30.06.2022 Aufrufe

Markus Wriedt | Werner Zager (Hrsg.): Martin Luther auf dem Reichstag zu Worms (Leseprobe)

Martin Luthers Widerrufverweigerung am 18. April 1521 auf dem Reichstag zu Worms zählt zu den Sternstunden der Reformation. Vor Kaiser und Reich bekannte sich Luther zu seinen theologischen Schriften. Was er geschrieben habe, könne er nicht widerrufen, wenn er nicht durch »Zeugnisse der Schrift oder klare Vernunftgründe« überwunden würde. Ansonsten fühlte er sich gebunden an sein im Wort Gottes gefangenes Gewissen. Die Beiträge des Bandes widmen sich zum einen diesem Ereignis selbst in seinem historischen Kontext. Zum anderen werden die Wirkungen von Luthers Auftritt in Worms behandelt: in der zeitgenössischen Publizistik, in bildlichen Darstellungen durch die Jahrhunderte und später im Film, in der protestantischen Geistes- und Kulturgeschichte, in Lutherfestspielen und in Feiern zu Reichstagsjubiläen seit dem 19. Jahrhundert.

Martin Luthers Widerrufverweigerung am 18. April 1521 auf dem Reichstag zu Worms zählt zu den Sternstunden der Reformation. Vor Kaiser und Reich bekannte sich Luther zu seinen theologischen Schriften. Was er geschrieben habe, könne er nicht widerrufen, wenn er nicht durch »Zeugnisse der Schrift oder klare Vernunftgründe« überwunden würde. Ansonsten fühlte er sich gebunden an sein im Wort Gottes gefangenes Gewissen.
Die Beiträge des Bandes widmen sich zum einen diesem Ereignis selbst in seinem historischen Kontext. Zum anderen werden die Wirkungen von Luthers Auftritt in Worms behandelt: in der zeitgenössischen Publizistik, in bildlichen Darstellungen durch die Jahrhunderte und später im Film, in der protestantischen Geistes- und Kulturgeschichte, in Lutherfestspielen und in Feiern zu Reichstagsjubiläen seit dem 19. Jahrhundert.

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

132 Hellmut Zschoch<br />

erneute Angebot, sich unterweisen <strong>zu</strong> lassen, wobei »das heilige, freie, lautere<br />

und klare Wort Gottes, […] billig soll oben schweben und aller Menschen<br />

Richter bleiben«. 12<br />

Dieses Insistieren <strong>auf</strong> <strong>dem</strong> inhaltlichen Maßstab einer theologischen<br />

Diskussion von <strong>Luther</strong>s Lehraussagen wird noch deutlicher in einer zweiten,<br />

etwas späteren Briefpublikation. Am 3. Mai schrieb <strong>Luther</strong> aus Erfurt<br />

an Graf Albrecht von Mansfeld; 13 die Publikation erfolgte freilich wohl »erst<br />

im Spätsommer«. 14<br />

Dass Albrecht den Verl<strong>auf</strong> des eigentlichen Verhörs<br />

kennt, ist vorausgesetzt. Der Brief dreht sich um die Vorgänge zwischen<br />

<strong>dem</strong> <strong>Reichstag</strong>s<strong>auf</strong>tritt und der Abreise <strong>Luther</strong>s. Deutlich hebt die Publikation<br />

die am 19. April offen bekundete lutherkritische Position des Kaisers<br />

hervor (»Erbittert <strong>auf</strong> mich« 15 ) und thematisiert aus den Nachverhandlungen<br />

den Konflikt zwischen den menschlichen und göttlichen Gehorsamsansprüchen.<br />

Auf die Ermahnung <strong>zu</strong>m Obrigkeitsgehorsam entgegnet <strong>Luther</strong> mit<br />

<strong>dem</strong> Vorbehalt, »[d]ass nicht etwas wider das heilige Evangelium erkannt<br />

und beschlossen würde«. 16 Er hebt deutlich hervor, dass es nicht um formale<br />

Unterwerfung unter irdische Autoritäten geht, seien sie kirchlich oder weltlich,<br />

sondern um die Sache, um die christliche Botschaft in ihrem Kern, und<br />

damit <strong>zu</strong>gleich um das Glaubensleben aller Christen: Ein Nachgeben sei nur<br />

möglich, »so viel <strong>dem</strong> Evangelium und Glauben leidlich wäre«. 17 In dieser<br />

Dimension postuliert <strong>Luther</strong> hier den freien Christenmenschen, denn »Glaube<br />

und Wort Gottes ist jedermann eigen in der ganzen Gemeinde«. 18 Dass<br />

12<br />

A.a.O., S. 317,114 f.<br />

13<br />

WA.B 2, S. 319-329 (Nr. 404). Drucke: VD16: L 5470, 5471 (Augsburg, »Ein Missive,<br />

so Doktor <strong>Martin</strong> <strong>Luther</strong> nach seinem Abschied <strong>zu</strong> <strong>Worms</strong> einem gebornen Grafen,<br />

seinem vertrauten und liebgehabten, <strong>zu</strong>geschrieben hat seiner Handlung halben<br />

[…]«), L 5472 (Leipzig, »Geschicht und Handlung Doktor <strong>Martin</strong>us <strong>Luther</strong> belangend<br />

[…]«). Vgl. Th. K<strong>auf</strong>mann, »Hier stehe ich!« (s. Anm. 1), S. 70 f.<br />

14<br />

15<br />

16<br />

17<br />

WA.B 2, S. 320.<br />

A.a.O., S. 321,10.<br />

A.a.O., S. 323,77 f.<br />

A.a.O., S. 324,116 f.<br />

18<br />

A.a.O., S. 325,151 f. Vgl. <strong>zu</strong> diesem Motiv: Hellmut Zschoch, Der Christenmensch.<br />

Profilierung und Popularisierung des (christlichen) Individuums in der frühen<br />

Reformation, in: Annette Kurschus / Vicco von Bülow (Hgg.), Die Entdeckung

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!