Arnold, Fröchtling, Kunz | Schliephake: Alle sind eingeladen (Leseprobe)
Die Feier des Abendmahls ist neben der Wortverkündigung das Herzstück des Gottesdienstes. Christliche Gastfreundschaft findet hier ihren liturgischen Ausdruck. Sie knüpft an das an, was Jesus von Nazareth mit vielen Menschen seiner Zeit geteilt und gefeiert hat. Ihm getreu gilt auch heute das inklusive Motto: Alle sind eingeladen, Gemeinschaft zu erleben, Versöhnung zu erfahren, getröstet und gestärkt zu werden für ihren Weg. Das Buch bietet biblische, systematische, ethische und praktische Einführungen in das Thema „Essen vor Gott“ und beleuchtet dabei stets den Aspekt des Inklusiven und Universalen. Die 20 ausgeführten Abendmahlsliturgien folgen sechs theologischen Leitmotiven: Freude an der Schöpfung, Gedächtnis im Leiden, Freiheit im Heiligen Geist, Heil und Heilung, Gemeinschaft und Teilen, Transformationen und Visionen. Sie orientieren sich dabei an agendarischen Strukturen und situativen Gegebenheiten verschiedener evangelischer Kirchen. Sie überschreiten bewusst das Vertraute und brechen auf zu neuen Feierformen: diakonisch, interkulturell, mehrsprachig, inklusiv.
Die Feier des Abendmahls ist neben der Wortverkündigung das Herzstück des Gottesdienstes. Christliche Gastfreundschaft findet hier ihren liturgischen Ausdruck. Sie knüpft an das an, was Jesus von Nazareth mit vielen Menschen seiner Zeit geteilt und gefeiert hat. Ihm getreu gilt auch heute das inklusive Motto: Alle sind eingeladen, Gemeinschaft zu erleben, Versöhnung zu erfahren, getröstet und gestärkt zu werden für ihren Weg.
Das Buch bietet biblische, systematische, ethische und praktische Einführungen in das Thema „Essen vor Gott“ und beleuchtet dabei stets den Aspekt des Inklusiven und Universalen. Die 20 ausgeführten Abendmahlsliturgien folgen sechs theologischen Leitmotiven: Freude an der Schöpfung, Gedächtnis im Leiden, Freiheit im Heiligen Geist, Heil und Heilung, Gemeinschaft und Teilen, Transformationen und Visionen. Sie orientieren sich dabei an agendarischen Strukturen und situativen Gegebenheiten verschiedener evangelischer Kirchen. Sie überschreiten bewusst das Vertraute und brechen auf zu neuen Feierformen: diakonisch, interkulturell, mehrsprachig, inklusiv.
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Jochen Arnold | Drea Fröchtling | Ralph Kunz | Dirk Schliephake (Hrsg.)
Alle sind eingeladen
Abendmahl inklusiv denken und feiern
gemeinsam gottesdienst gestalten 32
Herausgegeben von Jochen Arnold
Inhalt
I. Alle sind eingeladen – Abendmahl inklusiv denken
A Abendmahl, biblisch- und systematisch-theologisch
bedacht — 13
1. Mit Gott am Tisch – eine biblisch-theologische Spurensuche
(Jochen Arnold) — 13
2. Gott und Mensch beim Abendmahl – systematischtheologische
Überlegungen, ökumenische Perspektiven
und liturgische Konkretionen (Jochen Arnold) — 23
B Inklusion in Kirche und Gottesdienst — 39
3. »Wir wollen Inklusion« – eine praktisch-theologische
Perspektive (Drea Fröchtling) — 39
4. Musik als inklusives Medium – nicht nur im Gottesdienst
( Jochen Arnold und Bettina Gilbert) — 54
5. Gottes Inklusionsprogramm – eine theologische
Thesenreihe (Jochen Arnold) — 68
C Gottesdienst und Abendmahl inklusiv — 71
6. Inklusion als Chance für Kirche und Gottesdienst –
praktische Thesen und Leitfragen (Jochen Arnold und
Dirk Schliephake) — 71
7. Abendmahl mit Kindern – inklusiv von Anfang an
(Dirk Schliephake) — 78
8. Abendmahl und Heilung (Ralph Kunz) — 89
9. Abendmahl in Vesperkirchen – eine Wiederentdeckung
der offenen Mahlzeiten Jesu (Martin Dorner) — 105
10. Abendmahl inklusiv feiern – zehn Impulse für die liturgische
Praxis (Dirk Schliephake und Bettina Gilbert) — 115
Inhalt | 5
II.
Alle sind eingeladen – Abendmahl inklusiv feiern
A Schöpfung und Schöpfungsgaben
Lobe den Herrn, meine Seele! – Ein Gottesdienst draußen
[Psalm 104] (Susanne Paetzold) — 129
Kauft umsonst! – Familiengottesdienst im Sommer in leichter
Sprache [Jesaja 55] (Jochen Arnold) — 142
B Gedächtnis im Leiden
Aufbruch und Befreiung – Abendmahlsgottesdienst am Vorabend
der Konfirmation [Johannes 6] (Evelina Volkmann) — 150
When Israel was in Egypt’s Land – Häusliches Tischabendmahl an
Gründonnerstag in der Zeit des »Corona-Shut-Down« 2020
[ Exodus 12] (Jochen Arnold und Elisabeth Rabe-Winnen) — 165
Gott in der Verlassenheit spüren – Gottesdienst am Karfreitag
[Psalm 22] (Elisabeth Rabe-Winnen) — 176
C Wo der Geist ist, da ist Freiheit
»Das Essen und die Gemeinschaft mit Jesus, das gehört zusammen!«
– Abendmahlsfeier in der Vesperkirche [Markus 2,13–18]
(Martin Dorner) — 187
Hingabe – ein Gottesdienst mit Allen in der Osterzeit
[Johannes 15,13] (Dirk Schliephake) — 196
Schmecken und riechen, hören und sehen, fühlen und verstehen:
So wirkt Gottes Geist. – Ein inklusiver Gottesdienst an Pfingsten
[Apostelgeschichte 2] (Ulrike Beichert und Team) — 209
D Trost und Stärkung
»Mittel gegen die Angst!« – Brotteilen im Schulgottesdienst
(mit heterogenen und multireligiösen Schülergruppen)
[Markus 4,35-41] (Martin Dorner) — 223
6 | Inhalt
Wegzehrung – Outdoor-Abendmahlsgottesdienst zum Abschluss
eines Gemeindefestes [1 Könige 19] (Drea Fröchtling) — 236
Du wirst sein ein bewässerter Garten [Jesaja 58,7–12]
(Anne Gidion) — 247
E Gemeinschaft und Verantwortung
Gemeinschaft über alle Grenzen hinweg [Apostelgeschichte 2,42–
47 und 1 Korinther 10,16f.] (Stefan Nadolny und Steve Ogedegbe)
— 257
Recht und Gerechtigkeit – wie ein nie versiegender Bach
[Amos 5,24] (Peter und Stefanie Arthur) — 268
»Versöhnungs-Geschäft« – ein Gottesdienst am Buß- und Bettag
in einem leerstehenden Laden [2 Korinther 5,17–20]
(Mirko Peisert) — 277
F Transformationen und Visionen
God will prepare a banquet for all the nations [Isaiah 25,6–9]
(Delphine Takwi) — 285
Brannte nicht unser Herz? – Ein Gottesdienst zur
Emmausgeschichte [Lukas 24,13–35] (Fritz Baltruweit) — 295
Kinder, habt ihr nichts zu essen? – Gottesdienst mit österlichem
Morgenmahl [Johannes 21,1–14] (Dirk Schliephake) — 307
Das Lied der Himmlischen – Familiengottesdienst am Sonntag
Kantate [Offenbarung 15,2–4] (Susanne Mathis-Meuret) — 322
Literatur — 337
Autorenhinweise — 339
Inhalt | 7
TEIL I:
Alle sind eingeladen –
Abendmahl inklusiv denken
»Alle sind eingeladen.« So hört man es oft, wenn die Kirche für
Veranstaltungen wirbt. Man denkt vielleicht zuerst eher an das
Gemeindefest oder eine Konzertveranstaltung für Groß und
Klein. Aber denkt man auch noch an den sonntäglichen Gottesdienst?
Gerade zu Letzterem kommen ja längst nicht alle Kirchenmitglieder.
Manche vermeiden auch bewusst die Abendmahlsfeier.
Warum? Ist die Sprache zu schwer verständlich? Ist die alte Liturgie
zu abständig oder die Musik zu »uncool«? Liegt es an den
»anstrengenden Leuten«? Oder passt schlicht die Uhrzeit nicht?
Besteht gar kein wirkliches Interesse an einem christlichen Gemeinschaftsritual?
Viele Antworten sind denkbar. In den Zeiten
der Corona-Pandemie gibt es auch Menschen, die dazu rieten,
Abendmahl zu fasten.
Diese Positionen zu analysieren oder zu bewerten, ist nicht
Aufgabe dieses Buches. Aber eines wollen wir mit Nachdruck
ausschließen: Dass Menschen sich – trotz ihrer Zugehörigkeit
zur Kirche bzw. einer gefühlten Nähe zur Gemeinde – nicht eingeladen
fühlen. Besonders schmerzlich ist das, wenn sie meinen,
sie seien vom Tisch des Herrn ausgeschlossen.
Der Bischofsrat der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers hat deshalb
Anfang 2020 in einem werbenden Brief an alle Gemeinden
die Abendmahlspraxis angefragt und deutlich gemacht, dass niemand
vom Tisch Jesu weggeschickt werden soll. Dabei wird auf
Jesus Christus als Gastgeber verwiesen und Bezug auf die Taufe
genommen:
»In breiter ökumenischer Übereinstimmung ist die Taufe Voraussetzung
dafür, am Abendmahl teilzunehmen.
Weil Christus selbst einlädt, wird […] niemand abgewiesen, der
den Wunsch zeigt, das Abendmahl mitzufeiern. Diese Teilnahme
kann als Schritt in die christliche Gemeinschaft hinein verstanden
werden. Menschen, die nicht getauft sind, laden wir zur Taufe
ein. Getaufte, die aus der Kirche ausgetreten sind, ermutigen wir
zum Wiedereintritt.« 1
Kein Wunder, dass damit auch die in etlichen Gemeinden übliche,
an die Konfirmation gebundene Zulassung zum Abendmahl
endgültig abgeschafft werden soll:
1
Bischofsrat Hannover 2020, Abendmahlsbrief, 3.
Alle sind eingeladen – Abendmahl inklusiv denken | 11
»Die Einladung zum Abendmahl schließt auch getaufte Kinder
sowie Konfirmandinnen und Konfirmanden ein.
Sie ist an kein Alter gebunden. Kinder sind schon früh vom Abendmahl
angerührt und können seine Bedeutung und Schönheit mit
allen Sinnen erfahren. Diese frühen Erfahrungen legen eine gute
Grundlage für ein Leben in Gemeinschaft mit Gott und auch für
die lebenslange Entfaltung einer eigenen Abendmahlsspiritualität.«
2
Diese Passage spiegelt den aktuellen Stand der Konsensbildung
zumindest der deutschsprachigen evangelischen Kirchen Europas
wider, was allerdings noch nicht heißt, dass diese Überzeugung
auch in allen Gemeinden Anklang und Akzeptanz findet.
Abendmahl tauftheologisch bzw. ekklesiologisch inklusiv zu denken
und zu feiern, ist keine Selbstverständlichkeit.
2
Bischofsrat Hannover 2020, Abendmahlsbrief, 4.
12 | Alle sind eingeladen – Abendmahl inklusiv denken
A
Abendmahl, biblisch- und
systematisch-theologisch bedacht
1. Mit Gott am Tisch – eine biblisch-theologische
Spurensuche
Jochen Arnold
1.1. Bei Gott am Tisch – Verheißungen
Das Bild, mit Gott gemeinsam am Tisch zu sitzen und zu essen,
entwickelt sich durch die biblische Tradition wie ein großes Crescendo.
Drei Stationen aus dem ersten Testament seien hier vorangestellt.
Die erste Begebenheit ist Gottes Erscheinen bei Abraham
im Hain Mamre (1 Mose 18) zur Mittagszeit.
Und der HERR erschien Abraham im Hain Mamre, während er
an der Tür seines Zeltes saß, als der Tag am heißesten war. Und
als er seine Augen aufhob und sah, siehe, da standen drei Männer
vor ihm. Und als er sie sah, lief er ihnen entgegen von der Tür
seines Zeltes und neigte sich zur Erde und sprach: Herr, hab ich
Gnade gefunden vor deinen Augen, so geh nicht an deinem Knecht
vorüber. Man soll euch ein wenig Wasser bringen, eure Füße zu
waschen, und lasst euch nieder unter dem Baum. Und ich will
euch einen Bissen Brot bringen, dass ihr euer Herz labt; danach
mögt ihr weiterziehen. Denn darum seid ihr bei eurem Knecht
vorübergekommen.
Sie sprachen: Tu, wie du gesagt hast. Abraham eilte in das Zelt
zu Sara und sprach: Eile und menge drei Maß feines Mehl, knete
und backe Brote. Er aber lief zu den Rindern und holte ein zartes,
gutes Kalb und gab‘s dem Knechte; der eilte und bereitete es zu.
Und er trug Butter und Milch auf und von dem Kalbe, das er zubereitet
hatte, und setzte es ihnen vor und blieb stehen vor ihnen
unter dem Baum, und sie aßen.
Da sprachen sie zu ihm: Wo ist Sara, deine Frau? Er antwortete:
Drinnen im Zelt. Da sprach er: Ich will wieder zu dir kommen
übers Jahr; siehe, dann soll Sara, deine Frau, einen Sohn haben.
Mit Gott am Tisch | 13
Die Rollen sind überraschend verteilt. Gott selbst kommt zu
Besuch, aber in menschlicher Gestalt, und das gleich zu dritt. In
orientalischer Erzählfreude wird die Gastfreundschaft Abrahams
und Saras geschildert: In hoher Geschwindigkeit und Intensität
bieten sie alles auf, was sie haben. Ihre Hingabe lässt uns fragen:
Was motiviert uns? Was bieten wir an, wenn Fremde unangemeldet
bei uns anklopfen? Welche Chance vertun wir, wenn wir nicht
dafür offen sind?
Am Ende überraschen die Besucher den Gastgeber und seine
Frau mit einem Geschenk. Ein ungewöhnliches Versprechen: »Ihr
sollt ein Kind haben!« Der Lebenswunsch von Sara und Abraham
soll erfüllt werden. Das sinnliche Essen und die Zusage der Nachkommenschaft
sind miteinander verbunden. Leitmotiv ist die
Gastfreundschaft Abrahams und die überraschende Gegenwart
Gottes. Nur die beiden Gastgeber sind (noch) Zuschauer.
In 2 Mose 24,9–11 wird Folgendes erzählt:
Und sie stiegen auf den Berg; Mose, Aaron und die 70 Ältesten
und sahen den Gott Israels. Unter seinen Füßen war es wie eine
Fläche von Saphir und wie der Himmel, wenn es klar ist. […] Und
als sie Gott geschaut hatten, aßen und tranken sie.
Was an anderer Stelle in der Bibel Menschen versagt bleibt (vgl.
2 Mose 34 bzw. Mt 17), wird hier Wirklichkeit: Eine ausgewählte
Schar begegnet Gott von Angesicht zu Angesicht. Sie schauen
seine Herrlichkeit. Und danach essen und trinken sie in einer heiligen
Mahlzeit. Im Gegensatz zur ersten Begebenheit schaut hier
Gott zu, nachdem die Ältesten, Mose und Aaron ihn geschaut haben.
Anders die Vision, die uns in Jesaja 25 erzählt wird. Dort heißt
es:
Und der Herr Zebaoth wird auf diesem Berge allen Völkern ein
fettes Mahl machen, ein Mahl von reinem Wein […], von Wein,
darin keine Hefe ist. Und er wird auf diesem Berge die Hülle wegnehmen,
mit der alle Völker verhüllt sind, und die Decke, mit der
alle Heiden zugedeckt sind. Er wird den Tod verschlingen auf
ewig. Und der Herr wird alle Tränen abwischen und wird aufheben
die Schmach seines Volkes in allen Landen, denn Er hat’s
gesagt. Da wird man sagen: »Siehe, das ist unser Gott, auf den
wir hoffen, lasst uns jubeln und fröhlich sein über sein Heil.«
14 | Jochen Arnold
Ähnlich wie in 2 Mose 24,9–11 begegnen Menschen Gott auf
einem Berg von Angesicht zu Angesicht. Auch hier essen und
trinken sie in einer heiligen Mahlzeit. Die Tische biegen sich. Gott
schenkt voll ein (vgl. Ps 23,4). Das Wunderbare dabei ist: Alle Völker
sind ohne Ausnahme beteiligt. Gott selbst sorgt dafür. Ja, Gott
selbst sitzt – im Gegensatz zu 2 Mose 24 – mit am Tisch. Das alles
geschieht außerhalb der Zeit. Was hier geschaut wird, steht noch
aus und ist nicht zu übertreffen: Gott wischt alle Tränen ab,
nimmt die Decke von ihren Augen. Alle werden satt und alle werden
getröstet. Gottes Zuwendung geschieht leiblich, seelisch und
geistlich.
Diese Hoffnung auf das messianische Völkermahl teilte Jesus
mit den Jüdinnen und Juden seiner Zeit. Und sie verbindet uns
mit dem Volk Gottes aller Generationen und Konfessionen: das
Inklusionsprogramm Gottes ist hier am Ziel.
1.2. Die Mahlzeiten und Wunder Jesu –
Gottes sinnliches Inklusionsprogramm
Auch wenn dieses Ziel manchmal noch weit weg scheint, hat
Gottes Inklusionsprogramm schon begonnen, es ist nicht nur
Zukunftsmusik. Jesus von Nazareth hat Gottes Liebe in dreifacher
Gestalt kommuniziert und sichtbar gemacht:
– »in der gemeinschaftlichen Feier, vor allem in der Form von
grundsätzlich inklusiven Mahlzeiten;
– in Lehr- und Lernprozessen, wie sie wohl am deutlichsten
und wirkmächtigsten in seinen Gleichnissen zum Ausdruck
kamen;
– im Helfen zum Leben, wie es besonders anschaulich in seinen
Heilungen überliefert ist.« 3
Eines der auffälligsten Merkmale dieses Inklusionsprogramms
war, dass Jesus an vielen Orten und in unterschiedlichen Situationen
mit Menschen gegessen und getrunken hat (vgl. Mk 2,13–
17; Mt 11,19 par Lk 7,34 f.). Die Mahlzeiten mit Zöllnern und
Frauen zweifelhaften Rufs erregten viel Aufmerksamkeit. Dass es
allerdings schon in diesen vorösterlichen Mahlzeiten um mehr
geht als um bloßes Essen und Trinken, zeigen die Worte, die dazu
vielfach überliefert sind. Jesu »Tischreden« sind oft die charman-
3
Christian Grethlein, Quo vadis, Ecclesia? – Evangelische Kirche im Transformationsprozess,
Dt. Pfr.bl. 2020, 5–9, hier: 7.
Mit Gott am Tisch | 15
ten Worte eines Gastes (nicht eines Gastgebers), der sich bisweilen
ja auch selbst eingeladen hat, wenn er etwa zu Zachäus
(Lk 19,5) sagt: Zachäus, steig eilend herunter; denn ich muss heute
in deinem Haus einkehren!
Damit rücken Jesu Mahlzeiten mit ins Licht von Aktionen
heilsam-provokativer Re-Inkludierung »mit Ansage«. Gerade das
Zusammenfallen von Handlung und Worten ist signifikant für
das Auftreten Jesu. Offensichtlich war es ihm wichtig, einen Ausgleich
zwischen denen, die »zurückgesetzt« lebten und den anderen,
die sich für rechtschaffen hielten, zu schaffen und seine
Haltung dazu öffentlich kundzutun. Dadurch erteilt er ausdrücklichen
und versteckten Exklusionen seiner Zeitgenossen, von
denen vielfach erzählt wird und die bis in den Kreis seiner Jünger
hineinreichen (vgl. Mk 10,13; Lk 18,39), eine Absage in Wort und
Tat. Nach Mk 2,17 sagt Jesus: »Die Starken bedürfen des Arztes
nicht, sondern die Kranken. Ich bin gekommen, die Sünder zu rufen
und nicht die Gerechten.« Interessanterweise wird in diesem Logion
die Rettung von Sünden bzw. die Heilung durch den Arzt mit
dem Zeichen gemeinsamen Essens (mit dem Zöllner Levi) verbunden.
Sind die Gerechten damit ausgeschlossen?
Auch dies lässt sich nicht unbedingt behaupten. Immerhin
wendet sich Jesus auch den reichen und frommen Menschen zu.
Beispiel dafür ist der »reiche Jüngling«. Auch ihm gilt Jesu Zuwendung
und Liebe (Mk 10,21 par). Dennoch: Gerade den Schwachen,
den Menschen am Rande der Gesellschaft, den kritisch Beäugten
verkündigte er das Reich Gottes und heilte sie oder ihre
Angehörigen von langer Krankheit (vgl. Mk 7,24–30; Joh 5,1–10).
Er brachte sie damit in das gesellschaftliche Leben zurück. Leibliches
Heilwerden war mit wieder hergestelltem Selbstwert und
neuen Beziehungsmöglichkeiten verbunden (vgl. Lk 17,11–19).
Jesus stiftete vielfach solche neuen Beziehungen. Er baute Brücken
zu Samaritanern (vgl. Joh 4) und römischen Soldaten (Mt
8,5–13; Mk 15,39; Joh 4), sprach mit unterschiedlichen theologischen
und politischen Gruppierungen seiner Zeit und diskutierte
mit ihnen über die Tora und das Reich Gottes (Mk 12,18–
35). Sein Umgang mit Menschen diverser politischer und religiöser
Orientierung bzw. ethnischer Zugehörigkeit hatte starke Wirkung
und provozierte viele. Die größte Provokation war wohl die
Tempelreinigung (vgl. Mk 11,15–19; Joh 2,13–25), die ebenfalls
mit einer »Ansage« verbunden überliefert ist. Jesus überschritt
damit die religiösen Grenzen nicht nur im Sinne politischer Kor-
16 | Jochen Arnold
ektheit, die Aktion wurde – wie sein Anspruch Sünden zu vergeben
(vgl. Mk 2,5–7) – als Blasphemie begriffen und daher auch in
der Passionsgeschichte zum Gegenstand im Prozess (Mk 14,57 f.).
Das prominenteste Zeichen für praktizierte Inklusion ist das
Wunder der Brotvermehrung. Hier geht es nicht mehr nur um ein
zeichenhaftes Essen mit Einzelnen oder eine Heilung von einzelnen
Personen, sondern darum, dass eine sehr große Zahl von
Menschen – alle Anwesenden – satt wird. Die Motivation Jesu
wird als eine emotional-ganzheitliche beschrieben. Es jammert
ihn, wenn Menschen Hunger haben (Mk 6,34; Mk 8,2). Es geht
ihm durch Mark und Bein vor Mitleid. Damit wird deutlich: Das
Wunder geschieht nicht um des Wunders, sondern um der Menschen
willen. Markus und Matthäus erzählen die Speisungsgeschichte
sogar zweimal (Mk 6 und 8 par), um damit die Fülle der
Adressaten des Reiches Gottes zu zeigen: Juden und Heiden
(5 000 und 4 000) sollen satt werden, ein inklusives Symbol des
Heils Gottes für die ganze Welt im Sinne des anbrechenden Reiches
Gottes.
Die zeichenhafte Handlung der Brotvermehrung im Speisungswunder,
das alle satt macht, wird im letzten Mahl Jesu symbolisch
auf seinen Tod bezogen. Die Einsetzungsworte im Abendmahl
stellen alle Opferpraktiken der damaligen Zeit auf den Kopf,
wenn sie pointiert sagen: »für euch gegeben«. Nicht für Gott wird
hier etwas geopfert, sondern Gott selbst gibt sich in Christus für
alle Menschen. Daher ist auch eine inklusive Reformulierung des
Kelchworts angemessen: Statt »das für viele vergossen wird zur
Vergebung der Sünden« können wir mit dem 2. Hochgebet im Römischen
Messbuch (1970) sagen: für alle vergossen!
Doch wie gehen wir mit den biblischen Überlieferungen um,
die davon sprechen, dass Menschen nicht dabei sind, wenn gegessen
und getrunken wird, ja womöglich so vom Heil Gottes
ausgeschlossen sind? Betrachten wir dazu nochmals Lukas 14
(par Mt 22), das Gleichnis vom großen Gastmahl. Viele werden
eingeladen. Das Fest ist groß angelegt. Aber die Kamera des Erzählers
richtet sich auf drei Personen, die zum Fest eingeladen
sind. Einer kauft einen Acker, ein anderer ein Joch Ochsen, ein
Dritter heiratet. Für den göttlichen Gastgeber ist das traurig. Ja,
er wird richtig zornig. Doch anstatt sie zu ermahnen, zu strafen
oder sich einfach »sauer« zurückzuziehen und das Fest abzusagen,
schickt er seinen Diener los: Geh schnell auf die Straßen und
Gassen und hole die Armen und Gehbehinderten, die Blinden und
Mit Gott am Tisch | 17
Lahmen herein. Die Armen bekommen – wie an Weihnachten die
Hirten – die Einladung persönlich mitgeteilt! Sogar ein zweites
Mal wird der Knecht losgeschickt, um auch auf den Landstraßen,
jenseits der »konventionellen« Orte, Menschen einzuladen. Und
alle dürfen kommen. Keiner ist dabei, der es nicht wert wäre, dabei
zu sein.
Ist das ein inklusiver oder ein exklusiver Text? Hier findet ganz
offensichtlich – auf Initiative des Gastgebers hin – eine große
räumliche und personelle »Expansion« statt. Er möchte unbedingt,
dass sein Haus voll wird. Die Botschaft lautet: Das große
Fest soll mit unzählbar vielen Menschen stattfinden. Eine besondere
Bedingung zur Teilnahme gibt es nicht. Hauptsache, man
kommt. Im Klartext: Gott tut alles, um menschliche »Selbst-Exklusionen«
zu kompensieren. Gott liebt sich den Himmel voll. Ist
es möglich, dass Menschen nicht kommen, dass Plätze am Tisch
Gottes leer bleiben?
Darauf antwortet Jesaja 25,6–9, die bereits angeführte Jesaja-
Apokalypse. Sie enthüllt die große Vision eines Mahls, in dem
dann doch alle dabei sind. Gott selbst ist Gastgeber für alle Völker.
Diese Mahl-Vision des Reiches Gottes ist vielleicht die größte
und mutigste der ganzen Bibel und zeigt etwas von der universalen
Weite jüdisch-christlicher Hoffnung für die Welt.
Doch noch sind wir nicht so weit. Wir leben in einer Zwischen-
Epoche. Versöhnt und doch nicht vollendet. Gerechtfertigt und
noch nicht verwandelt. Wie können wir damit umgehen?
Paulus setzt in Galater 3,25–28 auf ein Inklusionsprogramm,
das in der Rechtfertigung aus Glauben an Christus gründet und
uns als Kirche heute einen klaren Blick gibt:
Denn ihr seid alle durch den Glauben Gottes Kinder in Christus
Jesus. Denn ihr alle, die ihr auf Christus getauft seid, habt Christus
angezogen. Hier ist nicht Jude noch Grieche, hier ist nicht
Sklave noch Freier, hier ist nicht Mann noch Frau; denn ihr seid
allesamt einer in Christus Jesus. Gehört ihr aber Christus an, so
seid ihr ja Abrahams Nachkommen und nach der Verheißung
Erben.
Damit ist klar: Wer glaubt und getauft ist, gehört dazu. Denn er
oder sie ist in Christus, trägt ihn gleichsam in sich (vgl. Gal 2,20).
Niemand darf wegen seines Geschlechts, seiner Herkunft oder
seines Standes weniger willkommen sein im Gottesdienst als ein
anderer oder eine andere. Fakt ist dann aber auch: Die Reichen
18 | Jochen Arnold
sind genauso willkommen wie die Armen. Diese inklusive Herausforderung
betrifft besonders die »satten Kirchen« im globalen
Norden des 21. Jahrhunderts.
Es geht um eine Kultur der Gastfreundschaft und der Einladung.
Sie ist gleichsam das Markenzeichen von Kirche. In Apostelgeschichte
2 wird diese Ursituation von Kirche beschrieben.
Gemeinde Christi konstituiert sich aufgrund der Wirkung des
Heiligen Geistes als Gemeinschaft unter Wortverkündigung, Teilen
des Brotes und Gebet (Apg 2,42).
Dann heißt es weiter:
Es kam aber Furcht über alle, und es geschahen viele Wunder
und Zeichen durch die Apostel. Alle aber, die gläubig geworden
waren, waren beieinander und hatten alle Dinge gemeinsam. Sie
verkauften Güter und Habe und teilten sie aus unter alle, je nachdem
es einer nötig hatte. Sie waren täglich und stets beieinander
einmütig im Tempel und brachen das Brot hin und her in den
Häusern, nahmen die Speise mit Freuden und lauteren Herzen,
lobten Gott und fanden Gnade beim ganzen Volk.
Die Mahlfeier gehört neben der Wortverkündigung und dem Gebet
zentral zum Gottesdienst der christlichen Urgemeinde. Alle
haben an diesen Mahlzeiten Anteil. Inklusiv ist auch das Teilen
der gemeinsamen Güter. Offenbar ist man mobil, was die Wahl
des Ortes angeht. Die Mahlfeiern scheinen – welch ein aktuelles
Signal! – primär in den Häusern stattzufinden. Die Hausgemeinde
ist das innere Herz der neuen Bewegung. Zentrales affektives
Merkmal ist der österliche Jubel der Christen, der so ansteckend
war, dass sich Menschen eingeladen fühlten, sich der
Gemeinde anzuschließen: das meint: »Gnade bei dem ganzen
Volk« finden.
Ein Blick in die aktuelle praktisch-theologische Diskussion
und unsere kirchliche Situation zeigt: Wir sind aktuell in einer
Suchbewegung, die neben der klassischen Parochie auch andere
Gemeindeformen im Fokus hat. Menschen erleben Kirche gerade
nicht mehr am »klassischen Ort«, sondern auch außerhalb in
einer Kneipe, auf einem Sofa am Rhein, in einem Laden an der
Ecke oder natürlich – die Corona-Krise hat es eindrucksvoll gezeigt
– medial im Internet. Dabei ist eine neue Kreativität und
Beweglichkeit gottesdienstlicher Situationen entstanden, die
gleichsam »urchristlich« ist und uns sicher guttut.
Mit Gott am Tisch | 19
Doch der Blick in Apg 6 zeigt, dass es schon in der Jerusalemer
Gemeinde Probleme gab. Die griechisch sprechenden Witwen
wurden bei der Verteilung der Speisen übersehen. Es brauchte
ein neues Amt und eine klare Verteilung der Aufgaben. Diakone
sollten tätig werden und die sozial Schwächeren versorgen. Eine
ethnisch-kulturelle Differenz und der schwache Status der Witwen
steht im Hintergrund dieses Konflikts (Apg 6,1f.). Die eigenen
Sprachgenossen liegen uns oft näher als die Geschwister anderer
Kultur … Doch mit dem Mut zur Veränderung und dem Weitblick
der Leitenden gelingt es, solidarisch (im Geist Jesu) zu handeln
und das Gefälle zu vermindern.
Auch Paulus deckt Exklusionspraktiken auf. Er konfrontiert
die Korinther (1 Kor 11) mit einem Fehlverhalten, das den sowieso
schon großen sozialen Unterschied zwischen Sklaven und
Freien noch verschärft und fehlende Liebe untereinander ans
Licht bringt: Einige sind schon satt, bevor die anderen überhaupt
eingetroffen sind. Paulus hält ihnen vor: Wenn ihr ohne Rücksicht
auf die Schwächeren euch am Tisch des Herrn gütlich tut, ja
sie förmlich degradiert oder exkludiert, dann esst ihr euch das
Mahl des Herrn »zum Gericht«.
Die Ermahnung des Paulus ist klar: Wartet aufeinander! Gebt
acht aufeinander. Respektiert einander. Nur so seid ihr überzeugend
Gemeinde Christi.
Beide Beispiele zeigen, dass kulturelle und soziale Unterschiede
zur Exklusion auch unter Christen führen können. Aber
der Geist der Liebe hält dagegen, wird solidarisch und kreativ.
Auf diesem Hintergrund ruft Paulus die Geschichte der Einsetzung
aufs Neue oder zum ersten Mal der Gemeinde in Erinnerung.
Sinngemäß sagt er: Jesus hat sich für euch (alle) dahingegeben,
mit seinem Leib und seinem Blut. Das ist der neue Bund
Gottes mit seinem Volk, mit euch. Und er trägt euch auf, dieses
Mahl immer wieder zu feiern und damit das zu tun, was Jesus getan
hat, als er sich von seinen Jüngern verabschiedete. Mit diesem
gemeinsamen Essen sollt ihr den Menschen Gottes Heil verkündigen,
das untrennbar mit Jesu Tod verbunden ist. Wörtlich
sagt er: Sooft ihr von diesem Brot esst und von diesem Kelch trinkt,
verkündigt ihr des Herrn Tod, bis dass er kommt (1 Kor 11,26).
Damit steht das Handeln der Gemeinde unter einem großen
Vorzeichen. Kirchliches Tun ist getragen vom Versprechen Jesu,
dass er kommt und sich zuwendet. Zugleich hat dieses Versprechen
auch den Auftrag zur Wiederholung bei sich. Eingebettet ist
20 | Jochen Arnold
es zwischen zwei große Ereignisse, dem Tod und der Auferstehung
Christi zum einen und seiner Wiederkunft zum anderen.
Raum und Zeit werden auf großartige Weise in der Mahlfeier entschränkt
und zugleich das hereingeholt und vergegenwärtigt,
was unseren Raum und unsere Zeit in ein hoffnungsvolles Licht,
das Licht des ewigen Gottes, stellt.
Neben dieser raum-zeitlichen Inklusion treten weitere Motive
in der synoptischen Überlieferung (Mt 26 und Mk 14) hervor:
Ausdrücklich heißt es bei Markus und Matthäus: Für die Vielen
vergossen. Das griechische Wort polloi (= viele) steht für die
große Zahl aller Menschen (Mk 14,24 par Mt 26,28, vgl. Mk 10,45
par Mt 20,28). Deshalb übersetzt die katholische Kirche im
2. Hochgebet der Messe (Missale Romanum 1970) hier: »[…] das
für alle vergossen wird zur Vergebung der Sünden.«
Die Verifikation dieser inklusiven Aussage liefert die Geschichte
selbst: Denn auch Judas ist dabei. Sogar der Verräter bekommt
Teil am Mahl des Herrn in jener Nacht. Am Tisch Christi
sind Sünder jeder Art willkommen. Salopp gesagt: Auch schräge
Vögel werden satt.
Wenn wir uns heute auf ein »Inklusives Abendmahl« besinnen,
können wir uns also auf deutlich mehr berufen und besinnen
als »nur« auf das Abschiedsmahl Jesu mit den Jüngern. Oder
besser: Wir sehen Jesu letztes Mahl im Licht dessen, was davor
und danach geschah. Dafür sprechen auch die Überlieferungen,
wonach sogar der Auferstandene noch mit den Jüngern gegessen
hat (vgl. Lk 24,30 f. bzw. Joh 21,9–13). Jesus ist es selbst, der das
Brot bricht, dankt und austeilt. So werden sie gewahr, dass es Jesus
ist.
Bereits 1982 wurde dieser Gedanke vom Ökumenischen Rat
der Kirchen (Glaube und Kirchenverfassung) in Lima so formuliert:
»Die Mahlzeiten, von denen berichtet wird, daß Jesus an ihnen
während seiner irdischen Wirksamkeit teilgenommen hat, verkündigen
und stellen die Nähe des Gottesreiches dar, für das die
Speisungen der Menge ein Zeichen sind. Bei seinem letzten Mahl
war die Gemeinschaft des Gottesreiches verbunden mit einem
Ausblick auf Jesu zukünftiges Leiden. Nach seiner Auferstehung
ließ der Herr seine Jünger im Brechen des Brotes seine Auferstehung
erkennen. Die Eucharistie führt somit diese Mahlzeiten
Mit Gott am Tisch | 21
Jesu während seines irdischen Lebens und nach seiner Auferstehung
weiter und dies immer als ein Zeichen des Gottesreiches.« 4
Inklusion ist nicht nur etwas für diakonische Spezialisten, sondern
Zeichen der Verkündigung Jesu und des Reiches Gottes.
Eine inklusive Feier ist zentrales Motiv des christlichen Gottesdienstes
von der ersten Stunde des Wirkens Jesu an bis zu seiner
Wiederkunft. Sie spricht alle menschlichen Sinne an: Hören und
Sehen, Riechen, Schmecken und Tasten. Der ganze Christus ist
darin präsent: Jesus von Nazareth am Tisch mit Zöllnern, Pharisäern,
Prostituierten und römischen Besatzern, der ins Leiden
gehende Freund und der auferstandene Herr mit seinen Wundmalen.
4
Lima 1982: Taufe, Eucharistie und Amt. Konvergenzerklärungen der Kommission
für Glauben und Kirchenverfassung des Ökumenischen Rates der Kirchen,
Frankfurt a. M. 11 1987, Abschnitt E 1.
22 | Jochen Arnold
B
Inklusion in Kirche und Gottesdienst
3. »Wir wollen Inklusion« – eine praktisch-theologische
Perspektive
Drea Fröchtling
»Es ist normal, verschieden zu sein. Wir wollen Inklusion« 31 . Mit
diesem Titel wirbt eine Veröffentlichung der Evangelischen Kirche
in Deutschland für eine diversitätssensible Öffnung von Theologie,
Kirche und Gemeinde. Während Fragen von Inklusion in
der Pädagogik zu den langjährig diskutierten Handlungsfeldern
gehören, ist die Auseinandersetzung mit Inklusion als Querschnittsfrage
und -aufgabe jenseits von Diakonie, Baufragen und
Konfirmandenunterricht eher neuerer Natur. Inklusionsfragen
wurden bislang zum Großteil der Praktischen Theologie zugeordnet,
auch da allerdings eher als ›Randgebiet‹.
Im Folgenden soll Inklusion in aller Kürze als Konzept, als Anspruch
und als Aufgabe für Gottesdienst und kirchliches Handeln
dargestellt werden. In einem ersten Teil werden Unterschiede
zwischen Integration und Inklusion aufgezeigt. Ein
zweiter Abschnitt informiert kurz über den rechtlichen Rahmen
von Inklusion, ein dritter Abschnitt beleuchtet biblisch-theologische
Hintergründe zur Inklusion. Ein spezieller Fokus auf Gottesdienst
als Ort von Inklusion erfolgt im vierten Teil, während der
abschließende Teil auf Inklusion über den Gottesdienstraum hinausblickt.
3.1. Unterschiede zwischen Integration und Inklusion
Während das lat. inclusio mit Primärbedeutungen wie »Einschließung«
oder »Einschluss« eher negativ besetzt ist und u. a. in Kon-
31
Evangelische Kirche in Deutschland, Es ist normal, verschieden zu sein. Wir
wollen Inklusion, Leipzig 2019.
»Wir wollen Inklusion« – eine praktisch-theologische Perspektive | 39
texten wie Gefangennahme vorkommt, 32 hat Inklusion im deutschen
Sprachgebrauch eine positive Füllung. Hier wird der Begriff
in der Regel »als Sozialbegriff in einem engen Bedeutungszusammenhang
mit Dazugehörigkeit, Teilhabe und Gemeinschaftsbezug«
33 verwendet. In öffentlichen ebenso wie in akademischen
Diskursen gibt es allerdings unterschiedliche Vorstellungen davon,
was Integration und Inklusion bedeuten und was die beiden
Konzepte voneinander unterscheidet. In manchen Ansätzen wird
Inklusion dabei als eine Weiterentwicklung der Integration verstanden
(Exklusion – Segregation – Kooperation – Integration –
Inklusion); andere Konzepte differenzieren deutlich(er) zwischen
Integration und Inklusion und deren Prämissen.
Zu der letzteren Gruppe gehören Hinz u. a. Sie betonen die
grundlegend unterschiedlichen Voraussetzungen und Annahmen
von Integrations- und Inklusionskonzepten: Hierzu gehören
u. a. die Aspekte individuumsorientierter Ansatz (Integration) vs.
Systemischer Ansatz (Inklusion), Zwei-Gruppen-Theorie (Integration)
vs. Theorie einer ununterteilbaren heterogenen Gruppe
(Inklusion) und spezielle Förderpläne (Integration) vs. gemeinsame
Reflexion und Planung aller Beteiligter (Inklusion). 34 Inklusion
geht dabei von vornherein von Diversität als Normalzustand
aus. In den Worten von Schweiker: »In der inklusiven Pädagogik
wird die monistische Perspektive, d. h. die Sicht einer einheitlichen
Welterklärung und die dichotome Sichtweise von Menschen
›mit und ohne‹ aufgegeben. Inklusion ist unteilbar. Sie schließt
jedes Differenzmerkmal ein« 35 .
Bei Inklusion geht es u. a. um den Einbezug aller in Gesellschaft
und ihre sog. Funktionssysteme. Zum Einbezug in Funktionssys-
32
Eva Schattenmann, Inklusion und Bewusstseinsbildung. Die Notwendigkeit
bewusstseinsbildender Maßnahmen zur Verwirklichung von Inklusion in
Deutschland, Oberhausen 2014, Kap. 2.1.2., E-Book ohne Paginierung.
33
Wolfhard Schweiker, Prinzip Inklusion. Grundlagen einer interdisziplinären
Metatheorie in religionspädagogischer Perspektive, Göttingen 2017, 44.
34
Vgl. hierzu die konzeptionellen Überlegungen u. a. von Andreas Hinz, Von
der Integration zur Inklusion – terminologisches Spiel oder konzeptionelle Weiterentwicklung?
Zeitschrift für Heilpädagogik 9 (2002), 354–361 und ders., Vom
sonderpädagogischen Verständnis der Integration zum integrationspädagogischen
Verständnis der Inklusion!?, in: Irmtraud Schnell /Alfred Sander (Hg.), Inklusive
Pädagogik, Bad Heilbrunn 2004, 41–74.
35
Wolfhard Schweiker, Inklusive Praxis als Herausforderung praktisch-theologischer
Reflexion und kirchlicher Handlungsfelder, in: Johannes Eurich /Andreas
Lob-Hüdepohl (Hg.), Inklusive Kirche, Stuttgart 2011, 131–145, 135.
40 | Drea Fröchtling
teme wie z. B. Schule/Bildung oder Kirche/Religion gehört es, »die
Lebensbedingungen so zu gestalten, dass jede Person in ihrer unverwechselbaren
Einzigartigkeit unabhängig von Fähigkeiten
und Unfähigkeiten als vollwertiges Mitglied (full membership)
wahrgenommen und so unterstützt wird, dass niemand aus der
Gemeinschaft herausfällt, Ausgrenzungen werden von Anfang an
vermieden« 36 . »full membership« im Sinne von Inklusion wird
dabei von Schweiker verstanden als »die beziehungsreiche, gleichberechtigte
und vielfältige Gemeinschaft in der Differenz aller Mitglieder«
37 . Strukturveränderungen und die Bereitstellung von
Ressourcen allein reichen dabei nicht aus, um eine solche Gemeinschaft
zu gestalten; ein weitreichender Mentalitätswandel
gehört elementar zur inklusiven Gesellschaft dazu.
Ein solcher Mentalitätswandel basiert auf einem Perspektivwechsel.
Inklusionskonzepte sind ressourcenorientiert. Statt
einer defizit-fokussierten Sicht auf »Anders-sein« wird das spezifische
»So-sein« mit seinen jeweiligen Gaben und Stärken in den
Blick genommen. Schattenmann, im Rückgriff auf Lob-Hüdepohl,
integriert hier neben dem Teilhabe-Begriff auch den der
Teilgabe. Hierunter versteht sie u. a. das Einbringen vorhandener
Fähigkeiten und Kompetenzen in öffentliche Gestaltungsprozesse.
38
3.2. Inklusion: Begriff und rechtlicher Rahmen
Schweiker identifiziert für den Inklusionsbegriff vier sog. Klassifikationen:
a) drinnen – draußen: Zugang – Weggang, b) aktiv –
passiv dabei: Partizipation, c) Bezug – Anti-Bezug: Qualität der
Zugehörigkeit, d) rein – raus: Einbezogensein. 39
In seinem Grundlagenwerk, »Prinzip Inklusion«, untersucht
Schweiker dann u. a. Inklusion in Menschenrechtsvereinbarungen.
Dabei kommt er zu dem Ergebnis, dass im »International
Bill of Rights« Inklusion als expliziter Begriff nicht vorkommt. 40
Unter Zugrundelegung der oben genannten Klassifikationen
kommt Schweiker dann allerdings zu einer Neubewertung der
36
Ebd.
37
Schweiker, Prinzip Inklusion, 337.
38
Schattenmann, Inklusion, Kapitel 2.3.2., E-Book ohne Paginierung.
39
Schweiker, Prinzip Inklusion, 46 und 55–58.
40
A. a. O., 53.
»Wir wollen Inklusion« – eine praktisch-theologische Perspektive | 41
Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte in Bezug auf Inklusion.
Er stellt fest, »dass sich alle zentralen Wortfelder des Inklusionsbegriffs
in zahlreichen Formulierungen der allgemeinen
Menschenrechte von 1948 wiederfinden. Inklusion impliziert Bedeutungsinhalte
wie Zugang, Zugehörigkeit, Schutz und Mitwirkung,
die als Menschenrechte bereits im Gründungsdokument
fest verankert sind. Der Sache nach ist Inklusion im Kanon der
Menschenrechte nichts Neues.« 41
Die deutsche Gesetzgebung zu Fragen von Inklusion zeichnet
sich sowohl durch Diskriminierungsverbote als auch durch
unterstützende Maßnahmenpakete für Menschen mit Beeinträchtigungen
aus. So ist z. B. das Verbot der Benachteiligung von
Menschen aufgrund von Behinderung seit 1994 durch eine Ergänzungsformulierung
im Grundgesetz (GG) gesetzlich verankert,
42 während das Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen
(BGG) u. a. Barrierefreiheit regelt. Die Sozialgesetzbücher
SGB IX und XII nehmen Teilhabe, Selbstbestimmung und Rehabilitation
sowie Fragen der Eingliederung und Sozialhilfe in den
Blick. Darüber hinaus setzt sich das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz
(AGG) mit der Beseitigung von Nachteilen durch
Diskriminierungsfaktoren auseinander. Zu diesen gehören, neben
»Rasse«, ethnischer Herkunft, Geschlecht, Religion, Alter, Weltanschauung
und sexueller Identität, auch Behinderung.
Von spezieller Bedeutung ist die UN-Behindertenrechtskonvention
(UN-BRK), die in Deutschland seit März 2009 rechtsverbindlich
ist. Die UN-BRK greift den in der Salamanca-Erklärung
von 1994 formulierten Inklusionsbegriff auf und wendet sich dezidiert
gegen ein medizinisches Modell von Behinderung. Zentral
für die UN-BRK ist ein sozial-menschenrechtlicher Ansatz im
Verständnis von Beeinträchtigung, Behinderung und Inklusion.
In der UN-BRK findet das Inklusionsprinzip auf alle Lebensbereiche
Anwendung.
Die UN-BRK geht in der Präambel (e) davon aus, dass »Behinderung
als Wechselwirkung zwischen Menschen mit Beeinträchtigungen
und einstellungs- und umweltbedingten Barrieren entsteht,
die sie an der vollen und wirksamen Teilhabe auf Grundlage
der Gleichberechtigung mit anderen an der Gesellschaft hindern«.
Art. 3 der Konvention formuliert dann sog. »allgemeine
41
A. a. O., 57.
42
GG, Artikel 3, Abs. 3, Satz 2.
42 | Drea Fröchtling
Grundsätze«: Hierzu gehören u. a. die Würde und Autonomie des
Menschen, Entscheidungsfreiheit, das Recht auf Nichtdiskriminierung,
auf Teilhabe und auf vollen Einbezug sowie auf Chancen-
und Zugangsgleichheit.
Das Recht auf Inklusion im Sozialraum ist in Art. 19 UN-BRK
verankert. Graumann spricht hier von der Herausforderung,
»dass alle gemeindenahen Dienste und Infrastrukturen zukünftig
so gestaltet werden müssen, dass Menschen mit Behinderungen
einen gleichberechtigten Zugang dazu haben« 43 . Gleichberechtigung
in diesem Kontext bedeute sowohl die Erfahrung von
Wertschätzung zu ermöglichen als auch besondere Bedürfnisse
von Menschen mit Behinderungen zu berücksichtigen. 44
3.3. Theologisch-biblische Bezüge von Inklusion
Inklusion setzt eine hohe Wertschätzung von Diversität als ›Normalfall‹
voraus – also etwas, womit sich Religionsgemeinschaften
in der Regel eher schwertun. Kirchengeschichte ist an vielen
Stellen eine Geschichte der Normierung und der dogmatischen
Setzung, die über »drinnen« und »draußen« bestimmt (hat), angefangen
von dogmatischen Ab- und Ausgrenzungen und deren
Konsequenzen in Kolonialismus und Mission, über Fragen der
Ausgrenzung offen schwul oder lesbisch lebender Christen bis
hin zu Kontroversen um die Einstellung von Religionsarbeitern
und -arbeiterinnen mit Beeinträchtigungen oder sexuellen »Minderheitsidentitäten«.
Ein kritischer Blick auf Kirche als »Exklusionsagentur«
wäre sicherlich notwendig, kann aber an dieser
Stelle nicht geleistet werden.
Theologien ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts sind
zunehmend geprägt durch kontextuelle Zugänge zu biblischen
Texten. Gleichzeitig haben Themen wie Ökumene, Menschenrechte,
Dialog mit Menschen unterschiedlichen Glaubens und
die Frage nach einer politischen Theologie u. a. durch die Arbeit
des Ökumenischen Rates der Kirchen einen immer größeren
Stellenwert gewonnen. Menschliches Leben, Glauben und Hoffen
in herausfordernden Lebenssituationen nahm gegenüber de-
43
Sigrid Graumann, Menschenrecht ›Inklusion‹, in: Michaela Geiger /Matthias
Stracke-Bartholmai (Hg.), Inklusion denken – theologisch, biblisch, ökumenisch,
praktisch, Stuttgart 2017, 21–31, 26.
44
A. a. O., 29.
»Wir wollen Inklusion« – eine praktisch-theologische Perspektive | 43
duktiv-dogmatischen Zugängen auch im deutschsprachigen
Raum an Bedeutung zu, und Auseinandersetzungen um die Rolle
der Diakonie im Nationalsozialismus begannen. Fragen von Gerechtigkeit
und Ausgrenzung nahmen so immer mehr Raum ein,
und Kirche als (mögliche) »Inklusionsagentur« geriet stärker in
den Blick.
Schweiker spricht bezüglich des Selbstanspruchs von Theologie
und Kirche von »Vollinklusion«, und argumentiert: »Hinsichtlich
des Selbstanspruchs von Theologie und Kirche wird die
Prinzipienformel der Vollinklusion vertreten. […] Das Erlösungsgeschehen
gilt allen Menschen, darum soll das Evangelium auch
allen Völkern verkündet und alle sollen durch die Taufe in die Gemeinschaft
einbezogen werden …« 45
Im Diskurs um Inklusion haben sich in den letzten Jahrzehnten
u. a. die folgenden Haupt-Begründungszusammenhänge etabliert:
a) Schöpfungsglaube: Gottes Schöpfung zeichnet sich durch Vielfalt
aus; diese Vielfalt steht unter dem »Und siehe, es war alles
sehr gut!« des Schöpfers. Gott begibt sich in eine individuelle
Beziehung zum einzelnen Menschen (s. u. a. Jes 43,1: »Ich
habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein« oder
Ps 139,13: »Du hast mich gebildet im Mutterleib«). Verletzlichkeit
gehört zur Schöpfung dazu; Gemeinschaft wird in
Verschiedenheit gelebt.
b) Gottebenbildlichkeit des Menschen: 46 Gott schuf den Menschen
nach seinem Bilde (1 Mose 1,26); dies begründet seine Würde.
Hier betont Schweiker Unverlierbarkeit, Unteilbarkeit, Unbegreiflichkeit
und Unverfügbarkeit als »formale Bestimmungen
der Gottebenbildlichkeit des Menschen« – wir können
diese geschenkte Würde weder selbst herstellen noch verlieren.
47
c) Begabung des Menschen: Jeder Mensch ist auf die eine oder andere
Weise begabt allein dadurch, dass er Begabungen durch
Gott geschenkt bekommt (u. a. 1 Kor 12). Es gibt bei diesen
Begabungen keinerlei hierarchische Rangfolge, alle sind wich-
45
Schweiker, Prinzip Inklusion, 133.
46
Vgl. Johannes Heger/Christian Höger, Von der Integration zur Inklusion?
Wegmarken internationaler und nationaler Erklärungen, in: Sabine Pemsel-Maier/Mirjam
Schambeck (Hg.), Inklusion!? Religionspädagogische Einwürfe, Freiburg
i. Br. 2016, 73–93, 73.
47
Schweiker, Prinzip Inklusion, 314.
44 | Drea Fröchtling
tig. Als unterschiedliche Glieder des einen Leibes sind wir
aufeinander und auf Gott/Christus verwiesen. Nur in der Gemeinschaft
können wir Menschsein gemeinsam gestalten.
d) Jesus als menschliches Vorbild und gekreuzigter Gott: Als
» heruntergekommener« Gott kennt Jesus die Vulnerabilität
menschlicher Existenz, Marginalisierung und einen gewaltsamen
Tod. In Begegnungen mit Menschen stellt er diejenigen
in den Mittelpunkt, die entweder am Rande oder außerhalb
der Städte und Dörfer leben: Menschen mit Epilepsie,
Lepra-Erkrankungen und unterschiedlichen Formen körperlicher
Beeinträchtigung, Sexarbeiterinnen, Menschen in Armut,
Menschen, die den gesellschaftlichen Normen nicht entsprechen.
Körtner beschreibt diese Praxis Jesu als »Inklusion
von Ausgegrenzten« 48 .
e) Der Mensch als Gerechtfertigter: Jeder Mensch ist bedingungslos
angenommen von Gott und in seinem Da-Sein geschätzt
und geliebt. Gerechtfertigt wird unser Leben nicht aus Taten
heraus, sondern allein aus der akzeptierenden Liebe Gottes.
Schweiker geht noch einen Schritt weiter und beschreibt, im
Rückgriff auf die trinitarische Selbstentäußerung, Gott selbst als
»Inklusionsagenten«: »Der dreieinige Gott, der in einem Akt der
Selbstbegrenzung Mensch wird und die partizipierende Beziehung
mit dem ganz anderen (totaliter aliter) sucht, erweist sich
als ein ›Inklusionsagent‹« 49 . Auch Schäper greift Fragen von Alterität
auf und spricht in diesem Zusammenhang von einer Option
für die Anderen als Option für die Exkludierten. Hierbei grenzt
sie sich vom »othering« als »Vorgang der Distanzierung und Entwertung«
ab und favorisiert, angelehnt an Emmanuel Lévinas,
das Konzept der Alterität, das eine gegenseitige Verantwortung
füreinander impliziert. 50
48
Ulrich Körtner, Anerkennung, Rechtfertigung und Gerechtigkeit als Kernbegriffe
Diakonischer Ethik, in: Markus Dederich/Markus W. Schnell (Hg.), Anerkennung
und Gerechtigkeit in Heilpädagogik, Pflegewissenschaft und Medizin.
Auf dem Weg zu einer nichtexklusiven Ethik, Bielefeld 2014, 47–76, 54.
49
Schweiker, Prinzip Inklusion, 406.
50
Sabine Schäper, Inklusive Kirche – Kirche der Andersheiten?, in: Johannes
Eurich/Andreas Lob-Hüdepohl (Hg.), Behinderung – Profile inklusiver Theologie,
Diakonie und Kirche, Stuttgart 2014, 54–66, 60ff., 60.
»Wir wollen Inklusion« – eine praktisch-theologische Perspektive | 45
3.4. Inklusiver Gottesdienst
Gottesdienste nach Agende 1 sind über Jahrzehnte als angemessene
Form des gemeindlichen liturgischen Feierns und der Kommunikation
des Evangeliums gesehen worden. »Alle« waren und
sind als Zielgruppe gemeint. Mit der zunehmenden Auseinandersetzung
um unterschiedliche Milieus und divergente Gruppen-
und Einzel-Bedürfnisse kamen zielgruppenorientierte Gottesdienste
mehr und mehr in den Blick. Hierzu gehör(t)en u. a.
auch Gottesdienste für/mit Menschen mit Beeinträchtigungen
und/oder mit Demenz. Liedke und Wagner kritisieren in diesem
Zusammenhang zurecht die Praxis der »exkludierenden Inklusion«:
durch einen Sonderstatus wird eine Gruppe quasi-exkludiert;
die Exklusion führt dann zur gruppenspezifischen Inklusion
durch besondere Angebote, z. B. durch ebensolche Gottesdienste
für »besondere« Zielgruppen. 51
Inklusive Gottesdienste versuchen demgegenüber Gottesdienste
so zu gestalten, dass Liturgie, Verkündigung und Vergemeinschaftung
für unterschiedlichste Gruppen und Menschen
bedeutungsvoll, mitgestaltbar und nachvollziehbar sind. Orientierungspunkte
für die Gestaltung sind hier in der Regel Menschen
mit Beeinträchtigungen oder andere im Agende-1-Gottesdienst
eher marginalisierte Gruppen.
An dieser Stelle greift die Kritik von Stracke-Bartholmai: Er
verweist darauf, dass die Bezeichnung von bestimmten Gottesdiensten
als »inklusiv« gleichzeitig bedeutet, dass bestimmte
Menschen(gruppen) im »normalen« Gottesdienst eine Ausnahme
bilden. Auch löse die Bezeichnung »inklusiver Gottesdienst« weder
»das Problem einer exklusiven Theologie« noch die Gefahr,
dass ein ›inklusiver‹ Gottesdienst paternalistische Züge bekommen
könne, wenn Erfahrungen und Stimmen von »Inkludierten«
keinen Raum bekommen. 52
Rollen im Gottesdienst sind in der Regel klar verteilt auf »Leistungsrollen«
und »Publikumsrollen«. Während sich die Leistungs-
51
Ulf Liedke/Harald Wagner, Inklusionen. Sozialwissenschaftliche Grundlagen
für eine Praxistheorie der Teilhabe und Vielfalt, in: Ulf Liedke u. a. (Hg.), Inklusion.
Lehr- und Arbeitsbuch für professionelles Handeln in Kirche und Gesellschaft,
Stuttgart 2016, 9–37, 16.
52
Matthias Stracke-Bartholmai, Unterbrechungen – Inklusion queer gedacht
als Inspiration für den Gottesdienst, in: Michaela Geiger/Matthias Stracke-Bartholmai
(Hg.), Inklusion denken – theologisch, biblisch, ökumenisch, praktisch,
Stuttgart 2017, 57–89, 74.
46 | Drea Fröchtling
ollen primär auf Lektoren und Lektorinnen, Pastoren und Pastorinnen,
Diakone und Diakoninnen sowie Prädikanten und
Prädikantinnen verteilen, nimmt bei Agende-1-Gottesdiensten
die Gemeinde, soziologisch betrachtet, eher die Publikumsrolle
ein. Partizipation ist damit von vornherein eher responsorisch
und folgt vorgegebenen Pattern. Um Gottesdienste als »inklusiv«
bezeichnen zu können, müsste u. a. Partizipation auf wesentlich
breiterer Ebene gewährleistet sein. Ausgehend von den »UNESCO
Guidelines for Inclusion: Ensuring Access to Education for All«
aus dem Jahr 2005 erhebt Schweiker folgende Merkmale für Inklusion:
»Inklusion ist ein Prozess, der sich an der Diversität aller
Menschen orientiert […], zunehmende Partizipationen ermöglicht
und Exklusion in allen Lebensbereichen verringert. Dies beinhaltet
die Umstellungen und Veränderungen von Inhalten, Methoden,
Strukturen in der Perspektive einer gemeinsamen Vision
von Inklusion.« 53 Überträgt man dies auf den Gottesdienst, so bedeutet
das einen grundlegend anderen Ansatz gottesdienstlichen
Feierns.
Für den Bereich der Partizipation sieht Schweiker drei Aspekte:
Zugang/access, Zugehörigkeit/membership und Mitwirkung/take
part in: 54
a) Zugang: Das Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen
(BGG, Art. 4) beschreibt Barrierefreiheit wie folgt: Barrierefrei
sind alle von Menschen geschaffenen Lebensbereiche, z. B.
Bauten, Verkehrsmittel, Systeme der Informationsverarbeitung
und Kommunikationseinrichtungen, »wenn sie für Menschen
mit Behinderungen in der allgemein üblichen Weise,
ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde
Hilfe auffindbar, zugänglich und nutzbar sind«. Zugang zum
Gottesdienst wird häufig nicht nur durch Treppen, fehlende
Induktionsschleifen und den Mangel an Großdruckausgaben
des Gesangbuchs erschwert, sondern neben baulichen und
strukturellen Barrieren auch durch Barrieren didaktischer
Art. Liturgie und Predigt rechnen in der Regel mit Gottesdienstfeiernden,
für die eine diskursive Logik zugänglich ist
und die wortzentrierten Abläufen folgen können. Um Zugang
auch inhaltlich barrierefrei zu gestalten, muss der Gottes-
53
Schweiker, Prinzip Inklusion, 74.
54
A. a. O., 387.
»Wir wollen Inklusion« – eine praktisch-theologische Perspektive | 47
dienst grundlegend anders aufgebaut und strukturiert werden,
um »Inhalte« begreifbar werden zu lassen.
Zugehörigkeit: Zugehörigkeit zur christlichen Gemeinschaft
ist durch die Taufe gegeben. Zugehörigkeit steht auch nichtgetauften
Menschen offen – das Reich Gottes hat viele Wohnungen.
Was theologisch als gegeben erachtet wird, muss allerdings
auf der kommunikativen und der emotionalen
Ebene spürbar werden: »Indem Menschen sich einander
›mitteilen‹, lassen sie einander teilhaben an den eigenen Gedanken,
Bedürfnissen und Interessen. ›Teil-habe‹ stellt somit
eine Verbindung zwischen Menschen her. Folglich stiftet und
stärkt Kommunikation Gemeinschaft« 55 . Kommunikation,
die Gemeinschaft stiftet, braucht über liturgische Responsorien
hinaus Räume, in denen ein direkter Austausch und direkte
Begegnung stattfinden können. Gottesdienste müssen
dabei Zugehörigkeit als Befindlichkeit mit schaffen. Hierzu
eignet sich insbesondere das Abendmahl. In der liturgischen
Tischgemeinschaft kann Zugehörigkeit erfahrbar werden,
wenn der Gemeinschaftscharakter liturgisch hervorgehoben
wird. Zugehörigkeit ist dann gegeben, wenn Menschen sich
positiv gemeint und wertgeschätzt fühlen und wenn sie Formen
und Inhalte gottesdienstlichen Feierns für sich als »stimmig«
erleben.
b) Mitwirkung: Auf theologischer Ebene bietet das Priestertum
aller Gläubigen eine partizipative Basis. Fraglich bleibt dabei,
ob es eine Vollinklusion aller geben kann (und sollte), ohne
zwischen Leistungsrolle und Publikumsrolle zu diskriminieren.
56 Im Kontext Gottesdienst reicht das bloße Betonen des
Priestertums aller Gläubigen in der Regel nicht aus, um Partizipation
zu erleben. Hier gilt die Forderung von Seufert &
Frey-Seufert, auch die liturgische Verantwortung inklusiv zu
gestalten. 57
55
Cornelia Jager, Gottesdienst ohne Stufen. Ort der Begegnung für Menschen
mit und ohne geistige Behinderung, Stuttgart 2018, 116.
56
Schweiker, Prinzip Inklusion, 126.
57
Kyra Seufert/Gerd Frey-Seufert, »Mit dabei« – inklusiver Gottesdienst. Außergewöhnliche
Begegnung sensibilisiert für andere Lebenswelten, in: Johannes
Eurich/Andreas Lob-Hüdepohl (Hg.), Behinderung – Profile inklusiver Theologie,
Diakonie und Kirche, Stuttgart 2014, 277–283, 280.
48 | Drea Fröchtling
Seufert und Frey-Seufert legen 10 Thesen bezüglich inklusiver
Gottesdienste vor. 58 Ihre Ausgangsüberzeugung ist, dass »[j]ede
christliche Gemeinde […] von ihrem Auftrag und Selbstverständnis
her dazu aufgefordert [ist], inklusive Gottesdienste zu feiern«
59 . Das Ziel inklusiver Gottesdienste sehen sie darin, »die
biblische Botschaft erlebbar zu machen« 60 . Dieses »Erlebbar-Machen«
beinhaltet die bedingungslose Akzeptanz als Person und
das Wertgeschätzt-Werden als Geschöpf Gottes.
Folgende Elemente können dabei helfen, Gottesdienste inklusiver,
d. h. begreifbarer, sinnvoller und beziehungsorientierter zu
gestalten, auf der vertikalen wie auf der horizontalen Ebene:
1. Sprache: Kommunikative Exklusion geschieht häufig in Gottesdiensten,
die stark wort-zentriert sind; u. a. Menschen mit
Migrationshintergrund ohne Deutsch als Muttersprache fühlen
sich häufig in agendarischen lutherischen Gottesdiensten
nicht zu Hause. Leichte(re) Sprache kann hier inkludierend
wirken. Kurze Sätze, die nur eine Hauptaussage haben,
helfen beim Verstehen und machen »Inhalte« zugänglicher,
für alle. Bei Menschen, die mit Demenz oder anderen kognitiven
Beeinträchtigungen leben, braucht es häufig darüber hinaus
visuelle Hilfen wie Abbildungen und eine eher emotionale
Sprache in der Kommunikation. Aktive Satzformen sind leichter
verständlich als Passiv-Konstruktionen. Eine Trennung
von zusammengesetzten Hauptwörtern hilft z. B. bei ausgeteilten
Texten, den Sinn zu erfassen. Verbale Kommunikation
ist in der Regel verlangsamt bei Menschen mit Demenz, so
dass z. B. bei Liturgien genügend Raum für Antworten gegeben
werden muss.
2. Liturgie: Klassische Liturgien bieten für Menschen mit Demenz
ein oft sehr hilfreiches Orientierungsgerüst, weil das
Langzeitgedächtnis darauf häufig noch zugreifen kann. Für
Menschen mit anderen kognitiven Beeinträchtigungen und
für Deutschlernende eignen sich diese Liturgien in der Regel
nur bedingt, weil die Sprache altertümlich und wenig alltagsorientiert
ist. Hier kann stattdessen eine Mischung aus klassischen
Elementen und neuformulierten Passagen in leichter
Sprache zum Einsatz kommen. Es lohnt sich, Liturgien in of-
58
A. a. O., 279–281.
59
A. a. O., 279.
60
A. a. O., 280.
»Wir wollen Inklusion« – eine praktisch-theologische Perspektive | 49
fenen Workshops mit unterschiedlichsten Gemeindegruppen
zu thematisieren und daraus eine kontext- und bedürfnisorientierte
Liturgie zu entwickeln, die über einen längeren
Zeitraum regelmäßig zum Einsatz kommt. Anstelle einer Predigt
kann eine solche Liturgie z. B. Raum lassen für Bibliolog,
Bible sharing oder andere Zugänge, in denen Gottesdienstfeiernde
sich dem Text/Thema ebenso nähern können wie ihren
Mit-Feiernden im Gottesdienst. Je beteiligungsorientierter Liturgien
sind, desto stärker ist ihr integrierendes, partizipatorisches
Potential. Beteiligung kann dabei ganz unterschiedliche
Formen annehmen, vom moderierten Gespräch bis hin
zu frei formulierten Gebeten mit Symbolen.
3. Rituale: Rituale schaffen Sicherheit, wenn die eigene Welt, z. B.
durch das Erleben von Demenz, unüberschaubar und unerklärlich
geworden ist. Gleichzeitig schaffen Rituale, wenn sie
gemeinschaftlich ausgeführt werden, ein starkes Gefühl der
Zugehörigkeit. Solche Rituale können z. B. das gemeinsame
Anzünden von Kerzen bei der Fürbitte oder eine körperlich
erfahrbare Form der Segnung sein.
4. Kreativität: Kreative Elemente helfen bei der Aneignung von
Inhalten, und sie schaffen Gemeinschaft, wenn es sich um
kollektives Tun handelt. Kreative Elemente können aus dem
darstellenden Bereich (z. B. Anspiel, Arbeit mit Atelierpuppen,
Bibliolog) oder aus dem herstellenden Bereich kommen
(z. B. Arbeit mit Ton, Symbolerstellung, bemalte Ostereier
oder selbst gebastelte Weihnachtssterne als Hoffnungszeichen
etc.). Kreativität eröffnet einen unmittelbaren Zugang;
Inhalte werden so handhabbar.
5. Gemeinschaft erleben: Zahlreiche Menschen erfahren Exklusion
auf gesellschaftlicher Ebene, weil ihr Da-Sein oder ihr So-
Sein nicht den Normsetzungen einer Mehrheitsgesellschaft
oder einer Religionsgemeinschaft entspricht. Das Abendmahl
kann der gottesdienstliche Höhepunkt im Erleben von horizontaler
und vertikaler Gemeinschaft sein, vorausgesetzt,
dass es dementsprechend liturgisch eingebettet wird. Starkes
Gemeinschaftserleben wird auch im gemeinsamen Singen
und Musizieren deutlich – hier bietet es sich an, selbst gebaute
Instrumente im Gottesdienst zum Einsatz zu bringen.
Auch divers aufgestellte Vorbereitungsteams für Gottesdienste
eignen sich gut als Gemeinschafts-Raum.
50 | Drea Fröchtling
Inklusive Gemeinde ist, ebenso wie Inklusion als Gesamtansatz,
eine Vision, deren Umsetzung politischen Willen, mentale Bereitschaft,
Kreativität und eine grundlegende Orientierung an Diversität
als herzustellenden ›Normalfall‹ braucht. Stracke-Bartholmai
betont, dass es bei Inklusion auch um die Unterbrechung
der herrschenden Verhältnisse geht. 61 Er verweist darauf, dass
der Gottesdienst häufig unter der Perspektive der »Unterbrechung«
verstanden wird und fordert eine kritische Reflexion
langjähriger Praxis: »Wird der inklusive Moment […] als Anlass
zur kritischen Hinterfragung der eigenen Praxis genommen,
wird das, was ursprünglich als Unterbrechung auftrat, irgendwann
normal« 62 . Gottesdienste und Gemeinden brauchen diese
kritische (Selbst-)- Hinterfragung, um schrittweise diverser, inklusiver
und partizipatorischer zu werden.
3.5. Inklusion über den Gottesdienstraum hinaus
Als »traditionelle Perspektive« beschreibt Schäper den Fokus auf
individuelle Herausforderungen, vor denen einzelne Menschen
mit Beeinträchtigungen stehen. Für diese Menschen würden spezifische
(Gruppen-)Angebote gemacht. 63 Demgegenüber sieht sie
in der Inklusionsperspektive den Fokus auf Gemeinden und Kirche
als Ganzes gerichtet – damit werde Inklusion zum Auftrag
der Kirche und zur »Handlungsmaxime der Gemeindeleitung
und aller haupt- und ehrenamtlich Mitarbeitenden« 64 . Einen
ähnlichen Ansatz vertritt Schweiker, wenn er betont: »[I]nklusive
Praxis [ist] unteilbar und kann darum nicht auf einzelne kirchliche
Sektoren begrenzt werden. Sie erstreckt sich auf die Praxis
des gesamten Gottesvolkes […] und fordert alle kirchlichen Einrichtungen
und Werke heraus, alle Handlungsfelder und Kirchengemeinden«
65 . Teilhabe-Themen können nicht an Diakonie
61
Stracke-Bartholmai, Unterbrechungen, 75.
62
A. a. O., 88.
63
Sabine Schäper, Kirche als Inklusionsagentur und/oder -akteurin? – Chancen
und Widersprüche auf der Suche nach einer neuen Rolle, in: Johannes Eurich/Andreas
Lob-Hüdepohl (Hg.), Inklusive Kirche, Stuttgart 2011, 146–162,
hier: 152.
64
Ebd.
65
Schweiker, Inklusive Praxis, 141.
»Wir wollen Inklusion« – eine praktisch-theologische Perspektive | 51
und Caritas delegiert werden; sie betreffen kirchliches Leben,
Glauben und Handeln als Ganzes. 66
Schäper kennzeichnet Inklusion als Selbstverpflichtung – sie
»setzt die gemeinsame Verantwortung eines Gemeinwesens für
soziale Prozesse voraus« 67 . Eine solche Selbstverpflichtung erfolgt
in der EKD-Veröffentlichung »Es ist normal, verschieden zu sein:
Wir wollen Inklusion«: »Die Kirche will Menschen mit Behinderungen
ernst nehmen. Dafür muss sich die Kirche verändern.« 68
Als Teil dieses Veränderungsprozesses beschreibt die EKD den
Schritt weg von Fürsorge für eine Minderheit hin zu einem Patienten-Kollektiv
(Bach) oder einer Ermutigungsgemeinschaft
(Bollag), in der alle gegenseitig aufeinander verwiesen und angewiesen
sind und sich auf Augenhöhe begegnen. Im gegenwärtigen
kirchlichen Leben stellt die Veröffentlichung dabei noch
große Defizite fest: »Aber die Kirche hat noch einen weiten Weg
vor sich, damit sie eine inklusive Kirche wird. Die Arbeit der Kirchengemeinden
ist noch nicht vielfältig genug. Zum Beispiel treffen
sich in den Gemeinden oft keine Mitglieder mit Behinderungen.
Die meisten Mitglieder, die sich dort treffen, sind auch nicht
arm.« 69 Diese Aufzählung ließe sich sowohl milieuspezifisch auffächern
als auch in Bezug auf Menschen mit Migrationshintergrund
ergänzen.
Kirchenmitglieder haben, so Schweiker, nicht nur das Recht
auf barrierefreies Leben im Gemeinwesen, sondern auch auf »gestaltungsaktive
Teilhabe inmitten der kirchlichen Gemeinschaft«
70 . Dies setzt voraus, dass eine »Entdiakonisierung der
Wahrnehmung behinderter Menschen« erfolgt. 71 Gleiches gilt für
Menschen mit Migrationshintergrund, die vielfach eher als Objekte/Hilfeempfänger
diakonischen Handelns denn als Mitgestalter
kirchlichen Lebens und Handelns wahrgenommen werden.
Die Entwicklung und Umsetzung eines auf Kirche und
Gemeinde bezogenen »Nationalen Aktionsplans zur Umsetzung
66
Wolfhard Schweiker, Implikationen von Inklusion für Kirchengemeinden, in:
Johannes Eurich/Andreas Lob-Hüdepohl (Hg.), Behinderung – Profile inklusiver
Theologie, Diakonie und Kirche, Stuttgart 2014, 167–177, 172.
67
Schäper, Kirche als Inklusionsagentur, 154f., 155.
68
EKD, Inklusion, 42 (Fassung in leichter Sprache).
69
A. a. O., 51f., 52.
70
Schweiker, Implikationen, 173.
71
Ulf Liedke, Menschen. Leben. Vielfalt. Inklusion als Gabe und Aufgabe für
Kirchengemeinden, Pastoraltheologie 3 (2012), 71–86, 81.
52 | Drea Fröchtling
der UN-Behindertenrechtskonvention« wie er von der Bundesregierung
vorgelegt wurde, könnte dabei helfen, Inklusion als Querschnittsaufgabe
auf allen Ebenen kirchlichen Handelns zu verankern.
»Wir wollen Inklusion« – eine praktisch-theologische Perspektive | 53
C
Gottesdienst
und Abendmahl
inklusiv
6. Inklusion als Chance für Kirche und Gottesdienst –
praktische Thesen und Leitfragen
Jochen Arnold und Dirk Schliephake
»Die gewohnte Liturgie ist theologisch verantwortlich und sensibel
so zu gestalten, dass alle Menschen in ihren individuellen Besonderheiten,
ihren vielfältigen Lebens- und Glaubenserfahrungen
angemessen berücksichtigt werden und ohne Ausgrenzung
gemeinsam ein Fest der Verschiedenen feiern.« 82
Dieser Leitsatz von Ralph Kunz setzt eine neue Haltung aller
voraus, Ziel ist eine Barrierefreiheit in den Köpfen gegenüber
denen, die abweichen von sozialen, kulturellen und lokalen Gewohnheiten
und eine Überwindung von Ausschlusstendenzen
und Rollenfestlegungen. Wo Gottesdienst inklusiv gefeiert wird
oder besser: wo wir uns der inkludierenden Kraft der Liturgie anvertrauen,
entsteht eine Gemeinschaft der Hoffnung, der Liebe
und des Glaubens – immer wieder neu.
»Inklusion ist kein Akt der politischen Korrektheit und die volle
Gemeinschaft der Heiligen ist keine Sache des Anstands oder
eine Gnade, die Normale einer Gruppe von Abnormalen gewähren.
Inklusion ist ein Prozess, der auf Erhöhung der Partizipationsmöglichkeiten
aller Menschen abzielt, um so die geistlichen,
sozialen, kulturellen Ressourcen des Gottesdienstes für alle Menschen
zu erschließen, Gemeinde aufzubauen und Gemeinschaft
entstehen zu lassen. Gnade ist es, wenn uns das gelingt.« 83
82
Vgl. Ralph Kunz, Inklusive Gemeinde, in: Ders./Ulf Liedke, Handbuch Inklusion
in der Kirchengemeinde, Göttingen 2013, 96.
83
A. a. O., 95.
Inklusion als Chance für Kirche und Gottesdienst | 71
Wie wird diese inklusive Gemeinschaft im Gottesdienst
k onkret gestaltet?
1. Jeder kann kommen, so wie er ist (Willkommenskultur)
Glocken laden alle auf gleiche Weise ein. Ihre Schwingungen rufen
Menschen in die Nähe Gottes. Sie bringen die Gastfreundschaft
Gottes und der christlichen Gemeinde zum Klingen. Alle
werden dort geschwisterlich und mit gleicher Wertschätzung begrüßt.
Im Namen Gottes richten wir uns und unsere Herzen auf
den gemeinsamen Ursprung aus und öffnen uns für ein Feiern
auf gleicher Augenhöhe als Geschwister.
Können alle, die wollen, auch wirklich kommen? Gibt es eine Begleitung
oder einen Fahrdienst? Kommen alle an die Informationen
zum Gottesdienst heran? Ist ein barrierefreier Zugang möglich?
Können alle gut hören, sehen und bequem sitzen?
2. Leichte Sprache für elementare Zugänge und Erfahrungen
(Elementarisierung)
Im Gottesdienst sind möglichst viele Zugänge und Methoden elementar
und verständlich. Lebenswirklichkeiten und Glaubenserfahrungen
der verschiedenen Menschen werden wahr- und
ernstgenommen. Gebete und Predigten konzentrieren sich auf
elementare biblische Grundmotive. Die Sprache im Gottesdienst
enthält immer auch (liturgisch) Leichte Sprache. Dazu gehört der
Verzicht auf Verneinungen und auf Fremdwörter und Abstrakta.
Klare Verbformen (Indikativ und Imperativ) helfen ebenso wie
eine Aussage pro Satz (vgl. Arnold/Gidion/Martinsen).
Werden die Leitsätze der Leichten Sprache angewendet? Wo und
wie kommen eigene Glaubenserfahrungen ins Spiel? Konzentrieren
sich Texte und Lieder auf elementare biblische Motive?
3. Mit allen Sinnen Gottes Güte feiern (Sinnenhaftigkeit)
Besonders bedeutsam für die, die in einzelnen Sinnesbereichen
ihrer Wahrnehmung und Wahrnehmungsverarbeitung eingeschränkt
sind, ist die Beteiligung möglichst aller Sinne im Gottesdienst:
sehen, hören, riechen, schmecken, somatisch spüren,
Schwingungen erleben, sich bewegen. Gegenstände aus dem Alltag
oder der Bibel werden mit vielen Sinnen »begriffen«. Der Kirchenraum
und seine symbolische Gestaltung und die liturgi-
72 | Jochen Arnold und Dirk Schliephake
schen Farben des Kirchenjahres werden intensiv wahrgenommen.
Singen, Klänge und Musik (Orgelschwingungen) lassen den
eigenen Körper spüren. Die Predigten werden so gestaltet, dass
innere Bilder mit allen Sinnen erfahrbar werden.
Werden mindestens vier elementare Sinne angesprochen? Sind
Lieder und Musik sinnenreich und bringen den Körper zum Klingen?
Wird die Predigt mit vielen inneren, sinnengefüllten Bildern
gestaltet?
4. Der ganze Körper fühlt und schmeckt (Leiberfahrungen)
Berührung ist eine Grundgeste der Mitmenschlichkeit und leiblichen
Zuwendung. Im Gottesdienst findet ein sensibler Umgang
mit annehmenden und gebenden Berührungen statt, z. B. Segensgesten,
Handreichen, Friedensgruß, Salbung. Lieder und Gebete
werden mit Gebärden unterstützt. Das verstärkt ihre emotionale
Tiefe. Bibelworte werden nicht erklärt, sondern erzählt, gelesen
und zugesprochen. Biblische Geschichten werden erzählt, die die
Zuwendung Gottes leiblich erfahrbar machen. Gemeinsam wird
gegessen und getrunken und Tischgemeinschaft erlebt. Das
Abendmahl wird miteinander gefeiert: Christus kommt uns nahe.
Wir schmecken seine freundliche Zuwendung.
Welche Gesten der Zuwendung sind in diesem Gottesdienst erlebbar?
Werden Kinder und Menschen mit Behinderungen zum
Abendmahl eingeladen? Wie feiern wir regelmäßig im Gottesdienst
Tauferinnerung?
5. Mit Händen und Füßen (Handlungsorientierte Teilhabe)
Bewegung und Körpersprache im Gottesdienst sind mehr als Aufstehen
und Sich-Hinsetzen. Gebete, Psalmen, Lieder und Tänze
bieten gute handlungsorientierte Teilhabemöglichkeiten. Menschen
werden beteiligt nach ihren Möglichkeiten, Bewegungen
und Gesten spontan zu »erfinden« und mit allen auszuprobieren.
Es geht nicht um Perfektion, sondern um die Freude, den ganzen
Körper zur Ehre Gottes und zum eigenen Wohlbefinden einzusetzen.
Welche Lieder singen wir mit Bewegungen? Welchen Psalm beten
wir mit einer Gebärde?
Besteht Offenheit für spontane Bewegungen im Gottesdienst?
Inklusion als Chance für Kirche und Gottesdienst | 73
6. Gefühlen Raum geben (Emotionale Resonanzen)
Die Fähigkeit zu fühlen, zu lachen, zu weinen, wütend oder ängstlich
zu sein, haben alle Menschen gemeinsam. Im Gottesdienst
gibt es keine falschen Gefühle. Verschiedene Arten, wie Menschen
sich beteiligen und anwesend sind, ihre Gefühlsäußerungen und
ihre Mimik werden als Resonanz begrüßt und wertschätzend aufgenommen.
Emotionen werden, wenn es sein muss, eingegrenzt,
aber nicht entwertend verboten. Stimmungen und Emotionen
im Gottesdienst werden in Gebeten aufgenommen und geteilt:
»Freut euch mit den Fröhlichen, weint mit den Weinenden.«
(Röm 12,15)
Welche Gefühle bestimmen diesen Gottesdienst? Wie wird mit
Wut oder Trauer im Gottesdienst umgegangen? Werden Gefühlsäußerungen
in den Gebeten aufgenommen? Beklagen wir in den
Fürbitten einseitig das Leben von Kindern, Behinderten, Alten?
7. Einen heilsamen Rhythmus erleben
Wir feiern einen inklusiven Gottesdienst in einem rhythmischen
Wechsel von Passivität und Aktivität, Aufnehmen und Geben,
Stille und Bewegung. Es wechseln sich dialogische, meditative,
bewegende und erzählende Teile ab. Wir achten auf einen klanglichen
Wechsel von Gesprochenem und Gesungenem, Gesten
und Handlungen und vermeiden lange Phasen einer monologischen
Verkündigungsform. Wir achten besonders auf Momente
der Stille. Wir gestalten die Übergänge der einzelnen Phasen
möglichst ohne moderierende Worte, sondern mit akustischen
Signalen oder Liedern.
Wie sieht der Rhythmus dieses Gottesdienstes aus? Wo sind die
Momente der Stille und die bewegten Phasen? Wie gestalten wir
die Übergänge gut?
8. Erfahrungen mit Gott kommunizieren
(Erfahrungsorientiert erzählen)
Erfahrungen, die biblische Menschen mit Gott gemacht haben,
stehen im Zentrum der Kommunikation des Evangeliums. Diese
biblischen Erfahrungen verbinden sich mit den eigenen Glaubenserfahrungen,
erweitern, verändern oder deuten sie neu. Erfahrungen
werden in inneren Bildern im Gehirn gespeichert. Im
Gottesdienst werden diese inneren Bilder gebildet und erweitert.
74 | Jochen Arnold und Dirk Schliephake
Erzählen wir Bibelgeschichten mit inneren Bildern? Ermöglichen
wir Gespräche und das Einbringen eigener Erfahrungen? Erzählen
wir uns im Gottesdienst-Team von unseren eigenen Glaubenserfahrungen?
9. Rituale gemeinsam erfahren (Erinnernde Vorausahnung)
Feste, regelmäßig wiederkehrende Lieder, Psalmen, Rituale und
liturgische Abläufe stiften Ordnung, unterstützen Menschen,
sich zu orientieren, Handlungssicherheit zu gewinnen und heimisch
zu werden. Fest ritualisierte Abläufe stiften Gemeinschaft
und ein Wir-Gefühl. Rituale dienen der Vergewisserung und Heiligung:
Ich gehöre zu Gott. Wir gehören zur Gemeinschaft der
Heiligen (3 Mose 19,2). Regelmäßige Tauferinnerung ist wichtig
mit der biblischen Zusage: »Gott spricht: Du bist ein geliebtes
Kind Gottes.« Rituale werden möglichst von allen gemeinsam
vollzogen und versuchen, alle zu beteiligen. Besonders der Segen
am Ende des Gottesdienstes hat den Charakter einer verheißenen
Zusage. Mit »Amen« bekräftigen alle die Zusagen und Gebete.
Ja, so soll es sein.
Welche Rituale feiern wir regelmäßig im Gottesdienst? Ist der Ort
der Rituale und ihr Ablauf gut gewählt? Ist der Segen wirklich ein
Segen oder nur eine Segensbitte?
10. Differenzierte Vertiefungsmöglichkeiten eröffnen
Nicht alles muss von allen verstanden werden. Nicht alles wird für
alle gleich wichtig. Nicht alle müssen alles tun können. Aber für
jeden soll es eine Beteiligungsebene geben. Jede Person kann sich
ihren Möglichkeiten, Neigungen, Bedürfnissen entsprechend differenzierten
Angeboten zuwenden. Besonders bietet sich eine
Vertiefungsphase nach der Predigt dafür an: Die einen werden
kreativ, die anderen singen oder theologisieren. Differenzierung
bietet die Chance zu vertiefen, was für den Einzelnen wichtig geworden
ist. Angebote können gewählt werden, in denen unterschiedliche
Gaben, Neigungen, Fertigkeiten zum Einsatz kommen.
Menschen, die unscheinbar, unangepasst, gehörlos, blind,
geistig behindert sind, werden dadurch aktiv beteiligt.
Werden differenzierte Angebote vorbereitet für die Vertiefungsphase?
Welche räumlichen Möglichkeiten bieten sich an? Wird
prozessorientiert vertieft? Wie wird der individuelle Vertiefungsprozess
gewürdigt?
Inklusion als Chance für Kirche und Gottesdienst | 75
11. Kompetenzen stärken und selbst einbringen
Jede und jeder kann und soll sich seinen Begabungen gemäß einbringen.
Dabei werden die Menschen nicht im Blick auf ihre Defizite,
sondern auf ihre Kompetenzen hin betrachtet. Menschen
beteiligen sich gern dort, wo sie ihre Stärken haben. Unterschiedliche
Begabungen und Interessen kommen im Gottesdienst vor.
Menschen mit Behinderung und kleine Kinder dürfen nicht in
eine passive Objektrolle der Hilfsbedürftigen abgedrängt werden.
Sie sind selbstbestimmte Subjekte. Ihnen wird freundlich Assistenz
als Hilfe zur Selbsthilfe angeboten.
Wie gestalten wir eine Ermutigungskultur? Welche Partizipationsmöglichkeiten
bietet dieser Gottesdienst? Wie können wir
Talente von Gemeindegliedern und Mitarbeitenden entdecken?
12. Vergewisserung: die Kraft Gottes spüren
Im Gottesdienst wird jeder und jede in seinem/ihrem Selbstwertgefühl
und auch für den Alltag gestärkt. Im Gottesdienst erfährt
der/die Einzelne neue Kraft und Ermutigung, Vergewisserung
und Stärkung. Gottesdienste stärken Hoffnungen, trainieren
Liebe und vergewissern Glauben! Besonders im Abendmahl und
beim Segen wird diese Kraft Gottes erfahrbar. Aber auch durch
Wahrnehmung, Wertschätzung und Beteiligung im Gottesdienst.
Wie erfahren wir als Mitarbeitende die Kraft Gottes im Gottesdienst?
Segnen wir (einzelne) Menschen im Gottesdienst? Gehen
wir wertschätzend miteinander im Team um?
13. Spielen und Humor
Nicht nur Kinder spielen gerne. Im Spiel erfahren wir einen Raum
der Freiheit und Freude. Im Spiel begegnen wir einander und erwerben
alle wesentlichen Kompetenzen für das Leben. Inklusive
Liturgie ist immer auch spielende Liturgie. Gott kommt ins Spiel
und will mit uns die Freiheit des Reiches Gottes entdecken. Im
Spiel sind alle beteiligt und offen für Mitspielende und Erweiterung
der Spielmöglichkeiten. Am besten gelingen Spiele, wenn
sie mit Ernsthaftigkeit, aber auch mit Humor gespielt werden. Inklusive
Gottesdienste sind durchdrungen von einer humorvollen
Grundhaltung, die keinen Menschen beleidigt, lächerlich macht
oder auslacht. Diese Grundhaltung lässt mit Störungen gelassen
umgehen.
76 | Jochen Arnold und Dirk Schliephake
Gehen wir humorvoll an die Vorbereitung des Gottesdienstes?
Freuen wir uns auf das gemeinsame Spiel im Haus Gottes? Sind
wir bereit zum Mitspielen? Welche Kompetenzen werden beim
Spiel im Angesicht Gottes gestärkt?
14. Gottes Geist Raum geben
Vertrauen, dass Gottes Geist auch unter schwierigen Bedingungen
eines Gottesdienstes wirkt, heißt: Wir vertrauen, dass Gott
auch im Verborgenen gegenwärtig ist. Alle Menschen im Gottesdienst
haben Anspruch auf theologisch verantwortliche und liturgisch
gestaltete Begegnungen mit Gottes Nähe und Güte. Sie
haben Anspruch auf vollen Ernst und keine Banalisierungen. Im
Gottesdienst haben wir es immer mit dem lebendigen Gott zu
tun, dem Schöpfer des Himmels und der Erde, dem Herrn über
Leben und Tod. Darum sind Gottesdienste Orte, wo uns die Menschenfreundlichkeit
Gottes und seine Kraft begegnen: Immer
geht es dabei um Stärke und Schwäche, Widerstand und Ergebung,
Licht und Schatten. »Wo der Geist Gottes ist, da ist Freiheit.«
(2 Kor 3,17)
Wie finden wir Kraft, auch unter schwierigen Bedingungen Gottesdienst
zu feiern? Wie werden wir aus- und fortgebildet für den
Dienst der Verkündigung? Wer begleitet uns fachlich und seelsorglich?
15. Diakonische Solidarität stärken
Die inklusive Hoffnungskraft eines Gottesdienstes wirkt auch im
Alltag weiter. Besonders im Abendmahl, bei den Abkündigungen
und den Fürbitten wird die weltweite Solidarität mit Menschen
in Not und Mitverantwortung für Gottes Schöpfung feiernd und
betend eingeübt. Nicht Resignation oder bloßes Pflichtgefühl,
sondern eine lebendige Hoffnung nährt und inspiriert das diakonische
Handeln der Gemeinde. Gottesdienst und Diakonie, Beten
und Tun folgen aufeinander und sind zugleich untrennbar verbunden
wie zwei Seiten einer Medaille.
Ist die diakonische Dimension des Abendmahls spürbar? Kommen
aktuelle Themen der weltweiten Ungerechtigkeit zur Sprache?
Werden Menschen mit ihrer Lebenswirklichkeit beteiligt bei
den Fürbitten?
Inklusion als Chance für Kirche und Gottesdienst | 77
TEIL II:
Alle sind eingeladen –
Abendmahl inklusiv feiern
A
Schöpfung
und Schöpfungsgaben
Lobe den Herrn, meine Seele!
Ein Gottesdienst draußen [Psalm 104]
Susanne Paetzold
Vorüberlegungen
Psalm 104 fasziniert durch eindrucksvolle, mächtige Bilder, die
uns in Bewegung bringen. Gottes Fantasie und Fürsorge können
wir sehen, riechen und schmecken. Er stärkt unsere Seele und
unser Herz. Der Text lockt uns für den Gottesdienst nach draußen,
um uns unmittelbar in den Lichtglanz Gottes zu stellen. Daraus
ergibt sich eine Änderung der Abendmahlsliturgie.
Bei Sonnenschein wäre ein Gottesdienst draußen besonders
berührend, braucht allerdings technische Verstärkung, ausreichend
Sitzgelegenheiten und Sonnenschutz. Der Altar steht mitten
auf einer grünen Wiese. Die Gottesdienstgemeinde sitzt im
Kreis oder in Halbkreisen.
Bei schlechtem Wetter lassen sich manche Schöpfungsgaben
in die Kirche tragen und Vogelgezwitscher über die Lautsprecheranlage
einspielen. Mit der rechtzeitigen Zucht von Katzengras
lässt sich ein Altar im Kirchenraum »auf die Wiese« setzen.
Dann hat die gewohnte Abendmahlsliturgie ihren Platz.
Klang zum Votum: Sansula-Kalimba besonders schön in der
Stimmung »heavenly a«.
Stationen zum Flanieren vor, während oder nach dem Gottesdienst
sind unter »kreative Bausteine« ausgeführt.
Gottesdienst
Musik zum Eingang
Votum
Lobe den Herrn, meine Seele! | 129
Wir decken den Tisch
Liturgin: Die Schöpfung klingt.
Alle: Gott, dein Licht lässt Blumen blühen.
Kerzen anzünden; Blumen auf den Altar stellen – Musik: Kalimba, Orgel, o. Ä.
L: Die Liebe klingt.
A: Jesus Christus, du gingst ans Kreuz für uns.
Kreuz auf den Altar stellen – dazu Musik: Kalimba, Orgel, o. Ä.
L: Das Leben klingt.
A: Heiliger Geist, du hast Worte des Lebens für uns.
Bibel auf den Altar legen und aufschlagen – dazu Musik: Kalimba, Orgel, o. Ä.
Wir feiern Gott in unserer Mitte.
Amen.
Begrüßung
L: Guten Morgen, liebe Gemeinde. Der Glanz Gottes hüllt uns
ein, der Klang Gottes empfängt uns. Wir sind hier. Gotteserfahrungen
der Menschen aus alten Zeiten bringen unsere
Seele heute Morgen zum Klingen. In diesem Gottesdienst
sind Worte und Bilder aus Psalm 104 Gottes Geschenk an
uns. Seine Bilder sind Lebensproviant für die Seele und fröhlicher
Klang der Güte Gottes. Wir stehen in Gottes Schöpfung,
entdecken Gottes Gaben, wandeln im Glanz Gottes
und essen Brot beim Abendmahl. Gottes Freude kommt zu
Wort und bewegt uns.
»Denn wir essen Brot und leben vom Glanz«, schreibt Hilde
Domin im Gedicht »Die Heiligen«.
Dieser Spur folgen wir in diesem Gottesdienst, liebe Gemeinde.
Eingangsgebet
Lobe den HERRN, meine Seele!
Wie zahlreich sind deine Werke.
Du beschenkst uns jeden Tag.
Überschwänglich sorgst du für uns.
Wir genießen die Gaben deiner Schöpfung.
Im Abendmahl schmecken und sehen wir,
130 | Susanne Paetzold
wie freundlich du zu uns bist.
Lobe den HERRN, meine Seele!
Amen.
Gemeinsames Lied | Lobe den Herren, den mächtigen König
der Ehren (EG 316)
Kyrie
Mit all unserer Zerrissenheit sitzen wir an deinem Tisch –
erbarme dich.
Mit all unseren Sorgen sitzen wir an deinem Tisch –
erbarme dich.
Mit Krankheit und all unserem Schmerz sitzen wir an deinem
Tisch – erbarme dich.
Mit all unseren Erschöpfungen sitzen wir an deinem Tisch –
erbarme dich.
Mit all unserem Hunger nach Liebe sitzen wir an deinem Tisch –
erbarme dich.
Gloria 32-01 | Die Herrlichkeit des Herrn bleibe ewiglich (Kanon)
1.
F C B
F
Die
Que la
Herr
grâ
lich
ce
keit des Herrn blei
du Sei gneur
be
sub
e
siste
wig
à
lich,
ja mais,
2.
der
qu’il se
Herr
ré
freu
e
jou
sich
is se
sei ner
des ses
Wer
œu
ke!
vres!
3.
Ich will
Je chan
sin
te rai
gen
le
dem Herrn
Sei gneur
mein
tant
Le
que j’ex
ben lang;
is te rai;
4.
ich
je
will
cé
lo ben
lé bre
mei nen Gott,
rai mon Dieu
so
tant que
lang
je
ich
vi
bin.
vrai.
In: Durch Hohes und Tiefes 257, München 2009
Lobe den Herrn, meine Seele! | 131
Lesung aus Johannes 6
Jesus Christus spricht:
»Ich bin das Brot des Lebens. Eure Eltern haben in der Wüste das
Manna gegessen und sind gestorben. Dies ist das Brot, das vom
Himmel kommt, damit alle von ihm essen und so nicht mehr
sterben. Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel herabgestiegen
ist. Alle, die von diesem Brot essen, werden ewig leben.
Das Brot aber, das ich geben werde, ist mein Körper für das Leben
der Welt.« (Die Bibel in gerechter Sprache, Joh 6,48–51)
Glaubensbekenntnis
Wir stehen auf, bekennen unseren Glauben und singen:
Wir glauben: Gott ist in der Welt ( freiTöne = fT 137)
Predigtimpuls
Menschen sind Jäger und Sammlerinnen – schon immer. Das
steckt in unserem genetischen Bauplan. Das Wissen um logistische
Warenbestandsaufnahmen und politische Versprechen »es
gibt genug«, halten uns nicht davon ab: vom Sammeln. In der Corona-Krise
waren es Brotbackmischungen, Mehl und Klopapier.
Supermarktregale hinterlassen Botschaften an die Sammlerinnen
und Sammler: jeder bitte nur 2 Stück Hefe, 4 Liter Milch und
eine Packung Klopapier. Wir staunen. Nicht über leere Regale,
sondern über uns selber. Wir staunen, dass wir so sind.
Die Betenden des Psalms waren auch so. Gleicher genetischer
Bauplan wie wir. Was sie zum Leben brauchten, gab es nicht zu
kaufen. Sie waren angewiesen auf die Gaben der Schöpfung. Bevorratung
und Lagerhaltung waren nicht so ausgeprägt wie in
unseren Zeiten, aber es gab sie auch damals: Jäger und Sammler.
Was sie von uns unterscheidet?
Ihre Lebenseinstellung.
Vertrauen und Dankbarkeit.
Sie vertrauen darauf:
Da ist EINER, der gibt reichlich. So viel du brauchst und noch
mehr. Das Land ist voller Früchte.
Da ist EINER, der gibt großzügig. Als Zeichen der Verbundenheit.
Wein und Öl erfreue des Menschen Herz.
Da ist EINER, der gibt reichlich. Ich muss nur die Hand aufhalten.
Da ist EINER, der gibt großzügig. Ich darf mich freuen.
132 | Susanne Paetzold
Sie sind dankbar und wissen, WER es ist, der da gibt.
Sie staunen über Gott, den König und HERRN, über Fülle und
Reichtum und über Freude.
Lobe den HERRN, meine Seele und vergiss nicht, was er dir Gutes
getan hat, heißt es einen Psalm weiter vorn in der Bibel.
Wir sind heute gestellt in Gottes Schöpfung.
Vergesst das nicht und lasst euch beschenken.
Vertraut darauf und bleibt dankbar.
Wenn ich meine Hand auftue, empfange ich.
Wenn ich meine Hand auftue, wird sie gefüllt – nein, gesättigt mit
Gutem.
Satt.
Bin ich satt?
Was macht satt?
Was macht meine Seele satt?
Wir essen Brot und leben vom Glanz.
Wir stehen heute im Licht Gottes, halten die Hand auf und bekommen
Brot, das uns stärkt und Wein, der uns erfreut. Was die
Psalmbeter nicht ahnen, Gott ist unendlich großzügig. Gott gibt
mehr als Brot, Wein und Öl, Hoffnungszeichen des Heils.
Gott gibt sich selbst. Ganz. Für uns.
Gott kommt zu uns in Christus, dem wahren Licht. Folgen wir
ihm und wandeln im Licht des Lebens.
Gott kommt zu uns in Christus, dem Brot des Lebens. Kommen
wir zu ihm, dann werden wir nicht hungern. Jesus gibt sich
hin für das Leben der Welt. Wer von diesem Brot isst, der wird leben
in Ewigkeit.
Gott kommt zu uns in Christus, dem wahren Weinstock. Bleiben
wir in ihm, wenn wir Abendmahl feiern.
Im Abendmahl schmecken wir Gottes »DNA«. Seine Phantasie,
seine Weisheit, seine Liebe ist in die Schöpfung eingestiftet.
Gott gibt, wir dürfen empfangen, schmecken, uns stärken und
freuen. Gleich feiern wir miteinander Abendmahl. In diesem Moment
sind wir durch Christus eingestiftet in ein Leben mit Gott.
Wandeln wir in seinem Licht, essen von seinem Brot und trinken
vom wahren Weinstock.
Voller Vertrauen und dankbar stellen wir uns in Gottes Licht,
staunen, öffnen unsere Sinne und machen uns empfangsbereit.
Lobe den HERRN, meine Seele!
Lobe den Herrn, meine Seele! | 133
Körpergebet zu Psalm 104
Mitten auf grünem Gras in Gottes weiter Schöpfung
sind wir versammelt.
Wir kommen zum Tisch des HERRN.
Jeder mit seinen Erfahrungen, seiner Gestimmtheit,
seinen Sorgen oder seiner Freude.
Wir kommen in Kontakt mit den Worten aus Psalm 104.
Staunen und beten.
Jede, jeder für sich ganz persönlich.
Wer mag, steht auf und macht mit.
Eine steht neben den Sprechern und macht die Bewegungen vor.
A
B
Du breitest den Himmel aus wie ein Zelt;
der du das Erdreich gegründet hast auf festem Boden,
dass es nicht wankt und bleibt immer und ewiglich.
Gott sorgt für mich.
Ich stehe.
sicheren Stand suchen
Stehe fest auf sicherem Grund. locker in den Knien
Ich bin geerdet.
Geerdet im Glauben,
verwurzelt in Gott.
hin und her schwingen
Das Fundament seiner Schöpfung
ist Grund des Glaubens der Zeugen,
die schon vor mir gestaunt und
dieses Lied gesungen haben:
Alle Herr, wie sind deine Werke so groß und viel!
Du hast sie alle weise geordnet,
und die Erde ist voll deiner Güter.
A
B
HERR, mein Gott, du bist sehr groß;
in Hoheit und Pracht bist du gekleidet.
Licht ist dein Kleid, das du anhast.
Schaue und staune:
Gottes Schöpfung.
Der weite Himmel.
Die Landschaft.
Die Blumen und Bäume.
Licht und Schatten.
Du in der Schöpfung –
Schaue dich um
Schaue nach oben
nach links und rechts
Schaue auf den Boden
Stelle dich aufrecht hin
134 | Susanne Paetzold
mit anderen in der weiten Schöpfung Gottes.
Schaut euch an!
Gemeinde schaut sich an
Du stehst im Licht Gottes.
Spürst du es?
Alle Herr, wie sind deine Werke so groß und viel!
Du hast sie alle weise geordnet,
und die Erde ist voll deiner Güter.
A Du tränkst die Berge von oben her,
du machst das Land voll Früchte, die du schaffest.
Du lässest Gras wachsen für das Vieh
und Saat zu Nutz den Menschen,
B Lausche in die Schöpfung. Augen schließen
Höre das Zwitschern der Vögel. Hände hinter die Ohren
halten
Höre das Summen der Bienen.
Höre die Sonntagsstille.
Hörst du das Gras wachsen?
Alle Herr, wie sind deine Werke so groß und viel!
Du hast sie alle weise geordnet,
und die Erde ist voll deiner Güter.
A
Wenn du ihnen gibst, so sammeln sie;
wenn du deine Hand auftust,
so werden sie mit Gutem gesättigt.
B Halte deine Hände auf Hände zur Schale formen
und warte.
Stille
Du bekommst viel Gutes – so viel du brauchst.
Was brauchst du wirklich?
Alle Herr, wie sind deine Werke so groß und viel!
Du hast sie alle weise geordnet,
und die Erde ist voll deiner Güter.
A
Du bringst Brot aus der Erde hervor.
Wein erfreue des Menschen Herz
und sein Gesicht glänze vom Öl
und Brot stärke des Menschen Herz.
Lobe den Herrn, meine Seele! | 135
B
Manche Gabe lässt sich nicht sammeln.
Manche Schöpfungsgabe
muss noch werden.
Handflächen streichen
im Wechsel
Aus Saat und Früchten wird
Brot für den Alltag.
Brot auf den Tisch
stellen (Assistent/in 1)
Wein für das Fest.
Wein auf den Tisch stellen
(Liturgin)
Öl als Zeichen der Verbundenheit. Öl auf den Tisch stellen
(Assistent/in 2)
Spürt etwas vom Glanz Gottes, Salböl herumgeben und
einsalben
vom guten Duft des Lebens,
(Assistentin 1, Assistent
2, Liturgin)
Öl, das reinigt und pflegt.
Kannst du Gott genießen?
Alle Herr, wie sind deine Werke so groß und viel!
Du hast sie alle weise geordnet,
und die Erde ist voll deiner Güter.
A
Es wartet alles auf dich,
dass du ihnen Speise gebest zu seiner Zeit.
B Gott ist großzügig. Arme zum Himmel strecken
Abendmahl als Fest des Lebens
mitten im Alltag.
Kelch wird auf den Tisch
gestellt
An diesem Tisch »erfahren wir von dem Gott,
der vom Himmel gekommen ist,
um in die Schmerzen und
Arme vor der Brust kreuzen
Schönheit der Menschheit einzutreten«.
(Nadia Bolz-Weber)
Alle Herr, wie sind deine Werke so groß und viel!
Du hast sie alle weise geordnet,
und die Erde ist voll deiner Güter.
A
Du sendest aus deinen Atem,
so werden sie geschaffen,
und du machst neu das Antlitz der Erde.
B Ich atme ein tief einatmen
136 | Susanne Paetzold
und atme aus.
Was nimmt mir den Atem?
Was raubt mir die Kraft?
tief ausatmen,
Alle Herr, wie sind deine Werke so groß und viel!
Du hast sie alle weise geordnet,
und die Erde ist voll deiner Güter.
A
B
Die Herrlichkeit des HERRN bleibe ewiglich,
der HERR freue sich seiner Werke!
Lobe den HERRN, meine Seele!
Halleluja!
Sei gewiss:
Gott freut sich an seinen Geschöpfen.
Gott freut sich über dich.
Freut euch!
Singt Gott ein Lied:
Arme fallen lassen
Schwingen und bewegen
Gemeinsames Lied | Die Herrlichkeit des Herrn bleibe ewiglich
(Kanon)
In: Das Liederbuch »Lieder zwischen Himmel und Erde« Nr. 150
An dieser Stelle ist ein Schreittanz zum Kanon ein schönes Gemeinschaftserlebnis.
Abkündigung
Gemeinsames Lied | Wunderbarer König (EG 327)
Fürbitten
Gott, du sorgst für uns …
In allem Schweren stärke mich, in aller Trauer tröste mich.
Namen der Verstorbenen und aktuelle Anliegen einfügen.
Gott, du sorgst für uns …
Dankbar für alles Gute in meinem Leben.
Namen der Getauften und Brautpaare und aktuelle Anliegen
einfügen.
Lobe den Herrn, meine Seele! | 137
Gott, du sorgst für uns …
In deiner Verheißung stehen wir und
beten als Christen in der Welt.
Aktuelle Ereignisse und Anliegen aufnehmen.
Oder: Fürbitten mit Erzählgebet
Gott,
wir staunen über deine Schöpfung, über deinen Lebensatem.
Immer wieder ein neuer Anfang. Jeder Atemzug ein Geschenk.
Jeder Tag ein neuer Tag in deiner Welt.
Gott,
wir staunen und sind dankbar, für alles, was du uns schenkst.
Ich bin von Herzen dankbar für …
Wer mag, erzählt.
Gott,
wir staunen auch über Müll, Klimawandel und Zerstörung.
Alles hängt miteinander zusammen.
Das Licht und die Wolken,
der Regen und die Pflanzen,
Menschen und Tiere.
Gott,
wir sind ratlos und bitten dich für unsere Welt.
Ich achte die Schöpfung, indem ich …
Wer mag, erzählt einen Einsatz/Beitrag für die Natur.
Gott,
deine Werke sind so groß und so viel,
wir danken dir!
Amen.
Gemeinsames Lied | Aller Augen warten auf dich, Herre (fT 16)
Einladung
Gott will uns eine Freude machen.
Wir halten die Hände auf und empfangen Gutes!
Gottes gute Schöpfungsgaben.
Wir kommen an seinen Tisch,
halten die Hände auf und empfangen Brot.
Gottes strahlendes Wort erfüllt das
138 | Susanne Paetzold
von Menschen gemachte Brot.
Gott stärkt uns. Christus schenkt sich uns.
Er ist Geschmack des Himmels und der Glanz unseres Lebens.
Gebet
Wir kommen an deinen Tisch, halten die Hände auf und
empfangen dein Heil.
Du schenkst uns ein. Wein(-traubensaft), der unser Herz erfreut.
Du heilst uns an Leib und Seele.
Du machst uns satt für Alltag und Festzeiten.
Lobe den HERRN, meine Seele!
Gott, wir stehen fest in deinem Glanz.
Gott, wir bitten dich um deine heilsame Gegenwart.
Wir atmen ein und atmen aus.
Spüren deine Lebenskraft.
Kraft vom Himmel auf die Erde.
Alle warten, dass du ihnen Speise gibst zu ihrer Zeit.
Lied | Du bist heilig (fT 153)
Vaterunser
Einsetzungsworte
Einladung
Kommt und seht, wie freundlich der HERR ist.
Kommt, es ist alles bereit.
Das Brot des Lebens für dich.
Der Kelch des Heils für dich.
Austeilung mit Musik
Dankgebet
Gott, du bist großzügig.
Gott, du gibst reichlich.
Wir riechen und schmecken, wie freundlich du bist.
Wir danken dir, dass du uns stärkst an Leib und Seele!
Lobe den HERRN, meine Seele!
Lobe den Herrn, meine Seele! | 139
Gemeinsames Lied | Lobe den Herrn, meine Seele
(fT 80, auch als Kanon)
Entlassung und Segen
Musik zum Ausgang
Im Anschluss an den Gottesdienst
Schattenplätze einrichten. Liegestühle hinstellen.
Gaben aus Gottes Garten genießen: Kaffee, Wasser, Fruchtsäfte, Brot,
Obst, Gemüse.
Schaukel und Hängematten einrichten, wenn es der Kirch- bzw.
Pfarr garten hergeben.
Kreative Bausteine
Dusch-Stationen
Vor und nach dem Gottesdienst ist Gelegenheit zum Flanieren.
An drei Orten können sich die Besucherinnen und Besucher beschenken
lassen oder schöpferisch tätig werden. Gleichzeitig ist
es ein Ausweichort für kleine Kinder, die dem ganzen Gottesdienst
noch nicht folgen können. In der Zwischenzeit können sie
an den Orten wirksam werden, mit Licht spielen, mit den Händen
arbeiten, gute Worte pflücken und sich zusprechen lassen.
– »Licht ist dein Kleid, das du anhast«
Lichtdusche (z. B. Stehlampe)
Im Glanz Gottes duschen, Wärme spüren und
mit Licht spielen
– »Du tränkst die Berge von oben her,
du machst das Land voll Früchte«
Regendusche (z. B. Gartendusche) –
das Land ist voll und alles wächst:
Samen einpflanzen und gießen oder
Schöpfungsgarten gestalten
– »Du breitest den Himmel aus wie ein Zelt«
Segensdusche (z. B. Sonnenschirm)
Segensworte pflücken
eigene Karten gestalten und
zum Pflücken zur Verfügung stellen
140 | Susanne Paetzold
Psalm malen
Arbeitsplätze einrichten
Maluntergrund mit Kreppklebeband auf Holzplatten fixieren
Gemalt wird mit Jaxxon-Kreiden
Psalm hören
Psalm 104 wird zweimal gelesen
wirken lassen
Farben auswählen und Kreide holen
in Stille arbeiten
Einführung in die Stille, Arbeitsplatz abtasten und blind malen
Gefühlen nachspüren
mit offenen Augen und Lappen weitermalen und
mit Farben spielen
Galeriezeit
Bilder betrachten, Erfahrungen austauschen,
einen Ausschnitt auswählen und Passepartout kleben
Lobe den Herrn, meine Seele! | 141
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Druck und Binden: CPI books GmbH
ISBN 978-3-374-06621-6 // eISBN (PDF) 978-3-374-06732-9
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