform. Für sie alle wird laut Milkovits<br />
fundiertes Wissen aktuell und<br />
transparent aufbereitet, verbunden mit<br />
einem entsprechenden Wissenstransfer<br />
zwischen den unterschiedlichen Unternehmensbereichen<br />
und langfristigen<br />
Auswirkungen auf die Unternehmenskultur:<br />
„Das ist ein Wert, den sie in<br />
Zahlen gar nicht ausdrücken können.“<br />
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Wer Wissen als Ressource versteht,<br />
ist auf dem Erfolgsweg<br />
Was heißt es, implizites Wissen zu explizieren? Welche Methoden stehen dafür<br />
zur Verfügung und welche Grundhaltung benötigen Unternehmen, um Wissen<br />
derart zu generieren? Ein Gespräch mit Wissensmanager Dieter Weitz.<br />
von Christian Lenoble<br />
Der in Wien geborene und 2005 verstorbene Ökonom Peter<br />
Drucker, einer der Pioniere der modernen Managementlehre,<br />
beschreibt Wissen als die bedeutendste Ressource der modernen<br />
Wirtschaft. Teilen Sie diese Meinung?<br />
Dieter Weitz: Absolut. Wissensentwicklung hat eine enorme<br />
Bedeutung, auch oder vor allem in einer Zeit der Flut an<br />
unverdauten Informationen. Auf Unternehmensebene, sprich<br />
im Rahmen des organisationalen Wissensmanagements, geht<br />
es um die bessere Nutzung von Wissen, dessen Verteilung<br />
innerhalb der Organisation sowie um die Vermeidung von<br />
Wissensverlust – zum Beispiel wenn Schlüsselarbeitskräfte<br />
eine Organisation verlassen.<br />
Es geht also darum, Wissenspotenziale aufzuspüren und zu<br />
entwickeln. Das ist ein facettenreiches Gebiet, zu dem<br />
Aspekte wie Firmenkultur, Dokumentation, Controlling oder<br />
Wissensbewertung zählen. Es gibt übrigens in jeder Organisation<br />
Potenziale, die auf der Steigerung von organisationalem<br />
Wissen beruhen und der Organisation einen bedeutenden<br />
Vorteil gegenüber dem Mitbewerb ermöglichen.<br />
Was ist das Besondere an implizitem Wissen im Unternehmenskontext?<br />
Wissen und Erfahrungen sind an Personen gebunden und<br />
sind in hohem Maß nur implizit vorhanden. Das bedeutet,<br />
dass sich die Träger des Wissens oft selbst gar nicht bewusst<br />
sind, dass sie wertvolles Wissen haben. Daraus folgt auch,<br />
dass sie dieses Wissen nicht dem Unternehmen zur Verfügung<br />
stellen können.<br />
Wissen ist demnach vorhanden, muss aber transferiert werden.<br />
Welche Methoden eignen sich für diesen Prozess?<br />
Die Palette an Techniken und Methoden ist sehr breit gefächert.<br />
Das reicht von Manöverkritikworkshops und Best<br />
Practice Sharing im Projektbereich über Coaching und Mentoring<br />
bis hin zu Expert Debriefing, narrativem Wissenstransfer<br />
oder Triadengesprächen, die häufig in Nachfolgesituationen<br />
zur Anwendung kommen.<br />
Gemein ist den meisten Methoden, implizites Wissen zu<br />
explizieren und Erfahrungen von Projekt zu Projekt und von<br />
Generation zu Generation zu transportieren. Eine der Herausforderungen<br />
des Wissensmanagements besteht darin, die<br />
Dieter Weitz, Inhaber der<br />
Unternehmensberatung<br />
wissensentwicklung.at,<br />
der Computerschule Klosterneuburg<br />
und Teil der<br />
Unternehmensnachfolge-<br />
Dieter Weitz<br />
Beratergruppe Folge5.<br />
Seine Arbeitsschwerpunkte<br />
liegen im Wissensmanagement,<br />
in der<br />
Organisationsentwicklung<br />
und IT-Beratung.<br />
geeigneten Methoden für jedes Unternehmen und jede<br />
besondere Situation herauszuarbeiten.<br />
Braucht es für das Gelingen dieses Prozesses eine besondere<br />
Unternehmenskultur?<br />
Es braucht jedenfalls die Erkenntnis, dass Wissenstransfer<br />
große Bedeutung hat, und die Bereitschaft der Unternehmensverantwortlichen,<br />
Wissensmanagement strategisch zu<br />
verankern. Wissensmanagement benötigt gerade in der Einführungsphase,<br />
aber auch danach, eine starke Management-<br />
Unterstützung, weil es um einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess<br />
innerhalb der Organisation geht, der gesteuert<br />
werden muss.<br />
Dementsprechend ist so ein Prozess nicht wirklich für<br />
Unternehmen geeignet, die Veränderungen skeptisch gegenüberstehen<br />
und die eher einen autoritären Führungsstil pflegen.<br />
Schließlich geht es um Teamentwicklung und gemeinsames<br />
Entwickeln auf allen Ebenen.<br />
beigestellt<br />
16
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18
WIRTSCHAFT IM UMBRUCH<br />
Teamübergreifende, effektive Zusammenarbeit<br />
im Unternehmen – so lautet<br />
die zentrale Zielsetzung moderner<br />
Dokumentenmanagement-Systeme,<br />
kurz DMS. Dokumente, Informationen<br />
und Inhalte sollen möglichst ohne Reibungsverlust<br />
geteilt werden. Systeme,<br />
die den Zugriff orts- und zeitunabhängig<br />
ermöglichen, sind die Basis für die<br />
innerbetriebliche Sharing-Community.<br />
Funktionalitäten wie Wikis, Blogs, Diskussionsforen<br />
und Newsfeeds tragen<br />
dabei zum Aufbau eines kommunikativen<br />
Netzwerks bei, das nicht nur die<br />
Projektarbeit effizient gestaltet. Es geht<br />
auch um das Zusammengehörigkeitsgefühl,<br />
um tägliches Teambuilding und<br />
im Grunde um die Transformation von<br />
brachliegendem Wissen zu kollektivem<br />
Wissen. Unternehmen wollen damit<br />
zugleich ihre Attraktivität für Mitarbeiter<br />
– Stichwort Employer Branding –<br />
stärken und dafür sorgen, dass informiertes<br />
und motiviertes Personal<br />
Eigenkreativität entwickelt. Kommen<br />
ins System integrierte Business-Intelligence-Funktionen<br />
bei der Auswertung<br />
der zur gemeinsamen Verfügung<br />
gestellten Daten zur Anwendung, wird<br />
im Idealfall ein Ganzes geschaffen, das<br />
mehr ist als die Summe der Einzelteile.<br />
Kurzum: DMS versprechen im Zeitalter<br />
der Digitalisierung Wissensmanagement<br />
„at its best“.<br />
Nachholbedarf. Soweit zur Theorie.<br />
Die Praxis zeigt allerdings, dass DMS<br />
zwar einerseits als Wundermittel<br />
gehandelt werden, de facto aber noch<br />
relativ wenig zum Einsatz kommen. Zu<br />
diesem Schluss kam jedenfalls eine<br />
groß angelegte Studie der International<br />
Data Corporation (IDC), die rund 1500<br />
Führungskräfte internationaler Unternehmen<br />
zur Nutzung von digitalem<br />
Dokumentenmanagement befragte.<br />
Demnach verbringen die Befragten bis<br />
zu 30 Prozent ihrer Zeit mit der Suche<br />
von Dokumenten und Informationen,<br />
wobei neun Prozent dabei niemals fündig<br />
werden. Die Kosten, die Unternehmen<br />
durch die verringerte Produktivität<br />
entstehen, werden von IDC im<br />
Schnitt auf 3500 Dollar pro Jahr und<br />
Mitarbeiter geschätzt. Die Verteilung<br />
von vorhandenen Datenmengen, die<br />
innerbetrieblich genutzt bzw. ungenutzt<br />
sind, wird mit 30 zu 70 beziffert.<br />
Zwei Drittel der Befragten beklagten<br />
beim Informationsfluss in ihren Unternehmen<br />
zudem eine unzureichende<br />
Datensicherheit.<br />
Die Diskrepanz zwischen Potenzial<br />
und Einsatz von DMS scheint nach wie<br />
vor groß zu sein. „Ein Grund dafür<br />
könnte mangelnde Aufklärungsarbeit<br />
sein, die die Vorteile eines durchdachten<br />
DMS highlightet“, mutmaßt Katharina<br />
Kampen vom Entwickler für<br />
Office-Lösungen, Empower. Das weltweit<br />
operierende Unternehmen mit<br />
Standorten in Köln, New York, Paris,<br />
London und Zürich hat gemeinsam mit<br />
Nielsen eine B2B-Office-Studie vom<br />
Marktforschungsinstitut GfK durchführen<br />
lassen, die unter anderem den positiven<br />
Impact von Dokumentenmanagement-Tools<br />
auf die Unternehmenseffizienz<br />
hervorheben.<br />
Effizienz. Die Studie zeigte zunächst<br />
zum Beispiel auf, dass Mitarbeiter, die<br />
hauptsächlich am Computer tätig sind,<br />
rund 40 Prozent ihrer Arbeitszeit mit<br />
dem Formatieren von Office-Dokumenten<br />
verbringen. Firmen, die nach wie<br />
vor auf ein analoges statt digitales<br />
Dokumentenmanagement setzen, verschwenden<br />
schätzungsweise bis zu<br />
60 Prozent der Arbeitszeit ihrer Office-<br />
Mitarbeiter. Dazu kommt, dass das tagtägliche<br />
Ausdrucken, Kopieren, Verteilen<br />
und Archivieren von Papier 20 bis<br />
45 Prozent der Gehaltskosten bzw. zwischen<br />
fünf bis 15 Prozent des Unternehmensumsatzes<br />
verschlingen.<br />
Mit einem up to date DMS könnte<br />
laut Kampen auf all den genannten Ebenen<br />
Abhilfe geschaffen werden. Bei der<br />
zeitaufwendigen Suche nach Dokumenten<br />
greifen Vorlagenbibliotheken und<br />
zahlreiche Produktivitätswerkzeuge der<br />
Software. In das bestehende IT-System<br />
eingebettete DMS erleichtern zudem<br />
die Administration um ein Vielfaches.<br />
„Besonders bei international agieren-<br />
19
WIRTSCHAFT IM UMBRUCH<br />
den Unternehmen werden Insellösungen<br />
abgeschafft. Wo zuvor Dokumente<br />
in verschiedenen Sprachen an verschiedenen<br />
Standorten erstellt wurden, können<br />
Administratoren diese zentral über<br />
eine Benutzeroberfläche in kürzester<br />
Zeit einheitlich bereitstellen, verwalten<br />
und aktualisieren“, so Kampen. Cloudbasierte<br />
Dokumentenmanagement-Software<br />
ermöglicht die zeitgleiche und<br />
standortunabhängige Zusammenarbeit<br />
in Teams, die an verschiedenen Projekten<br />
arbeiten. „Last but not least garantiert<br />
ein DMS, dass das Corporate<br />
Design eines Unternehmens in jedem<br />
Word-Dokument, jeder Excel-Tabelle,<br />
Powerpoint-Präsentation und E-Mail-<br />
Signatur einheitlich kommuniziert<br />
wird. Etwaige Anpassungen können<br />
zentral von den Administratoren und/<br />
oder im Team vorgenommen und mit<br />
wenigen Klicks unternehmensweit<br />
implementiert werden“, betont Kampen<br />
dem Zusatzbenefit eines einheitlichen<br />
Markenauftritts dank DMS.<br />
In DMS zu investieren, amortisiert<br />
sich laut Experten jedenfalls innerhalb<br />
kürzester Zeit. Letztendlich führen alle<br />
Arten von digitalen Werkzeugen, die<br />
dem Wissensaustausch und -management<br />
dienen, zu einem „new way of<br />
work“ – wie man ihn etwa beim Energie-,<br />
Mobilitäts- und Kommunikationsdienstleister<br />
Salzburg AG eingeschlagen<br />
hat. Dort wird u. a. mit Teams, der<br />
Wiki-Software Confluence, der Webanwendung<br />
zum operativen Projektmanagement<br />
Jira oder dem Microsoft-<br />
Dienst zur Verwaltung für Software-<br />
Entwicklungsprojekte Github gearbeitet,<br />
und zudem auf crossfunktionale<br />
Produktteams gesetzt: „So ein Team<br />
besteht aus Rollen wie Product Owner,<br />
Innovation Manager, Data & Cloud<br />
Engineer, Scrum Master etc. Hier können<br />
die Talente ihr Können kombinieren<br />
und Wissen austauschen, um Produkte<br />
vielfältig zu gestalten“, so Kristijan<br />
Jarc, Leiter der Salzburg AG Business<br />
Unit Digital Solutions.<br />
KI-gestützt. Alle unternehmensweiten<br />
Daten und Dokumente zentral in einem<br />
System zu managen und automatisch<br />
mit Metadaten klassifizieren zu können,<br />
um Inhalte so einfach wie in einer<br />
Suchmaschine zu finden – dieses Konzept<br />
verfolgt man beispielsweise bei<br />
der DMSFactory. Die deutsche Gesellschaft<br />
für integrierte DMS analysiert<br />
mit der Vision eines papierlosen Büros<br />
den Markt der Softwareanbieter aus<br />
den Bereichen Enterprise-Content-<br />
Management, Dokumentenerfassung<br />
und Prozessautomatisierung. Als Beispiel<br />
für eine Plattform für (künstlich)<br />
intelligentes Dokumentenmanagement<br />
dient M-Files. „Mit so einem DMS<br />
suchen Sie nur noch nach dem Was und<br />
nicht mehr nach dem Wo. Die Klassifizierung<br />
der abgelegten Dokumente<br />
wird durch den Einsatz von künstlicher<br />
Intelligenz unterstützt. Die KI identifiziert<br />
die beinhalteten Informationen<br />
und schlägt die passenden Metadaten<br />
für die Einordnung des Dokumentes<br />
vor“, erläutert DMSFactory Geschäftsführer<br />
Manfred Forst.<br />
Ermöglicht wird die Verwaltung aller<br />
Daten aus den angeschlossenen Systemen<br />
durch den sogenannten Intelligent<br />
Metadata Layer (IML). Damit braucht<br />
es nur noch eine einzige Anwendung,<br />
um auf alle unternehmensweiten Daten<br />
und Dokumente zuzugreifen. Die Notwendigkeit<br />
einer Datenmigration entfällt,<br />
da M-Files über verschiedene<br />
Konnektoren auf die Daten in vorhandenen<br />
Netzwerkordnern und Systemen<br />
wie SharePoint oder den Google Workspace<br />
zugreift. „In M-Files lassen sich<br />
alle erdenklichen Prozesse in Form von<br />
Die eIDAS-Verordnung<br />
der EU gibt<br />
den Signaturverfahren<br />
ein festes Regelwerk<br />
und vereinheitlicht<br />
diese EUweit.<br />
Ein wesentlicher<br />
Schritt zum<br />
papierlosen Büro.<br />
Workflows automatisieren. Die verantwortlichen<br />
Nutzer können über anstehende<br />
Aufgaben und ihre Fristen per<br />
E-Mail benachrichtigt werden und verpassen<br />
damit keine Deadlines mehr.<br />
Sämtliche Bearbeitungsschritte eines<br />
Prozesses werden im Versionsverlauf<br />
aufgezeichnet, sodass jeder im<br />
Anschluss alles nachvollziehen kann“,<br />
so Forst. Als typischer Vertreter einer<br />
zeitgemäßen DMS-Lösung ist M-Files<br />
auf jedem Gerät verfügbar und Daten<br />
können sowohl online als auch offline<br />
bearbeitet werden. Das gemeinsame<br />
Bearbeiten von Dokumenten gestaltet<br />
sich intern und extern unkompliziert.<br />
Korrekturen und Kommentare werden<br />
an einem Ort gesammelt. Die Zugriffsrechte<br />
können über Nutzergruppen,<br />
Eigenschaften oder individuell vergeben<br />
werden. Die Plattform kann als Service<br />
in die eigene Serverinfrastruktur<br />
integriert werden (On-Premises), ist als<br />
Cloud-Lösung verfügbar oder lässt sich<br />
als Hybrid konfigurieren.<br />
Stichwort „agil“. Im Frühjahr 2022 hat<br />
die DMSFactory ihr Angebot um<br />
JobRouter, eine Low-Code-Plattform für<br />
die Digitalisierung sämtlicher<br />
Geschäftsprozesse, erweitert. Die webbasierte<br />
Plattform kann sowohl On-Premises<br />
als auch in der Cloud betrieben<br />
und in 19 verschiedenen Sprachen<br />
genutzt werden, unabhängig von der<br />
Branche und der Unternehmensgröße.<br />
„Im Gegensatz zu den dokumentenzentrierten<br />
Enterprise-Content-Management-Systemen<br />
ist unser Lösungsansatz<br />
prozesszentriert. Das bedeutet, dass der<br />
Fokus unserer Digitalisierungsplattform<br />
auf dem Prozess liegt, dem wiederum<br />
ein Dokument angehängt werden<br />
kann“, erklärt CEO Axel Ensinger. Ins<br />
Spiel kommt hier der Begriff des agilen<br />
Dokumentenmanagements. „Mit einer<br />
isolierten Lösung für das Dokumentenmanagement<br />
stoßen Unternehmen<br />
immer wieder an Grenzen, sehen sich<br />
mit manuellen Nacharbeiten oder<br />
einem unklaren Prozessstatus konfrontiert.<br />
Agiles Dokumentenmanagement<br />
sprengt diese Silos und vernetzt Prozesse<br />
mit Daten und Dokumenten, wo<br />
diese benötigt werden.“ JobRouter<br />
decke alle Teilgebiete agiler DMS ab,<br />
vom Input-Management über die Verarbeitung,<br />
Verwaltung und Archivie-<br />
20
WERBUNG<br />
Mit Expertise aus dem<br />
Datenschutz-Labyrinth<br />
Im Spannungsfeld zwischen Datenschutz und<br />
Digitalisierungspotenzial verwandelt die UBIT<br />
Ratlosigkeit in Lösungsbewusstsein.<br />
Foto: David Visnjic<br />
Mathias Past steht als Unternehmer, als Vertreter betroffener<br />
Betriebe und als Obmann der Fachgruppe Unternehmensberatung,<br />
Informationstechnologie und Buchhaltung (UBIT)<br />
der Wirtschaftskammer Niederösterreich an der vordersten<br />
Front des Spannungsfeldes zwischen dem Digitalisierungspotential<br />
einerseits und dem Datenschutz andererseits. Mit<br />
der richtungsweisenden Entscheidung der Österreichischen<br />
Datenschutzbehörde rund um das Analysetool Google<br />
Analytics zu Jahresbeginn wurde dieses Tauziehen um eine<br />
Facette komplexer.<br />
<strong>Presse</strong>: Herr Past, hat Sie die Entscheidung der österreichische<br />
Datenschutzbehörde (DSB) überrascht? Immerhin richtet sie<br />
sich nicht bloß gegen die Geschäftspraktiken eines weltweiten<br />
Konzerns sondern gegen den tausendfachen Einsatz dieses<br />
und weiterer Analyse-Tools durch heimische Unternehmen.<br />
Past: Richtig, bis zuletzt wurden derartige Tools auf Websites<br />
eingesetzt, um zum Beispiel Seitenbesuche zu analysieren<br />
und Kampagnen zu steuern. Der Haken daran: Mit<br />
dem Einsatz ist der Datentransfer in Regionen mit niedrigen<br />
Datenschutz-Standards wie in die USA verbunden. Die Zeiten<br />
des rechtsfreien Raums im Internet sind zwar angesichts<br />
seiner immensen Bedeutung vorbei. Dennoch besteht weiterhin<br />
Klärungsbedarf, zumal wir in Europa ein völlig anderes<br />
Verständnis vom Wert von Daten haben als in Asien oder in<br />
Amerika. Mit der EU-Datenschutzverordnung wurde ein EUweiter<br />
Standard geschaffen. Mit den USA gibt es noch kein<br />
solches, gemeinsames Verständnis. Gemeinsame Regeln<br />
sind Zukunftsmusik und Konflikte an solchen internationalen<br />
Schnittstellen unausweichlich.<br />
Auf wessen Seite sehen Sie nun den Handlungsbedarf, zumal<br />
die Entscheidung vor allem den Einsatz der Tools als rechtswidrig<br />
einstuft?<br />
Angesichts eines dominanten Marktanteils von Google<br />
Analytics trifft die Entscheidung viele Branchen und Betriebe<br />
hart. Wir erkennen derzeit in vielen Bereichen, wie fatal<br />
Abhängigkeiten vom Ausland sein können und wie wichtig<br />
Datensouveränität und Datenhoheit für österreichische<br />
Unternehmen sind. Statt den Kopf in den Sand zu stecken,<br />
müssen wir diese Souveränität nun wieder in die Betriebe<br />
und nach Österreich holen. Die Kompetenz dafür findet<br />
man bei Niederösterreichs Unternehmensberatungs- und<br />
IT-Expert*innen. Datenschutz ist ein elementarer Baustein in<br />
jedem Digitalisierungsprojekt, das von unseren Berater*innen<br />
An vorderster<br />
Front. UBIT NÖ-<br />
Obmann Mathias<br />
Past vermittelt in<br />
dem immer komplexer<br />
werdenden<br />
Themenbereich.<br />
begleitet wird. Österreichs Mittelstand zeichnet sich durch<br />
seine Resilienz aus und es liegt an unseren Digitalisierungsexpert*innen,<br />
mitzuhelfen, damit diese Resilienz weiterhin<br />
bestehen bleibt und sogar ausgebaut wird.<br />
Welche Rolle kann die Fachgruppe UBIT NÖ in dieser kritischen<br />
Phase spielen?<br />
Als Interessenvertretung bilden wir die Klammer zwischen<br />
langfristigen Marktentwicklungen, Trends, Innovationen oder<br />
auch Krisen und Herausforderungen auf der einen Seite<br />
und den Expert*innen sowie deren Kunden andererseits.<br />
Unsere Aufgabe als UBIT NÖ liegt im Angebot zeitnaher und<br />
spezifischer Höherqualifizierung an unsere Mitglieder, sowie<br />
entsprechender Zertifizierungen, mit denen die Qualifikation<br />
von Beratungs- und Lösungsanbieter*innen für Kunden<br />
transparent wird. Parallel dazu verwandeln wir mit hochkarätigen<br />
Informationsveranstaltungen und Webinaren die<br />
Ratlosigkeit, die solche Entwicklungen bei Betrieben hinterlassen,<br />
in Lösungsbewusstsein. Das Feedback zu unserer<br />
Online-Veranstaltung „Aus für Tracking mittels Google-Analytics?“<br />
kurz nach der DSB-Entscheidung mit mehr als 1700<br />
Teilnehmer*innen hat das eindrücklich bewiesen.<br />
Fakten & Hintergründe<br />
Anfang 2022 hat die österreichische Datenschutzbehörde einer Musterbeschwerde<br />
von noyb stattgegeben. Der Entscheidung zufolge verstößt<br />
die Nutzung von Google Analytics auf Grund des ungeschützten<br />
Transfers von Daten in die USA gegen die EU-DSGVO.<br />
Expert*innen im Gespräch<br />
Weitere Informationen und die Expert*innendiskussion zum Nachhören:<br />
www.ubit.at/noe/googleanalytics<br />
21
WIRTSCHAFT IM UMBRUCH<br />
rung von Dokumenten bis hin zum Output-Management.<br />
Jeder Prozess mit<br />
allen Schritten, Dokumenten und Aktionen<br />
wird zudem im revisionssicheren<br />
Archiv dokumentiert, sodass Unternehmen<br />
zertifizierbare Prozesse erhalten.<br />
Ist die Kernaufgabe des agilen DMS –<br />
Dokumente gemeinsam erstellen,<br />
bearbeiten und revisionssicher speichern<br />
– erfüllt, kann ein Schritt weiter<br />
gegangen werden, indem elektronische<br />
Signaturprozesse in die digitale Dokumentenarbeit<br />
integriert werden. „Die<br />
eIDAS-Verordnung der EU zu den Themen<br />
,Elektronische Identifizierung‘ und<br />
,Elektronische Vertrauensdienste‘ gibt<br />
den Signaturverfahren nun ein festes<br />
Regelwerk und vereinheitlicht diese<br />
EU-weit. Damit werden elektronisch<br />
signierte Dokumente vor Gericht in den<br />
meisten Fällen anerkannt. Dem papierlosen<br />
Büro steht also nichts mehr im<br />
Wege“, so Ensinger.<br />
Cloudbasierte Plattform. Die zunehmende<br />
Bedeutung verbindlicher,<br />
rechtsgültiger digitaler Signaturen<br />
streicht auch Andreas Dangl,<br />
Geschäftsführer Fabasoft Austria, hervor:<br />
„Neben der Sicherheit, dass ein<br />
Dokument nicht manipuliert wurde,<br />
bietet digitales Unterzeichnen über<br />
mobile, in einer Cloud verbundenen<br />
Endgeräte eine Reihe von Vorteilen:<br />
geografische und zeitliche Flexibilität,<br />
volle Transparenz und Nachvollziehbarkeit<br />
über den gesamten Signiervorgang,<br />
ein sicherer Austausch von sensiblen<br />
Dokumenten sowie die revisionssichere<br />
Archivierung.“ Das 1988<br />
gegründete Unternehmen Fabasoft mit<br />
Sitz in Linz zählt zu den führenden<br />
Software-Manufakturen Europas, wenn<br />
Dokumente erstellen,<br />
bearbeiten<br />
und revisionssicher<br />
speichern.<br />
es um das digitale Management von<br />
Dokumenten, Akten und Geschäftsprozessen<br />
geht. Eine zentrale Rolle kommt<br />
dabei der hauseigenen Fabasoft Business<br />
Process Cloud zu. Sie ermöglicht<br />
es, dass die Zusammenarbeit zwischen<br />
Abteilungen im Unternehmen selbst<br />
sowie zwischen Unternehmen, ihren<br />
Partnern und Lieferanten sich grenzenund<br />
nahtlos, aber auch länder- oder<br />
kontinentübergreifend vollzieht.<br />
Für Letzteres steht beispielhaft eine<br />
Zusammenarbeit der Siemens Mobility<br />
Gesellschaft, zuständig für das internationale<br />
Mobilitätsgeschäft des Siemens-<br />
Konzerns, mit einer kanadischen Eisenbahngesellschaft.<br />
2018 hatte Siemens<br />
Mobility den Auftrag aus Kanada<br />
bekommen, 32 Züge einer neuen Zug-<br />
Generation zu entwickeln, die ab 2022<br />
auf der Hauptstrecke von Quebec nach<br />
Windsor unterwegs sein sollen. Als<br />
Plattform zum Austausch von technischen<br />
Projektdaten und -dokumenten<br />
wurde mit Fabasoft Approve das cloudbasierte<br />
Standardprodukt der Linzer<br />
Softwareschmiede gewählt. „Informationen,<br />
die über die verschiedensten<br />
Kommunikationswege ausgetauscht<br />
werden, steigen mit der Dauer von großen<br />
Projekten exponentiell an. Dabei<br />
den Überblick zu behalten, keine anstehenden<br />
Fristen zu übersehen und dafür<br />
zu sorgen, dass jeder Beteiligte am selben<br />
und aktuellsten Informationsstand<br />
ist, stellt eine Mammutaufgabe dar“,<br />
erklärt Martin Diemt, Head of Project<br />
Operation Functions, Siemens Mobility.<br />
Um den hoch komplexen, in einem<br />
Kreislauf zwischen Siemens Mobility<br />
und der Bahngesellschaft ablaufenden<br />
Begutachtungs-, Prüf- und Kommentarprozess<br />
so reibungslos wie möglich<br />
durchführen zu können, wurde von<br />
Anfang an auf digitale Geschäftsprozesse<br />
und cloudbasierte Workflows<br />
gesetzt. Das Ziel: ein effizienter<br />
Arbeitsablauf, bei dem der Austausch,<br />
die Bearbeitung und die Abnahme von<br />
Hunderttausenden vertraglich verpflichtenden<br />
Dokumenten in den Bereichen<br />
Design, Planung, Bewilligung oder<br />
Zertifizierung effizient vonstattengeht.<br />
Mobile Kommunikation. Wie bedeutend<br />
das Thema der mobilen Bearbeitung<br />
von Dokumenten über eine Cloud-<br />
Infrastruktur ist, zeigt sich ebenfalls im<br />
Anlagenbau, am Beispiel von Siemens<br />
Energy. Das Unternehmen liefert u. a.<br />
schlüsselfertige, fossile Kraftwerkslösungen.<br />
Der Aufwand für die Projektabwicklung<br />
und die Organisation der<br />
dafür benötigten Daten und Dokumente<br />
ist beträchtlich. Er eignet sich somit<br />
ideal, um die Dokumentationsmanagement-Prozesse<br />
in die Cloud zu verlagern<br />
und Bearbeitungen sowohl vom<br />
stationären Arbeitsplatz aus als auch<br />
mobil zu ermöglichen. Der mobile Einsatz<br />
ist vor allem in Sachen Qualitätskontrolle<br />
eine Schlüsselanforderung. So<br />
müssen zum Beispiel alle Anschlusspunkte<br />
von elektrotechnischen Bauverbindungen<br />
– sogenannte Isometrien,<br />
von denen es pro Kraftwerk Zigtausende<br />
gibt – kontrolliert und dokumentiert<br />
werden. Die frühere Praxis, bei der<br />
Hunderte Prüfer im Kraftwerk fotografiert<br />
und händisch auf Zetteln dokumentiert<br />
haben – was schlussendlich als<br />
Papierberg in eigenen Baucontainern<br />
landete – erwies sich als denkbar ineffizient.<br />
Im Hinblick auf eine zeitnahe,<br />
klare und strukturierte Abarbeitung der<br />
gesammelten Informationen im Rahmen<br />
der Prüfprozesse wird nunmehr<br />
digitalisiert in der Cloud vorgegangen.<br />
Mit einer mobilen App können Sachbearbeiter<br />
und Prüfer am iPad und iPhone<br />
auf Daten in der Cloud zurückgreifen.<br />
„Durchlaufzeiten von Informationen<br />
wurden damit bei gleichzeitig erhöhter<br />
Datenqualität und -verfügbarkeit drastisch<br />
verringert. Die Option, auf der<br />
Baustelle vor Ort einfach und rechtsverbindlich<br />
auf mobilen Endgeräten<br />
digital signieren zu können – auch offline<br />
– sorgt zusätzlich für eine enorme<br />
Prozessvereinfachung und -beschleunigung“,<br />
so Dangl.<br />
GettyImages_Golero<br />
22
WERBUNG<br />
Die Signatur-Box von A-Trust<br />
Foto: beigestellt<br />
Die sichere Lösung, um die Potenziale<br />
digitalisierter Arbeitswelten voll auszuschöpfen.<br />
Viele Unternehmen haben schon damit begonnen, ihre<br />
manuellen Arbeitsprozesse in digitale Workflows umzuwandeln.<br />
Auf dieser Reise zur erfolgreichen Digitalisierung<br />
müssen sie sich jedoch auf Lösungen verlassen können, die<br />
sowohl Vertraulichkeit und Integrität wie auch eine komfortable<br />
Umsetzung ihrer Geschäftsprozesse im Cyberspace<br />
garantieren.<br />
Der Vertrauensdiensteanbieter A-Trust hat als österreichischer<br />
Marktführer im Bereich qualifizierter elektronischer<br />
Signaturen (QES) eine große Palette an digitalen Signaturlösungen<br />
entwickelt. Die bekannteste ist die von aktuell mehr<br />
als drei Millionen User:innen verwendete Handy-Signatur<br />
(ID Austria), die zugleich eine äußerst praktikable Basis für<br />
einfach in den Unternehmensalltag zu implementierende und<br />
integrierende Business-Produkte von A-Trust darstellt – wie<br />
die Signatur-Box.<br />
Effizienter Workflow für Kosteneffizienz. So können mit<br />
der Signatur-Box vor allem auch jene Unternehmen die<br />
Potenziale digitalisierter Arbeitswelten voll ausschöpfen, die<br />
strikten Compliance-Richtlinien unterliegen und den ständig<br />
wechselnden Rahmenbedingungen eines sich immer schneller<br />
drehenden Kommunikations- und Arbeitsumfelds auch<br />
mit oft großen, meist mobil und auch international agierenden<br />
Teams gerecht werden müssen.<br />
Die Signatur-Box hilft, Arbeitsprozesse effizienter zu gestalten,<br />
die diesen Rahmenbedingungen unterliegen: Dokumente<br />
können jederzeit und vollkommen flexibel von überall<br />
her rechtsgültig unterschrieben werden. Das ermöglicht eine<br />
schnelle Umsetzung von wichtigen Projekten und spart beispielsweise<br />
beim Abschluss von Verträgen wertvolle Zeit. So<br />
können neue Kapazitäten für den Arbeitsalltag geschaffen<br />
Markus Vesely, Geschäftsführer<br />
A-Trust GmbH: „Mit der Signatur-<br />
Box hat A-Trust ein effizientes<br />
Werkzeug entwickelt, das auch den<br />
höchsten Sicherheits- und Usability-<br />
Anforderungen gerecht wird, um<br />
Unternehmen auf ihrem Weg zu einer<br />
erfolgreichen digitalen Transformation<br />
zu unterstützen.“<br />
sowie Material und monetäre Ressourcen durch die Digitalisierung<br />
von Unterschriftenworkflows geschont werden.<br />
Rechtssicherheit und Datenschutz garantiert. Die qualifizierte<br />
elektronische Signatur der Signatur-Box ist der klassischen<br />
händischen Signatur europaweit rechtlich gleichgestellt,<br />
durch die Zwei-Faktor-Authentifizierung jedoch wesentlich<br />
besser vor Missbrauch geschützt. Alle Daten werden unter<br />
Einhaltung strengster Datenschutzrichtlinien im österreichischen<br />
Hochsicherheitsrechenzentrum von A-Trust gespeichert<br />
und dabei marketingtechnisch nicht ausgewertet – für<br />
Datensouveränität ist also gesorgt.<br />
Das Fazit von A-Trust-Geschäftsführer Markus Vesely: „Die<br />
Digitalisierung macht vor keiner Branche halt. Wer sich<br />
jetzt intensiv mit diesem Thema befasst und auf digitale<br />
Prozessoptimierung setzt, sichert sich bereits heute einen<br />
wichtigen Vorsprung auf dem eigenen Markt, noch bevor<br />
diese zum Maßstab wird. Mit der Signatur-Box hat A-Trust<br />
ein effizientes Werkzeug entwickelt, das auch den höchsten<br />
Sicherheits- und Usability-Anforderungen gerecht wird, um<br />
Unternehmen auf ihrem Weg zu einer erfolgreichen digitalen<br />
Transformation zu unterstützen.“<br />
23
WIRTSCHAFT IM UMBRUCH<br />
Gründe für ein System zum<br />
Dokumentenmanagement<br />
Was kann ein DMS im Vergleich zu einem CMS und wo liegen die größten<br />
Vorteile, die Unternehmen aus DMS ziehen können? Antworten von Katharina<br />
Kampen vom Unternehmen Empower.<br />
von Christian Lenoble<br />
Frau Kampen, oftmals werden Content-Management- und<br />
Dokumentenmanagementsysteme in einem Atemzug genannt.<br />
Wo liegen die Unterschiede zwischen CMS und DMS?<br />
Katharina Kampen: Ein CMS verwaltet strukturierte und<br />
unstrukturierte Daten. Ein DMS arbeitet am besten mit strukturierten<br />
Daten und Dokumenten, wie zum Beispiel PDF-<br />
Dateien, Word-Dokumente und Powerpoint-Präsentationen.<br />
Es kann diese Dateien digitalisieren und sie über den gesamten<br />
Lebenszyklus der Inhalte verfolgen. Ein DMS unterstützt<br />
ein Unternehmen dabei, digitale Dokumente zu erstellen, zu<br />
bearbeiten und zentral zu speichern. Zudem lassen sich die<br />
elektronischen Daten in einem DMS klassifizieren und schützen.<br />
Es unterstützt und erleichtert die Zusammenarbeit,<br />
reduziert Bottlenecks und steigert somit den Workflow. Eine<br />
Dokumentenmanagement-Software ist die Paradelösung,<br />
wenn es hauptsächlich darum geht, Daten langfristig zu<br />
erhalten und zu sichern, diese gemäß dem Corporate Design<br />
einheitlich und unternehmensweit zur Verfügung zu stellen<br />
und ein gemeinschaftliches Bearbeiten der Dokumente zu<br />
ermöglichen. Sind die Inhalte für die Nutzung im Internet<br />
gedacht – und haben sie somit einen zeitlich begrenzten Charakter<br />
–, dann bieten sich eher CMS-Lösungen an.<br />
Katharina Kampen<br />
Klar ist, dass ein DMS Nutzern bei der Dokumentenbearbeitung<br />
Zeit spart. Wo liegen andere große Pluspunkte von DMS?<br />
Core-digitales Dokumentenmanagement erleichtert die<br />
Administration. Ein ausgeklügeltes DMS lässt sich einfach in<br />
das bestehende IT-System einbetten. Dort reduziert es den<br />
administrativen Aufwand um ein Vielfaches. So werden<br />
besonders bei international agierenden Unternehmen Insellösungen<br />
abgeschafft. Wo zuvor Dokumente in verschiedenen<br />
Sprachen an verschiedenen Standorten erstellt wurden,<br />
können Administratoren diese zentral über eine Benutzeroberfläche<br />
in kürzester Zeit einheitlich bereitstellen, verwalten<br />
und aktualisieren. Der Arbeitsaufwand wird demnach<br />
besonders für den IT-Bereich reduziert und die Ausfallsicherheit<br />
des IT-Systems erhöht. Dokumentenmanagement-<br />
Software erleichtert zudem das Miteinander. Die Zeiten, in<br />
denen sich unser beruflicher Wirkungsradius allein auf die<br />
Arbeitsstelle beschränkte, sind nicht erst seit der Coronapandemie<br />
vorüber. Das Arbeiten vom Home-Office aus wird<br />
gewiss ein fester Bestandteil unseres Berufsalltags. Last but<br />
not least garantiert ein DMS, dass das Corporate Design<br />
Ihres Unternehmens in jedem Word-Dokument, jeder Excel-<br />
Tabelle, Powerpoint-Präsentation und E-Mail-Signatur einheitlich<br />
kommuniziert wird. Etwaige Anpassungen können<br />
zentral von den Administratoren und/oder im Team vorgenommen<br />
und mit wenigen Klicks unternehmensweit implementiert<br />
werden.<br />
Katharina Kampen ist<br />
Fellow Consultant bei<br />
Empower, einem weltweit<br />
führenden Unternehmen<br />
bei der Entwicklung von<br />
Office-Lösungen.<br />
Das 2005 gegründete<br />
Unternehmen mit rund 100<br />
festen Mitarbeitern betreut<br />
seine Kunden von Standorten<br />
in Köln, New York,<br />
Paris, London und Zürich.<br />
Welche Rolle spielt dabei die Cloud?<br />
Eine cloudbasierte Dokumentenmanagement-Software<br />
ermöglicht den direkten Zugriff auf die relevanten Dokumente,<br />
was die Zusammenarbeit erheblich vereinfacht. So<br />
können Sie zeitgleich und standortunabhängig mit Ihrem<br />
Team an verschiedenen Projekten arbeiten. Das ist bei den<br />
Arbeitsprozessen von heute und morgen wahrscheinlich<br />
einer der zentralsten Atouts.<br />
24
WERBUNG<br />
Wie fühlt sich die Customer Journey mit einer<br />
VCam an? Daran arbeiten die Expert:innen der<br />
Digital Solution von der Salzburg AG.<br />
Der Leiter der Innovation-Abteilung, Kristijan<br />
Jarc, und Salzburg AG CEO Leonhard Schitter<br />
beim Launch der Energiegemeinschaften bei der<br />
Messe Salz21.<br />
Vom Landesenergieversorger<br />
zur Green-Tech-Company<br />
Foto: beigestellt<br />
Intelligent, effizient, vernetzt: Die Salzburg AG<br />
setzt mit „Internet of Energy“ neue Maßstäbe.<br />
Klimawandel, Energieunabhängigkeit und Versorgungsicherheit<br />
– das alles sind derzeit Themen, die viele Menschen<br />
in Österreich intensiv beschäftigen. Wie kann man Energie<br />
effizienter nutzen? Wo lässt sich Energie einsparen und kann<br />
ich mein eigenes kleines Solarkraftwerk bauen? Fragen,<br />
die nicht nur ob der geopolitischen Lage zu Recht gestellt<br />
werden, sondern vor allem eine jüngere Generation stark<br />
bewegen.<br />
Neue Strategie. Darauf hat die Salzburg AG bereits 2020<br />
reagiert und sich strategisch neu aufgestellt: Der Landesenergieversorger,<br />
der in Salzburg auch massiv den Breitbandausbau<br />
und die Dekarbonisierung vorantreibt, hat sich<br />
zum Ziel gesetzt, als Green-Tech-Company zu agieren. Dazu<br />
wurden die Abteilung „Digital Solutions“ neu ausgerichtet<br />
und Expert:innen aus der ganzen Welt eingestellt. Leiter<br />
der Business Unit ist Kristijan Jarc, der selbst als Digitalisierungsexperte<br />
international Erfahrung sammeln konnte<br />
und nun sein gesamtes Know-how einbringt. Sein Team ist<br />
ebenso international; gesprochen wird Englisch und gearbeitet<br />
wird nach in agilen Methoden. „Ein diverses Team mit<br />
Menschen aus verschiedenen Kulturen und mit verschiedenen<br />
Arbeitsbiografien ist definitiv innovativer und kreativer“,<br />
ist Kristijan Jarc überzeugt. Derzeit arbeiten er und seine<br />
45 Kolleg:innen intensiv an Produkten, die Nutzer:innen ein<br />
ganzes Energie-Ökosystem bieten können, das sogenannte<br />
Internet of Energy. Dies passt genau in die strategische Aus-<br />
richtung der Salzburg AG: „Es geht darum, dass wir zum<br />
einen unabhängige und erneuerbare Energiequellen weiter<br />
ausbauen. Zum anderen, dass wir den Menschen dabei helfen,<br />
diese Energie intelligent, effizient und vernetzt nutzen zu<br />
können“, erklärt Salzburg AG CEO Leonhard Schitter.<br />
Das Team um Jarc konnte für die Salzburg AG jetzt ein<br />
neues Produkt an den Start bringen: ENOX Share - eine<br />
digitale Plattform für Energiegemeinschaften, die es ermöglicht,<br />
Bürger:innen aktiv an der Energiewende mitwirken zu<br />
lassen. Energiegemeinschaften sind das perfekte Instrument<br />
dafür: Durch sie wird die Erzeugung von grüner Energie aus<br />
der Region für die Region gefördert. „Mit ENOX Share ist<br />
es uns gelungen, eine digitale und skalierbare Plattform zu<br />
entwickeln, die unseren Kund:innen eine Lösung aus einer<br />
Hand bietet: Von der Gründung, der Inbetriebnahme bis hin<br />
zum Betrieb und Abrechnung von Energiegemeinschaften<br />
sind wir als kompetenter Partner immer an ihrer Seite“,<br />
erklärt Jarc.<br />
Pilotprojekt läuft. Eine erste Energiegemeinschaft in Hallwang<br />
bei Salzburg ist bereits als Pilotprojekt in Betrieb. Die<br />
Druckerei Roser hat sich mit benachbarten Haushalten zu<br />
einer Energiegemeinschaft zusammengeschlossen. Der<br />
erzeugte PV-Strom aus zwei unabhängigen Gebäuden wird<br />
am Wochenende von der Nachbarschaft genutzt. Über<br />
ein Dashboard können alle Teilnehmer:innen die aktuellen<br />
Verbräuche und Energieflüsse einsehen. Ab Anfang Juli ist<br />
ENOX Share für alle Kund:innen verfügbar.<br />
Alle Infos auf:<br />
Energy Communities Platform & IoE (greencommunity.at)<br />
25
WIRTSCHAFT IM UMBRUCH<br />
Wie aus<br />
Daten<br />
Wissen wird<br />
Mit künstlicher Intelligenz<br />
wird die Welt der Daten im<br />
Bereich des Wissensmanagements<br />
neu erfunden. Wie KI dabei hilft,<br />
jene Verknüpfungen herzustellen,<br />
die aus Datenfriedhöfen lebendige<br />
Wissensfelder machen.<br />
von Christian Lenoble<br />
GettyImages_Sylverarts<br />
26
WIRTSCHAFT IM UMBRUCH<br />
Die Präfixe Mega und Giga sind in Zusammenhang<br />
mit Bytes in den gemeinen<br />
Sprachgebrauch übergegangen, von Tera,<br />
Peta und Exa ist immer wieder mal zu<br />
hören. Dabei steht das dritte Jahrtausend<br />
unserer Zeitrechnung bereits im Zeichen<br />
von Zetta. 2002 wurde erstmals bei der<br />
Gesamtsumme aller geschaffenen und<br />
gespeicherten Daten die Trilliarde, eine 1<br />
mit 21 folgenden Nullen, überschritten.<br />
Das entspricht in etwa dem Informationsspeicherplatz<br />
von 33 Millionen<br />
menschlichen Gehirnen. 2020 wurden<br />
laut dem Statistikportal statista.com 64<br />
Zettabytes an Daten generiert. Wie<br />
exponentiell der Verlauf ist, zeigt der<br />
Umstand, dass 90 Prozent der weltweiten<br />
Informationen innerhalb von bloß<br />
zwei Jahren (2019 und 2020) erstellt wurden.<br />
Und damit steht die Menschheit<br />
datenvolumentechnisch offenbar erst am<br />
Anfang einer überwältigenden Entwicklung.<br />
Mehrwert fürs Geschäft. Bei dem Versuch,<br />
den Umfang der Information zu<br />
nutzen, sind die Fähigkeiten der menschlichen<br />
Verarbeitung längst ins Hintertreffen<br />
geraten. Auch einfache Datenbanksysteme,<br />
in dem Informationen<br />
gekennzeichnet und in digitalen Bibliotheken<br />
gespeichert werden, sind keine<br />
zeitgemäße Antwort auf die Frage, wie<br />
aus Daten praktikables Wissen geschaffen<br />
wird. „Man kann sich dieses altbackene<br />
Speicherkonzept in etwa vorstellen<br />
wie einen fleißigen Bibliothekar, der<br />
Bücher akribisch in alphabetischer Reihenfolge<br />
in die Regale stellt“, sagt Alison<br />
Vanzetta, Digitalberaterin bei Cloudflight,<br />
einem deutschen Full-Service-<br />
Anbieter im Bereich der industriellen<br />
digitalen Transformation. Die in Datenbanken<br />
gespeicherten Informationen<br />
erfüllen jedoch wie die Bücher in der<br />
Bibliothek nur teilweise ihren Zweck.<br />
Wenn Bücher nicht gelesen werden –<br />
und das Wissen nicht geteilt oder<br />
genutzt wird –, bleiben sie eine unberührte<br />
Ressource. „Es sind neue Technologien<br />
wie die künstliche Intelligenz, die<br />
veraltete Daten in Wissen verwandeln<br />
und Werkzeuge entwickeln, mit denen<br />
riesige Informationsmengen schnell<br />
transformiert werden können“, so Vanzetta.<br />
KI führe uns zu jenen Methoden,<br />
die digitales Kapital erschließen und ihm<br />
eine neue Bedeutung geben – mit dem<br />
Ziel, auf Unternehmensebene aus Daten<br />
Geschäftswert zu lukrieren.<br />
Bilderkennung im Einsatz. Zu den aktuell<br />
relevantesten KI-Methoden zählt die<br />
Mustererkennung. Dabei geht es darum,<br />
aus großen, unstrukturierten Datenmengen<br />
sinnvolle Informationen herauszufiltern,<br />
indem Regelmäßigkeiten und Ähnlichkeiten<br />
maschinell erfasst werden.<br />
Maschinen sortieren dazu die Daten in<br />
Klassen mit Merkmalen, die innerhalb<br />
dieser Kategorien identisch sind und<br />
außerhalb nicht auftreten. Eine besondere<br />
Rolle kommt im Rahmen der Musteridentifikation<br />
der Bilderkennung zu.<br />
Die technische Funktionsweise: Bilder<br />
werden in Pixel zerlegt, indem man Tausende<br />
Merkmale aus einem Bild extrahiert.<br />
Diese Bestandteile mit Beschriftungen<br />
werden zum Trainieren des<br />
Modells verwendet. Dabei werden die<br />
Bilder in ein Netzwerk eingefügt. Vorliegende<br />
Bilder kommen in die Eingabe-<br />
31<br />
Prozent von 80<br />
untersuchten europäischen<br />
Städten haben<br />
bereits eine<br />
Urbane Datenplattform<br />
in Betrieb<br />
genommen; 25<br />
Prozent sind in der<br />
Umsetzungsphase.<br />
Umfrage der Erasmus<br />
Universität Rotterdam aus 2021<br />
seite und die Labels in die Ausgabeseite.<br />
Ziel ist es, das Netz so zu trainieren, dass<br />
die Bilder der Eingabeseite mit den<br />
Labels der Ausgabeseite übereinstimmen.<br />
„Mit der richtigen Bilderkennungssoftware<br />
lassen sich sämtliche<br />
Geschäftsprozesse automatisieren,<br />
wodurch sich die Produktivität eines<br />
Unternehmens erhöht“, sagt Laurenz<br />
Wuttke, Geschäftsführer des KI-Spezialisten<br />
Datasolut und Autor des Buchs<br />
„Praxisleitfaden für Künstliche Intelligenz<br />
in Marketing und Vertrieb“. Die<br />
Bereiche, in denen die Bilderkennung<br />
Anwendung findet, sind laut Wuttke<br />
vielfältiger Natur.<br />
Von Bankomat bis autonomes Fahren.<br />
Versicherungen etwa nutzen die KI-<br />
Technik zur selbstständigen Interpretation<br />
und Bewertung von Schadensbildern<br />
und der daraus folgenden Prognose<br />
von Reparaturkosten. Banken setzen auf<br />
Bilderkennung zur Gesichtserkennung,<br />
um die Identität der Kunden zu überprüfen,<br />
beispielsweise beim Abheben von<br />
Bargeld an Bankomaten. Onlinehändler<br />
wie Amazon, Ebay oder Zalando nutzen<br />
die automatisierte Bilderkennung zur<br />
Produktsuche für Kunden, die im<br />
Onlineshop lediglich ein Foto des<br />
gewünschten Produkts hochladen müssen.<br />
In der Medizin kommen die Techniken<br />
auf KI-Basis zur Erkennung und Diagnose<br />
von Krankheitsbildern zum Einsatz,<br />
indem zum Beispiel Röntgenbilder<br />
eines Patienten auf Auffälligkeiten analysiert<br />
werden. Im Zukunftsfeld autonomes<br />
Fahren dienen die Technologien<br />
dem Auto, das die Umwelt in Echtzeit<br />
wahrnimmt und analysiert. Werden<br />
Autos, Fußgänger oder Fahrradfahrer<br />
erkannt und deren Bewegungsmuster<br />
vorberechnet, ermöglicht dies das richtige<br />
autonome Reagieren des Fahrzeugs.<br />
Auch im Bildungswesen sind neuronale<br />
Netzwerke und Bilderkennungssoftware<br />
gefragt, beispielsweise wenn es im<br />
Online-Unterricht darum geht, das Interesse<br />
von Schülern zu identifizieren und<br />
Reaktionen zu deuten. Wuttkes Fazit:<br />
„Der Funktionsumfang von Bilderkennung<br />
und Computer Vision wird immer<br />
größer und auf weitreichende Bereiche<br />
unseres Alltags- und Geschäftslebens<br />
einen Einfluss haben. Dieser KI-Bereich<br />
ist mit Sicherheit noch lang nicht am<br />
27
WIRTSCHAFT IM UMBRUCH<br />
Zenit angekommen, sodass in den nächsten<br />
Jahren mit zahlreichen interessanten<br />
Neuerungen zu rechnen ist.“<br />
Verarbeitung von Sprache. Eine andere<br />
Form der KI, die den Dialog zwischen<br />
Menschen und Maschinen ermöglicht<br />
und somit nutzbares Wissen generiert,<br />
ist Natural Language Processing, kurz<br />
NLP. Auf NLP bauen eine Vielzahl an<br />
Diensten und Funktionen, die im Alltag<br />
bereits bestens vertraut sind. Die Palette<br />
reicht von Übersetzungsprogrammen<br />
von einer Sprache in eine andere, Rechtschreibkorrektur-Systemen<br />
und Suchvervollständigungen<br />
bei Suchmaschinen bis<br />
hin zu digitalen Sprachassistenten. Auch<br />
die überall auf dem Vormarsch befindlichen<br />
Chatbots, Callbots und anderen<br />
Messaging-Bots beziehen das Verständnis<br />
für ihre Aufgaben aus der NLPbasierten<br />
Informationsverarbeitung.<br />
NLP-Algorithmen erlauben es, menschliche<br />
Sprache zu verarbeiten, zu verstehen<br />
und wiederzugeben und befähigen<br />
die virtuellen Gesprächsagenten, schriftlich<br />
wie mündlich zu kommunizieren.<br />
„Die aktuell vielversprechendsten<br />
Modelle bzw. State-of-the-Art-Ergebnisse<br />
für Aufgaben aus dem NLP-<br />
Bereich werden mit Deep-Learning-<br />
Algorithmen erzielt, die eine komplexere<br />
Modellierung erlauben als herkömmliche<br />
Machine-Learning-Modelle“,<br />
sagt Sandra Wartner, Data Scientist<br />
beim Linzer Forschungs- und Entwicklungsunternehmen<br />
RISC Software.<br />
„Deep Learning wurde von der Funktionsweise<br />
des menschlichen Gehirns<br />
inspiriert und setzt vielschichtige<br />
neuronale Netze ein. Durch die hochgradig<br />
verknüpften Strukturen wird<br />
,tiefgehendes Lernen‘ ermöglicht, das<br />
gerade für das komplexe Konstrukt der<br />
Sprache essenziell ist.“<br />
NLP-Use-Cases. Dass künftig immer<br />
mehr Unternehmen aus unterschiedlichen<br />
Branchen auf NLP-Lösungen setzen<br />
werden, um Textformen besser managen<br />
und nutzen zu können, steht für Wartner<br />
außer Zweifel. An beispielhaften Use<br />
Cases herrscht kein Mangel, etwa wenn<br />
es für Controller um die automatisierte<br />
Dokumentenklassifikation oder in der<br />
Warenannahme um die Extraktion von<br />
Informationen aus Dokumenten wie<br />
Rechnungen oder Lieferscheinen geht.<br />
Im Bereich Costumer Support können<br />
Onlineversandhändler die Reaktionszeiten<br />
des Kundenservice durch die automatisierte<br />
Verarbeitung und Beantwortung<br />
von Kundenanfragen verkürzen.<br />
Marketern wird durch die maschinelle<br />
Bewertung von Kundenfeedback dabei<br />
geholfen, auf Social Media einen Überblick<br />
über die Reaktionen in Bezug auf<br />
neue Werbemaßnahmen zu bekommen.<br />
Als Anwendungsgebiet der Zukunft gilt<br />
auch die Unterstützung in der klinischen<br />
Dokumentation und Organisation, etwa<br />
wenn Ärzte die wichtigsten Informationen<br />
aus umfangreichen Anamnesen von<br />
Patienten zusammengefasst haben wollen,<br />
um einen Gesamtblick auf die<br />
Krankheitsgeschichte zu bekommen.<br />
„Der Fortschritt im NLP-Bereich ist<br />
nicht aufzuhalten und stellt kontinuierlich<br />
neue und bessere Lösungen für ein<br />
breites Spektrum an Problemen bereit.<br />
Spannend bleibt auf alle Fälle, welche<br />
weiteren Durchbrüche die kommenden<br />
Jahre mit sich bringen werden – klar<br />
ist, sie werden kommen“, lautet das<br />
Fazit der Data Scientist.<br />
Personalisierter Nachrichtendienst.<br />
Wie ein KI-gestütztes System, das NLP<br />
verwendet, den Konsum von Nachrichten<br />
zu einem individuellen Erlebnis<br />
umgestalten kann, zeigt das österreichische<br />
Start-up Newsadoo, das von der<br />
Jury der renommierten MTL Tech<br />
Awards 2020 in Montreal als eines der<br />
weltweit 27 besten Technologieprojekte<br />
ausgewählt wurde. Die App Newsadoo<br />
aus Oberösterreich stellt die Leser und<br />
ihre Interessen in den Vordergrund und<br />
generiert aus verschiedenen Medienquellen<br />
personalisierte Tageszeitungen,<br />
die auf die Interessen der Leser maßgeschneidert<br />
werden. „Der User kann seine<br />
ganz persönliche digitale Tageszeitung<br />
mit wenigen Klicks erstellen, indem er<br />
seine Lieblingsquellen auswählt, sich mit<br />
der Funktion Topics einen Themenpool<br />
erstellt und über bestimmte Ereignisse<br />
von unterschiedlichen Medien informieren<br />
lässt“, erläutert Gründer David<br />
Böhm. Die Philosophie dahinter: „Aus<br />
unserer Sicht ist die Zukunft der<br />
Medienlandschaft einfach und klar: Wir<br />
brauchen einen eigenen, digitalen, europäischen<br />
<strong>Presse</strong>-Grosso. Einen, der sich<br />
weniger nach den Bedürfnissen der Verlage<br />
richtet und mehr nach denen der<br />
User.“<br />
Technologisch betrachtet kommen<br />
Algorithmen zur Anwendung, die täglich<br />
ca. 650.000 Einzelparameter<br />
abgleichen und mittels KI aus Qualitätsmedien<br />
die relevanten News für die<br />
jeweilige Person herausfiltert. Im<br />
Detail: Um aus Tausenden von Websites<br />
und anderen elektronischen<br />
Medienkanälen Updates zu sammeln<br />
und deren Aufnahme in den Newsadoo-Nachrichtenpool<br />
sicherzustellen,<br />
wurden Push-und-Pull-Mechanismen<br />
entwickelt. In der Folge kommen Algorithmen<br />
zur Informationsextraktion<br />
zum Einsatz, um Themen-Tags, Orte,<br />
Stimmungen und mehr zu erfassen. Für<br />
die automatische Zuordnung zu Nachrichtenkategorien<br />
werden die Artikel in<br />
maschinenverständliche Vektordarstellungen<br />
umgewandelt und Machine-<br />
Learning-Modelle angewandt. Damit<br />
GettyImages_Sylverarts<br />
28
WIRTSCHAFT IM UMBRUCH<br />
User sich nicht durch repetitive Inhalte<br />
durcharbeiten müssen, werden inhaltlich<br />
ähnliche Artikel mittels Natural-Language-Processing-Vergleichen<br />
gruppiert<br />
und gebündelt.<br />
Plattform für Daten. Um auf Unternehmensebene<br />
das enorme Datenvolumen<br />
aus heterogenen Quellen künftig noch<br />
besser und bereichsübergreifend nutzen<br />
zu können, werden in Zukunft auch<br />
intelligente Datenplattformen wertvolle<br />
Dienste leisten. Die Vision lautet, alle<br />
Datenströme eines Unternehmens über<br />
eine virtuelle Plattform laufen zu lassen.<br />
Wenn Daten aus den unterschiedlichsten<br />
betrieblichen Bereichen für das gesamte<br />
Unternehmen zusammengeführt werden<br />
und zur Verfügung stehen können,<br />
würde dies einen enormen Gewinn an<br />
Prozessgeschwindigkeit und Wissen<br />
bedeuten, insbesondere bei fundamentalen<br />
Modernisierungsprojekten.<br />
Der Weg zur ganzheitlichen Datenstrategie<br />
ist durchaus steinig, wie Benedikt<br />
Sturm, Mitgründer von Optalio,<br />
D-A-CH-Spezialist für KI-basierte Produktionsoptimierung<br />
in der verarbeitenden<br />
Industrie, betont: „Häufig sind gleich<br />
mehrere Hürden zu überwinden. Von<br />
der Nutzbarmachung von Maschinendaten<br />
über die Erhebung und Konsolidierung<br />
bis hin zur KI-gestützten Analyse<br />
und Visualisierung – und das alles stets<br />
unter dem Aspekt der Datensicherheit.“<br />
Notwendig sei daher ein echter Ende-zu-<br />
Ende-Ansatz. „Eine der größten Herausforderungen<br />
in der Digitalisierung industrieller<br />
Anwendungen besteht in der<br />
Lücke zwischen analogen Produktionsanlagen,<br />
der sogenannten Operational<br />
Technology, und der Information Technology.<br />
Selbst wenn Maschinen und<br />
Anlagen über passende Anschlüsse verfügen,<br />
reicht es in den meisten Fällen<br />
nicht, sie einfach nur an ein IT-Netzwerk<br />
anzuschließen“, so Sturm. Der Grund:<br />
Sie sprechen nicht dieselbe Sprache, was<br />
in unterschiedlichen Zielen – etwa<br />
Datenzuverlässigkeit vs. Datensicherheit<br />
– zum Ausdruck kommt. „Für einen<br />
sicheren Datenaustausch zwischen diesen<br />
beiden Welten braucht es daher<br />
einen präzisen Bauplan“, erläutert<br />
Sturm. Zunächst gelte es, aus dem Sammelsurium<br />
aus Maschinen-, Betriebs-,<br />
Zustands- und Prozessdaten die relevanten<br />
Daten zu identifizieren, optimal<br />
aufzubereiten und in einer zentralen<br />
Datenplattform zu speichern. Währenddessen<br />
kann die Plattform zur Datenanalyse<br />
bereits andocken und die proprietäre<br />
KI mit der Analyse beginnen, um<br />
aus den zugeführten Daten neue<br />
Erkenntnisse zu gewinnen, die zu effizienteren<br />
Produktionsabläufen führen.<br />
Data in the City. Eine Unzahl an Daten<br />
mit zahllosen Ursprüngen so zu managen,<br />
dass Mehrwert und Wissen entsteht,<br />
zählt auch auf kommunaler Ebene<br />
zu den größten Herausforderungen der<br />
Jetztzeit. Die Merkmale einer zukunftsfähigen<br />
und lebenswerten Stadt – ob<br />
saubere Luft, vernetzte Mobilität, nutzerorientierte<br />
Verwaltungsleistungen,<br />
integrierte erneuerbaren Energien oder<br />
schnelle Reaktionen auf Krisen – werden<br />
nur mit digitalen Lösungen möglich.<br />
Das Kernstück einer kommunalen<br />
IKT-Infrastruktur bilden urbane Datenplattformen.<br />
Die Rede ist dabei von zentralen<br />
Anlaufstellen für Daten aus verschiedenen<br />
Quellen (Behörden-, Internet-of-Things-,<br />
Mobilitäts- und Energiedaten,<br />
offene Daten, kommerzielle<br />
Daten, . . .), um darauf aufbauend<br />
Dienste im Sinne einer Smart City zu<br />
erstellen. „Dabei zeigt sich: Je mehr<br />
digitale Leistungen umgesetzt werden,<br />
desto größer wird der Bedarf nach einer<br />
offenen Datenplattform, um Datensätze<br />
aus unterschiedlichen Systemen zu<br />
aggregieren, harmonisieren und integ-<br />
Eine Unzahl an<br />
Daten mit zahllosen<br />
Ursprüngen so zu<br />
managen, dass<br />
Mehrwert und Wissen<br />
entsteht, zählt<br />
auf kommunaler<br />
Ebene zu den größten<br />
Herausforderungen<br />
der Jetztzeit.<br />
rieren“, sagt Nikolay Tcholtchev, Gruppenleiter<br />
Quality Engineering für<br />
Urbane IKT am Fraunhofer Institut für<br />
Offene Kommunikationssysteme<br />
(Fokus). Gefragt sind laut Tcholtchev<br />
zunehmend Open-Source-Plattformen,<br />
die den Kommunen Datensouveränität<br />
garantieren, während die Weiterentwicklung<br />
und der Austausch über Best<br />
Practices gewährleistet werden. Die<br />
politische Gestaltungsautonomie soll<br />
auch aufgrund der demokratischen<br />
Rechenschaftspflicht bei der Stadt bleiben<br />
und nicht weltweit agierenden IT-<br />
Giganten ohne Kontrolle überlassen<br />
werden.<br />
„Smarter Together“. Fakt ist: Immer<br />
mehr europäische Städte implementieren<br />
und bieten urbane Datenplattformen<br />
an oder befinden sich in der Phase<br />
der Umsetzung. Eine Umfrage der Erasmus<br />
Universität Rotterdam (2021), die<br />
80 europäische Städte umfasste, ergab,<br />
dass 44 Prozent der Städte die Möglichkeit<br />
für den Aufbau einer urbanen<br />
Datenplattform evaluiert haben, 25 Prozent<br />
in der Umsetzungsphase sind und<br />
31 Prozent bereits eine urbane Datenplattform<br />
in Betrieb genommen haben.<br />
Zur letzten Gruppe gehört Wien. In der<br />
Bundeshauptstadt hat man im Rahmen<br />
des gemeinsamen EU-Projekts „Smarter<br />
Together“ der Städte Lyon, München<br />
und Wien zum Thema Smart City Daten<br />
aus Verkehr, Gebäuden und Umweltdaten<br />
erhoben und diese auf der Urban-<br />
Data-Plattform smartdata.wien zur Verfügung<br />
gestellt. Die visualisierten Daten<br />
stehen für die Bevölkerung, die Wirtschaft<br />
und die Wissenschaft zur Nutzung<br />
bereit und können direkt abgefragt<br />
werden. Für Unternehmen wurde<br />
zudem eine gemeinsame Plattform zur<br />
Datenerfassung und zum Datenaustausch<br />
zwischen öffentlichen und privaten<br />
Partnern geschaffen.<br />
Der erwartete Output ist die Realisierung<br />
von Projekten unter aktiver Miteinbeziehung<br />
der Stadtbewohner, insbesondere<br />
im Bereich ökologischer Energie-<br />
und Verkehrsthematiken. Zu den<br />
zentralen Aufgaben von Smarter Together<br />
gehört es zudem, Forschungsergebnisse<br />
und Know-how an internationale<br />
Projekt- und Kooperationspartner weiter<br />
zu vermitteln – ein Wissenstransfer<br />
auf der Basis vernetzter Daten.<br />
29
WIRTSCHAFT IM UMBRUCH<br />
KI-Technologie hat<br />
Marktreife erreicht<br />
Warum viele Unternehmen gleich in doppelter Hinsicht vom Einsatz von<br />
künstlicher Intelligenz profitieren werden, erklärt im Interview Bernhard<br />
Niedermayer, Head of Emerging Technologies bei Cloudflight.<br />
von Christian Lenoble<br />
KI ist in aller Munde, schafft es aber selten bis in die Anwendung<br />
der Unternehmenswelt. Warum soll sich das 2022 ändern?<br />
Bernhard Niedermayer: Weil sich langsam Standards etablieren<br />
und sich neue, konkrete Einsatzmöglichkeiten ergeben.<br />
Die Investitionen in KI-Unternehmen haben sich im vergangenen<br />
Jahr weltweit verdoppelt. Dieser Trend wird auch im<br />
Jahr 2022 weitergehen, die Investments werden weiter wachsen.<br />
Viele KI-Anwendungen, wie etwa automatische Bildbearbeitung,<br />
Vorhersagetechniken und Entscheidungssysteme,<br />
haben das Experimentier- und Prototypen-Stadium verlassen.<br />
Es gibt mittlerweile etablierte Technologien mit einem Ökosystem,<br />
das auf standardisierten Frameworks, Modellen und<br />
Plattformen aufsetzt. Kurz gesagt: KI-Technologie hat am<br />
Markt und in verschiedenen Ökosystemen eine gewisse Reife<br />
erreicht. Dadurch lassen sich KI-Anwendungen in relativ kurzer<br />
Zeit kostengünstig entwickeln und anschließend produktiv<br />
einsetzen. Wir dürfen also in naher Zukunft viele interessante<br />
Business-Implementierungen erwarten.<br />
Welche Technologien stehen in der Poleposition?<br />
Zum Beispiel Natural Language Processing. Natürliche Sprache<br />
– auch in geschriebener Form – dient überall im<br />
Geschäftsleben dem Austausch von Informationen. Dies<br />
beinhaltet Dateien, Lieferscheine und Rechnungen, Finanztransaktionen,<br />
E-Mails, Kundenkommentare, Präsentationen,<br />
Nachrichten, Fachbeiträge und vieles mehr. Unternehmen<br />
werden im Jahr 2022 verstärkt KI dafür einsetzen, um diese<br />
Informationen und die darunterliegende Kommunikation auszuwerten<br />
und daraus resultierende Aktionen zu automatisieren.<br />
Diese automatische Verarbeitung von Sprache bietet<br />
enorme Optimierungspotenziale von Geschäftsprozessen.<br />
Auch Computer Vision ist auf dem Vormarsch. Videokameras<br />
sind mittlerweile preisgünstige „Universalsensoren“, die mit<br />
dahinterliegender KI vielfältige Aufgaben übernehmen. So<br />
kann KI nicht nur Objekte und Personen erkennen, sondern<br />
auch Stimmungen in Gesichtern erfassen und Szenen bewerten.<br />
Kameras können in Produktionsanlagen die Fertigungsqualität<br />
ermitteln und Objekte vermessen. Ein besonderer<br />
Vorteil dabei: Kamerabasierte KI-Anwendungen lassen sich<br />
durch Software-Updates mit neuen Funktionen ausrüsten.<br />
Ganz neue Anwendungsmöglichkeiten bietet KI zudem in<br />
Situationen, die von Tausenden Faktoren abhängen und für<br />
Menschen nicht mehr überschaubar sind. Dazu gehören die<br />
maschinelle Entscheidungsfindung, etwa in der Kreditvergabe<br />
und Risikobewertung, das Finden von neuen Wirkstoffen und<br />
Molekülen in der Medizin oder Strategien für effektive Statik<br />
im Bauwesen sowie Energiemanagement.<br />
Mit welchen Argumenten kann man Unternehmen den Einsatz<br />
von KI schmackhaft machen?<br />
Indem man Unternehmen klar macht, dass sie beim KI-Einsatz<br />
in doppelter Hinsicht profitieren. Zum einen ermöglicht<br />
KI ganz neue Geschäftsmodelle, die Umsatz und Gewinn steigern<br />
können. Andererseits führt die Suche nach Einsatzmöglichkeiten<br />
von KI im eigenen Unternehmen zu einer neuen<br />
Bewertung von Geschäfts- und Entscheidungsprozessen. Häufig<br />
mündet das in zahlreichen Prozessoptimierungen und in<br />
einer umfangreichen Automatisierung. Unternehmen sind<br />
damit widerstandsfähiger und Mitbewerbern einen Schritt<br />
voraus. Dynamik kommt dadurch hinzu, dass mit der Babyboomer-Generation<br />
nun besonders geburtenstarke Jahrgänge<br />
ins Rentenalter kommen und Unternehmen viele etablierte<br />
Experten verloren gehen. Die breite Einführung von KI bietet<br />
jedenfalls in vielen Bereichen enorme Chancen – sei es, dass<br />
anspruchsvollere Aufgaben erledigt werden können oder dass<br />
komplett neue Arbeitsplätze geschaffen werden, die es vorher<br />
so noch gar nicht gegeben hat. Und je häufiger KI eingesetzt<br />
wird, umso geringer werden die Berührungsängste und umso<br />
schneller sind die Vorteile nutzbar.<br />
Infos zu Cloudflight<br />
Cloudflight ist ein Full-Service-Anbieter<br />
im Bereich<br />
der industriellen digitalen<br />
Transformation, mit Fokus<br />
auf KI, Cloud Native,<br />
Embedded-Software-Entwicklung,<br />
Human-Machine<br />
Interface Design, kognitive<br />
Systeme und Headless-<br />
E-Commerce-Lösungen.<br />
Cloudflight unterstützt<br />
Unternehmen bei der<br />
Professionalisierung<br />
ihrer digitalen Prozesse,<br />
Produkte, Services und<br />
Geschäftsmodelle.<br />
30
WERBUNG<br />
Technik trifft Innovation<br />
Foto: Credits: © FH Salzburg/Neumayr & © FH Salzburg/Back<br />
Studium an der FH Salzburg: Komplexes<br />
Know-how für die digitale Transformation.<br />
Ohne sie wäre unser Alltag nahezu undenkbar: Komplexe<br />
IT-Systeme und Informationstechnologien prägen die Welt<br />
von heute. Diese Systeme zu verstehen und zu entwickeln,<br />
bedeutet, die Zukunft aktiv mitzugestalten. Dazu braucht<br />
es nicht nur profundes technisches Wissen, sondern auch<br />
Kreativität und Innovationsgeist. Die IT-Studiengänge der FH<br />
Salzburg bieten mit topaktuellen Inhalten und vielfältigen Entwicklungsmöglichkeiten<br />
dafür die beste Basis.<br />
Digitalisierung verstehen und umsetzen. Im Bachelor Wirtschaftsinformatik<br />
& Digitale Transformation lernen Studierende,<br />
technisches und wirtschaftliches Know-how optimal<br />
zur Entwicklung professioneller IT-Produkte und -Dienstleistungen<br />
zu kombinieren. Sie erlernen dafür die fundierte<br />
Anwendung von Softwareengineering & -development und<br />
erhalten Kompetenzen im Digital Business Management.<br />
„Durch die fortschreitende Digitalisierung, IoT, M2M-Applikationen<br />
und Industrie 4.0 ergibt sich ein zunehmender Bedarf<br />
an wirtschaftskompetenten Informatiker*innen, die als wesentliche<br />
Schnittstelle fungieren. Wir bieten mit unserem Studium<br />
eine bedarfsgerechte Abstimmung zwischen technischen und<br />
wirtschaftlichen Themen“, erklärt Manfred Mayr, wissenschaftlicher<br />
Leiter des Studiengangs.<br />
Designing Digital Economy. Im Wirtschaftsinformatik-Master<br />
entwickeln Studierende nachhaltige Konzepte und Ideen, um<br />
Potenziale der Digitalisierung für Unternehmen zu erschließen.<br />
In ihrer Position – an der Schnittstelle zwischen IT und<br />
Management – sollen sie in Unternehmen neue Geschäftsmodelle<br />
entwickeln und diese vor allem mit Blick auf mögliche<br />
Auswirkungen auf Mensch, Gesellschaft und Umwelt<br />
umsetzen. Schwerpunkte sind neben Data Literacy und<br />
Methoden der Artificial Intelligence, nachhaltige und regionale<br />
Wertschöpfungsmodelle, proaktives Change-Management<br />
und die Reflexion von unternehmerischer Verantwortung. Eine<br />
individuelle Schwerpunktsetzung ermöglichen drei Spezialisierungen:<br />
Networking, Security und Privacy; Digitale Transformation<br />
in Operations und Supply Chain Management und<br />
New Technologies for Applied Artificial Intelligence.<br />
IT-Spezialisten mit Führungskompetenz. Das Studium „Informationstechnik<br />
& System-Management“ vermittelt Wissen<br />
und Fähigkeiten aus dem gesamten Bereich der Informationstechnologie.<br />
In den zukunftsorientierten Vertiefungsrichtungen<br />
Mechatronik, Medieninformatik & Bildverarbeitung und Netzwerk-<br />
& Kommunikationstechnik können Studierende schon<br />
im Bachelorstudium individuell Schwerpunkte setzen. Im darauf<br />
aufbauenden Masterstudium steht die wissenschaftliche<br />
Vertiefung im Vordergrund. Studierende können ihr Studium<br />
nach ihren individuellen Wünschen durch die Wahl von Spezialisierungen<br />
noch stärker selbst gestalten: Durch ein Major-/<br />
Minor-Konzept können sie sich über vier Semester intensiv<br />
einer Spezialisierung widmen oder ihre Kompetenzen in zwei<br />
Spezialisierungen über jeweils zwei Semester schärfen. Dabei<br />
können die Student*innen zwischen den drei Spezialisierungen<br />
Networking, Security & Privacy, Data Science & Analytics<br />
und Smart Systems & Robotics wählen. Das praxisnahe,<br />
marktorientierte Ausbildungskonzept rüstet Studierende für<br />
die Herausforderungen des modernen Arbeitsmarktes und für<br />
leitende Positionen in Entwicklung und Management. Sowohl<br />
der Bachelor- als auch der Masterstudiengang werden im<br />
Vollzeitmodus oder berufsbegleitend angeboten.<br />
Die technischen Studiengänge der FH Salzburg:<br />
✦ Wirtschaftsinformatik & Digitale Transformation (BA)<br />
✦ Business Informatics (MA)<br />
✦ Informationstechnik & System-Management (BA/MA)*<br />
✦ MultiMediaTechnology (BA/MA)<br />
✦ Applied Image and Signal Processing (MA)<br />
✦ Human-Computer Interaction (MA)<br />
✦ Holztechnologie & Holzbau/Holzwirtschaft (BA/MA)<br />
✦ Smart Building und Smart Buildings in Smart Cities (BA/MA)*<br />
BA: Bachelor/MA: Master/*auch berufsbegleitend möglich<br />
www.fh-salzburg.ac.at<br />
31
WERBUNG<br />
MicroLearnings: Schlüssel<br />
zur lernenden Organisation<br />
Lern-App-Spezialist KnowledgeFox steht für nachweislich<br />
wirksame, nachhaltige Wissensvermittlung und motiviert<br />
Anwender:innen mit interaktiven Lernerlebnissen.<br />
Mit der KnowledgeFox-App<br />
am Smartphone lässt sich<br />
das Lernen einfach in den<br />
Alltag integrieren. Die Vorteile:<br />
kleine Einheiten, individuell<br />
angepasste Wiederholungen<br />
und ein unterhaltsames,<br />
interaktives Lernerlebnis.<br />
„MicroLearning“, die gezielte, digitale Wissensvermittlung auf<br />
Basis fundierter neurowissenschaftlicher Erkenntnisse, ist das<br />
Spezialgebiet der KnowledgeFox GmbH. Die Trainings-App stellt<br />
die Motivation der Nutzer:innen in den Mittelpunkt und überzeugt<br />
durch das Zusammenspiel perfekt aufeinander abgestimmter<br />
Bausteine – insbesondere die Aufteilung in kleine Einheiten und<br />
individuell angepasste Wiederholungen – mit einem unterhaltsamen,<br />
interaktiven Lernerlebnis. Das Resultat: Begeisterte<br />
Mitarbeiter:innen, die Weiterbildung gern in ihren (Arbeits-)Alltag<br />
integrieren. KnowlegeFox-CEO Gregor Cholewa erklärt, wie<br />
Betriebe den wachsenden Schulungsbedarf auf digitalem Wege<br />
abdecken und warum erfolgreiches Lernen „Tun“ voraussetzt.<br />
Sie beschäftigen sich seit mehr als 20 Jahren intensiv mit<br />
digitalem Lernen. Was begeistert Sie daran?<br />
KnowledgeFox entstand als Spin-off aus einem Forschungsinstitut.<br />
Schon bevor das erste iPhone 2007 auf den Markt kam, galt<br />
unser Fokus der wissenschaftlichen Untersuchung von mobilem<br />
Lernen und seinen Potenzialen. Aus unseren Studienergebnissen<br />
entwickelten wir die auf wesentlichen Aspekten der Lernpsychologie<br />
und Gehirnforschung basierende Methodik des Microlearnings<br />
und waren 2004 die Ersten weltweit, die zu diesem Thema<br />
publizierten.<br />
Seit rund 15 Jahren setzen wir diese Erkenntnisse in den<br />
zukunftsweisenden Produkten von KnowlegeFox in der Praxis<br />
um. Damals wie heute ist es unsere Mission, den Wissenserwerb<br />
in Organisationen – unabhängig vom Fachbereich oder der<br />
Branche – einfach und wirksam zu gestalten. Unsere langjährige,<br />
umfassende Erfahrung sowie unsere kontinuierlichen Forschungen<br />
erweisen sich hierbei als überaus hilfreich. Mehr als 300.000<br />
Anwender:innen auf vier Kontinenten und 23 Ländern bestätigen<br />
den Erfolg.<br />
Fotocredits: Eva-Katalin:E+:via Getty Images / KnowledgeFox<br />
32
WERBUNG<br />
Welche Veränderungen konnten Sie bei der Wissensvermittlung<br />
in den vergangenen Jahren feststellen und welche Rolle spielt<br />
MicroLearning dabei?<br />
Die Art und Weise, Know-how aufzubauen und weiterzugeben,<br />
befindet sich im Wandel. Die Ursachen liegen einerseits im<br />
rasanten Fortschritt und den sich ständig ändernden Rahmenbedingungen<br />
in allen Wirtschaftszweigen, die lebenslanges Lernen<br />
erfordern. Andererseits ergibt sich durch Pensionierungswellen<br />
und verstärkte Mitarbeiterfluktuation eine Dynamik des Arbeitsmarktes<br />
mit laufendem Schulungsbedarf. Spätestens seit dem<br />
Eintritt der „Digital Natives“ ins Berufsleben sind wir endgültig<br />
in der „digitalen Lernwelt“ angekommen. Die junge Generation<br />
sieht den Gebrauch von Smartphone & Co. als Selbstverständlichkeit<br />
– und dem müssen Betriebe entsprechen. Mit unserer<br />
KnowledgeFox-App im Branding der jeweiligen Firma steht dafür<br />
ein adäquates Tool zur Verfügung. Die Besonderheit von MicroLearning<br />
ist das didaktische Zusammenspiel unterschiedlicher, exakt<br />
aufeinander abgestimmter Bausteine. Dazu gehören kleine Einheiten<br />
mit Fragen, welche auf die folgende Auflösung und Erklärung<br />
neugierig machen. Der erprobte smarte Lernalgorithmus passt<br />
Wiederholungen dem individuellen Wissensstand und Lerntempo<br />
der User an. Interaktive Elemente und die flexible Nutzung selbst<br />
auf mobilen Endgeräten runden das wissenschaftlich fundierte<br />
Gesamtkonzept ab.<br />
Stichwort „Digital Natives“: Wie holen Sie weniger digitalaffine<br />
Mitarbeitende ab? Und wie trägt MicroLearning zu einer effektiven<br />
Ausbildung der gesamten Belegschaft bei?<br />
Durch die einfache, intuitive Handhabung der App gelingt es<br />
sofort, auch „Digital Immigrants“ einzubeziehen und zu begeistern.<br />
Das ist entscheidend, denn internes Wissen wächst und verändert<br />
sich mit rasender Geschwindigkeit – das Personal benötigt daher<br />
einen niederschwelligen Zugang zu relevanten und aktuellen Lerninhalten.<br />
MicroLearning unterstützt bei der raschen Kommunikation, Vermittlung<br />
und Verinnerlichung der neuen Informationen. So lassen<br />
sich beispielsweise Pre- bzw. Onboarding, die Ausbildung von<br />
Fach- und Führungskräften oder Schulungen des Vertriebs sowie<br />
externer Partner erfolgreich digitalisieren. Darüber hinaus fördert<br />
es das für die nachhaltige Festigung von Know-how nötige Engagement,<br />
denn: „Um etwas zu lernen, muss man auch etwas tun.“<br />
Mehr Informationen unter:<br />
www.knowledgefox.net<br />
Gregor Cholewa<br />
erforschte als<br />
einer der Ersten<br />
die Methodik des<br />
MicroLearnings<br />
und gründete 2012<br />
die KnowledgeFox<br />
GmbH.<br />
Etwas fürs Lernen zu tun, ist ein interessanter Ansatz. Was<br />
genau verstehen Sie darunter, und wie motiviert ein Betrieb<br />
seine Mitarbeitenden, die Bildungsangebote zu nutzen?<br />
Eine moderne Lernkultur erfordert die Selbstorganisation der<br />
Beschäftigten, die für ihre Fortbildung weitgehend eigenverantwortlich<br />
sind. Sie verwenden Smartphone, Tablet oder das<br />
Web, um die kurzen Einheiten ortsungebunden zu absolvieren,<br />
zu wiederholen, bei Bedarf zu unterbrechen und später fortzusetzen<br />
– und bestimmen damit ihr Tempo selbst. Zudem sorgen<br />
smarte Features, etwa Erinnerungen oder die Quiz-Funktion<br />
„KnowledgeMatch“, mit der sich Teammitglieder gegenseitig<br />
zum „Foxen“ herausfordern, für die regelmäßige Nutzung und<br />
zufriedene Anwender:innen. Die integrierten Analyse-Tools bieten<br />
einen Überblick über das vorhandene Kursangebot, machen den<br />
Wissenszuwachs messbar und tragen so ebenfalls zur Motivation<br />
bei. Unsere Methodik gilt als „Enabler“, da sie den Mitarbeitendedie<br />
notwendige Flexibilität bei der Erweiterung ihres Know-hows<br />
nachweislich gewährt und sie zum „Tun“ motiviert. Das betrifft<br />
nicht nur das Konsumieren der Inhalte, sondern auch deren<br />
Erstellung.<br />
Wie entstehen die Lerninhalte bei KnowledgeFox, und wie<br />
lange dauert dieser Prozess?<br />
Wie schon erwähnt, lautet die oberste Prämisse bei KnowledgeFox<br />
„Einfachheit“: Von der Integration in die existierende<br />
IT-Landschaft über die Content-Erstellung bis hin zur End User<br />
Experience. Mit unserer webbasierten „Rapid Authoring“-Oberfläche,<br />
einem intuitiv bedienbaren Redaktionssystem, ermöglichen<br />
wir eine schnelle und komfortable Generierung der MicroLearning-Kurse.<br />
Mitarbeiter:innen aus allen Unternehmensbereichen<br />
erlangen bei unseren Content-Partys in wenigen Minuten die<br />
Kompetenz, in der klaren, didaktisch wirksamen Struktur Wissensbausteine<br />
selbst zu erzeugen. Für häufig gefragte Themen<br />
wie Datenschutz, Cybersicherheit oder effektives Delegieren<br />
stehen außerdem Kurs-Templates bereit, die sich out of the box<br />
verwenden oder rasch adaptieren lassen, was zu noch mehr<br />
Unabhängigkeit bei der Content-Erstellung führt. So kann das<br />
„Foxen“ in nur wenigen Tagen beginnen.<br />
33
UNTERNEHMEN IM WANDEL<br />
Österreichische Nationalbibliothek/Hloch<br />
34
UNTERNEHMEN IM WANDEL<br />
Die Bibliothek<br />
als virtueller Raum<br />
in der digitalen Welt<br />
Die Österreichische Nationalbibliothek ist längst<br />
keine klassische Bibliothek mehr. Ein Blick hinter<br />
die Kulissen des digitalen Vorzeigeprojekts.<br />
von Theresa Sophie Breitsching<br />
Die Österreichische Nationalbibliothek<br />
zählt mit ihren wertvollen Beständen<br />
nicht nur zu einer Hüterin der Vergangenheit,<br />
inmitten des digitalen Wandels<br />
ist sie vor allem zu einem Leuchtturmprojekt<br />
für Österreichs Digitalisierung<br />
avanciert und beweist, dass die gestartete<br />
Transformation zum digitalen Wissenszentrum<br />
längst keine Zukunftsmusik<br />
mehr ist. Fast zwei Millionen Ausgaben<br />
historischer Zeitungen, über<br />
eine halbe Million historischer Bücher<br />
und insgesamt weit über eine Viertelmilliarde<br />
Seiten Text wurden in den<br />
letzten Jahren digitalisiert und die analogen<br />
Bestände der Nationalbibliothek<br />
ins digitale Zeitalter übertragen. Jährlich<br />
werden rund drei Millionen Seiten<br />
der Bestände digitalisiert.<br />
Mit der digitalen Bibliothek können<br />
Nutzer auf wertvolle Papyri oder historische<br />
Buchseiten per Klick zugreifen<br />
und zeiteffizient arbeiten. Und während<br />
pro Jahr Hunderttausend Besucher<br />
in den historischen Gemäuern vor<br />
Ort gezählt werden, lädt inzwischen<br />
auch der digitale Raum zum Verweilen<br />
ein. Denn das Haus hat mit Online-<br />
Ausstellungen und digitalen Nachbauten<br />
der Räumlichkeiten die Bibliothek<br />
virtuell erlebbar gemacht.<br />
Die erst im Herbst präsentierte<br />
Vision für 2035 lässt schnell den digitalen<br />
Fokus erkennen. Das Leitmotiv<br />
„Wir öffnen Räume“ versteht dabei das<br />
Öffnen der Räume der Österreichischen<br />
Nationalbibliothek im klassischen<br />
und virtuellen Sinn, die Grenze<br />
zwischen analog und digital wird<br />
immer mehr verschwimmen. Der analoge<br />
Bereich soll trotzdem nicht in den<br />
Hintergrund rücken: „Die analoge Bibliothek<br />
und die digitale Bibliothek<br />
ergänzen einander. Das ergibt sich<br />
allein durch die enge Zusammenarbeit,<br />
wie zum Beispiel beim Digitalisieren<br />
der Bücher – auch wenn die digitale<br />
Bibliothek eine eigene Einheit ist. Es<br />
gibt keinen Schwerpunkt in eine Richtung.<br />
Das eine ohne das andere, das<br />
funktioniert heutzutage nicht. Man<br />
braucht beides“, erklärt Michaela Mayr,<br />
Leiterin der digitalen Bibliothek. Rund<br />
35 Mitarbeiter arbeiten hier an unterschiedlichen<br />
Projekten. Zusätzlich zum<br />
Digitalteam hat die Nationalbibliothek<br />
auch eine eigene IT Abteilung, zu der<br />
es viele Schnittstellen gibt.<br />
Schutzdigitalisierung. Die Digitalisierung<br />
umfasst mehrere Bereiche. Zum<br />
einen den historischen Buchbestand,<br />
35
UNTERNEHMEN IM WANDEL<br />
der nicht nur Druckwerke umfasst,<br />
sondern auch schutzbedürftige, historische<br />
Handschriften oder auch Papyri.<br />
Bei diesen Werken gibt es keine bereits<br />
existierenden PDFs oder digitalen Versionen.<br />
Bei der Schutzdigitalisierung<br />
geht es um die Bestandssicherheit. Die<br />
gefährdeten Objekte werden unter<br />
hohen Vorsichtsmaßnahmen digitalisiert<br />
– daran arbeitet ein eigenes Team<br />
in Räumlichkeiten mit speziellen Scannern<br />
in enger Abstimmung mit den<br />
zuständigen Sammlungen.<br />
Es finden aber auch Massendigitalisierungen<br />
statt, die an Dienstleister<br />
ausgelagert werden. Hierunter fallen<br />
etwa Zeitungen und Zeitschriften für<br />
„anno“, das hauseigene Zeitschriften-<br />
Portal. Außerdem digitalisiert die<br />
Nationalbibliothek auch Kundenaufträge<br />
- „Digitalisierung on demand“ -<br />
wenn bestimmte Digisate aus der hauseigenen<br />
Sammlung etwa zu Forschungszwecken<br />
benötigt werden, die<br />
noch nicht digitalisiert sind oder aus<br />
Urheberrechtsgründen noch nicht<br />
online sind; dabei tritt die Österreichische<br />
Nationalbibliothek allerdings<br />
nicht als klassischer Dienstleister auf.<br />
Gesetzliche Hürden. Die aktuellen<br />
gesetzlichen Bestimmungen legen der<br />
Digitalisierungsoffensive der Nationalbibliothek<br />
einige Hürden in den Weg.<br />
Gesetzlich ist man etwa nicht in der<br />
Lage, ein Druck-PDF zu bekommen. In<br />
Österreich gibt es eine Pflichtablieferung,<br />
das heißt, dass alles, was publiziert<br />
wird, abgeliefert werden muss.<br />
„Vieles erscheint von Haus aus nur<br />
noch digital. Es ist aber momentan so,<br />
dass, wenn es beide Varianten gibt –<br />
gedruckt und digital – die gedruckte<br />
Version Vorrang hat und dann dürfen<br />
wir die digitale Ausgabe nicht sammeln<br />
bzw. muss diese auch nicht abgeliefert<br />
werden“, so Mayr. Druck-PDFs können<br />
daher nicht bezogen werden und die<br />
analoge Ausgabe müsste dann erst eingescannt<br />
werden, um in die digitale<br />
Bibliothek zu kommen.<br />
Es habe auch immer wieder Gesetzesnovellen<br />
gegeben, in denen digitale<br />
Medien aber erst langsam und nicht<br />
vollständig einbezogen wurden. Die<br />
Österreichische Nationalbibliothek kann<br />
etwa sogenannte „born digital“-Dokumente<br />
aus dem Web sammeln, PDF-<br />
Michaela Mayr, Leiterin der digitalen<br />
Bibliothek.<br />
Ein digital verwahrtes<br />
Buch kann – im<br />
Gegensatz zum<br />
analogen Buch –<br />
nicht einfach abgespeichert<br />
und zehn<br />
Jahre verwahrt werden<br />
– hier wird ein<br />
langwieriger,<br />
ressourcenintensiver<br />
Prozess<br />
ausgelöst.<br />
MICHAELA<br />
MAYR<br />
Leiterin der digitalen Bibliothek der<br />
Österreichischen Nationalbibliothek<br />
Dokumente, die auf Websites zum<br />
Download angeboten werden – wie beispielsweise<br />
Rechnungshof-Dokumente,<br />
die dann archiviert werden. Auch<br />
Österreichische Webseiten dürfen seit<br />
2009 archiviert werden. „Wir crawlen<br />
die gesamte .at-Domain. Was aber<br />
E-Books oder Podcasts betrifft, gibt es<br />
leider eine Lücke im Gesetz.“ Publikationen<br />
auf inzwischen sehr populären<br />
E-Book-Plattformen dürfen von der<br />
Österreichischen Nationalbibliothek<br />
nicht gesammelt werden. „Hier werden<br />
sich große Sammlungslücken auftun,<br />
da in dieser Form viel publiziert wird.“<br />
Eine Gesetzesnovelle ist zwar bereits<br />
seit Jahren in Diskussion, aber bisher<br />
nicht umgesetzt worden. Sollte sie<br />
irgendwann doch kommen, ist man<br />
darauf vorbereitet. „Wir setzen hier auf<br />
bestehenden Workflows auf. Die Webarchivierung<br />
und Sammlung von<br />
Online-Publikationen war für uns<br />
damals neu, auch für unsere Abläufe,<br />
da brauchte es Zeit, um ein solches<br />
Projekt umzusetzen. Darauf können<br />
wir nun aufbauen, Synergien nutzen<br />
und ebenfalls existierende Workflows.“<br />
Natürlich werde es in der Dokumentation<br />
immer auch Lücken geben –<br />
etwa, wenn man an den Social-Media-<br />
Bereich denkt, wofür man unendliche<br />
Kapazitäten benötigen würde und eine<br />
lückenlose Aufzeichnung nicht umsetzbar<br />
sei.<br />
Im Visionspapier ist die Archivierung<br />
von digitalen Kommunikationsformen<br />
wie öffentlicher Social-Media-<br />
Kanäle mit Schwerpunkt Politik, Kultur<br />
und Wissenschaft ebenfalls festgehalten.<br />
Es soll sichergestellt werden, dass<br />
auch wesentliche Inhalte auf schnelllebigen<br />
Plattformen gespeichert werden,<br />
um späteren Generationen zur<br />
Verfügung zu stehen und gesellschaftspolitisch<br />
wertvolle Diskussionen der<br />
diversen Kanäle im Internet abbilden<br />
zu können. „Es gibt bestimmte Bereiche,<br />
da ist das absolute Ziel, wenige<br />
Lücken zu haben. Aber bei der Webarchivierung<br />
ist das kein realistisches<br />
Ziel und es geht eher darum, die<br />
wesentlichen Dinge zu dokumentieren.“<br />
Während der analoge Bereich der<br />
Sammlung der Nationalbibliothek zum<br />
Teil in speziellen Tiefspeichern verwahrt<br />
ist, muss man in der digitalen<br />
Foto: ÖNB; ÖNB_Klaus Pichler<br />
36
UNTERNEHMEN IM WANDEL<br />
Ein Blick ins<br />
Archiv der Österreichischen<br />
Nationalbibliothek.<br />
Bibliothek immer auch die ressourcenintensive<br />
Betreuung mitdenken. Ein<br />
abgelegtes, sicher verwahrtes Buch<br />
muss nicht ständig betreut werden –<br />
die digitale Ausgabe hingegen löst<br />
einen Prozess aus. Man braucht Hardund<br />
Software, man braucht Server- und<br />
Speicherkapazitäten und Personal.<br />
Problem Langzeitspeicherung. Ein großes<br />
Thema für die Österreichische<br />
Nationalbibliothek ist die digitale<br />
Langzeitarchivierung. Das Projekt, ein<br />
digitales Langzeitarchiv, das momentan<br />
in Entwicklung ist, soll das sogenannte<br />
Preservation Planning, die Risikoanalyse<br />
und das Monitoring erleichtern.<br />
„Wie muss ich mit diesen Daten umgehen,<br />
damit diese langfristig erhalten<br />
bleiben? Unser Ziel ist es, die gesammelten<br />
Daten so lang wie möglich – im<br />
besten Falle ewig – zugänglich zu halten“<br />
– parallel zu den analogen Sammlungen.<br />
Hier setzt man auf eine Fremdsoftware,<br />
die auf die Erfordernisse der<br />
Österreichischen Nationalbibliothek<br />
maßgeschneidert wurde. Die Zugänge<br />
zu den digitalen Portalen etwa wurden<br />
selbst entwickelt. Auch für Open-<br />
Source-Software, die frei zugänglich ist<br />
und auf welcher die maßgeschneiderte<br />
Software aufgebaut werden kann, ist<br />
man grundsätzlich offen – je nachdem,<br />
was für das konkrete Projekt sinnvoll<br />
erscheint.<br />
Nicht zuletzt ist auch das Thema<br />
Cyber Security nicht wegzudenken.<br />
„Wir haben in der Österreichischen<br />
Nationalbibliothek ein erhöhtes Sicherheitsbewusstsein<br />
durch unsere wertvollen<br />
Bestände. Daher ist man daran<br />
gewöhnt, dass es auch im digitalen<br />
Bereich immer mehr wird. IT-Security<br />
kann niemand mehr ausklammern, das<br />
ist nichts Bibliotheksspezifisches“, so<br />
Mayr.<br />
Schnittstelle zur Forschung. Auch<br />
zukünftig wird das Arbeiten mit Daten<br />
einen noch größeren Stellenwert eingeräumt<br />
bekommen. Hier soll sich die<br />
Österreichische Nationalbibliothek vor<br />
allem als Schnittstelle zur Forschung<br />
positionieren. Ein Teil der Daten wird<br />
bereits im Rahmen der eigenen Open<br />
Data Initiative zur Verfügung gestellt<br />
und soll weiter ausgebaut werden.<br />
Vor einigen Jahren wurden die ÖNB<br />
Labs gegründet, die der Forschung<br />
oder kreativen Köpfen Daten oder<br />
Werkzeuge zur Verfügung stellen sollen.<br />
Dort kann man die digitalen<br />
Bestände und Metadaten zum Forschen<br />
und Experimentieren verwenden. Ausgewählte<br />
Datensets werden dafür für<br />
die Labs eigens aufbereitet. Damit soll<br />
gesammeltes, digital aufbereitetes Kulturgut<br />
vermehrt genutzt werden.<br />
Auf der Website der ÖNB Labs findet<br />
man sehr schnell zu den bereitgestellten<br />
Datensets, wie zum Beispiel zu<br />
„Webarchiv Österreich“. Seit 1. März<br />
2009 wird der „österreichische Webspace“<br />
archiviert. Enthalten ist die<br />
gesamte .at-Domain, inklusive .ac.at<br />
und .gv.at, sowie die Domains .wien<br />
und .tirol. Des Weiteren fließen auch<br />
einige Webseiten ein, die für Österreich<br />
thematisch relevant sind. Das<br />
angebotene Datenset beinhaltet etwa<br />
Metadaten der zwei Millionen gecrawlten<br />
Webseiten. Per Link kommt man zu<br />
Beispielen der Verwendung der Metadaten,<br />
auf denen man wiederum aufbauen<br />
und weitere, eigene Anwendungen<br />
programmieren kann. Der Aspekt<br />
der Kollaboration steht hier im Fokus,<br />
da Nutzer ihre entwickelten Programme<br />
durchaus wieder teilen sollen,<br />
damit wiederum andere mit den Beispielen<br />
weiterarbeiten können.<br />
Das Datenset zu „Historische<br />
Ansichtskarten“ von 1893 bis 1925 bietet<br />
Daten zu 34.800 gescannten Vorderseiten,<br />
die per Public Domain frei zur<br />
Verwendung stehen und die man per<br />
Klick downloaden kann. In Zukunft sollen<br />
– soweit es rechtlich möglich ist –<br />
weitere Datenschnittstellen zur Verfü-<br />
37
UNTERNEHMEN IM WANDEL<br />
In den ehrwürdigen<br />
Mauern<br />
lagern Bücher<br />
und Schriften,<br />
die nun auch digital<br />
zugänglich<br />
sind.<br />
gung gestellt werden und eine ganz<br />
neue Art der Nutzung der Bestände der<br />
Österreichischen Nationalbibliothek<br />
ermöglicht werden.<br />
Oft weiß man bei Open Data nicht,<br />
wer die Daten herunterlädt oder welches<br />
Projekt damit gespeist wird. Aber:<br />
„Was mit den Daten genau passiert, ist<br />
für uns nicht wesentlich. Wir wollen<br />
hier einfach unterstützen, die Daten,<br />
die wir haben zur Verfügung stellen.<br />
Hier sehen wir uns als Service-Einrichtung.“<br />
Mit Start-ups arbeite man derzeit<br />
weniger zusammen - „obwohl wir<br />
uns freuen würden“ – vor allem bei der<br />
klassischen Forschung, wie Universitäten,<br />
Akademie der Wissenschaften<br />
oder Forschungsprojekte aus dem Ausland,<br />
stoßen die ÖNB Labs auf großes<br />
Interesse. Die Österreichische Nationalbibliothek<br />
betreibt auch selbst Forschung<br />
und nutzt ihre Datensätze für<br />
Projekte, etwa um neue Tools anzubieten.<br />
Auch ein neues Schulungszentrum<br />
wird momentan gebaut, wo Informationskompetenz<br />
vermittelt werden<br />
soll. Hier soll künftig etwa erlernt werden,<br />
was verlässliche Quellen sind, was<br />
im digitalen Zeitalter durchaus nicht<br />
immer einfach ist, aber immer wichtiger<br />
wird. Die offizielle Eröffnung wird<br />
im Herbst dieses Jahres stattfinden.<br />
200<br />
Millionen Seiten<br />
wurden im Rahmen<br />
einer Public Private<br />
Partnership mit<br />
Google digitalisiert.<br />
Der Bestand ist sogar<br />
im Volltext<br />
durchsuchbar.<br />
Kooperation mit Google. Die Österreichische<br />
Nationalbibliothek ist neuen<br />
Kooperationen gegenüber sehr aufgeschlossen.<br />
So oder so ähnlich kam es<br />
auch zur Partnerschaft mit Google vor<br />
über zehn Jahren. Über 600.000 urheberrechtsfreie<br />
Werke sind bisher digitalisiert<br />
worden und wurden damit<br />
einem weltweiten Publikum zugänglich<br />
gemacht.<br />
Die Public Private Partnership mit<br />
Google im Rahmen von Austrian<br />
Books Online sei das größte Digitalisierungsprojekt<br />
im Bereich der Massendigitalisierung<br />
der Österreichischen<br />
Nationalbibliothek. „Hier wurde<br />
in den letzten Jahren der gesamte<br />
urheberrechtsfreie Buchbestand digitalisiert<br />
und hat für uns eine wichtige<br />
Schutzfunktion erfüllt“, so Mayr. Die<br />
zu digitalisierenden Werke seien dabei<br />
nach Deutschland gebracht worden,<br />
um gescannt zu werden. „Alle Bücher<br />
sind durch die Hände von Restauratoren<br />
gegangen, bevor sie ans externe<br />
Scanzentrum geschickt wurden, wie<br />
auch noch einmal beim Zurückkommen.<br />
Die lückenlose Kontrolle lief engmaschig<br />
mit den Restaurierungsmaßnahmen<br />
und einer Überprüfung des<br />
Zustands der Bücher.“ Dabei stieß man<br />
auch auf kuriose Zeitzeugen, Fundstücke<br />
wie Briefe, Zeichnungen, Fotografien<br />
oder Visitenkarten von Adligen<br />
und sogar Entlehnscheine anderer Bibliotheken.<br />
Unter den gescannten Werken<br />
befindet sich auch der Prunksaal-<br />
Bestand und die berühmte, aus circa<br />
15.000 Druckschriften bestehende Privatbibliothek<br />
von Prinz Eugen von<br />
Savoyen, seit 2014 Teil vom Unesco-<br />
Verzeichnis „Memory of Austria“.<br />
Foto: ÖNB_Klaus Pichler<br />
38
WERBUNG<br />
Intuitive Bedienoberflächen für eine<br />
mühelose Mensch-Maschine-Interaktion<br />
Lenzes neue webbasierte Lösung<br />
für Maschinenvisualisierung vereint<br />
Anforderungen von Anwendern und OEMs.<br />
Foto: beigestellt<br />
Die Funktionsvielfalt einer Maschine ist heute wichtig für<br />
den Vertriebserfolg. Doch gewichtiger ist die Frage, ob der<br />
Anwender die zunehmende Komplexität beherrschen kann.<br />
So ist eine bedienerfreundliche Visualisierung entscheidend<br />
für die Kundenzufriedenheit – doch um sie zu erstellen,<br />
braucht der Maschinenbauer das richtige Werkzeug.<br />
Die Anforderungen an eine moderne Bedienoberfläche<br />
haben sich in den vergangenen Jahren stark gewandelt.<br />
Experten sprechen von „Consumerization“ und meinen<br />
damit, dass Anwender im geschäftlichen Kontext zunehmend<br />
eine ähnliche Funktionalität voraussetzen wie im privaten<br />
Bereich. Maßgeblich sind hier die täglichen Erfahrungen<br />
bei der Nutzung von Smartphones oder Tablets. So erwarten<br />
Nutzer heute mobilen Zugriff auf die Anwendungen, eine<br />
intuitive Nutzerführung und Features wie Gestensteuerung,<br />
Multi-Touch-Funktionalität und Mehrsprachigkeit.<br />
Benutzerfreundliche Visualisierung. Für diese Klientel bietet<br />
Lenze eine Lösung, die einfach anzuwenden ist und die<br />
Basis dafür liefert, den Ansprüchen der Anwender in puncto<br />
benutzerfreundlicher Visualisierung gerecht zu werden. Die<br />
Lösung umfasst den EASY UI Designer, eine Anwendung für<br />
Windows-Rechner, die vorgefertigte Bedienelemente sowie<br />
Vorlagen für komplette Seiten enthält. Und dabei völlig frei<br />
bei Größe, Auflösung und Ausrichtung des Displays ist. Die<br />
Web-Visualisierung kann im Responsive-Design projektiert<br />
werden, das sich dem verfügbaren Bildschirm anpasst – und<br />
zudem den flexiblen Einsatz mobiler Endgeräte ermöglicht.<br />
OEM-freundliche Umsetzung. Der EASY UI Designer bringt<br />
bereits eine Reihe von Vorlagen mit, beispielsweise für<br />
die Benutzerverwaltung, das Alarmsystem oder auch die<br />
Rezeptverwaltung. Für die Entwicklung setzt Lenze auf<br />
fachkundige Unterstützung einer Spezialistin für UX-Design.<br />
Julia Jürgens, promovierte Usability-Expertin, achtet auf<br />
zeitgemäße, einfach nutzbare Elemente und Seitenvorlagen.<br />
Zugleich sind die Vorlagen so konzipiert, dass der OEM sie<br />
schnell an seine Corporate Identity und Bedürfnisse anpassen<br />
kann. Mit eigenem Logo, der zugehörigen Farbgebung<br />
sowie spezifischen Elementen in der Kopf- und Fußleiste der<br />
Oberfläche lässt sich die Maschinenvisualisierung individualisieren.<br />
Lenze bietet inzwischen eine ganze Palette an Werkzeugen,<br />
die das digitale Engineering unterstützen. Darunter<br />
den EASY System Designer (ESD), um die grundlegende<br />
„Consumerization“. Eine bedienerfreundliche Visualisierung<br />
ist heute entscheidend für die Kundenzufriedenheit.<br />
Maschinen-Topologie zu erstellen, den PLC Designer zur<br />
automatisierten Erstellung der Steuerungssoftware oder den<br />
EASY Product Finder (EPF), der die Auswahl der Komponenten<br />
vereinfacht und den Warenkorb befüllt. Langfristige<br />
Strategie des Automatisierungsherstellers Lenze ist es, diese<br />
Anwendungen zu einer Tool-Chain zu vereinen, sodass der<br />
Engineering-Prozess einer Maschine noch effizienter wird.<br />
Auf Basis der Asset Administration Shell (AAS, auch Verwaltungsschale<br />
oder digitaler Zwilling genannt) können so in<br />
Zukunft aus dem ESD heraus die nötigen Informationen für<br />
das zugehörige Visualisierungsprojekt automatisiert in den<br />
EASY UI Designer übernommen werden.<br />
Gesicht zum Kunden. Die Bedienoberfläche ist das Gesicht<br />
der Maschine gegenüber dem Kunden. Eine zeitgemäße und<br />
intuitive Visualisierung mit hoher User Experience sichert die<br />
reibungslose Mensch-Maschine-Interaktion. Sie unterstützt<br />
den Anwender dabei, die Funktionsvielfalt zu beherrschen<br />
und im Fehlerfall schnell Abhilfe schaffen zu können. Mit<br />
dem Umstieg auf Web-Technologien werden OEMs diesen<br />
Anforderungen gerecht.<br />
Doch Maschinenbauer sollten sich nicht allein damit zufriedengeben.<br />
Denn eine professionelle UX-Gestaltung und<br />
die fortschreitende Integration ins digitale Engineering, die<br />
eine höhere Effizienz in der Entwicklung ermöglicht, bieten<br />
den entscheidenden Mehrwert. Lenze unterstützt bei der<br />
Realisierung benutzerzentrierter Visualisierungslösungen.<br />
Kernelemente sind webbasierte Client-Server-Architekturen,<br />
Parametrierbarkeit der dargestellten Oberflächen und eine<br />
Bibliothek von vorbereiteten Visualisierungselementen, die<br />
nach Usability-Prinzipien gestaltet sind.<br />
39
UNTERNEHMEN IM WANDEL<br />
Beide Seiten haben von der Zusammenarbeit<br />
profitiert. Google durch den<br />
Zugang zum einzigartigen Bestand der<br />
Österreichischen Nationalbibliothek<br />
und diese wiederum hätte das enorme<br />
Vorhaben aus komplett eigenen Mitteln<br />
so nicht finanzieren können, wovon<br />
wieder die Nutzer profitieren.<br />
Rechte an den Büchern hat Google<br />
dabei keine erworben, digitalisiert<br />
wurde ausschließlich der bereits urheberrechtsfreie<br />
Buchbestand der Bibliothek<br />
vom Beginn des 16. bis zur zweiten<br />
Hälfte des 19. Jahrhunderts. In<br />
Österreich erlischt das Urheberrecht<br />
literarischer Werke 70 Jahre nach dem<br />
Tod des Verfassers. Nur wenige Werke<br />
mit besonderem Wert oder die aufgrund<br />
von Beschaffenheit oder Größe<br />
nicht transportgeeignet waren, waren<br />
vom Projekt ausgeschlossen.<br />
In den Lesesälen der ÖNB<br />
finden Studierende Ruhe.<br />
Millionen. Ganze 200 Millionen Seiten<br />
wurden digitalisiert und zusätzlich ist<br />
der Bestand per OCR – Optical Character<br />
Recognition, optische Zeichenerkennung<br />
– nun im Volltext durchsuchbar.<br />
Damit ist es dem Leser nicht<br />
nur möglich, in Sekundenschnelle an<br />
Information zu kommen, sich Bücher<br />
im Viewer anzeigen zu lassen, sondern<br />
auch ganze Buchseiten als PDF herunterzuladen.<br />
Die Digitalisate sind<br />
dabei kostenfrei zugänglich für jeden,<br />
der Interesse an einem urheberrechtsfreien<br />
Buch aus der Sammlung der<br />
Österreichischen Nationalbibliothek<br />
hat – und dies entweder direkt in der<br />
digitalen Bibliothek oder bei Google<br />
Books.<br />
Wer etwa zuvor ein Buch der<br />
200.000 Bücher aus dem Prunksaal<br />
ausheben wollte, musste dieses erst<br />
einmal vorbestellen und dann nach der<br />
Information im Buch suchen müssen –<br />
das fällt dank der Partnerschaft mit<br />
Google komplett weg.<br />
Durch die Zusammenarbeit der<br />
Österreichischen Nationalbibliothek<br />
mit dem Google Cultural Institute kann<br />
man den Prunksaal überdies jederzeit<br />
per virtuellem Spaziergang online<br />
besichtigen. Ebenso wie man, wo auch<br />
immer man sich auf der Welt befindet,<br />
in der Volltextsuche den Gesamtbestand<br />
online durchsuchen kann.<br />
„Das eröffnet so viele neue Möglichkeiten,<br />
gerade im Feld der Forschung,<br />
für die wir unsere Datenbestände gern<br />
hergeben. Es geht auch zukünftig weg<br />
von der Recherche in Einzelbüchern,<br />
über Datenanalyse, teilweise per<br />
Machine-Learning-Technologie, sollen<br />
komplette Bestände untersucht werden.<br />
Hier hat das Projekt mit Google<br />
eine sehr wichtige Basis für uns<br />
geschaffen. Und wir können darauf aufbauen<br />
und mit den Daten weiterarbeiten.<br />
Das wäre sonst nicht möglich<br />
gewesen.“<br />
Auch an der Österreichischen Nationalbibliothek<br />
als Schatzmeister des<br />
Kulturguts von Österreich und damit<br />
auch Spiegel der Gesellschaft, ist die<br />
voranschreitende Digitalisierung der<br />
letzten Jahre nicht spurlos vorübergezogen.<br />
Auf der einen Seite dadurch<br />
bedingt, dass es Generationen gibt, die<br />
rein digital aufgewachsen sind, andererseits<br />
durch das Hereinbrechen der<br />
Pandemie, haben sich die Arbeitsweisen<br />
auch innerhalb der Österreichischen<br />
Nationalbibliothek verändert.<br />
Home-Office und Remote Working<br />
haben in jenen Abteilungen, in denen<br />
es möglich ist, Einzug gehalten. In der<br />
IT-Abteilung und im Digitalteam wird<br />
inzwischen teils ortsungebunden<br />
gearbeitet. Hier helfen auch digitale<br />
Tools, wie zum Beispiel Kollaborationstools<br />
von Microsoft. Aber auch im<br />
analogen Bereich versuche man sich<br />
unabhängiger aufzustellen. Neben digitalen<br />
Kontaktmöglichkeiten über Chats<br />
soll verstärkt auf hybride Formate<br />
gesetzt werden. Schulungen müssten<br />
zukünftig nicht zwangsweise vor Ort<br />
stattfinden.<br />
„Oft kommt die Frage, ob wir die<br />
Bibliothek und Lesesäle irgendwann<br />
zusperren. Das wird nicht passieren.<br />
Wir sehen, dass die analogen Räume<br />
sehr gut genutzt werden.“ Und das auch<br />
während der Coronapandemie. Wurden<br />
im Jahr 2019 die analogen Lesesäle noch<br />
von fast 200.000 Besuchern genutzt,<br />
waren es 2021 zwar nur knapp über<br />
80.000. Das Interesse an den Inhalten<br />
der Österreichischen Nationalbibliothek<br />
hat dabei aber nicht nachgelassen,<br />
sondern sich verstärkt in den digitalen<br />
Bereich verlagert. Das zeigen auch die<br />
Daten zu den digitalen Abfragen in den<br />
Online-Katalogen und Datenbanken:<br />
30,1 Millionen Abfragen in den Online-<br />
Katalogen im letzten Jahr stehen zu 24,7<br />
Millionen Abfragen vor der Pandemie.<br />
„Man kann digital und analog nicht<br />
mehr trennen, es greift inzwischen ineinander.<br />
So wie sich auch die analoge<br />
und die digitale Bibliothek immer mehr<br />
vermischt. Beides ist wichtig“, so Mayr.<br />
Foto: ÖNB_Klaus Pichler<br />
40
WERBUNG<br />
Mit einem Klick<br />
können Nutzer ihre<br />
Projektdaten direkt<br />
in Eplan eView<br />
publizieren und für<br />
definierte Stakeholder<br />
zugänglich<br />
machen.<br />
Eplan eManage: Einfach Projekte in die<br />
Cloud hochladen, teilen und verwalten<br />
Foto: Eplan Software & Service GmbH & Co. KG<br />
Die digitale Transformation im Engineering<br />
schreitet voran. Im Rahmen seiner Cloud-<br />
Services bietet Eplan einen Service für die<br />
projektübergreifende Kollaboration. Mit Eplan<br />
eManage lassen sich Projekte der Eplan<br />
Plattform in die Cloud-Umgebung hochladen<br />
und dort teilen und verwalten.<br />
Innovative Cloud-Services und die Systeme der Eplan Plattform<br />
rücken mit Eplan eManage noch enger zusammen: Die<br />
cloudbasierte Software ermöglicht den einfachen Upload von<br />
Projekten aus der Eplan Plattform und dem Webbrowser in<br />
die sichere Cloud-Umgebung von ePulse.<br />
Projektübergreifende Kollaboration. Mit Eplan eManage lassen<br />
sich Projekte einfach in die Cloud hochladen, verwalten und<br />
teilen. Da das heutige Ökosystem der industriellen Automatisierung<br />
von vielen Medienbrüchen bei der Bearbeitung<br />
und Übergabe von Dokumentationen geprägt ist, liegen<br />
die Vorteile auf der Hand: Die Systeme der Eplan Plattform<br />
in Verbindung mit dem neuen Cloud-Dienst werden<br />
Steuerungs- und Schaltanlagenbauer, OEMs und Systemintegratoren<br />
sowie Betreiber von Maschinen und Anlagen<br />
vernetzen. Sie alle arbeiten in einem zentralen Projekt, das<br />
über eManage im Roundtrip-Engineering mit der Eplan<br />
Plattform synchronisiert werden kann. Klare Zugriffsrechte<br />
per Rollenverteilung sorgen für Datensicherheit und geben<br />
Flexibilität für den Zugriff auf Projekte. Anwender von Eplan<br />
Electric P8 und Eplan Pro Panel profitieren bereits jetzt von<br />
durchgängigen Prozessen: Sie können ihre Projekte bequem<br />
in die Cloud hochladen und zur weiteren Bearbeitung wieder<br />
an die Eplan Plattform übergeben.<br />
Direkte Datenübergabe an Eplan eView. Mit nur einem Klick<br />
können Nutzer ihre Projektdaten auch direkt in Eplan eView<br />
publizieren. Auf diese Weise können ganze Projekte von<br />
definierten Stakeholdern eingesehen und kommentiert<br />
werden. Damit lassen sich auch unternehmensübergreifende<br />
Review-Prozesse digital umsetzen. Und durch die zentrale<br />
übersichtliche Verfügbarkeit in der Cloud unterstützt eManage<br />
Projektbeteiligte auch bei der schnellen Suche nach<br />
bestimmten Inhalten.<br />
Synchronisierte, aktuelle Daten. Mit Eplan eManage wird das<br />
Eplan-Projekt mit allen Prozessbeteiligten synchronisiert.<br />
Änderungen im Projekt sind für alle Beteiligten ersichtlich.<br />
Die Projektdokumentation ist immer aktuell – über den<br />
gesamten Produktlebenszyklus hinweg bis in den Betrieb<br />
und Service-Szenarien.<br />
Mehr Infos unter: https://www.eplan.at/loesungen/<br />
eplan-loesungen/eplan-emanage/<br />
41
42<br />
UNTERNEHMEN IM WANDEL
UNTERNEHMEN IM WANDEL<br />
Vom Leitz-Ordner<br />
zum Enterprise<br />
Content Management<br />
Wenn Wissen im Unternehmen verloren geht, kostet das viel Geld. Um im<br />
Systemdschungel den Überblick zu behalten, braucht es einen CDO.<br />
von Theresa Sophie Breitsching<br />
GettyImages_mrPliskin<br />
ährend Dokumente heute vorwiegend<br />
digital abgespeichert werden, ist der<br />
klassische Aktenordner trotzdem noch<br />
fixer Bestandteil eines jeden Arbeitsplatzes.<br />
Die Erfindung von Louis Leitz<br />
Ende des 19. Jahrhunderts – daher auch<br />
„Leitz-Ordner“ – ließ die gleichnamige<br />
Firma mehrere Jahrzehnte hindurch<br />
einen Umsatzrekord nach dem anderen<br />
sammeln und vor allem in den 1980er-<br />
Jahren boomen. 1996 wurde der erste<br />
elektronische Leitz-Ordner für digitales<br />
Dokumentenmanagement und elektronische<br />
Archivierung entwickelt,<br />
kurz: ELO. Nur zwei Jahre später, gründete<br />
Karl Heinz Mosbach, IT-Leiter bei<br />
Leitz, die ELO Digital Office GmbH.<br />
Und das, obwohl damals niemand<br />
daran glaubte, dass sich die elektronische<br />
Dokumentenablage durchsetzen<br />
würde. Bis heute spezialisiert sich das<br />
Unternehmen auf Wissensmanagement<br />
und zählt zu den führenden Softwareunternehmen<br />
im Enterprise-Content-<br />
Management, mit über 750 Mitarbeitern,<br />
Firmensitz in Stuttgart und vierundzwanzig<br />
Standorten in Europa,<br />
Nordamerika, Asien oder Australien –<br />
Karl Heinz Mosbach ist auch heute<br />
noch an Board.<br />
„Zu Beginn arbeiteten acht Mitarbeiter<br />
bei ELO Digital Office, die an dieselbe<br />
Sache geglaubt haben. Heute<br />
31,5<br />
Milliarden US-Dollar<br />
pro Jahr verlieren allein<br />
die Top-<br />
500-Unternehmen<br />
weltweit durch unzureichenden<br />
Wissenstransfer.<br />
Studie der International<br />
Data Corporation<br />
700“, so Max Raber, Geschäftsbereichsleiter<br />
von ELO Digital Office AT. Einer<br />
der ältesten Standorte von ELO Digital<br />
Office befindet sich seit fast fünfzehn<br />
Jahren in Österreich, in Linz. Über 300<br />
IT-Entwickler arbeiten an der Software<br />
von ELO Digital Office. „Hauptaugenmerk<br />
ist es, dass die Mitarbeiter das<br />
System auch bedienen möchten und<br />
mit Wissen füllen wollen“ – ein Dokumentenmanagement-System<br />
ist nur so<br />
gut, wie es von den Mitarbeitern auch<br />
angenommen wird, ganz gleich wie viel<br />
gute Technik drin steckt. Beim Enterprise-Content-Management<br />
von ELO<br />
Digital Office dreht sich alles um das<br />
smarte Management von Dokumenten,<br />
Daten und Informationen, der virtuellen<br />
Zusammenarbeit, der Prozessoptimierung,<br />
der Volltextsuche nach Informationen<br />
im Firmennetzwerk und dem<br />
On- und Offboarding von Mitarbeitern,<br />
einer der größten Schwachstellen in<br />
Unternehmen.<br />
Und der Markt ist riesig, verlieren<br />
doch allein die Top-500-Firmen weltweit<br />
bis zu 31,5 Milliarden US-Dollar<br />
pro Jahr durch unzureichenden Wissenstransfer.<br />
Beispiele sind etwa die<br />
Pensionierung oder die Kündigung<br />
eines Mitarbeiters. Hier setzt ELO<br />
Digital Office an: Videos speichern<br />
43
UNTERNEHMEN IM WANDEL<br />
wertvolle Informationen oder Erklärungen<br />
als generelles Firmenwissen ab<br />
und können jederzeit abgespielt werden.<br />
On- und Offboarding laufen daher<br />
parallel ab.<br />
Lob und Anerkennung. Langjähriger<br />
Kunde von ELO Digital Office AT sind<br />
etwa die Wiener Linien. Das Verkehrsunternehmen<br />
baut und betreibt das<br />
U-Bahn-Netz sowie Autobus- und Straßenbahnlinien<br />
in Wien. Mit den Business<br />
Solutions von ELO soll Wissen<br />
der Firmenwerkstatt digital aufbereitet<br />
werden. Da geht es etwa um den<br />
Betrieb von diversen Maschinen, deren<br />
Bedienung im hausinternen Onlinesystem<br />
hinterlegt werden soll. Ein neuer<br />
Mitarbeiter kann dann in der Einschulung<br />
auf die Inhalte zugreifen.<br />
Damit die Mitarbeiter angehalten<br />
werden, ihr Wissen zu teilen, setzt Max<br />
Raber auch auf Lob und Anerkennung,<br />
denn „gelebtes Wissensmanagement<br />
soll honoriert werden“. Mitarbeiter<br />
können auch direkt über die ELO Software<br />
gelobt werden – sofern diese<br />
Funktion in der Software eingebaut<br />
wird. Bisher sei diese Option von Firmen<br />
noch nicht ausgeschöpft worden.<br />
„Obwohl im Lob ein unglaubliches<br />
Potenzial steckt.“ Raber empfiehlt<br />
Unternehmen, nicht nur im Offboarding<br />
Inhalte aufzunehmen, sondern<br />
bereits beim Onboarding: „Neue Mitarbeiter<br />
sehen Dinge, die andere<br />
nicht – oder nicht mehr – sehen.“<br />
Während Verwaltungsmitarbeiter<br />
weniger digitale Berührungsängste<br />
haben, seien Werkstattmitarbeiter tendenziell<br />
eher kamerascheu. „Dann<br />
muss man sich die Zeit nehmen, zu<br />
erklären, wieso man es machen soll,<br />
wie es genau funktioniert und was es<br />
am Ende bringt.“ Man findet immer<br />
einen Weg, wenn man den Mitarbeiter<br />
ins Zentrum stellt und ihm zuhört,<br />
meint Raber.<br />
Informationsflut. Ein neunköpfiges<br />
Team in Wien arbeitet seit über einem<br />
Jahr ebenfalls an einer Lösung fürs Onund<br />
Offboarding von Mitarbeitern für<br />
Das Team von HuForce<br />
hat eine intelligente<br />
Suchmaschine entwickelt.<br />
44<br />
Prozent der 2500<br />
größten börsennotierten<br />
Unternehmen<br />
in der D-A-CH-<br />
Region haben einen<br />
CDO-Posten geschaffen,<br />
Tendenz<br />
steigend.<br />
Studie von<br />
Strategy& von PwC<br />
Kunden aus dem IT-Bereich und der<br />
Beratung. „Das Thema Wissenstransfer<br />
ist der größte Pain, den ich beim<br />
Berufseinstieg selbst erlebt habe“, so<br />
Software-Entwickler und Gründer Jan<br />
Schweiger, der mit HuForce – Human<br />
Force, menschliche Kraft – eine intelligente<br />
Suchmaschine entwickelt hat, um<br />
schnellstmöglich an Informationen im<br />
Firmennetzwerk zu kommen. „Ich war<br />
schüchtern und wusste nicht, wo was<br />
abgelegt ist oder wie ich an Infos<br />
komme, wollte aber meine Kollegen<br />
nicht aus dem Arbeitsflow reißen“. Das<br />
Onboarding kostet Firmen viel Zeit<br />
und Geld, da Mitarbeiter die Aufgabe<br />
der Einschulung zusätzlich zum täglichen<br />
Arbeitspensum übernehmen müssen.<br />
HuForce funktioniert wie eine Suchmaschine<br />
über alle verknüpften Unternehmenstools<br />
und Mitarbeiter hinweg<br />
– ob die Information in SharePoint,<br />
Google Drive, Microsoft Teams, Git-<br />
Lab, Slack oder noch im Kopf eines<br />
Kollegen steckt.<br />
„Wenn man neu im Unternehmen<br />
startet und wissen möchte, wie das<br />
Home-Office funktioniert, durchsucht<br />
HuForce das firmeninterne Wissen<br />
und liefert dir – ähnlich wie bei Google<br />
– die relevantesten Resultate“, so<br />
Schweiger. „Angenommen, es gibt die<br />
Information noch nicht, ermitteln wir<br />
Beigestellt<br />
44
UNTERNEHMEN IM WANDEL<br />
einen geeigneten Experten aus dem<br />
Unternehmen, der die Frage beantworten<br />
kann. Wissensmanagement darf<br />
Mitarbeitern nicht zusätzlich Zeit kosten.“<br />
Dabei versteht sich HuForce nicht<br />
als Dokumentationstool, vielmehr wird<br />
bereits vorhandenes Wissen genutzt,<br />
das über die verwendeten Firmen-Tools<br />
hinweg verstreut ist. Im Durchschnitt<br />
verwende ein Mitarbeiter bis zu neun<br />
Tools im Arbeitsalltag – daher drohe<br />
auch ein immenser Zeitverlust, wenn<br />
man auf der Suche nach einer Information<br />
ist und nicht mehr weiß, wo man<br />
sie findet.<br />
„Wenn ich Wissensmanagement im<br />
Unternehmen einführen möchte, muss<br />
ich entweder auf ein zentrales Tool setzen,<br />
was viel Arbeit bedeutet – oder ich<br />
nutze die Unternehmenssuche nach<br />
bestehendem Wissen, das einfach nur<br />
auffindbar gemacht werden muss.“ Ein<br />
Vorteil von HuForce im Wettbewerb<br />
ist, dass das Unternehmen keine Daten<br />
speichert und die Suchanfrage direkt<br />
an die diversen Software-Management-<br />
Systeme stellt. Damit ist auch sichergestellt,<br />
dass ein Mitarbeiter in Share-<br />
Point, der eine Suche startet, auch nur<br />
jene Dokumente erhält, für die er auch<br />
Zugriff hat.<br />
Schweiger beobachtet ein Umdenken<br />
im Wissensmanagement. „In Österreich<br />
war das Thema eher negativ<br />
behaftet, weil es oft nicht den Wert<br />
geliefert hat, den es versprochen hat.“<br />
Gespräche mit Top-Managern bei A1<br />
oder APA-IT hätten gezeigt, dass Wissensmanagement<br />
Mitarbeitern nicht<br />
zusätzlich Zeit rauben darf und einen<br />
persönlichen Nutzen haben muss. Größere<br />
Unternehmen hätten oft schon<br />
einen dezidierten Wissensmanager,<br />
meint Schweiger. Sofern die personellen<br />
Ressourcen fehlen, müsste jemand<br />
aus dem Team diesen Aufgabenbereich<br />
dazunehmen.<br />
In Österreich setzen Firmen im Rahmen<br />
der Digitalisierung vermehrt auf<br />
einen Chief Digital Officer, der sich um<br />
die strategische Ausrichtung des<br />
Unternehmens kümmern soll. Das<br />
Christoph Strasser, Anwalt<br />
in Österreich und Inhaber<br />
der Kanzlei 42Law.<br />
In Wirklichkeit<br />
ist Digitalisierung<br />
ein Mannschaftssport.<br />
Ein CDO<br />
kann Impulse<br />
setzen und Köpfe<br />
zusammenbringen.<br />
Das Berufsbild wird<br />
sich aber weiter<br />
verändern.<br />
MICHAEL GHEZZO<br />
Gründer von confare<br />
belegt auch eine großangelegte Studie<br />
von Strategy& von PwC: So hat in<br />
Europa über ein Drittel der 2500 größten<br />
börsennotierten Unternehmen<br />
einen CDO-Posten geschaffen, in der<br />
D-A-CH-Region sind es sogar 44 Prozent<br />
– Tendenz steigend. Die Umfrage<br />
wurde kurz vor Pandemie-Beginn veröffentlicht,<br />
daher kann man davon ausgehen,<br />
dass die letzten zwei Jahre hier<br />
noch einmal für einen Boost gesorgt<br />
haben. Auch die fachlichen Anforderungen<br />
haben sich in den letzten Jahren<br />
verändert, vor allem strategisches<br />
Branchen- und IT-Know-how gewinnt<br />
an Bedeutung, während die Digitalchefs<br />
vor 2019 noch großteils aus dem<br />
Marketingbereich kamen.<br />
„Die CDO-Ebene kam anfangs dort<br />
dazu, wo es Chief Information Officer<br />
nicht geschafft haben, als Business-<br />
Treiber wahrgenommen zu werden.<br />
Eine gar nicht so neue Schnittstelle<br />
zwischen Technologie und Business,<br />
um die Digitalisierung ins Unternehmen<br />
einzugliedern“, weiß Michael<br />
Ghezzo, Gründer von confare, einer<br />
Netzwerkplattform für CIOs und Digitalentscheider,<br />
die den CIO Summit in<br />
Österreich, Deutschland und der<br />
Schweiz ausrichtet. Dieses Jahr fand<br />
der Summit zum bereits fünfzehnten<br />
Mal in Österreich statt. Fünfzehn Jahre,<br />
in denen sich viel verändert hat – vor<br />
allem die anfängliche Skepsis gegenüber<br />
der Digitalisierung ist gewichen.<br />
„Die Automatisierung, die in Wahrheit<br />
immer schon betrieben wurde, wird<br />
den Mensch wegrationalisieren vom<br />
Arbeitsmarkt, war die große Befürchtung.<br />
Und bis zu einem gewissen Grad<br />
wurden die Arbeitskräfte natürlich eingespart,<br />
aber so konnten sie effizienter<br />
in andere Dinge fließen, wo sie mehr<br />
gebraucht wurden“, meint Ghezzo.<br />
Einer für alle. „In Wirklichkeit ist die<br />
Digitalisierung ein Mannschaftssport.<br />
Ein CDO kann Impulse setzen und<br />
Köpfe zusammenbringen. Das Berufsbild<br />
wird sich aber weiter verändern.“<br />
Die Unterscheidung zwischen Chief<br />
Digital Officer und Chief Information<br />
45
UNTERNEHMEN IM WANDEL<br />
Officer ist oft auch nicht klar abgetrennt.<br />
Während ein CDO als Stratege<br />
die digitalen Agenden vorantreiben<br />
soll, ist der CIO für die konkrete<br />
Umsetzung verantwortlich. Eine Trennung<br />
ist nicht immer ganz einfach.<br />
Daher glaubt Ghezzo, dass es in<br />
Zukunft eher einen CDIO geben wird<br />
müssen. „Das kann sonst zu Konflikten<br />
führen auf Kosten eines produktiven<br />
Zusammenarbeitens. Überhaupt muss<br />
in Zukunft die Trennung zwischen IT<br />
und Business an Bedeutung verlieren,<br />
damit sich Österreichs Unternehmen<br />
klar digital positionieren können. Denn<br />
welches Unternehmen wird ohne digitale<br />
Komponente auskommen?“<br />
Ghezzo sieht bei Österreichs Unternehmen<br />
noch die große Hürde der<br />
Akzeptanz der Digitalisierung. „Für<br />
viele ist Digitalisierung damit gegessen,<br />
dass Zoom etabliert wurde und<br />
dass nun digitale Meetings abgehalten<br />
werden, statt dass man sich trifft. Das<br />
ist aber nicht ausreichend.“ Oft stünden<br />
sich Österreichs Klein- und Mittelständler<br />
auch selbst im Weg. Wenn ein<br />
Unternehmen mit etwas erfolgreich<br />
geworden ist, bedeutet das nicht<br />
zwangsweise, dass man auch in<br />
Zukunft damit erfolgreich bleibt. Vielmehr<br />
müsse man sich fragen: Was kann<br />
das Unternehmen bewusst anders<br />
machen? Um eben diesen Blick aufs<br />
Digitale immer neu zu denken, dafür<br />
braucht es eine starke Digitalstrategie<br />
– und einen CD(I)O, so Ghezzo. „Diese<br />
werden zukünftig in Unternehmen<br />
noch eine viel stärkere Vorbildrolle<br />
einnehmen. An den Digitalchefs kann<br />
und soll man sich orientieren können:<br />
Sie arbeiten anders, haben flache Hierarchien,<br />
setzen auf agile und moderne<br />
Arbeitsweisen – da können sich andere<br />
Abteilungen vieles abschauen. Letzten<br />
Endes sind sie digitale Leuchttürme<br />
fürs Unternehmen.“<br />
Max Raber, Geschäftsbereichsleiter<br />
von ELO<br />
Digital Office AT.<br />
Ein Dokumentenmanagement-System<br />
ist nur so gut,<br />
wie es von den Mitarbeitern<br />
auch angenommen<br />
wird,<br />
ganz gleich, wie viel<br />
gute Technik drin<br />
steckt.<br />
MAX RABER<br />
Geschäftsbereichsleiter<br />
ELO Digital Office AT<br />
Digitale Kanzlei. Mit dem Thema<br />
Wissensmanagement setzten sich langsam<br />
auch Berufssparten ausewinander,<br />
die zuvor wenig digital aufgestellt<br />
waren – so auch Österreichs Anwälte.<br />
In anderen Ländern ist die Digitalisierung<br />
weiter fortgeschritten. „In US-<br />
Kanzleien ist effizientes, digitales<br />
Knowledge-Management schon sehr<br />
lang üblich. In Österreich fast gar<br />
nicht“, weiß Christoph Strasser,<br />
Anwalt in Österreich und Inhaber der<br />
Kanzlei 42Law. „Persönlich arbeite ich<br />
schon seit 2008 zu 100 Prozent papierlos,<br />
unsere Kanzlei – immerhin ein<br />
Team von circa zehn Juristen – ebenfalls.<br />
Und während sich viele Branchen<br />
in der Pandemie erst an Zoom-Meetings<br />
gewöhnen mussten, haben wir<br />
schon immer – und zwar ziemlich radikal<br />
– physische Treffen durch Online-<br />
Meetings ersetzt.“ In der Kanzlei können<br />
die Mitarbeiter, abgesehen vom<br />
Cultural Onboarding in den ersten<br />
Monaten, das Strasser sehr wichtig ist,<br />
remote arbeiten. Der Anwalt führt<br />
keine herkömmliche Kanzlei, immerhin<br />
arbeitet auch ein Software-Team in<br />
Indien für ihn – nicht ohne Grund:<br />
„Jeder Anwalt muss Zeitaufzeichnungen<br />
führen, ich fand das immer furchtbar.<br />
Da ich ausschließlich digital<br />
arbeite, dachte ich mir, es muss doch<br />
möglich sein, dass irgendeine Software<br />
einfach alles mitliest und das Timesheet<br />
automatisch erstellt.“ Da es am<br />
Markt nichts Passendes gab, entwickelte<br />
er diese Software mit seinem<br />
Team selbst. Auch eine Produktivitätssoftware<br />
ist in Fertigstellung: „Wir tracken<br />
und visualisieren Workflows und<br />
die Arbeitsweise am PC und helfen<br />
Usern mit konkreten Handlungsanweisungen<br />
zu extremen Effizienzsteigerungen“,<br />
meint Strasser, der mit seinem<br />
Team durchgerechnet hat, dass<br />
ein Anwalt pro Tag bis zu 1600 Mal<br />
den Bildschirm wechselt – per Shortcut<br />
wäre man drei bis vier Mal schneller<br />
als mit der Maus und würde damit<br />
sehr viel Zeit und Geld sparen. Dass<br />
sich Verträge in Zukunft selbst schreiben<br />
werden, wird so schnell nicht passieren,<br />
durchaus könnte aber einiges<br />
automatisiert ablaufen. So würden<br />
auch andere Kanzleien langsam, aber<br />
sicher nachziehen und sich digitaler<br />
aufstellen. Effizientes Wissensmanagement<br />
ist in Österreich angekommen –<br />
in jeder Sparte.<br />
Beigestellt<br />
46
WERBUNG<br />
Vario-X. 100 Prozent dezentrale und<br />
schaltschranklose Automatisierung.<br />
Vario-X und die Tage des<br />
Schaltschranks sind gezählt<br />
Foto: beigestellt<br />
Murrelektronik erweitert sein Geschäftsmodell<br />
und bietet mit Vario-X die erste<br />
Automatisierungsplattform, die Sensorik<br />
und Aktorik schaltschranklos und dezentral<br />
ins Feld bringt. Der digitale Zwilling spart<br />
Kosten und Zeit bei Planung, Installation,<br />
Betrieb und Service.<br />
Wachsende Digitalisierung, kürzere Entwicklungszyklen,<br />
höhere Kundenanforderungen und zunehmender Fachkräftemangel<br />
– die Welt der Automatisierung wandelt sich<br />
in rasender Geschwindigkeit. Murrelektronik hat die Antwort<br />
auf all diese Anforderungen und präsentiert mit Vario-X eine<br />
modulare und hochflexible Automatisierungsplattform, mit<br />
der sich sämtliche Automatisierungsfunktionen erstmals<br />
komplett dezentral, also ohne Schaltschrank-Architektur, realisieren<br />
lassen. Vario-X bringt Sensorik und Aktorik ins direkte<br />
Maschinenumfeld und sorgt bei der nahtlosen Integration von<br />
dezentralen Servoantrieben für ein zuverlässiges Spannungs-,<br />
Signal- und Datenmanagement. Herzstück von Vario-X sind<br />
robuste, wasser- und staubdichte Gehäuse in Schutzart<br />
IP67, die die Spannungsversorgung, Steuerung, Switches,<br />
Sicherheitstechnik und IO-Module beinhalten. Sie lassen sich<br />
einfach nebeneinander in eine nicht minder robuste Backplane<br />
mit integrierten Maschinenbauprofilen einrasten. So<br />
kann die gesamte Station ohne weiteren Schutz ganz einfach<br />
an allen gängigen Profilsystemen befestigt werden und hält<br />
im Extremfall sogar Trittbelastungen stand. Ausgestattet mit<br />
einer Multicore-CPU ist Vario-X-Controller allen Anforderungen<br />
gewachsen und lässt sich als offene Steuerungsplattform in<br />
alle übergeordneten Industrial-Ethernet-Netzwerke einbinden.<br />
„Vario-X bietet 100 Prozent dezentrale, schaltschranklose<br />
Automatisierung“, sagt Andreas Chromy, Managing Director<br />
Cluster CEE bei Murrelektronik. „Unsere Automatisierungsplattform<br />
gewährleistet modulare und transparente Prozesse,<br />
eine höhere Wertschöpfung in allen Unternehmensbereichen<br />
und damit mehr Wirtschaftlichkeit und Wettbewerbsfähigkeit<br />
im Maschinen- und Anlagenbau. Allein dank des durchgängigen<br />
Installationskonzepts verkürzt Vario-X eine Maschineninstallation<br />
um rund 40 Prozent.“<br />
Digitaler Zwilling für Planung, Installation, Betrieb und Service<br />
Vario-X sind aber nicht nur Backplanes, Steuerungen, Kabel<br />
und Co. Die mit Vario-X automatisierte Anlage hat von Anfang<br />
an einen digitalen Zwilling: Ein bewegliches 1:1-Abbild<br />
der realen Anlage, das alle Funktionen und Parameter des<br />
späteren Systems beinhaltet – und das bereits in der Projektphase,<br />
bevor auch nur das erste mechanische Bauteil bestellt<br />
oder montiert wurde. Dafür kinematisiert Murrelektronik die<br />
Konstruktionsdateien von Maschinen und Anlagen in einer<br />
speziellen Software, in der dann die späteren Bewegungen<br />
und Abläufe simuliert werden können. Im digitalen Zwilling<br />
läuft dasselbe Steuerungsprogramm wie später auf der realen<br />
Maschine. Und nicht nur das: Die digitale Anlage kann per<br />
Augmented Reality (AR) auf dem Handy oder Tablet direkt<br />
in die spätere Produktionshalle „gestellt“ werden, damit<br />
alle Bewegungsabläufe in Funktion vorab virtuell betrachtet<br />
werden können. „Mit Vario-X liefern wir die Antwort auf die<br />
drängenden Fragen und Herausforderungen in der Automatisierungstechnik,<br />
wenn es um Produktions-, Anlagen- und<br />
Installationsplanung geht“, so Chromy abschließend. „Vario-X<br />
hilft dabei, ‚silogetriebene‘ Planung zu vermeiden und statische<br />
Planungsprozesse aufzubrechen. Diese konsequente<br />
Ausrichtung an Kundenbedürfnissen hat neben den agilen<br />
Entwicklungsprozessen entscheidend zur Entstehung von<br />
Vario-X beigetragen.“<br />
47
UNTERNEHMEN IM WANDEL<br />
Wissensmanagement<br />
made in Austria<br />
Österreichische Start-ups und Softwar<br />
schmieden wie SharePoint, 4conform oder<br />
Seedback läuteten auch in Österreich eine<br />
neue Ära des Wissensmanagements ein.<br />
von Theresa Sophie Breitsching<br />
48
UNTERNEHMEN IM WANDEL<br />
GettyImages_Peopleimages; Alexander-Wieselthaler<br />
Marc Gfrerer, Geschäftsführer<br />
von 4conform, bietet digitale Mitarbeiterschulung.<br />
Das<br />
Home Office<br />
ist gekommen,<br />
um zu bleiben.<br />
Umso wichtiger<br />
ist natürlich die<br />
Möglichkeit,<br />
sich ortungebunden<br />
weiterbilden<br />
zu können.<br />
MARC GFRERER,<br />
Geschäftsführer von 4conform<br />
ie Geschichte von modernem Wissensmanagement<br />
ist eng verzahnt mit<br />
jener von SharePoint. Die Kollaborations-Software<br />
von Microsoft läutete<br />
kurz nach der 2000er-Wende eine<br />
neue Art des Arbeitens ein – und startete<br />
in vielen Firmen einen Digitalisierungsprozess,<br />
der bis heute anhält.<br />
SharePoint, ein webbasiertes Content-<br />
Management-System von Microsoft,<br />
ermöglicht interaktive Zusammenarbeit<br />
und das Teilen von unterschiedlichen<br />
Dokumententypen über verschiedene<br />
Workflow-Anwendungen und<br />
Geschäftsbereiche hinweg. Von Projektmanagement-<br />
bis Wissensmanagementplattform<br />
kann per SharePoint eine Art<br />
digitaler Zwilling vom Unternehmen<br />
erstellt und online gemanagt werden.<br />
Erst kürzlich veröffentlichte Microsoft<br />
aktuelle Zahlen: So verzeichnet Share-<br />
Point heutzutage über 200 Millionen<br />
aktive Nutzer pro Monat.<br />
Haider Shnawa hat die Anfänge von<br />
SharePoint direkt mitbekommen. Der<br />
Unternehmensgründer war nach dem<br />
WU-Studium und vor der eigenen<br />
Gründung zunächst in unterschiedlichen<br />
Positionen bei Microsoft tätig<br />
gewesen. Ab 2004 war er als Produktmanager<br />
fürs Office-System direkt an<br />
der Weiterentwicklung von Share-<br />
Point beteiligt. „Das Thema Knowledge<br />
Management war vor SharePoint sehr<br />
verstaubt. Man dachte, die Wissensmanager<br />
arbeiten irgendwo in einer Bibliothek<br />
versteckt, niemand wusste, wie<br />
deren Arbeit, ‚das Wissen managen‘,<br />
eigentlich genau aussieht“, so Shnawa<br />
rückblickend. „Damals war Knowledge<br />
Management auch noch nicht<br />
so breit aufgestellt, wie man das heute<br />
kennt.“ Zunächst ging es bei Share-<br />
Point vorwiegend darum, Dokumente<br />
abzulegen, zu taggen, mit Metadaten<br />
zu versehen. „Wesentlicher Punkt war,<br />
wie man Dinge sinnvoll beschlagworten<br />
kann, um diese schnell wiederzufinden.<br />
Ein Weg raus aus den Datenfriedhöfen.<br />
Vor allem die Suche von Dokumenten<br />
und anderen abgelegten Daten sollte<br />
vereinfacht werden, um den Arbeitsalltag<br />
zu erleichtern.<br />
„SharePoint war ein Gamechanger zu<br />
einer Zeit, als einige Unternehmen zwar<br />
erste kleine Schritte in Richtung Digitalisierung<br />
getätigt haben, die meisten<br />
jedoch immer noch per Aktenordner<br />
Dinge ablegten und unglaublich viel<br />
Papier benötigten. Außerdem wurde für<br />
jedes kleinste Detail eine Genehmigung<br />
oder Unterschrift gebraucht“, erinnert<br />
sich Shnawa.<br />
Langsam, aber sicher. „In Österreich<br />
hat es wirklich lang gedauert, bis die<br />
Digitalisierung tatsächlich Fuß fasste.<br />
Noch im Jahr 2014 gab es Diskussionen<br />
darüber, ob die Cloud denn sicher sei.<br />
Damals dachte man, dass alle IT-Admi-<br />
49
UNTERNEHMEN IM WANDEL<br />
nistratoren arbeitslos werden. Das<br />
Gegenteil war der Fall. Fachkräfte<br />
werden auch heute noch händeringend<br />
gesucht, das hat sich seit damals sogar<br />
noch verschärft.“ SharePoint läutete<br />
auch in Österreich eine neue Ära des<br />
gelebten Wissensmanagements ein.<br />
„Das war sicherlich auch ein Stück<br />
weit Demokratisierung: Die kleinen<br />
Firmen und der Mittelstand konnten<br />
nun dieselben Tools wie Großunternehmen<br />
verwenden und ihre Firmen<br />
ähnlich modern aufsetzen – ganz ohne<br />
große Serverfarmen im Hintergrund –<br />
bahnbrechend!“, so Shnawa. Durch die<br />
Coronapandemie sei in den letzten zwei<br />
Jahren ein Digitalisierungs-Boost ausgelöst<br />
worden. „Technisch ist heutzutage<br />
nun viel mehr möglich, was davor<br />
sogar undenkbar war. Die Pandemie hat<br />
zu einem Mindchange geführt.“ Das<br />
Thema Wissensmanagement ist nun<br />
auch bei Österreichs Klein- und mittelständischen<br />
Unternehmen angekommen<br />
– wenngleich nicht unter demselben<br />
Schlagwort. „Bei KMU läuft das unter<br />
Digitalisierung oder Prozessautomatisierung,<br />
in Wahrheit steckt da viel Business<br />
und Knowledge Management drin.“<br />
Haider Shnawas Unternehmensgeschichte<br />
ist bis heute noch immer eng<br />
mit Microsoft verzahnt. Im Jahr 2008<br />
entschied sich der Betriebswirt, den<br />
Software-Konzern zu verlassen und in<br />
die Selbstständigkeit zu gehen. „Share-<br />
Point hatte gerade begonnen, auch in<br />
Österreich abzuheben – und ich wollte<br />
immer schon selbstständig arbeiten.“<br />
Die Idee: Mit eigener IT-Firma und<br />
Seedback-Gründer Gabriel Heiml<br />
und Co-Founder Sebastian Körber.<br />
Viele<br />
Unternehmen<br />
investieren<br />
wahnsinnig<br />
viel Geld<br />
ins Employer<br />
Branding und<br />
vergessen, dass<br />
eine gute<br />
Unternehmenskultur<br />
automatisch<br />
Mitarbeiter<br />
anzieht.<br />
GABRIEL HEIML,<br />
Gründer Seedback<br />
den Microsoft-Tools Firmen Lösungen<br />
im Wissensmanagement-Bereich zu<br />
verkaufen.<br />
„Ich habe mitten in der Finanzkrise<br />
gegründet und gelernt, dass es<br />
egal ist, wann man gründet. Wenn<br />
man eine gute Idee hat, dann funktioniert<br />
es auch, wenn die Rahmenbedingungen<br />
nicht super optimal sind.“ 2009,<br />
nach einem Jahr Selbstständigkeit,<br />
folgte dann die Gründung von „Share-<br />
Vision“. Heute arbeiten zwölf fixe<br />
Mitarbeiter bei SharePoint, einige Freelancer<br />
und mit Karl Lehner kam 2016<br />
ein Microsoft-Kollege als Co-Gründer<br />
an Board. Neben den Microsoft-Tools<br />
und Microsoft-Cloud-Services entwickelt<br />
das Team auch eigene Tools<br />
„on top“, wenn das Standardmodell<br />
von Microsoft nicht ausreicht oder<br />
der Kunde Anpassungen wünscht.<br />
Prozessautomatisierung. Inzwischen<br />
macht ShareVision 1,6 Millionen<br />
Euro Umsatz im Jahr. Die Österreichische<br />
Nationalbibliothek ist einer der<br />
langjährigsten Kunden und arbeitet<br />
mit ShareVision an einer Reihe von<br />
Entwicklungsprojekten. Aber auch<br />
Pharmaunternehmen wie Ratiopharm,<br />
die Universität Wien, der Tiergarten<br />
Schönbrunn, Jollydays und weitere<br />
große Firmen arbeiten mit ShareVision<br />
an Lösungen im Kollaborations-und<br />
Wissensmanagement-Bereich.<br />
„Die Ausgangsbasis ist dabei immer<br />
recht ähnlich. Bei den meisten Kunden<br />
geht es darum, Prozesse zu digitalisieren<br />
und zu vereinfachen.“ Großes<br />
aktuelles Thema in Firmen ist Automatisierung<br />
per künstlicher Intelligenz,<br />
vor allem im Zusammenarbeits- und<br />
Knowledge-Bereich.<br />
„K. I. ist weniger Zukunftsmusik<br />
in diesem Bereich, als man vielleicht<br />
glauben mag. Einiges kann man jetzt<br />
schon einsetzen“, so Shnawa. Ein<br />
Beispiel: Bekommt man eine E-Mail,<br />
wird per Textanalyse im Hintergrund<br />
der Inhalt in Sekundenbruchteilen<br />
analysiert. Findet die künstliche Intelligenz<br />
einen Projektnamen oder erkennt<br />
das betreffende Projekt, können automatisch<br />
alle relevanten Dokumente<br />
geöffnet werden. Bubbles zeigen an,<br />
Beigestellt<br />
50
UNTERNEHMEN IM WANDEL<br />
welcher Mitarbeiter an welchen Dokumenten<br />
arbeitet, oder den Projektfortschritt.<br />
To-dos könnten sich dann quasi<br />
von allein abarbeiten.<br />
Auch das Suchen und Finden wird<br />
weiter verbessert werden: Wie findet<br />
man etwas, wonach man nicht sucht<br />
und vielleicht noch nicht weiß, dass<br />
man es gleich braucht? Gerade diese<br />
Form von Vernetzung, über Mitarbeiter<br />
hinweg, bleibt aber auch in Zukunft<br />
eine der größten Herausforderungen<br />
im Wissensmanagement-Bereich. Denn<br />
will man zu jeder Zeit alles teilen? „Das<br />
ist sicherlich ein großes Beratungsthema<br />
und zentrale Frage bei der Implementierung<br />
von Kollaborations- und<br />
Knowledge-Management-Tools – was<br />
man mit anderen teilen möchte und was<br />
privat bleibt“, so Shnawa.<br />
Aus Erfahrung landen Kollaborations-Tools<br />
oftmals beim Betriebsrat,<br />
der darin potenzielle Kontrollmöglichkeiten<br />
des Unternehmens ortet.<br />
Beispiel: Skype for Business. Darf der<br />
Arbeitgeber wissen, wann und wie lang<br />
man online bzw. offline ist? Die Coronapandemie<br />
hätte in den letzten zwei<br />
Jahren dazu geführt, hier Hürden abzubauen<br />
– „immerhin hat man gesehen,<br />
dass die Cloud und Kollaborations-<br />
Tools auch viele Vorteile haben“ –<br />
gerade in Pandemie-Zeiten.<br />
Kulturelle Probleme. Remote Working<br />
auf den Bahamas, ortsungebundene<br />
Online-Kollaboration per Login – der<br />
Grundstein zur rein digitalen Firma, wo<br />
es möglich ist, wurde gelegt und bringt<br />
neue Herausforderungen mit, denn wie<br />
sehr leidet die Firmenkultur dadurch?<br />
Neun von zehn Führungskräften<br />
beobachten Auswirkungen auf die<br />
Unternehmenskultur durch Remote<br />
Working in Österreich und Deutschland.<br />
Fast ein Drittel sieht starke<br />
Auswirkungen, wobei die Veränderungen<br />
tendenziell eher kritisch wahrgenommen<br />
werden. Gründe dafür<br />
liegen in der Reduktion persönlicher<br />
Kontakte, Nachteile in der Team-<br />
Koordination und im Nachlassen des<br />
Zusammenhalts der Mitarbeiter durch<br />
den Online-only-Austausch. Nur drei<br />
Prozent finden, das Teamwork hätte sich<br />
Haider Shnawa, Unternehmensgründer<br />
von SharePoint.<br />
Ich habe mitten<br />
in der Finanzkrise<br />
gegründet und<br />
gelernt, dass es<br />
egal ist, wann man<br />
gründet. Wenn<br />
man eine gute Idee<br />
hat, funktioniert<br />
es auch, wenn die<br />
Rahmenbedingungen<br />
nicht<br />
optimal sind.<br />
HAIDER SHNAWA,<br />
Gründer SharePoint<br />
Demoseite von SharePoint.<br />
verbessert. Das geht aus dem aktuellen<br />
Hernstein Management Report hervor,<br />
für den 1676 Führungskräfte in Österreich<br />
und Deutschland befragt wurden.<br />
Feedback statt Bällebad. Um die<br />
Unternehmenskultur zu fördern, wenn<br />
Office-Tage selten sind und damit sich<br />
Mitarbeiter positiv weiterentwickeln<br />
können, hat Betriebswirt Gabriel Heiml<br />
sein Start-up Seedback entwickelt. „In<br />
einer gesunden Unternehmenskultur<br />
können sich Mitarbeiter konstant<br />
weiterentwickeln und Unzufriedenheiten<br />
werden direkt angesprochen.<br />
Dadurch werden potenzielle Konflikte<br />
früh erkannt. Dies wirkt sich positiv<br />
auf das Arbeitsklima aus und bekämpft<br />
die Fluktuationsrate.“ Könnten Firmen<br />
also die trendig gewordenen Musthaves<br />
wie Bällebäder, Rutschen im<br />
Office und Fußballtische einsparen,<br />
um Mitarbeiter anzuziehen? „Viele<br />
Unternehmen investieren wahnsinnig<br />
viel Geld ins Employer Branding und<br />
vergessen dabei, dass eine gute Unternehmenskultur<br />
automatisch Mitarbeiter<br />
anzieht“, so Heiml. Eine Unternehmenskultur<br />
ist nur so gut, wie ihre Feedback-<br />
Kultur, ist Heiml überzeugt.<br />
Die eigens entwickelte „Kultur-<br />
Entwicklungs-Software“ lässt Firmen<br />
agile Feedback-Sessions abhalten und<br />
Mitarbeiter regelmäßig anonymes<br />
Feedback nach einem bestimmten<br />
Kriterienkatalog abgeben, einfach integriert<br />
im Arbeitsalltag. Seedback ist seit<br />
Ende letzten Jahres am Markt und zielt<br />
vor allem auf die persönliche Weiter-<br />
51
UNTERNEHMEN IM WANDEL<br />
INFORMELLE KOMMUNIKATION BEI REMOTE WORK<br />
stimme voll und ganz zu<br />
stimme eher zu stimme eher nicht zu stimme gar nicht zu<br />
keine Angabe<br />
regelmäßig Telefon und Video,<br />
nicht nur E-Mail<br />
Homeoffice: zu wenig<br />
informelle Kommunikation<br />
Mitarbeitende: von Vorgesetzten<br />
bestmöglich unterstützt<br />
Homeoffice: man wird leichter<br />
unterbrochen als am Arbeitsplatz<br />
gute Kommunikationskultur, auch wenn<br />
Teil der Mitarbeitenden zu Hause<br />
gleichzeitig E-Mail, Chat, Video, Telefon<br />
etc: persönliche Herausforderung<br />
Quelle: Hernstein Institut für Management und Leadership; Umfrage 2021 unter Führungskräften im deutschsprachigen Raum<br />
entwicklung ab. Viele Kunden sind<br />
Klein- und Mittelständische Unternehmen.<br />
Die Idee zum Produkt hatten<br />
Gabriel Heiml und Co-Founder Sebastian<br />
Körber, die in der Unternehmensberatung<br />
tätig sind, bei der Begleitung<br />
von Unternehmen im Change-Prozess.<br />
„Die größte Herausforderung für Unternehmen<br />
ist es, dranzubleiben: Erst wird<br />
motiviert in Change-Prozesse gestartet,<br />
doch dann macht es der Berufsalltag<br />
sehr schwierig, konstant dranzubleiben<br />
und am Ende bleibt vieles beim<br />
alten“ – wenn die guten Vorhaben in<br />
Vergessenheit geraten. „Wenn sich ein<br />
Mitarbeiter nicht weiterentwickelt,<br />
schauen wir zunächst, woran das liegt:<br />
Liegt es am Wollen oder Können –<br />
gerade die Haltung ist hier ein wesentlicher<br />
Faktor.“ Mitarbeiter wollen sich<br />
schließlich weiterentwickeln und über<br />
sich hinauswachsen.<br />
Spielerische Qualifikation. Mit dem<br />
Thema Mitarbeiterschulung setzt sich<br />
das Kärntner Softwareunternehmen<br />
4conform auseinander. Im April 2019<br />
gegründet, arbeiten 20 Leute im Team<br />
an mehreren Produkten und entwickeln<br />
Softwarelösungen für Kunden wie die<br />
Stadt Wien, Gebrüder Weiss, Rekord-<br />
Fenster oder Tchibo-Eduscho. Auch<br />
eine Online-Lernplattform für Unternehmen<br />
wurde kürzlich auf den Markt<br />
47 31 15 4 3<br />
29 31 23 12<br />
27 40 21 5<br />
27 26 24 19<br />
24 39 23 7<br />
12 28 29 26<br />
gebracht: „Mitarbeiter-Academy dient<br />
zur Weiterqualifizierung bestehender<br />
Mitarbeiter und zum Onboarding neuer<br />
Mitarbeiter. Dabei ist unser Service<br />
sehr flexibel und über den Quizmodus<br />
auch spielerisch aufgebaut“, so Marc<br />
Gfrerer, Geschäftsführer von 4conform.<br />
Die Inhalte sind individuell anpassbar,<br />
zwei vorgefertigte Schulungen bietet<br />
Mitarbeiter-Academy außerdem an:<br />
Zum einen eine IT-Awareness-Schulung<br />
für Mitarbeiter – welche E-Mails darf<br />
man öffnen? – und außerdem Knowhow<br />
zu Datenschutz-Themen.<br />
Eine der größten Hürden im E-Learning-Bereich<br />
für Mitarbeiter sind die<br />
Inhalte und Informationen, die bereits<br />
in der Firma existieren, zu digitalisieren<br />
- dadurch bleibt Wissen, das es<br />
eigentlich schon gibt, ungenutzt. „Viele<br />
große Firmen organisieren eine große<br />
Pflichtveranstaltung für Mitarbeiter zu<br />
Beginn, halten vielleicht noch irgendwann<br />
einen Vortrag – und das war’s.“<br />
Mit Mitarbeiter-Academy bleiben<br />
Inhalte jederzeit digital abrufbar, in<br />
und außerhalb der Firma. Angesprochen<br />
werden vor allem Kunden ab<br />
einer Größe von 100 Mitarbeitern.<br />
Damit Online-Lern-Tools auch tatsächlich<br />
genutzt werden, greift Mitarbeiter-<br />
Academy in die Trickkiste per „Gamification<br />
Ansatz“: „Es gibt eine Rangliste<br />
für teilnehmende Mitarbeiter –<br />
5<br />
7<br />
7<br />
4<br />
5<br />
so können sie untereinander bei den<br />
Schulungen in Wettbewerb treten und<br />
sich gegenseitig motivieren.“ Bisher sei<br />
das Thema E-Learning für bestehende<br />
Mitarbeiter eher stiefmütterlich behandelt<br />
worden, beobachtet Gfrerer. „Es<br />
könnte jedenfalls viel weiter sein. Der<br />
Mehrwert wird oft nicht sofort gesehen,<br />
dabei ist das Thema Mitarbeiterqualifikation<br />
super wichtig und bringt der<br />
Firma langfristig extrem viel. Trotzdem<br />
wollen viele Unternehmen dafür oft<br />
kein Geld aufwenden.“ Zu Beginn<br />
erfordert die Einführung von Online-<br />
Lernplattformen Zeit und Ressourcen,<br />
langfristig macht sich das aber bezahlt.<br />
Denn der Wissensstand der eigenen<br />
Mitarbeiter sagt viel über die Qualität<br />
des Wissensmanagements und der<br />
Konkurrenzfähigkeit aus und heute<br />
können Weiterbildungen überall stattfinden,<br />
wo es Internetzugang gibt.<br />
Remote Working Mentorship. Für<br />
das Teambuilding und damit die Firma<br />
ist es trotzdem wichtig, dass man<br />
sich – zumindest hin und wieder – in<br />
Person trifft und miteinander redet.<br />
In Zukunft glaubt Marc Gfrerer an<br />
ein Hybrid-Modell: „Das Home-Office<br />
ist gekommen, um zu bleiben. Umso<br />
wichtiger ist natürlich die Möglichkeit,<br />
sich ortsungebunden weiterbilden zu<br />
können. Am besten wird das mit einem<br />
Mentor kombiniert. Ich denke, eine<br />
Kombination aus menschlicher Komponente<br />
und der digitalen Komponente<br />
ist die Zukunft.“ Ein loyaler Mitarbeiter<br />
ist wertvoll, aber an der Bindung<br />
zum Unternehmen muss man aktiv<br />
arbeiten – sonst kann es passieren, dass<br />
der Mitarbeiter in eine Sinnkrise stürzt<br />
und im ungünstigsten Fall zur Konkurrenz<br />
abwandert. „Die Dosis macht das<br />
Gift – auch beim Home-Office“, meint<br />
Gfrerer. „Als Mensch braucht man<br />
gewisse Kontaktpunkte, menschliche<br />
Interaktion, einfachen Smalltalk“ –<br />
das können digitale Tools nicht ganz<br />
ersetzen. Denn wie soll man sich auch<br />
„zufällig“ im Flur begegnen, wenn man<br />
sich nur online austauscht?<br />
52
WERBUNG<br />
Michael Wildauer,<br />
Head of Data Science,<br />
Takeda Manufacturing<br />
Austria AG<br />
„Takeda ist bestrebt, Innovation<br />
nicht nur auf Ebene der<br />
Therapien, sondern auch bei<br />
Produktionsprozessen und<br />
-technologien voranzutreiben.<br />
Einen wichtigen Beitrag zur digitalen<br />
Transformation leistet<br />
die Data-Science-Gruppe, die<br />
mit statistischen Methoden und<br />
Modellen aus dem Machine<br />
Learning komplexe biologische<br />
Entwicklungs- und Produktionsprozesse<br />
qualitätssichernd<br />
optimiert.“<br />
Takeda Manufacturing Austria AG.<br />
Das biopharmazeutische Unternehmen Takeda hat sich darauf spezialisiert, innovative Medikamente für Menschen mit<br />
seltenen und komplexen Erkrankungen zu entwickeln und zu produzieren, die das Leben der Betroffenen nachhaltig<br />
verbessern. Takeda arbeitet in Österreich entlang der gesamten pharmazeutischen Wertschöpfungskette (Forschung<br />
und Entwicklung, (prä-)klinische Studien, Plasmaaufbringung, Arzneimittelproduktion und Vertrieb). Forschungs- und<br />
Produktionsschwerpunkte sind plasmabasierte Medikamente, Biologika und die Gen- und Zelltherapie. Die Produktionsstandorte<br />
befinden sich in Wien, Linz und Orth an der Donau.<br />
www.takeda.at<br />
53
UNTERNEHMEN IM WANDEL<br />
Medizin digital,<br />
gewusst wie<br />
Immer mehr medizinisches Know-how, immer größere Datenmengen, immer<br />
stärkere Computerleistungen – rasanter Fortschritt ist der gemeinsame Nenner.<br />
Die personalisierte Präzisionsmedizin setzt auf künstliche Intelligenz.<br />
von Christian Lenoble<br />
GettyImages_Thinkhubstudio<br />
54
UNTERNEHMEN IM WANDEL<br />
Präzisionsmedizin, personalisierte Medizin,<br />
individualisierte Medizin – es sind<br />
drei weitgehend synonym verwendete<br />
Begriffe, die für einen radikalen Wandel<br />
stehen. Gemeint ist die Abkehr vom<br />
Motto „One size fits all – ein Medikament<br />
für alle“ und die Zuwendung zu<br />
einer Sichtweise, bei der Krankheit<br />
nicht mehr als allgemeine Diagnose,<br />
sondern als völlig einzigartige Situation<br />
im Leben eines Individuums<br />
betrachtet wird. Die Präzisionsmedizin<br />
versteht sich als logische Antwort auf<br />
die Problemstellung, dass zwei Personen<br />
mit der scheinbar gleichen Diagnose<br />
auf dieselbe Behandlung sehr<br />
unterschiedlich ansprechen können.<br />
Sie will dem begegnen, indem sie individuelle<br />
Eigenschaften von Patienten in<br />
der Diagnose, Therapie und auch in<br />
der Prävention berücksichtigt.<br />
In den Fokus rückt demnach der einzelne<br />
Mensch mit seinem individuellen<br />
Erbgut, seinem spezifischen Umfeld<br />
und seiner persönlichen Lebensweise.<br />
„Präzisionsmedizin ist der wichtigste<br />
Trend der Medizin des 21. Jahrhunderts“,<br />
meint MedUniWienRektor<br />
Markus Müller. Um sie zu ermöglichen,<br />
brauche es die Zusammenarbeit von<br />
Grundlagenforschung, Genetik, Klinik<br />
– und insbesondere Informatik.<br />
Die Datenexplosion. Wie gefragt die<br />
systematische Darstellung, Speicherung,<br />
Verarbeitung und Übertragung<br />
von Informationen ist, verdeutlicht das<br />
exponentiell ansteigende Datenaufkommen<br />
im Gesundheitsbereich. Die<br />
Branche generiert laut Schätzungen der<br />
Investmentbank RBC Capital Markets<br />
aktuell etwa 30 Prozent des weltweiten<br />
Datenvolumens. Bis 2025 soll die<br />
durchschnittliche jährliche Wachstumsrate<br />
der Daten im Gesundheitswesen<br />
36 Prozent erreichen. Das bedeutet<br />
eine Verdoppelung der Datenmenge in<br />
etwas mehr als zwei Jahren.<br />
Zu den wichtigsten Treibern dieser<br />
Entwicklung zählt die digitale Vernetzung<br />
der Menschen. „Ende 2020 hatte<br />
der durchschnittliche Industriestaatenbewohner<br />
täglich mehr als 1400 Interaktionen<br />
mit digitalen Geräten, im Jahr<br />
2025 sollen es rund 5000 sein. Ein<br />
Großteil dieser Interaktionen wird sich<br />
auf das Gesundheitswesen beziehen“,<br />
sagt Greg Wiederrecht, Managing<br />
Director Healthcare bei RBC. Gesundheitstechnologie<br />
werde uns alle eines<br />
Tages im wahrsten Sinne des Wortes<br />
täglich berühren. Die Möglichkeiten<br />
für die Datenerfassung am Beispiel von<br />
FitnessApps oder Wearables sind<br />
quasi unbegrenzt und reichen von Ohrstöpseln,<br />
die die Körpertemperatur<br />
messen, über Socken, die die Herzfrequenz<br />
überwachen, bis hin zu Sport<br />
BHs, die sämtliche relevante Aktivitätsdaten<br />
nicht nur sammeln, sondern auch<br />
gleich an den persönlichen Arzt oder<br />
die örtliche Gesundheitsstelle weiterleiten.<br />
Getrieben wird die Datenflut auf der<br />
anderen Seite von der Medizin selbst.<br />
Täglich werden weltweit neue Forschungsergebnisse<br />
veröffentlicht, die<br />
dazu führen, dass sich das medizinische<br />
Wissen in immer kürzeren<br />
Abständen runderneuert. Das sind<br />
grundsätzlich gute Nachrichten für die<br />
datengesteuerte Präzisionsmedizin und<br />
ihre Vision von der richtigen Behandlung<br />
für den richtigen Patienten zur<br />
richtigen Zeit. Es setzt jedoch voraus,<br />
dass der Datenschatz gehoben werden<br />
kann, indem sich aus der Datenflut ein<br />
personalisierbarer Sinn ableiten lässt.<br />
„Es geht darum, aus Big Data letztlich<br />
Smart Data zu machen – also darum,<br />
das Potenzial aus der Unmenge an<br />
Daten zu nutzen, um einer smarten<br />
Medizin den Weg zu bereiten“, bringt<br />
es David Matusiewicz, Gesundheitsexperte<br />
und Dekan der FOM Hochschule<br />
für Ökonomie und Management<br />
in Essen, Deutschland, auf den Punkt.<br />
Smart steht dabei laut Matusiewicz für<br />
eine präventive, personalisierte, prädiktive<br />
und vor allem partizipative<br />
Medizin.<br />
Smart Hospital. Wie sich die intelligente<br />
Datenverarbeitung auf Spitalsebene<br />
in die Tat umsetzen lässt, zeigen<br />
sogenannte Smart Hospitals, etwa am<br />
Beispiel der diesbezüglich preisgekrönten<br />
Universitätsmedizin Essen. Als eine<br />
der ersten Kliniken in Deutschland hat<br />
man die Labormedizin komplett digitalisiert.<br />
Neben spezialisierten Ärzten<br />
arbeitet heute ein Team von hochqualifizierten<br />
Medizininformatikern an der<br />
Auswertung von Labordaten sowie an<br />
der Entwicklung der digitalen Systeme<br />
und der Optimierung der Automatisierungsgrade.<br />
„Der Vorteil für unsere<br />
Patienten: Durch die automatisierte,<br />
effiziente und validierbare Prozessgestaltung<br />
werden Hinweise auf Erkrankungen<br />
neutral und präzise identifiziert.<br />
Gleichzeitig erhalten unsere<br />
Ärzte die bestmögliche Datenbasis zur<br />
weiteren Therapieplanung“, erklärt der<br />
ärztliche Direktor, Jochen A. Werner.<br />
Konkret erprobt werden aktuell<br />
55
UNTERNEHMEN IM WANDEL<br />
mehrere Use Cases. Dazu gehört eine<br />
Lösung zur Automatisierung von Prozessen<br />
am Beispiel medizinischer<br />
Dokumente. „Hierbei geht es darum,<br />
aus Textdokumenten – also beispielsweise<br />
OP-Berichten – automatisiert die<br />
wichtigsten Daten herauszufiltern, um<br />
daraus semi-automatisch Arztbriefe zu<br />
erstellen“, erläutert Anke Diehl, Leiterin<br />
der Stabsstelle Digitale Transformation.<br />
Zudem wird ein Sprach- und Dialogsystem<br />
für den klinischen Einsatz<br />
entwickelt: „Dabei verfolgen wir die<br />
Idee, dass medizinisches Personal digitale<br />
Informationen per Sprachbefehl<br />
oder Gestensteuerung, also kontaktlos<br />
und steril, am Computer aufrufen<br />
kann.“ Eine KI-gestützte Gesundheitsdatenanalyse<br />
zur Diagnostikunterstützung<br />
steht ebenfalls auf der To-do-<br />
Liste der Klinik. Dabei geht es um die<br />
Analyse von Gesundheitsdaten, um<br />
Risikofaktoren zu identifizieren. „Und<br />
weil der Wissenstransfer eines unserer<br />
zentralen Anliegen ist, wird es zudem<br />
einen Showroom geben, in dem die<br />
Entwicklungen präsentiert, diskutiert<br />
und weiterentwickelt werden sollen“,<br />
so Diehl.<br />
Daten für die KI. Im Zeichen des Wissenstransfers<br />
steht auch die Arbeit der<br />
Gruppe für künstliche Intelligenz am<br />
Essener Institut für diagnostische und<br />
interventionelle Radiologie und Neuroradiologie.<br />
„Unser Team arbeitet daran,<br />
die in Datensilos verstreuten Daten aus<br />
der klinischen Arbeit gemeinsam mit<br />
weiterem Datenmaterial in eine Datenbank<br />
zu überführen und so zu vernetzen,<br />
dass sie zum Training von KI-Systemen<br />
genutzt werden können“, erzählt<br />
Institutsleiter Felix Nensa. Das „Trainingsmaterial“<br />
stammt aus der Medizin<br />
– Laborwerte, EKG-Daten, Röntgenbilder,<br />
Fieberkurven oder Arztbriefe –,<br />
aber auch aus der Krankenhauslogistik<br />
oder vom Wetteramt. KI kann in<br />
Zukunft im Idealfall vorausschauend<br />
den Zusammenhang zwischen Sonne,<br />
Motorradunfällen und benötigten Blutkonserven<br />
herstellen.<br />
Nensa sieht KI auf keinen Fall als<br />
reinen Selbstzweck. Am Ende beurteilen<br />
Ärzte die Entscheidungsprozesse<br />
und Ergebnisse, die KI eingeleitet und<br />
geliefert hat. Sie müssen die Diagnose<br />
stellen und eine Behandlung einleiten.<br />
„Wer künstliche Intelligenz als Werkzeug<br />
nutzt, muss die komplexen<br />
Zusammenhänge verstehen und im<br />
Zweifelsfall korrigierend eingreifen“,<br />
so Nensa zur menschlichen Rolle. Ein<br />
Forschungsbereich des Instituts widmet<br />
sich aus diesem Grund Methoden,<br />
KI in der Medizin für das medizinische<br />
Personal und Erkrankte verstehbar zu<br />
machen. Methoden der sogenannten<br />
erklärbaren KI (Explainable Artificial<br />
Intelligence, X-AI) sollen in Zukunft<br />
das Vertrauen in die neuen Technologien<br />
stärken.<br />
Präzisionsmedizin<br />
ist der wichtigste<br />
Teil der Medizin des<br />
21. Jahrhunderts.<br />
Dafür braucht es ein<br />
Zusammenspiel in<br />
den Bereichen<br />
Grundlagenforschung,<br />
Genetik,<br />
Klinik und<br />
Informatik.<br />
MARKUS<br />
MÜLLER<br />
Rektor MedUni Wien<br />
App zur Symptomanalyse. Auf die<br />
Kombination von KI mit einer medizinischen<br />
Wissensbasis setzen ebenfalls<br />
eine Reihe von Digital Health Startups.<br />
Zu den erfolgreichsten dieser<br />
Zunft gehört das Berliner Unternehmen<br />
Ada Health, das unter anderem<br />
eine auf KI basierende Symptomanalyse-App<br />
entwickelt hat. Die Funktionsweise<br />
ist simpel: Nutzer geben via<br />
Fragebogen allgemeine Parameter zur<br />
Person, zu bekannten Grunderkrankungen<br />
und aktuellen Krankheitssymptomen<br />
ein und bekommen von der App<br />
eine Liste mit möglichen Ursachen<br />
bzw. Krankheitsbildern geliefert sowie<br />
Vorschläge, was zu tun und wie die<br />
Krankheit einzuschätzen ist. Persönliche<br />
Gesundheitsdaten können mit Ärzten<br />
geteilt werden. In den Privatsphäre-Einstellungen<br />
lässt sich angeben,<br />
ob man von Ada zu Forschungszwecken<br />
kontaktiert werden möchte.<br />
„Wir befähigen Patienten mit unserer<br />
App dazu, ihre Gesundheit in die<br />
eigenen Hände zu nehmen. Damit tragen<br />
wir zu einer besseren Gesundheitsversorgung<br />
und Krankheitsprävention<br />
bei“, erklärt Geschäftsführer Daniel<br />
Fallscheer. Laut Firmenangaben ist die<br />
Ada-App die weltweit beliebteste App<br />
ihrer Art. Seit Markteinführung führte<br />
Ada Health rund 26 Millionen Symptomanalysen<br />
durch. Positive Resonanz<br />
gibt es auch seitens des unabhängigen<br />
deutschen Zentrums für Telematik und<br />
Telemedizin (ZTG): „Die App stellt<br />
sicherlich eine Weiterentwicklung der<br />
einfachen Symptomsuche über das allgemeine<br />
Internet dar und bietet über<br />
den Algorithmus deutlich individualisierte<br />
Informationen.“ Zugleich hält<br />
man beim ZTG fest, dass die App den<br />
Arzt keinesfalls ersetzen, sondern die<br />
ärztlichen Fertigkeiten und Kompetenzen<br />
möglicherweise ergänzen kann –<br />
etwa dann, wenn es um seltene Erkrankungen<br />
geht.<br />
Wissen aktuell. An medizinische<br />
Fachkräfte richtet sich ein anderes,<br />
weltweit im Einsatz befindliches Digitaltool,<br />
das sich dem Wissenstransfer<br />
und -management verschrieben hat.<br />
Die Rede ist vom Wissenssystem<br />
UpToDate, das evidenzbasierte klinische<br />
Entscheidungsunterstützung am<br />
Ort der Behandlung bietet. In dem<br />
medizinischen Nachschlagewerk fungieren<br />
rund 7000 Experten aus 25 Fachgebieten<br />
als Autoren und Peer<br />
Reviewers. Laut Angabe des Anbieters<br />
Wolters Kluwer werden alle vier<br />
Monate 40 bis 50 Prozent der Übersichtsarbeiten<br />
aktualisiert. Neben den<br />
Volltexten sind Abbildungen, Röntgenund<br />
CT-Bilder, Patienteninformationen,<br />
medizinische Rechenfunktionen und<br />
eine Datenbank zu Wechselwirkungen<br />
zwischen Medikamenten enthalten.<br />
56
UNTERNEHMEN IM WANDEL<br />
Laut Wolters Kluwer nutzen weltweit<br />
rund zwei Millionen Ärzte aus 190 Ländern<br />
das über Desktop oder mobil<br />
zugängliche Wissenssystem, um zeiteffizient<br />
auf evidenzbasiertes Wissen<br />
auf dem aktuellen Stand der Medizin<br />
zugreifen zu können.<br />
Wie sich das System im Spitalsalltag<br />
einsetzen lässt, zeigt sich beispielhaft in<br />
der Kinderklinik Dritter Orden Passau,<br />
wo UpToDate auf Rechnern der Visitenwagen<br />
installiert ist: „Die Visite bildet<br />
das Kernstück unserer Arbeit. Sie<br />
bringt Pflege, Ärzte und Therapeuten<br />
zusammen. Hierbei werden Analyse,<br />
Diagnostik und Therapieplan erstellt.<br />
An dieser Stelle ist fundierte Information<br />
essenziell“, erklärt Michael Zeller,<br />
Oberarzt Pädiatrie. Das Wissenssystem<br />
komme praktisch bei jeder Visite zum<br />
Einsatz. Relevante Vorteile sieht der<br />
Pädiater auch bei komplexen Differentialdiagnosen<br />
und der Wissensunterstützung<br />
von jüngeren Assistenzärzten.<br />
„Lehrbücher haben ihre Vorteile, wenn<br />
es um pathophysiologische Zusammenhänge<br />
geht. Wissenstools wie UpToDate<br />
spielen hingegen ihre Vorzüge aus,<br />
wenn aktuelles Wissen im Zentrum des<br />
Interesses steht.“<br />
Digitaler Menschenzwilling. Wie<br />
Wissen vernetzt und Big Data zu Smart<br />
Data werden, zeigt sich auf dem Weg<br />
zur personalisierten Präzisionsmedizin<br />
auch beim revolutionären Konzept des<br />
menschlichen digitalen Zwillings. Digital<br />
Twins, bislang bekannt aus den<br />
Bereichen der industriellen Fertigung<br />
und der Gebäudeplanung, stehen in der<br />
Medizin des dritten Jahrtausends für<br />
virtuelle Spiegelbilder des menschlichen<br />
Körpers. Zum Einsatz kommt bei<br />
deren Erstellung neben medizinischem<br />
Knowhow und datengesteuerten<br />
Berechnungsverfahren auch künstliche<br />
Intelligenz. „Um ein allgemeines Abbild<br />
eines Patienten zu erschaffen, müssen<br />
zunächst neuronale Netzwerke mit Millionen<br />
Datensätzen trainiert werden.<br />
Erst im nächsten Schritt könnten diese<br />
Daten zu einem holistischen, menschlichen<br />
Modell zusammengesetzt werden“,<br />
erklärt man beim Medizintechnik<br />
Hersteller Siemens Healthineers. Noch<br />
ist das vollständige, lebensbegleitende,<br />
physiologische Modell eines Patienten,<br />
das mit jedem klinischen Bild, jedem<br />
7000<br />
Experten aus 25 Fachgebieten<br />
fungieren<br />
als Autoren und Peer<br />
Reviewers im<br />
medizinischem<br />
Wissenssystem<br />
UpToDate.<br />
gemessenen Wert und jeder Untersuchung<br />
aktualisiert wird, eine Vision der<br />
Forscher. Im kleinen Maßstab und in<br />
Teilsegmenten der Medizin sind digitale<br />
Zwillinge allerdings bereits Realität.<br />
So präsentierten Ende 2021 sieben<br />
FraunhoferInstitute im Rahmen des<br />
Leitprojekts Med²icin den ersten Prototyp<br />
eines digitalen Patientenmodells.<br />
„Mit dem Prototyp betreten wir eine<br />
neue Ära bei der Behandlung der<br />
Patienten“, ist Stefan Wesarg vom<br />
FraunhoferInstitut für Graphische<br />
Datenverarbeitung (IGD) überzeugt.<br />
Bislang sind die Diagnose und Therapie<br />
von chronischen Erkrankungen wie<br />
Multipler Sklerose, Krebs oder Demenz<br />
äußerst komplex und kostenintensiv. Ein<br />
Grund: Patientendaten wie Anamnesegespräche,<br />
MRTAufnahmen, Laboruntersuchungen<br />
oder Therapieverläufe<br />
werden zwar immer besser digital<br />
erfasst und vorgehalten, liegen aber<br />
unstrukturiert und für die Behandelnden<br />
nicht immer greifbar vor. Eine<br />
sinnvolle Aufbereitung, Verknüpfung<br />
und Visualisierung der Patientendaten<br />
und ein direkter Zugriff auf aktuellste<br />
Studiendaten oder Leitlinien für die<br />
klinische Entscheidungsfindung ist im<br />
Klinikalltag laut Wesarg während der<br />
Patientenvorstellung nicht möglich.<br />
Das soll sich künftig ändern: „Beim<br />
Projekt Med²icin verbinden wir all<br />
diese Gesundheitsinformationen eines<br />
Patienten miteinander und gleichen sie<br />
mit Parametern aus Populationsstudien<br />
und Daten spezifischer Krankheitsbilder<br />
wie Diagnostik, Krankheitsverlauf,<br />
Medikation oder Therapien anderer<br />
Betroffener ab“, erläutert der Projektkoordinator.<br />
Unter Berücksichtigung<br />
klinischer Leitlinien und gesundheitsökonomischer<br />
Aspekte entsteht so ein<br />
ganzheitliches, digitales Patientenmodell<br />
– ein digitaler Zwilling.<br />
Therapie & Ökonomie. Gearbeitet<br />
wird mit dem digitalen Abbild bereits<br />
am Universitätsklinikum Frankfurt am<br />
Main, wo es am Beispiel chronisch entzündlicher<br />
Darmerkrankungen (CED)<br />
evaluiert und implementiert. Dazu liegen<br />
Daten von mehr als 600 Betroffenen<br />
mit 170 verschiedenen Parametern<br />
vor. Aktuelle Anwender in dieser Projektphase<br />
sind Mediziner im Krankenhaus<br />
in der Behandlung von Erkrankten<br />
mit komplexen Krankheitsverläufen.<br />
Im späteren Verlauf sollen auch niedergelassene<br />
Fachärzte in das Projekt eingebunden<br />
werden, ebenso wie Patienten,<br />
Forschungsinstitute oder Krankenkassen.<br />
Für die Vermarktung der<br />
Lösung wollen die FraunhoferForschenden<br />
mit LifeScienceUnternehmen<br />
und TechnologieProvidern in der<br />
Health IT kooperieren.<br />
Langfristig – so der weltweite Expertenplan<br />
– soll jedem Menschen sein<br />
digitales Ebenbild zur Verfügung stehen,<br />
das von vor der Geburt bis ins<br />
hohe Alter mit individualisierten<br />
Gesundheitsdaten gefüttert wird. An<br />
einem virtuellen Patienten können<br />
dann Hunderte Medikamente getestet<br />
werden – und ein Medikament, das<br />
gerade entwickelt wird, lässt sich an<br />
Tausenden von Patienten erproben. In<br />
der Zukunft werden so Behandlungsstrategien<br />
zunächst digital am Computer<br />
optimiert, um das Ansprechen und<br />
mögliche Nebenwirkungen vorherzusagen,<br />
sie prophylaktisch zu vermeiden<br />
und damit die Chancen auf die Ermittlung<br />
der am besten geeigneten Therapie<br />
zu erhöhen.<br />
Davon soll nicht nur jeder einzelne<br />
Patient profitieren, sondern – etwa im<br />
Rahmen der Virtualisierung klinischer<br />
Studien – das gesamte Gesundheitswesen.<br />
Für die Entwicklung innovativer<br />
Therapien, die bis zu ein Jahrzehnt<br />
dauert, Milliarden kostet und ein<br />
erhebliches Risiko des Scheiterns birgt,<br />
bietet das KIKonzept eine Alternative.<br />
Auch dieser wirtschaftliche Faktor ist<br />
ein zentraler Aspekt des datengetriebenen<br />
Wissensmanagements.<br />
57
UNTERNEHMEN IM WANDEL<br />
Auf der Suche nach<br />
dem Speicherplatz<br />
Big Data und Präzisionsmedizin verändern die Zukunft des<br />
Gesundheitswesens – und benötigen dafür laut Adam Marko,<br />
Director für Life-Sciences-Lösungen beim Datenspeicher-Spezialisten<br />
Panasas, vor allem eines: geeignete Storage-Lösungen.<br />
von Christian Lenoble<br />
W<br />
er von Präzisionsmedizin spricht, muss die Rede auch auf die<br />
dahinterstehende Computertechnologie bringen. Können Sie<br />
uns den Zusammenhang der Disziplinen skizzieren?<br />
Adam Marko: In einer Zukunft, in der die Präzisionsmedizin<br />
zum Standard der Versorgung geworden ist, kennt Ihr Arzt<br />
den biologischen Bauplan Ihres Körpers zusammen mit Ihrer<br />
gesamten Krankengeschichte. Dies umfasst Ihr genetisches<br />
Profil, einzigartige Proteinsignaturen, Verhaltens- und<br />
Umweltfaktoren, alle Details aus Ihren elektronischen Krankenakten<br />
und die Informationen, die auf tragbaren medizinischen<br />
Überwachungsgeräten gespeichert sind. Dieser Datenschatz<br />
wird nicht nur von Ihrem Arzt analysiert, sondern<br />
auch von KI-Algorithmen, die diese Daten mit riesigen<br />
Datenbanken abgleichen und Erkenntnisse über Sie gewinnen<br />
können, die bisher unmöglich waren.<br />
Kurzum: Die allgemeine Präzisionsmedizin benötigt und<br />
erzeugt enorme Datenmengen – und lässt sich somit nur verwirklichen,<br />
wenn sich die Gesundheitsbranche mit den damit<br />
verbundenen intensiven Rechenanforderungen auseinandersetzt.<br />
Sind die Weichen dafür bereits gestellt?<br />
High-Performance-Computing leistet natürlich bereits seine<br />
Dienste. Ein Beispiel: Als Wissenschaftler 1990 zum ersten<br />
Mal ein ganzes Genom sequenzieren wollten, brauchten sie<br />
dafür 13 Jahre. Inzwischen haben Forscher der Stanford<br />
Medical University mit fünf Stunden und zwei Minuten den<br />
neuen Guinness-Weltrekord für die schnellste DNA-Sequenzierung<br />
aufgestellt. Weniger als drei Stunden später konnten<br />
sie mit diesen Ergebnissen eine genetische Krankheit erfolg-<br />
reich identifizieren. Dank der Fortschritte in der durch HPC<br />
unterstützten Sequenzierungstechnologie dauert also das,<br />
was früher über ein Jahrzehnt dauerte und fast drei Milliarden<br />
Dollar kostete, heute weniger als einen Arbeitstag und<br />
kostet unter Tausend Dollar.<br />
Die Anwendungen von künstlicher Intelligenz stellen HPC vor<br />
zusätzliche Herausforderungen?<br />
Natürlich. Nehmen wir etwa KI-Anwendungen, die für die<br />
diagnostische Bildgebung im Dienste der Präzisionsmedizin<br />
stehen. So nutzen Wissenschaftler beispielsweise KI zur<br />
Erkennung von Biomarkern in Bildern. Diese können Ärzten<br />
helfen, fundiertere Behandlungsentscheidungen zu treffen<br />
und unnötige Biopsien oder zu starke Bestrahlungen bei<br />
Krebspatienten zu vermeiden. Ein anderes Beispiel: Derzeit<br />
kombiniert ein Team von Wissenschaftlern des Energieministeriums<br />
und des Georgia Institute of Technology High-<br />
Performance-Computing und Deep Learning. Das Ziel ist<br />
unter anderem die Vorhersage der Strukturen und Funktionen<br />
von Tausenden von Proteinen. Die Erkenntnisse werden<br />
den Ärzten weitere wichtige Daten an die Hand geben.<br />
In beiden exemplarischen Fällen gilt: Wenn Ärzte Zugang<br />
zu all diesen Daten erhalten, können sie nicht nur Geld und<br />
Zeit sparen, sondern auch Leben retten.<br />
Was leitet sich daraus für Gesundheitsorganisationen ab?<br />
Zu erwarten ist die Einführung von Hochleistungsrechner-<br />
Infrastrukturen (HPC), die alle nötigen biomedizinischen<br />
und Gesundheitsdaten in die klinischen Arbeitsabläufe integrieren.<br />
Mit Blick auf die Datenmengen und ihr exponentielles<br />
Wachstum müssen Gesundheitsorganisationen in kosteneffiziente,<br />
einfach zu verwaltende Speicherlösungen investieren,<br />
die schnell, skalierbar und sicher sind. Um aus Big Data<br />
klinisch verwertbare Daten abzuleiten, müssen moderne<br />
Organisationen also dem Beispiel der Forscher folgen und<br />
HPC-Speicherlösungen implementieren, die der Aufgabe<br />
gewachsen sind. Eine solche Investition bedeutet eine Revolution<br />
für das Gesundheitswesen, wie wir es kennen.<br />
58
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DIGITALE ZUKUNFT<br />
Das ist die Renaissance des<br />
Wissensmanagements<br />
Wir sind im Zeitalter der Wissensökonomie, sagt Sandra Becker von<br />
Deloitte. Innovation und Technologie sind die wichtigsten Treiber<br />
und zwingen Unternehmen, permanent in Bewegung zu bleiben.<br />
von Fabian Graber<br />
Foto: GettyImages_piola666<br />
60
DIGITALE ZUKUNFT<br />
Frau Becker, was verbindet Sie mit Wissensmanagement?<br />
Sandra Becker: Als Consultant ging es aus interner Sicht<br />
schon immer darum: Wie sichern wir eigentlich unser relevantes<br />
Wissen, was unseren Kunden hilft, sich im Markt zu<br />
positionieren? Ich habe schon in den Nullerjahren Projekte<br />
als Beraterin zum Thema Wissensmanagement gemacht. Das<br />
war noch zu Zeiten der alten, klassischen Content-Management-Systeme,<br />
als das noch eine ganz andere Definition war.<br />
Ich habe also die Brücke geschlagen von der alten Wissensmanagement-Zeit<br />
hin zu den aktuellen Themen.<br />
Was hat sich seitdem getan?<br />
Eigentlich hat sich alles geändert. Früher war das tatsächlich<br />
ein reines Ablage-Thema. Da ging es um die Dokumentation,<br />
die ist wichtig, die muss ich irgendwo speichern und dann<br />
über eine Suchmaschine oder Mail-Abfrage wiederfinden.<br />
Die Frage war: Wie kann ich das, was in den Köpfen der<br />
Leute ist oder was den Ablauf einer Maschine beschreibt,<br />
festhalten? Es wurde eben das dokumentiert, was schon stattgefunden<br />
hat. Heute ist das komplett anders. Es geht um<br />
Knowledge Capture – also das Erfassen von Wissen – bis hin<br />
zur Analyse. Nicht das bloße wiederholte Ablegen spielt eine<br />
Rolle, sondern die neuen Erkenntnisse, die man aus der Analyse<br />
ziehen kann. Daraus ergibt sich eine Wertsteigerung und<br />
das ist der springende Punkt. Wie bringe ich zwei Leute oder<br />
zwei Themen zusammen und gestalte dabei etwas Neues?<br />
Das ist ein kompletter Shift in den Paradigmen des Wissensmanagements.<br />
Wie findet diese Wertsteigerung in der Realität statt?<br />
Zuerst müssen einige Fragen beantwortet werden. Welche<br />
Art von Wissen wird gesammelt? Was ist mein Business? Wie<br />
die strategische Ausrichtung? Was brauche ich für mein<br />
Geschäft und was ist im Unternehmen vorhanden? Und<br />
heute geht es sehr stark darum: Was kommt denn von extern<br />
rein und wie gehe ich damit um? Es ist nicht nur das interne<br />
Wissen, sondern immer die Kombination mit der Außenwelt.<br />
Ein Beispiel aus der Beratung wäre, dass man ein Projekt<br />
abschließt, man hat dort etwas analysiert, Erkenntnisse<br />
gewonnen und dem Kunden einen Endbericht gegeben. Den<br />
könnte man jetzt einfach ablegen und sagen: Vielleicht findet<br />
irgendwo noch mal ein ähnliches Projekt statt und dann kann<br />
man das wieder herausholen und nutzen. In der heutigen<br />
Zeit ist es aber ganz selten, dass etwas genauso wieder stattfindet.<br />
Jetzt geht es viel stärker darum, über den Prozess zu<br />
lernen und daraus neue Werte zu entwickeln, Neues zu<br />
gestalten. Die Erkenntnisse sind dann oft allgemeiner und<br />
können auch von anderen eingesetzt werden. Da entsteht ein<br />
Mehrwert.<br />
Erkenntnisse laufen also mittlerweile sehr bald ab, weil sich<br />
alles so schnell verändert?<br />
Wir sind jetzt im Zeitalter der Wissensökonomie und alles<br />
funktioniert ein bisschen anders. Innovation und Technologie<br />
sind die wichtigsten Treiber und zwingen Unternehmen<br />
dazu, permanent in Bewegung zu bleiben. Außerdem arbeiten<br />
wir in Teilzeit, hybrid, global. Die Leute wechseln ihre<br />
Jobs viel häufiger. Es gibt zwar weiterhin die klassischen<br />
Abläufe innerhalb von Unternehmen und auch die haben<br />
noch Bedeutung. Zum Beispiel, wenn sich Kunden beschweren<br />
im Callcenter oder man ein Produktdatenblatt braucht,<br />
das ist alles noch da. Aber der Innovationsdruck ist hoch und<br />
es gibt eben noch Potenzial zum Optimieren, das ist spannend.<br />
Man muss sich immer vorwärtsbewegen.<br />
Umfragen zeigen, dass zwar viele Unternehmen das Thema<br />
Wissensmanagement als Priorität erkennen, sich aber nur<br />
wenige imstande sehen, Handlungen zu setzen. Woher kommt<br />
diese Zurückhaltung?<br />
Ja, da gibt es eine große Kluft. In einer Studie haben 70 Prozent<br />
der Unternehmen gesagt, dass Wissensmanagement<br />
wichtig ist und nur neun Prozent, dass sie sich bereit fühlen.<br />
Das Thema wurde auch 20 Jahre lang quasi ignoriert und erst<br />
jetzt wiederentdeckt. Unternehmen merken, dass etwas passiert<br />
und es ihnen entgleitet, weil sie sich so lang nicht mit<br />
dem Thema auseinandergesetzt haben. Die sehen jetzt, dass<br />
es all diese tollen neuen Technologien gibt, die ganz viel<br />
können und merken aber: Das Implementieren von solchen<br />
Technologien an sich ändert überhaupt nichts und löst auch<br />
nichts. Die Leute hatten das nicht auf dem Schirm. Das<br />
Management von Wissen wurde oft in IT-Abteilungen ausgelagert.<br />
Dabei ist es aber Teil der täglichen Arbeit. Man muss<br />
das strategisch angehen und herausarbeiten, was das „bessere“<br />
Wissen ist und wo der Schmerz sitzt. Daher wissen<br />
viele auch nicht, wo sie überhaupt anfangen sollen.<br />
Wenn man sich 20 Jahre lang nicht mit Wissensmanagement<br />
auseinandersetzt – kann man das bei dem hohen technologischen<br />
Tempo heute überhaupt noch aufholen?<br />
Da gibt es viele Missverständnisse. Manche nehmen einfach<br />
das, was sie noch aus der alten Zeit wissen und transferieren<br />
es auf eine neue Technologie. Das klappt logischerweise<br />
nicht. Nachweislich funktioniert Wissensmanagement dort<br />
gut, wo es das Management propagiert und sagt: Wir achten<br />
darauf. Wir geben euch die Zeit dafür, Wissen zu teilen. Es<br />
ist ein Unternehmenswert. Unsere Studien haben ergeben,<br />
dass Mitarbeiter in solchen Firmen die Qualität des Wissens<br />
als höher einschätzen, dass sie schneller Dinge finden und<br />
Vertrauen haben. Das ist der Faktor Mensch. Wir reden zum<br />
Großteil über das implizite Wissen, das in unser aller Köpfe<br />
steckt. Aber wann ist man auch bereit, das Wissen abzugeben,<br />
zu teilen und daraus einen Mehrwert zu generieren? Das<br />
funktioniert nur, wenn man die Sicherheit hat, dass damit gut<br />
umgegangen wird. Es geht also um die Kultur, lang bevor wir<br />
61
DIGITALE ZUKUNFT<br />
überhaupt mit der Technologie anfangen. Ob die dann künstliche<br />
Intelligenz kann oder Spracherkennung oder nur eine<br />
gute Suchmaschine ist – das ist alles gar nicht so wichtig. Ich<br />
muss mich als Mensch und Mitarbeiter erst einmal sicher<br />
fühlen.<br />
Wie funktioniert das in der Praxis?<br />
Im Consulting haben wir bei unseren Projekten zum Beispiel<br />
immer Verantwortliche, die sicherstellen, dass die richtigen<br />
Inhalte geteilt werden und die Leute ihre Expertisen ergänzen.<br />
Das ist mittlerweile Teil des ganz normalen Arbeitens.<br />
Das funktioniert aber nur, wenn es gewünscht und anerkannt<br />
wird. Dann kann man die aktuellen Technologie nehmen und<br />
da ist wirklich sehr viel möglich. Gerade mit der Analyse von<br />
Wissen in Unternehmen lassen sich strategische Schlüsse<br />
ziehen. Man kann etwa Skills identifizieren, daraus Profile<br />
erstellen und analysieren, wo es Defizite im Team gibt, wenn<br />
Mitarbeiter das Unternehmen verlassen. Das macht auch<br />
ersichtlich, wo sich Expertise konzentriert und wo Netzwerke<br />
entstehen. Wenn Unternehmen lernen, mit diesen<br />
Daten gut umzugehen, führt es zu einem großen Mehrwert.<br />
Und welche Voraussetzungen braucht es dafür?<br />
Mir fällt sofort der Begriff „Super Team“ ein.<br />
Das Konzept ist stark mit agilen Arbeitsmethoden<br />
verknüpft. Dabei werden immer projektbezogen<br />
oder situationsbezogen Skills<br />
kombiniert und sämtliche Hierarchien aufgelöst<br />
– wobei das nicht immer so radikal<br />
geschehen muss. Da wird Knowledge<br />
Management spannend, weil man die richtigen<br />
Leute zusammensetzt und den Austausch<br />
ermöglicht. Dann interessiert es mich natürlich,<br />
welche Ideen diese Teams kreieren und<br />
wie das Wissen zurückgespielt wird. Da geht<br />
es nicht darum, Word-Dokumente abzulegen.<br />
Wichtiger ist es, Profile zu erstellen, die auf<br />
eine Expertise schließen lassen. Wenn ich<br />
sehe, dass jemand schon drei Mal Teil von<br />
einem Super Team war zu einem bestimmten<br />
Thema, dann macht es Sinn, diese Person<br />
dazu anzusprechen. Man kann über die Zeit<br />
erkennen, wie sich jemand entwickelt und<br />
seine Expertise aufgebaut hat. Man stellt sich<br />
also die Frage: Was macht Experten überhaupt<br />
zu Experten?<br />
Es gibt zwar viele neue Technologien, aber<br />
gleichzeitig steigt die Informationsflut an. Wie<br />
können Unternehmen da Schritt halten?<br />
Da ist eine der größten Herausforderungen.<br />
Eine Studie hat gezeigt, dass fast 55 Prozent<br />
der internen Datenströme nicht genutzt werden.<br />
Natürlich kann man hinterfragen, ob<br />
man das alles verwenden muss. Für mich geht<br />
es stark darum, zu analysieren und zu verstehen,<br />
welche Informationen die neuen Technologien<br />
ausspucken. Ich kann eine Skill-<br />
Sandra Becker<br />
Sandra Becker ist Senior Manager<br />
beim Beratungsunternehmen<br />
Deloitte in Frankfurt und<br />
unterstützt vor allem Projekte<br />
mit Großkunden in ihrer Rolle<br />
als Priority Client Program Leader.<br />
Sie hat mehr als neun Jahre<br />
Beratungserfahrung als Managerin<br />
für Strategie,<br />
Vertrieb, Marketing und Wissensmanagement<br />
bei großen<br />
Unternehmen in der deutschen<br />
Automobilindustrie. Zwischen<br />
2015 und 2021 war Becker für<br />
das nationale, geschäftsübergreifende<br />
Wissensmanagement<br />
bei Deloitte in Deutschland verantwortlich.<br />
Gap-Analyse machen, untersuchen, wer wo auf Daten<br />
zugreift, welche Experten, Cluster und Netzwerke ich habe.<br />
Daraus lässt sich zum Beispiel schließen, ob das meiner<br />
Innovationskraft nutzt oder ob ich mein Recruiting umstellen<br />
muss. Beim Thema Big Data wurde bereits früh angefangen,<br />
nach außen hin zu analysieren. Bei Knowledge Management<br />
geht es wieder stärker darum, den Blick nach innen zu richten<br />
und das intern zu machen. Die Kunst ist es, das Wissen in<br />
den Kontext des jeweiligen Unternehmens zu setzen. Das ist<br />
eine neue Art zu denken. Es geht darum, herauszufinden,<br />
welche Informationen überhaupt nützlich sind – und das ist<br />
sehr individuell. Natürlich gibt es auch Gegenstimmen, die<br />
sagen: Man kippt einfach alles in ein System und der Nutzer<br />
entscheidet, was wichtig ist. Man muss eben immer wieder<br />
neu hinterfragen, was zu einem passt.<br />
In den vergangenen zwei Jahren hat sich die Arbeitswelt sehr<br />
stark verändert, befeuert durch die Coronapandemie. Wie<br />
wirkt sich das auf Wissensmanagement aus?<br />
Die Pandemie ist ein Treiber, der das Thema wieder auf die<br />
Agenda gebracht hat. Man muss von dem Verwalten von<br />
Wissen weggehen und aufdecken, wo die<br />
Expertise steckt, wo sich Cluster bilden, wie<br />
Informationen fließen. Es muss nicht immer<br />
alles irgendwo dokumentiert sein. Es geht<br />
darum, dass Austausch stattfinden kann.<br />
Viele Unternehmen haben durch die Pandemie<br />
bemerkt, dass sie da riesige Defizite<br />
haben. Dass man den Austausch nicht einer<br />
kleinen, separaten IT-Abteilung überlassen<br />
kann, sondern das in die täglichen Abläufe<br />
integrieren muss. Das ist die Renaissance<br />
des Wissensmanagement.<br />
Sie haben es bereits angesprochen: Vertrauen<br />
ist beim Wissensmanagement ausschlaggebend.<br />
Wenn Mitarbeiter das Gefühl haben,<br />
dass alles gespeichert und analysiert wird,<br />
was sie von sich geben – besteht dann die<br />
Gefahr, dass die Privatsphäre und das Vertrauen<br />
auf der Strecke bleiben?<br />
Das klingt schon fast ein bisschen dystopisch!<br />
In der Theorie können natürlich<br />
Systeme zum Einsatz kommen, die E-Mails<br />
mitlesen oder Präsentationen automatisch<br />
verschlagworten. In der Realität ist das<br />
durch den Datenschutz und arbeitsrechtlich<br />
klar reguliert. Als Unternehmen würde man<br />
sich auch keinen Gefallen damit tun, das<br />
alles aufzunehmen und zu analysieren. Man<br />
muss aus den ganzen Infos etwas machen<br />
und ich glaube, man würde den Fokus verlieren,<br />
wenn es keine Prioritäten gäbe. Technologisch<br />
ist vieles möglich, aber nicht alles<br />
macht Sinn. Es geht eben darum, zu definieren,<br />
welche Informationen gesammelt und<br />
welche geteilt werden sollen. Erst dann wird<br />
es Unterstützung dafür geben.<br />
Foto: Deloitte<br />
62
WERBUNG<br />
Digitale Identität<br />
Mehr Sicherheit im Online-Business.<br />
Wir bewegen uns zunehmend in einer digitalen Welt. Dementsprechend<br />
ist die digitale Identität essenziell. So wie wir<br />
in der realen Wirklichkeit die Person eindeutig identifizieren<br />
können – ein Ausweis und der Fotoabgleich mit der Person,<br />
die vor mir steht, reichen dazu – gilt dieser Anspruch auch<br />
im Digitalen. Durch die rasche Digitalisierung, die durch die<br />
Covid-Pandemie eine Beschleunigung erfahren hat, hat die<br />
digitale Identifikation an Bedeutung gewonnen.<br />
Foto: David Visnjic<br />
Eindeutige Identitäten<br />
„Aus dem dringenden Bedarf sind viele verschiedene Identifikationsmethoden<br />
und -verfahren von verschiedenen Anbietern<br />
entstanden. Dadurch stehen wir zurzeit vor einem Vielfaltsdilemma“,<br />
sagt Christoph Mammerler, Business Development<br />
Director DACH bei CRIF. Die Beispiele sind bekannt: Es gibt<br />
Tools, die einen physischen Abgleich digital abbilden oder mittels<br />
Video-Chat, Ausweiserkennung und mittels Handykamera<br />
die „echte“ Person verifizieren. „Aus diesen sogenannten phygitalen<br />
Identifikationsverfahren haben wir uns in eine digitale<br />
Identifizierbarkeit hin entwickelt.“ Die Vision der Zukunft muss<br />
sein, dass, egal in welchen Welten wir uns bewegen, die<br />
Identität der Person eindeutig, sicher und einfach feststellbar<br />
ist. Einfach darum, da es die Online-Konsument:innen<br />
gewöhnt sind, sich frei und userfreundlich in der Online-Welt<br />
zu bewegen.<br />
„Dass sie für diese Usability oftmals einen hohen Preis zahlen<br />
– über Single-Sign-on mit meinem Social-Media-Account<br />
registriert und mein Userverhalten kennen mehr Leute, als<br />
mir lieb ist – diese Awareness ist in der Bevölkerung noch<br />
nicht da“, weiß Mammerler. Das wird aber zunehmend ein<br />
Thema und darum braucht es sichere, transparente und vor<br />
allem datensparende Wege.<br />
Die Qual der Wahl<br />
Dem Thema Sicherheit kommt entsprechend eine tragende<br />
Rolle zu. „Die Schwierigkeit ist die Qual der Auswahl. Die<br />
digitale Identität eindeutig festzustellen, bringt im Online-<br />
Business nicht nur mehr Sicherheit gegen Onlinebetrug,<br />
vielmehr bedingen manche Geschäftsprozesse die rechtskonforme<br />
Identifizierung, wenn es sich beispielsweise um<br />
den Abschluss einer Online-Versicherung oder eines Handyvertrags<br />
handelt, wie auch bei der Eröffnung eines Online-<br />
Bankkontos“, erklärt Mammerler weiter. Es gibt allerdings<br />
nicht die eine Methode, die für alle Konsument:innen die<br />
eine richtige ist. Dafür sind bereits zu viele unterschiedliche<br />
Verfahren im Umlauf und je nach Sicherheitsstufe mehr oder<br />
weniger sinnvoll bzw. notwendig.<br />
Experte. Christoph Mammerler, Business<br />
Development Director DACH bei CRIF.<br />
Alles aus einer Hand<br />
CRIF gibt dieser Vielfalt der Wege eine „Bühne“ und vereint<br />
die verschiedensten Identifikationsmöglichkeiten auf einer<br />
Plattform. „Dieser PaaS-Ansatz macht es den Unternehmen<br />
– sprich den Händler:innen und den Konsument:innen –<br />
maximal einfach und convenient: Als Identification Service<br />
Provider bietet CRIF über die Plattform die Vielzahl von Identifikationsmethoden<br />
an, die je nach Anforderung entlang der<br />
Customer Journey maßgeschneidert eingesetzt werden“, so<br />
der Experte von CRIF. „Somit bietet der/die Onlinehändler:in<br />
die notwendige Auswahl und hat mit uns den Überblick über<br />
die Must-haves der Identifikations-Branche.“ Und das über<br />
Landesgrenzen hinweg, im deutschsprachigen Raum und<br />
auch in Europa.<br />
www.crif.at<br />
63
DIGITALE ZUKUNFT<br />
Stimmen werden laut<br />
Sprache ist der Schlüssel zum Wissen: Wieso das gesprochene<br />
Wort beim Knowledge Management stark gefragt ist und wie<br />
ein Supercomputer bei einer Quizshow gewann.<br />
von Fabian Graber<br />
Foto: GettyImages_mustafahacalaki<br />
64
DIGITALE ZUKUNFT<br />
Die Menschheit hat viel Erfahrung darin,<br />
Wissen in schriftlicher Form aufzuzeichnen<br />
und weiterzugeben. Die<br />
sumerische Keilschrift und die ägyptischen<br />
Hieroglyphen entstanden vor<br />
über 5000 Jahren, noch lang bevor<br />
Johannes Gutenberg im 15. Jahrhundert<br />
den Buchdruck massentauglich machte<br />
und eine weltweite Medienrevolution<br />
auslöste. Dass es heute zum Arbeitsalltag<br />
vieler Menschen gehört, mit mehreren<br />
Hundert E-Mails pro Tag bombardiert<br />
zu werden, ist die konsequente<br />
Weiterentwicklung der menschlichen<br />
Zuneigung zur Schrift. Das gesprochene<br />
Wort hat in der Kommunikation<br />
und beim Wissensaustausch eine noch<br />
viel geringere Bedeutung – dieses<br />
Ungleichgewicht könnte aber bald der<br />
Vergangenheit angehören.<br />
Mehr Empathie möglich. Denn das<br />
Sprechen und Zuhören hat gegenüber<br />
dem reinen Text durchaus Vorteile.<br />
Eine Studie der Yale University aus<br />
dem Jahr 2017 hat etwa ergeben, dass<br />
Menschen ihre Gefühle und inneren<br />
Zustände am genausten über ihre<br />
Stimme kommunizieren können – und<br />
zwar nicht nur gegenüber der Schrift,<br />
sondern auch im Vergleich zur visuellen<br />
Verständigung, beispielsweise über<br />
die Mimik. Laut dem Autor Michael W.<br />
Kraus ist die reine Sprachkommunikation<br />
der effektivste Weg, um bei seinem<br />
Gegenüber Empathie zu erzeugen und<br />
zu vermitteln. In der Psychologie galt<br />
lange Zeit der Grundsatz, dass<br />
Gesichtsausdrücke sehr verlässlich<br />
Auskunft über die Emotionen eines<br />
Menschen geben können. Auch Technologiefirmen<br />
versuchen sich das<br />
zunutze zu machen, etwa bei Gesichtserkennungssoftware,<br />
mit der auf die<br />
Gefühlsebene von Menschen zugegriffen<br />
werden soll. In der jüngeren Vergangenheit<br />
gab es aber zunehmend Kritik<br />
von Forschern an dem sturen Fokus<br />
auf die Gesichtsmuskulatur, schließlich<br />
ist die Mimik auch stark von kulturellen<br />
Einflüssen abhängig und kann laut<br />
einem Artikel von „Nature“ im Jahr<br />
2020 je nach Kontext verschieden<br />
interpretiert werden.<br />
Seit der Durchdringung der menschlichen<br />
Kommunikation mit Textnachrichten-Apps<br />
bekommen wir das<br />
Gesicht unseres Gegenübers aber die<br />
meiste Zeit sowieso nicht mehr zu<br />
sehen. Um Emotionen trotzdem klarer<br />
ausdrücken zu können, wird stark auf<br />
Emojis zurückgegriffen, wobei die<br />
Genauigkeit laut einem Forschungspapier<br />
der Universität Ulm in Deutschland<br />
auch hier zu wünschen übrig lässt.<br />
500<br />
Millionen<br />
Podcast-Hörer wird<br />
es laut einer Prognose<br />
im Jahr 2024<br />
weltweit geben. Das<br />
ist fast eine Verdoppelung<br />
im Vergleich<br />
zu 2019.<br />
Studie der Universität Ulm<br />
Audio kehrt zurück. Dass das Hören<br />
wieder im Aufwind ist, zeigt auch die<br />
seit Jahren steigende Nutzung von Podcasts.<br />
Laut einer Prognose aus dem<br />
letzten Jahr könnte es im Jahr 2024<br />
weltweit über 500 Millionen Podcast-<br />
Hörer geben, fast eine Verdoppelung<br />
im Vergleich zu 2019. Demnach werden<br />
bald rund ein Viertel der Internetnutzer<br />
Podcasts hören, so die Untersuchung.<br />
Nachdem vor etwa einem Jahrhundert<br />
die erste Radiosendung ausgestrahlt<br />
wurde – dem Format aber später<br />
vom Fernsehen der Rang abgelaufen<br />
wurde – finden die Tonspuren wieder<br />
ihren Weg zurück ins Zentrum der<br />
Unterhaltungs- und Medienbranche.<br />
Und auch Unternehmen setzen stärker<br />
auf den Ton als Medium, nicht zuletzt<br />
bei der Vermittlung von Wissen nach<br />
innen und außen.<br />
Das österreichische Jungunternehmen<br />
Audvice setzt auf diesen Trend<br />
und bietet Firmen ein App an, über die<br />
Informationen in der Form von Sprachnachrichten<br />
effektiver mit Mitarbeitern<br />
und Kunden geteilt werden können.<br />
Die Basis für das Geschäftsmodell entwickelte<br />
die Gründerin Sophie Bolzer<br />
aber bereits in ihrer Studienzeit. „Der<br />
Druck war groß und ich habe begonnen,<br />
meine eigenen Memos zum Lernen<br />
aufzunehmen und sie mir im Auto<br />
wieder anzuhören. Das hat extrem viel<br />
gebracht“, sagt Bolzer. Die Wahrscheinlichkeit,<br />
dass man sich Informationen<br />
merkt, würde bei 30 Prozent liegen,<br />
wenn man sie einmal durchliest. Beim<br />
zweiten Durchlesen seien es 40 Prozent,<br />
wenn man sich die Informationen<br />
wieder selbst vorspricht, schon 60 Prozent.<br />
Wenn man seine eigene Aufnahme<br />
nochmals hört, liege der Wert<br />
bei 80 Prozent, so Bolzer. Im Jahr 2019<br />
führt Audvice das erste Produkt ein,<br />
das sich vor allem an Hochschulprofessoren<br />
richtete. Auch Unternehmen<br />
zeigten Interesse und so wuchs Aud-<br />
65
DIGITALE ZUKUNFT<br />
Menschen können ihre Gefühle<br />
am genauesten über ihre Stimme<br />
kommunizieren.<br />
vice rasch über den Universitätssektor<br />
hinaus und richtete sich stärker an Firmenkunden<br />
aus, heißt es auf der Webseite<br />
des Unternehmens. Die Coronavirus-Pandemie<br />
heizte den Boom bei<br />
Audioanwendungen weiter an und<br />
Audvice sicherte sich letztes Jahr eine<br />
Finanzierung eines europäischen Venture-Capital-Fonds.<br />
Zu viele Infos. „Bei Sprache merkt<br />
man, dass es viel schneller und einfacher<br />
ist beim Erstellen von Inhalten und dass<br />
du die Möglichkeit hast, mit wenig Aufwand<br />
sehr viel Emotion und Kontext zu<br />
vermitteln. Mit Text schafft man das<br />
nicht und Videoproduktionen stehen da<br />
von den Kosten her einfach nicht im<br />
Verhältnis“, so Bolzer. Außerdem seien<br />
die Menschen oft zugemüllt von zu vielen<br />
Informationen und nach vielen Stunden<br />
vor dem Bildschirm auch nicht<br />
mehr aufnahmefähig. „Von unseren Nutzern<br />
bekommen wir die Rückmeldung,<br />
in welchen Situationen sie sich die<br />
Inhalte anhören. Selten vor dem Computer,<br />
sondern eher, wenn sie spazieren<br />
gehen, mittags kochen, Sport machen<br />
oder beim Autofahren. Mir geht das<br />
auch bei Podcasts so – am ehesten kann<br />
ich mir etwas merken, wenn ich zumindest<br />
ein bisschen Aufmerksamkeit<br />
schenken kann“, sagt die Gründerin.<br />
Beim Wissensmanagement würden<br />
Firmen oft viel Zeit und Energie in die<br />
Produktion von Inhalten stecken, die<br />
immer aktuell sein müssten, weil sich<br />
sonst die Kosten nicht rechnen, so<br />
Bolzer. Trainings für neue Mitarbeiter<br />
würden meistens über Calls stattfinden,<br />
die laufend wiederholt werden<br />
müssten und viel Zeit in Anspruch nehmen.<br />
Mit vielen Mitarbeitern im<br />
Home-Office sei die Kommunikation<br />
noch schwerer zu handhaben, weshalb<br />
laut Bolzer viele Unternehmen nun<br />
verstärkt auf Audioinhalte setzen, die<br />
flexibel konsumiert werden können.<br />
Das andere NLP. In Zukunft will<br />
Bolzer mit Audvice auch stärker auf<br />
eine Technologie namens „Natural Language<br />
Processing“ – kurz NLP – setzen,<br />
also die Verarbeitung von natürlicher<br />
Sprache. Sie ist ein Teilgebiet der<br />
künstlichen Intelligenz und befasst sich<br />
damit, Computern die Fähigkeit zu<br />
geben, Texte und das gesprochene<br />
Wort auf eine ähnliche Weise zu verstehen<br />
wie Menschen, so die Definition<br />
des US-Technologiekonzernes IBM.<br />
„In Unternehmen teilen Mitarbeiter<br />
quer durch alle Hierarchieebenen<br />
Informationen und Wissen. Da lassen<br />
sich viele Daten auswerten, nicht nur<br />
was die Nutzung angeht, sondern auch<br />
semantische Faktoren, Stimmen oder<br />
Füllwörter. Am Ende des Tages könnte<br />
man mit einem Modell sagen: Wer sind<br />
die Experten zu welchen Themen? Wo<br />
sind vielleicht noch Wissenslücken im<br />
Unternehmen vorhanden? Basierend<br />
auf dem, was wir schon von einer Person<br />
wissen, kann ein Mehrwert für das<br />
ganze Unternehmen entstehen“, sagt<br />
Bolzer. Dabei müsse man aber auch<br />
sicherstellen, die Mitarbeiter nicht zu<br />
gläsernen Menschen zu machen, die<br />
den Eindruck gewinnen könnten, dass<br />
bei jeder Unterhaltung mitgehört<br />
werde, so die Audvice-Gründerin.<br />
Schon der Datenschutz gebe hier sehr<br />
klare Regeln für Unternehmen vor.<br />
Die Wurzeln von NLP gehen bis in<br />
die 1950er-Jahre zurück und das Feld<br />
wurde stark von Entwicklungen bei<br />
IBM geprägt. Der Konzern untersuchte<br />
laut seiner Webseite bereits damals<br />
Muster für die Spracherkennung und<br />
künstliche Intelligenz und entwickelte<br />
1962 eine Maschine, die mit simplen<br />
Sprachbefehlen mathematische Rechnungen<br />
anstellen konnte. Mit dem Watson-Computersystem<br />
machte IBM das<br />
Thema Spracherkennung und künstliche<br />
Intelligenz zur konzernweiten<br />
Priorität und ließ die Maschine im Jahr<br />
2011 in einer US-Quizshow teilnehmen,<br />
die es auch gewann. Mittlerweile setzt<br />
Watson NLP etwa beim Analysieren<br />
von Webseiten und Social-Media-Plattformen<br />
ein. Ein Sprachassistent setzt<br />
wiederum auf die Verarbeitung des<br />
gesprochenen Worts.<br />
Kein voller Erfolg. IBM setzte mit<br />
Watson auch stark auf Produkte für<br />
den Gesundheitsbereich, zum Beispiel<br />
bei der Krebsbehandlung, konnte laut<br />
einem Artikel der „New York Times“<br />
vom Juli 2021 aber viele Erwartungen<br />
nicht erfüllen, was auch die Vision des<br />
Projekts – ganze Industrien zu revolutionieren<br />
und dabei hohe Gewinne<br />
abzuwerfen – ins Wanken brachte.<br />
Für das Wissensmanagement war<br />
das Projekt dennoch ein großer Schritt,<br />
gerade was die Verarbeitung von Sprache<br />
angeht: Das Netzwerk aus Rechnern,<br />
die den Watson formen, konnte<br />
laut IBM bereits vor zehn Jahren das<br />
Äquivalent einer Million Bücher pro<br />
Sekunde verarbeiten.<br />
Foto: GettyImages_mixetto<br />
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Von der Massenproduktion zur Massen-Personalisierung,<br />
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JuristischeBegriffeschnellund<br />
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