XPLR Magazin 02/2021
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HELLO FROM EVERYWHERE<br />
JULIA LEEB:<br />
„Die 360-Grad-Technik<br />
gibt dem Journalismus<br />
die Glaubwürdigkeit<br />
zurück.“<br />
INTERVIEW<br />
JULIA HÄGELE<br />
FOTOS<br />
JULIA LEEB<br />
Frau Leeb, sind Sie ein furchtloser<br />
Mensch?<br />
Nein. Angst ist menschlich und kann ein<br />
guter Ratgeber sein. Angst kann aber<br />
auch lähmen, deshalb ist es Ermessenssache,<br />
inwieweit man bereit ist, die Ängste<br />
zu durchwandern. Ich verlasse mich oft<br />
auf meine Intuition. Meine Themen liegen<br />
häufig hinter der Angst.<br />
Sie haben politische Unruhen im Kongo,<br />
in Ägypten, Libyen, Syrien, Afghanistan,<br />
im Südsudan und Iran dokumentiert –<br />
was treibt Sie an instabile Orte?<br />
Wir sehen nur die Menschen, die online<br />
sind oder in den Medien gezeigt werden.<br />
Aber die Welt ist groß – ich will sie verstehen,<br />
mit eigenen Augen sehen und<br />
diejenigen zeigen, die nicht von selbst<br />
sichtbar sind.<br />
Haben Sie das Gefühl, dass die Welt<br />
durch die Digitalisierung zusammengewachsen<br />
ist?<br />
Es sind eigentlich immer die Gleichen, die zusammenwachsen.<br />
Aktivisten, die in einer Diktatur leben, können<br />
nicht einfach mal ein Selfie hochladen oder ihre Meinung<br />
auf Facebook posten. Wir sehen sie nicht und trotzdem<br />
sind sie da. Es ist ein Trugschluss zu denken, dass die Welt<br />
überall so tickt wie bei uns.<br />
Für Ihre Arbeit nutzen Sie oft XR-Technologie – wie<br />
genau?<br />
Ich arbeite mit einer 360-Grad-Kamera. So können sich die<br />
Leser:innen und Zuschauer:innen selbst ein Bild davon machen,<br />
wie es vor Ort ist. Es ist wichtig, dass sie sehen, dass<br />
ich nichts verstecke. Im Prinzip hilft die 360-Grad-Technik,<br />
dem Journalismus seine Glaubwürdigkeit zurückzugeben.<br />
Mich hat immer interessiert: Was ist außerhalb des Fotos<br />
passiert? 360-Grad-Aufnahmen sind die Antwort darauf.<br />
Jedes Medium, das wir kennen, hat einen Rahmen – sei es<br />
der Bildschirm des Computers, das Ölgemälde oder die<br />
Zeitung. 360 Grad ist die Befreiung aus der Umrandung,<br />
das ist die Revolution. Im Kongo sehe ich zum Beispiel eine<br />
Frau vor mir, die mit mir spricht. Doch ich kann mich drehen,<br />
sehe Männer mit Kalaschnikows herumlaufen, viele<br />
Kinder ohne Schuhe. Unten sehe ich den Lehmboden. Das<br />
erzählt mehr als ein klassisches Foto der Frau.<br />
FOTO: PRIVAT<br />
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