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Be a Butcher (Juni 2022)

Magazin für den Fleischernachwuchs im Norden

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NACHHALTIGKEIT<br />

INTERVIEW<br />

Nachhaltiges Fleischerhandwerk<br />

"Eine Sache, hinter der ich<br />

zu 100% stehe."<br />

Sie ist das jüngste Mitglied im Vorstand<br />

des Fleischer-Verbands Schleswig-Holstein:<br />

Fleischermeisterin Gesine Untiedt (26).<br />

Wie es dazu kam und welche Rolle das<br />

Fleischerhandwerk in ihrem Leben<br />

spielt, erfahren Sie im Interview.<br />

Die Fleischerei Lohff in Travemünde besteht seit 149 Jahren,<br />

gegründet wurde sie im Jahr 1873 von Fleischermeister Wilhelm<br />

Andreas Lohff und seiner Frau Luise. Heute wird die Fleischerei<br />

in fünfter Generation von den Brüdern Martin und Christian<br />

Lohff sowie dessen Frau Elke geleitet.<br />

Nachhaltigkeit steht bei Lohffs hoch im<br />

Kurs. Als eine der ersten Fleischereien<br />

in Deutschland informiert der Familienbetrieb<br />

Kund*innen und Stakeholder mit<br />

einem Nachhaltigkeitsbrief über die eigenen<br />

Aktivitäten. „Ein nachhaltiges Unternehmen,<br />

das immer weniger Energie verbraucht, seinen<br />

CO2-Ausstoß stetig verringert, Verpackungsmüll<br />

vermeidet und Tierwohl fördert, ist nicht<br />

über Nacht zu erreichen“, erklärt Martin Lohff.<br />

Anspruch der Familie Lohff sei es, in allen<br />

<strong>Be</strong>reichen Schritt für Schritt besser zu werden.<br />

In den vergangenen drei Jahren hat das<br />

Unternehmen verschiedene Maßnahmen zur<br />

Einsparung von Energie unternommen. Heute<br />

sind zwei Drittel aller Lichtquellen LED-Lampen.<br />

<strong>Be</strong>i den Kühlmaschinen ist ein Wärmerückgewinnungssystem<br />

installiert. Im Fuhrpark<br />

stehen mittlerweile zwei Hybrid-Fahrzeuge<br />

und ein reines Elektrofahrzeug.<br />

Aktuell verzichten Lohffs bereits zu über 90<br />

Prozent auf Einweg-Verpackungen und nutzen<br />

stattdessen recyclingfähige PP-Schalen und<br />

ungebleichte Papiertüten. Seit langem schon<br />

arbeitet das Unternehmen ohne Einweggeschirr<br />

und setzt ausnahmslos auf Mehrweg,<br />

Porzellan und Glas.<br />

Schweinefleisch, Rindfleisch, Maishähnchen<br />

und Wildbret beziehen Lohffs von Partner*innen<br />

und Landwirt*innen aus der Region. Das<br />

garantiert kurze Versorgungswege, minimiert<br />

den Stress für die Tiere und sichert die<br />

regionale Versorgungsstruktur. „Transparenz<br />

ist uns wichtig,“ betont Christian Lohff,<br />

„deswegen auch der Nachhaltigkeitsbrief. Die<br />

Menschen haben ein Recht zu erfahren, woher<br />

unsere Materialien und Rohstoffe stammen.<br />

Unsere Währung heißt Vertrauen.“<br />

*<br />

*<br />

*<br />

Lohffs Ziele für <strong>2022</strong><br />

Bis zum Jahresende werden Energieverbrauch<br />

und CO2-Fußabdruck im Detail ermittelt und<br />

klare Reduktionsziele und Maßnahmen zur<br />

Umsetzung für 2023 festgelegt.<br />

Bis zur Mitte dieses Jahres sollen alle To-Go-<br />

Verpackungen auf nachhaltige Verpackungsformen<br />

umgestellt sein.<br />

Bis zum Jahresende sind alle Plastik-Salatschalen<br />

durch ein Mehrwegsystem ersetzt.<br />

Gesine, du bist kürzlich in den<br />

Vorstand deines Landesverbands<br />

gewählt worden – eher<br />

ungewöhnlich für dein Alter,<br />

oder?<br />

Das stimmt. Aber ich habe mich<br />

doch sehr gefreut, als ich gefragt<br />

wurde, ob ich mich auch überregional<br />

für unser Handwerk<br />

engagieren möchte. Im Vorstand<br />

der Fleischerinnung Holstein bin<br />

ich schon seit 2020 als <strong>Be</strong>isitzerin<br />

aktiv.<br />

Welche <strong>Be</strong>deutung hat das<br />

Ehrenamt für dich?<br />

Es bedeutet mir viel. Auf diese Art<br />

kann ich Verantwortung übernehmen<br />

und mich für eine Sache,<br />

hinter der ich zu 100 Prozent<br />

stehe, einsetzen. Außerdem habe<br />

ich die Chance, meine eigenen<br />

Ideen zu verwirklichen. Natürlich<br />

stoße ich dabei auch hin und<br />

wieder mal auf taube Ohren, aber<br />

probieren geht über studieren.<br />

Einen Versuch ist es immer wert.<br />

Es geht mir auch darum, die<br />

Leute von dem, was ich tue zu<br />

überzeugen. Das Fleischerhandwerk<br />

ist so vielfältig und lässt<br />

Freiraum, sich zu entfalten. Das<br />

möchte ich mit anderen teilen<br />

– besonders in Hinblick auf die<br />

Nachwuchsgewinnung.<br />

Deine Familie führt seit Generationen<br />

einen Laden mit dazugehöriger<br />

Landwirtschaft: War<br />

für dich immer klar, dass du<br />

Fleischerin werden wirst?<br />

Nein, wobei ich schon immer<br />

gern mitgeholfen habe. Als Kind<br />

wollte ich Tierärztin werden und<br />

im Rahmen eines Schulpraktikums<br />

habe ich hinter die Kulissen<br />

einer Apotheke geschaut. Das hat<br />

aber nicht so viel Spaß gemacht,<br />

wie die Arbeit auf dem Wochenmarkt.<br />

Dort habe ich mir nämlich<br />

als Teenie mein Taschengeld in<br />

einem unserer Verkaufswagen<br />

verdient. Mit 17 habe ich dann<br />

immer mehr Verantwortung im<br />

<strong>Be</strong>trieb übernommen und die<br />

Arbeit wurde immer interessanter.<br />

Was sagen deine Freund*innen<br />

zu deinem Job?<br />

Das war eigentlich nie ein echtes<br />

Thema. Vielen war klar, dass ich<br />

in den Familienbetrieb einsteige.<br />

Andere Reaktionen bekomme<br />

ich von neuen Leuten, die ich erst<br />

kennenlerne und nicht schon seit<br />

Kindertagen kenne: „Wie mutig,<br />

dass du als Frau im Handwerk<br />

arbeitest!“ Einige bewundern auch,<br />

dass ich mir den Job überhaupt<br />

zutraue. Da muss ich dann Aufklärungsarbeit<br />

leisten. In unserem<br />

<strong>Be</strong>ruf müssen wir nicht (mehr)<br />

über die Maßen stark oder belastbar<br />

sein – mittlerweile gibt es ja<br />

Hilfsmittel, die die Arbeit erleichtern.<br />

Im Handwerk fühle ich mich<br />

einfach wohl. Es gefällt mir so gut,<br />

dass ich sogar schon Vegetarier*innen<br />

davon überzeugt habe, dass<br />

das mein Lebensweg ist.<br />

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