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Katharina Will: Stiftungen und Reformation (Leseprobe)

Die Stiftungsurkunden und Testamente des 16. und frühen 17. Jahrhunderts bieten einen bedeutenden Einblick in die Rezeption der reformatorischen Veränderungen und das erstarkende Selbstbewusstsein der Bürgerinnen und Bürger im Sinne des »Priestertums aller Getauften«. Anhand dieses Quellenmaterials setzt sich die vorliegende Studie mit der Transformation des Stiftungswesens unter Berücksichtigung der Vielfalt der Reformation auseinander. Ein besonderes Augenmerk gilt dabei den religiösen Argumentationsmustern und der Frage, inwiefern sich Stiftungen als Gaben verstehen lassen.

Die Stiftungsurkunden und Testamente des 16. und frühen 17. Jahrhunderts bieten einen bedeutenden Einblick in die Rezeption der reformatorischen Veränderungen und das erstarkende Selbstbewusstsein der Bürgerinnen und Bürger im Sinne des »Priestertums aller Getauften«. Anhand dieses Quellenmaterials setzt sich die vorliegende Studie mit der Transformation des Stiftungswesens unter Berücksichtigung der Vielfalt der Reformation auseinander. Ein besonderes Augenmerk gilt dabei den religiösen Argumentationsmustern und der Frage, inwiefern sich Stiftungen als Gaben verstehen lassen.

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16 I. Einleitung<br />

Liermanns Geschichte des Stiftungsrechts von 2002 wurde daher ein Beitrag<br />

Michael Borgoltes vorangestellt, der Liermanns Abhandlung kritisch würdigt.<br />

Neben der zu geringen Beachtung religiöser Aspekte weist Borgolte vor allem auf<br />

die Unvollständigkeit der Beschreibung Liermanns <strong>und</strong> darauf hin, dass <strong>Stiftungen</strong><br />

im 16. Jahrh<strong>und</strong>ert noch nicht als juristische Personen zu begreifen<br />

waren, wovon Liermann ausgegangen war. 17 Gerade an letzterem Kritikpunkt<br />

lässt sich beobachten, inwiefern diePerspektive des Forschenden – in diesem Fall<br />

der rechtshistorische Blickwinkel – Einfluss auf das Ergebnis der Forschung<br />

nehmen kann: Eine Stiftung wird heutzutage als juristische Person betrachtet, für<br />

das 16. <strong>und</strong> frühe 17. Jahrh<strong>und</strong>ert stellt diese Interpretation jedoch einen Anachronismus<br />

dar.<br />

Die rechtshistorische Stiftungsforschung wandte sich – neben einem umfassenden<br />

geschichtlichen Überblick – einzelnen Problemfällen aus dem Verlauf<br />

der Geschichte zu. Für die vorliegende Untersuchung ist allem voran die Frage<br />

nach dem Umgangmit dem Kirchengut im 16. Jahrh<strong>und</strong>ert relevant. Infolge der<br />

reformatorischen Veränderungen kam es zu Umwidmungen von Kirchengut,<br />

etwa von Kirchen <strong>und</strong> Klöstern, entsprechend der reformatorischen Überzeugungen.<br />

Bereits seit Anfang des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts beschäftigten sich eine Reihe<br />

von Darstellungen mit diesem Thema. Dabei waren jedoch weniger die genauen<br />

geschichtlichen Ursachen, Anlässe <strong>und</strong> Abläufe von Belang als vielmehr die<br />

Bewertung der Umwidmungen aus juristischer Perspektive. Soging beispielsweise<br />

Hans Lehnert auf die Frage ein, obdie Umwidmungen von <strong>Stiftungen</strong> im<br />

16. Jahrh<strong>und</strong>ert als Übergang des Eigentums zu bewerten seien – seiner Ansicht<br />

nach nicht –, <strong>und</strong> unterschied zwischen verschiedenen rechtlichen Formen der<br />

Umwidmungen. 18 Diese Unterscheidung wurde später durch Martin Heckel im<br />

Zusammenhang mit dem »Problem der ›Säkularisation‹ in der <strong>Reformation</strong>«<br />

wieder aufgegriffen. 19 Klaus Besseys Studie von 1968 thematisierte die Interpretation<br />

des Kirchenguts durch protestantische Juristen vor <strong>und</strong> nach 1555,<br />

orientierte sich dabei jedoch vor allem an den Territorien, nicht an den Reichsstädten.<br />

20 Andere Forschungenboten anhand eines konkreten Beispiels Einblick<br />

17<br />

Vgl. Michael Borgolte, Vonder Geschichte des Stiftungsrechts zur Geschichte der <strong>Stiftungen</strong>,<br />

in: Axel Freiherr von Campenhausen/Christoph Mecking (Hgg.), Geschichte des<br />

Stiftungsrechts, Tübingen 2 2002, 13*–22*; vgl. auch ders., Die <strong>Stiftungen</strong> des Mittelalters, 7;<br />

Schulze, Art. Stiftungsrecht, 1980; Pennitz, §80–89, 273–276.<br />

18<br />

Vgl. Hans Lehnert, Kirchengut <strong>und</strong> <strong>Reformation</strong>. Eine kirchenrechtsgeschichtliche<br />

Studie, Erlangen 1935, 20–25.50–135.<br />

19<br />

Vgl. Martin Heckel, Das Problem der »Säkularisation« in der <strong>Reformation</strong>, in: Irene<br />

Crusius (Hg.), Zur Säkularisation geistlicher Institutionen im 16. <strong>und</strong> im 18./19. Jahrh<strong>und</strong>ert,<br />

Göttingen 1996, 41–43.<br />

20<br />

Vgl. Klaus Bessey, Das Kirchengut nach der Lehre der evangelischen Juristen<br />

Deutschlands im ersten Jahrh<strong>und</strong>ert nach der <strong>Reformation</strong>, Stuttgart 1968.

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