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Beitrag - MEK

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Max Schiendorfer<br />

wird ihm dies mit der in mehrfacher Hinsicht ungeeigneten Salme an seiner Seite aber<br />

nie gelingen. Salman müßte sich endlich der einzig adäquaten Partnerin zuwenden,<br />

was wiederum bedingt, daß er sich aus Salmes Bannkreis loszulösen vermag. Dies ist<br />

freilich eine ungemein delikate arbeit, und wohl um deren heillose Vertracktheit noch<br />

eindringlicher ins Bild zu setzen, hat der Autor das Epos um einen zweiten Handlungskreis<br />

verlängert.<br />

Als nämlich Salme zum zweiten Mal aus Jerusalem entflieht, diesmal mit dem Heidenkönig<br />

Princian, gewinnt man zunächst den Eindruck, es beginne in Salman eine<br />

Ahnung zu dämmern, er versuche sich zumindest auf Verstandesebene von Salme zu<br />

distanzieren. So vernehmen wir etwa, daß er dieses Mal nicht Morolf vorschicken,<br />

sondern seine Gattin selber zurückerobern wolle, was ihm natürlich sehr gut anstünde<br />

(612f.). Und mehr noch: Er erteilt Morolf sogar ausdrücklich die Lizenz, Salme nach<br />

erneuter Rückgewinnung zu töten (614f.). Aber als es dann wirklich ernst gälte, gebärdet<br />

Salman sich plötzlich – und nicht zum ersten Mal – doch wieder als Hasenfuß<br />

und macht einen kläglichen Rückzieher (719):<br />

Fure ich mit dir uber see,<br />

so muste ich aber allein in die burg gen,<br />

also ich dette in kunig Foren lant.<br />

sie furtent mich under den galgen,<br />

recht als ich die lant hette gebrant.<br />

Salmans larmoyanter Rückblick auf jene früher gemachten üblen Erfahrungen verdient<br />

Beachtung: Zum einen demonstriert er auf der Strukturebene das (aufgrund<br />

unveränderter Prämissen vorläufig notwendige) Scheitern einer schemakonformen<br />

Um- und Weiterbildung der männlichen Hauptfigur; zum andern ruft er eine auf der<br />

Handlungsebene entscheidende Schlüsselszene, und zwar kontrastiv in Erinnerung.<br />

Damals, in kunig Foren lant, hatte sich Salman im entscheidenden Moment nämlich<br />

durchaus nicht feige verhalten.<br />

Die Situation war die folgende gewesen: Salman und Morolf sind samt Streitmacht in<br />

Fores Reich angelangt. Morolf rät seinem Bruder, als Pilger verkleidet die Burg zu<br />

erkunden, während er selbst in einem nahen Wald das Heer bereithalte. Zwar quittiert<br />

Salman diesen Plan zunächst ängstlich mit allerlei Ausflüchten, ehe er sich endlich<br />

doch noch überreden läßt. Nur wenig später heißt es dann freilich auffällig genug:<br />

Salmon gewan eins lewen muht (438)! Wie erklärt sich die unvermittelte Mutation<br />

vom Angsthasen zum Löwenherz? Offenbar hängt sie damit zusammen, daß Salman<br />

unterdessen die Einflußsphäre einer andern – und nunmehr der richtigen – Frau<br />

betreten hatte. Die mittelalterlichen Literaturkenner wußten natürlich längst, wer dies<br />

sein würde: Einzig und allein die Schwester des mächtigsten Heidenkönigs Fore, die<br />

ranghöchste und auch schönste (230) seiner Hofdamen, kam dafür in Betracht. Und<br />

eben sie war es, die Salman das Burgtor geöffnet hatte und sich von dem fremden<br />

Pilger sogleich instinktiv angezogen fühlte. Schon zur Begrüßung bot sie dem vermeintlich<br />

Bedürftigen an, sein weiteres Leben bei ihr zu fristen. Sie wolle für ihn sorgen,<br />

und zwar so, wie sie symbolträchtig sagt, das dich da von nieman scheide, / es<br />

thue dan unser eins tot (401). Später, als Salmans Tarnung aufgeflogen ist, agiert sie<br />

als seine Fürsprecherin bei ihrem Bruder (428f.). Und sie überbringt hoffnungsfroh<br />

die Nachricht, Fore sei ihn zu schonen gewillt, wenn er beim bevorstehenden Verhör<br />

den Anspruch auf Salme fahren lasse (435). Dies letztere Gespräch ist Teil einer

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